Inhalt

FG München, Urteil v. 09.07.2024 – 12 K 38/24
Titel:

Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts

Normenketten:
AO § 34, § 130, § 256, § 328, § 332
FGO § 44 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung besteht auch bei bestandskräftiger Zwangsgeldfestsetzung, weil der Steuerpflichtige bei Aufhebung der Zwangsgeldandrohung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts nach § 130 AO hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung hat.  
2. Mit den Rechtsbehelfen gegen die Zwangsgeldandrohung kann geltend gemacht werden, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht gegeben sind, denn gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO muss ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, vorliegen.  
Schlagworte:
Androhungsverfügung, Eingangsstempel, Rückzahlung, Einspruchsfrist, Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26751

Tenor

1. Die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I.
1
Dem Beklagten, dem Finanzamt, wurde von einem seiner Vollziehungsbeamten mitgeteilt, dass im Rahmen von Beitreibungsmaßnahmen gegen […] (LI), in der Wohnung der Klägerin Ausgangsrechnungen einer Firma […] (F& I) über insgesamt 151.909,11 € vorgefunden worden seien. Auf diesen Rechnungen sei die Steuernummer [123/123] angegeben gewesen; dies sei die persönliche Steuernummer der Klägerin. Die Klägerin habe aktuell kein Gewerbe angemeldet und eine mögliche […] (F& I GbR) sei steuerlich nicht erfasst. Die Zahlungen des Kunden auf die Rechnungen in Höhe von insgesamt 56.791,84 € seien auf das Konto der Klägerin bei der […Sparkasse L-Stadt] überwiesen worden.
2
Mit Bescheid vom 7. Mai 2020 (unter dem Az. P10) forderte das Finanzamt die F& I GbR unter der Adresse der Klägerin auf, zur steuerlichen Erfassung einer neu gegründeten Personengesellschaft bis zum 3. Juni 2019 (sic!) den ausgefüllten Fragebogen nach amtlichem Vordruck vorzulegen, sowie eine Abschrift aller Verträge und Schriftstücke die mit der Gründung der Personengesellschaft in Zusammenhang stehen (wegen des weiteren Inhalts wird auf diesen Bescheid verwiesen; Dauerunterlagen, Schriftwechsel, Bl 1).
3
Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 teilte die Klägerin dem Finanzamt (unter der StNr. [123/123]) mit, dass Sie für 2019 keine Steuererklärung abgeben könne, da sie keine Einnahmen gehabt habe.
4
Mit Schreiben vom 14. Juli 2020 erinnerte der Beklagte (unter dem Az. P10) an die Aufforderung im Schreiben vom 7. Mai 2020 und forderte die Klägerin zur Erledigung bis 4. August 2020 auf.
5
Nachdem die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, drohte der Beklagte mit Verwaltungsakt vom 26. August 2020 (wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen; Rechtsbehelfsakte <Rb-A> Bl 2) unter dem Az. P10 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € an. Die Betreffzeile lautete wörtlich: „Androhung eines Zwangsgeldes […] für die F& I GbR (Erklärungspflichtige)“. Die Aufforderung in diesem Bescheid lautete (wörtlich; zum Teil wiedergegeben): „[…] die Erklärungspflichtige ist der Aufforderung vom 07.05.2020, den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abzugeben, bisher nicht nachgekommen. […] Nach den unten angegebenen Vorschriften ist sie zur Abgabe verpflichtet. Ich bitte sie daher nochmals, diesen Steuererklärung/Steueranmeldung nunmehr spätestens bis zum 23.09.2020 an das Finanzamt zu übermitteln. Sollte die Erklärungspflichtige auch dieser Aufforderung keine Folge leisten, wird gegen sie nach §§ 328, 333 AO ein Zwangsgeld in folgender Höhe festgesetzt.“
6
Im unmittelbaren Anschluss an diesen Text ist die folgende Tabelle abgebildet:

Bisher nicht abgegeben

Abgabeverpflichtung gemäß § 149 AO

in Verbindung mit

Übermittlung/Abgabe nach amtlich vorgeschriebenem

Datensatz/Vordruck

Angedrohtes Zwangsgeld

Fragebogen zur steuerlichen Erfassung

§§ 90, 93, 97 AO

Vordruck

1.000 €

Zusammen:

1.000 €

7
Die Klägerin reichte in der Folge den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung nicht beim Beklagten ein. Mit Verwaltungsakt vom 30. September 2020 setzte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € unter dem Az. [456/456] für die F& I GbR fest.
8
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 (Donnerstag), das ausweislich des Eingangsstempels beim Finanzamt am 6. Oktober 2020 (Frühleerung) (Dienstag) eingegangen ist, legte die Klägerin Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung ein. In der Betreffzeile ist formuliert: Ihr Schreiben vom 26.8.2020, meine Schreiben vom 18.6.2020 und 29.8.2020 beide mit Einschreiben (Rb-A Bl 6).
9
In der vom Beklagten zum Klageverfahren an das Finanzgericht vorgelegten Rechtsbehelfsakte befinden sich zwei Schreiben der Klägerin vom 29. August 2020 (ohne Unterschrift und ohne Eingangsstempel). In dem ersten Schreiben vom 29. August 2020 teilt die Klägerin dem Finanzamt (adressiert an Frau […] MM) mit, dass sie nie einem Kleingewerbe nachgegangen sei und auch nie eine Rechnung ausgestellt habe. Aus diesem Grund könne sie auch keine Einkommensteuererklärung abgeben. Sie wisse nicht wie ihre Steuernummer auf die Rechnung gekommen sei. In der Betreffzeile dieses Schreibens ist formuliert: „Ihr Schreiben vom 26.08.2020“ (Rb-Akte Bl 4; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen). In dem zweiten Schreiben vom 29. August 2020 wird dem Finanzamt (adressiert an Frau […] LL) von der Klägerin derselbe Inhalt mitgeteilt. In diesem Schreiben ist in der Betreffzeile formuliert: „[123/123] Ihr Schreiben vom 06.08.2020“ (Rb-Akte Bl 5) und außerdem ist noch eine Kopie eines Einlieferungsbeleg über zwei Einwurfeinschreiben an das Finanzamt vom 31. August 2020 auf diesem Blatt ersichtlich. Zum ersten Einschreiben mit Sendungsnummer RT [444] 0DE ist vermerkt „Finanzamt [… C-Straße]“ und zum zweiten Einschreiben mit Sendungsnummer RT [555] 3DE ist vermerkt „- - [… H-Straße]“.
10
Das Finanzamt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 mit, dass der Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 verspätet am 5. Oktober 2020 beim Finanzamt eingegangen sei. Außerdem sei der Einspruch mit Verweis auf mehrere Schreiben begründet worden, die an die Einkommensteuerstelle unter Angabe der persönlichen Einkommenssteuernummer versendet worden seien. In keinem der Briefe sei aber Bezug auf die F& I GbR genommen und es sei auch nicht das Aktenzeichen P10 angegeben gewesen. Auch sei keiner der Briefe an Frau MM direkt adressiert gewesen.
11
Mit einem auf den 18. Oktober 2020 datierten Schreiben, das den Eingangsstempel des Finanzamts vom 11. November 2020 trägt, teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, dass sie ihren Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung nicht zurücknehme.
12
Mit einem weiteren Schreiben vom 12. November 2020 forderte das Finanzamt die Klägerin nochmals auf, ihren Einspruch zurückzunehmen und wies darauf hin, dass das festgesetzte Zwangsgeld seit dem 19. Oktober 2020 fällig sei. Außerdem wies das Finanzamt mit Schreiben vom 20. November 2020 daraufhin, dass sich alle Schreiben des Finanzamts auf die fehlende Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung der F& I GbR beziehen würden. Die Schreiben der Klägerin würden sich dagegen alle auf eine vermeintliche Befreiung von der Abgabe der Einkommensteuererklärungen beziehen. Auf die weitere Aufforderung des Finanzamts vom 5. März 2021, den Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung zurückzunehmen, teilte die Klägerin mit Schreiben vom 8. März 2021 mit, dass sie den Einspruch nicht zurücknehmen werde.
13
Die Vollstreckungsstelle des Finanzamtes erstellte am 5. November 2020 eine Vollstreckungsankündigung über das Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € und forderte die Klägerin auf, den rückständigen Gesamtbetrag bis zum 16. November 2020 zu bezahlen (Dauerunterlagen, Vo, Bl 5). Für den Fall der Nichtzahlung wurden Vollstreckungsmaßnahmen angedroht. Am 12. November 2020 übersandte die Klägerin eine Kopie ihres Schreibens vom 18. Oktober 2020 erneut an das Finanzamt, diesmal an die Vollstreckungsstelle (Dauerunterlagen, Vo, Bl 22). Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 25. November 2020 (Dauerunterlagen, Vo, Bl 13) pfändete das Finanzamt das Girokonto der Klägerin bei der [… Sparkasse] wegen Rückständen in Höhe von 1.028,69 € (Zwangsgeld 1.000,00 €, Vollstreckungskosten 26,00 €, Auslagen 2,69 €). In ihrer Drittschuldnererklärung vom 27. November 2020 führte die Sparkasse aus, dass das von der Pfändung betroffene Konto im Zeitpunkt der Pfändung kein Guthaben auswies. Die Forderung werde jedoch als begründet anerkannt und die Sparkasse sei bereit, in Höhe des pfändbaren Guthabens Zahlungen zu leisten. Den Vollstreckungsauftrag vom 2. Dezember 2020 gab der Vollziehungsbeamte am 16. Dezember 2020 zurück und begründete dies mit dem Stichwort „0 AD wg. Corona“. Am 7. Januar 2021 reichte die Vollstreckungsstelle den Vollstreckungsfall an die Veranlagungsstelle zurück und teilte mit, dass das Zwangsgeld durch Zahlung aus der Kontopfändung erledigt sei (Dauerunterlagen, Vo, Bl 1).
14
Mit E-Mail vom 17. Dezember 2020 (Dauerunterlagen, Schriftwechsel, Bl 25-27) übermittelte die Klägerin dem Finanzamt als Anhang zwei Schreiben vom 15. Dezember 2020. In dem ersten Schreiben teilte sie dem Finanzamt mit, dass es nie eine gemeinsame Firma mit LI gegeben habe und sie ihm nur erlaubt habe, Überweisungen auf ihr Bankkonto vornehmen zu lassen. Sie habe diese Gelder an LI in vollem Umfang ausbezahlt. Das zweite Schreiben enthielt einen Strafantrag gegen die Finanzbeamtin (Sachbearbeiterin) wegen Amtsmissbrauch und Nötigung und war an die Staatsanwaltschaft L-Stadt […] adressiert. In einem Aktenvermerk zu dieser E-Mail vertrat die Sachbearbeiterin die Auffassung, dass die F& I GbR nie existiert habe und deshalb die zweite Zwangsgeldandrohung zu beenden sei. Jedoch sei nun ein Verstoß gegen § 154 AO oder § 11 Geldwäschegesetz zu prüfen (Dauerunterlagen, Schriftwechsel, Bl 28).
15
Mit Schreiben vom 14. Januar 2021 übersandte die Klägerin dem Finanzamt den Vordruck zur steuerlichen Erfassung und teilte im wesentlichen mit, dass die F& I GbR nie existiert habe. Das Finanzamt entschied sich daraufhin, die zweite Zwangsgeldandrohung vom 26. November 2020 über 1.500 € als erledigt zu behandeln, da der Aufforderung zur Abgabe des Fragebogens entsprochen worden sei (Dauerunterlagen, Schriftverkehr, Bl 20, 21, 28).
16
Mit Schreiben vom 14. November 2022 wurde die Klägerin erneut aufgefordert, den Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung zurückzunehmen, da er verspätet eingelegt worden sei. Außerdem wurde die Klägerin aufgefordert, Gründe für die Zulässigkeit des Einspruchs vorzutragen, eine Kopie des Briefumschlags für die Androhung des Zwangsgeldes vom 26. August 2020 vorzulegen und mitzuteilen, weshalb sie der Meinung sei, dass die Einspruchsfrist am 1. Oktober 2020 noch nicht abgelaufen war (Rb-A Bl 33). Mit Schreiben vom 16. November 2022, dass ausweislich des Eingangsstempels beim Finanzamt am 23. November 2022 (Frühleerung) eingegangen ist, teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, dass sie den Einspruch nicht zurücknehmen werde (Rb-A Bl 34). Außerdem teilte die Klägerin mit einem auf den 10. November 2022 datierten Scheiben (das ausweislich des Eingangsstempels beim Finanzamt am 13. Dezember 2022 eingegangen ist) nochmals mit, dass sie den Einspruch nicht zurücknehmen werde (Rb-A Bl 21).
17
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023, die ausweislich des Aktenvermerks am 4. Dezember 2023 abgesandt wurde (Rb-A Bl 35, 45), verwarf das Finanzamt den Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 als unzulässig, da die Einspruchsfrist versäumt worden sei.
18
Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 2. Januar 2024 Klage. Ihre Klage begründete sie damit, dass ihr Konto unrechtmäßig gepfändet worden sei. Das gepfändete Geld in Höhe von 1.000 € sei auf Ihr Konto zurückzuüberweisen. Das Finanzamt habe bei ihr eine illegale Hausdurchsuchung durchgeführt und trotz ihrer Aufforderung die Wohnung zu verlassen, die Wohnung weiter durchsucht. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass Sie den Einspruch vom 1. Oktober 2020 persönlich unter Zeugen am 1. Oktober 2020 einem Wachschutzangestellten beim Eingang des Finanzamts überreicht habe. Der Zutritt zum Finanzamt sei aber wegen Corona-Maßnahmen nicht erlaubt gewesen.
19
Die Klägerin beantragt,
die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 aufzuheben.
20
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Das Finanzamt ist der Auffassung, dass die Klage der Klägerin unzulässig sei. Die Klage richte sich gegen die Pfändung des Bankkontos und die Rückzahlung der gepfändeten Beträge. Die Pfändung des Bankkontos und die Rückzahlung der gepfändeten Beträge sei aber nicht Gegenstand der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023. Gegenstand der Einspruchsentscheidung sei die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2022 gewesen. Der Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung sei zutreffend als unzulässig verworfen worden. Da die Einspruchsentscheidung der Klägerin als am 11. Dezember 2023 bekannt gegeben gelte und bis zur Klageerwiderung am 15. Januar 2024 die Zwangsgeldandrohung noch nicht angegriffen worden sei, sei die Klagefrist gegen die Einspruchsentscheidung (wegen der Zwangsgeldandrohung) zwischenzeitlich abgelaufen.
22
Mit Anordnung vom 14. Februar 2024 hat der Berichterstatter den Beklagten aufgefordert, den gesamten, zwischen der Klägerin und dem Beklagten unter der StNr. [123/123] geführten Schriftwechsel aus der Zeit von Mai 2020 bis Dezember 2020 vorzulegen. Mit Schreiben vom 11. März 2024 hat der Beklagte dem Finanzgericht fünf Blätter vorgelegt (Dok-Nr. 39), darunter ein Schreiben der Klägerin vom 29. August 2020, das beim Finanzamt am 1. September 2020 eingegangen ist und an Frau LL adressiert ist und in der Betreffzeile formuliert: „[123/12] Ihr Schreiben vom 06.08.2020“. Handschriftlich wurde der Zahl [123/12] die Zahl 3 hinzugefügt.
23
Auf die richterliche Anordnung vom 27. März 2024 hat der Beklagte mitgeteilt (Dok-Nr. 58), dass ihm ein Schreiben vom 29. August 2020, adressiert an das Finanzamt L-Stadt […] zu Händen von Frau MM vorliege, welches von der Klägerin unterzeichnet wurde. Dieses Schreiben sei dem Gericht als Blatt 6 mit Schreiben vom 11. März 2024 (Dok-Nr. 39) übersandt worden. Möglicherweise handele es hierbei um das Originalschreiben. Da bezüglich dieses Schriftverkehrs dem Beklagten lediglich eine zurückbehaltene Kopie vorliege, könne nicht abschließend beurteilt werden, ob es sich hierbei um das Originalschreiben handele.
24
Mit Beschluss vom 18. März 2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung <FGO>).
25
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen. Der Einzelrichter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Original des Schreibens vom 29. August 2020, adressiert an Frau MM, dem Gericht nicht vorliegt. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie keine Zweifel daran haben, dass dieses Schreiben vom 29. August 2020 dem Finanzamt im Original zugegangen ist.

Entscheidungsgründe

II.
26
Die Anfechtungsklage ist begründet.
27
1. Die Klage der steuerlich nicht vertretenen Klägerin kann nach Auffassung des Gerichts nur als Klage gegen die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 ausgelegt werden. Als prozessuale Willenserklärung ist die Klageschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) alle dem Gericht und dem Finanzamt bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 8. August 2013 III R 3/13, BFHE 243, 198, BStBl II 2014, 576, Rn. 13). Nach dieser Maßgabe kann allein schon wegen des zeitlichen Zusammenhangs das Schreiben der Klägerin vom 2. Januar 2024 nur so ausgelegt werden, dass sie sich gegen die Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 und die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 wendet. Mit dieser Auslegung kann sie auch ihr ausdrückliches erklärtes Ziel, die Auskehrung des gepfändeten Betrages über 1.000 € erreichen (vgl. in den Entscheidungsgründen unten Tz. II.5). Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage in der mündlichen Verhandlung zu Recht auf dieses Begehren beschränkt. Die Überlegungen des Beklagten zur Unzulässigkeit der Klage gegen an der Sache vorbei.
28
2. Das Finanzamt hat den Einspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig verworfen.
29
a) Gegen die Androhung des Zwangsmittels gemäß § 332 Abgabenordnung (AO) ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 AO) gegeben. Hat der Einspruch keinen Erfolg, ist die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung <FGO>) statthaft (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 332 AO Rz. 20 [Nov. 2022]).
30
aa) Mit den Rechtsbehelfen gegen die Zwangsgeldandrohung kann nicht geltend gemacht werden, dass der Verwaltungsakt, dessen Anordnung erzwungen werden soll, rechtswidrig sei; das ergibt sich aus § 256 AO (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1981 VII R 13/80, BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 332 Rz. 21 [Nov. 2022]). Mit den Rechtsbehelfen kann aber geltend gemacht werde, dass die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht gegeben sind, denn gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO muss ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, vorliegen (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 328 AO Rz. 57 [Jan. 2023]).
31
bb) Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung besteht auch bei bestandskräftiger Zwangsgeldfestsetzung, weil der Steuerpflichtige bei Aufhebung der Zwangsgeldandrohung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Finanzamts nach § 130 AO hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung hat. Fehlt nämlich eine wirksame (regelmäßig schriftliche) Androhung des Zwangsmittels gemäß § 332 Abs. 1 Satz 1 AO, ist die Festsetzung der Zwangsmittel rechtswidrig. Auch bei formeller Bestandskraft der Festsetzung – wie im vorliegenden Fall – kann diese dann gemäß § 130 AO zurückgenommen werden (BFH-Beschluss vom 29. Mai 2019 VII B 10/19, BFH/NV 2019, 1121; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 332 Rz. 20 [Nov. 2022]). Ist – wie im Streitfall – nur die Androhung angefochten worden, nicht aber die Festsetzung, darf die Festsetzung nicht in das Verfahren einbezogen werden (BFH-Urteile vom 7. April 1964 VII 152/62 U, BFHE 79, 237, BStBl III 1964, 317; in BFH/NV 2019, 1121; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 332 Rz. 22 [Nov. 2022]).
32
b) Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Der Verwaltungsakt kann auch – wie im Streitfall – durch die Post übermittelt werden (§ 122 Abs. 2 AO). In diesem Fall gilt der Steuerbescheid nach der besonderen Bekanntgaberegelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit dem dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
33
c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Finanzamt den Einspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat nämlich mit zwei Schreiben (dem Schreiben vom 29. August 2020 und dem vom 1. Oktober 2020) Einspruch eingelegt.
34
aa) Zwar war der Einspruch in dem Schreiben vom 1. Oktober 2020 verspätet beim Finanzamt eingegangen und ist deshalb unzulässig. Denn dieses Einspruchsschreiben vom 1. Oktober 2020 gilt ausweislich des Eingangsstempels dem Finanzamt (wegen des Eingangsstempels 06.10.2020 Frühleerung) erst am 5. Oktober 2020 als zugegangen. Das Finanzamt hat die Einspruchsfrist gegen die Zwangsgeldandrohung zutreffend berechnet und ist zu einer Bekanntgabe der Zwangsgeldandrohung am 31. August 2020 (Montag) sowie zu einem Ende der Einspruchsfrist (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 3 BGB) am 30. September 2020 (Mittwoch) gelangt. Damit war die Einspruchsfrist nicht erst bei Zugang des Schreibens, sondern bereits bei der Fertigung des Schreibens am 1. Oktober 2020 abgelaufen.
35
bb) Das Gericht ist weiter der Auffassung, dass auch in dem Schreiben der Klägerin vom 29. August 2020, das an Frau MM adressiert ist, ein Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 zu sehen ist. Der Beklagte hat in seiner Stellungnahme vom 9. April 2024 und in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, dass ihm dieses Schreiben im Original zugegangen ist. Dieses Schreiben ist in der Einspruchsfrist zugegangen. Das Gericht gelangt durch die Auslegung in entsprechender Anwendung des § 133 BGB (BFH-Urteil vom 19. August 2013 X R 44/11, BFHE 243, 304, BStBl II 2014, 234) zu dem Ergebnis, dass dieses Schreiben einen Einspruch darstellt.
36
(1) Zwar erklärt die Klägerin in diesem Schreiben nur, dass sie nie einem Kleingewerbe nachgegangen ist und nie eine Rechnung gestellt habe und sie auch nicht wisse, wie die Steuernummer auf die Rechnung gekommen sei. Das an Frau MM adressierte Schreiben vom 29. August 2020 (Rb-A Bl 4) weist aber zusätzlich in der Betreffzeile den Bezug „Schreiben vom 26.08.2020“ auf. Dadurch unterscheidet sich dieses Schreiben vom dem an Frau LL adressierte Schreiben vom 29. August 2020 (Rb-A Bl 5), das in der Betreffzeile den Bezug „Schreiben 06.08.2020“ aufweist.
37
Aufgrund der vorgelegten Akten bzw. Aktenteile kann das Gericht auch eindeutig diese beiden Schreiben der Klägerin (als Antwortschreiben) zwei bestimmten vorhergehenden Schreiben des Beklagten zuordnen. Am 26. August 2020 hat der Beklagte nur die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung an die Klägerin versendet. Am 6. August 2020 hat der Beklagte an die Klägerin ein Schreiben übermittelt, in dem sie aufgefordert wird, ihre Einkommensteuererklärung für 2019 und eine Gewinnermittlung vorzulegen.
38
(2) Der Inhalt des an Frau MM adressierten Schreibens vom 29. August 2020 ist nach Auffassung des Gerichts als Einspruch auszulegen, da die Klägerin dem Beklagten mitteilt, dass sie der Auffassung ist, dass das Verlangen in der Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 unberechtigt ist und sie um Nachprüfung bittet.
39
§ 357 AO ist nicht formstreng. Der Ausdruck „Einspruch“ muss nicht verwendet werden. Eine unrichtige Bezeichnung des Rechtsbehelfs – z.B. Beschwerde oder Widerspruch statt Einspruch – ist unschädlich (§ 357 Abs. 1 Satz 3 AO). Auch das Wort „Beschwer“ braucht nicht verwendet zu werden. Es genügt, dass der Erklärende zu erkennen gibt, dass er mit dem Verwaltungsakt nicht einverstanden ist und Nachprüfung begehrt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 357 AO Rz. 4 [Feb. 2021]). Der wirkliche Wille des Erklärenden ist durch rechtsschutzgewährende Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 243, 304, BStBl II 2014, 234), wobei die Willenserklärung zunächst einmal überhaupt auslegungsbedürftig sein muss (BFH-Urteil vom 14. Juni 2016 IX R 11/15, BFH/NV 2016, 1676). Bei der Auslegung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2023 V R 42/21, BFH/NV 2024, 369).
40
(3) Nach dieser Maßgabe ist das Gericht davon überzeugt, dass das Schreiben der Klägerin vom 29. August 2020 an Frau MM nur so ausgelegt werden kann, dass die Klägerin bereits in diesem Schreiben einen Einspruch gegen die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 eingelegt hatte. Zwar formuliert die Klägerin in diesem Schreiben, dass sie keine Steuererklärung abgeben kann. Diese Formulierung bezieht sich nach Auffassung des Gerichts dennoch auf die Zwangsgeldandrohung. Die Zwangsgeldandrohung enthält nämlich nicht nur die Aufforderung den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abzugeben, sondern auch den Textteil: „Ich bitte daher nochmals, diesen Steuererklärungen/Steueranmeldung nunmehr spätestens bis zum 23.09.2020 an das Finanzamt zu übermitteln.“ (sic!). Wenn die Klägerin in ihrem Schreiben vom 29. August 2020 auf die Steuererklärungen eingeht und meint, dass sie diese nicht abzugeben hat, liegt darin – neben dem Hinweis in der Betreffzeile auf das Schreiben des Finanzamts vom 26. August 2020 – ein ausreichender Bezug zum Abgabeverlangen für den Fragebogen. Dadurch, dass die Klägerin weiter im Schreiben vom 29. August 2020 ausführt, dass sie auch nicht weiß, wie ihre Steuernummer auf die Rechnung gekommen ist, zeigt sie auch an, dass sie nicht weiß, was sie mit einer F& I GbR zu tun hat. Die Klägerin bringt damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie der Auffassung ist, das Verlangen des Finanzamts in dem Bescheid vom 26. August 2020 unberechtigt ist und dass sie eine Nachprüfung begehrt, weil sich mit diesen Ausführungen das Verlangen des Finanzamts erledigt hat.
41
Der Einwand des Finanzamts, dass gegen eine Auslegung des Schreibens vom 29. August 2020 sprechen würde, dass die Klägerin nur im Schreiben vom 1. Oktober 2020 das Wort Einspruch verwendet hat, aber nicht im Schreiben vom 29. August 2020 greift demgegenüber nicht durch. Der Ausdruck „Einspruch“ muss nämlich (nach ganz herrschender Meinung; vgl. nur BFH-Beschluss vom 29. Juli 1992 IV B 44/91, BFH/NV 1993, 2 Rn. 20; BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486 Rn. 19; Siegers in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 357 AO Rz. 29 [Aug. 2019] m.w.N.) nicht in dem entsprechenden Schreiben verwendet werden.
42
(4) Das Gericht ist der Auffassung, dass die beiden Schreiben vom 29. August 2020 in der Rechtsbehelfsakte (Rb-A Bl 4 & 5) genauso wie das Schreiben vom 18. Juni 2020 (Rb-A Bl 1) nur Anlagen zum Einspruchsschreiben vom 1. Oktober 2020 waren. Für das Gericht folgt dies daraus, dass die beiden Schreiben vom 29. August 2020 – ebenso wie das Schreiben vom 18. Juni 2020 – keinen Eingangsstempel tragen und ganz offensichtlich Kopien sind und nicht unterschrieben sind. Dass das Schreiben vom 29. August 2020 an Frau LL (Rb-A Bl 5) nur eine Kopie ist, folgt schon daraus, dass im unteren Drittel des Blattes eine Kopie des Einlieferungsbeleges vom 31. August 2020 abgebildet ist. Aus der Rechtsbehelfsakte ist aufgrund ihres Aufbaus ersichtlich, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt zusammengestellt wurde und Schreiben nach der Chronologie der Datierung sortiert wurden. Außerdem kann das Gericht aufgrund der jeweils zwei Faltungen der Schreiben vom 29. August 2020 (Rb-A Bl 4 & 5) und vom 18. Juni 2020 (Rb-A Bl 1) sowie dem Einspruchsschreiben vom 1. Oktober 2020 (Rb-A Bl 6) vermuten, dass diese vier Blätter alle im selben Briefumschlag (DIN A 6) an das Finanzamt gelangt sind. Dass diese Blätter mit den Kopien der Schreiben vom 29. August 2020 vor dem 5. Oktober 2020 beim Finanzamt eingegangen sind, ist deshalb ausgeschlossen.
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(5) Nach den Ausführungen des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht aber – ebenso wie das Finanzamt – auch keine Zweifel mehr, dass das Original des Schreibens vom 29. August 2020 innerhalb der Einspruchsfrist beim Finanzamt eingegangen ist. Die in der mündlichen Verhandlung übergebene Kopie des Schreibens aus der Rückbehaltsakte des Finanzamts trägt den Eingangsstempel vom 2. September 2020 (Frühleerung) und ist von der Klägerin unterschrieben.
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d) Zwar hat das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 ausdrücklich nur über den Einspruch vom 1. Oktober 2020 und nicht über den Einspruch vom 29. August 2020 nicht entschieden. Dies führt aber nicht zur Unzulässigkeit der im Streitfall vorliegenden Klage.
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(1) Wird – wie im Streitfall – gegen denselben Bescheid wiederholt Einspruch eingelegt, so handelt es sich um nur einen Einspruch (Keß in Schwarz/Pahlke/Keß AO/FGO, § 357 Rz. 70 [Juli 2023]; BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824). Wird der „erste“ Einspruch als unzulässig verworfen, so ist das Vorverfahren i.S. von § 44 Abs. 1 FGO gleichwohl abgeschlossen (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 82 [Okt. 2023]; BFH-Beschluss vom 18. Juni 2003 I B 172/02, BFH/NV 2004, 491: auch zum übersehenen Einspruchsschreiben). Gleiches gilt, wenn nur der „zweite“ Einspruch zurückgewiesen oder verworfen wird und der erste Einspruch in der Einspruchsentscheidung nicht behandelt wird. Wird in einer solchen Konstellation anschließend Anfechtungs- und außerdem Untätigkeitsklage erhoben, so handelt es sich inhaltlich um nur eine Klage. Maßgebend für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage sind die notwendigen Sachentscheidungsvoraussetzungen (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 82 [Okt. 2023]).
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(2) Nach dieser Maßgabe ist die Zulässigkeit des erfolglosen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) erfüllt. Das Finanzamt hat den – nach Auffassung des Gerichts – zweiten Einspruch vom 1. Oktober 2020 als unzulässig verworfen (und den ersten zulässigen Einspruch im Schreiben vom 29. August 2020 nicht erkannt). Für die Erfolglosigkeit genügt es, wenn die Finanzbehörde den Rechtsbehelf als unzulässig verworfen hat (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 44 FGO Rz. 195 [Mai 2019] m.w.N.; BFH-Urteile vom 11. Juli 2017 IX R 41/15, BFH/NV 2018, 185; vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791). Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die im Streitfall vorliegende Anfechtungsklage sind damit erfüllt.
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(3) Sofern dagegen die Auffassung vertreten werden sollte, dass im Streitfall eine Einspruchsentscheidung über den ersten, zulässig eingelegten außergerichtlichen Rechtsbehelf (vom 29. August 2020) fehlt und statt dessen nur über den zweiten eingelegten Einspruch (vom 1. Oktober 2020) entschieden worden ist, muss man im Streitfall zu dem Ergebnis gelangen, dass eine zulässige Untätigkeitsklage vorliegt (Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 104 [Okt. 2023]); damit wäre die Sachentscheidungsvoraussetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO erfüllt. Und da über diesen Einspruch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entschieden wurde, hat das Finanzamt über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf auch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden. Nach dieser – vom Gericht nicht vertretenen – Auffassung hätte das Finanzamt den zweiten Einspruch (vom 1. Oktober 2020) zu Recht als unzulässig verworfen, da durch en ersten Einspruch die Sache anhängig wurde (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 357 AO Rz. 28 [Feb. 2021]; Bartone in Gosch, AO/FGO, § 357 AO Rz. 42 [Juli 2022]).
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3. Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen begründet; die Zwangsgeldandrohung ist rechtswidrig. Nach Auffassung des Gerichts ist die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 schon allein deshalb rechtswidrig, da es an der Vollstreckungsvoraussetzung eines vollziehbaren Verwaltungsaktes fehlt, mit dem eine Handlung verlangt wird (§ 328 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO).
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a) Die Aufforderung in dem Verwaltungsakt vom 7. Mai 2020, der Anzeigepflicht nachzukommen und den ausgefüllten Fragebogen vorzulegen, erfüllt nicht die Voraussetzung für den Beginn des Zwangsvollstreckungsverfahrens (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO).
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aa) Voraussetzung der Androhung von Zwangsmitteln ist, dass eine wirksame und vollstreckbare Anordnungsverfügung ergangen ist, die den Pflichtigen zur Erfüllung einer bestimmten Pflicht verpflichtet und der Pflichtige dieser Anordnung nicht nachgekommen ist (Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 332 AO Rz. 6 [April 2021]; BFH-Beschluss vom 6. November 2003 VII B 149/03, BFH/NV 2004, 159). Regelmäßig ergehen Anordnungs- und Androhungsverfügung zeitlich und damit auch äußerlich getrennt (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 11 & 23 [Sept. 2021]). Gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO muss ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, vorliegen. Die Verpflichtung zu einer erzwingbaren Leistung muss folglich in jedem Fall dem Pflichtigen gegenüber durch einen entsprechenden Verwaltungsakt (§ 118 AO), die Anordnungsverfügung, konkretisiert worden sein (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 328 AO Rz. 30 [Jan. 2023]). Im Zwangsverfahren sind die Verwaltungsakte gegen den Pflichtigen zu richten, der mithin (auch) (Inhalts-)Adressat von Androhung und Festsetzung sein muss (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 328 AO Rz. 57 [Jan. 2023]; BFH-Urteil vom 23. November 1999 VII R 38/99, HFR 2000, 333, BStBl II 2001, 463). Als Verwaltungsakt (§ 118 AO) muss die Anordnungsverfügung wirksam geworden (§ 124 Abs. 1 AO) und auch geblieben (§ 124 Abs. 2 AO) sein. Sie muss mithin vor allem inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO): Der Pflichtige muss folglich wissen, wie er sich zu verhalten hat, bzw. klar und eindeutig erkennen können, was von ihm verlangt wird (BFH-Urteil vom 2. November 1960 II 273/59, HFR 1961, 158). Ein nichtiger (§ 125 AO) Verwaltungsakt ist wegen Unwirksamkeit (§ 124 Abs. 3 AO) nicht vollstreckbar (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 328 AO Rz. 35 [Jan. 2023]).
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bb) Nach Maßgabe dieses Grundsatzes kann sich das Finanzamt für die Zwangsvollstreckung nicht auf die die Aufforderung in dem Verwaltungsakt vom 7. Mai 2020 stützen. Die Aufforderung der Anzeigepflicht nachzukommen, ist ein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 AO Rz. 11 [Nov. 2023]). Mit diesem Bescheid vom 7. Mai 2020 wurde die F& I GbR unter der Adresse der Klägerin aufgefordert, neben anderen Unterlagen auch einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung einer neu gegründeten Personengesellschaft bis zum 3. Juni 2019 (sic!) ausgefüllt abzugeben (DU-Akte, Schriftwechsel, Bl 1). Diese anderen Unterlagen waren: eine Empfangsvollmacht, eine Anlage „mündlicher Gesellschaftsvertrag“ (verbunden mit dem Hinweis: Ist ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vereinbart, reichen Sie bitte diesen, anstatt der Anlage ein), eine Anlage „Name der Gesellschaft“, eine Teilnahmeerklärung für das sie paar Lastschrifteinzugsverfahren und eine Ausfüllhilfe. An diese Aufforderung wurde die Klägerin vom Beklagten mit Schreiben vom 14. Juli 2020 erinnert. Die nachfolgende Erinnerung im Schreiben vom 14. Juli 2020 ist selbst kein Verwaltungsakt; denn dieses Schreiben setzt nur eine neue Frist. Da diese Aufforderung im Bescheid vom 7. Mai 2020 von niemandem befolgt werden kann (denn niemand kann heute angeforderte Unterlagen schon in der Vergangenheit einreichen), ist dieser Verwaltungsakt vom 7. Mai 2020 nichtig (§ 125 Abs. 2 Nr. 2 AO: tatsächliche objektive Unmöglichkeit; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 125 Rz. 27 [Feb. 2022]).
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Zwingend ist der Ablauf einer zeitlich und äußerlich getrennten Anordnungs- und Androhungsverfügung jedoch nicht. Da der Anordnung vom 7. Mai 2020 nichtig ist, kann sich der Beklagte nur auf eine Anordnung stützen, die mit der Zwangsgeldandrohung verbunden ist.
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b) Auch die Anordnungsverfügung, die im Bescheid vom 26. August 2020 mit der Androhungsverfügung verbunden ist, ist nichtig und kein vollziehbarer Verwaltungsakt; dies macht die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 rechtswidrig.
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aa) Da sich das Finanzamt (wegen der Nichtigkeit) nicht auf die Anordnungsverfügung vom 7. Mai 2020 als zu vollziehenden Verwaltungsakt stützen kann, kommt nur die Verpflichtung in Betracht, die das Finanzamt in der Anordnung vom 26. August 2020 ausgesprochen hat. In diesem Bescheid vom 26. August 2020 ist die Anordnungsverfügung mit der Androhungsverfügung verbunden.
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bb) Nach § 332 AO ist die Androhung des Zwangsmittels die erste Stufe des Zwangsverfahrens. Die Androhung bezweckt, dem Pflichtigen die Konsequenzen der Nichtbefolgung der ihm gegenüber durch die Anordnungsverfügung konkretisierten Verpflichtung mittels psychischer Einwirkung vor Augen zu führen (Warnfunktion, Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 1 [Sept. 2021]). § 332 Abs. 2 Satz 1 AO stellt die Verbindung der Androhungsbereits mit der Anordnungsverfügung (und dem Leistungsgebot) in das Ermessen (§ 5 AO) der Vollstreckungsbehörde (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 23 [Sept. 2021]). Die Androhung ist ein selbstständig anzufechtender Verwaltungsakt (§ 118 AO) und zwar auch dann, wenn sie – wie im Streitfall – mit der Anordnungsverfügung verbunden ist (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 10 [Sept. 2021]).
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cc) Nach Auffassung des Gerichts lässt sich aus dem Bescheid vom 26. August 2020 durch Auslegung des Verwaltungsaktes schon nicht eindeutig erkennen, welche Verpflichtungen die Klägerin als Inhaltsadressatin zu erfüllen hat und welche Verpflichtung die F& I GbR als Inhaltsadressatin zu erfüllen hat. In dem Bescheid wird sowohl gegenüber der F& I GbR als auch gegenüber der Klägerin angeordnet, dass Handlungen erbracht werden müssen.
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(1) Für die Abgabe des Fragebogens scheint als Erklärungspflichtige die F& I GbR ausgewiesen zu sein. Das Gericht folgert dies aus der Angabe im Betreff des Bescheids, in dem die F& I GbR als Erklärungspflichtige bezeichnet wird und der anschließenden Formulierung, „die Erklärungspflichtige ist der Aufforderung […], den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abzugeben, bisher nicht nachgekommen“. Aus dieser Formulierung kann nur gefolgert werden, dass nach Auffassung des Beklagten die Erklärungspflichtige, die F& I GbR, Verpflichtungen verletzt hat. Und Erklärungspflichtige für die Abgabe des Fragebogens ist die natürliche/juristische Person oder Personenvereinigung (nicht die einzelnen Gesellschafter), die den Betrieb eröffnet/verlegt/aufgegeben hat (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 138 AO Rz. 2 [Nov. 2023]). Dieser Auffassung ist auch die Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen <BMF> vom 5. Februar 2018, IV B 5-S 1300/07/10087, BStBl I 2018, 289 Tz. 1.2.; ebenso vom 4. Dezember 2020, IV A 5-O 1561/19/10003:001, BStBl I 2020, 1209; vom 17. September 2021, IV A 5-O 1561/19/10003:005, BStBl I 2021, 1762, Rz. 4). Diese Verpflichtung folgte im Streitjahr noch aus § 93 AO (Baum/Szymczak in AO – eKommentar, § 138 AO Rz. 10 [April 2024]).
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Da die Personengesellschaft jedoch nicht handlungsfähig ist, muss die Handlungspflicht entweder von einem Geschäftsführer (§ 34 Abs. 1 AO) oder mangels Geschäftsführers von einem Gesellschafter (§ 34 Abs. 2 AO) erfüllt werden (Klein/Rüsken, AO, 17. Aufl. 2023, § 34 Rz. 42 zur Vorlagepflicht). Durch Auslegung des Verwaltungsaktes lässt sich jedoch nicht bestimmen, ob die Anordnungsverfügung verlangt, dass die Handlung von der F& I GbR oder von der Klägerin als Geschäftsführerin oder Gesellschafterin erfüllt werden muss.
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Nach dieser Auslegung der Aufforderung zur Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung (der Anordnungsverfügung) kommt das Gericht zu der Auffassung, dass diese Aufforderung nichtig ist, da sich nicht erkennen lässt, wer zur Abgabe verpflichtet ist. Aus dieser Aufforderung kann nicht durch Auslegung hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem für welche Zeit verlangt wird (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 125 AO Rz. 7 [Feb. 2022] m.w.N.).
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(2) Für die Abgabe der Steuererklärung/Steueranmeldung erscheint zuerst die Klägerin als Verpflichtete ausgewiesen zu sein. Denn in dem Bescheid vom 26. August 2020 wird formuliert: „Weiterhin wurden Sie mit Schreiben vom 14.07.2020 an die Abgabe der Steuererklärung/Steueranmeldung erinnert.“ Da in diesem Zusammenhang das Wort „Sie“ (in der Höflichkeitsform) großgeschrieben wird, kann sich diese Verpflichtung nur auf die Klägerin persönlich beziehen. Mit dem Schreiben vom 14. Juli 2020 wurde die Klägerin jedoch erinnert, den Fragebogen abzugeben; von Steuererklärung war hier nicht die Rede. Aus der Mitteilung an die Klägerin, dass sie (selbst) an die Abgabe der Steuererklärung/ Steueranmeldung mit Schreiben vom 14. Juli 2020 erinnert wurde, kann die Klägerin aber nur schließen, dass sie selbst diese Verpflichtung zu erfüllen hat. Anschließend wird die Klägerin aufgefordert, die angeforderte Steuererklärung/Steueranmeldung spätestens bis zum 23. September 2020 an das Finanzamt zu übermitteln. Und in unmittelbarem Anschluss wird ihr angedroht, dass gegen sie (selbst) ein Zwangsgeld festgesetzt werden wird, wenn die Erklärungspflichtige dieser Aufforderung keine Folge leistet. Da nun ausgeführt wird, dass die Erklärungspflichtige, als die F& I GbR dieser Aufforderung Folge leisten muss, muss die Aufforderung so verstanden werden, dass die F& I GbR die Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung/ Steueranmeldung zu erfüllen hat. Aus der Anordnung bleibt aber letztlich aber auch noch völlig unklar, welche Steuererklärung für welche Steuerart und für welches Jahr gemeint ist.
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Nach dieser Auslegung der Aufforderung zur Abgabe einer Steuerklärung/ Steueranmeldung (der Anordnungsverfügung) kommt das Gericht zu der Auffassung, dass diese Aufforderung nichtig ist, da sich nicht erkennen lässt, wer zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet ist. Aus dieser Aufforderung kann nicht durch Auslegung hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem für welche Zeit verlangt wird (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 125 AO Rz. 7 [Feb. 2022] m.w.N.).
62
c) Nach Auffassung des Gerichts ist die angefochtene Zwangsgeldandrohung schon allein deshalb rechtswidrig, da es an der Vollstreckungsvoraussetzung eines vollziehbaren Verwaltungsaktes fehlt (vgl. Entscheidungsgründe, eben Tz. II.3.a und II.3.b). Aber zusätzlich ist die Zwangsgeldandrohung auch deshalb rechtswidrig, da aus der Androhungsverfügung nicht eindeutig ersichtlich ist, welches Zwangsmittel sich auf welche Verpflichtung bezieht.
63
Die Androhung muss nach § 332 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AO für jede einzelne Verpflichtung getrennt ergehen, d.h. sowohl für mehrere Verpflichtungen eines einzigen Pflichtigen als auch für einzelne oder mehrere Verpflichtungen mehrerer Pflichtiger; insoweit ist die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel zulässig. Die Trennung der Androhungen dient der Rechtsklarheit sowohl hinsichtlich möglicher Rechtbehelfe als auch hinsichtlich der Beendigung des Zwangsverfahrens (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 29 [Sept. 2021]). Entscheidend ist, dass aus dem Schriftstück eindeutig ersichtlich ist, welches Zwangsmittel sich auf welche Verpflichtung bezieht (Hohmann in Gosch, AO/FGO, § 332 AO Rz. 30 [Sept. 2021]; ebenso Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 332 AO Rz. 17 [April 2021]; BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 199/03, BFH/NV 2004, 309).
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Aus der Formulierung „Ich bitte daher nochmals diesen Steuererklärung/ Steueranmeldung nunmehr spätestens bis zum 23.09.2020 an das Finanzamt zu übermitteln. Sollte die Erklärungspflichtige auch dieser Aufforderung keine Folge leisten, wird gegen sie nach §§ 328, 333 AO ein Zwangsgeld in folgender Höhe festgesetzt“ (sic!) muss die Klägerin den Schluss ziehen, dass gegen sie ein Zwangsgeld festgesetzt werden wird, wenn die Steuererklärung/ Steueranmeldung von der Erklärungspflichtigen (der F& I GbR) nicht bis 23. September 2020 abgegeben werden. Das Zwangsgeld in der folgenden Höhe wird dann anschließend mit 1.000 € beziffert. In der anschließenden Tabelle wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung bisher nicht abgegeben wurde, dass die Abgabeverpflichtung dazu nach §§ 90, 93, 97 AO besteht, die Abgabe nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erfolgen hat und ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € angedroht.
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Da zum Ende der ersten Seite des Bescheids auch noch darauf hingewiesen wird, dass für die nochmals angeforderte Steuererklärung gemäß § 152 AO die Festsetzung eines Zwangsgeldes möglich ist, wird aber nochmals der Eindruck verstärkt, dass die Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung mit dem angedrohten Zwangsgeld erzwungen werden soll.
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Aufgrund der Angaben in der zuvor abgebildeten Tabelle soll aber auch die Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck durchgesetzt werden. Das Gericht gelangt deshalb durch die Auslegung der Androhungsverfügung zu dem Ergebnis, dass im Streitfall zwar getrennte Androhungen für die Nichtabgabe einer Steuererklärung und die Nichtabgabe eines Fragebogens zur steuerlichen Erfassung vorliegen, aber aus der Verfügung nicht eindeutig ersichtlich ist, welches Zwangsmittel sich auf welche Verpflichtung bezieht. Dies macht die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 199/03, BFH/NV 2004, 309).
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4. Im Streitfall ist nicht nur die Zwangsgeldandrohung vom 26. August 2020 sondern auch die Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 aufzuheben, da durch die Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2023 das Einspruchsverfahren über beide Einspruchsschreiben abgeschlossen wurde (vgl. oben in den Entscheidungsgründen Tz. II.2.d(2)).
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5. Da nach der Aufhebung der Androhung des Zwangsmittels gemäß § 332 Abs. 1 Satz 1 AO die Festsetzung der Zwangsmittel rechtswidrig wird, muss auch bei formeller Bestandskraft der Festsetzung – wie im vorliegenden Fall – die Zwangsgeldfestsetzung gemäß § 130 AO vom Beklagten zurückgenommen werden. Erst nach der Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung vom 30. September 2020 folgt für die Klägerin ein Erstatzungsanspruch (vgl. oben in den Entscheidungsgründen Tz. II.2.a.bb) auf die Auszahlung der gepfändeten 1.000,00 € (nebst Vollstreckungskosten 26,00 €, Auslagen 2,69 €). Die Klägerin hat deshalb zu Recht in der mündlichen Verhandlung nach dem richterlichen Hinweis klargestellt, dass sie mit ihrer Klage nur die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung begehrt.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.