Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.09.2024 – 15 N 24.773
Titel:

Unwirksamkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans wegen verschiedener formeller Fehler

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1
EMRK Art. 6 Abs. 1 S. 1
BauGB § 3 Abs. 2 S. 1, S. 4, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 233 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
Die Beifügung des bewertenden Zusatzes „keine Konflikte zu erwarten“ bei den Angaben umweltbezogener Informationen in der Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung wird der Anstoßfunktion nicht gerecht. (Rn. 34)
1. Nach § 233 Abs. 1 S. 2 BauGB hat die Gemeinde im Hinblick auf das anzuwendende Recht ein Wahlrecht; das gilt auch dann, wenn das Bebauungsplanverfahren nach altem Recht abgeschlossen und nun – nach einer Rechtsänderung – zur Fehlerheilung ein ergänzendes Verfahren durchgeführt wird. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Umweltbezogene Stellungnahmen der nach § 4 BauGB beteiligten Behörden sind in der Regel ebenso iSv § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB wesentlich wie – im Einzelfall – die Stellungnahmen anerkannter Naturschutzverbände. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Erreichung der von § 3 Abs. 2 S. 4 BauGB vorausgesetzten Anstoßfunktion ist es unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Öffentlichkeitsbeteiligung, Bekanntmachung, nicht vollständige Auslegung angegebener Unterlagen, Internet, Wahlrecht, Anstoßfunktion, Auslegung von Unterlagen, umweltbezogene Stellungnahme, Gliederung nach Themenblöcken, keine Überspannung der Anforderungen, detaillierte Schlagwörter, Vorenthalten von Informationen, Selektion
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26736

Tenor

I. Der am 7. Mai 2024 bekannt gemachte, vorhabenbezogene Bebauungsplan „...an der S. straße“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerinnen wenden sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegen den am 7. Mai 2024 bekannt gemachten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan „...an der S. straße“ der Antragsgegnerin.
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Am 3. Mai 2021 fasste die Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „...an der S. straße“. Das Plangebiet liegt am östlichen Ortseingang von Plattling zwischen dem Stadtteil Enzkofen im Westen und dem G. …-Markt im Osten. Festgesetzt ist ein Sondergebiet mit Einkaufszentrum für Einzelhandelsbetriebe sowie für großflächige Einzelhandelsbetriebe. In dem ...werden ein Vollsortimenter, ein Discounter, ein Drogeriemarkt sowie fünf weitere Fachmärkte im Bereich des Handels für den Verkauf an den Endverbraucher angesiedelt. Das ... wird in drei Gebäudeeinheiten realisiert, deren Ausrichtung zu keinen erhöhten Lärmemissionen für die Umgebung, besonders für die unmittelbar im Westen angrenzende Wohnbebauung mit Einfamilienhäusern, führen soll.
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Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen des östlich unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks FlNr. …1 Gemarkung Plattling, das mit zahlreichen Bäumen bepflanzt ist und das im Bebauungsplan für den G. …-Einkaufsmarkt zeichnerisch als „Auwald“ bezeichnet wird. Die Antragstellerinnen haben im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung Einwendungen erhoben, die von der Antragsgegnerin am 6. März 2023 behandelt wurden.
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Am 27. März 2023 fasste die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „...an der S. straße“ wurde am 4. April 2023 bekannt gemacht. Auf entsprechenden Normenkontrollantrag der Antragstellerinnen erklärte der Senat mit Beschluss vom 6. November 2023 den am 4. April 2023 bekannt gemachten Bebauungsplan „...an der S. straße“ wegen eines formalen Fehlers bei der Öffentlichkeitsbeteiligung für unwirksam (Az. 15 N 23.1312); die Entscheidung ist rechtskräftig.
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Bereits mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 leitete die Antragsgegnerin ein ergänzendes Verfahren ein. Im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung erhoben die Antragstellerinnen Einwendungen, über die die Antragsgegnerin am 22. Januar 2024 beschloss. Der Satzungsbeschluss erfolgte am 22. April 2024 und die Ausfertigung am 24. April 2024. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „...an der S. straße“ wurde am 7. Mai 2024 ortsüblich bekannt gemacht.
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Auf einen Normenkontrolleilantrag weiterer Antragsteller hat der Senat den am 7. Mai 2024 bekannt gemachten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan „...an der S. straße“ der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30. Juli 2024 bis zur Entscheidung in der Hauptsache wegen formeller Fehler außer Vollzug gesetzt (Az. 15 NE 24.762).
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Die Antragstellerinnen erhoben unter dem 7. Mai 2024 einen Normenkontrollantrag. Sie machen geltend, der Bebauungsplan leide an mehreren formellen Fehlern, insbesondere im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Verfahren hätte nicht auf die neue Gesetzesfassung gestützt werden dürfen, sondern noch nach der bis 6. Juli 2023 geltenden Fassung abgeschlossen werden müssen. Die Antragsgegnerin habe mehrere wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen, wie die Artenschutzkartierung sowie die Stellungnahmen des Bund Naturschutz, des Wasserwirtschaftsamts und des Landratsamts, nicht ausgelegt. Außerdem komme die Bekanntmachung ihrer Anstoßfunktion nicht nach, da im Hinblick auf den Umfang des Regionalplans und des Landesentwicklungsprogramms eine Überinformation vorliege. Zudem enthalte die Spalte „Konflikte/Details“ Bewertungen, die geeignet seien, Bürger von einer weitergehenden Information abzuhalten. Auch Verstöße gegen das Datenschutzrecht durch eine fehlende Anonymisierung der Einwendungsführer und eine nicht anonymisierte Versendung von Einwendungen an andere Einwendungsführer seien geeignet, Bürger von der Erhebung von Einwendungen abzuhalten.
8
Materiell-rechtlich verstoße die Planung gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit, weil der Bebauungsplan aus Gründen des Natur- und Artenschutzrechts, des Brandschutzes, des Hochwasserschutzes und der festgesetzten Bauweise nicht vollzugsfähig sei. Es liege ferner ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot an die Ziele der Raumordnung sowie das Entwicklungsgebot aus dem Flächennutzungsplan vor. Der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung fehle es an einer Rechtsgrundlage und die Beschreibung des Sondergebiets sei unbestimmt bzw. widersprüchlich. Ebenfalls widerspreche der Vorhaben- und Erschließungsplan beispielsweise hinsichtlich der Verkaufsflächen und der Versickerungseinrichtungen dem Bebauungsplan. Schließlich weise der Bebauungsplan zahlreiche Abwägungsmängel auf. So seien u.a. die Waldeigenschaft des Nachbargrundstücks, die Auswirkungen der Bebauung auf die Waldfunktion und die Auswirkungen von Störfallbetrieben nicht ausreichend ermittelt worden. Nicht verwertbar und fehlerhaft seien die Auswirkungsanalyse und das Verkehrsgutachten. Der Schallschutz sei ungenügend und die Festsetzungen hierzu, ebenso wie die Festsetzungen zum naturschutzrechtlichen Ausgleich und dem Hochwasserschutz bzw. dem Schutz vor Starkregenereignissen, abwägungsfehlerhaft.
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Die Antragstellerinnen beantragen,
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den am 7. Mai 2024 bekannt gemachten, vorhabenbezogenen Bebauungsplan „...an der S. straße“ für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Im Normenkontrolleilverfahren weiterer Antragsteller (Az. 15 NE 24.762) ließ sie vortragen, dass der Antrag unbegründet sei. Formelle Fehler lägen nicht vor, da ein ergänzendes Verfahren an der Stelle fortgesetzt werde, an der ein Fehler unterlaufen sei, weshalb dann die Verfahrensvorschriften in der nunmehr geltenden Fassung anzuwenden seien. Die Anstoßfunktion sei in jeder Hinsicht gewahrt worden.
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Eine fehlende Vollzugsfähigkeit des Planes liege nicht vor. In Bezug auf den Artenschutz seien im überplanten Bereich schon keine Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tier- oder Pflanzenarten festgestellt worden. Eine fehlende Anpassung an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung liege nicht vor, da das Vorhaben nach den Stellungnahmen der Höheren Landesplanungsbehörde raumordnerisch und landesplanerisch verträglich sei. Auch das Entwicklungsgebot sei eingehalten, da maßgeblich nicht die Darstellung im Flächennutzungsplan sei, sondern dessen planerische Grundzüge, die im Bebauungsplan um- und festgesetzt worden seien. Widersprüche oder unzulässige Festsetzungen lägen nicht vor. Der Bebauungsplan sei auch abwägungsfehlerfrei. Es erfolge kein Eingriff in Wald und wesentliche Auswirkungen seien nicht vorhanden. Sowohl die Auswirkungsanalyse als auch das Verkehrsgutachten seien fehlerfrei; der Lärmschutz sei entsprechend den Vorgaben aus der schalltechnischen Untersuchung umgesetzt worden. Jedenfalls sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten. Der Vollsortimenter und die Fachmärkte würden entlang der westlichen Außenwände durch eine Schallschutzwand verbunden, die nach dem Durchführungsvertrag entsprechend der schalltechnischen Untersuchung verpflichtend umzusetzen sei. Die so ermittelten Beurteilungspegel schlössen eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung aus.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren sowie die beigezogenen Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „...an der S. straße“ leidet an formellen Fehlern, die zu dessen Gesamtunwirksamkeit führen.
18
Der Verwaltungsgerichtshof kann durch Beschluss nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheiden, da der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten dazu mit gerichtlichem Schreiben vom 6. August 2024 angehört worden sind. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK steht dem nicht entgegen, da der Normenkontrollantrag zulässig und begründet ist.
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1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig, insbesondere sind die Antragstellerinnen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts antragsbefugt.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer – möglichen – Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Ausreichend ist, wenn der jeweilige Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Ist im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan – wie hier – der Betroffene nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen. In diesem Fall hat ein Antragsteller aufzuzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) folgenden Rechte verletzt sein können. Das setzt voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers berührt. Abwägungserheblich sind private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es etwa bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2024 – 15 N 22.2613 – juris Rn. 13).
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Danach sind die Antragstellerinnen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts antragsbefugt (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2010 – 4 BN 41.09 – juris Rn. 4). Es kann offenbleiben, ob die Geltendmachung einer Baumwurfgefahr, die grundsätzlich zu den abwägungserheblichen Belangen gehört, hier ausreichend konkret vorgetragen wurde (vgl. OVG RhPf., U.v. 7.12.2022 – 8 C 10123/22 – juris Rn. 72). Denn jedenfalls erscheinen nachteilige Auswirkungen des als Ausgleichsfläche genutzten und als „Auwald“ bezeichneten Grundstücks der Antragstellerinnen durch die mit der Planung heranrückende Bebauung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.1998 – 2 N 95.2824 – juris Rn. 27).
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2. Der Antrag ist auch begründet. Der am 7. Mai 2024 bekannt gemachte, vorhabenbezogene Bebauungsplan „...an der S. straße“ leidet an formellen Fehlern, die zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.
23
a) Zwar hat die Antragsgegnerin das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung im Zeitraum vom 23. Oktober 2023 bis 24. November 2023 zu Recht nach § 3 Abs. 2 BauGB in der ab 7. Juli 2023 geltenden Fassung (G.v. 3.7.2023, BGBl. I Nr. 176) durchgeführt. Denn aufgrund der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens wird das (ursprüngliche) Verfahren in das Stadium des Bebauungsplan-Entwurfs zurückversetzt und an der Stelle fortgeführt, an der der Gemeinde der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2017 – 4 BN 7.17 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 4.3.2012 – 4 B 40.20 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.398 – juris Rn. 15). Damit ist die Überleitungsvorschrift des § 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Hinblick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Schritt der Öffentlichkeitsbeteiligung anwendbar, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin ein Wahlrecht bezüglich der anzuwendenden Gesetzesfassung hat, welches sie hier dahingehend ausgeübt hat, die geltende Fassung anzuwenden. Das Verfahren ist aufgrund der Unwirksamerklärung des am 4. April 2023 bekannt gemachten Ursprungsbebauungsplans durch Beschluss des Senats vom 6. November 2023 (Az. 15 N 23.1314) auch nicht dergestalt abgeschlossen, dass kein ergänzendes Verfahren mit einer entsprechenden Rückversetzung in den fehlerhaften und zu wiederholenden Verfahrensabschnitt mehr möglich wäre (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2024, § 214 Rn. 211, 264a).
24
b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen verfehlen weder die Bekanntmachung der Öffentlichkeitsbeteiligung vom 20. Oktober 2023 noch die Schlussbekanntmachung vom 7. Mai 2024 hinsichtlich der Ausgleichsfläche auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung Ittling die erforderliche Anstoßfunktion. Zwar mag die Nr. 15.8 der textlichen Festsetzungen unzutreffend platziert sein, inhaltlich ist damit allerdings keine dingliche Zustandsregelung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festgesetzt, so dass weder eine Kompetenzverletzung der Antragsgegnerin wegen Festsetzungen auf fremden Hoheitsgebiet noch eine Erweiterung des Geltungsbereichs (vgl. NdsOVG, U.v. 4.5.2023 – 1 KN 27/21 – juris Rn. 25 f.) vorliegt. Denn die Ausgleichsfläche ist auf der Planurkunde nur als „planlicher Hinweis“ dargestellt und enthält ausdrückliche Hinweise auf die Belegenheit in fremdem Stadtgebiet sowie die erfolgte Abstimmung mit der dortigen Unteren Naturschutzbehörde. Nr. 15.8 der textlichen Festsetzungen ist deshalb nicht als Festsetzung, sondern als Ergänzung und im Zusammenhang mit dem planlichen Hinweis zu verstehen. Darüber hinaus werden die Ausgleichsmaßnahmen gerade über Vereinbarungen mit dem Vorhabenträger und eine dingliche Sicherung gem. § 1a Abs. 3 Satz 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB und nicht im Wege von Festsetzungen getroffen.
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c) Die Öffentlichkeitsbeteiligung leidet jedoch an einem beachtlichen Fehler, weil wesentliche umweltbezogene Stellungnahmen nicht ausgelegt wurden.
26
Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats im Internet zu veröffentlichen. Zwar besteht danach ein Beurteilungsspielraum und keine Verpflichtung, alle vorhandenen Stellungnahmen auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 9.6.2022 – 7 D 49/17.NE – juris Rn. 74; Krautzberger/Jaeger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 3 Rn. 35a). Umweltbezogene Stellungnahmen der nach § 4 BauGB beteiligten Behörden sind jedoch in der Regel ebenso wesentlich (vgl. VGH BW, U.v. 18.4.2018 – 5 S 2105/15 – juris Rn. 65) wie – im Einzelfall – die Stellungnahmen anerkannter Naturschutzverbände (vgl. BR-Drs. 15/2250, S. 44). Es spricht deshalb viel dafür, dass die Stellungnahmen des Bund Naturschutz vom 23. Dezember 2022, die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 22. Dezember 2022 sowie die Stellungnahme des Landratsamts vom 20. Dezember 2022 als wesentlich zu qualifizieren sein dürften, da diese sich inhaltlich ausführlich und substantiell und nicht nur pauschal und undifferenziert zu Umweltbelangen der konkreten Planung verhalten (vgl. OVG SH, B.v. 4.7.2024 – 1 MR 2/24 – juris Rn. 61). Ebenso wenig wie auf die Frage, ob diese umweltbezogenen Stellungnahmen durch die Einarbeitung in den Umweltbericht der Öffentlichkeit bereits ausreichend in zusammengefasster Form zugänglich gemacht wurden (vgl. SächsOVG, U.v. 9.3.2012 – 1 C 13/10 – juris Rn. 60), kommt es vorliegend aber auch nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin durch die Einstufung dieser Stellungnahmen als „nicht wesentlich“ insoweit offensichtlich rechtsmissbräuchlich gehandelt hat (vgl. OVG SH, B.v. 4.7.2024 a.a.O.; a.A. SächsOVG, U.v. 9.3.2012 – 1 C 13/10 – juris Rn. 63; offengelassen: OVG Berlin-Bbg, U.v. 11.11.2021 – OVG 2 A 22.19 – juris Rn. 48).
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Denn die Antragsgegnerin hat in der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 – zutreffend gegliedert nach Themenblöcken (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 25; U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12; U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12) – unter der Rubrik „Art der Information“ eine Vielzahl von Stellungnahmen aufgelistet und dort u.a. auch die o.g. Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange angeführt. In der Bekanntmachung wird sodann ausgeführt, dass die „Entwürfe des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ‚...an der S. straße‘, bestehend aus Planzeichnung, Textlichen Festsetzungen, Begründung mit Umweltbericht und Gutachten, i.d.F. vom 9.10.2023, sowie die zuvor genannten umweltbezogenen Informationen“ (Unterstreichung durch den Senat) gem. § 3 Abs. 2 BauGB „im Internet veröffentlicht und (…) einsehbar“ sind. „Neben der Veröffentlichung im Internet werden die Unterlagen während der Veröffentlichungsfrist auch in Papierform im Foyer des Rathauses Plattling sowie im Bauverwaltungsamt (…) ausgelegt“ (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Ausweislich der Unterlagen zur Auslegung in den Planaufstellungsakten wurden jedoch „die zuvor genannten umweltbezogenen Informationen“ in Gestalt der oben angeführten Stellungnahmen weder tatsächlich ausgelegt, noch im Internet veröffentlicht (vgl. Screenshot vom 20.10.2023 in den Planaufstellungsakten). Gleiches gilt für die Artenschutzkartierung des Planungsbüros (vgl. A Nr. 4 der Begründung, S. 24), deren Ergebnisse zwar in den Umweltbericht eingeflossen sein dürften, die jedoch – abgesehen von der Angabe der Untersuchungstermine (vgl. B Nr. 2.2.1 des Umweltberichts, S. 38) und an das Plangebiet angrenzender Brutplätze für die artenschutzrechtlich relevanten Goldammer und Dorngrasmücke (vgl. B Nr. 2.2.1 des Umweltberichts, S. 39) – nicht weiter in den Planaufstellungsakten zu finden ist.
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Die Antragsgegnerin hat durch dieses Vorgehen allerdings die Differenzierung des § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 4 BauGB nicht beachtet. Denn während § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB die Auslegung der nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen betrifft, erfordert § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind und geht damit inhaltlich über § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB hinaus. Durch die Formulierung, dass alle zuvor genannten umweltbezogenen Informationen in Form der aufgelisteten Stellungnahmen und Unterlagen veröffentlicht sind bzw. ausgelegt werden, hat die Antragsgegnerin diese Differenzierung aufgegeben. Sie hat dadurch vielmehr zum Ausdruck gebracht, alle in der Gliederung genannten Stellungnahmen als wesentlich anzusehen und der Auslegungspflicht zu unterwerfen. Dieser ist sie dann allerdings nicht vollständig nachgekommen. Vielmehr hat sie in Widerspruch zur Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 eine erhebliche Anzahl an Stellungnahmen, die sie ausweislich der Formulierung in der Bekanntmachung selbst zur Veröffentlichung und Auslegung angeführt und vorgesehen hat, nicht bekannt gemacht und insoweit gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstoßen.
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Dieser Fehler ist gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich und wurde von den Antragstellerinnen – zumindest sinngemäß – auch gem. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB fristgerecht gerügt. Unabhängig davon ist die Frist zum Zeitpunkt der Entscheidung auch noch nicht abgelaufen, so dass die Kontrollbefugnis des Senats nicht eingeschränkt ist (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2023 – 15 N 22.1975 – juris Rn. 27).
30
d) Die Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 leidet noch an einem weiteren beachtlichen Fehler, weil die Beschreibung der umweltbezogenen Informationen in der Spalte „Konflikte/Details“ geeignet ist, interessierte Bürger von einer Beteiligung im Planaufstellungsverfahren abzuhalten.
31
§ 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB schreibt vor, dass die ortsübliche Bekanntmachung (u.a.) Angaben dazu enthalten muss, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Hierbei ist es nicht mit einer bloßen namentlichen Auflistung der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen getan, sondern es bedarf einer Unterweisung über die Inhalte der vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 16).
32
Die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB bezweckt eine „Anstoßwirkung“. Sie soll interessierte Bürger ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Die Anstoßwirkung, die der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Bekanntmachung der „Arten verfügbarer Umweltinformationen“ beimisst, geht noch darüber hinaus. Sie bezweckt durch einen erleichterten Zugang zu Informationen und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren, die Qualität und die Umsetzung von Entscheidungen zu verbessern, zum Bewusstsein der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten beizutragen, der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen, und es den Behörden zu ermöglichen, diese Anliegen angemessen zu berücksichtigen. Zielsetzung ist somit, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 13). Der veröffentlichte Bekanntmachungstext muss vor dem Hintergrund dieser speziellen Zielsetzung seiner Anstoßfunktion gerecht werden. Es ist deshalb unerlässlich, dass die bekannt gemachten Informationen der Öffentlichkeit bereits eine erste inhaltliche Einschätzung darüber ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Nur auf dieser Grundlage kann die informierte Öffentlichkeit entscheiden, ob die Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will. Die Gemeinden sind somit verpflichtet, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren. Dies gilt im Übrigen auch für solche Arten verfügbarer Umweltinformationen, die in Stellungnahmen enthalten sind, welche die Gemeinde für unwesentlich hält und deshalb nicht auszulegen beabsichtigt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – Leitsatz und Rn. 23; BayVGH, U.v. 17.7.2019 – 15 N 19.27 -juris Rn. 15).
33
Zwar dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 25) und maßgeblich ist eine inhaltliche, nicht eine formale Vollständigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2021 – 4 CN 7.19 – juris Rn. 23). Entgegen der Bewertung der Antragstellerinnen beinhaltet die Auslegungsbekanntmachung – auf die allein es hier ankommt – auch keine „Überinformation“, in dem Sinn, dass sie mit detaillierten Umweltinformationen überfrachtet wäre (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – juris Rn. 20); die bloße Auflistung und Beschreibung umfangreicher Unterlagen und Stellungnahmen genügt hierfür jedenfalls nicht, da die Bekanntmachung eine Orientierung geben muss, eine gewisse Komplexität aber unvermeidbar und zumutbar erscheint (vgl. NdsOVG, U.v. 27.9.2017 – 1 KN 168/15 – juris Rn. 38 f.). Unschädlich ist es grundsätzlich auch, wenn besonders detaillierte Schlagwörter verwendet werden oder im Rahmen der Bekanntmachung zusätzliche Angaben enthalten sind, die die Vorschrift nicht verlangt (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – juris Rn. 12 ff.).
34
Die Bekanntmachung vom 20. Oktober 2023 enthält hier allerdings in der Spalte „Konflikte/Details“ keinerlei inhaltliche Beschreibung der Umweltinformationen, sondern Bewertungen und Angaben zum Bearbeitungsstand. Diese reichen von „angepasst“, „eingearbeitet“ und „berücksichtigt“ bis hin zur mehrfach verwendeten Beschreibung, dass „keine Konflikte zu erwarten“ seien oder die Planung den Vorgaben entspreche. Die Angaben stellen damit keine inhaltliche Zusammenfassung oder schlagwortartige Charakterisierung dar, sondern geben – im Stil einer Abwägungstabelle – eine bewertende Zusammenfassung der prognostizierten planbedingten Umweltauswirkungen. Als solche sind die Angaben aber geeignet, den interessierten Bürger davon abzuhalten, sich weitergehend zu informieren und mit Anregungen und Bedenken zu der Planung beizutragen, weil sie den Eindruck erwecken, nach den vorliegenden umweltbezogenen Informationen stehe bereits fest, wie die planbedingten Umweltauswirkungen objektiv einzuschätzen seien. So wie die Gemeinde dem interessierten Bürger nicht die nach ihrer Auffassung unwesentlichen Arten umweltbezogener Informationen vorenthalten darf, darf sie ihn mit der Wiedergabe des Inhalts der umweltbezogenen Informationen auch nicht in einer Weise lenken, die seine Bereitschaft, sich an der Planung zu beteiligen, potenziell hemmt (vgl. OVG NW, U.v. 27.2.2023 – 10 D 26/20.NE – juris Rn. 97). Eine Bewertung der vorhandenen Informationen ist nicht schon im Rahmen der Auslegung geboten (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2014 – 1 N 16.220 – juris Rn. 19). Die Gemeinde hat im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB – anders als i.R.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB – gerade keine Befugnis zur Bewertung und Selektion der Umweltinformationen (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2014 – 4 CN 1.14 – juris Rn. 14) und verstößt durch diese wertenden Angaben hier gegen § 3 Abs. 2 BauGB.
35
Dieser Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 BauGB beachtlich, da die Anstoßfunktion insgesamt verfehlt wurde. Der Verstoß wurde mit der Antragsbegründung auch fristgerecht gerügt (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB).
36
e) Auf die von den Antragstellerinnen zahlreich geltend gemachten, materiell-rechtlichen Fehler kommt es hier mithin nicht weiter an. Gleiches gilt für die vorgetragenen Abwägungsfehler.
37
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
39
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
41
Die Antragsgegnerin muss die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).