Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.09.2024 – 1 ZB 22.2590
Titel:

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Erteilung eines Vorbescheids für Erweiterung eines Wohngebäudesim Außenbereich

Normenketten:
VwGO 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 7, Abs. 4 S. 1 Nr. 5
Leitsätze:
1. Als Ortsteil ist jeder Bebauungskomplex einer Gemeinde zu verstehen, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Splittersiedlung wird erweitert, wenn sie räumlich ausgedehnt wird, dh über den bisherigen Umgriff hinausgeht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Unerwünscht ist die Verfestigung einer Splittersiedlung u.a. dann, wenn das Vorhaben eine weit reichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden, wüfür es ausreicht, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich (weiter) zersiedelt werden würde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Begünstigung der Erweiterung eines Wohngebäudes im Außenbereich bedeutet die bloße Vergrößerung des eigengenutzten Wohngebäudes, ohne dass dadurch dessen bisheriger Charakter verloren ginge und dient gemessen an den objektiven Verhältnissen des Eigentümers und seiner Familie der angemessenen Wohnraumversorgung der Familienangehörigen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgrenzung Innen- und Außenbereich, Ortsteil, Beeinträchtigung öffentlicher Belange, Erweiterung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung, Berufungszulassungsverfahren, ernstliche Richtigkeitszweifel, bes. Schwierigkeiten, rechtsgrundsätzliche Bedeutung, Divergenzrüge, Darlegung, Bauplanungsrecht, Bauvorbescheid, unbeplanter Bereich, Außenbereich, Bebauungszusammenhang, organische Siedlungsstruktur, Streubebauung, Splittersiedlung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.07.2022 – M 11 K 20.1866
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26744

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Erweiterung eines bestehenden Wohngebäudes sowie für den Ersatzbau einer Garage mit unterirdischem Verbindungsgang und Lift zum Wohngebäude auf den Grundstücken FlNr. …2 und …8, Gemarkung H. …
2
Das Verwaltungsgericht hat nach Durchführung eines Augenscheins die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf den beantragten Vorbescheid, da das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Der Vorhabenstandort befinde sich im Außenbereich, da er weder in einem Ortsteil gelegen sei noch ein Bebauungszusammenhang bestehe. Die maßgebliche nähere Bebauung stelle sich nicht als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur dar. Die Wohngebäude erschienen regellos und unabhängig voneinander situiert. Zudem seien die Abstände zwischen den Gebäuden relativ groß. Die vorhandenen Gebäude vermittelten den Eindruck einer lockeren Streubebauung, die keinen Anknüpfungspunkt für eine mögliche städtebauliche Weiterentwicklung biete. Das Vorhaben stelle sich nicht als angemessene Erweiterung des Wohnraums nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB dar und lasse die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten.
3
Mit dem Zulassungsantrag verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Beklagte und die Beigeladene treten dem Zulassungsantrag entgegen.
4
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
5
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Standort des geplanten Vorhabens im Außenbereich liegt, weil es jedenfalls dort an einem Ortsteil fehlt und das nicht privilegierte Vorhaben öffentliche Belange nach § 35 Abs. 2, 3 BauGB beeinträchtigt.
7
Das Zulassungsvorbringen gibt keinen Anlass, entgegen dem Verwaltungsgericht von einer Lage des Vorhabenstandorts in einem Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auszugehen. Die Tatbestandsmerkmale „Bebauungszusammenhang“ und „Ortsteil“ gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. Gemeinsam ist beiden Voraussetzungen nur der Begriff der „Bebauung“. Denn nur bei Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils kann Baurecht nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestehen. Fehlt es dagegen an der Ortsteileigenschaft, ist § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht anwendbar. Daran ändert ein etwa bestehender Bebauungszusammenhang nichts, denn auch die das Gegenstück zum Ortsteil bildende Splittersiedlung kann im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB „im Zusammenhang bebaut“ sein (vgl. BVerwG, B.v. 7.6.2016 – 4 B 47.14 – ZfBR 2016, 799). Als Ortsteil ist dabei jeder Bebauungskomplex einer Gemeinde zu verstehen, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.2.2015 – 4 BN 1.15 – juris Rn. 9; U.v. 19.2.2014 – 4 B 40.13 – BayVBl 2014, 477). Ob eine Bebauung eine Splittersiedlung und damit ein Teil des bauplanungsrechtlichen Außenbereichs oder Ortsteil und damit bauplanungsrechtlicher Innenbereich ist, beurteilt sich nach der Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.2000 – 4 B 49.00 – BauR 2001, 79). Es kommt weder auf die Zweckbestimmung noch auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an. Maßgeblich ist letztlich, ob die Bebauung geeignet ist, dem Gebiet im Sinn einer nach der Siedlungsstruktur angemessenen Fortentwicklung ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2023 – 1 ZB 22.2274 – juris Rn. 10).
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Gemessen an diesen Maßstäben, die das Verwaltungsgericht seiner Beurteilung auf der Grundlage eines Ortstermins zugrunde gelegt hat, fehlt es jedenfalls im Bereich des Vorhabengrundstücks an einem Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Der Begriff des Ortsteils ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht im Sinn eines örtlichen Siedlungskomplexes, der einen besonderen Namen trägt, zu verstehen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberger, BauGB, Stand Januar 2024, § 34 Rn. 14), sodass es für die Beurteilung unerheblich ist, dass sich das Vorhabengrundstück nach dem Vortrag des Klägers innerhalb der als „S. …“ bezeichneten Siedlung befindet. Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht auf, dass entgegen der von Verwaltungsgericht vorgenommenen Gesamtbetrachtung eine organische Siedlungsstruktur vorliegt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich die Bebauung im Umgriff des Vorhabengrundstücks als regellos darstellt, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar ist es nicht erforderlich, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt (vgl. BayVGH, U.v. 3.7.2023 – 2 B 22.1722 – juris Rn. 17), sodass es nicht auf die unterschiedliche Größe der vorhandenen Baukörper ankommt. Die verstreut gelegene Bebauung im Umgriff des Vorhabengrundstücks lässt jedoch keine städtebauliche Ordnung erkennen, die dem Gebiet im Sinn einer nach der Siedlungsstruktur angemessenen Fortentwicklung ein bestimmtes städtebauliches Gepräge verleihen könnte. Wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt hat, stehen die Wohnhäuser aufgrund der Situierung und Entfernung voneinander in keinem städtebaulichen Zusammenhang. Dass das nördlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude sowie die südlich gelegenen Gebäude auf einer ähnlichen Höhenlage errichtet sind bzw. vergleichbare Abstände zur Straße S. … aufweisen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass sich im Hinblick auf die unterschiedliche Erschließungssituation auch hieraus keine Anhaltspunkte für eine Siedlungsstruktur entnehmen lassen, sondern die Bebauung vielmehr zufällig und nicht organisch gewachsen in Erscheinung tritt. Auch der Vortrag, dass sich aufgrund der Topografie die einzeilige Bebauung im Umgriff des Vorhabengrundstücks als organische Fortsetzung der mehrzeiligen Bebauung von S. … darstelle, zeigt eine andere Beurteilung nicht auf. Eine zusammenhängende Bebauung entlang des Hangs am Seeufer besteht insoweit nicht. Die Gebäude auf dem Grundstück FlNr. …2 und …2 stellen sich nicht als Fortsetzung der südlich gelegenen Bebauung von S. … dar, die nach dem erstinstanzlichen Vortrag auf Höhe des Grundstücks FlNr. …13 beginnt.
9
Das Zulassungsvorbringen zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, dass dem Vorhaben öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB entgegenstehen. Durch das Vorhaben steht die Erweiterung, jedenfalls aber die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten.
10
Eine Splittersiedlung wird erweitert, wenn sie räumlich ausgedehnt wird (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2015 – 4 B 45.14 – ZfBR 2015, 548), d.h. über den bisherigen Umgriff hinausgeht. Für die Bestimmung des Umgriffs einer Splittersiedlung kann auf die Betrachtungsweise zum Bebauungszusammenhang am Ortsrand zurückgegriffen werden, wonach dieser unabhängig von der Grundstücksgrenze grundsätzlich mit der letzten Bebauung endet und sich ihr anschließende Flächen nicht mehr zum Bebauungszusammenhang gehören (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris 6; BayVGH, B.v. 27.9.2021 – 1 ZB 20.1674 – juris Rn. 7). Dabei ist anerkannt, dass die Grenzlinie nicht gradlinig verlaufen muss, sondern grundsätzlich auch vor- und zurückspringen kann (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.1990 – 4 B 103.90 – BayVBl 1991, 473; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 1 ZB 18.335 – juris Rn. 7). Hiernach führt das Vorhaben jedenfalls im Hinblick auf die Garage, den Verbindungsgang, die Erweiterung des Kellers nach Osten sowie den Eingangsbereich mit Lift zu einer Erweiterung der Splittersiedlung. Die vom Kläger hiergegen erhobenen Einwände, dass das Vorhaben innerhalb des bereits bebauten bzw. eingefriedeten Bereichs läge und somit keine Erweiterung der Splittersiedlung vorliege, greift nicht durch. Es ist nicht substantiiert dargetan, dass der unterirdische Heizöltank, die betonierte Hangstützwand, die gepflasterte Hoffläche und die Einfriedung in der Lage sind, den räumlichen Umgriff der Splittersiedlung zu definieren.
11
Ohne Erfolg macht das Zulassungsvorbringen geltend, dass das Verwaltungsgericht nicht die drei beantragten Vorhaben gemeinsam hätte bewerten dürfen, da ihre Zulässigkeit im Vorbescheidsantrag getrennt abgefragt werde und sie sich als selbständige Vorhaben darstellten. Die Baumaßnahmen Wohnraumerweiterung, Garagenersatzbau und Verbindungsgang stellen sich aufgrund des räumlichen und funktionellen Zusammenhangs als einheitliches Gesamtvorhaben dar, wie sich unschwer aus den dem Vorbescheidsantrag beigefügten Plänen entnehmen lässt. Eine isolierte Ausführung ist – wie sich den Erläuterungen des Klägers zum Vorbescheidsantrag entnehmen lässt – nicht gewünscht.
12
Die Missbilligung einer Erweiterung des Siedlungssplitters rechtfertigt sich in der Regel – und so auch hier – ohne Weiteres (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631). Besondere Gründe, aus denen hier die Erweiterung der Splittersiedlung bauplanungsrechtlich zu billigen wäre, zeigt das Zulassungsvorbringen, das sich im Wesentlichen gegen die Annahme einer bauplanungsrechtlichen Verfestigung einer Splittersiedlung wendet, nicht auf.
13
Selbst wenn nicht von einer Erweiterung, sondern nur von einem Auffüllen auszugehen wäre, droht hier eine unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung. Unerwünscht ist die Verfestigung u.a. dann, wenn das Vorhaben eine weit reichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden (BVerwG, B.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631). Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich (weiter) zersiedelt werden würde. Weitreichend ist die Vorbildwirkung deshalb immer dann, wenn sich das Vorhaben und die weiteren Vorhaben, die nicht verhindert werden könnten, zusammen der vorhandenen Splittersiedlung nicht unterordnen, sondern diese erheblich verstärken und dadurch eine weiter gehende Zersiedlung des Außenbereichs bewirken würden (BVerwG; U.v. 27.8.1998 – 4 C 13.97- DVBl 1999, 235). Der Tatbestand des Befürchtens der Verfestigung einer Splittersiedlung setzt nicht voraus, dass als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht. Es genügt, dass die Gründe, die weiteren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen (Verfestigung einer Splittersiedlung) versagt würde, mit der Genehmigung also ein sog. Berufungsfall geschaffen würde (BVerwG, B.v. 2.9.1999 – 4 B 27.99 – BauR 2000, 1173).
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Hieran gemessen zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Verfestigung der Splittersiedlung zu befürchten sei, auf. Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es versäumt, den räumlichen Umgriff der Splittersiedlung zu definieren, sodass die Frage, inwieweit sich das Vorhaben unterordne, vom Verwaltungsgericht nicht hinreichend geprüft worden sei, geht fehl. Es kommt nicht alleine darauf an, ob sich die bauliche Anlage unterordnet, sondern es sind auch die baulichen Anlagen in den Blick zu nehmen sind, die aufgrund der Vorbildwirkung des Vorhabens entstehen könnten (vgl. BayvGH, B.v. 17.9.2021 – 1 ZB 20.16 – juris Rn. 11). Das Wohngebäude, das nach seiner Grundfläche ohnehin bereits zu den größeren Gebäuden in der Umgebung zählt, soll nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts gegenüber der Fläche des Bestandsgebäudes um 55% erweitert werden. Weiter handelt sich bei der geplanten Garage nicht nur um einen Ersatzbau für die Bestandsgarage, sondern zusätzlich sollen dort weitere Räumlichkeiten mit einer Größe von mehr als 50 m² für einen Abstellraum, für Müllaufbewahrung sowie Technik geschaffen werden. Es steht zu befürchten, dass dieses Vorhaben vergleichbare Bauwünsche in der Umgebung aufkommen ließe, die sich insgesamt nicht mehr der Splittersiedlung unterordnen würden. Dass auf einem anderen Grundstück bereits eine in den Hang gebaute Garage mit unterirdischen Gang vorhanden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn auch insoweit könnte das Vorhaben des Klägers auch dort Erweiterungswünsche im Hinblick auf weitere Wohn- und Nutzflächen hervorrufen. Eine negative Vorbildfunktion kann auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachte besondere topografische Situation auf dem Vorhabengrundstück verneint werden. Denn die gegenüber dem S. …weg erhöhte Lage des Wohngebäudes ist keine Besonderheit des Vorhabengrundstücks, sondern betrifft mehrere Grundstücke in der Nachbarschaft. Im Übrigen kommt eine Erweiterung der Wohn- und Nutzflächen auch bei anderen Gebäuden in der Umgebung in Betracht.
15
Hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass dem Vorhaben keine Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB zu Gute kommt, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Durch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB sollen Härten und Schwierigkeiten beseitigt werden, um dem Eigentümer und seiner Familie eine angemessene Wohnraumversorgung zu erleichtern (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2019 – 4 B 26.18 – ZfBR 2019, 385; B.v. 6.10.1994 – 4 B 178.94 – NVwZ 1995, 700). Die Vorschrift kommt Vorhaben zugute, die der Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen dienen. „Erweiterung“ bedeutet in diesem Zusammenhang die bloße Vergrößerung des eigengenutzten Wohngebäudes, ohne dass dadurch dessen bisheriger Charakter verloren ginge. Angemessen ist eine solche Wohnhauserweiterung nur dann, wenn sie ausgehend von den objektiven Verhältnissen des Eigentümers und seiner Familie der angemessenen Wohnraumversorgung der Familienangehörigen zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.1.1981 – 4 C 82.77 – BVerwGE 61, 285). Dabei kommt es nicht auf die selbst bestimmten Bedürfnisse der Bewohner an, weil dies mit dem Grundsatz einer größtmöglichen Schonung des Außenbereichs offensichtlich nicht vereinbar wäre (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.1988 – 4 B 88.88 – NVwZ 1989, 355; BayVGH, B.v. 27.3.2024 – 1 ZB 23.1548 u.a.- juris Rn. 13).
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Zu der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es im Hinblick auf die Erweiterung des Wohngebäudes am Erfordernis der Angemessenheit fehlt, verhält sich das Zulassungsvorbingen nicht. Das Vorhaben des Verbindungsganges mit Lift erweist sich auch nicht im Hinblick auf einen barrierefreien Zugang als angemessene Erweiterung. Zwar unterfällt grundsätzlich auch eine alten- und behindertengerechte Ausstattung der Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2013 – 15 ZB 11.1843 – juris Rn. 6). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das Wohnhaus über eine zwar steile, aber gepflasterte und gewundene Zufahrt von Osten her erreichbar, sodass ein barrierefreier Zugang zum Wohngebäude besteht. Auch mit einem Kinderwagen ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts das Wohngebäude über diesen Weg grundsätzlich zu erreichen. Für Fußgänger steht zusätzlich eine Treppenanlage zur S. … zur Verfügung. Damit besteht für das Anwesen eine ausreichende verkehrsmäßige Erschließung und ein angemessener Kontakt nach außen. Die Erforderlichkeit eines weiteren barrierefreien Zugangs für die Bewohner des Hauses ist nicht dargetan. Erschwerungen bzw. Einschränkungen der Zufahrt infolge winterlicher Straßenverhältnisse sind bedingt durch die Lage im Voralpenland hinzunehmen, soweit ihnen der Kläger nicht durch Maßnahmen des Winterdienstes auf der Privatstraße bzw. durch technische Ausstattung seiner Fahrzeuge begegnen kann. Im Übrigen geht das Vorhaben über die Schaffung eines Lifts für einen barrierefreien Zugang von der S. … deutlich hinaus. Der Lift soll in einem Erweiterungsbau untergebracht werden, in dem sich im oberen Stockwerk ein weiterer Aufenthaltsraum mit 43,88 m² sowie im Erdgeschoss eine weitere Dusche/WC sowie ein vergrößerter Eingangsbereich befinden sollen. Der Erweiterungsbau mit Liftanlage dient somit nicht nur der Überbrückung der Geländeverhältnisse zur Erreichbarkeit des Wohnhauses von der Straße her und stellt sich auch damit nicht als angemessene Erweiterung dar. Dass die in den Hang geplante Garage nebst Technik, Müll- und Abstellraum durch einen unterirdischen Gang mit dem Hauptgebäude verbunden werden soll, ändert nichts daran, dass es sich um eine bauliche Anlage handelt, die deutlich räumlich abgesetzt vom Wohngebäude errichtet werden soll und daher bereits begrifflich nicht vom Tatbestand der Erweiterung eines Wohngebäudes umfasst ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.4.2008 – 4 B 24.08 – juris Rn. 6; U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228).
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2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufweist. Allein die unterschiedliche Bewertung der vorliegenden Sachverhalte durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung von besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten.
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3. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die Frage, ob die Herstellung eines unterirdischen Verbindungsgangs zur Schaffung einer fußläufigen barrierefreien Anbindung eines Wohngebäudes an eine öffentliche Straße unter die Regelung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB fällt, lässt sich nicht abstrakt klären, sondern erfordert einzelfallbezogen eine Prüfung der Angemessenheit in Verhältnis zur vorhandenen Grundstückssituation und der Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse. Im Übrigen fehlt es dem Zulassungsvorbringen auch an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit sowie des Klärungsbedarfs.
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4. Die Berufung ist nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
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Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden, abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge hingegen nicht (vgl. BVerwG, B.v. 20.4.2017 – 8 B 56.16 – juris Rn. 5; B.v. 18.5.1993 – 4 B 65.93 – NVwZ 1993, 1101), sodass mit dem Zulassungsvortrag, das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die negative Vorbildfunktion zu Unrecht allein auf die Gesamtgröße des Vorhabens abgestellt, keine Divergenz im vorgenannten Sinn dargelegt ist.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).