Inhalt

VG München, Beschluss v. 06.08.2024 – M 11 SN 24.2326
Titel:

Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge im allgemeinen Wohngebiet

Normenkette:
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei einer Asylbewerberunterkunft handelt es sich zwar in der Regel um eine Anlage für soziale Zwecke; sie ist dem Wohnen aber gleichwohl ähnlich, was für die Frage der Gebietsverträglichkeit Berücksichtigung finden kann. Eine Asylbewerberunterkunft ist der Zweckbestimmung, die ein allgemeines bzw. reines Wohngebiet für sich beansprucht, grundsätzlich näher, als etwa ein (nicht störender) Handwerksbetrieb, der in einem allgemeinen Wohngebiet ebenfalls zulässig und sogar in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig wäre. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots vorzunehmenden Interessenabwägung ist das öffentliche Interesse an der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften und die damit verbundene gesetzgeberische Wertung in die Gesamtbetrachtung einzustellen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbareilantrag, Errichtung einer Asylunterkunft, Ausnahme von einer Veränderungssperre nicht nachbarrechtsrelevant, Gebot der Rücksichtnahme, Abriegelnde Wirkung (verneint), Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge, allgemeines Wohngebiet, Gebietsverträglichkeit, abriegelnde Wirkung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 01.10.2024 – 1 CS 24.1449
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26742

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Baugenehmigung für den Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auf den Fl.Nrn. …2 und …13, Gemarkung B** … (im Folgenden: Baugrundstücke).
2
Die Antragsteller sind nach ihrem Vortrag je zur Hälfte Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. …3, …4 und …5 (im Folgenden: Nachbargrundstücke), welche südlich an die Baugrundstücke angrenzen. Die Baugrundstücke und die Nachbargrundstücke befinden sich im Umgriff des am 17. Dezember 2021 bekannt gemachten Bebauungsplans „I* …“ (im Folgenden: Bebauungsplan), zu welchem unter dem Aktenzeichen 1 N 22.2131 ein Normenkontrollverfahren bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, über das noch nicht entschieden wurde. Der Bebauungsplan setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet fest.
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Die Beigeladene beantragte unter dem 26. Juli 2023 eine Baugenehmigung für den Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auf den Baugrundstücken.
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Die Stadt B** … verweigerte mit Beschluss vom 14. September 2023 das Einvernehmen zu dem Vorhaben und machte am 20. September 2023 einen Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan „An der Isarleite“ bekannt, der als Art der baulichen Nutzung ebenfalls ein allgemeines Wohngebiet vorsieht, aber unter anderem Anlagen für soziale Zwecke ausschließen soll. Mit Beschluss vom 25. September 2023 erließ die Stadt B** … zudem eine am 30. September 2023 bekanntgemachte Veränderungssperre (im Folgenden: Veränderungssperre), in deren Geltungsbereich unter anderem die Baugrundstücke und die Nachbargrundstücke liegen. Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 27. November 2023 eine Ausnahme von der Veränderungssperre. Nachdem die Stadt B** … dem Landratsamt B** …-W* … (im Folgenden: Landratsamt) mit Schreiben vom 7. Dezember 2023 mitgeteilt hatte, dass einer Ausnahme von der Veränderungssperre nicht zugestimmt werde, hörte das Landratsamt die Stadt B** … mit Schreiben vom 2. Januar 2024 zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens an. Das gemeindliche Einvernehmen wurde in der Folge weiterhin verweigert.
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Mit Bescheid vom 9. Februar 2024 erteilte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung für den Neubau einer befristeten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbegehrende/Flüchtlinge (96 Personen). Zudem erteilte es eine Ausnahme von der Veränderungssperre gem. § 246 Abs. 14 BauGB unter Abweichung von der gesetzlichen Voraussetzung in § 14 Abs. 2 BauGB, dass überwiegende öffentliche Belange der Ausnahme nicht entgegenstehen dürften. Die Baugenehmigung wurde den Antragstellern am 14. Februar 2024 zugestellt.
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Die Antragsteller erhoben am 4. März 2024 Klage gegen die Baugenehmigung vom 9. Februar 2024, welche bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 11 K 24.1154 anhängig und über die noch nicht entschieden ist. Eine Klage der Stadt B** … gegen die Baugenehmigung vom 9. Februar 2024 ist unter dem Aktenzeichen M 11 K 24.1331 bei Gericht anhängig.
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Mit Schreiben vom 2. Mai 2024, bei Gericht am 9. Mai 2024 eingegangen, beantragten die Antragsteller zudem Eilrechtsschutz. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus, dass das Bauvorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße. Es weise mit seinem Hauptbau, der parallel zur Grundstücksgrenze der Antragsteller in einem Abstand von 3,15 m entstehen solle, ein Länge von 48,715 m auf und werde nach Osten im Rahmen einer baulichen Einheit mit einem Garagenbau mit einer Länge von etwa 6,15 m erweitert. Der so entstehende Riegel solle eine Gesamtlänge von 54,865 m haben. Das Vorhaben verstoße mit seinen Ausmaßen gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine erdrückende, abriegelnde Wirkung zu Lasten der Antragsteller folge aus dem Umstand, dass das auf dem Baugrundstück zu errichtende Bauwerk mit verbundenem Garagenbau eine Länge von 54,865 m haben werde. Dabei überschreite es auch die – drittschützende – planerische Vorgabe einer offenen Bauweise. Die Länge des geplanten Gebäudes betrage das 3,75-fache des Hauses der Antragsteller und befinde sich in einem Abstand von lediglich 8,57 m. Die geplante bauliche Anlage der Beigeladenen wirke erheblich übermächtig und dominiere das Nachbargebäude der Antragsteller, sodass dieses mit eigener Charakteristik nicht mehr wahrgenommen würde. Bei der Einbeziehung weiterer Bebauung der Umgebung werde die Dominanz des geplanten Gebäudes nochmals offenbar, denn die aktuelle Bebauung sei durch kleinere Einfamilienhäuser geprägt, die hinter dem Vorhaben vollständig zurückträten und wie zu degradierten Satelliten einer Massenunterkunft wirkten, wobei auch die Zahl der zu erwartenden Bewohner die bislang vorhandenen Grundstücksnutzer bei Weitem übersteige. Zu berücksichtigen sei auch, dass die weitere Unterbringung von 96 Flüchtlingen zusätzlich zu den in den Bestandsgebäuden untergebrachten 50 bis 60 Personen – diese Nutzung werde soweit bekannt ohne Genehmigung ausgeübt – den sozialen Frieden überbeanspruche. Das Verhältnis der bisherigen Wohnbevölkerung (etwa 35 Personen) in einem Plangebiet, das ganz vorwiegend dem Wohnen dienen solle, trete gegenüber der Nutzung der sozialen Einrichtung mit über 150 Personen vollständig zurück. Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Stilllegung der Bauarbeiten sei zum Schutz der Rechte der Antragsteller dringend geboten. Andernfalls würden vollendete Tatsachen geschaffen, die schwerlich revisibel gemacht werden könnten.
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Die Antragsteller beantragen,
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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 1. März 2024 gegen die der Beigeladenen für das Bauvorhaben „Neubau einer befristeten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbegehrende/Flüchtlinge, 96 Personen, Fl.Nrn. …2, …13, Gemarkung B** …“ am 9. Februar 2024 erteilte Baugenehmigung des Landratsamtes B** …-W* …, Az.: … …, wird angeordnet.
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2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Beigeladenen einstweilen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und fortan alle Maßnahmen zur Ausführung des genehmigten Vorhabens zu unterlassen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die rechtmäßige Baugenehmigung vom 9. Februar 2024 die Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten verletze. Das Bauvorhaben sei mit dem Gebietserhaltungsanspruch vereinbar. Auf eine Wirksamkeit des Bebauungsplans komme es nicht an. Dieser setze für das Baugrundstück und die Nachbargrundstücke ein allgemeines Wohngebiet fest. Selbst wenn man von einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans ausgehe, entspreche die Eigenart der näheren Umgebung einem faktischen allgemeinen Wohngebiet. Die gewerbliche Vermietung von 28 Ferienwohnungen, wie im Gebäude mit der Anschrift I* … 6, sei nur in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) und keinesfalls in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) zulässig. Gemeinschaftsunterkünfte seien Anlagen für soziale Zwecke mit wohnähnlichem Charakter, die im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig seien und daher nicht dem Charakter dieses Baugebietes widersprächen. Auch der Gebietsprägungserhaltungsanspruch sei eingehalten. Sofern die Antragsteller vortragen ließen, das Baugebiet sei von einer „kleinteiligen“ Bebauung geprägt, sei dem nicht zu folgen. Vielmehr seien auf dem Baugrundstück selbst (I* … 10 und 12) und auf der Fl.Nr. 1* … (I* … 6) bereits stattliche Gebäude vorhanden. Eine Gebietsunverträglichkeit folge auch nicht aus der Unterbringungskapazität von 96 Asylbewerbern. Zudem sei die nähere Umgebung mit den 28 Ferienwohnungen auf Fl.Nr. 1* … und dem damit immanenten ständigen Wechsel der Bewohner bereits vorgeprägt, sodass es sich nicht um ein besonderes „ruhiges“ allgemeines Wohngebiet handele. Die Nutzung der Bestandsgebäude I* … 10 und 12 sei nicht Gegenstand der Baugenehmigung und daher im präventiven Drittschutz naturgemäß nicht rügefähig. Die Baugenehmigung sei mit dem Gebot der Rücksichtnahme vereinbar. Die von den Antragstellern angeführte „erdrückende Wirkung“ des Bauvorhabens liege fern. Der Baukörper der Asylunterkunft stelle mit einer Kubatur von E + 1 kein übermäßig hohes Bauwerk dar. In der Kubatur werde er durch die Gebäude auf dem Nachbargrundstück Fl.Nr. …3 (Kubatur: E + 1 + D), auf dem Baugrundstück (E + 1 + D) und auf Fl.Nr. 1* … (E + 1 + D) übertroffen. Zudem liege die Asylunterkunft nur gegenüber der Grundstücksgrenze von Fl.Nr. …3 des noch aus den Fl.Nrn. …4 und …5 bestehenden einheitlich genutzten Nachbargrundstücks. Entlang der Nordgrenze von Fl.Nr. …5 bleibe die bauliche Situation unverändert. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung bezogen auf eine Baueinstellung sei unzulässig, da es an einer vorherigen Antragstellung auf bauaufsichtliches Einschreiten beim Landratsamt fehle. Er sei auch unbegründet, da es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehle, was näher ausgeführt wurde.
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Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2024 entgegnet der Bevollmächtigte der Antragsteller, der Vortrag des Antragsgegners sei irreführend, weil die exemplarisch genannte Ferienwohnungsnutzung außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „I* …“ stattfinde und auch der in Genese befindliche, abändernde Bebauungsplan „An der Isarleite“ den nördlich des Gabriel-von-Seidl Wegs gelegenen Ortsteil nicht einbeziehe. Art und Maß der baulichen Nutzung eines anderen Ortsteils, in dem die Fl.Nr. 1* … (I* … 6) mit etwaiger Ferienhausnutzung liege, spiele für die Beurteilung der Rechte, die aus dem Grundstück der Antragsteller herzuleiten seien, keine Rolle. Die kleinteilige Bestandsbebauung des Plangebiets, die die Stadt B** … im Rahmen ihrer städtebaulichen Planung als erhaltenswert beschreibe und deren Anwohner vor immissionsintensiven Erweiterungen geschützt werden sollten, kennzeichne die Realität. Die Befassung des Antragsgegners mit einem – von ihm in Abrede gestellten – Gebietserhaltungsanspruch bzw. Gebietsprägungserhaltungsanspruch unter Einbeziehung anderer Ortsteile sowie seiner Deutungen aufgrund offensichtlich fehlender Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, seien für die Beurteilung der Rechte der Antragsteller irrelevant. Die Erwägungen des Antragsgegners zu dem unter Ziffer 2 gestellten Antrag gingen an der Realität vorbei. Der Antragsgegner sei mit der Angelegenheit über das Landratsamt vorbefasst. Von ihm stamme die angefochtene Baugenehmigung, die Grundlage der unstreitig begonnenen Bauarbeiten sei. Eine Antragstellung auf bauaufsichtliches Einschreiten wäre wegen des klaren und eindeutigen Vorverhaltens des Antragsgegners offensichtlich erfolglos gewesen und als bloße Förmelei zu qualifizieren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren M 11 K 24.1154 Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller in der Hauptsache gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 9. Februar 2024 ist zulässig, aber unbegründet.
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Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an. Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B.v. 18.7.1973 – 1 BvR 155/73, 1 BvR 23/73 – BVerfGE 35, 382; zur Bewertung der Interessenlage vgl. auch BayVGH, B.v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – BayVBl 1991, 275).
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Zu berücksichtigen ist, dass Nachbarn – wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt – eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren aufgrund einer Nachbarklage keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20 m.w.N). Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (zur sog. Schutznormtheorie vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 42 Rn. 89 ff.).
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Gemessen hieran ergibt die im Eilverfahren auch ohne Durchführung eines Augenscheins mögliche Überprüfung der Angelegenheit anhand der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten samt Plänen, dass die Klage der Antragsteller aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, weil die angefochtene Baugenehmigung die Antragsteller nach summarischer Prüfung nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1 Die Antragsteller werden durch das Vorhaben zunächst nicht in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Dabei kann offenbleiben, ob der Bebauungsplan wirksam ist, da der Gebietscharakter eines zumindest faktischen allgemeinen Wohngebiets nicht substantiiert in Frage gestellt wurde.
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Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung ihn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht. Derselbe Nachbarschutz besteht im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (vgl. zum Ganzen etwa Reidt in Battis/ Krautzberger/ Löhr, BauGB, 15. Auflage 2022, Vor § 29 ff. Rn. 36; BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.; BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – juris Rn. 5; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151; grundlegend – dort zu § 34 Abs. 2 BauGB – BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 11 ff.).
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Das Vorhaben ist nach der Art der baulichen Nutzung in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet zulässig. Die Flüchtlingsunterkunft ist aufgrund der nur für die Dauer des Asylverfahrens gedachten Unterbringung der Asylbewerber und mangels Entscheidungsfreiheit über den dortigen Aufenthalt nicht als Wohnen, sondern als Anlage für soziale Zwecke zu qualifizieren. Anlagen für soziale Zwecke sind in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig. In einem reinen Wohngebiet wäre das Vorhaben jedenfalls ausnahmsweise zulässig (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO).
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Die Antragsteller werden auch nicht durch die Ausnahme von der am 30. September 2023 bekanntgemachten Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB unter Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB in ihren Rechten verletzt. Ein Nachbar kann sich nicht darauf berufen, dass eine Baugenehmigung im Hinblick auf eine Veränderungssperre nicht hätte erteilt werden dürfen. Die Veränderungssperre dient allein der Sicherung künftiger Planungen der Gemeinde und vermittelt daher keinen Nachbarschutz. Dies gilt auch dann, wenn der spätere Bebauungsplan zu seinen Gunsten nachbarschützende Festsetzungen enthält (BVerwG, B.v. 5.12.1988 – 4 B 182/88 – juris; BayVGH, B.v. 8.6.2005 – 1 ZB 04.823 – juris Rn. 19). Ob die Ausnahme von der Veränderungssperre unter Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB rechtmäßig ist, spielt daher in diesem Verfahren keine Rolle.
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1.2 Das Vorhaben ist aller Voraussicht nach auch (noch) gebietsverträglich.
25
Selbst wenn ein Vorhaben nach der BauNVO regelmäßig oder ausnahmsweise in dem jeweiligen Gebiet zugelassen werden kann, ist als ungeschriebene Einschränkung zu prüfen, ob es als solches gebietsverträglich ist (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 C 1/02 – juris Rn. 12). Relevant für die Beurteilung der Gebietsunverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Vorhabens nach der Art der Nutzung typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung wie insbesondere die Art und Weise der Nutzungsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Vorhabens (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2013 – 4 B 8.13 – juris Rn. 7). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.
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Dies zugrunde gelegt ist die Asylbeweberunterkunft in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet voraussichtlich gebietsverträglich. Es handelt sich mit einer Unterbringungskapazität von 96 Personen zwar um eine nicht nur unerhebliche Anzahl an Bewohnern. Ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial, das sich mit der Zweckbestimmung eines (faktischen) allgemeinen Wohngebiets nicht verträgt, ist mit dem Vorhaben der Beigeladenen jedoch auch unter Berücksichtigung einer etwaigen bereits stattfindenden Asylbewerberunterbringung auf den Vorhabengrundstücken nicht verbunden, da es die einem allgemeinen Wohngebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung, nämlich die des Wohnens, wahrt. Bei einer Asylbewerberunterkunft handelt es sich zwar in der Regel – wie auch vorliegend – um eine Anlage für soziale Zwecke; sie ist dem Wohnen aber gleichwohl ähnlich, was für die Frage der Gebietsverträglichkeit Berücksichtigung finden kann (so auch VGH BW, B.v. 6.10.2015 – 3 S 1695/15 – juris Rn. 16; vgl. auch BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 32 m.w.N.). Eine Asylbewerberunterkunft ist der Zweckbestimmung, die ein allgemeines bzw. reines Wohngebiet für sich beansprucht, grundsätzlich näher, als etwa ein (nicht störender) Handwerksbetrieb, der in einem allgemeinen Wohngebiet ebenfalls zulässig und sogar in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig wäre. Dies spiegelt sich auch in den zu erwartenden Auswirkungen auf die nähere Umgebung wider. Allein eine hohe Unterbringungskapazität führt zudem nicht automatisch zu bodenrechtlich beachtlichen Auswirkungen für die Umgebung. Zwar werden sich die Bewohner der Unterkunft auf den Vorhabengrundstücken aufhalten. Nennenswerter Publikums- oder Kundenverkehr ist bei einer Asylunterkunft jedoch ebenso wenig zu erwarten wie eine Steigerung des Zu- und Abgangsverkehrs mit Kraftfahrzeugen. Zudem sind nachträgliche Nutzungsbeschränkungen für die Asylbewerberunterkunft, etwa durch Herabsetzen der höchst zulässigen Unterbringungskapazität jederzeit möglich sind.
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1.3 Auch ein Gebietsprägungserhaltungsanspruch der Antragsteller – sofern ein derartiger Anspruch überhaupt anzuerkennen ist (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 4) – scheidet daher hinsichtlich der Unterbringungskapazität nach summarischer Prüfung aus. Soweit die Antragstellerseite diesbezüglich weiter vorträgt, dass das Baugebiet von einer „kleinteiligen“ Bebauung geprägt sei, kann die Kammer dem nicht folgen. Nach den Lageplänen und Luftbildaufnahmen aus dem Geodatenportal BayernAtlas befinden sich in der näheren Umgebung des Vorhabenstandorts etwa mit dem Bestandsgebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. …2 durchaus stattliche Gebäude. Es handelt sich hier insbesondere in Richtung Norden eher um eine heterogene Bebauungsstruktur. Zudem bleibt das Vorhaben jedenfalls hinsichtlich seiner Höhenentwicklung und Geschossigkeit nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antraggegners hinter der vorhandenen Nachbarbebauung – auch hinter dem Wohnhaus der Antragsteller – zurück (siehe dazu ausführlich unter Rn. 35 f.).
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1.4 Soweit die Antragstellerseite geltend macht, dass das Bauwerk gegen die planerische Vorgabe des Bebauungsplans einer offenen Bauweise verstoße, ist diesbezüglich schon nicht substantiiert dargetan, dass der Festsetzung der offenen Bauweise – im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans – drittschützende Wirkung zukommt. Eine solche vermag die Kammer der Begründung des Bebauungsplans auch nicht zu entnehmen. Unter Ziffer „4.2.3 Bauweise“ wird zwar auf die Umgebungsbebauung Bezug genommen. Dabei wird jedoch ausgeführt, dass eine geordnete städtebauliche Entwicklung und eine Erzeugung städtebaulicher Einheit erreicht werden sollen. Soweit hier also auf die Umgebungsbebauung Bezug genommen wird, wird damit nicht ein besonderer Wille zum Nachbarschutz, sondern vielmehr die Zielvorstellung einer einheitlichen städtebaulichen Entwicklung unter Berücksichtigung der vorhandenen Bebauung zum Ausdruck gebracht.
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1.5 Das Vorhaben verletzt voraussichtlich auch nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den Antragstellern.
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Im Gebiet eines Bebauungsplans ebenso wie in unbeplanten Gebieten, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der BauNVO entspricht, richtet sich der Nachbarschutz nach § 15 Abs. 1 BauNVO. Diese Vorschrift stellt eine besondere Ausprägung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme dar (vgl. BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 4 B 68/08 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. z.B. BVerwG v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290 ff. = juris Rn. 21 m.w.N.). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessenabwägung ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48/12 – juris Rn. 7).
31
Das Vorhaben verstößt nach summarischer Prüfung hinsichtlich seiner Kubatur nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
32
Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet im Sinne einer Indizwirkung in aller Regel aus, wenn – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden. Denn in diesem Fall ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das diesbezügliche Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244.84 – NVwZ 1985, 653 = juris Rn. 4; B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – NVwZ-RR 1997, 516 f. = juris Rn. 9; B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999, 879 f. = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 29 m.w.N.).
33
Nach summarischer Prüfung ist das Vorhaben der Beigeladenen auch nicht ausnahmsweise trotz Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen hinsichtlich seiner Kubatur rücksichtslos gegenüber den Nachbargrundstücken.
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Insbesondere entfaltet es nach summarischer Prüfung keine „erdrückende“, „einmauernde“ oder „abriegelnde“ Wirkung auf das Anwesen der Antragsteller. Eine solche Wirkung ist erst anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht, oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude“ dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Vorhabens und seine Länge sowie die Distanz in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4 m.w.N.), wobei es vor allem auf die diejenigen Merkmale eines Vorhabens ankommt, die auf das Nachbaranwesen einwirken – mithin die Höhe und Länge der dem Nachbargrundstück zugewandten Fassadenfront sowie der Abstand zu diesem (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 8.10.2020 – 1 ME 53/20 – juris Rn. 12). Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus). Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30 m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt geht von dem Vorhaben keine „erdrückende“ oder „einmauernde“ Wirkung auf das Anwesen der Antragsteller aus. Mit seiner Kubatur von E + 1 sowie seiner Wandhöhe von 5,68 m und Firsthöhe von 7,5 m handelt es sich bei dem Vorhaben schon nicht um ein übermäßig hohes Bauerwerk, das hinsichtlich seiner Geschossigkeit nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners sogar hinter den in der Nachbarschaft vorhandenen Wohngebäuden und auch hinter dem Wohngebäude der Antragsteller zurückbleibt.
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Das Vorhaben hat nach summarischer Prüfung auch keine unzumutbare „abriegelnde“ Wirkung auf das Anwesen der Antragsteller. Zwar weist der genehmigte Baukörper, der nach den Eingabeplänen in einer Entfernung von etwa 10 m zu dem Wohngebäude der Antragsteller errichtet werden soll, eine durchaus beträchtliche Länge von 48,715 m auf. Mit der bestehenden Garage im Osten dürfte er sogar auf eine Länge von über 50 m kommen (nach Angaben der Antragstellerseite 54,865 m). Dabei handelt es sich bei dem Baukörper mit seiner relativ geringen Wand- und Firsthöhe – auch im Vergleich zu den Gebäuden in der Nachbarschaft – jedoch um ein vergleichsweise niedriges Gebäude, sodass trotz seiner durchaus beträchtlichen Länge voraussichtlich keine unzumutbare Riegelwirkung entsteht (vgl. auch BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 33: keine erdrückende Wirkung eines ca. 160 m langen Baukörpers mit einer Höhe von 6,36 m bis 10,50 m und einem Abstand von 13 – 16 m zum Gebäude des Nachbarn). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Gebäude die zulässigen Abstandsflächen nicht vollständig ausschöpft. Der Abstand zur Grundstücksgrenze liegt zum einen etwas über dem erforderlichen Mindestabstand von drei Metern. Zum anderen wären die Abstandsflächen sogar noch mit einer einen Meter höheren Wandhöhe bei gleichbleibender Dachhöhe eingehalten; [6,68 m (Wandhöhe) + 0,215 m (südöstliche Gebäudeecke) + 1/3 x 1,825 m (Dachhöhe) ] x 0,4 H = 3,001 m. Somit liegt der genehmigte Baukörper dem Anwesen der Antragsteller zwar auf einer beachtlichen Länge gegenüber; dabei nimmt er aber hinsichtlich seiner Höhenentwicklung durchaus Rücksicht auf die Nachbarschaft, indem er die gesetzlichen Abstandsflächen nicht voll ausschöpft. Ferner liegt die Asylbewerberunterkunft den Nachbargrundstücken auch nicht auf ihrer gesamten Länge gegenüber. Schließlich sind auch die konkreten örtlichen Verhältnisse auf den Nachbargrundstücken zu berücksichtigen. So befinden sich an der nördlichen Grundstücksgrenze der Nachbargrundstücke zum Vorhabengrundstück hin keine besonders schützenswerten Grundstücks- bzw. Gebäudeteile. Nach den Luftbildaufnahmen aus dem Geodatenportal BayernAtlas liegt beinahe auf der gesamten Länge der Nachbargrundstücke in Richtung der Vorhabengrundstücke die Zufahrt zur nordwestlich am Wohngebäude der Antragsteller befindlichen Garage. Eine besonders schutzbedürftige Grundstücksnutzung findet in diesem Bereich mithin nicht statt. Die Nachbargrundstücke verfügen zudem in Richtung Süden über durchaus weiträumige Flächen, die durch das Wohnhaus der Antragsteller von dem geplanten Baukörper auf den Vorhabengrundstücken teilweise abgeschirmt werden. Dort dürfte der genehmigte Baukörper mangels entsprechender Höhe daher teilweise nicht bzw. weniger wahrnehmbar sein als an der – nicht besonders schutzbedürftigen – Nordseite des Wohngebäudes.
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Die Asylbewerberunterkunft ist zwar hinsichtlich ihres Umfangs aufgrund der Unterbringungskapazität von bis zu 96 Personen relativ groß. Auch unter Berücksichtigung einer etwaigen von Antragstellerseite vorgetragenen, in den Bestandsgebäuden bereits stattfindenden Nutzung als Asylbewerberunterkunft dürfte die Unterbringungskapazität von den Antragstellern aber wohl noch hinzunehmen sein. Hierbei ist wiederum zu berücksichtigen, dass sich an der nördlichen Grundstücksgrenze der Nachbargrundstücke zum Vorhabengrundstück hin keine besonders schützenswerten Grundstücks- bzw. Gebäudeteile der Antragsteller befinden, sondern lediglich Zufahrts- und Eingangsbereiche. Zudem wird die genehmigte bauliche Anlage zumindest zu wohnähnlichen Zwecken genutzt (s.o.). Auch ist wiederum zu berücksichtigen, dass nachträgliche Nutzungsbeschränkungen für die Asylbewerberunterkunft, etwa durch Herabsetzen der höchst zulässigen Unterbringungskapazität jederzeit möglich sind.
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Hinzukommt schließlich, dass bei der im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots vorzunehmenden Interessenabwägung (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48/12 – juris Rn. 7) das öffentliche Interesse an der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften und die damit verbundene gesetzgeberische Wertung in die Gesamtbetrachtung einzustellen ist. Die ausdrückliche Nennung der Flüchtlingsunterbringung als Allgemeinwohlgrund in § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die Benennung des Belangs in § 1 Abs. 6 Nr. 13 BauGB und vor allem die weitreichenden Sondervorschriften in § 246 BauGB betonen die herausgehobene Bedeutung der Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung gerade auch im Hinblick auf Abweichungen vom Planungsrecht. Das dringende öffentliche Interesse an der Unterbringung von Flüchtlingen kann es rechtfertigen, einem Nachbarn ein Mehr an Beeinträchtigungen zuzumuten (Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Werkstand: 153. EL Januar 2024, § 246 Rn. 59a, m.w.N.). Auch die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dürfte vor dem Hintergrund der aktuellen Bedeutung der Flüchtlingsunterbringung zu interpretieren sein (Blechschmidt a.a.O.).
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Sonstige Verletzungen nachbarschützender Rechte sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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1.6 Für den Fall, dass das Vorhaben in einer Gemengelage im unbeplanten Innenbereich liegen würde, würde sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilen. In diesem Fall ergibt sich der Nachbarschutz wiederum nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme, welches vorliegend nach summarischer Prüfung nicht verletzt ist (s.o.).
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2. Damit hat auch der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet, da das Vorhaben voraussichtlich nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Antrag gestellt und sich daher keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs. Der Streitwert beträgt die Hälfte des im Hauptsacheverfahren voraussichtlich anzusetzenden Streitwerts.