Inhalt

VGH München, Urteil v. 25.09.2024 – 16a D 22.1976
Titel:

Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst wegen Untreue in drei Fällen in Tatmehrheit mit Unterschlagung

Normenketten:
StGB § 53, § 246 Abs. 1, Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2
BayDG Art. 11, Art. 14
Leitsatz:
Ein im Sachgebiet Haushalt eingesetzter Beamter, der drei rechtlich selbstständige Untreuetaten und eine veruntreuende Unterschlagung verwirklicht, verstößt gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten, innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordern, sein Amt uneigennützig zu führen und der Pflicht zur Beachtung der Gesetze und zur Ausführung dienstlicher Anordnungen nachzukommen, sodass die disziplinarrechtliche Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst geboten ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Regierungshauptsekretär (BesGr A 8), innerdienstliche Untreue und Unterschlagung, Untreue in drei Fällen in Tatmehrheit mit Unterschlagung, Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, Vergleichsangebote, Sachbearbeiter im staatlichen Bauamt, Beschaffung von Mobilfunkgeräten und Mobilfunkzubehör, Inhaber einer Firma für Vertrieb von Elektrogeräten, Ehefrau
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 02.05.2022 – AN 12b D 21.713
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26737

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

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Der 1969 geborene Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2022, mit dem seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen wurde.
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1. Der Beklagte ist verheiratet und Vater zweier Kinder (geboren 2003 und 2006). Er ist zu 70% schwerbehindert, festgestellt durch Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung Würzburg – Versorgungsamt – vom 28. Februar 2005.
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Nach erfolgreicher Ablegung der Anstellungsprüfung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst am 15. November 1989 wurde der Beklagte mit Wirkung vom 4. Dezember 1989 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassistenten zur Anstellung ernannt und einem Wasserwirtschaftsamt zugewiesen. Mit Wirkung vom 16. Dezember 1991 wurde er zum Regierungsassistenten und mit Wirkung vom 1. Dezember 1994 zum Regierungssekretär ernannt. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte zum 7. Januar 1996. Mit Wirkung vom 1. Januar 2000 wurde der Beklagte zum Regierungsobersekretär ernannt. Mit Wirkung vom 1. Mai 2006 wurde er an das Staatliche Bauamt Bamberg versetzt und dort mit Wirkung vom 28. Mai 2009 zum Regierungshauptsekretär ernannt. Beim Staatlichen Bauamt Bamberg war der Beklagte bis zum 29. Juli 2016 als Sachbearbeiter in der Abteilung Verwaltung, Sachgebiet Haushalt, für den Aufgabenbereich „Mobilfunk“ zuständig, bevor dieser Bereich aus organisatorischen Gründen zum 1. August 2016 dem Sachgebiet Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) übertragen wurde.
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Abgesehen von der dem gegenständlichen Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Verurteilung ist der Beklagte strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet.
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Mit Verfügung der Disziplinarbehörde vom 29. Juni 2017, zugestellt am 3. Juli 2017, wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben; der vom Beklagten hiergegen gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2017 abgelehnt (Az. AN 12b DS 17.01381) und die hiergegen erhobene Beschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Februar 2018 zurückgewiesen (Az. 16a DS 17.2401). Seit August 2017 wird ein Teil der monatlichen Dienstbezüge (zwischen 40 und 50%) einbehalten.
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2. Nachdem das Verwaltungsgericht den Vorwurf eines Verstoßes gegen das Nebentätigkeitsrecht gemäß Art. 54 BayDG aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden hat, sind Gegenstand der Disziplinarklage vom 19. April 2021, mit der der Kläger die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erstrebt, die Sachverhalte, die dem sachgleichen Strafverfahren zugrunde liegen, in dem der Beklagte mit Urteil des Landgerichts Bamberg vom 24. Oktober 2019, rechtskräftig seit 1. November 2019, wegen Untreue in drei Fällen in Tatmehrheit mit Unterschlagung (§ 246 Abs. 1, Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2, § 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Verurteilung beruht auf folgenden tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Bamberg vom 30. November 2017:
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Der Beklagte war als Sachbearbeiter im Sachgebiet Haushalt des staatlichen Bauamts unter anderem für die Beschaffung von Mobilfunkgeräten und Mobilfunkzubehör zuständig. Zugleich war er Inhaber der Firma m., welche sich mit dem Vertrieb von Elektrogeräten beschäftigte.
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(1) In den nachgenannten Fällen beschaffte der Beklagte über die Firma m. Geräte für das Staatliche Bauamt. Der Beklagte war dabei Inhaber dieser Firma, obwohl er für diese Nebentätigkeit keine Genehmigung hatte. Gegenüber dem Staatlichen Bauamt gab der Beklagte stattdessen vor, es handele sich hierbei um die Firma seiner Ehefrau. Zur Erzielung von Gewinnen vergab der Beklagte gezielt Aufträge zur Lieferung elektronischer Artikel an seine eigene Firma m., ohne zuvor ordnungsgemäß Vergleichsangebote eingeholt zu haben. Erst nachträglich, zum Teil erst nach Lieferung und Rechnungstellung durch seine Firma, holte er Vergleichsangebote ein, wobei er bewusst Angebote auswählte, die einen höheren Kaufpreis aufwiesen. Hierdurch wollte der Beklagte seinen Vorgesetzten vortäuschen, dass im Vorfeld der Auftragsvergabe ein ordnungsgemäßer Angebotsvergleich stattgefunden habe und das Angebot seiner Firma hierbei das günstigste gewesen sei.
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Dem Staatlichen Bauamt entstand hierdurch ein Schaden, da entweder überhaupt kein Bedarf für den Ankauf der meist hochwertigen Elektroartikel bestand oder diese billiger zu erwerben gewesen wären. Der Beklagte hat sich entsprechend durch diese Geschäfte bereichert.
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Im Einzelnen:
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a) Im Juli 2016 bestellte der Beklagte zunächst bei der Firma m. 40 Mobiltelefone der Marke Nokia 650 DualSim. Nachdem der Vorgesetzte des Beklagten von diesem Geschäft erfuhr, wurde der Vertrag Ende Juli 2016 storniert. Der Beklagte beschaffte die Geräte sodann ohne erneute Rücksprache zur Verschleierung mit zwei Bestellungen vom 13. Juli 2017 bei der Firma W. als Zwischenhändler. Die Firma W. bekam die Geräte von der Firma m. über den Umweg der Firma n., einer Firma der Ehefrau des Beklagten, und somit faktisch vom Beklagten selbst geliefert und verkaufte die Geräte sodann mit einem Aufpreis mit Rechnung vom 5. August 2016 zum Preis von 7.410,12 Euro an das Staatliche Bauamt.
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b) Mit Rechnung vom 30. Mai 2016 beschaffte der Beklagte bei der Firma m. zwölf Datenkabel USB C 1m black zu einem Stückpreis von 15,90 Euro sowie sieben Microsoft Lumia 950 zum Stückpreis von 499,00 Euro. Die eingeholten Vergleichsangebote datieren vom 23. Juni 2016, 22. Juni 2016 und 2. Juni 2016. In diesem Fall öffnete der Beklagte nachträglich die Klammerung des Erfassungsbelegs HüL Nr. 191/2016 vom 18. Juli 2016 und fügte die Vergleichsangebote an.
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Jedenfalls für drei der Smartphones Microsoft Lumia 950, die der Beklagte bewusst zu diesem Zweck beschafft hatte, bestand dabei überhaupt kein Bedarf. Dem Staatlichen Bauamt entstand hierdurch ein Schaden in Höhe von 1497,00 Euro.
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c) Mit undatierter Rechnung der Firma m. beschaffte der Beklagte kurz vor dem 18. April 2016 zunächst 20 USB Datenkabel zum Preis von je 7,40 Euro, ein Microsoft Handy Lumia 950 Dual-Sim black zum Preis von 596,00 Euro und ein Original Apple Akku iPhone 5s zum Preis von 26,90 Euro. Nachträglich tauschte der Beklagte diese Rechnung der Firma m. aus. Er entfernte die ursprüngliche Rechnung ohne Datum mit der haushaltsrechtlichen Feststellung von Herrn Regierungsamtsrat W., Beamter des Staatlichen Bauamts, vom 18. April 2016 und fügte eine Rechnung der Firma m. vom 3. Mai 2016 samt neuer Vergleichsangebote ein, die nur noch acht Datenkabel USB C 1m black zum Preis von 18,50 Euro pro Stück aufführte. Der Rechnungsbetrag blieb hierdurch gleich. Der Beklagte hatte das Handy Lumia 950 zuvor am 6. April 2016 bei der Firma C. zum Preis von 499,00 Euro und den Akku am 6. April 2016 bei der Firma W. zum Preis von 10,00 Euro angekauft. Er erzielte insoweit einen Gewinn von 113,90 Euro.
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(2) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt Mitte August 2016 nahm der Beklagte aus den Räumen des Staatlichen Bauamts drei SD-Cards Marke San-Disk mit 126 GB Speicherplatz (Wert ca. 40 Euro/Stück), vier SD-Cards der Marke San-Disk mit 64 GB Speicherplatz (Wert ca. 20 Euro/Stück) und eine SD-Card der Marke San-Disk mit 32 GB Speicherplatz (Wert ca. 15 Euro/Stück), einen USB Stick San-Disk Silber, zwei Cover-Abdeckungen für Handy Lumia Powerray Power Pack A60 (Wert ca. 50 Euro/Stück), fünf KFZ-Ladeadapter Marke Nevox (Wert ca. 10 Euro/Stück), sechs USB-Ladekabel schwarz, vier Stecker für Samsung Mobiltelefon, zwei USB-Lightning Stecker Marke Apple und zwei Kopfhörer schwarz an sich, um sich diese zuzueignen. Die Gegenstände wurden bei der Durchsuchung am 8. November 2016 bei ihm zu Hause aufgefunden und hatten einen Wert von geschätzt 750,00 Euro.
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Ein vom Landgericht zur Frage der Schuldfähigkeit im Tatzeitraum eingeholtes Sachverständigengutachten vom 19. Mai 2019 kam zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass beim Beklagten eine selbstunsichere-narzisstische Persönlichkeitsstruktur vorliege, die, wenn seine Bedürfnisse nicht befriedigt würden, zu reaktiver Depressivität führe. Da es deutliche Hinweise dafür gebe, dass diese Persönlichkeitszüge durch emotionale Vernachlässigung im Elternhaus entstanden seien, hätten sie auch im Tatzeitraum bestanden und seien als schwere andere seelische Abartigkeit zu verstehen, durch die das Handeln des Beklagten im Sinne einer erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit bewertet werden müsse. Die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns sei nicht tangiert gewesen und von einer völligen Zerrüttung des seelischen Gefüges sei ebenfalls nicht auszugehen. Da konkrete tatzeitnahe psychiatrische Beschreibungen nicht vorlägen, werde die Formulierung gewählt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 StGB „nicht auszuschließen“ seien.
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3. Mit Verfügung vom 27. September 2016 leitete die Disziplinarbehörde ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Am 8. Dezember 2020 übermittelte die Disziplinarbehörde dem Beklagten gemäß Art. 32 BayDG das Ergebnis der Ermittlungen zur abschließenden Anhörung und informierte den Bezirkspersonalrat bei der Regierung von Oberfranken, dessen Mitwirkung der Beklagte beantragt hatte, über die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage. Der Bezirkspersonalrat stimmte mit Schreiben vom 26. Januar 2021 der Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, zu. Die Disziplinarbehörde lehnte mit Verfügung vom 15. April 2021 einen bereits mit Schriftsatz des Beklagtenbevollmächtigten vom 9. Juli 2020 gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der Vorgesetzten des Beklagten, Herrn W. (Sachgebietsleiter) und Herrn S. (Abteilungsleiter), sowie gegebenenfalls der Buchhalterin Frau G. als Zeugen dazu, welchen Informationsstand sie zu welchem Zeitpunkt über den Inhaber der Firma m. hatten und gegenüber ihren jeweiligen Vorgesetzten weitergaben, ab. Zur Begründung wurde dargelegt, es könne als wahr unterstellt werden, dass der unmittelbare Vorgesetzte W. und der Abteilungsleiter S. Kenntnis davon gehabt hätten, dass die Firma m. von dem Beklagten und nicht von dessen Ehefrau betrieben worden sei. Darüber hinaus sei die zu beweisende Tatsache für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ohne Bedeutung, weil die Berufung auf eine unzureichende Kontrolle durch Vorgesetzte ausscheide, wenn der Beamte das Fehlen einer Dienstaufsicht bzw. das Nichteinschreiten seiner Vorgesetzten – wie hier – zielgerichtet ausgenutzt habe.
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4. Der Beklagte hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt und beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Mai 2022 abzuändern und gegen den Beklagten eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu verhängen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Mitwirkung des Personalrats sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sich der der Personalvertretung vorgelegte Sachverhalt durch die Ablehnung des Beweisantrags mit einer Wahrunterstellung im Sinne eines positiven Wissens der beiden Vorgesetzten um die Inhaberschaft der Firma m. durch den Beklagten verändert habe, wodurch sich der Vorwurf auflöse, der Beklagte habe seine Vorgesetzten getäuscht, und die im Regelfall bestehende Vermutung, dass Zugriffsdelikte wegen der erforderlichen Verschleierungsmaßnahmen nicht im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen werden, zumindest stark abgeschwächt werde. Dies führe dazu, dass die Personalvertretung ihre Entscheidung auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage gefällt habe. Das Verwaltungsgericht verkenne in seinem Urteil, dass neben den beiden auf der Hand liegenden Möglichkeiten einer Zustimmung oder einer Ablehnung der Erhebung einer Disziplinarklage die Personalvertretung auch die Aufgabe habe, in Erörterungen mit der Dienststelle einzutreten und argumentativ auf diese einzuwirken, um beispielsweise die beabsichtigte Erhebung einer Disziplinarklage nochmals zu überdenken. Da der Zweck der Erörterung zwischen Personalvertretung und Dienststellenleitung darin bestehe, einen kommunikativen Prozess durchzuführen, könne auch nicht unterstellt werden, dass auch bei einem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, welches die als wahr unterstellten Tatsachen bereits als solche behandelt hätte, die Handhabung durch die Personalvertretung identisch gewesen wäre. Hinzu komme, dass der Kläger mit der vom ihm gewählten Vorgehensweise, die Beteiligung des Personalrats vor der Entscheidung über den Beweisantrag durchzuführen, auch selbst die Ursache dafür gesetzt habe, dass der der Personalvertretung mitgeteilte Sachverhalt hinsichtlich des Kenntnisstands der Vorgesetzten des Beklagten unzutreffend geworden sei.
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Es habe eine verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen. Obwohl beim Beklagten nach Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen im Strafverfahren eine andere schwere seelische Abartigkeit festgestellt worden sei, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt habe, habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil nur auf die vorhandene Einsichtsfähigkeit abgestellt. Eine verminderte Steuerungsfähigkeit beschreibe aber ein Defizit bei der Impulskontrolle und betreffe die Fähigkeit eines Menschen, die intellektuelle Einsicht in richtig und falsch, die er gewinnen kann, auch tatsächlich umzusetzen. Die Frage, ob eine Person bestimmte intellektuelle Leistungen erbringen könne, habe allenfalls indirekt einen Bezug zu der Frage, ob diese Person in einer Anreizsituation, in der sich ihr ein Vorteil biete, die Fähigkeit besitze, dem in einer Weise zu widerstehen, wie dies bei gesunden Menschen der Fall sei.
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Rechtlich fehlerhaft erscheine darüber hinaus die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass die über lange Jahre erfolgte Duldung eines dienstpflichtwidrigen Verhaltens nicht entlastend wirke. Der Beklagte habe vorliegend nicht etwa Lücken in der Dienstaufsicht für sich ausgenutzt, vielmehr seien die von ihm durchgeführten Geschäftsaktivitäten im erforderlichen Einvernehmen mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten und zumindest mit Kenntnis aller relevanten Umstände beim nächsthöheren Vorgesetzten erfolgt. Der Beklagte habe nichts verschleiert, sondern mit dem Wissen seiner Vorgesetzten gehandelt. Überdies hätte das Gebot der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahme erfordert, den Beamten auf die Bedenken gegenüber der Ausübung der Nebentätigkeit mit der eigenen Dienststelle hinzuweisen bzw. die Ausübung dieser Nebentätigkeit zeitlich lange vor den verfahrensgegenständlichen Straftaten zu untersagen und zu unterbinden. Für einen Vorgesetzten mit der Befähigung zum Richteramt wie Herrn S. sei tatsächlich – im Gegensatz zu einem Beamten der zweiten Qualifikationsebene – unschwer aus dem Gesetzestext zu erkennen, dass die Nebentätigkeitsgenehmigung Geschäfte mit der eigenen Dienststelle nie umfassen könne. Es sei schlicht die Untersagung derartiger Geschäfte erfolgt, allerdings gestützt auf das Weisungsrecht des Vorgesetzten und nicht auf die nebentätigkeitsrechtliche Unzulässigkeit. Bei der nächsten Gelegenheit sei hiervon aber wieder – zum Aufbrauchen von Haushaltsmitteln – abgewichen worden. Hierdurch habe nicht nur der Vorgesetzte des Beklagten, Herr W., sondern auch der höhere Vorgesetzte, Herr S., ersichtlich widersprüchliche Signale gesandt. Bei einer klarstellenden Äußerung zum Nebentätigkeitsrecht durch den Dienstherrn – sei es in Form einer disziplinären Ahndung eines Verstoßes, in Form einer nachträglichen Auflage, keine Geschäfte mit staatlichen Stellen abzuschließen, oder auch in Form einer Aufhebung oder Anpassung der Nebentätigkeitsgenehmigung – hätte der Beklagte mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von den nachfolgenden Geschäften, die Straftatbestände verwirklichten, Abstand genommen, zumal ihm das psychiatrische Gutachten auch eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstruktur bescheinige, bei der typischerweise davon ausgegangen werden könne, dass die Ausübung von Druck auch zu einem erwartungskonformen Verhalten in der Zukunft führe. Für die Frage, ob sich hieraus ein Maßnahmemilderungsgrund ergebe, der ein Absehen von der Verhängung der Höchstmaßnahme angezeigt erscheinen lasse, sei eine Gesamtbetrachtung der Situation angezeigt, da der Gesundheitszustand des Beklagten und das Führungsverhalten seiner Vorgesetzten nicht jeweils isoliert betrachtet werden könnten und sich das hiesige Verfahren gerade dadurch auszeichne, dass ein aus medizinischer Sicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigter Beamter sich in einer dienstlichen Situation befunden habe, in der ein nebentätigkeitsrechtlich unzulässiges Verhalten offen vor den Augen und unter Billigung seiner Vorgesetzten durchgeführt worden sei, für die Begründung des strafrechtlichen Vorwurfs der Untreue aber entscheidend gewesen sei, dass der Beamte aufgrund seiner dienstlichen Stellung eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt habe, mit der Geschäftsabschlüsse im Rahmen seiner Nebentätigkeit nicht vereinbar gewesen seien.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat am 25. September 2024 mündlich verhandelt. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Straf-, Disziplinar- und Personalakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt, ohne dass der vom Verwaltungsgericht ausgeschiedene Anschuldigungspunkt wieder einzubeziehen ist (Art. 54, Art. 21 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BayDG).
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1. Soweit die Beklagtenseite rügt, die Mitwirkung des Personalrats sei nicht ordnungsgemäß gewesen, weil sich der der Personalvertretung vorgelegte Sachverhalt durch die Ablehnung des Beweisantrags mit einer Wahrunterstellung im Sinne eines positiven Wissens der beiden Vorgesetzten um die Inhaberschaft der Firma m. durch den Beklagten verändert habe, führt dies nicht zu einem formellen Mangel des Disziplinarverfahrens.
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Gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 3 bis 5 BayPersVG ist der Personalrat auf Antrag des Beamten vor Erhebung der Disziplinarklage zu beteiligen. In diesem Zusammenhang ist der Personalrat von der Angelegenheit einschließlich der beabsichtigten Maßnahme so umfassend und vollständig zu unterrichten, dass er in der Lage ist, ohne eigene weitere Ermittlungen in der Sache zu beraten und Beschluss zu fassen (Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, 48. AL August 2022, Art. 53 BayDG Rn. 5). Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Informationsrecht des Art. 69 Abs. 2 Satz 1 BayPersVG (BVerwG, U.v. 12.10.1989 – 2 C 22.87 – juris Rn. 24 zu § 68 Abs. 2 BPersVG a. F.).
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Durch die Übermittlung des Ergebnisses der Ermittlungen zur abschließenden Anhörung wurde dem Personalrat durch den Kläger der der beabsichtigten Disziplinarklage zugrunde liegende Sachverhalt umfassend und vollständig mitgeteilt. Entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung war mit der Ablehnung des Beweisantrags eine wesentliche Änderung des Sachverhalts nicht verbunden und löste mithin kein erneutes Beteiligungserfordernis aus. Die Disziplinarbehörde ging bereits in der dem Personalrat übermittelten abschließenden Anhörung davon aus, es sei unbeachtlich, ob der unmittelbare Vorgesetzte des Beklagten, Herr W., sowie der Abteilungsleiter, Herr S., Kenntnis davon hatten, dass der Beklagte persönlich Inhaber der Firma m. war und nicht dessen Ehefrau, und dieser Umstand sinngemäß auch „geduldet“ worden sei (Anhörung v. 8.12.2020 S. 35 f.). Dass die Ausübung der nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit durch das Staatliche Bauamt möglicherweise geduldet worden sei und auch die Dienstvorgesetzten die einzelnen Dienstvergehen möglicherweise pflichtwidrig geduldet hätten, könne sich nicht maßnahmemildernd auswirken. Die Vernehmung von Herrn S., Herrn W. und Frau G. als Zeugen sei damit – entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 9. Juli 2020 – nicht notwendig (Anhörung v. 8.12.2020 S. 36 f.). Die Disziplinarbehörde hatte mithin den gestellten Beweisantrag in der abschließenden Anhörung inhaltlich bereits thematisiert. Die Frage, ob eine Beweistatsache als unerheblich bezeichnet oder als wahr unterstellt wird, ist für die vom Personalrat zu treffende Entscheidung, ob er der Erhebung einer Disziplinarklage zustimmt, offensichtlich nicht wesentlich.
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Im Übrigen bezieht sich das Recht der Mitwirkung der Personalvertretung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur insoweit inhaltsgleichen Regelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG nur auf die grundlegende disziplinarbehördliche Abschlussentscheidung, ob überhaupt eine Disziplinarklage erhoben werden soll. Demgegenüber unterliegt der Inhalt der Klageschrift, insbesondere die Frage, welche Disziplinarmaßnahme der Beamte voraussichtlich verwirkt haben könnte und Gegenstand des Antrags sein soll, nicht der Mitwirkung (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 – juris Rn. 14 ff.). Selbst wenn man – wie von Beklagtenseite geltend gemacht – davon ausginge, dass sich das positive Wissen der Vorgesetzten um die Inhaberschaft der Firma m. maßnahmemildernd auswirke, wäre mit Blick auf die begangenen Straftaten dennoch eine Disziplinarklage zu erheben gewesen, weil allein der angeführte Milderungsgrund offensichtlich nicht zu einer Maßnahme unterhalb der Zurückstufung führen kann (vgl. Art. 35 Abs. 1 BayDG).
32
Soweit die Beklagtenseite darüber hinaus auf den Verstoß gegen das Nebentätigkeitsrecht abhebt, ist dieser bereits nicht mehr Gegenstand des Disziplinarverfahrens.
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2. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen und im Tatbestand dargestellten Dienstpflichtverletzungen begangen hat.
34
Der Senat legt seiner Entscheidung die nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts Bamberg vom 24. Oktober 2019 zugrunde, die sich wegen der Beschränkung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Bamberg vom 30. November 2017 auf den Rechtsfolgenausspruch auf die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils stützen. Die Bindungswirkung umfasst auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1.15 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 23).
35
Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 6. Mai 2024 geltend macht, er sei hinsichtlich der Unterschlagung (vgl. 2.(2)) des Tatbestands) „exkulpiert“, und insoweit zum Beweis der Tatsache, dass in direkter Abstimmung mit dem Vorgesetzten des Beamten, Herrn W., entschieden worden sei, dass der Beklagte die betreffenden Gegenstände mit zu sich nach Hause nimmt und sich darum bemüht, diese – auf Rechnung des Dienstherrn – zu verkaufen, die Einvernahme des früheren Straßenmeisters Sch. als Zeugen anregt, macht er letztlich geltend, dass eine Aneignung nicht stattgefunden habe bzw. dass ein Irrtum über tatsächliche Rechtfertigungsvoraussetzungen (Vorliegen der Einwilligung eines Verfügungsberechtigten zur Zueignung) vorliege. Dem steht jedoch die Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils entgegen, dass der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen sich das rechtskräftige Urteil des Landgerichts wegen der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch insoweit stützt, hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, die Einlassung, dass es eine angebliche Absprache gegeben habe, bestimmte Sachen in Eigenregie für das Staatliche Bauamt zu verkaufen, finde keine Grundlage in einer Zeugenaussage. Der Zeuge W. habe vielmehr angegeben, dass alle Gegenstände in den Bereich der IuK verbracht werden sollten. Auch wäre ein derartiges Vorgehen fernab jeglicher Verwaltungspraxis und sei somit ebenfalls als reine Schutzbehauptung zu betrachten. Schließlich spreche auch der Umstand, dass die Gegenstände mehrere Monate nach dem Referatswechsel aufgefunden worden seien und der Beklagte bereits seinen Zueignungswillen manifestiert habe, indem er die einbehaltenen Kleinteile in den höchst privaten Bereich seines Hauses (Schachteln in einer Kommode, private Schränke, unter dem Wohnzimmertisch) integriert habe, gegen die Einlassung des Beklagten.
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Der Senat hat auch keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 Halbs. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Danach sind die Disziplinargerichte nur an offenkundig unrichtige Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil nicht gebunden. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit ergeben kann; die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus (BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 30). Soweit der Beklagte die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts für unrichtig hält, hätte es ihm offen gestanden, im Rahmen der eingelegten Berufung die Einvernahme des – bereits damals erreichbaren – Zeugen zu beantragen. Dass der Beklagte nunmehr angibt, der Zeuge hätte, solange er noch im Bauamt tätig gewesen sei, nicht wahrheitsgemäß ausgesagt, ist nicht ausreichend und entband den Beklagten nicht von der Obliegenheit, den Sachverhalt mittels eines entsprechenden Beweisantrags im strafrechtlichen Verfahren einer Klärung zuzuführen.
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Hinsichtlich der Beweisangebote wurde der Beklagte im Übrigen bereits mit der Zustellung der Disziplinarklage durch das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Beweisanträge innerhalb zweier Monate ab Zustellung der Klage zu stellen sind und ein verspätet gestellter Beweisantrag abgelehnt werden kann, wenn seine Berücksichtigung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Disziplinarverfahrens verzögern würde und wenn nicht zwingende Gründe für die Verspätung glaubhaft gemacht werden (Art. 56 Abs. 2 BayDG; für das Berufungsverfahren vgl. Art. 63 Abs. 3 BayDG).
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3. Mit diesen Straftaten hat der Beklagte ein einheitlich zu betrachtendes schweres Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG verwirklicht.
39
Der Beklagte hat durch die Begehung der drei rechtlich selbstständigen Untreuetaten und der veruntreuenden Unterschlagung gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, durch sein Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordern (§ 34 Satz 3 BeamtStG i.d.F. bis 6.7.2021 – a.F.), und sein Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 BeamtStG a.F.). Darüber hinaus hat er gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 246 Abs. 1, Abs. 2, § 263 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2, § 53 StGB) und zur Ausführung dienstlicher Anordnungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Es handelt sich um innerdienstliche Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG, denn das jeweilige pflichtwidrige Verhalten war in sein Amt als Sachbearbeiter im Sachgebiet Haushalt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden (BVerwG, U.v. 15.11.2018 – 2 C 60.17 – juris Rn. 19).
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4. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die gebotene Maßnahme.
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4.1 Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
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Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 56 BayDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.
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4.2 Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66). Dies sind im vorliegenden Fall die drei tatmehrheitlich begangenen, mit Urteil des Landgerichts Bamberg vom 24. Oktober 2019 geahndeten Untreuetaten im besonders schweren Fall.
44
Für die disziplinarrechtliche Ahndung dieser Taten ergibt sich ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den festzustellenden Strafrahmen zurück und folgt damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19 f.; B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14).
45
Vorliegend stellen die Handlungen, welche dem Strafurteil vom 24. Oktober 2019 zugrunde liegen, schon im Hinblick auf den zur Anwendung kommenden Strafrahmen schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Hinsichtlich der Untreuetaten im besonders schweren Fall ist nach § 266 Abs. 1 und 2, § 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und Nr. 4, § 53 StGB ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet. Die Vorschrift des § 246 Abs. 2 StGB (veruntreuende Unterschlagung) sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – hier sind es bis zu zehn Jahre – vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. juris Rn. 20). Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier: 11 Monate Freiheitsstrafe) dabei keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 a.a.O. juris Rn. 15 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (a.a.O.) ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt, so dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere anhand von Schwellenwerten – verbietet.
46
4.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Im Hinblick auf das erhebliche Gewicht der Vorsatzstraftaten geht der Senat von einem endgültigen Vertrauensverlust der Allgemeinheit aus, der unabhängig vom konkret ausgeübten Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung des Beklagten als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12, 13).
47
Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die die Höchstmaßnahme erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen (BayVGH, U.v. 30.9.2020 – 16a D 18.1764 – juris Rn. 58).
48
4.3.1 Mildernde Umstände von solchem Gewicht, die trotz der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme als unangemessen erscheinen lassen, liegen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht vor.
49
a) Ein von der Rechtsprechung anerkannter („klassischer“) Milderungsgrund ist nicht erkennbar. Insbesondere liegt weder der Milderungsgrund einer unverschuldeten, aus einer ausweglos erscheinenden wirtschaftlichen Notlage heraus begangenen Tat noch eine Tatbegehung aufgrund eines Augenblicksversagens oder aus einer psychischen Ausnahmesituation heraus vor. Ebenso wenig kann ein tätiges Abrücken des Beklagten von seiner Tat durch eine freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor der Aufdeckung festgestellt werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.1.2013 – 16b D 12.71 – juris Rn. 114).
50
Die Leistungen des Beklagten und die pflichtgemäße Dienstausübung, die ihren Ausdruck in guten Beurteilungen gefunden haben (Beurteilungsjahr 2013: 10 Punkte), sowie der Umstand, dass der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, sind für sich gesehen nicht geeignet, den gravierenden Pflichtenverstoß in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 2 B 6.19 – juris Rn. 4; B.v. 19.3.2013 – 2 B 17.12 – juris Rn. 8). Jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 29.3.2012 – 2 A 11.10 – juris Rn. 82). Auch das vom Abteilungsleiter erstellte „Persönlichkeitsbild“ vom 26. Juni 2017 enthält keine durchschlagenden Anhaltspunkte, die Anlass geben könnten, von einer Entfernung des Beklagten abzusehen. Zwar werden ihm darin ein sehr großes Engagement, gute Arbeitserfolge sowie beachtenswerte Fähigkeiten bescheinigt, allerdings zugleich auch negative Aspekte thematisiert (anstrengend zu führender Mitarbeiter, der wiederholt auf die konsequente Beachtung von untergeordneten Regeln über Disziplin und Ordnung hingewiesen werden musste; Beanstandungen bei der Arbeitszeiterfassung und der Bearbeitung einer Rechnung). Dem kann mithin nicht entnommen werden, dass in Zukunft ein beanstandungsfreies dienstliches Verhalten zu erwarten ist.
51
b) Mildernd können zu Gunsten des Beklagten seine im behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren dargestellten gesundheitlichen Einschränkungen (vgl. insbesondere das psychiatrische Gutachten) und seine Schwerbehinderung, die für sich gesehen jedoch keinen eigenständigen Milderungsgrund begründet und den Beklagten nicht vor der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme schützt (BVerwG, U.v. 2.4.1998 – 1 D 4.98 – juris Rn. 17), in die Gesamtwürdigung zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme eingestellt werden. Jedoch lässt auch dieser Umstand die gravierenden Dienstpflichtverletzungen nicht in einem derart „milderen Licht“ erscheinen, dass von der Höchstmaßnahme Abstand genommen werden müsste. Insbesondere führte die psychische Erkrankung nicht dazu, dass die Pflichtverletzungen als im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) begangen anzusehen sind.
52
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Die Einsichtsfähigkeit des Beklagten war ausweislich des überzeugenden, vom Landgericht in Auftrag gegebenen psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. M. vom 19. Mai 2019 im Tatzeitraum nicht tangiert. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (BGH, U.v. 27.11.1959 – 4 StR 394/59 – BGHSt 14, 30, 32; U.v. 21.11.1969 – 3 StR 249/68 – BGHSt 23, 176, 190; BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 36 m.w.N.). Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich“ war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben (BVerwG, B.v. 15.7.2019 – 2 B 8.19 – juris Rn. 11). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 36 m.w.N.). Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer die im Streit stehende Verfehlung wiegt (BayVGH, U.v. 20.9.2021 a.a.O. m.w.N.). Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien, Neurosen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (BVerwG, B.v. 19.2.2018 – 2 B 51.17 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 22.7.2020 – 16a D 18.1918 – juris Rn. 49). Daher wird man bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen von der Erheblichkeit einer festgestellten verminderten Schuldfähigkeit ausgehen können (BVerwG, B.v. 19.2.2018 – 2 B 51.17 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 43).
53
In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzuhalten, dass ausweislich des psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 19. Mai 2019 beim Beklagten eine selbstunsichere-narzisstische Persönlichkeitsstruktur vorliegt, die, wenn seine Bedürfnisse nicht befriedigt werden, zu reaktiver Depressivität führt. Diese Persönlichkeitszüge des Beklagten haben auch im Tatzeitraum bestanden und sind nach Auffassung des Sachverständigen als schwere andere seelische Abartigkeit zu verstehen, durch die, da psychiatrische Befunde zum Tatzeitraum nicht vorliegen, eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen ist. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit den Feststellungen des Landgerichts Bamberg in seinem Urteil vom 24. Oktober 2019 vom Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB auszugehen.
54
Allerdings ist die verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten nicht erheblich. Zwar kann der mildernde Umstand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Rahmen der Maßnahmebemessung nach Art. 14 BayDG nicht durch das Vorhandensein der Einsichtsfähigkeit „kompensiert“ werden (BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 39), so dass im Ausnahmefall selbst bei einem Mehrfachversagen eines Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten im Rahmen von Zugriffsdelikten die Steuerungsfähigkeit (als eine der beiden in § 21 StGB genannten Alternativen) als Folge einer Störung im Sinne des § 20 StGB in erheblichem Maße eingeschränkt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2010 – 2 B 82.09 – juris Rn. 9). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend allerdings nicht gegeben.
55
Zunächst erreicht das Störungsbild ausweislich des Gutachtens nicht das Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung. Gegen die Erheblichkeit der vorliegenden Beeinträchtigung spricht das gezielte und planmäßige Vorgehen des Beklagten, das mitunter – so bei der unter 2.(1) a) des Tatbestands dargestellten Tat – mehraktige Überlegungs- und Handlungsschritte erforderte und mithin gegen einen erheblichen Kontrollverlust bzw. für ein impulsgesteuertes Verhalten streitet. Der Beklagte war im Tatzeitraum auch in der Lage, regulär seinen Dienst zu verrichten, so dass konkrete Anhaltspunkte für eine schwer ausgeprägte reaktive Depressivität im Tatzeitraum unter der eingenommenen Medikation nicht ersichtlich sind. Tragfähige Anhaltspunkte für ein dahingehend auffälliges Verhalten im Tatzeitraum lassen sich den in den Akten befindlichen Zeugenvernehmungen und Stellungnahmen nicht entnehmen; vielmehr wird in dem Persönlichkeitsbild vom 26. Juni 2017 darauf verwiesen, dass es in den letzten Monaten vor der Entscheidung, dem Beklagten im August 2016 neue Aufgaben zu übertragen, – anders als dies früher bereits teilweise der Fall war – keinen Anlass zu nennenswerten Beanstandungen gegeben habe, so dass auch die vom Beklagten begangenen Verfehlungen nicht zu erahnen gewesen seien. Dass sich der Beklagte im Tatzeitraum in einer als ein verändertes Verhalten zu bemerkenden, derart schlechten bzw. krankhaften psychischen Verfassung befunden hat, dass sich die von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen als zwangsläufige Folge seiner Erkrankung dargestellt hätten, kann nicht angenommen werden.
56
Darüber hinaus sind die dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen besonders leicht einsehbare und bedeutende Pflichtverletzungen im Kernbereich seines Wirkens. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Vorgesetzten des Beklagten in der Vergangenheit bereits den Abschluss von Verträgen mit der Firma des Beklagten gebilligt hatten. Denn dass der Beklagte als Mitarbeiter des Sachgebiets Haushalt des staatlichen Bauamts keine Verträge über nicht benötigte Gegenstände mit seiner Firma schließen darf, mit denen er sich durch das Erzielen von Gewinnen zu Lasten seines Dienstherrn selbst bereichert, liegt dennoch unmittelbar auf der Hand. Nichts anderes gilt für die Zueignung der im Eigentum des Bauamts stehenden Sachen. Warum der Beklagte beim Erkennen oder Befolgen dieser einfachen Grundpflichten unvermeidbar versagt haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Es wäre vielmehr von ihm zu erwarten gewesen, trotz der geschilderten gesundheitlichen Belastungen genügend Widerstandskraft gegen die Dienstpflichtverletzungen aufzubringen. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen liegt ein Ausnahmefall, in dem bei einem Zugriffsdelikt die festgestellte krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB als im Rechtssinne erheblich angesehen werden könnte, nicht vor.
57
c) Eine erhebliche Minderung der Verantwortlichkeit des Beklagten folgt schließlich auch nicht aus einem Mitverschulden des Dienstherrn. Auch wenn man zugrunde legt, dass die Vorgesetzten des Beklagten in der Vergangenheit bereits in einigen Fällen – und im Grundsatz auch bei den unter 2.(1) b) und c) des Tatbestands dargestellten Taten – den Abschluss von Verträgen mit der Firma des Beklagten gebilligt hatten, womit sie auch der ihnen dem Beklagten gegenüber zukommenden Fürsorgepflicht nicht gerecht geworden sein dürften, und dass sie bei den konkreten Taten ihren dienstaufsichtlichen Aufgaben nicht nachgekommen sind, indem insbesondere Rechnungen ohne das Vorliegen von Vergleichsangeboten abgezeichnet wurden, führt dieses dem Dienstherrn bei der Schadensverursachung anzulastende Mitverschulden unter der stets gebotenen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht dazu, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 16.12.2021 – 2 B 28.21 – juris Rn. 11 und Rn. 13 m.w.N.).
58
Eine unzureichende Dienstaufsicht durch Vorgesetzte oder ein „Mitverschulden“ kann nur in Ausnahmefällen und primär unter dem Blickwinkel der Verletzung der Fürsorgepflicht als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten (vgl. BVerwG, U.v. 10.1.2007 – 1 D 15.05 – juris Rn. 22, Rn. 24; B.v. 11.7.2014 – 2 B 70.13 – juris Rn. 9). Die den Dienstvorgesetzten gegenüber dem Beamten zukommende Fürsorge- und Schutzpflicht tritt jedoch im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass der Beklagte bei der Begehung der Taten systematisch die Gutgläubigkeit seiner Vorgesetzten und eine ihm eingeräumte Vertrauensstellung ausgenutzt hat, in den Hintergrund. Die Vorgesetzten W. und S. haben in ihren Stellungnahmen vom 10. März 2017 erläutert, sie hätten den Beklagten im Laufe seiner Tätigkeit als besonders kostenbewussten Sachbearbeiter erlebt und diesbezüglich sehr großes Vertrauen in ihn gesetzt, weil er einen großen Anteil an der positiven Kostenentwicklung des Mobilfunkbereichs des Bauamts gehabt habe. Im Hinblick darauf habe der Abteilungsleiter S. in der Annahme eines jeweils dringenden Bedarfs ab Dezember 2014 vereinzelt wieder Bestellungen über die Firma des Beklagten erlaubt. Diese ihm – unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften (vgl. Art. 57 Abs. 1 BayHO, Nr. 3.1 und 3.2 VV BayHO) – eingeräumte ganz besondere Vertrauensstellung hat der Beklagte, dem die Interessenskollision von seinem Vorgesetzten S. durch das Treffen einer besonderen Vereinbarung dahingehend, dass er bei Rechnungen seiner eigenen Firma die Feststellung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit nicht selbst vornehmen durfte (s. Stellungnahme des Herrn S. v. 10.3.2017 S. 3 = Bl. 407 der Strafakten; vgl. auch Nr. 6.4 zu Art. 70 VV BayHO), durchaus bewusst gemacht worden war, gezielt zur Durchführung nicht bedarfsgerechter Bestellungen sowie zur Erzielung eigener Gewinne zum Nachteil des Dienstherrn ausgenutzt. Die Behauptung des Beklagten, er habe mit Wissen seiner Vorgesetzten gehandelt und diesen gegenüber nichts verheimlicht, trifft daher nicht zu. Aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht darf erwartet werden, dass Beamte ihnen gewährte innerdienstliche Freiräume sowie fehlende Kontrollen nicht zur Begehung von Straftaten und gezielt den Dienstherrn schädigenden Handlungen nutzen (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1997 – 1 D 72.96 – juris Rn. 18; U.v. 12.7.1994 – 1 D 39.93 – juris Rn. 19). Zweck der haushaltsrechtlichen Vorschriften und der Dienstaufsicht ist nicht, den Beamten vor pflichtwidrigem Verhalten zu bewahren, sondern die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung im öffentlichen Interesse sicherzustellen (vgl. Findeisen, BayDG, Stand Mai 2017, Art. 14 Erl. 2.3 S.6). Die Eigenverantwortung des Beklagten für sein Handeln wiegt bei dieser Sachlage schwerer als das pflichtwidrige Unterlassen aufsichtlicher Maßnahmen des Dienstherrn (vgl. BayVGH, U.v. 24.9.2014 – 16a D 13.118 – juris Rn. 103 f.).
59
d) Aus dem Gebot der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahme folgt vorliegend kein Milderungsgrund.
60
Zwar ist es nicht fernliegend, dass der Beklagte bei einer frühzeitigen und deutlichen Maßnahme des Dienstherrn (Untersagung oder Einschränkung der Nebentätigkeitsgenehmigung) die Straftaten der Untreue nicht begangen hätte. Die veruntreuende Unterschlagung steht allerdings nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den vom Beklagten bei seiner eigenen Firma getätigten Aufträgen.
61
Zum anderen war der Verstoß gegen das Nebentätigkeitsrecht für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ohne Bedeutung; vielmehr führten allein die begangenen Straftaten zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt im Sinne des Gebots der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahme lediglich, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt. Das Gewicht einer Vorbelastung, die als erschwerender Umstand auch zur Höchstmaßnahme führen kann, hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – BVerwGE 147, 229 Rn. 22; B.v. 11.2.2014 – 2 B 37.12 – juris Rn. 33; U.v. 11.12.2001 – 1 D 2.01 – juris Rn. 31 m.w.N.). Bei einem Dienstvergehen, das sich durch – dem Beamten zuzurechnende – leichtere bis schwerere einzelne Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum auszeichnet, ist es unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach dem Gedanken der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen geboten, auf den Beamten rechtzeitig, d.h. alsbald nach Kenntniserlangung von der disziplinar relevanten Pflichtverletzung, pflichtenmahnend einzuwirken und ihn so zur Wiederaufnahme der pflichtgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben anzuhalten. Dazu gehören – über mögliche dienstliche Weisungen (Anordnungen) hinaus – zunächst die Verhängung niederschwelliger Disziplinarmaßnahmen wie Verweis oder Geldbuße. Hingegen ist das Sammeln einzelner Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die schärfsten Disziplinarmaßnahmen – die Entfernung aus dem Dienst oder die Aberkennung des Ruhegehalts – zu verhängen, unzulässig (BVerwG, U.v. 15.11.2018 – 2 C 60.17 – juris Rn. 30 ff.).
62
Vorliegend wurde der Verstoß gegen das Nebentätigkeitsrecht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht berücksichtigt; vielmehr führen allein die begangenen Straftaten zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Ein „zeitlich gestrecktes“ Dienstvergehen, das sich durch – dem Beamten zuzurechnende – leichtere bis schwerere einzelne Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum auszeichnet, die erst im Wege einer Gesamtschau zur disziplinären Höchstmaßnahme führen, welche aber bei einer frühzeitigen disziplinaren Ahndung der nunmehr bei der Maßnahmebemessung berücksichtigten weniger schwerwiegenden Einzelverfehlung hätte vermieden werden können, liegt gerade nicht vor.
63
4.3.2 Demgegenüber wiegen sowohl die begangenen Untreuetaten schwer und liegt mit der Unterschlagung eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vor.
64
Es handelt sich bei den Straftaten der Untreue um kein einmaliges Fehlverhalten, sondern um drei selbständige Verfehlungen, denen ein jeweils neu gefasster Tatentschluss zugrunde lag und die über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten begangen wurden. Hinzu kommt die Unterschlagung von Gegenständen, die der Beklagte ebenfalls ohne einen aktuellen Bedarf größtenteils über seine eigene Firma beschafft hatte. Dass er sich diese Gegenstände sodann selbst zueignete, zeugt auch von fehlender Einsicht in sein Fehlverhalten. Zu Lasten des Beklagten ist des Weiteren zu werten, dass er durch die von ihm verwirklichten Straftaten der Untreue und Unterschlagung gegen seine beamtenrechtlichen Kernpflichten als für die Beschaffung zuständiger Sachbearbeiter im Sachgebiet Haushalt verstoßen und seine Stellung sowie die besondere ihm eingeräumte Vertrauensposition ausgenutzt hat, um der von ihm gegründeten und betriebenen Firma m. gewinnbringende Aufträge zukommen zu lassen, für die beim Bauamt zudem teilweise kein objektiver Bedarf bestand. Selbst nach der Untersagung durch seinen Abteilungsleiter wollte der Beklagte seinen Vorteil weiter durchsetzen; so zeugt sein gezielt verschleierter Verkauf der 40 Nokia Smartphones, für die größtenteils kein Bedarf bestand, über die Firma seiner Ehefrau an die Firma W. und der anschließende Rückkauf von besonderer krimineller Energie. Das planvolle, verschleierte und kriminelle Agieren des Beklagten zeigt sich darüber hinaus deutlich in der unter 2.(1) b) des Tatbestands dargestellten Tat, indem der Beklagte im Zusammenhang mit der Beschaffung vom zwölf USB C Datenkabeln nachträglich die Klammerung des Erfassungsbelegs HüL Nr. 191/2016 vom 18. Juli 2016 öffnete und Vergleichsangebote einfügte.
65
Der hierdurch verursachte Vermögensschaden von mindestens 7.400 Euro überschreitet die Grenze der Geringwertigkeit bei weitem (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 13 und Rn. 16; B.v. 23.2.2012 – 2 B 143.11 – juris Rn. 13; B.v. 26.3.2014 – 2 B 100.13 – juris Rn. 7).
66
4.4 Nach alldem kann bei einer Gesamtwürdigung aller den Beklagten be- und entlastenden Umstände von der nach Art und Schwere des einheitlichen Dienstvergehens indizierten Höchstmaßnahme selbst bei Annahme der zu Gunsten des Beklagten sprechenden Gesichtspunkte wegen der Schwere des Dienstvergehens nicht abgewichen werden. Aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage der dargelegten bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte sowie in Ansehung der Persönlichkeit des Beklagten muss der Schluss gezogen werden, dass die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist (BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris Rn. 18). Darüber hinaus besteht die ernsthafte Besorgnis, dass der Beklagte auch künftig gegen Dienstpflichten oder Gesetze verstoßen wird.
67
5. Angesichts des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193).
68
6. Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).