Titel:
Erfolgloser Eilantrag eines iranischen Asylbewerbers gegen die Abweisung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet
Normenketten:
AsylG § 3a, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1, § 36
AsylverfahrensRL Art. 31 Abs. 8 lit. d
Leitsätze:
1. Selbst wenn nach § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG in erster Linie die unter Setzung einer Ausreisefrist ausgesprochene Abschiebungsandrohung den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens bildet, ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz im Regelfall aus zu prüfen, ob das Bundesamt zu recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht, wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht (BVerfG BeckRS 1996, 21472). (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Im Einzelfall können zum Christentum konvertierte Muslime im Iran der Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten rechtfertigen (VG Kassel BeckRS 2009, 42011). (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Für den Iran ist in der Rspr. (VGH München BeckRS 2019, 3434) geklärt, dass es für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungenermaßen unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird. (Rn. 43) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Grund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (VGH München BeckRS 2019, 3434). (Rn. 44) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erfordert keine konkrete Kausalität zwischen der Vernichtung des Identitäts- oder Reisedokuments und einer etwaigen Verhinderung der Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit (VG Düsseldorf BeckRS 2024, 12447). Mutwilligkeit bei der Vernichtung erfordert ein vorsätzliches Handeln mit dem Zweck, die Durchführung des Asylverfahrens und/oder einer sich womöglich daran anschließenden Rückführung zu erschweren oder zu verzögern (VG Düsseldorf BeckRS 2024, 9505). (Rn. 56 und 59) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach Zerstörung des Reisepasses, unglaubhafter Vortrag zu Homosexualität und Konversion, iranischer Asylbewerber, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Homosexualität, Konversion, Glaubensüberzeugung, Verfolgungsgefahr, Passvernichtung, Mutwilligkeit, Abschiebungsandrohung, vorläufiger Rechtsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26725
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der am … 1990 in … geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit und eigenen Angaben zufolge christlichen Glaubens.
2
Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 13. Juni 2022 mit einem am 29. Mai 2022 beantragten und am 7. Juni 2022 erteilten italienischem Schengenvisum zur Teilnahme als Tar-Spieler als Mitglied der … am … in … äußerte der Antragsteller am 27. Juni 2022 ein Asylgesuch und stellte am 2. August 2022 einen förmlichen Asylantrag.
3
Mit Bezugnahme auf das italienische Visum ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Republik Italien am 3. August 2022 um die Übernahme des Antragstellers.
4
In einer Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 1. September 2022 gab der Antragsteller an, er habe ein Visum beantragt. Er habe zu seinem Cousin nach Amerika gewollt. Durch die ganzen Vorfälle, was passiert sei, sei er hier in Deutschland. In Italien habe er keinen Asylantrag gestellt, sei dort nur einen Tag zur Durchreise gewesen. Dies sei am 12. Juni 2022 gewesen. Beim Umsteigen in Österreich hätten sie ihm Fingerabdrücke abgenommen. Er habe keinen Asylantrag gestellt. Er sei eine Zeit lang hier und habe einigermaßen Deutsch gelernt. Wenn er jetzt wieder nach Italien zurückkehren müsste, müsste er wieder von vorne anfangen. Er habe auch seine Frau informiert, dass sie hierher kommen solle. Er habe eine gebrochene Rippe und schwere neurologische Probleme, dass sein Magen manchmal blute. Er habe Nierensteine und der Arzt habe ein Problem an der Niere festgestellt. Er sei in ärztlicher Behandlung, Atteste oder Nachweise lägen ihm nicht vor.
5
Ausweislich einer Bestätigung von … vom 30. August 2022 habe der Antragsteller sich an die spezialisierte Beratungsstelle für LGBTIQ*-Geflüchtete gewandt. Er sei ein junger, schwuler Mann aus Iran, der bestrebt sei, seine Sexualität hier in Deutschland frei zu leben. An den Angaben bezüglich seiner sexuellen Orientierung hätten sie keine Zweifel.
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Mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (2.), ordnete die Abschiebung nach Italien an (3.) und ordnete ein auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an (4.).
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Einen Antrag, die aufschiebende Wirkung einer hiergegen gerichteten Klage anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 25. Januar 2023 ab (AN 14 S 22.50481).
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Nach Ablauf der Überstellungsfrist am 25. Juli 2023 übernahm das Bundesamt das Verfahren des Antragstellers in das nationale Verfahren und hob mit Schreiben vom 31. Juli 2023 den Bescheid vom 5. Dezember 2022 auf.
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Das beim Verwaltungsgericht Ansbach diesbezüglich anhängige Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 11. September 2023 eingestellt (AN 14 K 22.50482).
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In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. November 2023 erklärte der Antragsteller, er habe, als er hier angekommen sei, Angst vor der Abschiebung gehabt. Er habe seinen Reisepass vernichtet. Er habe den Pass zerrissen und in einen Fluss bei … geworfen. Den Iran habe er über den Flughafen verlassen. Dabei habe es keine Probleme gegeben. Er habe damals keine Probleme mit der Regierung gehabt. Zu seinem Visum erklärte der Antragsteller, es sei ein touristisches Visum gewesen. Er habe eigentlich nach Spanien gewollt. Der Antragsteller habe für den Behindertensportverband gearbeitet. Er sei dort seit 2015/2016 angestellt gewesen. Wegen seiner Probleme sei er suspendiert worden. Später hätten sie gesagt, dass er wieder zurückkehren könne. Drei Monate nach seiner Einstellung dort hätten sie ein Treffen mit einem religiösen Führer organisiert. Er habe sich geweigert hinzugehen. Zum aktuellen Status seines Arbeitsvertrags erklärte der Antragsteller, sie hätten ihn zu einem Disziplinarkomitee vorgeladen. Wäre er geblieben, hätten sie ihn festgenommen. Als er zu dem Disziplinarkomitee gegangen sei, sei ihm gesagt worden, dass sie ihm verzeihen würden, wenn er vor dem Gebetshaus um Vergebung bitte. Er habe bis spät in der Nacht im Verband gearbeitet. Spät in der Nacht sei ein Kollege zu ihm gekommen, habe ihm zum ersten Mal Schnaps angeboten. In dem Raum seien Videokameras installiert gewesen. Daher seien sie in den Putzraum gegangen. Dort hätten sie Alkohol getrunken. Der Antragsteller sei zurück zu seinem Schreibtisch gegangen und habe weitergearbeitet. Dann sei der Kollege wieder gekommen und habe angefangen, seinen Rücken zu massieren. Der Kollege habe ihn angefasst und befummelt. Dann sei es zwischen ihnen geschehen. Einige Tage später sei auf seinem Schreibtisch ein Schreiben des Disziplinarkomitees gelegen. Der Antragsteller habe den Verdacht geschöpft, dass dieser Brief wegen des Vorfalls gewesen sei. Der Leiter des Verbandes habe schon vorher Probleme mit dem Antragsteller gehabt, weil er damals nicht zum Besuch des religiösen Führers gegangen sei. Sie hätten zu ihm gesagt, dass sie sich entschieden hätten, ihm zu vergeben. Dafür habe er vor dem Gebetsraum eine dekorative Arbeit leisten müssen. Rund um den Gebetsraum seien Koranverse festgeklebt gewesen. Sie hätten gesagt, dass sie die Koranverse eingefräst haben hätten wollen. Sie hätten gesagt, dass man die vorhandenen Verse erst einmal abnehmen sollte. Wenn man diese abnehme, würden sie zerrissen. Dies sei ein Köder gewesen, da dort Videokameras installiert gewesen seien, um ihn zu filmen. Dies sei Ende April/Anfang Mai 2022 gewesen. Der Antragsteller habe zuhause mit seiner Frau über seine Probleme gesprochen. Sie habe gemeint, dass er erst einmal abwarten sollte. Zwei Tage vor dem 10. oder 12. Juni habe er eine SMS seines Vaters erhalten. Er habe gefragt, was im Verband losgewesen sei. Der Vater habe gemeint, dass er von den Kollegen des Antragstellers erfahren hätte, dass dieser im Verband den Koran zerrissen hätte. Wenn dies stimmen sollte, würde er ihn selbst wie zwei Onkel des Antragstellers, die hingerichtet worden seien, behandeln. Der Antragsteller habe aus Trotz immer Fragen über den Islam gestellt. Der Leiter des Sportministeriums habe gedacht, dass seine Absicht sei, den Islam zu zerstören. Seiner Meinung nach sei der Koran aus den Worten Satans entstanden. Vielleicht hätten viele ihren Lebensweg im Koran gefunden und sie würden denken, dass dieser Weg der richtige Weg sei. Er habe die Antwort seiner Fragen nicht im Koran gefunden. Als er in Deutschland angekommen sei, habe er seelische Probleme gehabt. Er habe bei sich gedacht, ob er jetzt homosexuell sei. Er habe sieben Jahre mit seiner Frau gelebt und liebe sie. Bei der Organisation … hätten sie gesagt, dass sie glauben würden, dass er bisexuell sei. Der Antragsteller habe das Gefühl gehabt, dass er nicht dorthin gehöre. Er habe damals die Kirche kennengelernt. Bis dahin habe er über das Christentum recherchiert. Er habe gesehen, wie der Pastor mit denjenigen, die Probleme hätten, umgehe. Als er mit dem Pastor gesprochen habe, habe er erkannt, dass er in diesem Moment im Iran unter Alkoholeinfluss gestanden habe und deswegen diesen Fehler begangen habe. Als er das Christentum kennengelernt habe, habe er gesehen, dass sie ihn nicht verurteilten, sondern meinten, dass Gott ihm vergebe. Vor einigen Tagen habe er in der Bibel eine Geschichte über das Urteil gelesen. Eine Frau, die während einer unehelichen Beziehung festgenommen sei, sei zu Jesus gebracht worden. Jesus Christus habe gedacht, wenn diese Frau bei einer unehelichen Beziehung erwischt worden sei, wo bleibe der Mann, der bei ihr gewesen sei. Der Mann müsse genauso bestraft werden. Jesus Christus habe gesagt, wer keine Sünden habe, werfe den ersten Stein. Der Antragsteller habe gedacht, dass dieser Fall genau wie sein Fall sei. Der Antragsteller sei schon einmal zur Anhörung hier gewesen. Seitdem sei ein Jahr vergangen. In diesem Jahr hätten viele zu ihm gesagt, er solle mal dies und mal das sagen. Als er Christ geworden sei, habe er geschworen, dass er nicht mehr lüge. Auf die Frage, wie der Antragsteller seine sexuelle Orientierung beschreiben würde, erklärte der Antragsteller, er sei ganz normal. Auf Nachfrage, ob dies heiße, dass er weder homo- noch bisexuell sei, bejahte der Antragsteller dies. Auf die Frage, wie lange er nach dem Vorfall noch im Iran geblieben sei, erklärte der Antragsteller 40 bis 45 Tage. Auf die Frage, was er der italienischen Botschaft gesagt habe, warum er nach Italien wolle, führte der Antragsteller aus, er habe gewusst, dass man einen Reiseplan haben müsse. Er habe Beispiele im Internet gelesen und seine Unterlagen nach den Internetseiten vervollständigt. Bei der Botschaft sei er eine Woche vor den ganzen Ereignissen gewesen. Auf Vorhalt, dass der Antragsteller nach den Antragsunterlagen zu dem italienischen Visum Teil einer Musikgruppe gewesen sei, die auf einem Musikfestival in … hätte auftreten sollen, erklärte der Antragsteller, in der Vertretung, wo seine Angelegenheit gemacht worden sei, habe man ihm gesagt, dass er eine gewisse Summe hinterlegen müsse, damit sie wüssten, dass er zurückkehre. Er habe dann 4.500 EUR angelegt, damit er zurückkehre. Er habe noch nie Tar gespielt. Auf Vorhalt, dass zwischen dem Visumsantrag am 29. Mai 2022 und seiner Ausreise am 12. Juni 2022 keine 40 bis 45 Tage seien, erklärte der Antragsteller, Fingerabdrücke und Dokumente habe er etwa zwei Wochen vor seiner Abreise abgegeben. Das erste Mal, als er zur Vertretung in die Botschaft gegangen sei, sei drei Monate vor seiner Ausreise gewesen. Dort sei ihm gesagt worden, dass er mehr Geld hinterlegen müsse. Auf die Frage, ob sich der Antragsteller im Iran als religiösen Menschen beschrieben hätte, erklärte der Antragsteller, bis vor seiner Ehe sei er ein religiöser Mensch gewesen. Bis er 15 Jahre alt gewesen sei, sei er religiös gewesen. Nach seiner Einstellung zur Religion im Jahr 2022 gefragt, antwortete der Antragsteller, damals habe er das Christentum noch nicht gekannt. Er habe nur immer viele Fragen in seinem Kopf gehabt. Gefragt, wann er zum ersten Mal in Kontakt mit dem Christentum gekommen sei, erklärte der Antragsteller, als er in … angekommen sei, habe es dort eine Kirche neben dem Camp gegeben. Zum ersten Mal sei er dort in die Kirche gegangen. Der Antragsteller sei sehr bedrückt gewesen und habe geweint. Eine Person habe seine Hand auf seine Schulter gelegt. Danach seien sie nach … verlegt worden. Freunde in … hätten ihn in die Kirche mitgenommen, damit er nicht alleine bleibe. Der Pastor habe auf Englisch gesprochen. Da der Antragsteller Englisch spreche, hätten sie ihn gebeten, so viel wie er könne zu übersetzen. Er habe zu dieser Zeit noch kein Wissen über das Christentum gehabt. Auf die Frage, wie er sich so schnell einem neuen Glauben habe zuwenden können, den er zuvor überhaupt nicht gekannt habe, erklärte der Antragsteller, er habe schon über die Religionen recherchiert. Er habe sich nicht taufen lassen, bis seine Informationen so weit gewesen seien, dass er überzeugt gewesen sei. Er behaupte nicht, dass er das Christentum vollständig gelernt habe. Aber sein Herz sage zu ihm, dass er seinen Lebensweg darin gefunden habe. Auf die Frage, wie er seinen Glauben im Alltag praktiziere, erklärte der Antragsteller, wenn er eine Seite vom Heiligen Buch lese, versuche er nach diesem Inhalt zu handeln und sein schlechtes Verhalten abzulegen. Seine Familie, seine Frau, seine Schwestern wüssten im Iran, dass er Christ geworden sei.
11
Der Antragsteller legte seine Taufurkunde vom … 2023 vor, wonach er in der Gemeinde … auf das Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus getauft worden sei. Zudem legte er eine Bestätigung der … vom 20. September 2023 vor, wonach der Antragsteller seit 12. Juli 2022 eine Bibelstudiengruppe in … besucht habe. Der Leiter bestätige, dass der Antragsteller an den wöchentlichen Treffen der Gruppe teilgenommen habe. Am 22. April 2023 sei er in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde … auf seinem Glauben getauft worden. Der Antragsteller arbeite als Übersetzer aktiv in der Bibelstudiengruppe mit.
12
Mit Bescheid vom 9. August 2024 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), den Antrag auf Asylanerkennung (2.) sowie den Antrag auf subsidiären Schutz (3.) jeweils als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (4.), drohte dem Antragsteller unter Setzung einer Frist von einer Woche zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung insbesondere in die Islamische Republik Iran an, wobei die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt wurde (5.) und ordnete gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (6.).
13
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, der Sachvortrag des Antragstellers genüge nicht den Kriterien einer glaubhaften Darstellung eines Verfolgungsschicksals. Die Angaben des Antragstellers zu seinen angeblich fluchtauslösenden Ereignissen seien nicht nachvollziehbar und widersprächen jeglicher Lebenserfahrung. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf einen beachtlichen Nachfluchtgrund berufen. Der Vortrag, er habe sich vom Islam ab- und nun dem Christentum zugewandt, führe nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Antragsteller habe nicht nachvollziehbar darlegen können, dass er nun aus fester, innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet stützte das Bundesamt auf § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Der Antragsteller habe seinen Reisepass zerrissen und in einen Fluss geworfen. Die Vernichtung sei auch mutwillig geschehen. Aus den Erklärungen des Antragstellers ergebe sich, dass er jedenfalls auch ein Absichtselement gehabt habe, eine etwaige Rückführung zu erschweren oder zu verzögern. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.
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Gegen den nach § 4 Abs. 2 VwZG am 13. August 2024 zur Post gegebenen Bescheid ließ der Antragsteller seine Bevollmächtigten am 21. August 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bescheids vom 9. August 2024 anzuordnen.
15
Dem Antragsteller drohe hinsichtlich seiner religiösen Grundentscheidung Verfolgung. Der Antragsteller sei Christ, er sei am … 2024 in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde … getauft worden. Er sei aktives Mitglied der Gemeinde. Es stehe fest, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr wegen der Ausübung seines christlichen Glaubens in seinem Heimatland jedenfalls administrative und polizeiliche, mit einiger Wahrscheinlichkeit aber auch diskriminierende Maßnahmen zu fürchten habe, wobei auch die Anwendung physischer Gewalt nicht auszuschließen sei. Dies dürfte umso mehr gelten, falls der Entwurf der Strafrechtsnovelle Gesetz werde. Dieser Gesetzesentwurf sehe in seine Art. 225/1 ff. erstmals die Aufnahme eines Apostasie-Straftatbestandes vor, womit der Abfall vom Islam als kodifiziertes staatliches Recht unter Strafe gestellt werde. Das Strafmaß sei im Höchstfall die Todesstrafe. Dem Antragsteller drohe auf Grund seiner sexuellen Orientierung Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit sowie Freiheit im Herkunftsland. Er habe sowohl im Iran, als auch nunmehr in Deutschland, sexuelle Kontakte mit Männern. Seine sexuelle Orientierung sei wesentlicher Kern seiner Identität. Der Antragsteller könne sich nicht vorstellen, diesen dauerhaft erfolgreich zu unterdrücken. Aufgrund seiner sexuellen Orientierung drohe dem Antragsteller Verfolgung im Herkunftsland. Im Iran stehe Homosexualität unter Strafe. Die Art. 63 bis 164 des Iranischen Strafgesetzbuches wiesen für den unerlaubten homosexuellen Geschlechtsverkehr sowie die Vornahme homosexueller Handlungen erhebliche Strafen aus. Dem Antragsteller sei nicht zuzumuten, in den Iran zurückzukehren und dort seine sexuelle Orientierung dauerhaft zu verbergen und zu unterdrücken oder sich der Gefahr auszusetzen, im Falle von deren Ausleben in unmenschlicher Weise behandelt oder sogar getötet zu werden. Die Voraussetzungen für die Ablehnung als offensichtlich unbegründet lägen eindeutig nicht vor. Bei der Konversion zum christlichen Glauben handele es sich um einen anerkannten Nachfluchtgrund. Die ernsthafte und identitätsprägende Hinwendung zum christlichen Glauben stelle einen Prozess dar, der sich insbesondere über die formale Taufhandlung hinaus fortsetze. Der Antragsteller besuche regelmäßig die Gottesdienste seiner Kirchengemeinde, sei aktives Mitglied in dieser und dort bekannt und beliebt. Er sehe die Inhalte und Regeln des christlichen Glaubens für sich als verbindlich an. Vor diesem Hintergrund stehe zu erwarten, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren sich eine persönliche Überzeugung von der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts des Antragstellers zu bilden vermöge.
16
Im gerichtlichen Verfahren wurde, neben den bereits vorgelegten Schreiben von … vom 30. August 2022 und der Bestätigung der … vom 20. September 2023, eine weitere Bestätigung der … vom 26. August 2022 vorgelegt, wonach der Antragsteller seit einem Monat eine Bibelstudiengruppe in … besuche. Der Leiter bestätige, dass der Antragsteller an den wöchentlichen Treffen der Gruppe teilgenommen habe. Zudem wurde eine undatierte Bestätigung der Gemeindemitgliedschaft des Antragstellers der Baptisten am …, …, vorgelegt, wonach der Antragsteller durch Verlegung nach Mittelfranken in die Kirchengemeinde der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde … (Baptisten …*) gekommen sei. Seitdem habe er regelmäßig die Gottesdienste besucht und habe eifrig mitgearbeitet. Er habe bei Umzügen, beim Winterspielplatz der Gemeinde oder wenn sonst Hilfe gebraucht worden sei, z.B. Tische und Stühle stellen für Veranstaltungen oder auch in der Küche für Gemeindemittagessen, geholfen. Er habe durch seinen tiefen Glauben und durch sein Gottvertrauen beeindruckt. Da der Antragsteller inzwischen eine unbefristete Arbeitserlaubnis für eine Firma in … erhalten habe, wo er derzeit auch arbeite, aber seine Wohnsitzänderung noch nicht genehmigt worden sei, müsse er die Wochenenden zurück nach … und sei die meiste Zeit mit der Bahn unterwegs und könne kaum die Gottesdienste besuchen.
17
Die Antragsgegnerin beantragte,
18
Zur Begründung bezog sich die Antragsgegnerin auf die angefochtene Entscheidung.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Antragsverfahren wie auch im Klageverfahren (AN 1 K 24.31782) Bezug genommen.
20
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
21
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen, ist statthaft, weil die Klage gegen die Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung hat (§§ 75 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 AsylG). Der Antrag wurde auch innerhalb der Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
22
Der Antrag ist nicht begründet.
23
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das erkennende Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt zulasten des Antragstellers aus. Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen, des Suspensivinteresses des Antragstellers und des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin, sind dabei die anhand einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. etwa BVerwG, B.v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10 u.a. – juris Rn. 20; auch zum allgemeinen Maßstab: BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8). Dieser allgemeine Maßstab wird im Rahmen einer Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG dahingehend modifiziert, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/03 – juris Rn. 99).
24
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Ausreise innerhalb einer Woche und der zur Durchsetzung der Ausreisepflicht verfügten Abschiebungsandrohung bestehen vorliegend nicht.
25
Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG § 59 AufenthG. Danach erlässt das Bundesamt eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. In den Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist abweichend von § 59 Abs. 1 AufenthG eine Woche.
26
Auch wenn Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG in erster Linie die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung ist, ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz im Regelfall auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht, wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht (BVerfG, B.v. 2.5.1983 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40; BVerfG, B.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/03 – juris Rn. 94). Denn die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge (vgl. auch BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 37 f.). Dabei bleiben nach § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig.
27
Ernstliche Zweifel an der Ablehnung des Asylantrages des Antragstellers bestehen auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht.
28
Der Antragsteller ist nicht Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, denn er konnte seine begründete Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) nicht glaubhaft machen.
29
Die Antragsgegnerin hat den Vortrag des Antragstellers zu den angeblichen fluchtauslösenden Ereignissen zu Recht als nicht nachvollziehbar und widersprüchlich angesehen und daher als unglaubhaft bewertet. Zu Recht weist die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid auf eine Reihe von Umständen im Vortrag des Antragstellers hin, die auch nach Einschätzung des Gerichts die Bewertung als unglaubhaft tragen.
30
So ist auch für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller und sein Kollege in Kenntnis der Videoüberwachung am Arbeitsplatz zwar zum Alkohol trinken einen nicht überwachten Putzraum aufgesucht haben sollen, dann aber gleichwohl ungeachtet der Videoüberwachung im Büro des Antragstellers homosexuelle Handlungen vorgenommen haben sollen. Dabei weist die Antragsgegnerin auch darauf hin, dass der Kollege des Antragstellers nach dessen Vortrag bereits mit der Schnapsflasche in der Hand den videoüberwachten Arbeitsraum des Antragstellers betreten haben soll, was bereits die Sinnhaftigkeit des Aufsuchens des Putzraums zum Alkoholtrinken in Zweifel zieht.
31
Weiter vermag auch das Gericht nicht nachzuvollziehen, dass der Antragsteller seiner Darstellung nach zwar alkoholbedingt derart enthemmt gewesen sein soll, dass er sich den Annäherungsversuchen des Kollegen hingegeben haben soll, ohne auch nur einen (weiteren) Gedanken an die Videoüberwachung verschwendet zu haben, andererseits aber noch derart kontrolliert gewesen sein soll, seine Arbeitsergebnisse zu speichern. Dabei fällt zudem auf, dass der Antragsteller diese Speicherung offensichtlich – zu diesem Zeitpunkt noch völlig nüchtern – vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes, um in dem Putzraum Alkohol zu trinken, nicht abgespeichert gehabt hatte. Zudem teilt das Gericht die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass nicht glaubhaft ist, dass der Antragsteller, der noch in der Anhörung vor dem Bundesamt unter Hinweis auf seine Ehe und die Liebe zu seiner Frau auch unter Berücksichtigung der Beratung durch … klar erklärt hatte, nicht homo- oder bisexuell zu sein, durch den vorgetragenen Alkoholgenuss derart enthemmt gewesen sein sollte, dass er sich ohne weiteres den homosexuellen Avancen des Kollegen ergeben haben sollte, gleichwohl aber nach seiner Darstellung nach dem Alkoholgenuss noch derartig steuerungs- und handlungsfähig war, dass er zunächst weitergearbeitet haben will. Das Wissen um die Videoüberwachung macht den vorgetragenen Geschehensablauf noch unplausibler.
32
Das Gericht teilt – für das vorliegende Erfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – auch die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass auch die vom Antragsteller vorgetragenen weiteren Folgen dieses Vorfalls nicht geglaubt werden können. So weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller seinen Angaben nach nicht gewusst haben soll, was der Grund seines Erscheinens vor dem Disziplinarkomitee gewesen sein soll, dies auch nicht hinterfragt haben will, sondern lediglich eine Vermutung gehabt haben will, er aber gleichwohl die ihm auferlegte Sanktion unhinterfragt angenommen haben will, obgleich das nach der vorgetragenen Einschätzung des Antragstellers inkriminierende Video nicht gezeigt worden ist. Zutreffend ging die Antragsgegnerin auch davon aus, dass auch der weitere Vortrag des Antragstellers im Hinblick auf die von dem Disziplinarkomitee angeblich verhängte Sanktion nicht glaubhaft sind. Dabei ist insbesondere nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller die von ihm nach seinem Vortrag als Falle erkannte Sanktion ohne Widerspruch auf sich genommen haben will und sogleich vor laufenden Videokameras die Koranverse abgenommen und dabei zerrissen haben will.
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Widersprüchlich ist zudem der Vortrag des Antragstellers zu der von ihm behaupteten Verfolgungsgefahr, die zusätzlich von seinem Vater ausgehen soll. Dabei fällt zum einen auf, dass der Antragsteller hierzu ausdrücklich erklärt hat, der Vater habe lediglich das Zerstören der Koranverse thematisiert, habe offensichtlich keine Kenntnis von dem vorangegangenen Video, das den Antragsteller bei der Vornahme homosexueller Handlungen zeigen soll. Dabei bleibt völlig unklar, weshalb – ein Verfolgungsinteresse unterstellt – der Vater nicht vom gesamten Sachverhalt informiert worden sein sollte.
34
Dass sich aus der vom Antragsteller vorgetragenen Weigerung, im Jahr 2015/2016, an einem Treffen mit einem religiösen Führer teilzunehmen, keine hinreichend aktuelle begründete Vorverfolgung ergeben kann, schon allein weil dieses Geschehen Jahre zurückliegt und in der Zwischenzeit selbst nach dem Vortrag des Antragstellers keine weiteren Folgen hatte, hat die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt.
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Ergänzend ist festzuhalten, dass der Antragsteller seinem eigenen Vortrag nach ohne jegliche Probleme mit seinem Reisepass und einem italienischen Visum auf dem regulären Weg über den Flughafen von … ausreisen konnte. Dies spricht ebenfalls dafür, dass ein relevantes Verfolgungsinteresse hinsichtlich des Antragstellers nicht bestand.
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Zulasten der Glaubwürdigkeit des Antragstellers wirken sich zudem die widersprüchlichen Angaben seinen Visumsantrag betreffend aus. Zwar mag der Antragsteller abweichend von den italienischen Behörden von einem dem Antrag vorangegangenen Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme als Antragszeitpunkt ausgegangen sein (auch wenn dies wenig plausibel ist, sofern kein schriftlicher Antrag vorliegt). Die – durch mehrfache Unterlagen untermauerten – Angaben zur vorgeblichen Teilnahme an einem Musikfestival in Italien, von denen der Antragsteller in der Anhörung vor dem Bundesamt keine Kenntnis mehr gehabt haben will, entwerten auch den übrigen Vortrag um die Beantragung des Visums, mit dem der Antragsteller (der zudem angeben hat, eigentlich nach Amerika gewollt zu haben) seinen Angaben in der Anhörung nach eigentlich nach Spanien gewollt zu haben, was zudem die Frage aufwirft, weshalb er mit dem Schengen-Visum dann nicht nach Spanien weitergereist ist.
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Die Antragsgegnerin ist vor diesem Hintergrund zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller den Iran unverfolgt verlassen hat.
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Auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hat die Antragsgegnerin zu Recht auch die Annahme eines beachtlichen Nachfluchtgrundes abgelehnt.
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Anhand der nach § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG zu berücksichtigenden Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten angegeben worden sind und die gerichtsbekannt oder offenkundig sind, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin, dass dem Antragsteller wegen seiner Konversion zum Christentum im Falle einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohen sollte. Denn, wie die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, vermochte der Antragsteller nicht glaubhaft vorzutragen, dass er aus fester, innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
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Zwar können zum Christentum konvertierte Muslime durch die Glaubensausübung im Iran im Einzelfall einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten rechtfertigen (vgl. hierzu: VG Kassel, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A; OVG Münster, B.v. 30.7.2007 – 5 A 1999/07.A; OVG Bautzen, U.v. 4.4.2008 – A 2 B 36/06; BayVGH, U.v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315). Der Europäische Gerichtshof sieht in den in Art. 10 Abs. 1 GRCh verankerten Recht auf Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht, das eines der Fundamente einer demokratischen Gesellschaft darstellt und Art. 9 EMRK entspricht. Ein Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit kann so gravierend sein, dass er einem der in Art. 15 Abs. 2 EMRK genannten Fällen gleichgesetzt werden kann, auf die Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2004/83/EG – dies gilt unverändert auch für die Neufassung in Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU – als Anhaltspunkt für die Feststellung verweist, welche Handlungen insbesondere als Verfolgung gelten (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. Rn. 57). Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 GRCh garantierte Recht auf Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der RL 2011/95/EU dar (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. Rn. 58). Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß § 3a AsylG (Art. 9 Abs. 1 der RL 2011/95/EU) setzt zwar nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen. Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 lit. a) der RL 2011/95/EU) zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. Rn. 70). Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z.B. Leib und Leben. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit sieht der Gerichtshof den Umstand an, dass für den Betroffenen die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Denn der Schutzbereich der Religion umfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 u.a. Rn. 71).
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Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 30). Die religiöse Identität als innere Tatsache lässt sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen. Dafür ist das religiöse Selbstverständnis eines Asylbewerbers grundsätzlich sowohl vor als auch nach der Ausreise aus dem Herkunftsland von Bedeutung. Der Asylbewerber muss in diesem Zusammenhang die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben auf einem ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruht.
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Wann eine solche Prägung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen. Nach dem aus der Gesamtheit des verwaltungs- und gegebenenfalls gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass der Konvertierte so fest im Glauben verankert ist, dass er bereit ist, in seinem Herkunftsland für den Glauben selbst schwere Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen.
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Konkret für den Iran ist in der Rechtsprechung geklärt (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 24 m.w.N.), dass es für die Frage einer Verfolgungsgefahr wegen Konversion maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall einer Rückkehr einer konvertierten Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren neu aufgenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – aktiv im Iran ausüben oder nur erzwungenermaßen unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird. Denn es gibt keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein wegen einer bisherigen religiösen Betätigung im Ausland oder in Deutschland oder gar schon wegen eines bloß formalen Glaubenswechsels zum christlichen Glauben einem Übergetretenem mit beachtliche Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran – selbst unter dem Recht der Scharia – eine asylrechtliche relevante Verfolgung drohen könnte (BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 25 m.w.N.).
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Da danach die Verfolgung wegen Konversion im Iran nicht ausschließlich an die Kirchenzugehörigkeit anknüpft, ist bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Verfolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für diesen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf Grund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerfG, B.v. 3.4.2002 – 2 BvR 1838/15 – juris Rn. 27; BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris Rn. 26).
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Voraussetzung ist mithin, dass die Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum neuen Glauben vorliegt.
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Dies trifft nach Überzeugung des Gerichts auf den Antragsteller nicht zu. Aus den von den Beteiligten angegebenen Tatsachen und Beweismitteln und aus den gerichtsbekannten oder offenkundigen Umständen ergeben sich für das Gericht keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe christliche Inhalte und Werte nicht persönlichkeitsprägend verinnerlicht.
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Zum einen führt die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid zu Recht aus, dass der Antragsteller einen besonderen Anlass für sein plötzliches und direktes Interesse am Christentum nicht habe darstellen können. Der Antragsteller, der seinem Vortrag in der Anhörung vor dem Bundesamt zufolge lediglich bis zum Alter von 15 Jahren religiös gewesen sei, aber für das Christentum selbst in der Zeit nach seiner Umverteilung nach … nicht viel gewusst haben will, vermochte zwar in der Anhörung einige Aspekte darzulegen, die zu einer Entfremdung vom Islam beigetragen haben mögen. Seine Hinwendung zum Christentum vermochte der Antragsteller jedoch nicht darzulegen. Dabei ist zudem bereits widersprüchlich, dass der Antragsteller einerseits erklärte, er habe noch im Jahr 2022 das Christentum noch nicht gekannt, aber andererseits behauptet, er habe schon über die Religionen, und konkret über das Christentum recherchiert.
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Auch die im Verwaltungswie im Gerichtsverfahren vorgelegten Bestätigung führen zu keiner anderen Einschätzung. Dabei ist zum einen festzuhalten, dass die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte Bestätigung der … vom 20. September 2023 ebenso wie die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegte, gleichwohl ältere Bestätigung der … vom 26. August 2022 lediglich die Teilnahme des Antragstellers an einer Bibelstudiengruppe bestätigen. Belastbare Hinweise auf die innere Einstellung des Antragstellers zum Christentum lassen sich daraus bereits nicht entnehmen. Die im gerichtlichen Verfahren weiter vorgelegte undatierte Bestätigung der Baptisten … führt zwar zum einen aus, der Antragsteller habe dort regelmäßig die Gottesdienste besucht und habe eifrig mitgearbeitet. Er habe durch seinen tiefen Glauben und durch sein Gottvertrauen beeindruckt. Damit sind zum einen zunächst weitere rein äußere Begebenheiten geschildert, die keinen verlässlichen Rückschluss auf die innere Einstellung des Antragstellers bieten. Zum anderen sind zwar Schlussfolgerungen der dortigen Kirchengemeinde zum Glauben des Antragstellers formuliert, die jedoch nicht erläutert und somit nicht nachvollziehbar sind. Schließlich führt eben diese Bestätigung weiter aus, dass der Antragsteller in der letzten Zeit kaum noch die Gottesdienste besucht.
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Somit ergeben sich auch zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine belastbaren Indizien, die ernstliche Zweifel an der Einschätzung der Antragsgegnerin, der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers sei ebenfalls nicht glaubhaft, auslösen würden.
50
Dem Antragsteller steht unter diesen Umständen auch kein Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG, auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu.
51
Im Übrigen wird auf die auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dem sich das Gericht anschließt, Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
52
Ebenfalls bestehen keine ernstlichen Zweifel an dem Offensichtlichkeitsausspruch der Antragsgegnerin. Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer ein Identitäts- oder Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat oder die Umstände offensichtlich diese Annahme rechtfertigen (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG).
53
Diese Regelung hat der Gesetzgeber in Anlehnung an die entsprechende Richtlinienformulierung in Art. 31 Abs. 8 lit. b) der RL 2013/32/EU mit Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung vom 21. Februar 2024 (BGBl. 2024 Nr. 54) mit Wirkung zum 27. Februar 2024 in das Asylgesetz eingefügt. Nach der Gesetzesbegründung soll diese neue Regelung die nach bisheriger Rechtslage in § 30 Abs. 1 Nr. 2 und 5 AsylG geregelten Fälle der Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit durch Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments erfasst (BT-Drs. 20/9463, Seite 56).
54
Der Antragsteller hat vorliegend, wie er in der Anhörung vor dem Bundesamt erklärt hat, seinen Reisepass, mit dem er zuvor mit einem italienischen Schengen-Visum in den Schengenraum und schließlich in das Bundesgebiet eingereist ist, zerrissen und in einen Fluss bei … geworfen, weil er Angst vor der Abschiebung hatte.
55
Damit hat der Antragsteller ein Identitäts- oder Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet.
56
Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller insbesondere seine iranische ID-Karte nicht vernichtet hat und diese letztlich auch vorgewiesen hat, womit sich letztlich auch seine Identität belegen ließ. Denn § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erfordert keine konkrete Kausalität zwischen der Vernichtung des Identitäts- oder Reisedokuments und einer etwaigen Verhinderung der Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit (ebenso VG Düsseldorf, B.v. 27.5.2024 – 22 L 1091/24.A – juris Rn. 23 ff.; andere Ansicht: VG Aachen, B.v. 26.4.2024 – 10 L 265/24.A – juris Rn. 14 mit der Erwägung, nur so stehe fest, dass gerade das vernichtete Dokument die Identifizierung ermöglicht hätte). Ausgehend vom Wortlaut der Norm besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme eines Erfordernisses einer konkreten Kausalität zwischen der Vernichtung des Dokuments und einer etwaigen Verhinderung der Identitäts- oder Staatsangehörigkeitsfeststellung. Vielmehr geht die Norm von der abstrakten Eignung des Identitäts- oder Reisedokuments zur Feststellung der Identität oder Staatsangehörigkeit aus.
57
Dies wird auch unterstrichen durch den systematischen Vergleich mit der sachlich vergleichbaren Regelung in § 30 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, in der vorausgesetzt wird, dass der Ausländer die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder Staatsangehörigkeit offensichtlich getäuscht hat, womit ein tatsächlich erfolgtes Handeln verlangt wird. Auch aus der zugrundeliegenden Richtlinienbestimmung in Art. 31 Abs. 8 lit. d) der RL 2013/32/EU lässt sich kein derartiges konkretes Kausalitätserfordernis entnehmen. Im Gegenteil weisen andere Sprachfassungen, die ebenso verbindlich sind, noch deutlicher als die deutsche Fassung auf die bloße Eignung zur Identitätsfeststellung. So spricht insbesondere die englische Sprachfassung davon, dass das in Bezug genommene Dokument „would have helped“, so dass lediglich von einem hypothetischen Beitrag zur Feststellung auszugehen ist. In diesem Sinne sind auch etwa die französische und spanische Fassung zu verstehen, die voraussetzen, dass das Dokument „aurait aidé“ bzw. „habría contriduido“.
58
Dies ist bei der Vernichtung eines Reisepasses regelmäßig anzunehmen, da allein der Reisepass zur Identifizierung des Passinhabers im internationalen Verkehr bestimmt ist. Im vorliegenden Falle des Antragstellers aus dem Iran kommt erschwerend hinzu, dass die nationale ID-Karte ausschließlich in arabischer Schrift geschrieben ist und deutlich weniger fälschungssichere Sicherheitsmerkmale aufweist, während allein der Reisepass zusätzlich die für die Identifizierung des Antragstellers im internationalen Verkehr erforderlichen zusätzlichen Angaben in lateinischer Schrift enthält.
59
Die Zerstörung des Reisepasses erfolgte vorliegend auch mutwillig im Sinne der Norm. Mutwilligkeit in diesem Sinne erfordert ein vorsätzliches Handeln mit dem Zweck, die Durchführung des Asylverfahrens und/oder einer sich womöglich daran anschließenden Rückführung zu erschweren oder zu verzögern (VG Düsseldorf, B.v. 26.4.2024 – 26 L 912/24.A – juris Rn. 14). Dies hat der Antragsteller vorliegend selbst mit der Aussage in seiner Anhörung vor dem Bundesamt eingeräumt, er habe den Reisepass aus Angst vor der Abschiebung zerrissen und in einen Fluss bei … geworfen. Nicht erforderlich ist, dass dem eine konkrete Täuschungsabsicht zugrundeliegt. Entsprechend den obigen Ausführungen zur konkreten Kausalität lässt sich weder der nationalen Norm noch der zugrundeliegenden Richtliniennorm eine derartige Verknüpfung des Vernichtungs- oder Beseitigungsvorsatzes mit einer etwaigen konkreten Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit entnehmen. Der Vergleich mit anderen Sprachfassungen unterstreicht vielmehr, dass die vorauszusetzende Mutwilligkeit eine allgemeine „böse Absicht“ ist, die auch bereits dann erfüllt ist, wenn der Antragsteller es darauf anlegt, das Gesamtverfahren, d.h. einschließlich einer etwaigen Rückführung in den Herkunftsstaat, zu erschweren oder zu verzögern (ebenso VG Düsseldorf, B.v. 26.4.2024 – 26 L 912/24.A – juris Rn. 14). So setzt die Richtlinie in ihrer englischen Fassung ausdrücklich ein Handeln „in bad faith“ voraus, ebenso die französische „de mauvaise foi“ sowie auch die spanische „de mala fe“.
60
Soweit die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass von der Neuregelung in § 30 Abs. 1 Nr. 4 AsylG diejenigen Fälle erfasst sein sollen, die nach bisheriger Rechtslage in „§ 30 Abs. 1 Nr. 2 und 5“ (gemeint offensichtlich § 30 Abs. 3 Nr. 2 und 5 AsylG a.F.) geregelten Fälle der Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit, durch Vernichtung oder Beseitigung eines Identitäts- oder Reisedokuments erfasst waren, führt dies nicht dazu, dass die Anwendung der neuen Fassung auf die auch von der alten Fassung erfassten Fälle zu begrenzen ist. Insbesondere ist hierbei festzuhalten, dass § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG a.F. eine konkrete Täuschungshandlung im Asylverfahren voraussetzte und § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG a.F. sich letztlich auf einen Verstoß gegen Mitwirkungspflichten im Asylverfahren zurückführen ließ. Die im Wortlaut eng an die entsprechende Richtlinienbestimmung angelehnte Neuregelung knüpft dagegen, wie ausgeführt, an die mutwillig herbeigeführte abstrakte Gefährdung der Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit im Sinne des gesamten Asylverfahrens einschließlich der sich gegebenenfalls anschließenden Rückführung. Da somit die neue Regelung unabhängig von konkreten Mitwirkungspflichten zu betrachten ist, greift die neue Regelung auch unabhängig davon, ob der (spätere) Asylwerber vor der entsprechenden Handlung über seien Mitwirkungspflichten belehrt worden ist (a.A. zur damaligen Rechtslage VG Ansbach, B.v. 4.9.2020 – AN 4 S 20.30768 – juris Rn. 15 f.).
61
Folglich war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
62
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
63
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).