Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 17.09.2024 – AN 10 E 24.1756
Titel:

Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen eine negativ ausgefallene erweiterte Sicherheitsüberprüfung

Normenkette:
BaySÜG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 9, § 13 Abs. 1 Nr. 17, § 14 Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der betroffenen Person ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 27)
2. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Betroffenen darstellt, darf sich nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. (Rn. 28)
1. Die Russische Föderation und die Ukraine gehören derzeit zu den Staaten, in denen besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen sind. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Annahme eines Sicherheitsrisikos ist nicht erforderlich, dass die Gefährdung durch konkrete Anbahnungsversuche bereits realisiert wurde, vielmehr soll dies gerade vermieden werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine negativ ausgefallene erweiterte Sicherheitsüberprüfung, Sabotageschutz, Beurteilungsspielraum, Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken, Russische Föderation, Ukraine, Besorgnis der Erpressbarkeit, Sicherheitsrisiko, Diskriminierung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26722

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen das Ergebnis seiner negativ ausgefallenen erweiterten Sicherheitsüberprüfung sowie die damit verbundenen Folgen.
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Der Antragsteller wurde … in der Ukraine geboren. An der polytechnischen Universität in … studierte er Verfahrenstechnik in Mikroelektronik. Sein Studium schloss er mit einem Diplom ab. Als Spätaussiedler kam der Antragsteller im Jahr … nach Deutschland. Seit dem … 1996 ist der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger.
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In Deutschland absolvierte der Antragsteller eine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker (IHK). Darauf war er als angestellter Systemadministrator bzw. IT-Spezialist bei verschiedenen Firmen tätig, bis er sich im März 2016 selbstständig machte. Seit März 2023 war der Antragsteller als freiberuflicher IT-Spezialist über eine Vermittlungsfirma (…) für die Antragsgegnerin ausschließlich tätig.
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Am 19. April 2023 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, eine Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung im Bereich Sabotageschutz abzugeben (BA Bl. 5). Der Antragsteller gab darin an, dass seine Staatsangehörigkeit gegenwärtig zwar deutsch, er früher jedoch ukrainischer Staatsangehöriger gewesen und in … in der Ukraine geboren sei. Mit Schreiben vom 27. März 2024 wurde der Antragsteller im Hinblick auf seine Angaben aufgefordert, einen ergänzenden Fragenkatalog des Bundesamtes für Verfassungsschutz auszufüllen. Dem kam der Antragsteller am 2. April 2024 nach (BA Bl. 49 ff.).
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2024 unterrichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller über das Ergebnis der erweiterten Sicherheitsüberprüfung. Der Geheimschutzbeauftragte der Antragsgegnerin sei nach Durchführung des persönlichen Sicherheitsgesprächs am selbigen Tag gemäß § 6 SÜG zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG bei dem Antragsteller unverschuldet vorliege. Dies begründe sich damit, dass tatsächliche Anhaltspunkte eine besondere Gefährdung insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen fremder Geheimdienste begründen würden. Daher könne der Antragsteller ab sofort nicht mehr bei der Antragsgegnerin eingesetzt werden, weshalb die Zusammenarbeit sofort zu beenden sei. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller früher ukrainischer Staatsangehöriger gewesen sei, dass der Bruder des Antragstellers, mit welchem er weiterhin Kontakt habe, in Russland lebe und dass der Antragsteller eine Eigentumswohnung in der Ukraine habe. Das Sicherheitsrisiko werde auch zum Eigenschutz des Antragstellers und seiner nahestehenden Bezugspersonen festgestellt. Dritte seien über die Gründe der Entscheidung nicht informiert worden.
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Am 12 Juli 2024 beantragte der Antragsteller gegen diese Entscheidung einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht. Im Wesentlichen wird Folgendes vorgebracht:
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Der Anordnungsgrund ergebe sich dadurch, dass der Antragsteller aufgrund des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung nicht mehr für bestimmte öffentliche Stellen und Behörden arbeiten könne. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung werde gespeichert und könne übermittelt werden. Der Antragsteller stehe nunmehr unvorbereitet ohne jegliche Einkünfte da, da er über den Vermittler bis 31. Dezember 2024 ausschließlich für die Antragsgegnerin gebucht worden sei. Andere Angebote für diesen Zeitraum habe er abgelehnt und derart kurzfristig könne er keine anderen Auftraggeber finden. Der Anordnungsanspruch läge auch vor. Die Voraussetzungen für eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung seien nicht gegeben gewesen, da der Antragsteller im Rahmen seiner Tätigkeit für die Antragsgegnerin keinerlei Zugang zu Verschlusssachen gehabt habe oder sich hätte verschaffen können. Im Übrigen sei das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung jedenfalls rechtswidrig. Die der Bewertung zugrunde gelegten Tatsachen habe die Antragsgegnerin fehlerhaft, unzureichend und unzutreffend gewürdigt. Es fehle an einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung im Einzelfall. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass der Antragsteller seit 1996 deutscher Staatsangehöriger sei, seit nahezu 30 Jahren in Deutschland lebe und arbeite, vollständig integriert sei und sich seit fünf Jahren nicht mehr in Russland und seit drei Jahren auch nicht mehr in der Ukraine aufgehalten habe. Seine Mutter habe der Antragsteller im März 2022 nach Deutschland geholt. An der geerbten Wohnung in …, die einen Wert von maximal 15.000,00 EUR habe, bestehe kein Interesse. Der Antragsteller bekenne sich zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und sei nicht erpressbar. Der Antragsteller habe keine emotionale Bindung zu seinem in Russland lebenden Bruder. Das angenommene Sicherheitsrisiko beruhe auf einer vagen Vermutung und werde durch die Lebensumstände des Antragstellers widerlegt. Die Antragsgegnerin widerspreche sich mit ihrer Sicherheitsüberprüfung, da der Antragsteller bereits seit März 2023 im sicherheitsrelevanten Bereich tätig war. Der Antragsteller sei vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Antragsgegnerin nicht über das Erfordernis einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung aufgeklärt worden.
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Er beantragt daher, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig festzustellen, dass
1. die Feststellung der Antragsgegnerin, bei dem Antragsteller liege ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a SÜG vor und
2. die Mitteilung der Antragsgegnerin im Schreiben vom 24. Juni 2024, der Antragsteller könne ab sofort bei der Antragsgegnerin nicht mehr weiter eingesetzt werden und die Zusammenarbeit des Antragstellers mit der Antragsgegnerin sei sofort zu beenden, jeweils rechtswidrig sind.
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Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß):
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:
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Es sei kein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragsteller habe von Beginn an gewusst, dass der Einsatz bei der Antragsgegnerin unter dem Vorbehalt einer erfolgreichen Sicherheitsüberprüfung stehe. Bereits am 7. März 2023 sei er auf die Notwenigkeit der Abgabe einer Sicherheitserklärung hingewiesen worden. Mit E-Mail vom 19. April 2023 sei der Antragsteller hieran erinnert worden. Der Antragsteller könne auch weiterhin seine berufliche Tätigkeit ausüben und sowohl private als auch öffentliche Aufträge annehmen. Lediglich sicherheitsempfindliche Tätigkeiten könne er derzeit nicht mehr wahrnehmen. Es sei aber auch kein Anordnungsanspruch gegeben. Die der Entscheidung über das Sicherheitsrisiko zugrunde gelegten Tatsachen seien umfassend und angemessen geprüft bzw. gewürdigt worden. Die Russische Föderation und die Ukraine seien Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos lägen beim Antragsteller vor. Er unterhalte regelmäßigen Kontakt zu seinem Bruder nach Russland und sei bis 2021 mehrfach privat nach Russland und in die Ukraine gereist. Zudem habe er Immobilieneigentum in der
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Ukraine. Es sei auch berücksichtigt worden, dass die Mutter des Antragstellers inzwischen in Deutschland lebt. Kontakte, Reisen oder andere Verbindungen in Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken seien Anhaltspunkte, die ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG begründen könnten. Ein Reiseverzicht als milderes Mittel sei nicht geeignet gewesen, um das Sicherheitsrisiko auszuschließen. Der Antragsteller biete Angriffspunkte für einen fremden Nachrichtendienst. Der Nachweis einer konkreten Gefährdung sei gesetzlich nicht gefordert. Im Zweifel habe nach § 14 Abs. 3 SÜG das Sicherheitsinteresse Vorrang. Es bestehe ein Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar sei. Der Antragsteller verkenne auch, dass das unverschuldete Sicherheitsrisiko auch zu seinem Eigenschutz und zum Schutz der ihm nahestehenden Bezugspersonen in Russland festgestellt worden sei. Eine Diskriminierung sei nicht gegeben, da die Entscheidung alleine Sicherheitsinteressen diene.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegte Behördenakte und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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A. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.
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1. Der Antrag wird unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) dahingehend verstanden, dass der Antragsteller die vorläufige Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schreibens vom 24. Juni 2024 über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos begehrt, was einer Regelungsanordnung i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entspricht. Hiernach kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern.
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Für dieses Rechtsschutzbegehren besteht auch eine Zuständigkeit des angegangenen Verwaltungsgerichts, § 52 Nr. 2 VwGO. Zwar stellt die Maßnahme der Antragsgegnerin keinen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG dar (BVerwG, B.v. 20.6.2018 – 6 A 6/18 – juris Rn. 3), jedoch handelte sie insoweit hoheitlich auf Grundlage von Normen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG), weshalb hinsichtlich des Schreibens vom 24. Juni 2024 eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO vorliegt. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist hingegen nicht gegeben. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten liegen zwischen ihnen keine (zivil-)vertraglichen Beziehungen vor. Vielmehr wurde Antragsteller über eine Drittfirma an die Antragsgegnerin vermittelt. Im Übrigen ändert der Umstand, dass das jeweilige Innenverhältnis zwischen den Beteiligten und der Vermittlungsfirma durch die streitgegenständliche Maßnahme beeinträchtigt sein könnte, nichts daran, dass der Antragsteller in erster Linie durch das Ergebnis der erweiterten Sicherheitsüberprüfung beschwert ist und allein hiergegen Rechtsschutz ersucht. Anders wäre es möglicherweise, wenn der Antragsteller die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Weiterbeschäftigung begehren würde. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin hierzu dürfte aber automatisch nach der begehrten Feststellung aufleben.
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2. Bei dem insoweit verstandenen Antrag bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Da das Schreiben vom 24. Juni 2024 keinen Verwaltungsakt darstellt, steht auch nicht die Regelung des § 123 Abs. 5 VwGO entgegen. Der Antragsteller ist analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da das negative Ergebnis der erweiterten Sicherheitsüberprüfung Folgen für seine berufliche Tätigkeit hat (BVerwG, U.v. 31.3.2011 – 2 A 3/09 – juris Rn. 15).
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3. Der Antrag nach § 123 VwGO erweist sich als unbegründet.
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Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, glaubhaft gemacht wird. Ist der Antrag – wie hier – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und -anspruch erhöhte Anforderungen zu stellen (BayVGH, B.v. 31.7.2023 – 11 CE 23.744 – juris Rn. 13).
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Es wurde weder ein Anordnungsanspruch (a.) noch ein Anordnungsgrund (b.) den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO entsprechend glaubhaft gemacht.
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a. Ein Anordnungsanspruch wurde nicht glaubhaft gemacht.
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Die mit Schreiben vom 24. Juni 2024 getroffenen Feststellung der Antragsgegnerin, dass beim Antragsteller nach Durchführung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG unverschuldet vorliege, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsteller einer E-Mail vom 19. April 2023 hinreichend sicher entnehmen konnte, dass seine Tätigkeit bei der Antragsgegnerin vom Bestehen einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung abhängig war. In dem Schreiben heißt es: „Da Sie in der Bundesagentur für Arbeit eingesetzt werden, ist eine Sicherheitsüberprüfung zwingend erforderlich“. Ob es hierzu auch (vertragliche) Vereinbarungen vor Aufnahme der Tätigkeit gegeben hat, ist zwar den Akten nicht zu entnehmen, letztlich aber auch nicht entscheidungsrelevant. Die Antragsgegnerin hätte den Antragsteller gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 SÜG bis Abschluss der Sicherheitsüberprüfung nicht mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betrauen dürfen – Ausnahmegründe i.S.v. § 14 Abs. 5 Satz 3 SÜG sind jedenfalls nicht vorgetragen – jedoch führt diese nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Vorgehensweise der Antragsgegnerin mangels Schaffung eines Vertrauenstatbestands nicht zu einer Bindung der Antragsgegnerin für die Zukunft. Der Antragsteller kann sich im Hinblick auf seine tatsächliche Beschäftigung von März 2023 bis Juni 2024 und die Einräumung von Zugriffsberechtigungen auf sicherheitsempfindliche Storage Systeme – nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ab August 2023 – nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Denn spätestens mit dem Schreiben vom 19. April 2023 wurde er mit entsprechender Fristsetzung zur Abgabe einer Sicherheitserklärung für die durchzuführende Sicherheitsüberprüfung aufgefordert. Der Antragsteller fragte mit E-Mail vom 7. September 2023 sogar selbst nach dem Bearbeitungsstand seiner Sicherheitsüberprüfung (BA Bl. 28). Die Antragsgegnerin gab an keiner Stelle zu erkennen, dass sie vom Erfordernis einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung absieht (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2019 – 11 CS 19.199 – juris Rn. 13). Ab der Feststellung des Sicherheitsrisikos wurde die Zusammenarbeit mit dem Antragsteller jedenfalls beendet (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2010 – 1 WB 68/09 – juris Rn. 33). Zuvor war der Antragsgegnerin lediglich bekannt, dass das Ergebnis einer Sicherheitsüberprüfung noch aussteht. Dies ist mit der Situation nach Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht vergleichbar. Im Übrigen bestehen Bedenken, ob das Rechtsinstitut der Verwirkung bzw. des Vertrauensschutzes im Sicherheitsüberprüfungsrecht im Hinblick auf die schutzwürdigen Belange eines Betroffen überhaupt Anwendung finden kann. Auf die aufgeworfene Frage, wann der Antragsteller welche Rechte im Vorfeld übertragen bekam, kommt es nicht an.
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Anders als der Antragsteller meint, waren die Voraussetzungen für eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 9 SÜG) gegeben.
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Das Ausüben einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ist nicht zwingend an den Zugang zu Verschlusssachen (vgl. § 1 Abs. 2 SÜG) geknüpft. Vielmehr übt eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 SÜG auch aus, wer an einer sicherheitsempfindlichen Stelle innerhalb einer lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtung beschäftigt ist oder werden soll. Dies ist vorliegend der Fall, da der Antragsteller in der IT-Infrastruktur der Antragsgegnerin als Trägerin der Arbeitslosenversicherung und der Jobcenter und damit gemäß § 10 SÜFV in einer lebenswichtigen Einrichtung gemäß § 1 Abs. 4 und 5 SÜG eingesetzt werden sollte. Für eine solche Tätigkeit ergibt sich die Notwendigkeit einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 SÜG. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mit Schreiben vom 19. April 2023 damit rechtmäßigerweise dazu aufgefordert, eine Sicherheitserklärung abzugeben.
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Nach § 14 Abs. 3 SÜG entscheidet die zuständige Stelle, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der betroffenen Person entgegensteht. Die Bewertung der übermittelten Erkenntnisse erfolgt aufgrund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalles, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen. Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der betroffenen Person ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. BVerwG, B.v. 29.2.2024 – 1 WB 17/23 – juris Rn. 23).
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Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Betroffenen darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen (BVerwG, B.v. 29.2.2024 – 1 WB 17/23 – juris Rn. 24).
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Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den zuständigen Geheimschutzbeauftragten der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.
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Das Verfahren leidet nicht an formellen Mängel. Der Antragsteller hatte insbesondere Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern, wovon er ausweislich der Behördenakte (BA Bl. 109 ff.) auch Gebrauch gemacht hat, § 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG.
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Die Feststellung des Sicherheitsrisikos nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG aufgrund der durchgeführten erweiterten Sicherheitsüberprüfung ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.
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Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die eine besondere Gefährdung des Antragstellers, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste begründen. Hierzu zählen folgende Umstände: Der Bruder des Antragstellers, zu dem mehrmals im Jahr Kontakt besteht, lebt in … (Russland). Der Antragsteller reiste 2014, 2016, 2017 und zuletzt im September 2021 in die Ukraine. Nach Russland reiste er 2007, 2012 und zuletzt im April 2019. Er ist zudem Eigentümer einer Wohnung in … in der Ukraine (BA Bl. 49 ff.).
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Diese Tatsachen wurden durch die Antragsgegnerin in Zusammenarbeit (§ 12 SÜG) mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz als mitwirkende Behörde i.S.v. § 3 Abs. 2 SÜG zutreffend ermittelt und der Entscheidung zugrunde gelegt. Der konkrete Wert der Immobilie in der Ukraine war – wie vom Antragsteller gerügt – der Antragsgegnerin zwar nicht bekannt, jedoch handelt es sich insoweit nicht um eine für die Entscheidung bedeutsame Tatsache (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.2013 – 1 WB 31/12 – juris Rn. 32). Anders wäre es möglicherweise, wenn die Wohnung tatsächlich überhaupt keinen Marktwert (mehr) hätte, da in diesem Fall kein Angriffspunkt i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG vorläge. Der Antragsteller trägt indes selbst vor, dass ein Verkaufspreis von ca. 13.000,00 EUR bis 15.000,00 EUR erzielt werden könne. Im Übrigen stand der Ermittlungsaufwand hierfür in keinem Verhältnis zu der Bedeutung dieses Umstandes für die Gesamtentscheidung.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin in diesem Sachverhalt tatsächliche Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung des Antragstellers bei möglichen Anbahnungs- und Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste erkannt und deswegen das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos angenommen hat, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG. Die Grenzen des vom Gesetzgeber zugebilligten Beurteilungsspielraum wurden eingehalten. Mit seiner Einschätzung hat der Geheimschutzbeauftragte weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemeingültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.
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Der Geheimschutzbeauftragte begründet seine Entscheidung zwar knapp, aber nachvollziehbar mit der Begründung, dass ein Nachrichtendienst aus einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken verwandtschaftliche und materielle Beziehungen nutzt, um Personen zu einer Zusammenarbeit bzw. Sabotagehandlung zu verleiten. Sie steht im Einklang mit den Ausführungen in § 5 Abs. 1 Satz Nr. 2 SÜG-AVV, wonach ausländische Nachrichtendienste nach langjährigen Erfahrungen aus der Spionageabwehr persönliche Schwächen ausnutzen, um Personen unter Druck zu setzen und zur Sabotage zu zwingen. Als Druckmittel ausgenutzt werden verwandtschaftliche Beziehungen in Staaten, für die besondere Sicherheitsregelungen gelten. Auch häufige Reisen in diese Staaten können die betroffene Person einer besonderen Gefährdung durch ausländische Nachrichtendienste aussetzen (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.2013 – 1 WB 31/12 – juris Rn. 34 f.). Nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat als Nationaler Sicherheitsbehörde gehören die Russische Föderation und die Ukraine zu den Staaten, in denen besondere Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen zu besorgen sind (Schreiben vom 8.6.2022 – ÖS II 5 – 54001/10#3).
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Der Vortrag des Antragstellers, dass er keine emotionale Bindung zu seinem Bruder habe und auch nicht an der Wohnung in der Ukraine interessiert sei, verfängt nicht. Denn bereits nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG genügen tatsächliche Anhaltspunkte, die ein besondere Gefährdung der betroffenen Person, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen. Der Gesetzgeber fordert damit ersichtlich keine nachgewiesene Erpressbarkeit. Würde man dies tun, wären nur sehr wenige Personen erfasst. Angesichts der Unsicherheit, die in Bezug auf künftiges menschliches Verhalten besteht, würden zahlreiche Personen weiter mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut, bei denen Risiken zumindest nicht ausgeschlossen werden können (Däubler, SÜG; 1. Auflage 2019, § 5 Rn. 3). Im Übrigen wertet das Gericht die Behauptung des Antragstellers, keine Bindung zu seinem Bruder zu haben, als Schutzbehauptung. Es erscheint widersprüchlich, „mehrmals im Jahr“ (BA Bl. 49) Kontakt zu haben und unregelmäßig – zuletzt 2019 – dort hinzureisen, obwohl keine Bindung bestehen soll. Nach Aktenlage entsteht außerdem der Eindruck, dass die Reisen wegen der Kriegshandlungen zwischen Russland und der Ukraine nicht mehr stattfinden.
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Die Entscheidung der Antragsgegnerin lässt auch einen hinreichenden Bezug zur Tätigkeit des Antragstellers erkennen. Nach den Ausführungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf Seite 5 des Votums vom 23. Mai 2024 (BA Bl. 101) konnten insbesondere russische Akteure in den letzten Jahren immer wieder als Ausgangspunkt gezielter Cyberattacken identifiziert werden. Nicht zuletzt aufgrund der immer stärker ausgeprägten Digitalisierung, auch kritischer und sicherheitsrelevanter (Infrastruktur-)Bereiche, erhöht sich auch die Möglichkeit von digital gesteuerten Sabotageaktionen, sodass insbesondere IT-Bereiche sicherheitsempfindlicher Stellen innerhalb lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen einer erhöhten Gefährdungslage ausgesetzt sind.
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Nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Geheimschutzbeauftragte die für den Antragsteller sprechenden Umstände – die ausweislich der Behördenakte der Antragsgegnerin bekannt waren – keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Die Entscheidung über die Frage, ob die Integrationsleistungen es vermögen, die Besorgnis der Erpressbarkeit zu kompensieren, unterliegt dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin. Die Feststellung des Sicherheitsrisikos stuft die Kammer insoweit nicht als willkürlich ein. Die gegenwärtige soziale, politische und finanzielle Situation des Antragstellers in Deutschland ist schließlich nicht geeignet, zu verhindern, dass der Bruder des Antragstellers in Russland oder der Antragsteller selbst zur Zielperson von ausländischen Nachrichtendiensten wird. Für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos kommt es auch nicht auf eine konkrete Gefährdung an. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Annahme eines Sicherheitsrisikos nicht erforderlich, dass die Gefährdung durch konkrete Anbahnungsversuche bereits realisiert wurde, vielmehr soll dies gerade vermieden werden (BVerwG, B.v. 28.5.2013 – 1 WB 31/12 – juris Rn. 35, B.v. 31.7.2002 – 1 WB 21/02 – juris Rn. 6). Im Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin war auch nichts dafür ersichtlich, dass der Bruder des Antragstellers Russland verlassen oder der Antragsteller das Eigentum an der Wohnung in der Ukraine verlieren wird.
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Obwohl die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers vom Verlust seiner ukrainischen Staatsbürgerschaft ausgegangen ist (BA Bl. 95), liegen damit mehrere tatsächliche Anhaltspunkte vor, die in ihrer Kumulation und im Hinblick auf die auszuübende Tätigkeit im IT-Bereich bei der Antragsgegnerin nachvollziehbar zur Bejahung eines Sicherheitsrisikos i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG führen, welches nicht nur auf einer rein abstrakten Besorgnis oder vagen Vermutung beruht (vgl. Däubler, SÜG; 1. Auflage 2019, § 5 Rn. 36).
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Das Bekenntnis des Antragstellers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG) wird an keiner Stelle in Frage gestellt, weshalb sein Vorbringen insoweit ins Leere geht. Damit konnte auch auf die beantragte persönliche Anhörung des Antragstellers im Rahmen einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Ebenso wenig kam es auf den Vortrag an, dass der Antragsteller ein stets zuverlässiger Auftragnehmer sei (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG). Ziel des vorbeugenden personellen Sabotageschutzes ist es vielmehr, potenzielle Innentäter von sicherheitsempfindlichen Stellen fernzuhalten, um den Schutz der in § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 SÜG genannten Schutzgüter sicherzustellen, § 1 Abs. 4 Satz 2 SÜG. Der vorbeugende personelle Sabotageschutz verfolgt damit einen anderen Zweck als der Geheimschutz, § 14 Abs. 3 SÜG-AVV.
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Insofern wurde durch die Antragsgegnerin folgerichtig nur ein unverschuldetes Sicherheitsrisiko i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a SÜG angenommen.
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Mit der Feststellung des Sicherheitsrisikos ist auch keine unzulässige Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 GG verbunden. Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz knüpft nicht an Kriterien der Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit an, sondern stellt auf das Vorliegen von „besonderen Sicherheitsrisiken für die mit sicherheitsempfindlicher Tätigkeit befassten Personen“ ab. Dieses Kriterium stellt damit einen für die Zwecke des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes offenkundig geeigneten und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden sachlichen Grund dar (BVerwG, B.v. 14.12.2010 – 1 WB 13.10 – BeckRS 2010, 150823 Rn. 32). In diesem Zusammenhang erlangt auch die vorgebrachte Kurzinformation des Deutschen Bundestag zur Staatsangehörigkeit in Sicherheitsbereichen des Bundes keine Bedeutung. Auch wenn hiernach kein Staatsangehörigkeitsvorbehalt besteht, entbindet dieses Schreiben nicht von den Vorgaben des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass derzeit nur eine begrenzte Anzahl von 26 Ländern zu Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken zählen.
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Die Entscheidung der Antragsgegnerin erweist sich schließlich auch nicht als unverhältnismäßig. Anstelle der Feststellung eines Sicherheitsrisikos waren auch keine milderen Mittel ersichtlich. Insbesondere wäre ein Reiseverbot nicht gleich geeignet gewesen, dem vorliegenden Sicherheitsrisiko zu begegnen. Eine solche Auflage würde nichts an den vorhandenen, unverschuldeten Angriffspunkten, namentlich des Aufenthalts des Bruders in Russland und der Wohnung in der Ukraine, ändern. Darüber hinaus stellt das festgestellte Sicherheitsrisiko keine unangemessene Belastung des Antragstellers dar. In seiner Berufsfreiheit ist er durch die Entscheidung der Antragsgegnerin lediglich beschwert, soweit er beabsichtigt, sicherheitsempfindliche oder vergleichbare Tätigkeiten aufzunehmen. Der überwiegende Teil des Arbeitsmarktes steht ihm weiterhin zur Verfügung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Sicherheitsrisiko nicht bis zum Lebensende festgestellt ist. Demgegenüber steht das weitaus gewichtigere Interesse der Öffentlichkeit an der Funktionsfähigkeit der IT-Infrastruktur der Antragsgegnerin als Grundlage für die Arbeitslosenversicherung und die Jobcenter.
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An die aufgrund des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung ergangenen Mitteilung, dass der Antragsteller ab sofort bei der Antragsgegnerin nicht mehr weiter eingesetzt werden könne und dass die Zusammenarbeit sofort zu beenden sei, ist ebenso wenig zu erinnern, da dies eine zwingende Folge des festgestellten Sicherheitsrisikos ist, § 14 Abs. 5 Satz 2 SÜG.
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b. Darüber hinaus wurde auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass eine vorläufige Regelung in Form der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Schreibens nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
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Die Frage der Dringlich- bzw. Eilbedürftigkeit ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen ist das Interesse des Antragstellers an der begehrten Regelung gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der Beibehaltung des bestehenden Zustands. Das Gericht prüft dabei zunächst, welche nachteiligen Folgen der Antragsteller zu befürchten hat, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird und sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der geltend gemachte Anspruch besteht (BeckOK VwGO, Stand: 01.07.2024, § 123 Rn. 126 ff.; Schoch/Schneider, VerwR, Stand: 45. EL Januar 2024, § 123 VwGO Rn. 82). Je schwerer die für den Antragsteller zu erwartenden Belastungen wiegen und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (BVerfG, B.v. 11.3.2005 – 1 BvR 2298/04 – juris Rn. 15). Das Gericht untersucht im zweiten Schritt, welche Nachteile auf Seiten der Antragsgegnerin zu befürchten sind, sofern die einstweilige Anordnung erlassen wird und sich in einem späteren Hauptsacheverfahren herausstellt, dass dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist auch die Tatsache einzustellen, wie lange der Antragsteller trotz des ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zugewartet hat, bevor er einstweiligen Rechtsschutz ersuchte (VG München, B.v. 3.8.2023 – M 18 E 23.3704 – juris Rn. 29).
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Nach diesen Grundsätzen fällt die Interessenabwägung hinsichtlich des Anordnungsgrundes zugunsten der Antragsgegnerin aus.
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Der Antragsteller macht zunächst geltend, dass er nunmehr unvorbereitet ohne jegliche Einkünfte dastehe, da er über die Vermittlerfirma jedenfalls bis 31. Dezember 2024 ausschließlich für die Antragsgegnerin gebucht worden sei. Er habe andere Projektangebote wegen der Tätigkeit für die Antragsgegnerin abgelehnt. Dem Antragsteller sei es unmöglich, kurzfristig andere Auftraggeber zu akquirieren, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Antragsteller sehe sich durch die abrupte Beendigung seiner Tätigkeit mit einem vollständigen Wegfall seines Einkommens konfrontiert. Ein finanzieller Schaden begründet nur dann einen Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller hierdurch einen nicht mehr ausgleichbaren Schaden erleidet (BeckOK VwGO, Stand: 01.07.2024, § 123 Rn. 129). Ein solcher liegt erst dann vor, wenn der Antragsteller so langfristig und nachhaltig in seiner wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt wird, dass die erlittenen Einbußen bei einer späteren Regelung nicht mehr ausgeglichen werden können (OVG Bremen, B.v. 25.2.2005 – 1 B 41/05 – juris Rn. 4). Ein derartiger, nicht ausgleichbarer finanzieller Schaden kann dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnommen werden. Im Falle eines Obsiegens in einer Hauptsache können die geldwerten Einbußen ohne große Schwierigkeiten durch die Antragsgegnerin ausgeglichen werden. Darüber hinaus wurde nicht substantiiert begründet, weshalb es dem seit 2016 freiberuflich tätigen Antragsteller mit langjähriger Berufserfahrung nicht möglich sein soll, sich in nächster Zeit eine anderweitige Einkommensquelle zu suchen. Insbesondere wurde nicht näher dargelegt, inwieweit die Drittfirma den Antragssteller nicht in andere Projekte vermitteln kann. Ausgeschlossen ist der Antragsteller in seiner beruflichen Tätigkeit lediglich von sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten. Dabei ist er auch nicht zusätzlich durch den Umstand beschwert, dass das Ergebnis der durchgeführten Sicherheitsüberprüfung an andere Stellen bzw. Behörden übermittelt werden kann, da dies gemäß § 21 SÜG nur unter der Voraussetzung einer strikten Zweckbindung erfolgen darf. Die Mitteilung erfolgt also nur soweit der Antragsteller dort sicherheitsempfindliche oder vergleichbare Tätigkeiten aufnehmen möchte. Im Übrigen, weitaus überwiegenden IT-Arbeitsmarkt steht es ihm frei, Aufträge anzunehmen, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor.
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Die vorliegende Konstellation ist nach Auffassung der Kammer auch nicht mit einem Konkurrentenstreit im Beamtenrecht vergleichbar. Insoweit ist der Bewerbungsverfahrensanspruch zwar nicht unmittelbar an den Status der betroffenen Personen geknüpft (vgl. BAG, B.v. 21.7.2021 – 9 AZB 19/21 – juris Rn. 17), jedoch ist der Antragsteller nicht einmal unmittelbar bei der Antragsgegnerin beschäftigt, sondern vielmehr freiberuflich über eine Vermittlungsfirma und zugleich projektbezogen tätig. Aus diesem Grund ist der Antragsteller hinsichtlich einer vorläufigen Regelung nicht vergleichbar schutzbedürftig. Im Übrigen wurde auch nicht vorgetragen, dass das Projekt nunmehr durch eine andere Person fortgeführt werde. Ebenso wenig wurde substantiiert dargelegt, inwieweit ein nicht mehr ausgleichbarer Erfahrungsverlust eintrete.
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Demgegenüber würde der Erlass der einstweiligen Regelungsanordnung dazu führen, dass der Antragsteller trotz Vorliegen eines Sicherheitsrisikos weiter sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten nachgehen könnte, wodurch ein Sabotagerisiko in der IT-Infrastruktur für die Arbeitslosenversicherung und die Jobcenter bestünde. Die Sicherheit des Staates als verfasste Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind jedoch unverzichtbare Verfassungswerte, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche Rechtfertigung herleitet (BVerfG, B.v. 1.8.1978 – 2 BvR 1013/77 – juris Rn. 107). Durch den vorbeugenden personellen Sabotageschutz sollen insbesondere die Gesundheit und das Leben großer Teile der Bevölkerung sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschützt werden. Potenziellen Innentätern, die aufgrund ihres Wissens und/oder ihrer Nähe zur Einrichtung in der Lage sind, Sabotageakte zu verüben, soll diese Möglichkeit von vornherein genommen werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Funktionsfähigkeit lebens- und verteidigungswichtiger Einrichtungen erhalten bleibt. Bei der Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates und den Freiheitsinteressen der betroffenen Person stehen dabei die Interessen des Staates im Vordergrund, weil sie als Garanten für die Individualrechte erhalten bleiben müssen (vgl. Vorbemerkungen Nr. 3 und 4 zur SÜG-AVV).
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Nach der Gesamtabwägung ist im Ergebnis dem Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen, da dieses nach dem zuvor Gesagtem als weitaus gewichtiger zu bewerten ist und auch eine Vielzahl von Menschen betrifft. Die beeinträchtigten persönlichen Rechte des Antragstellers wiegen demgegenüber wie aufgezeigt deutlich weniger schwer.
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Der Antrag ist deshalb vollumfänglich abzulehnen.
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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C. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. der Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.