Titel:
Verdeckungsmord eines Heranwachsenden an einer Studentin – Fall H. W.
Normenketten:
§§ 223 Abs. 1; 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5; 211 Abs. 2, 3. Merkmalsgruppe; 53 StGB
§§ 17 Abs. 2; 18 Abs. 1 S. 2; 105 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 JGG
§§ 464 Abs. 1 und 2; 465 Abs. 1; 472 Abs. 1 StPO
StGB § 211, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5
JGG § 7 Abs. 2, § 17 Abs. 2, § 18, § 105 Abs. 1, Abs. 3
StPO § 55
Leitsätze:
1. Verdeckungsabsicht liegt vor, wenn die Tötung eines Opfers/Tatzeugen, von dessen/deren belastenden Angaben der Täter die Aufdeckung seiner Tatbeteiligung fürchtet, erfolgt, um eine andere Straftat zu verdecken, also um eine vorausgegangene Straftat als solche oder Spuren einer solchen zu verdecken, die bei näherer Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. (Rn. 1528) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Annahme eines Verdeckungsmordes steht zwar nicht entgegen, dass die zu verdeckende Vortat unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorangegangenen Geschehens übergeht. Insbesondere bei dynamischen Geschehensabläufen, die ohne zeitliche oder räumliche Zäsur in einem Tötungsdelikt kulminieren, ist aber besonderes Augenmerk auf die Beurteilung zu legen, ob der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelte und sodann zur Tötung überging oder, ob er bereits zu Beginn der Auseinandersetzung mit (bedingtem) Tötungsvorsatz agierte und mit dem abschließend finalen Tötungsakt lediglich die bereits begonnene Tat zu Ende führen wollte. Es kommt auf die Abgrenzung eines einaktigen von einem zweiaktigen Geschehen an. (Rn. 1530) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Gesamtwürdigung, ob auf einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht anzuwenden ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob der Heranwachsende sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet, dh bei ihm also noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind. Maßstab für die Reifebeurteilung ist nicht das Zurückbleiben hinter einem imaginären Durchschnitt Gleichaltriger, weil es keinen bestimmten, sicher abgrenzbaren Typ von Jugendlichen und Heranwachsenden gibt; auch das äußere Erscheinungsbild ist nicht ausschlaggebend, sondern eben die Tatsache, ob noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam sind. (Rn. 1552) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Voraussetzungen der „Schwere der Schuld“ bestimmen sich nicht primär nach dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat, dem keine selbständige, sondern nur indizielle Bedeutung zukommt, sondern maßgeblich nach der inneren Tatseite (Persönlichkeit, Tatmotivation, Bezug zur Tat, Grad der Schuldfähigkeit). Dabei sind zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld auch die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts einschließlich etwaiger gesetzlich vertypter Milderungsgründe als Maßstab heranzuziehen, weil darin die gesetzgeberische Einstufung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist dann noch insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit, die charakterliche Haltung und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden gezogen werden können. (Rn. 1581) (redaktioneller Leitsatz)
5. Für das Tatgericht kann für die Verneinung des Vorliegens einer „besonderen Schwere der Schuld“ iSv § 105 Abs. 3 S. 2 JGG ausschlaggebend sein, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, die Tat von ihm spontan begangen und nicht mehr als ein Mordmerkmal verwirklicht wurde. (Rn. 1594) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gefährliche Körperverletzung, Mord, Verdeckungsabsicht, Heimtücke, Heranwachsender, Jugendstrafe, Anwendung von Jugendstrafrecht, Reifeverzögerung, Schwere der Schuld, besondere Schwere der Schuld
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.04.2025 – 1 StR 434/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26699
Tenor
1. Der Angeklagte S. … geb. am … 2001 ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord.
2. Er wird deshalb zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Jahren verurteilt.
3. Der Angeklagte S. … trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen, ebenso die Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklage.
Angewendete Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1; 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5; 211 Abs. 2, 3. Merkmalsgruppe; 53 StGB;
§§ 17 Abs. 2; 18 Abs. 1 S. 2; 105 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 JGG;
§§ 464 Abs. 1 und 2; 465 Abs. 1; 472 Abs. 1 StPO.
Entscheidungsgründe
1
Am 28.04.2023 hat die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, bei Gericht am 03.05.2023 eingegangen, gegen S. … Anklage erhoben
gemäß § 211 Abs. 1 und Abs. 2 Var. 5 StGB.
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Mit Eröffnungsbeschluss vom 28.06.2023 hat das Landgericht – 2. Jugendkammer – Traunstein die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und Termin zur Hauptverhandlung bestimmt auf den 12.10.2023 nebst Folgeterminen.
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Am 29.06.2023 fand in Anwesenheit des Nebenklägervertreters, der Pflichtverteidiger …, des Staatsanwaltes sowie der Vorsitzenden Richterin am Landgericht A. und der Beisitzerin Richterin am Landgericht B. ein Rechtsgespräch statt, in dem der aktuelle Sachstand erörtert wurde; das Gespräch diente der Vorbereitung der Hauptverhandlung, besprochen wurde auch der Umgang mit der Presse zum Schutz des jungen Angeklagten. Der darüber gefertigte Vermerk wurde im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen (vgl. Protokoll vom 12.10.2023).
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Eine förmliche Verständigung hat aber weder vor noch in der Hauptverhandlung stattgefunden (§§ 202 a, 212, 243 Abs. 4, 257 c, 267 Abs. 3, 273 Abs. 1 a StPO).
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Nach erteilten rechtlichen Hinweisen war der Angeklagte wie tenoriert zu verurteilen.
B. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Angeklagten T.:
I. Lebensgeschichtliche Entwicklung
… II. Kranken-, Sucht- und Sexualanamnese
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Daneben erlitt er im Alter von 3 Jahren einen Schlüsselbeinbruch, 12-jährig durchchnitt er sich eine Fingersehne und im Oktober 2021 hatte er einen Autounfall; als Folge dessen war das Steißbein geprellt und die Wirbelfortsätze angerissen (aber kein Schädel-Hirn-Trauma). S. T. musste eine zeitlang eine Halskrawatte tragen und war 6 Monate krankgeschrieben. Während der Haft zog der Angeklagte sich einen Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand zu (s. nachfolgend IV.).
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Andere, insbesondere gravierende Vorerkrankungen waren bei ihm nicht festzustellen.
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Im Kindesalter wurde bei S. T. u.a. eine einfache Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (ADHS, ICD-10: F 90.0) sowie eine nicht organische Enuresis (Einnässen), eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, eine Lese- und Rechtschreibstörung sowie eine Sprachstörung diagnostiziert.
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Er hat sich zweimal in der H. Klinik (Februar bis Mai 2011 und 27.02.2012 bis 31.07.2012) stationär befunden.
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Auch befand er sich mehrmals ambulant und teilstationär im Sozialpädiatrischen Zentrum V., wo ein kombinierter Entwicklungsrückstand, Kleinwuchs und ADHS diagnostiziert wurden.
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S. T. litt in der Kindheit und Jugend darunter, dass er immer Außenseiter war, weil er wegen seiner geringen Größe/seines geringen Gewichtes gehänselt wurde. Er empfand die Be…g.
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Der Angeschuldigte ist ausweislich der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 11.04.2023 bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
IV. Haftdaten und Haftsituation:
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Der Angeklagte T. wurde in dieser Sache am 18.11.2022 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tage ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA Traunstein aufgrund Haftbefehles des Amtsgerichts Rosenheim vom 18.11.2022 (II Gs 2427/22).
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Mit Beschluss vom 22.05.2023 (1 Ws 244/23) hat das Oberlandesgericht München Haftfortdauer angeordnet.
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In der Untersuchungshaft nahm der Angeklagte am 21.12.2022 erfolgreich an der Zwischenprüfung teil (s. Ziff. B. I.).
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Von der Untersuchungshaft ist er belastet.
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Seit dem 29.11.2022 wurde er als Hilfsarbeiter in einem anstaltseigenen Fertigungsbetrieb der JVA Traunstein eingesetzt, wo er ordentliche Arbeitsleistungen erbrachte, insgesamt zuverlässig und gewissenhaft die ihm zugewiesenen Tätigkeiten ausführte.
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Am 20.01.2023 schlug der Angeklagte T. in der JVA Traunstein mit seiner rechten Hand so kräftig gegen die Zellenwand, dass er sich einen Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand zuzog, der im Krankenhaus Traunstein ambulant behandelt werden musste.
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Im Gespräch mit dem psychologischen Dienst am 25.01.2023 und gegenüber Dr. H. gab S. T. an, dass er aufgrund einer Thematik aus der Vergangenheit im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. emotional sehr angespannt war und sich deshalb für einen kurzen Moment nicht unter Kontrolle hattet. Grund für den Schlag gegen die Wand war, dass er zuvor recht viel an eine gewisse „Janina“ dachte und, wenn er über Mädels nachdenkt, über sich selbst zornig ist.
C. Festgestellter Sachverhalt:
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1. Am Sonntag, dem 02.10.2022 gegen 19:50 Uhr holte der, in der Nachbarschaft wohnende… die H. W. geb. am ….1998, an ihrer Wohnanschrift, … – wegen des starken Regens mit dem Pkw – ab. Gemeinsam fuhren sie zu …t, ebenfalls wohnhaft in …, wo mit mehreren Freunden (J…) bis etwa 23:00 Uhr „vorgeglüht“ und gemeinsam Alkohol konsumiert wurde.
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Gegen 23:15 Uhr kamen die Freunde dann im Club „E.“, …, A. im C., an, wo jeder verschiedene Freunde und Bekannte traf und feierte, ohne dass es im weiteren Verlauf des Abends zu Auffälligkeiten/Streitereien in Bezug zu H. W. gekommen wäre. H. W. konsumierte auch im Club „E.“ weiter alkoholische Getränke. Bei Verlassen des Clubs gegen 02:28 Uhr hatte sie eine Blutalkoholkonzentration von 2,06 Promille, ohne dass es allerdings bei ihr zu gravierenden Ausfallerscheinungen kam.
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H. W. und … hatten vereinbart (wie in der Vergangenheit des Öfteren), gemeinsam nach Hause zu gehen, was schlussendlich etwa für die Zeit gegen 02:00 Uhr/02:15 Uhr am 03.10.2022 angedacht war.
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Um 02:19 Uhr begab sich H. W. an die Garderobe des Clubs und holte dort ihre schwarze Lederjacke ab und zog diese an.
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Bekleidet war H., 186 cm groß und ca. 70 kg schwer, zu diesem Zeitpunkt mit weißen Sneakern und Socken, einer schwarzen Kunstlederhose, welche im Oberschenkelbereich eng anliegend, im Unterschenkelbereich weiter geschnitten war und deren seitlich sitzender Reißverschluss im Bereich der linken Hüfte einen Defekt aufwies. Um ein Abrutschen der Hose über das Gesäß zu verhindern, musste H. W. die Hose im Verlaufe des Abends wiederholt nach oben ziehen bzw. festhalten. Zudem trug sie unter der schwarzen Lederjacke einen BH, ein Bustier sowie ein schwarzes NetzTop. Außerdem führte sie eine schwarze Handtasche sowie ein Handy, Typ iPhone XR, mit sich.
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Um 02:21 Uhr verließ H. W. das Gebäude des Clubs. Am Vorplatz der Diskothek traf sie um 02:24 Uhr auf den …, mit dem sie eigentlich gemeinsam den ca. 885 m langen Heimweg zu ihrem Elternhaus (Gehzeit ca. 10 min) in A. im C., ..., gehen wollte.
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… war jedoch aufgrund des konsumierten Alkohols übel, weshalb er, nachdem er H. W. kurz umarmte, zurück in die Diskothek (dort die Treppe hinunter) ging, um sich zu erbrechen.
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Um ca. 02:27 Uhr machte sich H. W. dann kurzentschlossen allein auf den Heimweg, querte zunächst den Parkplatz unmittelbar vor dem Club „E.“, Bereich S.-Straße, ästliche Richtung, und bog um 02:28 Uhr von dort aus nach rechts in die K.-Straße ein. Aufgrund der geschilderten Beschädigung ihrer Hose war zu diesem Zeitpunkt (trotz der Lederjacke, die sie angezogen hatte) ihr Stringtanga sowie nackte Haut im Hüftbereich zu sehen.
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2. Der Angeklagte T. er, 167 cm groß und im Oktober 2022 ca. 60 kg schwer, hatte den Sonntag, 02.10.2022, zu Hause verbracht.
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Da er in der Folgezeit nicht schlafen konnte, begab er sich zu einem nicht genauer eingrenzbaren Zeitpunkt am 03.10.2022, nachdem er um 01:24 Uhr nicht ausschließbar ein YouTubeFitnessVideo für maximal 3 min angesehen hatte, von seiner Wohnanschrift, …, zum Joggen nach draußen. Er war mit Laufschuhen, typischer Laufbekleidung sowie einer Stirnlampe bekleidet. Er lief zunächst Richtung A. im C., wo er um 02:08:41 Uhr an der Bar „Chalet“ (Bahnhofstraße) vorbeikam. Von dort aus lief er zurück Richtung HohenA., wo er gegdn ca. 02:25 Uhr über den Festhallenparkplatz in der S.-Straße gegenüber dem Club „E.“ joggte und dann über den sog. M. Weg in den X. Weg einbog. Er lief nicht zu seiner Wohnanschrift … zurück, sondern in östlicher Richtung bis an die Ecke X. Weg/K.-Straße (die Ecke befindet sich auf Höhe des Burghotels, K.-Straße ...).
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Die Strecke vom „Chalet“ (Bahnhofstraße, A. im C.) über den Festhallenparkplatz bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße beträgt 3,36 km.
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(Nur) Die Strecke vom Festhallenparkplatz (Mitte) bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße beträgt 990 m.
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Wegen der Einzelheiten der Wegstrecken wird auf die in Anlage zum Urteil beiliegenden Karten Bezug genommen.
II. Eigentliches Tatgeschehen:
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Am 03.10.2022 zwischen 02:30 Uhr und 02:32 Uhr nahm der Angeklagte T. auf dem Gehweg der K.-Straße, gegenüber dem Burghotel (Nr. ...), die H. W. wahr.
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Der Angeklagte T., der nicht nur unter seiner geringen Körpergröße psychisch litt, sondern auch darunter, dass er in der Vergangenheit mehrfach von Mädchen abgewiesen worden war und keine Freundin sowie keine sexuellen Kontakte in seinem bisherigen Leben hatte, beschloss spontan, sich an der H. Wzu vergehen und sie zwecks Durchführung sexuell motivierter Handlungen anzugreifen. Er wollte sie deshalb zunächst nur verletzten, um sexuell motivierte Handlungen an H. W. ausführen zu können, er wollte sie nicht töten.
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Dieser Absicht entsprechend griff S. T. die H. W. unvermittelt von hinten an und stieß sie mit großer Wucht zu Boden. Von diesem Angriff überrascht, stieß H. W. nen lauten Schrei aus.
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Der Angeklagte S. T. kniete sich zunächst massiv auf den Rücken der bäuchlings am Boden liegenden H. W. um deren Widerstand zu überwinden, wobei er im Rahmen des dynamischen Geschehens auf den Rücken und den Oberarmbereich der Geschädigten mit erheblicher Kraft einwirkte.
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H. W. gelang es noch bei Bewusstsein um 02:32:09 Uhr die als Notfallkontakt hinterlegte Nr. des Festnetzes der Heimatadresse mittels zweifachen Drückens der Schaltfläche „Notruf“ auf dem Display ihres Handys und anschließendem Auswählen des Kontaktes „home“ zu aktivieren. Ein Rufaufbau kam jedoch aus technischen Gründen nicht zustande.
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Der Angeklagte warf zu einem nicht genau festzustellenden Zeitpunkt das Handy der H. W. in den Bärbach, welcher unmittelbar neben dem Gehweg fließt und der in die Prien mündet, wo das Handy am 28.05.2023 aufgefunden wurde.
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Um auszuschließen, dass H. W. sich bei Umsetzung seiner sexuell motivierten Absichten zur Wehr setzen würde, schlug der Angeklagte ihr mit einem unbekannt gebliebenen, stumpfen Gegenstand, gegebenenfalls einem Stein, mehrfach auf den Kopfbereich, wobei er mindestens 7 mal im 90° Winkel den Schädel von H. W. wuchtig traf. Der Angeklagte T. r wollte H. W. bewusstlos schlagen.
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Wie vom Angeklagten erkannt, war der Gegenstand in der konkreten Art seiner Verwendung geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, was er wusste und wollte. Auch erkannte er, dass der von ihm vorgenommenen Behandlung die abstrakte Möglichkeit, dass sein Opfer im Zustand der beabsichtigten Bewusstlosigkeit sterben könnte, inne wohnte. Er vertraute jedoch zunächst darauf, dass der Erfolg nicht eintritt.
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Durch den mit Körperverletzungsvorsatz geführten Angriff erlitt H. W. zusammengefasst konkret folgende Verletzungen:
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An der Körperrückseite flächenhafte Einblutungen in der paravertebralen Muskulatur, links sehr ausgeprägt, v.a. massive, flächige Einblutungen – 8 cm breit und 4 cm hoch – am Rücken links von der Nackenregion bis weit nach unten ziehend in den Bereich des Steißes (ohne äußere Verletzungen);
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Einblutungen am rechten Oberarm bis auf den Knochen (ohne äußere Verletzungen).
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Als Folge der Krafteinwirkung von oben hinten nach vorne unten entstand auch eine symmetrische beidseitige Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen), rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte, links mit kompletter Fraktur durch das Akromion.
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Zudem erlitt H. W. durch die wuchtigen Schläge auf den Kopf insgesamt 5 auffällig gleichförmige QuetschRissWunden (1 in der linken, hinteren Schläfenpartie; 1 im mittleren Anteil der linken, vorderen Schläfenpartie; 1 in der linken hinteren seitlichen Scheitelregion; 1 in der vorderen seitlichen rechten Scheitelregion, 1 in der seitlichen Hinterhauptsregion rechts), kräftig in der Kopfschwarte umblutet, aber ohne Schürfwunden unmittelbar an der jeweils zentralen Wunde. Des Weiteren erlitt sie dadurch mindestens 2 Kopfhautrötungen ohne zentrale Wunde (Hämatome), die ebenfalls keine Schürfungen aufwiesen.
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Die Schläge auf den Kopf in ihrer Gesamtheit waren abstrakt lebensgefährlich.
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Als Folge des Übergriffs war das Bewusstsein von H. W. dann mindestens so stark eingetrübt, dass ihr eine Gegenwehr nicht mehr möglich war. Abwehrverletzungen und Verletzungen an den Händen, insbesondere Handinnenflächen, konnten nicht festgestellt werden.
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Zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt zog der Angeklagte S. T. H. W. die Lederjacke und die Lederhose aus, um sie sexuell zu missbrauchen.
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Nachdem H. W. als Folge des Übergriffs handlungsunfähig wurde, gab der Angeklagte T. seinen ursprünglichen Vorsatz des sexuellen Missbrauchs auf, wobei die Kammer zugunsten des Angeklagten davon ausgeht, dass er die weitere Ausführung sexueller Handlungen an H. W. aus selbstgesetzten, freiwilligen Motiven aufgab.
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In Kenntnis, dass er die Geschädigte bewusstlos geschlagen hatte, fand eine Zäsur statt, er änderte sein Ziel, sein Verhalten und fasste nun den Entschluss, H. W. zu töten. Dazu verbrachte er sie in den unmittelbar wenige Meter neben dem Gehweg an der K.-Straße befindlichen Bärbach. Es kam ihm darauf an, den vorangegangenen sexuell motivierten Angriff und die vorausgegangene Körperverletzung zum Nachteil von H. W. zu verschleiern und dazu Spuren sowie das Opfer zu beseitigen. Er befürchtete, dass sie ihn später identifizieren würde. Der Angeklagte, der H. W. vom Sehen her kannte, musste davon ausgehen, dass H. W. ihn als Person aus der Ortschaft sowie als Angreifer wieder erkennen würde. Aufgrund des Starkregens der vorangegangenen Stunden führte der 2,30 cm breite Bärbach Hochwasser mit einer Höhe von ca. 1,40 m, war reißend und wies zu diesem Zeitpunkt eine Temperatur zwischen 8,5° und 9,8° auf.
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Der Angeklagte S. T. wollte und wusste, dass H. W. in dem Gewässer ertrinken wird.
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Tatsächlich ertrank H. W. max. 4-5 Minuten nach Einbringen in den Bärbach.
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Der Angeklagte T. handelte bei erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit.
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1. Nach der Tat lief der Angeklagte S. T. von dem gegenüber der Ecke X. Weg/K.-Straße ... liegenden Tatortbereich zurück zu seiner Wohnanschrift X. Weg ..., eine Strecke von 680 m.
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Zu Hause angekommen, begann er – nicht ausschließbar – um 02:42 Uhr das Strategiespiel „Clash of Clans“ zu spielen.
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2. Am 03.10.2022 nachmittags um 14:26 Uhr wurde der weggeschwemmte Leichnam der H. W., der vom Bärbach nach ca. 600 m in den Fluss Prien getrieben war, insgesamt ca. 11,4 km entfernt im Fluss Prien im Gemeindegebiet von Prien am Chiemsee, Ortsteil Kaltenbach, von … aufgefunden und anschließend um 16:06 Uhr von Rettungskräften der örtlichen Feuerwehr und Wasserwacht geborgen.
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Eine Identifizierung des Leichnams erfolgte am 03.10.2022 gegen 22:05 Uhr.
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Über den Verlust des Kindes als solchen hinaus, musste die Mutter von H. W.e …l, ab Ende 2022 therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen; derzeit ist sie nicht mehr in Therapie. Ihrer Arbeit als selbständige Schneiderin kann sie bis heute nicht mehr nachgehen. Der Vater, … war zunächst krankgeschrieben bis zu Allerheiligen 2022. Ein dann unternommener Arbeitsversuch scheiterte nach 1 1/2 Wochen. Bis Februar 2023 konnte er nicht arbeiten, bis heute macht er zu 100 % homeoffice, da er nicht mehr unter Leute gehen kann. Auch er nahm bis kurz vor Silvester 2022 eine Traumaambulanz in Anspruch, parallel dazu 10 Sitzungen bei einem Psychologen. Derzeit nimmt er zwar keine therapeutische Hilfe mehr in Anspruch. Er schläft allerdings nach wie vor nur mit Medikamenten.
I. Beweiswürdigung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten
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Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten – der sich dazu nicht eingelassen hat – beruhen
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auf den Angaben der insoweit als Zeugen einvernommenen Sachverständigen … und … Dr. …
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den Ausführungen der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, …,
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den Angaben der Umfeldzeugen (vgl. insb. Ziff. D. II. 6.),
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der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 11.04.2023,
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dem verlesenen Führungsbericht der JVA Traunstein vom 20.10.2023 sowie der im Selbstleseverfahren eingeführten Stellungnahme vom 15.11.2023,
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dem durch Abspielen in Augenschein genommenen Video „Cute russian blonde strangled and fucked“
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Feststellungen, Beweislage und Beweiswürdigung zum festgestellten Sachverhalt
1. Keine Einlassung des Angeklagten
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Zu Beginn der Hauptverhandlung am 12.10.2023 äußerten die Pflichtverteidiger des Angeklagten, dass sich dieser weder zur Person noch zur Sache äußere, eine Äußerung aber vorbehalten bleibe.
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Auch am 08.02.2024 wurde seitens der Verteidigung erklärt, dass derzeit keine Einlassung erfolgt.
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Im weiteren Prozessverlauf erfolgte keine Einlassung, auch nicht über die Verteidigung.
D.II.2. Erster sachbearbeitender Polizeibeamter, KHK …
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Der Zeuge KHK…r gab allgemein einen Einblick in den Beginn und Verlauf des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens.
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Er sei am 03.10.2022 gegen 18:40 Uhr durch den Kommissariatsleiter … informiert/alarmiert worden, dass in Kaltenbach, Gemeinde Prien am Chiemsee, eine weibliche unbekannte Leiche im Fluss Prien aufgefunden worden sei.
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Als 1. Sachbearbeiter sei er, als 2. Sachbearbeiterin die Kollegin KK’in … eingeteilt worden.
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Zunächst demonstrierte der Zeuge anhand einer PowerPoint-Präsentation die im Hinblick auf das verfahrensgegenständliche Geschehen relevanten und zentralen Örtlichkeiten.
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Zentraler Ort sei zum einen der Ortsteil HohenA. der Gemeinde A. am Chiemsee. Im südlichen Bereich dieses Ortteiles läge der Wohnort der H. W.. Des Weiteren befände sich dort auch der Club „E.“ und zwar in der … 5 sowie der angrenzende Festhallenparkplatz. Der Ortsteil HohenA. sei „geteilt“ durch eine Hauptstraße, die Kampenpenwandstraße. An dieser sei auch der Parkplatz zur Kampenwandbahn gelegen.
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Insoweit wurde zur zusätzlichen Verdeutlichung ein Lageplan als Anlage zum Urteil genommen (Karte Nr. 1).
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Weitere zentrale Örtlichkeit des gegenständlichen Verfahrens sei der Auffindeort des Leichnams der H. W.. Dieser sei ca. 12 km von HohenA. entfernt in der Gemeinde Prien am Chiemsee, Ortsteil Kaltenbach, gewesen. Der Leichnam sei in der Prien, in einer „Rechtskurve“ aus Fließrichtung gesehen in Ästen hängend am 03.10.2022 um 14:26 Uhr von dem Spaziergänger G. aufgefunden worden.
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Auch insoweit wurde zur zusätzlichen Verdeutlichung ein Lageplan als Anlage zum Urteil genommen (Karte Nr. 2).
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Nachdem die Kollegen der Pl Prien am Chiemsee erste Ermittlungsmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Bergung der Leiche durch Wasserwacht und Feuerwehr in die Wege geleitet hätten, sei auch der Kriminaldauerdienst verständigt worden.
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Eine Identifizierung des weiblichen Leichnams sei zunächst nicht möglich gewesen. Es habe keine Hinweise z.B. anhand einer Handtasche oder eines Ausweises bzw. eines Mobiltelefones gegeben. Der weibliche unbekannte Leichnam sei nur mit einem BH-Bustier, einem Oberteil (Netz-Shirt), einem Stringtanga sowie Sneakern und Socken bekleidet gewesen. Zudem habe der Leichnam zwei kleine Halsketten mit Anhänger getragen.
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In den Tagen vor dem 03.10.2022 sei es zu vermehrten Starkregenereignissen gekommen. Die Flüsse und Bäche der Gegend hätten starkes Hochwasser geführt, seien reißend gewesen. An dem unbekannten weiblichen Leichnam seien Beulen, Schwellungen, Kratzer etc. am ganzen Körper gewesen, erkennbare Verletzungen, die nahegelegt hätten, dass der Leichnam längere Zeit im Fluss gewesen und „durchgespült“ worden sei. Auch die Haare des weiblichen Leichnams seien kraus und zerzaust gewesen.
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Zur Bergung des weiblichen Leichnams sei es dann um 16:06 Uhr gekommen. Es seien erste Feststellungen durch den Kriminaldauerdienst und die Spurensicherung getroffen worden. Bei der 1. Leichenschau im Bestattungsunternehmen Hartl ab etwa 17:30/18:00 Uhr sei bemerkt worden, dass der Leichnam auf dem Handgelenk einen Stempel des Clubs „E.“ gehabt habe, zudem hätten sich Hinweise auf eine mögliche Fremdeinwirkung ergeben. Vom 02. auf den 03.10.2022 habe in dem Club „E.“ ein Reopening stattgefunden, eine Veranstaltung, bei der ein Partyfotograf zugegen gewesen sei, der viele Fotos gefertigt habe. Seitens der Polizei seien diese Fotos später gesichtet worden. Dabei sei das Bild einer jungen Frau festgestellt worden, die Schmuck getragen habe, wie er auch am Leichnam der unbekannten weiblichen Leiche festgestellt worden sei. Diese Feststellung sei am 03.10.2022 um ca. 21:15 Uhr getroffen worden. Es sei dann über die Betreiber des E.s (…) anhand der Partybilder der Name H. W. benannt worden, die im Club „E.“ Stammgast und bekannt gewesen sei; dies sei um 22:05 Uhr gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei ein ziviles Fahrzeug des Kriminaldauerdienstes vor dem Club „E.“ gewesen. L… hätten auch angegeben, dass H. W. am Abend 02./03.10.2022 Gast im „E.“ gewesen sei. Am 03.10. 2022 um 22:08 Uhr sei erstmals der Name H. W. im Einsatzsystem der Polizei aufgetaucht.
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Da im Rahmen der Auffindung des zunächst unbekannten Leichnams und der anschließenden Bergung einer Vielzahl von Personen der Sachverhalt des Auffindens eines weiblichen Leichnams bekannt geworden sei, sei es so gewesen, dass die eingesetzten Rettungskräfte festgestellt und bezüglich einer möglichen Weitergabe von Informationen befragt worden seien. Dabei habe sich ergeben, dass die Rettungskräfte den unbekannten weiblichen Leichnam am 03.10.2022 nicht mit dem Namen H. W. in Verbindung gebracht haben. Ergebnis der Ermittlungen und Überprüfungen der als Rettungskräfte eingesetzten Personen und deren Chat-Kontakten sei vielmehr gewesen, dass keinerlei Kontakt zwischen den Rettungskräften und S. T. habe festgestellt werden können, sodass es nicht zu einer Weitergabe der Information des Leichenfundes an S. T. auf diesem Wege habe kommen können, und insbesondere – da auch den Rettungskräften nicht bekannt – am 03.10.2022 auch nicht zur Erwähnung des Namens H. bzw. H. W..
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Vielmehr seien im Zusammenhang mit der Auffindung des unbekannten weiblichen Leichnams zunächst 3 andere Frauen (…) als mögliche Betroffene ab etwa 18:45 Uhr ins Gespräch gebracht, letztendlich aber im Zuge weiterer Überprüfungen zwischen 19:15 Uhr und etwa 21:00 Uhr als die aufgefundene Tote ausgeschlossen worden.
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Schließlich führte der 1. sachbearbeitende Polizeibeamte und Zeuge KHK… aus, dass aus dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen in einer wertenden Gesamtschau wahrscheinlichste Tatörtlichkeit der Bereich der Linkskurve, gegenüber dem Burghotel in der K.-Straße ... liegend, im Bereich des dortigen Bärbachs gewesen sei. Der Bärbach, der wie bereits erwähnt, zum damaligen Zeitpunkt wie alle Bäche und Flüsse der Gegend aufgrund des Starkregens reißend gewesen sei und Hochwasser geführt habe, mache in nördlicher Richtung einen Rechtsknick im Bereich des Kampenwandparkplatzes, biege dann nach links in den Fluss Prien ab, die schlussendlich in den Chiemsee münde.
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Auf den Bereich der Linkskurve an der K.-Straße ... im Bereich des dortigen Bärbachs treffe auch der X. Weg, die Straße, in der der Angeklagte T. wohnhaft gewesen sei.
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Insoweit wurde zur zusätzlichen Verdeutlichung Karte Nr. 3 als Anlage zum Urteil genommen.
81
Dass dort der wahrscheinlichste Tatort festzumachen sei, sei polizeilicherseits deshalb angenommen worden, weil im Bärbach, der zum damaligen Zeitpunkt reißend gewesen sei, der Ring der H. (Bereich Kampenwandparkplatz) festgestellt worden sei, die Auswertung des Mobiltelefons der Geschädigten nach dessen Auffindung am 28.05.2023
(warum das Handy im Rahmen der umfangreichen, akribischen Absuchmaßnahmen tatzeitnah im Oktober 2022 nicht gefunden worden sei, sei nicht eindeutig zu erklären; es sei wahrscheinlich, dass es aufgrund des damaligen Hochwassers sich in das Fluss-/Kiesbett eingegraben habe und erst im Mai 2023 im Rahmen eines erneuten Hochwassers wieder frei gespült worden sei)
dort GPS-Daten dokumentiert habe und ein Anrufversuch von H. um ca. 02:32 Uhr (eine Verbindung sei nicht aufgebaut worden) an das elterliche Festnetz habe ermittelt werden können. Die digitalen Forensiker hätten es für sehr wahrscheinlich gehalten, dass das Handy der Geschädigten, nachdem gegen 02:33:35 Uhr die GPS-Daten bereits ungenau gewesen seien, dass Handy von H. ab dieser Zeit bereits im Wasser und damit abgeschirmt gewesen sei.
82
Unter Abgleich der Erkenntnisse aus der Videoüberwachung, der Feststellung, dass H. W. um ca. 02:28 Uhr von der S.-Straße in die K.-Straße abgebogen sei, sowie der Handyauswertung, aber auch die Anwohnerbefragung und deren Ergebnis, insb. der Angaben der Zeugin … die in dieser Nacht in der Pension/Burghotel (K.-Straße ...) gewesen sei und um ca. 02:30 Uhr einen Schrei gehört habe, habe sich aus polizeilicher Sicht betreffend den Tatzeitpunkt eine Eingrenzung dahingehend ergeben, dass sich die Tat zwischen 02:28 und 02:38 Uhr abgespielt haben müsse.
83
Auch sei der Tagesablauf der H. W. vom 02.10.2022 kurz zusammengefasst wie folgt rekonstruiert worden: H., die in Rumänien Medizin studiere, habe sich aufgrund der Semesterferien in ihrer Heimat A. am Chiemsee befunden. Der eigentliche Semesterbeginn sei der 03.10.2022 gewesen. H. habe aber noch einen Tag länger in A. am Chiemsee bleiben wollen, weil eine gute Freundin am 03.10.2022 ein Fest gegeben habe. Daher sei auch am 02.10.2022 zwischen H. und ihren Freunden ausgemacht gewesen, den Club „E.“ zu besuchen. H. sei zunächst mit Freunden zum Vorglühen und etwa gegen 23:15 Uhr mit diesen Freunden in den „E.“ gegangen. Einer dieser Freunde sei ihr Nachbar … gewesen, mit dem auch ausgemacht gewesen sei, dass man nach dem E.besuch gemeinsam zu Fuß nach Hause gehen würde.
84
Anhand der 9 Kameras, welche die „E.-Räumlichkeiten“ überwachen würden, und den gefertigten Videos in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 habe bestätigt werden können, dass H. W. und ihre Gruppe um 23:15 Uhr in den Club gegangen seien. Soweit H. auf den Videos zu sehen sei (lückenlos sei sie natürlich nicht zu sehen, der Toilettenbereich sei etwa nicht kameraüberwacht), seien keinerlei Auffälligkeiten festzustellen gewesen, insbesondere keine Streitigkeiten/Konflikte oder Auseinandersetzungen, in die H. W. involviert gewesen sei. Sie habe sich halt mit Bekannten und Freunden getroffen, gefeiert, auch Alkohol konsumiert. Anhand der Videos sei festzustellen gewesen, dass sie um 02:19 Uhr an der Garderobe des Clubs ihre Jacke geholt, um 02:21 Uhr den Club verlassen, sich noch kurze Zeit im Außenbereich aufgehalten habe – dabei sei sie unter anderem von 2 Freundinnen angesprochen und gefragt worden, ob sie nach Hause gebracht werden wolle – und dann um etwa 02:27 Uhr alleine in östliche Richtung die S.-Straße entlang gegangen und nach rechts in Richtung K.-Straße eingebogen sei, dokumentiert durch die Kamera „Notausgang 2 E.“. Anhand der Videoaufzeichnungen habe auch festgestellt werden können, dass die von H. getragene Hose einen Defekt gehabt habe. Der Reißverschluss (seitlich links) sei kaputt gewesen, H. habe teilweise ihre Hose festgehalten, man habe auch etwas nackte Haut und ihren Stringtanga gesehen.
85
Nach der Identifizierung des um 14:26 Uhr am 03.10.2022 aufgefunden, zunächst unbekannten weiblichen Leichnams gegen 22:00 Uhr seien am gleichen Tage gegen 23:00 Uhr die Angehörigen von H. W. über das Ableben ihrer Tochter verständigt worden, auch die getragenen Halsketten vorgezeigt und von den Angehörigen nochmals bestätigt worden, dass H. W. solche getragen habe. Der Vater von H. W. hatte um 22:37 Uhr bereits bei der Polizei angerufen und seine Tochter als vermisst gemeldet, nachdem sie nach dem E.besuch nicht nach Hause gekommen war (dies an sich war noch nicht völlig ungewöhnlich), aber auch über den Tag hinweg kein Kontakt zu ihr hergestellt werden konnte und H. auch nicht über Freunde erreichbar gewesen sei.
86
Noch am Abend des 03.10.2022 sei der Leichnam von H. W. zwecks Obduktion in die Rechtsmedizin nach München verbracht worden. Im Rahmen der Obduktion hätten sich Hinweise konkretisiert, dass H. Opfer eines Tötungsdeliktes geworden sein könnte. Es sei eine massive Lungenblähung mit reichlich Schaum festgestellt worden, was ein Hinweis auf einen Todeseintritt durch Ertrinken gewesen sei. Des Weiteren seien im Kopfbereich Zeichen stumpfer Gewalteinwirkung festgestellt worden (5 QuetschRissWunden und mindestens 2 Hämatome), welche als Folge eine Bewusstseinsstörung/-beeinträchtigung verursacht hätten, was wiederum den Ertrinkungsvorgang begünstigt habe. Außerdem seien im Bereich der Schulterblätter und des Rückenbereiches Zeichen massiver Gewalteinwirkung von hinten festgestellt worden.
87
Anschließend sei die „SOKO Club“ eingerichtet worden, mit ca. 60 Ermittlern, daneben seien zusätzlich die Kriminaldienststellen des örtlichen Umfeldes in die offen in alle Richtungen geführten Ermittlungen einbezogen worden. Es sei ein erheblicher Ermittlungsaufwand betrieben worden, er – so der Zeuge KHK … weiter – könne insoweit etwa angeben, dass etwa 2.100 Personen erfasst, 1.173 Personen förmlich einvernommen sowie insgesamt bisher 1.498 Ermittlungsaufträge eingegangen und abgearbeitet worden seien. Es seien äußerst umfangreiche Absuchmaßnahmen von HohenA. bis zum Auffindeort des Leichnams in Kaltenbach getätigt worden, im Bereich der Telekommunikation zahlreiche Funkzellenerhebungen durchgeführt, Angehörige und Freunde der Getöteten sowie Clubbesucher „unter die Lupe“ genommen worden etc.
88
Die Ermittlungen zu priorisierten Personen hätten zusammengefasst Folgendes ergeben: Es seien drei Gruppen „gebildet“ worden. Dies seien zum einen Personen gewesen, die zum Opfer H. W. in einem engeren als nur freundschaftlichen Kontakt gestanden hätten (intime Kontakte). Eine weitere Gruppe seien diejenigen gewesen, bezüglich derer die Videoaufzeichnungen vom „E.“ ergeben hätten, dass sie unmittelbar vor bzw. unmittelbar nach der Geschädigten H. W. den Club verlassen hätten. Die priorisierten Personen hätten aufgrund der Videoaufzeichnungen bzw. aufgrund von Alibiüberprüfungen als Täter ausgeschlossen werden können. Dies habe auch für die übrigen „E.“-Besucher gegolten und betr. auf dem Kampenwand- bzw. dem Festhallenparkplatz tatzeitnah festgestellte Fahrzeuge sowie deren Fahrer/Besitzer/Halter. Und schließlich sei die sog. „Holzkernuhr-Spur“ (Uhr war im Bereich des Kampenwandparkplatzes aufgefunden worden) verfolgt worden, bezüglich derer es auch zu einem Presseaufruf sowie einer Darstellung in der XY-Sendung am 09.11.2022 gekommen sei. Im Februar 2023 habe die Holzkernuhr einer Person zugeordnet werden können, bezüglich derer aber keinerlei Hinweise im Sinne eines Tatbezuges hätten objektiviert werden können.
89
Bis zum 17.11.2022 habe sich auch kein konkreter Hinweis auf eine mögliche Tatbeteiligung bzw. Täterschaft des Angeklagten ergeben.
90
Nachdem am 19.10.2022 durch die Pressestelle der Polizei an die Medien gerichtet ein Aufruf dahingehend erfolgt sei, dass ein Jogger in den frühen Morgenstunden des 03.10.2022 im mutmaßlichen Tatortbereich von 3 unabhängigen Zeugen gesehen worden sei, habe sich zwar am 20.10.2022 um 06:52 Uhr die Mutter des Angeklagten bei der Polizeidienststelle gemeldet und zusammengefasst angegeben, dass ihr Sohn S. vermutlich der gesuchte Jogger sei. Er habe ihr in den Morgenstunden des 03.10.2022 erzählt, dass er in der Nacht gejoggt sei, dabei auch am „E.“ vorbeigelaufen sei. Daraufhin sei S. T. am 21.10.2022 und nochmals am 10.11.2022 als Zeuge belehrt und einvernommen worden.
91
S. T. habe im Rahmen der Zeugeneinvernahme am 21.10.2022 auf freiwilliger Basis auch seine Fitnessuhr übergeben, welche ausgewertet und ihm am 10.11.2022 zurückgegeben worden sei. Zusammenfassend sei festgestellt worden, dass in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 keine Daten aufgezeichnet worden seien. Der letzte Eintrag habe vom 28.09.2022 datiert, der nächstfolgende sei am 07.10.2022 gewesen. Hinweise auf eine Manipulation der Laufuhr o.ä. hätten sich nicht ergeben.
92
Am 21.10.2022 seien im Rahmen der Zeugeneinvernahme im Einverständnis mit S. T. auch Lichtbilder (Ziff. D.II.17.2.5.) von ihm gefertigt worden.
93
Diese Lichtbilder wurden mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.
94
Betreffend die Physiognomie des Angeklagten ist zu erkennen, dass er zum damaligen Zeitpunkt deutlich schmaler war, als zu Beginn der Hauptverhandlung.
95
Auf den Lichtbildern ist er bekleidet mit einer Stirnlampe, einer schwarze Softshelljacke mit der reflektierenden Aufschrift „Bergwachtjugend A.-Samerberg“. Beides habe er nach seinen eigenen Angaben beim Joggen in den frühen Morgenstunden des 03.10.2022 getragen. Weiter ist S. T. auf den Lichtbildern mit einer langen Hose bekleidet, von der er selbst angegeben habe, diese nicht beim Joggen in frühen Morgenstunden des 03.10.2022 getragen zu haben. Es habe sich um eine Arbeitshose gehandelt.
96
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK … führte weiter aus, dass die Softshelljacke am 18.11. 2022 im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen festgestellt und später auch spurentechnisch untersucht worden sei. Die Jacke sei frisch gewaschen gewesen. Im Rahmen der Spurensicherung seien zwar Antragungen festgestellt worden, es seien im Ergebnis aber keine Blutantragungen nachweisbar gewesen.
97
Auch im Rahmen der 2. Zeugeneinvernahme von S. T. seien Lichtbilder gefertigt worden, und zwar von der von ihm an diesem Tag mitgebrachten langen Hose, bezüglich derer S. angegeben habe, eine solche am 03.10.2022 beim Joggen getragen zu haben sowie von seinen an diesem Tag nach eigener Aussage getragenen Laufschuhen.
98
Auch diese Lichtbilder (Ziff. D.II.17.2.6.) wurden mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen. Bei der übergebenen Hose handelt es sich um eine Art Trekkinghose, im Beinbereich eher weit geschnitten.
99
Der Zeuge betonte, dass weder bei der Vernehmung am 21.10.2022 noch derjenigen am 10.11. 2022 es bei dem damaligen Ermittlungsstand aus Sicht der Vernehmenden irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass S. T. möglicherweise Tatbezug haben könnte bzw. Täter sei.
100
Da S. T. im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 u.a. die Namen … und … ins Spiel gebracht habe, seien diese Personen in der Folgezeit einvernommen worden. … habe zusammengefasst angegeben, den S. seit der Grundschule und auch von den Pfadfindern her zu kennen. Seit 2019 habe er aber sehr wenig Kontakt zu ihm gehabt, erst wieder nach der kriminalpolizeilichen Vorladung, nachdem er/… Kontakt zum T. aufgenommen habe, um den Grund der Vernehmung zu erfahren und T. ihm gegenüber angegeben habe, dass er der gesuchte Jogger sei. … habe im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme am 17.11.2022 Angaben gemacht, die grundsätzlich aus polizeilicher Sicht belastbare Anhaltspunkte für einen konkreten Tatverdacht gegen S. … ergeben hätten, insbesondere im Hinblick auf angebliche Angaben von S. gegenüber … in den Abendstunden des 03.10.2022, Angaben/Inhalte, die nur der Täter oder ein Tatbeteiligter habe wissen können.
101
Dies sei der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden, die dies ebenso gesehen habe. Es sei vereinbart worden, die … am darauffolgenden Tag, dem 18.11.2022, nochmals zu vernehmen. Es sei dann auch eine Videovernehmung durchgeführt worden. Sie habe in den Kernpunkten die Aussage vom 17.11.2022 konstant wiederholt, woraufhin seitens der Staatsanwaltschaft Haftbefehlsantrag gestellt, dann Haftbefehl ergangen und S. T. am 18.11.2022 um 13:31 Uhr festgenommen worden sei. Nach Pflichtverteidigerbestellung habe S. T. im Rahmen der Haftbefehlseröffnung, die auf Video aufgezeichnet worden sei, keine Angaben zur Sache gemacht.
102
Auf Frage der Verteidigung äußerte der Zeuge KHK …, dass die Entscheidung, welche Vernehmungen auf Video aufgezeichnet würden, im Ermittlerteam in Abhängigkeit davon getroffen werde, welche Bedeutung der jeweiligen Aussage zugeordnet werde, wie wichtig sie sei.
103
Schließlich wurde gemeinsam mit dem Polizeibeamten und Zeugen KHK … der Videozusammenschnitt „Club E.“ (vgl. i.E. nachfolgend Ziff. D.II.17.3.1.) angeschaut. Er machte hierzu Erläuterungen und gab insbesondere nochmals an, dass anhand der Videoaufzeichnungen dokumentiert sei, dass H. mit ihren Freunden am 02.10.2022 gegen 23:15 Uhr den Club betreten habe, am 03.10.2022 um 02:19 Uhr sich an der Garderobe ihre Jacke geholt und sich schließlich kurz vor 02:28 Uhr aus der S.-Straße in Richtung K.-Straße, wo sie aus dem Aufzeichnungsbereich verschwand, allein entfernt habe.
104
Weiter machte der Polizeibeamte und Zeuge KHK … Angaben zu den im Tatzeitraum relevanten Wasserpegelständen der Prien, der Wassertemperatur und den Regenmengen in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 sowie zur zugrunde gelegten Fließgeschwindigkeit, welche geschätzt worden sei.
105
Der Deutsche Wetterdienst, das Amt für Umwelt und das Wasserwirtschaftsamt hätten entsprechende Daten zur Verfügung gestellt.
106
Infos zu den Pegelständen betr. den Bärbach hätten nicht vorgelegen (keine Aufzeichnung von Wasserständen), der Bärbach habe aber – anhand des niedergedrückten Vegetation noch gut erkennbar – einen Wasserstand von ca. 1,40 m gehabt.
107
Der Polizeibeamte und Zeuge PHK …r, der am 03.10.2022 gegen 09:00 Uhr die Familie W. mit der er befreundet ist, privat besuchte, bestätigte die Hochwassersituation auch für den Bereich Scheichergraben, Bärbach und Prien (allesamt Gewässer im Bereich A. im C.), ebenso die hohe, enorme Fließgeschwindigkeit der Gewässer.
108
Hinsichtlich der Prien – so KHK… weiter – hätten die Pegelstände sich aufgrund der Auswertung von 2 Messpunkten ergeben, einem in A. und einem in Prien am Chiemsee.
109
Betreffend den Messpunkt 1 (A.) sei der Normalpegel bei ca. 25 cm festgestellt worden. Am 02.10.2022 ab 14:30 Uhr sei er ansteigend gewesen, habe am 02.10.2023 um 23:15 Uhr 100 cm betragen und seinen Höchststand am 03.10.2022 um 02:45 Uhr mit 103 cm erreicht.
110
Hinsichtlich des Messpunktes 2 (Prien am Chiemsee) sei der Normalpegel bei durchschnittlich 110 cm festgestellt worden, der im Verlaufe des 02.10.2022 angestiegen sei und am 03.10.2022 um 04:15 Uhr mit 223 cm den Höchststand erreicht habe.
111
Mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wurden die entsprechenden Grafiken des Wasserwirtschaftsamts in Augenschein genommen und nochmals von dem Zeugen erläutert.
112
Zur Wassertemperatur sei anhand der zur Verfügung gestellten Daten vom Messpunkt A. festgestellt worden, dass diese zwischen 01.10.2022, 14:00 Uhr, und 03.10.2022, 20:00 Uhr zwischen 8,5° und 9,8° geschwankt habe, sich am 03.10.2022 ab Mitternacht bis 06:00 Uhr morgens zwischen 9° und 9,3° bewegt habe.
113
Insoweit wurde mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten die entsprechende Temperaturgrafik in Augenschein genommen und nochmals von dem Zeugen erläutert.
114
Auch die Niederschlagsmengen seien anhand der Daten der zur vermuteten Tatortörtlichkeit am nächstgelegenen Messstation und der entsprechenden Daten des Deutschen Wetterdienstes ermittelt worden. Die Messstation A.-Stein (ca. 5 km südlich vom „E.“ in Richtung Sachrang gelegen) zeichne im 10-minütigen Abstand auf und habe in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ein im Mittel abnehmenden Niederschlag (10-Minutensumme der Niederschlagshöhe in mm → zunächst ab Mitternacht zwischen 0,2-0,8 schwankend, ab ca. 01:30 Uhr zwischen 0,1 und 0,2) dokumentiert, ab 03:50 Uhr habe es aufgehört, zu regnen.
115
Mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wurde die entsprechende Liste des Deutschen Wetterdienstes in Augenschein genommen und nochmals von dem Zeugen erläutert.
116
Zuletzt sei auch – so der Zeuge KHK … – versucht worden, die Fließgeschwindigkeit von Bärbach und Prien im fraglichen Zeitraum der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 im Wege der Schätzung zu ermitteln.
117
Dabei sei der [xxx]Pegelquerschnitt in A. zur Abschätzung herangezogen worden, wonach die Fließgeschwindigkeit für verschiedene Pegelstände betr. die Prien in einer Schätzung zur Verfügung gestanden habe:
118
Bei einem Normalpegelstand von ca. 20/25 cm sei demnach von einer Fließgeschwindigkeit von ca. 0,4 m/s auszugehen, bei 80 cm von einer solchen von ca. 1,6 m/s, bei einem Pegelstand von 100 cm von einer Fließgeschwindigkeit von ungefähr 2 m/s und bei einem solchen von 1,20 m von einer Fließgeschwindigkeit von etwa 2,5 m/s.
119
Mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wurde die entsprechende Auflistung des Wasserwirtschaftsamtes in Augenschein genommen und nochmals von dem Zeugen erläutert.
120
Mit den Zeugen KHK … und allen Verfahrensbeteiligten wurden schließlich auch die Kleidungsstücke, welche H. W. der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 getragen hat, in Augenschein genommen.
121
Bei Auffindung des Leichnams war dieser nur mit Turnschuhen und Sneakersocken, des Weiteren einem Stringtanga sowie einem BH, Bustier und einem NetzTop bekleidet. Die noch am Leichnam befindlichen Kleidungsstücke wiesen keine Beschädigungen auf (das NetzTop wurde lediglich im Rahmen der Leichenschau später zerschnitten, ebenso wurde ein Teilstück des Stringtangas herausgeschnitten zwecks Prüfung auf mögliche Spuren).
122
Die anderen Kleidungsstücke und der Toten zuzuordnenden Gegenstände wurden an verschiedenen Stellen im Fluss aufgefunden (Ring und Gürtel: noch im Bärbach, Höhe Kampenwandparkplatz; Handtasche: Prien, Höhe R. Straße, noch vor der Brücke Grünwald; Lederjacke: Prien, kurz hinter der Brücke Grünwald; Hose: Prien Höhe Rainermühle). Mit Ausnahme der Lederhose wies keines der genannten Kleidungsstücke Beschädigungen auf. An der Lederhose, welche zu 100 % aus synthetischem Material bestand, war lediglich der seitlich eingesetzte Reißverschluss (links) defekt, zudem waren im Kniebereich einige kleinere (ca. 2 mm) große Defekte festzustellen.
123
Außerdem gab der Polizeibeamte und Zeuge KHK… f an, dass er die Zeugeneinvernahme der … am 22.11.2022 durchgeführt habe (vgl. nachfolgend Ziff. D.II.14.2.2.).
D.II.3. Bergung des Leichnams
124
Der Zeuge … hat glaubhaft und glaubwürdig ausgesagt, am 03.10.2022 bei einem Spaziergang im Fluss Prien, Ortsbereich Kaltenbach (dort sei er wohnhaft), etwas bemerkt zu haben. Konkret habe er ein Gesäß wahrgenommen und auch Turnschuhe, die anderen Körperteile seien unter Wasser gewesen. Er habe gehofft, dass es sich um eine Puppe handele. Er sei dann, um einen besseren Blick auf seine „Entdeckung“ werfen zu können, zunächst über die nahe Brücke auf die andere Seite des Flusses Prien gegangen. Er habe genauer schauen wollen, um die Polizei nicht zu Unrecht anzurufen. Er habe dann aber schon befürchtet, dass es auch ein Mensch sein könne.
125
Zu dieser Zeit sei der Wasserstand der Prien deutlich höher gewesen als sonst, er würde schätzen, 1,5 m höher als normal, die Prien sei sehr reißend gewesen. Deshalb seien die Turnschuhe auch mal zu sehen gewesen und dann nicht. In der Nacht des 02. auf den 03.10.2022 habe es viel geregnet, er glaube, in der Mittagszeit am 03.10.2022 nicht mehr.
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Er habe nichts angefasst oder berührt und dann – die Uhrzeit könne er heute nicht mehr erinnern, allerdings könnte 14:26 Uhr, wie vorgehalten, stimmen – die Polizei verständigt. Zwischen der Wahrnehmung und dem Anruf bei der Polizei seien ca. 15 Minuten vergangen, zwischen dem Erkennen, dass es sich um einen Menschen handeln könnte und dem Anruf etwa 5 Minuten.
127
Er habe dann noch gewartet, bis die Polizei eingetroffen sei, habe den Fundort gezeigt, dann sei er nach Hause gegangen. Er habe nach der Heimkehr seine Frau angerufen und ihr von dem Fund erzählt, auch, dass er immer noch hoffe, dass es sich um eine Puppe handele, er sich aber nicht sicher sei. Sonst habe er mit niemandem gesprochen. Bis zum Abend hin sei dann in Kaltenbach Feuerwehr, Polizei und Wasserwacht unterwegs gewesen, er habe aber nichts Näheres mitbekommen, nicht um wen es sich gehandelt habe, auch nicht, was passiert sei. Es sei aber eigentlich, da an dem Fundort ja nichts los sei, klar gewesen, dass die Person angetrieben worden sein musste.
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Mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wurden die Lichtbilder von der Auffindesituation (Ziff. D.II.17.2.1.) in Augenschein genommen.
129
Betreffend die Bergung war des Weiteren festzustellen, dass die Polizeibeamten und Zeugen PM’in … und PHM… von der Pl Prien nach Verständigung der Dienststelle um 14:26 Uhr durch den Zeugen … um 14:38 Uhr als erstes am Fundort waren und von … zum Fundort geführt wurden. Sie beschrieben ebenfalls, dass mit dem Gesäß nach oben ein Körper in der Prien festgestellt wurde. Ein Schuh (linker Fuß) habe sich im Wurzelwerk verfangen. Durch die Körperhaltung (Körper kopfüber mit dem Gesicht im Wasser mit keiner Möglichkeit, an Sauerstoff zu gelangen) sei davon ausgegangen worden, dass die Person bereits verstorben gewesen sei. Da die Prien sehr viel Wasser geführt habe und reißend gewesen sei, eine Bergung damit sehr gefährlich, sei dann zunächst die Feuerwehr (ca. 30 Personen) und die Wasserwacht (ca. 10 Personen) sowie das Rote Kreuz und Rettungssanitäter verständigt worden. Nachdem – um eine bessere Zugänglichkeit zu ermöglichen – Gestrüpp/Bäume weggeschnitten worden seien, seien Boote der Wasserwacht in die Prien gesetzt und zeitgleich Leinen über die Prien auf Höhe der leblosen Person gespannt worden. Danach sei ein Boot langsam in Strömungsrichtung in Richtung der leblosen Person geführt worden, die ihrerseits mit einem Seil an einem Fuß gesichert und schließlich auf das Boot der Wasserwacht und die dortige Trage verbracht worden sei. Die Bergung sei am 03.10.2022 um 16:06 Uhr erfolgt.
130
Auch mit diesen beiden Zeugen und den Verfahrensbeteiligten wurden die Lichtbilder der Bergung (Ziff. D.II.17.2.1.), insbesondere betreffend die vorgenommenen Sicherungsmaßnahmen (Seilspannen und Seilbefestigung des leblosen Körpers) in Augenschein genommen sowie von den Zeugen nochmals erläutert. Dabei wurde zudem festgestellt, dass das letzte Lichtbild, welches den leblosen Körper mit dem Gesäß nach oben noch in der Prien befindlich dokumentiert, am 03.10.2022 um 15:17 Uhr gefertigt wurde.
131
Der geborgene Leichnam sei dann etwas abseits auf der angrenzenden Wiese neben der Prien zugedeckt abgestellt worden bis die Kriminalpolizei eingetroffen sei.
132
Die beiden Zeugen PM’in … und PHM … gaben zudem an, dass der weibliche Leichnam neben den Sneakern und Socken nur mit einem Stringtanga, einem BH/Bustier und einem Netz-Top, welches nach oben geschoben gewesen sei, bekleidet war. Die Haare des weiblichen Leichnams seien kurz und kraus gewesen, verfilzt. Der Leichnam habe Ohrringe, eine bzw. zwei feine Halsketten und an einem Fuß Bändchen getragen.
133
Auch betreffend die Bekleidung des weiblichen Leichnams und dessen Aussehen, insbesondere auch betreffend die Haare, wurden ebenfalls mit den Zeugen und den Verfahrensbeteiligten Lichtbilder (Ziff. D.II.17.2.1.) in Augenschein genommen, das letzte insoweit gefertigte trägt das Datum 03.10.2022, 16:17 Uhr.
134
An der linken Stirnseite – so die beiden Zeugen – sei im Bereich des Haaransatzes eine Verletzung sichtbar gewesen, ebenso eine solche im Bereich der Nasenwurzel. Der Leichnam habe insgesamt eine Vielzahl von Kratzern und Druckstellen aufgewiesen, sei rötlich-weißlich verfärbt gewesen; an den Händen sei allerdings nichts aufgefallen. Es sei völlig unklar gewesen, ob ein Unfallgeschehen oder ein Tötungsdelikt vorgelegen habe.
135
Zum Zeitpunkt der Bergung sei der Wasserstand der Prien zwar noch deutlich erhöht gewesen. Der Wasserstand sei aber schon wieder gesunken gewesen, was man am niedergedrückten Uferbewuchs habe erkennen können.
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Während der Bergung sei die Identität des weiblichen Leichnams nicht klar gewesen. Einer der Feuerwehrler habe geglaubt, in dem Leichnam eine Freundin zu erkennen. Er habe diese angerufen, sie habe zunächst nicht abgehoben, sei dann später aber erreicht worden. Es sei kein anderer Name gefallen – was auch die Polizeibeamten und Zeugen … HM… und KHM’in … so angaben -. Bei der Leiche seien auch keine persönlichen Gegenstände wie etwa Personalausweis, Handy o.ä. aufgefunden worden.
137
An der Bergung seien ca. 60 Personen beteiligt gewesen. Die Bergungsstelle sei nicht einsehbar gewesen. Zwar seien aus den Häusern der Ansiedlung Kaltenbach Menschen (ca. 10-15) herausgetreten. Die potentiellen „Zuschauer“ seien von Polizeikräften aber ferngehalten worden, sicher nicht näher als 100-200 m an die Bergungsstelle herangekommen.
138
Ab 17:30/18:00 Uhr am 03.10.2022 habe in den Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens Hartl in Prien am Chiemsee die polizeiliche Leichenschau begonnen. Damit sei für die Zeugen PM’in … und PHM… der Einsatz beendet gewesen.
3.3. KHM G. P. und KHM’in L. W.
139
Der Polizeibeamte und Zeuge KHM … war seit Antritt seines Spätdienstes am 03.10.2022 um 15:00 Uhr, nachdem er konkret um 15:30 Uhr von der Einsatzzentrale über den Fund einer toten Person in der Prien im Bereich Kaltenbach informiert worden sei, gemeinsam mit seiner Kollegin, der Polizeibeamtin und Zeugin KHM’in … involviert gewesen.
Um 16:17 Uhr seien sie am Einsatzort eingetroffen. Die unbekannte weibliche Leiche, die an der Auffindeörtlichkeit nach der Beschreibung der Kollegen wohl mit einem Fuß im Wurzelwerk hängen geblieben gewesen sei, sei bereits abgedeckt auf einer Trage auf der Wiese neben der Prien gelegen.
140
Die beiden Polizeibeamten und Zeugen schilderten übereinstimmend, dass sie um 16:40 Uhr rektal 2x im Abstand von 2 Minuten bei dem Leichnam die Temperatur gemessen hätten. Die Temperatur habe 13° betragen. Auch die Wassertemperatur der Prien sei gemessen worden (10,3°), ebenso die Lufttemperatur (14°). Die Leichenstarre sei bei dem Leichnam bereits vorhanden gewesen, mit mäßigem Kraftaufwand seien aber die Kniegelenke noch zu öffnen gewesen. Die Leiche sei bis zum Verbringen zum Bestattungsinstitut Hartl überwiegend abgedeckt gewesen, lediglich zum rektalen Messen der Temperatur und dem Fertigen der Fotos für etwa 2 Minuten abgedeckt worden. Dabei seien aber auch vom Bergungstrupp keine Leute in der Nähe zugegen gewesen, schon gar keine fremden Personen, d.h. Schaulustige.
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Zu Beginn der polizeilichen Leichenschau beim Bestatter Hartl seien sie ebenfalls zugegen gewesen. Auffällig sei die spärliche Bekleidung des Leichnams gewesen (nur Schuhe und Socken, Stringtanga, BH, Bustier und NetzTop), die extreme Verfilzung der Haare, in denen sich zudem Blutanhaftungen und Blätter befunden hätten und das extrem geschwollene Gesicht des Leichnams, der aus der Nase hervorquellende Schaumpilz, ebenso eine Kopfverletzung im linken Stirnbereich sowie Kratzer und Furchen am Hals. Aufgefallen sei auch das Fragment eines ver blassten Stempels am Unterarm. Dieser sei am 03.10.2022 um 18:05 Uhr fotografisch dokumentiert worden. Der Stempel habe augenscheinlich vom Club „E.“ hergerührt. Über den Kollegen … der die Betreiber des „E.s“ kenne, sei dann in Erfahrung gebracht worden, dass in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ein Partyfotograf zugegen gewesen sei, über dessen Fotos es letztendlich dann auch zu einer Identifizierung des Leichnams gekommen sei (Schmuck/Vergleich).
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Auch diese beiden Zeugen schilderten, dass eine Identifizierung des weiblichen Leichnams aber erst kurz nach 22:00 Uhr nach Abgleich des am Leichnam gefundenen Schmucks mit Partyfotos/Videoaufzeichnungen aus gem „E.“ erfolgt sei.
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Um diese Uhrzeit seien – so gaben dies die Zeugen nach der Polizeipräsenz im Bereich Club „E.“ befragt an – nach ihrem Wissen zwei zivile Polizeifahrzeuge vor Ort gewesen, gegen 18:45 Uhr/19:00 Uhr, als es um die Feststellung des Fahrzeuges der … gegangen sei (es sei in Erwägung gezogen worden, dass sie die unbekannte Leiche sein könnte; Ziff. D.II.2.), ein Zivilfahrzeug bzw. eine Streife. Auf Nachfrage der Verteidigung konnten die Zeugen nicht bestätigen, dass „ganz viel Polizei“ am 03.10.2022 ab 18:45 Uhr bis 22:00 Uhr vor dem Club „E.“ gewesen sei.
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Die Polizeibeamtin und Zeugin KHM’in … gab an, ab glaublich etwa 18:00 Uhr auch bei der polizeilichen Leichenschau beim Bestattungsunternehmen Hartl zugegen gewesen zu sein. Im Rahmen der polizeilichen Leichenschau sei das letzte Foto um 21:21 Uhr gefertigt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Name des Leichnams/Opfers nicht bekannt gewesen. Im „Hintergrund“ seien drei Personen (…r) abgeklärt worden, bzgl. derer im Raume stand, es könnte sich möglicherweise um die aufgefundene weibliche Leiche handeln. Allerdings hätte die Überprüfung der Personen im Verlauf der Abendstunden ergeben, dass diesen nichts zugestoßen sei.
D.II.4. Identifizierung des Leichnams
145
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK … war als Ermittler in der Soko „E.“ eingesetzt und hat in dieser Funktion insgesamt über 150 Vernehmungen durchgeführt, u.a. auch diejenigen der Bergungskräfte der Wasserwacht, welche am 03.10.2022 mit der Bergung des weiblichen Leichnams aus der Prien bei Kaltenbach betraut waren. Inhalt der Vernehmungen sei die Bergesituation im Allgemeinen gewesen und im Speziellen v.a. die Frage, ob die Bergungskräfte die Getötete gekannt hätten oder ob jemand Lichtbildaufnahmen von der Getöteten und der Bergesituation gemacht habe und ob entsprechende Informationen an dritte Personen weitergegeben worden seien.
146
Das zusammenfassende Ergebnis aller Befragungen sei gewesen, dass es im Rahmen der Bergungsmaßnahmen nicht zu einer Identifizierung des geborgenen Leichnams gekommen sei, Informationen über den Einsatz an dritte Personen nicht weitergegeben worden seien, auch keine Bildaufnahmen. Einer der Wasserwachtler, der mit der Sicherung im Uferbereich betraut gewesen sei, habe von der Bergungssituation Fotos gemacht, die Bilder aber auf einen USB-Stick gezogen und der Polizei übergeben.
147
Die Ärztin und Zeugin …, die am 03.10.2022 ab ca. 18:00 Uhr in den Räumlichkeiten des Bestattungsinstitutes Hartl die 1. Leichenschau durchgeführt hatte, gab an, im Rahmen dessen am Unterarm des Leichnams einen schwachen Stempelaufdruck („E.“) festgestellt zu haben.
148
Auch die Zeugin EKH’in … war am 03.10.2022 um 18:40 Uhr von dem Fund einer unbekannten weiblichen Leiche in der Prien informiert worden und primär mit der Ermittlung der Identität dieser Person beauftragt gewesen.
149
Sie referierte, dass um 18:47 Uhr am „E.“ das Fahrzeug der …, bezüglich derer das Unterbinden einer Trunkenheitsfahrt in der Nacht 02./03.10.2022 bekannt gewesen sei, festgestellt worden wäre. Es sei abgeklärt worden, ob es sich bei der gefundenen unbekannten weiblichen Leiche um … habe handeln können. Diese sei schließlich aber am gleichen Tag um 19:45 Uhr telefonisch erreicht worden. Um 18:51 Uhr sei von der Pl Prien mitgeteilt worden, dass es sich bei dem Leichnam möglicherweise um … handeln könne, bezüglich derer in der Nacht ein JohanniterEinsatz am „E.“ erfolgt gewesen sei. Frau … habe zwar nicht persönlich zu Hause angetroffen werden können, allerdings sei über ihren Arbeitsplatz (Krankenhaus Traunstein) und die erhaltene Personenbeschreibung um 20:56 Uhr festgestanden, dass sie aufgrund sehr auffälliger Tattoos nicht die in Kaltenbach aufgefundene Leiche habe sein können. Um 21:37 Uhr sei noch eine weitere Meldung hereingekommen, und zwar vom LKA Tirol betreffend eine 14-Jährige, die vermisst gemeldet worden sei. Aufgrund des Alters und dem äußeren Erscheinungsbild des unbekannten weiblichen Leichnams sei aber ein Zusammenhang ausgeschlossen worden.
150
Betr. H. W. sei die erste polizeiliche Abfrage am 03.10.2022 um 22:08 Uhr erfolgt.
151
An dem unbekannten weiblichen Leichnam sei nämlich ein Stempel des Clubs „E.“ bemerkt worden. Es sei deshalb mit den Betreibern des „E.s“ Kontakt aufgenommen worden, wobei sich herausgestellt habe, dass in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ein Partyfotograf anwesend gewesen sei. Anhand der gesichteten Partyfotos und Videoaufnahmen im Abgleich zu dem bei dem unbekannten weiblichen Leichnam gefundenen Schmuck sei davon ausgegangen worden, dass es sich bei dem Leichnam mit großer Wahrscheinlichkeit um H. … handele – was auch die Polizeibeamten und Zeugen KHM… und KHM’in … angaben -. Daraufhin sei sie um 22:20 Uhr Richtung „E.“ gefahren (Fahrzeit ca. 25 min). Dorthin sei ein Kriseninterventionsteam angefordert worden, um dann gemeinsam zu den Eltern der H. zu fahren und die Todesnachricht zu überbringen. Als sie/… am „E.“ angekommen sei und von Kollegen erfahren habe, dass der Vater von H. W. um 22:37 Uhr per Notruf seine Tochter als vermisst gemeldet habe, sei sie noch vor Eintreffen des Kriseninterventionsteams zur Familie W. gefahren (ca. 23:00 Uhr). Sie habe die vom Leichnam getragenen Halskettchen dabei gehabt, die Eltern hätten H. anhand des Schmuckes identifiziert.
152
In der Zeit zwischen 23:17 Uhr und 23:50 Uhr habe sie den Vater von H. zum Ablauf des vorangegangenen Tages befragt. Im Rahmen der Befragung habe sie auch deutlich gesagt, dass nicht klar sei, was passiert sei, es könne ein Unfall aber auch ein Verbrechen vorliegen. Nach der Befragung sei sie noch mal zum „E.“ zurück. Grund sei gewesen, dass H. ja in der Prien gefunden worden sei, also in der entgegengesetzten Richtung zu ihrem Heimweg. Sie habe klären wollen, ob dort etwas hinsichtlich der Frage des Heimweges anhand der Aufzeichnungen (Videoaufzeichnungen) festzustellen gewesen sei. Um 00:56 Uhr (04.10.2022) sei, die Mitteilung in der Dienststelle eingegangen, dass anhand der Erkenntnisse der durchgeführten Obduktion von einem Tötungsdelikt auszugehen sei. Das habe sie selbst aber erst nach ihrer eigenen Rückkehr um 01:30 Uhr auf der Dienststelle erfahren.
4.4. Abgleich „Partyfotos“ (…)
153
Die Zeugen … (Geschäftsführer des „E.s“) und …y-… (Eigentümer des „E.s“) berichteten übereinstimmend, am 03.10.2022 gegen 18:00 Uhr oder etwas später – die genaue Uhrzeit sei nicht mehr erinnerlich – einen Anruf der Kripo erhalten zu haben, konkret … der seinerseit … informierte. Es sei um ein Treffen im „E.“ gegangen wegen einer Identifizierung einer toten Person.
154
Der Kripo sei mitgeteilt worden, dass am Vorabend ein Fotograf da gewesen sei und die Bilder besorgt würden.
155
Mit der Kripo sei dann ein Treffen um 21:00 Uhr im Club vereinbart worden.
… habe draußen gewartet, seiner Erinnerung nach sei ein Zivilfahrzeug gekommen, habe direkt vor der Tür des Clubs geparkt. Die Beamten hätten dann mitgeteilt, dass eine Leiche gefunden worden sei, auf deren Handgelenk ein Stempel des Clubs „E.“ erkennbar gewesen sei. Anhand des von der Leiche getragenen Schmucks in Abgleich mit den Partyfotos sei letztendlich von ihnen – … – der Name H. W. genannt worden, da sei es dann schon gegen 22:00 Uhr gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht bekannt gewesen, dass ein Gewaltverbrechen vorgelegen habe, das hätten die Beamten auch nicht geäußert.
156
Die Polizeibeamten hätten sie beide aufgefordert, da die Angehörigen der H. noch nicht informiert gewesen seien, die Handys wegzulegen und nichts nach außen durchdringen zu lassen. An diese Anweisung hätten sie sich gehalten.
157
Erst am 03.10.2022 um 23:50 Uhr sei – nachdem die Eltern infprmiert worden seien – an alle Mitarbeiter eine WhatsAppNachricht (WhatsAppGruppe „Arbeit“) gesendet worden:
158
Diese WhatsAppNachricht wurde abfotografiert und durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt. Sie hat folgenden Inhalt:
Liebe Kollegen des E.s. Leider muss ich euch mitteilen, dass die W. H. tot aufgefunden wurde sie war gestern im E. und somit wird ermittelt. Die K1 hat alle Daten von allen Mitarbeitern angefordert. Es könnte somit gut sein dass alle kontaktiert und befragt werden. Wir wissen alle auch nicht mehr. Ein unglaublich schwarzer Tag für uns. Aus diesem Grund wird der E. nächstes Wochenende auch nicht öffnen.
4.5. Überbringung der Todesnachricht
159
Die Zeugin EKH … überbrachte am 03.10.2022 gegen 23:00 Uhr den Eltern von H. W. die Todesnachricht.
160
Die Polizeibeamtin und Zeugin KHM’in …r war für die Spurensicherung zuständig.
161
Der Leichnam sei ja nur sehr rudimentär bekleidet gewesen, weshalb nach weiteren Kleidungsstücken gesucht worden sei. Dabei sei von einem Tatort im Bereich A./„E.“ ausgegangen und eine Tatortabsuche/-begehung ausgehend von dieser Örtlichkeit, Bereich Bärbach, bis zum Auffindeort der Leiche im Fluss Prien bei Kaltenbach, ca. 12 Flusskilometer, mit Hundertschaften und über mehrere Tage hinweg durchgeführt worden. Die Prien fließe aus Richtung Sachrang durch Hohenausschau schlussendlich in den Chiemsee. Im Gemeindegebiet A. im C./Hohenausschau gäbe es mehrere kleine Zuflüsse zur Prien, u.a. den Bärbach.
162
Bei der Absuche seien schließlich folgende, H. W. zuzuordnende Gegenstände aufgefunden worden:
* die auf links gedrehte Kunstlederhose der H. W. in der Prien, Bereich Rainermühle/Fluss Prien kurz vor dem Auffindeort des Leichnams (am 04.10.2022 gegen ca. 14:00 Uhr)
* goldfarbener Ring (am 12.10.2022) sowie ein Kunstledergürtel (am 04.10.2022), aufgefunden im Bärbach auf Höhe Parkplatz der Kampenwandbahn
* Handtasche (am 06.10.2022) sowie die Lederjacke (ein Ärmel auf links gedreht) der Verstorbenen (am 04.10.2022), aufgefunden in der Prien flussabwärts noch im Gemeindebereich von A. im C.
* Handy der Verstorbenen in der Prien flussabwärts noch im Gemeindebereich von A. im C. (am 28.05.2023)
* Ausweis der Verstorbenen in der Prien flussabwärts noch im Gemeindebereich von A. im C. (am 09.06.2023)
163
Die Zeugin erläuterte anhand von Lichtbildern (Ziff. D.II.17.2.3.), die mit ihr und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurden, nochmals die genauen Fundstellen der von der Verstorbenen getragenen Kleidung und Schmuckstücke.
164
An den gesicherten Kleidungs-/Schmuckstücken der Geschädigten seien ebenso wie an deren Fingernägeln Spurensicherungsmaßnahmen im Hinblick auf molekulargenetische Spuren sowie teilweise auf daktyloskopische Spuren durchgeführt worden.
165
Schließlich sei die Absuche auch nach möglichen Tatmitteln erfolgt. Es sei schlussendlich kein sicher der Tatbegehung zuzuordnender Gegenstand gefunden worden.
166
Lediglich ein Stein – es hätten mehrere „herumgelegen“ – sei im vermuteten Tatortbereich (Linkskurve gegenüber dem Burghofel, K.-Straße ...) direkt neben dem Gehweg sichergestellt worden, da daran mögliche rötliche Antragungen bemerkt worden seien. Im Ergebnis seien aber keine Blutspuren oder Ähnliches festzustellen gewesen.
D.II.6. Umfeldzeugen, v.a. betr. die Person von S. T.
6.1. Bekannte aus der Kindergartenzeit
167
Die Zeugen … gingen gemeinsam mit S. T. in den Kindergarten. Die Zeugin …tt, konnte nichts über (Verhaltens) Auffälligkeiten berichten, die Zeugen … und … r gaben an, er sei ein Einzelgänger gewesen, der Zeuge … schilderte, T. sei ein Einzelgänger gewesen, aber auch auffällig im Verhalten gegenüber anderen Kindern, habe diese geärgert.
6.2. … (1. Klasse – 2019)
168
Der Zeuge …r hat mit S. T. bmeinsam die 1. Klasse Grundschule besucht, danach wechselte S. auf eine andere Schule. Der Zeuge konnte erinnern, dass S. in der Klasse eher ein Außenseiter war, irgendwie ein bisschen anders und komisch, langsamer, ohne dass der Zeuge dies allerdings genauer beschreiben konnte. S. sei auch immer mal wieder ausgelacht worden, wegen „dieses anderen Verhaltens“, nicht aber etwa bezogen auf seine Körpergröße. Aggressives Verhalten von S. gegenüber Lehrern oder Mitschülern habe er nicht bemerkt.
169
Als er/… etwa 7-8 Jahre alt gewesen sei (2010/2011) sei er bis zu seinem 13. Lebensjahr (2016) bei den Pfadfindern gewesen. Auch S. sei dabei gewesen (sei glaublich etwas später dazugekommen), man habe sich einmal die Woche dort getroffen. Die Pfadfindergruppe habe aus ca. 10 Leuten bestanden, man habe viel draußen gemacht, Spiele, Zeltlager u.ä.. Auch dort sei es zu Auffälligkeiten von S. gekommen, er habe etwa, wenn man ihm etwas gesagt habe, dies nicht gleich umgesetzt, das habe immer eine ganze Zeit gedauert, was die anderen genervt habe. S. sei aber in der Gruppe der Pfadfinder nicht ausgegrenzt worden. Nachdem er/… nicht mehr bei den Pfadfindern gewesen sei, habe er sich ab und zu mit S. zum Berggehen getroffen. Da habe man über die Pfadfinder geredet, die Arbeit, das Führerscheinmachen u.ä., aber nicht über wirklich private Sachen. Mit der Zeit sei der Kontakt immer weniger geworden. Mit seinem Ausbildungsbeginn zum Schreiner in Berchtesgaden (2019) sei der Kontakt eigentlich fast vollständig eingeschlafen. Er habe dann T. ab und an mal gesehen, auch glaublich Ende 2021/Anfang 2022 mal im Club „E.“. Er sei aber erst jetzt aktuell wieder nach A. gezogen und daher während der Ausbildungszeit nur alle 1-2 Wochen mal am Wochenende nach Hause nach A. gefahren.
6.3. … (Kontakt zu T. Feb. 2015-2017)
170
Der Zeuge … kennt den Angeklagten T. aus seiner Funktion als Jugendleiter der „Bergwacht Sachrang-A.“. S. sei im Februar 2015 eingetreten und Ende 2017 wieder ausgetreten.
171
Den Jugendgruppen gehörten jeweils Personen bis zu ihrem 16. Lebensjahr an, danach könne eine Ausbildung zur aktiven Einsatzkraft der Bergwacht begonnen werden. Eine Jugendgruppe setze sich aus bis zu 12 Personen (Mädchen und Jungen) zusammen.
172
In dem Zeitraum, als S. der Jugendgruppe angehört habe, habe er/… auch Kontakt zur Mutter des Angeklagten gehabt, die ein großes Interesse daran gehabt habe, dass S. in der Gruppe sei.
173
Es sei monatlich zu 1-2 Treffen gekommen. S. sei im Sozialverhalten auffällig gewesen, was auch die Gruppe Bemerkt habe. Er sei allerdings nie in der Gruppe ausgegrenzt worden. Er sei als Einzelgänger beobachtbar gewesen, habe sich schwer in die Gruppe integriert. Zu seinem Verhalten – so Steinlen weiter – sei auszuführen, dass er teilweise autistische Züge (ohne, dass er damit den spezifischen Krankheitsbegriff meine, er sei ja kein Arzt, sondern Erzieher) gezeigt habe, sozusagen in seiner eigenen Welt gewesen sei. In diesen Momenten sei er schwer abholbar gewesen, auch nicht bei intensivem Bemühen darum. S. habe sich nicht auf Sachen konzentrieren können, insbesondere nicht auf das Ziel der Gruppe, die Jugendlichen an das Ehrenamt der Bergrettung heranzuführen. Er könne sich etwa an eine Situation erinnern, als sie auf der Zugspitze im Eishotel gewesen seien und dort von Mitarbeitern einen Vortrag bekommen hätten. S. sei plötzlich weg gewesen, habe sich in den Schnee geschmissen und ein total kindliches Verhalten gezeigt, obwohl er der älteste in der Gruppe gewesen sei. Er sei schwer zu motivieren gewesen, sich wieder der Gruppe anzuschließen, wieder Teil der Gruppe zu sein. Auf der anderen Seite habe S. „von jetzt auf gleich“, ohne, dass ein direkter Auslöser erkennbar gewesen sei, oft ein sehr impulsives, aktives, schon fast hyperaktives Verhalten gezeigt. Wenn S. nicht gesehen habe, wie er aus einer Situation in der Gruppe, die ihm nicht gefallen habe, „herauskommen“ konnte, sei er in ein kindliches Verhalten (Gestik und Sprache) zurück gefallen, sei schwer auslenkbar gewesen. Die Gruppe habe aber immer wieder versucht, ihn aufzufangen. Er habe das aber nicht zulassen können. Körperliche Aggressionen und Gewalt habe er bei S. allerdings nie gesehen.
174
Schließlich sei bei ihm auch zum Teil distantzloses Verhalten in Bezug auf andere Jugendliche aufgefallen, er sei etwa sehr nah und damit übergriffig an andere herangetreten, wenn er von denen etwas gewollt habe.
175
S. T. habe aus seiner Sicht auch Empathiedefizite/-regulierungsprobleme gehabt. Beispielsweise habe er sich im Rahmen der Erste-Hilfe-Ausbildung nicht in die Situation der Anderen versetzen können.
176
Letztlich sei betreffend den S. T. ein Beginn der Ausbildung zur aktiven Einsatzkraft der Bergwacht nicht möglich gewesen. Das sei auch mit der Mutter besprochen worden, die von ähnlichen Auffälligkeiten und Schwierigkeiten auch im SkiClub, in dem S. gewesen sei, berichtet habe. S. habe das Gefühl für das Gegenüber gefehlt, man habe sich nicht auf ihn verlassen können. Auch habe ihm das Gefühl für Gefahren gefehlt. So sei er etwa bei einem gemeinsamen Kletterausflug (seilgesichert, man müsse sich auf den anderen verlassen können) „nicht dabei“, abgelenkt gewesen, das Gefahrbewusstsein habe ihm gefehlt. Er habe sich nicht da reinversetzen können, was er durch sein Verhalten auslöse.
177
S. sei auch von der Intelligenz her reduziert. In praktischer Hinsicht habe er in den Jahren 2015-2017 schon Entwicklungsfortschritte gemacht. Betreffend sein Verhalten und eine diesbezügliche Entwicklung habe er/… allerdings keine Fortschritte gesehen. Das Verhalten von S. T. sei gleichbleibend und stagnierend gewesen. Deshalb habe S. T. dann auch Ende 2017 nicht übernommen werden können, habe die Gruppe verlassen müssen.
6.4. …r (Hausärztin von S. seit 2016)
178
Der Angeklagte war bis zu seiner Verhaftung im November 2022 in der Praxis der Zeugin…r. Diese hatte die Praxis 2016 übernommen, T. war aber auch bereits bei ihrem Vorgänger (…) in Behandlung. Sie schilderte, dass S. als Kind initial mit den Eltern gemeinsam gekommen sei. Er sei ruhig, zurückhaltend, scheu und einfach gestrickt gewesen. Wenn man etwas von ihm habe wissen wollen, habe man ihm das aus der Nase ziehen müssen. Sein Sozialverhalten sei auffällig gewesen, introvertiert. S. habe eine Kontaktstörung (es sei schwierig mit ihm ein Gespräch zu führen). Vom IQ her sei er eher unterdurchschnittlich. Dass es Probleme mit den Eltern gegeben habe, wisse sie nicht. Auch seien Konflikte mit Gleichaltrigen ihrer Erinnerung nach nicht Thema gewesen.
179
Auffällig sei bis zuletzt (Ende 2022) gewesen, dass er noch mit Mutter oder Tante gekommen sei und auch eher diese Personen für ihn gesprochen hätten. S.’s Selbstständigkeit sei reduziert bzw. deutlich reduziert gewesen.
180
Etwa ein Jahr vor Oktober/November 2022 habe S. T. einen Unfall gehabt und daher Rückenbeschwerden, wegen derer er auch mehrfach krankgeschrieben worden sei. Sie könne sich auch erinnern, dass er am 04.10.2022 eine Krankmeldung (wegen einer Erkältung) erbeten habe, da sei er ihrer Erinnerung nach nicht vorstellig geworden.
6.5. … (Kontakt zu T. seit 2019/2020)
181
Der Zeuge …st ein Arbeitskollege und guter Freund von S. T.
182
Sie hätten 2018 gemeinsam die Ausbildung angefangen, dann aber die ersten 1-1 1/2 Jahre nichts näher miteinander zu tun gehabt.
183
Die beste Freundin vom S. sei die … die er dann auch über S. kennengelernt habe. S. sei eigentlich immer gut drauf, stehe in der Gruppe nicht im Mittelpunkt, eher im Hintergrund, sei oft ruhig und in sich gekehrt. S. sei auch hilfsbereit, habe ihm etwa immer geholfen, Alteisen wegzubringen. In der Freizeit sei T. viel draußen, gemeinsam hätten sie an Autos rumgeschraubt. Als er dann die Freundin von T. die … und deren Schwester, kennengelernt habe, hätten sie auch öfter mal bei denen gefeiert oder seien zu lost places gefahren. Zwei Mal sei er gemeinsam mit T. im „E.“ feiern gewesen, Mitte 2021 und im Frühjahr 2022.
T. sei kein offenes Buch, man müsse ihm alles aus der Nase rausziehen.
184
Dass S. T. Stress in der Familie gehabt habe, wisse er nicht. S. habe über die Familie Nichts erzählt.
185
T. habe sich schon auch von anderen ausnutzen lassen, sei z.B. viel für andere gefahren, was die einfach als selbstverständlich hingenommen hätten. Er sei ein verplanter Typ. Er könne jeden aus dem Nichts raus situationsinadäquat anreden. Dann fange er allerdings auch oft das Stottern an, etwa wenn die anderen kein Interesse hätten, sich umdrehen und einfach gehen Würden. T. sei an sich nicht wirklich ein offener Typ, Probleme und so was fresse er eher in sich hinein, anstatt darüber zu reden. T. wolle nach seiner Einschätzung Sachen einfach verdrängen, wolle nur das Positive sehen und das Negative alles hinten dran stehen lassen, was ihn belaste.
186
Zum Alkoholkonsum des Angeklagten befragt, äußerte der Zeuge, dass S. Alkohol trinke, aber nicht viel vertrage. Er sei auch oft der Fahrer gewesen und habe deshalb wenig getrunken. Als Fahrer sei S. oft viel zu schnell unterwegs gewesen und in die Kurven gefahren. Er/S. habe gemeint, Auto fahren zu können, aber im Endeffekt habe er das nicht gekonnt. 2-3 Wochen, bevor er dann festgenommen worden sei, habe er angefangen, viel zu trinken, etwa bei einer HalloweenParty.
187
Befragt nach dem Umgang von S. T. mit Frauen gab der Zeuge … an, dass er nur wisse, dass S. mal Interesse an einer Pfadfinderin gehabt habe und einer Freundin von der …. Da sei aber nichts draus geworden, worüber S. enttäuscht und traurig gewesen sei.
188
Seine Angaben bei der polizeilichen Einvernahme zu dem von S. bevorzugt Frauentyp (schlank auf jeden Fall, lange Haare, arbeitstechnisch stehe T. auf Krankenschwestern) konnte der Zeuge … im Rahmen der Hauptverhandlung nicht mehr erinnern und bestätigen.
6.6. … und … (Ausbildung S. ab 2019)
189
Die Zeugen … und … beschrieben, dass S. T. in der Arbeit grundsätzlich gewissenhaft und zuverlässig sei. Er sei zwar nur begrenzt fähig, selbstständig Arbeiten auszuführen, wenn man ihm was anschaffe, bemühe er sich aber. Lediglich mit dem Berichtsheft habe es immer mal „Stress“ gegeben, dass sei aber auch bei anderen Auszubildenden so.
190
Am 04. und 05.10.2022 habe S. sich krank gemeldet.
191
Insoweit überreichte der Zeuge … die vom S. T. für den 04.10.2022 und 05.10.2022 vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
192
Auch tegte er die Stundenzettel für den 06. und 07.10.2022 vor, beides Tage, an denen S. T. mit dem [xxx]Monteur und Zeugen … auf verschiedenen Baustellen gewesen sei.
193
Was S. i.E. an diesen Tagen gemacht habe, könne nur der Monteur, dem er zugeteilt gewesen sei …, erläutern. Er/… er wisse anhand der Stundenzettel nur, dass S. T. r zusammen mit … in Hausham, Schechen (06.10.2022) und Großkarolinenfeld (07.10.2022) gearbeitet habe.
194
Dazu befragt, ob es sich um Arbeiten gehandelt habe, bei denen man sich verletzen könne, äußerte den Zeuge, dass er generell nicht den Eindruck gehabt habe. Ihm seien jedenfalls in dieser Zeit keine Verletzungen bei S. T. aufgefallen.
195
Der Zeuge … berichtete zum „Einsatzort“ in Hausham (06.10.2022), dass im dortigen Behindertenheim, welches umgebaut worden war, ein WC-Spülkasten demontiert worden sei, dabei sei die Wand aufgeschlagen und der Kasten ausgebaut worden. Putzarbeiten seien nicht vorgenommen worden. Natürlich könne man sich bei einer derartigen Arbeit an den Händen reißen, ggf. auch am Arm; ob sich S. dabei aber verletzt habe oder nicht, wisse er nicht. Er habe nichts gesehen.
196
Der zweite „Einsatzort“ am 06.10.2022 sei in Schechen gewesen. Dort seien in einer Tiefgarage Eindichtungsarbeiten an der Heizungszentrale – nicht der Fußbodenheizung – (sog. „Einhanfen“) vorgenommen worden, d.h. Rohre mit Hanf abgedichtet worden. Dies sei grundsätzlich keine Arbeit, bei der man sich verletzten könne.
197
Am 07.10.2022 sei er/… gemeinsam mit T. zum EDEKA in Großkarolinenfeld gefahren. Dort seien Mangelbeseitigungsarbeiten vorgenommen worden, konkret ein angeschlagenes Waschbecken ausgebaut und ein neues eingebaut worden, wobei weitere Kleinarbeiten (Wasserhahn außen- und einbauen) notwendig gewesen seien. Dies sei ebenfalls eine Arbeit, die grundsätzlich keine Verletzungsgefahr in sich berge.
198
Auch an diesem Tag habe er bei S. keine Verletzungen gesehen, allerdings auch nicht darauf geachtet.
199
Grundsätzlich sei es so, dass von ihnen als Arbeitskleidung neben einer langen Arbeitshose und einem T-Shirt je nach Temperatur Pullover/Jacke getragen würden. Die Arbeiten am 06.10.2022 in Hausham seien innerhalb des Gebäudes gewesen, in Schechen in einer Tiefgarage, wo es eher kalt gewesen sei und diejenigen am 07.10.2022 im EDEKA in beheizten Räumlichkeiten. Ob S. an diesen Tagen immer einen Pullover/eine Jacke getragen habe, wisse er nicht.
200
Die Zeugen … und … kennen den Angeklagten S. T. beide von dessen Ausbildung ab Herbst 2019 in den Firma ….
201
Beide beschrieben S. T. grundsätzlich als unauffällige, ruhige und stille Person. Während der Zeuge … mit S. nicht gearbeitet hat (er ist in der Firma für die Bauleitung zuständig), war der Zeuge … als Vorarbeiter mit S. auf verschiedenen Baustellen.
202
Der Zeuge … bekam lediglich von unterschiedlichen Mitarbeitern, die mit S. als Lehrling auf verschiedenen Baustellen waren, „Infos“. Danach mache S., was man ihm sage, sei fleißig. Von der Auffassungsgabe her sei er limitiert, auch habe er v.a. Probleme mit der Führung und zeitgerechten Abgabe seines Berichtsheftes gehabt. Deshalb sei es auch mal zu einem Gespräch mit T. gekommen, bei dem die Mitarbeiter… und … zugegen gewesen seien. S. sei auf seine Lehrlingspflicht zur Führung dieses Heftes hingewiesen worden, habe aber eigentlich nicht reagiert. Nach seiner subjektiven Wahrnehmung sei S. kurz davor gewesen, zu grinsen, es sei ihm egal gewesen. Für ihn sei das keine typische Reaktion gewesen, wenn man vom Chef gemaßregelt werde. S. habe dann auch eine Abmahnung bekommen, auch darauf habe er nicht reagiert.
6.7. … (Kontakt zur Schwester von S. 2019)
203
Die Zeugin … die gemeinsam mit der Schwester des Angeklagten, der … ie 8./9. Klasse der Mittelschule in Prien am Chiemsee bis 2019 besuchte, gab an, mit … zwar nicht näher befreundet gewesen zu sein, außerhalb der Schule habe man nichts gemeinsam gemacht. Man sei aber, da auch sie damals in A. im Chiemsee gewohnt habe, häufig gemeinsam mit dem Zug von der Schule nach Hause gefahren.
204
Sie habe damals zuhause Probleme gehabt, sei dann mit 16 ausgezogen. Darüber habe sie sich mit … T. unterhalten. … habe erzählt, dass in ihrer Familie auch nicht alles gut, vielmehr einiges schief laufe. Die Familie wolle nach außen immer perfekt dastehen. Der Vater der Familie T. habe sehr viel getrunken. Er trinke in einer Bar am Bahnhof und komme dann stockbesoffen nach Hause. … habe weiter erzählt, dass ihr Bruder zu Hause immer wieder aggressiv sei und austicke. Näheres habe … aber nicht berichtet. Auch habe … 3 erwähnt, dass sie unbedingt zu Hause ausziehen, zu ihrer Tante gehen wolle. … sei damals ca. 15/16 Jahre alt gewesen. Dieses Gespräch habe 2019 stattgefunden, seitdem habe sie auch keinen relevanten Kontakt mehr zur … T. gehabt.
6.8. … (Kontakt zu T. seit 2021)
205
Die Zeugin … lernte S. T. glaublich 2021 über ihren damaligen Freund, … kennen, der ein Arbeitskollege des Angeklagten war und mit diesem ganz gut befreundet gewesen sei.
206
Gemeinsam hätten sie drei öfter mal etwas zusammen gemacht, Bierzelte besucht, seien auch einmal zu dritt zum Feiern im „E.“ gewesen, glaublich Ende 2021/2022.
207
S. … sei ein ruhiger und freundlicher Typ gewesen, gleichbleibend. Auch könne sie keine „komische Situation“ bei ihm erinnern. Wenn alle getrunken hätten, auch der S., sei er lustiger und fröhlicher geworden. Er komme wie ein Einzelgänger rüber, habe allerdings auch in der Gruppe seinen Stand gehabt.
6.9. … (Kontakt zu T. seit 2021)
208
Der Zeuge … ist mit den Zeuginnen … und … befreundet und hat S. T. aber diese etwa im Frühjahr 2021 kennengelernt. S. sei ein sehr ruhiger Typ und zu ihm freundlich gewesen. Etwas Negatives könne er nicht berichten. S. sei deutlich schlanker gewesen als zur Zeit der Hauptverhandlung, drahtig, sei regelmäßig gelaufen, habe für den Halbmarathon trainiert. Den Umfang des Alkoholkonsums nannte er „normal“; wenn T. etwas getrunken habe, sei er ein bisserl gesprächiger geworden. Allerdings habe er S. T. nach dem 01.10.2022 nicht mehr gesehen (hatte sich mit … gestritten und war daher bei gemeinsamen Treffen nicht mehr dabei).
6.10.1 … in (Kontakt zu T. im September/Oktober 2022)
209
Die Zeuginnen … schilderten, dass der Angeklagte die … einmal – glaublich Ende September 2022/Anfang Oktober 2022 – in Ettenhausen, Baden-Württemberg, besucht habe.
210
… hatte den Angeklagten etwa eineinhalb Jahre zuvor anlässlich eines Pfadfindertreffens in Berlin kennengelernt. Das Kennenlernen habe am letzten Tag des Pfadfindertreffens stattgefunden. Man habe sich etwas unterhalten, gemeinsam Karten gespielt und zuletzt Nummern ausgetauscht. In den eineinhalb Jahren bis zu dem persönlichen Treffen in Baden-Württemberg sei es nur sporadisch zum Austausch von WhatsAppNachrichten gekommen. Den Grund, warum es dann zu einem persönlichen Besuch gekommen sei, konnten die Zeugen nicht angeben, auch nicht, welche Dauer des Besuches geplant gewesen sei. Der Angeklagte sei dann in den Abendstunden gekommen, man habe gemeinsam einen ruhigen unauffälligen Abend verbracht. Die Zeugin … schilderte, dass nach ihrem Gefühl S. (ebenso wie ihre Tochter) in einer Gruppe sicher nicht im Zentrum stehe. … habe ein Gästezimmer hergerichtet, wusste aber nicht mehr, ob der Angeklagte dort oder in seinem Auto genächtigt habe.
211
Am darauffolgenden Tag habe … dem Angeklagten auf dessen Wunsch hin ihre Schule gezeigt; man sei auch gemeinsam Eisessen gewesen. Dann sei ihrer Tochter der S. komisch vorgekommen. Deshalb sei es zu einem sofortigen Kontaktabbruch durch … o gekommen, der die Mutter … überrascht habe. Während … deshalb in ihrem Zimmer gewesen sei, habe sich ihre Mutter noch ein bisschen mit T. unterhalten, obwohl dieser ja eigentlich wegen der Tochter zu Besuch gewesen sei. … abe sich an dem zweiten Tag des Besuches auch nicht von T. nach Freiburg und einem dortigen Treffen mit einer Freundin bringen lassen, obwohl dieser das nachdrücklich angeboten habe. … gab ein komisches Gefühl an, weshalb sie nicht mehr bei ihm habe ins Auto einsteigen wollen. Das komische Gefühl konnte sie allerdings nicht näher beschreiben. Auf ausdrückliche Nachfrage verneinte sie, von S. T. bedrängt, belästigt oder begrapscht worden zu sein. T. der bei der Verabschiedung etwas enttäuscht gewirkt habe, sei dann wieder heimgefahren. … in habe T. der Folgezeit auf WhatsApp blockiert.
212
Die Zeugin … schilderte, dass sie S. über ihre Schwester …a, da beide in die gleiche Schule gegangen und befreundet gewesen seien, kennengelernt habe.
213
Sie wisse nicht, ob S. eine feste Freundin oder evtl. mit Mädcflen Schwierigkeiten gehabt habe. Sie wissen nur, dass er mal auf … gestanden sei, ihre Schwester … von ihm aber nichts gewollt habe.
214
Sie könne sich auch an einen Vorfall im Auto erinnern, sie hätten irgendwo auf einem Parkplatz gestanden. Sie … habe hinten gesessen, … auf der Fahrerseite und … auf der Beifahrerseite. S. habe ihre Schwester dann am Oberschenkel angelangt, sei weiter rauf gegangen. … habe das nicht gewollt, das auch gesagt. S. habe aber nicht aufgehört. Sie sei dazwischen gegangen und habe die Hand vom S. weggezogen. Gewalt sei von Seiten des S.s nicht im Spiel gewesen. Das sei aber keine „neckische“ Stimmung gewesen, sondern schon Ernst. … habe halt gesagt, dass sie das nicht mag, er solle aufhören. Das habe er einfach nicht gemacht. Auch habe S. auf eine … gestanden, die er am Bauwagen in Traunstein kennengelernt habe. Außer, dass die beiden sich geschrieben hätten, sei aber nichts passiert.
215
S. sei ein ruhiger Typ. Sie habe ihn nicht aggressiv erlebt. Wenn ihm was nicht gepasst habe, sei er schlecht drauf gewesen, was sich in einem „angefressenen Tonfall“ geäußert habe.
216
Zum Verhalten von S. im zeitlichen Kontext der Geschehnisse könne sie, …, angeben, dass er vor dem 03.10.2022 so 1-2x pro Woche bei ihnen gewesen sei, danach schon häufiger, 3-4x pro Woche. Er habe häufiger bei ihnen übernachtet, allerdings meist im Auto, aber auch 1-2x auf der Matratze in ihrem … Zimmer. Das sei aber bis zur Festnahme von S. zwischen ihnen dreien (…) nicht weiter thematisiert, sondern eher hingenommen worden. Danach hätten sie sich schon darüber mal ausgetauscht und eigentlich alle drei das Gefühl gehabt, dass S. sich habe verstecken wollen.
217
Aufgefallen sei ihr, dass S. nach dem 03.10.2022 nicht mehr so witzig gewesen sei. Er habe sehr viel getrunken, mehr als vor dem 03.10.2022, er habe sich auch häufiger erbrochen.
218
Die Zeugin … berichtete, dass S. T. gut mit ihrer Tochter … befreundet gewesen sei (noch nicht während der gemeinsamen Schulzeit in Niedernfels – da habe … nur ab und zu n[xxx]al von S. erzählt –, sondern erst seit etwa August 2021). S. habe sich oft bei ihnen in Bergen/Bernhaupten aufgehalten und dort auch übernachtet.
219
In der Schule in Niedernfels seien v.a. Kinder mit psychischen, aber auch physischen Beeinträchtigungen.
220
Die Zeugin beschrieb S. T. als ziemlich zurückhaltend und sehr schüchtern, „er sei halt anders, wie die anderen Jungs“. Wenn T. was getrunken habe, dann werde er schon lockerer. Grundsätzlich sei er auch ein lustiger Typ gewesen, man habe mit ihm gut lachen können. Sie habe nie mitbekommen, dass in der Gruppe über S. gelacht worden sei, auch nicht, dass in der Gruppe mal seine Größe thematisiert worden sei.
221
Laut der Aussage von S. T. sei er oftmals bei Mädels abgeblitzt. Sie wisse auch, dass er auf Krankenschwestern bzw. Frauen aus dem medizinischen Bereich gestanden sei.
222
Betr. ihre Tochter … habe sie den Eindruck gehabt, dass er mehr als nur Freundschaft gewollt habe, er sei … gegenüber ein bisschen aufdringlich gewesen.
223
S. und … seien nur befreundet gewesen. … i sei mit dem … seit etwa Juli/August 2022 zusammen.
224
Es sei auffallend gewesen, dass S. sich nach dem verfahrensgegenständlichen Vorfall im Oktober 2022 noch häufiger bei ihrer Tochter … gemeldet und sich auch beinahe täglich bei ihnen aufgehalten und auch oft bei ihnen geschlafen habe, auch im Auto vor ihrer Wohnung in Bernhaupten.
225
Ihre beiden Töchter hätten häufig mit Spezln zuhause bei ihnen gesessen, auch „Hauspartys“ veranstaltet, bei denen getrunken, getanzt und gemütlich zusammen gesessen worden sei. Sie sei da oft dabei gewesen. Zu den Spezln ihrer Töchter gehöre neben dem S. T. der …), …) und der … sei eigentlich ein Spezi von S. T. über diesen hätten ihre Töchter den … siuch kennengelernt.
6.12. R. R. (Kontakt zu T. im Oktober/November 2022)
226
Auch der Zeuge …, der als selbständiger Subunternehmer (Kundendienstmonteur) für die Fa. … seit ca. 15 Jahren tätig ist, aber zu 90 % auf den Baustellen alleine arbeitet, kennt S. T. von der Arbeit.
227
Er habe mit S. allerdings nur gelegentlich zusammengearbeitet.
228
Heute könne er sich nur noch an einen Tag Ende Oktober/Anfang November 2022, zeitnah zur späteren Festnahme von S., erinnern. An diesem Tag sei ihm S. wie durch den Wind vorgekommen. Sie seien zu einer Baustelle in Rosenheim gefahren. S. sei mit einem Firmenfahrzeug der Fa. … gekommen und habe das Auto zunächst schon sehr komisch geparkt, etwa 1 m in die Straße hinein. Das Auto sei behindernd gestanden. Dann habe er … später einmal festgestellt, dass Fahrertür und Heckklappe offen gestanden seien, obwohl es geregnet habe. Wie lange die Türen offen gestanden hätten, wisse er aber nicht, er habe das nur etwa 2 Stunden nach Arbeitsbeginn festgestellt. Auf dem Beifahrersitz habe jedenfalls das Handy gelegen, ob auch ein Geldbeutel dort offensichtlich gelegen habe, wisse er nicht mehr. Er habe dem S. u.a. angeschafft, dass er Werkzeug vom Firmenauto holen solle. S. sei nicht wieder gekommen, weshalb er/… dann rausgegangen und nach S. geschaut habe. S. habe gesagt, dass er den Hauseingang nicht mehr gefunden habe. Das habe er schon komisch gefunden, da es sich bei der Wohnanlage zwar um Mehrfamilienhäuser gehandelt habe, dass Firmenauto aber nur 8-10 m vor dem Haus, in dem sie gearbeitet hätten, gestanden habe. S. sei an diesem Tag nicht bei der Sache gewesen, habe abwesend gewirkt, teilnahmslos etwas eingeknickt. Sie hätten noch etwa 1 Stunde vor Ort gearbeitet, seien dann zurück zur Fa. … gefahren. Dort habe er/… im Büro gesagt, dass es keinen Sinn mache, so mit T. weiterzuarbeiten.
229
Der Zeuge … war mit der Zeugin … liiert und auch mit dem Angeklagten befreundet, den er über … kennenlernte sind zwar am 07.10.2022 anlässlich der Fahrt zum Tegernsee (Besuch eines lost place). Am darauffolgenden Samstag, dem 08.10.2022, sei er und auch S. bei den … zu Hause gewesen; es sei getrunken worden, man habe auch dort übernachtet. Am 09.10.2022 seien sie alle gemeinsam auf einen Markt nach Salzburg gefahren. Er beschrieb T. als recht freundlich, gesprächsbereit.
230
6.14. Mithäftlinge (Kontakt zu T. ab 18.11.2022)
231
Mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten im Selbstleseverfahren eingeführt wurde die Aussage (vom 23.10.2023) des Mithäftlings und Zeugen …:
In meinen Augen ist er nicht ganz normal. … Irgendwann kam dann heraus, dass er das mit der H. war in A. mit dem E. und da hat er dann auch nur blöd daher gelabert und mal gesagt: Ja, der Bär war es, der da umgegangen ist und lauter so Sachen … Der Bär soll’s gewesen sein, weil ein Bär hat keine DNA ….Das hat er ernst gemeint ….
Meiner Meinung nach ist er nicht ganz normal … Naja er hat in die Dusche ein großes Geschäft gemacht … Er hat von Anfang an einfach nur auf plemplem gemacht …. ein ordentliches Gespräch konnte man mit ihm nicht führen.
Ich habe mitbekommen, dass T. sich verletzt hat. Da war, soweit ich weiß, ein Gutachter da …. T. hat dann irgendwie seine Hand oder den Arm gegen die Wand geschlagen … Gips hatte er dann ….
… Der ist komplett einfach, als ob er gar nicht da wäre ….
232
Zur Person des S. T. gefragt, beschrieb der Zeuge … (Haftbeginn: ab 18.01.2022), dass T. nach seiner Einschätzung ein bisschen kindlich wirke, nicht so wirklich recht erwachsen. Mal sei er aufgedreht, mal nicht. Von der Intelligenz her würde er/…, den T. eher im unteren Bereich einordnen. Bei der Arbeit habe er zwar ab und an Fehler gemacht und sei dann auch kritisiert worden. Er sei deshalb aber nicht eingeschnappt oder beleidigt gewesen, habe sich vielmehr bemüht, die Sachen gutzumachen. Er… sei jetzt aber nicht die primäre Bezugsperson von S. T. während der Haft gewesen, dass seien nach seiner Einschätzung eher die Mitgefangenen … und … gewesen.
233
Einmal habe T.r – er/H… sei nicht dabei gewesen, habe nur davon gehört – einen Aussetzer gehabt, mit der Hand irgendwie gegen die Wand geschlagen und sich verletzt, habe dann auch ein paar Wocher nicht bei der Arbeit erscheinen können. Das habe irgendwie im Zusammenhang mit einem Gutachtertermin gestanden. T. habe Dampf abgelassen. Andere solche Vorfälle könne er nicht berichten.
234
Grundsätzlich nach einer Beschreibung der Persönlichkeit des Angeklagten T. befragt, gab der Zeuge … (Haftbeginn: ab 14.11.2022) an, dass T. eher ruhig gewesen sei, aber im Laufe der Haftzeit auch aufgeblüht sei. Er/… glaube, dass sich … eigentlich da ganz wohl fühle. Er habe grundsätzlich weder mit den Mithäftlingen noch in der Arbeit größere Schwierigkeiten gehabt. Wenn er in der Arbeit mal was falsch gemacht und der Vorarbeiter ihn geschimpft habe, habe T. sich immer bemüht, den Fehler auszugleichen, er habe sich eingesetzt.
235
Als er T. im Januar 2023 näher kennengelernt habe, sei er ganz schlank gewesen. Dann habe er auf einmal begonnen, viel zu essen, auch während des Hofganges immer Schokolade und Gummibärchen und habe geäußert: „Ich werde jetzt dick“. Er hatte zu ihm noch gesagt, dass das doch keinen Sinn mache. Zwischenzeitlich sei T. dann tatsächlich richtig dick gewesen. Wenn er ihn heute wiedersehe, sei er schon wieder etwas schlanker.
236
Glaublich im Januar 2023 habe T. mal einen Armbruch oder so etwas gehabt; wie es dazu gekommen sei, wisse e… nicht.
237
Insgesamt könne er … nach seiner Einschätzung angeben, dass T. zu Beginn ihrer gemeinsamen Haftzeit kindlich, naiv und unreif gewesen sei, mit der Zeit aber in seiner Persönlichkeit gewachsen sei. Daher habe er den Eindruck, dass T. die U-Haft eigentlich gut tue. Er habe sich zunehmend geöffnet, sich etwa mehr mit anderen getroffen (Hofgang/Aufschluss), in der Gemeinschaft seinen Platz gefunden. Auch habe T. eine gewisse Selbstsicherheit im Gefängnis aufgebaut, z.B. beim Schachspielen, wo er eigentlich fast immer alle besiegt habe. In der Arbeit habe er zunehmend mehr Aufgaben zugeteilt bekommen, die Arbeiten zunehmend besser erledigt, was ihn mit Freude und Stolz erfüllt habe.
238
Der Zeuge …z (Haftbeginn: ab 03.06.2023) beschrieb S. T. als einen guten Typ, ruhig, zurückhaltend, fleißig und hilfsbereit. Daher seien sie auch beim Hofgang und Aufschluss wieder mal zusammen gewesen, hätten etwa zusammen Schach gespielt (T. spiele sehr gut) oder Tischtennis. T. sei von anderen Leuten gepiesackt worden, wegen der Tat, die er angeblich begangen habe (Mord an H.), aber nie laut oder aufbrausend geworden.
239
Der Zeuge A… (Haftbeginn: ab 03.11.2022) gab allgemein nach einer Beschreibung, Charakterisierung des S. T. gefragt, an, dass der Angeklagte sehr zurückgezogen, ruhig sei. S. rauche nicht. Beim Hofgang sei er oft allein gewesen, mit gesenktem Kopf, traurig.
D.II.7. Zeugen, die Wahrnehmung betreffend einen Jogger in der Nacht 02./03.10.2022 machten
240
Der Zeuge … Automobilkaufman war in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 mit seiner Schwester, einem Freund und zwei Freundinnen Besucher im Club „E.“. Da er an diesem Abend Fahrer war, trank er keinen Alkohol.
241
Zwar konnte er im Rahmen seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung die genauen Zeiten betr. das Verlassen des Clubs etc. nicht mehr angeben. Auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 28.12.2022 äußerte er jedoch, dass er dort grundsätzlich hinsichtlich der Zeitangaben noch eine bessere Erinnerung gehabt und das, was er dort gesagt habe, stimme: Ab 22:15 Uhr/22:30 Uhr im „E.“ – gegen 02:00 Uhr Verlassen des Clubs – gegen 02:10 Uhr Abfahrt vom Festhallenparkplatz in die K.-Straße Richtung A..
242
Er habe dabei am Steuer gesessen. Im Bereich der Felder zwischen HohenA. und A. sei auf dem neben der Fahrbahn befindlichen Geh-Radlweg ein Jogger (Laufrichtung A. Richtung HohenA./„E.“) entgegengekommen. Er/… sei ja gefahren und habe den Jogger nur etwa 2 sec. lang wahrgenommen. Der Jogger, der in normalem Joggingtempo unterwegs gewesen sei, sei dunkel gekleidet gewesen, habe eine Stirnlampe getragen. Er habe eigentlich nicht auf die Kleidung geachtet. Der Jogger habe aber, es sei ja kalt gewesen, eine lange Hose angehabt, die ausgeschaut habe, wie eine Legging.
243
Auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 28.12.2022, in der der Zeuge ebenfalls nach der Kleidung des wahrgenommenen Joggers befragt wurde und äußerte: Was ich sicher sagen kann ist, dass der Jogger eine schwarze lange Hose anhatte, eventuell eine Legging, äußerte der Zeuge, wenn er das damals so gesagt habe, dann stimme das auch. Er… habe sich dann kurz mit seinen Mitfahrern darüber unterhalten, dass es schon ungewöhnlich sei, dass um die Uhrzeit einer jogge.
244
Auf Nachfrage äußerte der Zeuge, dass es richtig sei, dass zwischen Fahrbahn und Geh-/Radweg noch ein etwa 1 m breiter Grünstreifen sei.
245
Der Zeuge …, welcher selbst in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ab ca. 22:00 Uhr/22:30 Uhr Besucher des „E.s“ war, gab an, anlässlich dieses Besuches dort auch zufällig die H. getroffen und kurz mit ihr geratscht zu haben.
246
Er selbst habe um 02:18 Uhr – das wisse er so genau, weil er sein Anrufprotokoll durchgeschaut und zu diesem Zeitpunkt ein Telefonat geführt habe – den „E.“ verlassen und sei mit seinem Bekannten … in Richtung K.-Straße gegangen, von dort auf dem rechten Gehweg Richtung A.. Auf Höhe des Gasthofs „B.“, K.-Straße 75a, sei ihnen gegen geschätzt 02:20 Uhr/02:25 Uhr eine joggende Person entgegen gekommen. Die Person sei kurz auf die Straße ausgewichen, habe typische Laufkleidung getragen, wenn er diese auch nicht näher beschreiben könne. Er könne auch nicht sagen, ob es sich um eine männliche oder eine weibliche Person gehandelt habe.
247
Die Zeugin …, die bis 02:20 Uhr/02:25 Uhr ebenfalls im „E.“ gefeiert hatte, begab sich danach zu ihrem auf dem Festhallenparkplatz geparkten Fahrzeug. Auf dem Weg dorthin sei ihr ein Jogger entgegengekommen und an ihr vorbeigelaufen. Das habe nur Sekunden gedauert. Ihrer Erinnerung nach habe er Laufbekleidung, etwas Sportliches, angehabt, nichts, was für einen Diskothekenbesucher üblich sei. Genauer könne sie aber die Kleidung nicht beschreiben. Auf Vorhalt ihrer zeitnahen polizeilichen Aussage, der Jogger habe eine kurze Hose angehabt, äußert die Zeugin, dass sie das zeitnah gewusst und wahrheitsgemäß angegeben habe.
248
Der Zeuge …, welcher selbst in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 nicht im „E.“ war, hat – wie von dieser glaubhaft und glaubwürdig bestätigt – absprachegemäß seine Freundin, die Zeugin …, am „E.“ abgeholt. Anhand der Recherche seiner WhatsAppNachrichten konnte er glaubhaft nachvollziehen, um 02:12 Uhr auf dem Festhallenparkplatz zwecks Abholung der Freundin eingetroffen zu sein. Auch dies bestätigte die Zeugin …, die den WhatsAppChatVerkehr von den frühen Morgenstunden des 03.10.2022 im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme vorlegte: Danach schrieb ihr … um 02:12 Uhr: „Ich bin da“, um 02:14 Uhr „am Parkplatz“. Nachdem er einmal sein Auto (damit andere ausparken konnten) umgesetzt gehabt habe (in 2. Reihe hinter geparkten PKW’s im Bereich des Durchbruchs vom Parkplatz zur S.-Straße stehend), habe er zwischen 02:25 Uhr und 02:30 Uhr dort einen „Jogger“ beobachten können, der aus Richtung K.-Straße kommend über den Parkplatz in Richtung Festhalle gelaufen sei, was er als komisch empfunden habe. Er könne erinnern, dass dieser Jogger eine Stirnlampe getragen habe, sonst keine Kopfbedeckung. Er glaube die Person habe keinen Bart getragen. Zudem könne er erinnern, dass die Person eher von sportlicher Statur gewesen sei (drahtig, hager), und eine Windbrakerjacke getragen habe. Ob auf dieser eine Aufschrift gewesen sei, wisse er nicht.
249
Auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage betreffend die Beschreibung dieser Person – Ausdauerlauftempo, keine Brille, heller Hauttyp, kurze Hose – äußerte der Zeuge S., dass er dies heute nicht mehr erinnern könne, aber damals bei der zeitnahen polizeilichen Vernehmung die Wahrheit gesagt habe. Die Person sei an seinem Auto vorbei gejoggt und dann im Dunkel verschwunden.
250
Der Zeugen … und … zeichneten jeweils in eine Skizze (diese wurden als Anlage zu Protokoll genommen) ihren jeweiligen Standort und die von ihnen wahrgenommene Laufrichtung des Joggers ein.
251
D.II.8. Zeugen, die in der Nacht 02./03.10.2022 unmittelbar vor oder nach H. W. den „E.“ verließen bzw. dorthin fuhren
252
Der Zeuge R… welcher in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 den Club „E.“ von etwa 22:30 Uhr an besucht hatte, verließ den Club gegen ca. 02:35 Uhr/02:40 Uhr. Er gab an, sein Fahrzeug (um mögliche Beschädigungen zu vermeiden) etwas weiter weg vom Club in der Straße „A.“, Nähe Waldrand, geparkt zu haben. Um 02:48 Uhr tätigte er einen Anruf, um ca. 03:30 Uhr (Fahrstrecke von A. bis nach Hause etwa eine halbe Stunde) sei er zu Hause angekommen.
253
Beim Verlassen des Clubs und auf dem Weg bis zu seinem Fahrzeug sei ihm nichts aufgefallen (zu den Örtlichkeiten und der Folgerung daraus vgl. Ziff. D.II.19.8.7.2.1.).
254
Der Zeugin …, welche ebenfalls in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 den Club „E.“ von etwa 22:30 Uhr an besucht hatte, verließ den Club gegen ca. 02:30 Uhr, ganz genau wisse sie das aber nicht mehr.
255
Sie habe dann mit ihrem Freund … dem beim Anstellen vor dem „E.“ schlecht gewesen und der deshalb nicht mit rein gegangen sei, sondern sich vielmehr im Burghotel (Eingang befinde sich an der Hauptstraße, K.-Straße 94), wo ihrer Mutter ein Zimmer gehöre und sie beide übernachten wollten, bereits hingelegt hätte, auf dem Heimweg telefoniert (ihr Freund habe den Schlüssel gehabt und hätte ihr öffnen müssen), ebenso auf dem Heimweg ein Handyvideo von sich selbst gedreht.
256
Auf Bitte des Gerichtes zeigt die Zeugin das Video, welches sie nach Einbiegen von der S.-Straße auf die K.-Straße begann zu „drehen“, vor: Es weist den Zeitstempel 03.10.2022, 02:40 Uhr, auf. Die Zeugin erläutert dazu, dass sie dieses Video von sich selbst beim Einbiegen in die K.-Straße gestartet habe. Im Hintergrund hört man Regen, es ist dunkel, lediglich eine Straßenlaterne ist zu sehen.
257
Der Zeuge … schilderte den Abend in Übereinstimmung mit der Zeugin …. Er konnte anhand seines Handys – der entsprechende Chat befindet sich abfotografiert im Akt und wurde mit dem Zeugen sowie allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen – die Zeiten dahingehend präzisieren, dass … ihm am 03.10.2022 um 02:27 Uhr die Nachricht schickte: „Schläfst du?“. Da er geschlafen habe, habe er die Nachricht nicht mitbekommen. Kurze Zeit später habe ihn … angerufen und davon sei er aufgewacht. Um 02:38 Uhr habe … eine weitere Nachricht geschickt: „Bin gleich da!“. Erst im Hinblick auf diese Nachricht sei er dann aufgestanden, habe das Zimmer verlassen – dieses liege im 3. Stock des Hotels, Blickrichtung X. Weg, nicht Richtung K.-Straße – und sich zum Haupteingang begeben. Bis … da gewesen sei, habe das nur wenige Minuten gedauert.
258
Auf Nachfrage gab die Zeugin … an, ihr sei kein Jogger aufgefallen. Auch der Zeuge … konnte nichts Verdächtiges berichten, nahm keinen Schrei und keine Personen wahr, als er in der Tür des Hotels stehend (einige Minuten nach Eingang der Nachricht von 02:38 Uhr) auf seine Freundin wartete, deren letzte „Strecke“ bis zum Eingang er auch sah.
8.2. Zeugen „Wendevorgang“ im Bereich „A.“
259
Die Zeugen … und … besuchten am 03.10.2022 gemeinsam den Club „E.“:
260
Sie fuhren zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr von Rosenheim kommend im Fahrzeug des M. über die Autobahn A 8, die Ausfahrt Frasdorf nach A. und von dort aus weiter nach HohenA.. Während die Zeuginner … und … auf der Rücksitzbank saßen, war …u Fahrer und …c Beifahrer.
261
Die Zeugin … hatte ein Navi zur Hand und wies … u an. Dies gab sie in Übereinstimmung mit der Zeugir … an.
262
Anstelle – wie beabsichtigt – auf Höhe der S.-Straße nach rechts abzubiegen und den dortigen Festhallenparkplatz anzusteuern, sei … ein paar Meter zu weit gefahren. Dies sei aber sofort bemerkt worden. Die Zeugin … habe, da ihr dies auf dem Navi sofort aufgefallen sei, auch sofort „Stopp“ gerufen. … sei nicht schnell gefahren. Er habe daraufhin das Fahrzeug gewendet (nach Schätzung der Zeugini … nach evtl. 200-300 m).
263
Den Zeugen … wurde jeweils ein Plan der Örtlichkeit vorgelegt. Alle 3 Zeugen lokalisierten den Wendevorgang im Einfahrtsbereich zur Straße „A.“. …u habe eigentlich auf der K.-Straße gewendet, sei nur leicht in den Einfahrtsbereich der Straße „A.“ hineingefahren. Der Wendevorgang sei maximal 1-2 Minute vor dem (nach dem Wenden und zurückfahren) erfolgten Einbiegen in die S.-Straße (um 02:36 Uhr auf der Kamera des Clubs „E.“ erfasst) erfolgt.
264
Weiterhin gaben die 3 Zeugen anhand des vorgelegten Planes an, dass … sicher nicht bis in den Bereich der im weiteren Straßenverlauf erkennbaren Linkskurve (Höhe Burghotel) gefahren sei, ehe er wendete.
265
Zudem haben die Zeugen … und … weder im Bereich S.-Straße bis zu dem Ort des Wendens (Bereich „A.“) noch beim Zurückfahren bis zur S.-Straße irgendwelche Auffälligkeiten feststellen können, auch keinen Jogger (mit Stirnlampe) oder eine Frau, wobei … nach ihren Angaben mit dem Navi beschäftigt gewesen sei und nicht nach draußen geschaut habe, … sich im Bereich „A.“, als … das Fahrzeugwendete, jedoch umgeschaut und nichts gesehen habe (Heckscheibe frei).
266
Der Zeuge …u konnte sich weder an die Sitzordnung im Auto erinnern, noch daran, wo, wann und ob ihm gegenüber jemand gesagt hat, „Hey, du bist falsch gefahren!“. Er erinnerte lediglich, dass eine der mitfahrenden Personen ein Navi gehabt habe. Was gesprochen wurde, erinnert er auch nicht. Auch auf Vorhalt des Ortsplanes konnte er die Geschehnisse nicht erinnern.
267
Der Zeuge … nahm anhand eines GooglePlanes die Abmessung der Strecke Zufahrt zum Festhaltenparkplatz/S.-Straße bis zur Einmündung der Straße „A.“ vor. Die Ausmessung laut Google ergab eine Strecke von ca. 60 m.
D.II.9. Zeugen zum Zustand der H. W. in der Nacht 02./03.10.2022 und ihrem generellen Trinkverhalten
268
Soweit Zeugen zum Zustand der H. W. in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 Angaben machen konnten, insbesondere zu ihrer Alkoholisierung und deren Folgen, war festzustellen, dass H. zwar angetrunken, aber nicht sinnlos betrunken gewesen ist.
269
Der Zeuge …k beschrieb sie als müde (so auch die Zeugin …) und ausgelaugt, angetrunken. Er sah aber ebenso wie die Zeugen … (war von etwa 00:30 Uhr bis 04:30 Uhr im „E.“), … (sie war von ca. 23:15 Uhr bis 03:30 Uhr/04:00 Uhr im „E.“) nicht aber, dass H. sich etwa irgendwo hätte festhalten müssen, getorkelt wäre, gelallt oder sich gar übergeben hätte. Die Zeugen … L… gaben an, dass sie auch gemeinsam mit H. getanzt hätten und insoweit keine Ausfallerscheinungen festzustellen gewesen seien. Der; …, welcher in der Nacht vom 02. auf den 03.10. 2022 bis ca. 01:30 Uhr im „E.“ feierte, gab an, H. W. dort gesehen zu haben, sie habe auch Alkohol getrunken, sei lustig und fröhlich drauf gewesen. Man habe ihr angemerkt, dass sie etwas getrunken hatte, er habe aber keine Ausfallerscheinungen gesehen, habe normal mit H. reden können.
270
H. habe gemeinsam mit ihrem Nachbarn, dem … nach Hause gehen wollen, dazu sei sie nach Einschätzung der Zeugen (z.B. J. N.) auch in der Lage gewesen. Lediglich die Zeugin …, die in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ab etwa 00:30 Uhr bis ca. 02:15 Uhr im „E.“ war, schilderte, dass H. W. auf sie einen stark betrunkenen Eindruck gemacht habe. Das mache sie/… ch daran fest, dass sie H. gefragt habe, was mit ihrer (H.’s) Hose sei (die sei eine Seite aufgerissen gewesen, man habe die Unterwäsche gesehen und auch etwas Bein und Haut). H. habe darauf nicht geantwortet. Dies habe sie … h auch dazu veranlasst, H. zu fragen, ob man sie mit nach Hause nehmen könne. Da habe H. auch nicht gleich geantwortet. Nach mehrfacher Nachfrage habe H. geäußert, dass sje gleich ums Eck wohne und mit ihrem Nachbarn heimgehe.
271
Übereinstimmend schilderten die Zeugen (J…), dass H. – wie in der jeweiligen Clique üblich – beim Fortgehen und den sog. „E.abenden“ nach dem Vorglühen auch in den jeweiligen Lokalitäten und Clubs Alkohol (meist Mixgetränke oder Schnaps) konsumiert habe. H. habe etwas vertragen. Auch wenn sie angetrunken gewesen sei, habe man mit ihr reden können. Keiner ihrer Bekannten konnte angeben, dass sie beispielsweise nicht mehr habe laufen oder tanzen können. Wenn H. angetrunken gewesen sei, sei sie lustig gewesen, eher aufgedreht, habe auch eher mal Bekannte urnarmt. H. habe sich auch angetrunken immer im Griff gehabt, unter Kontrolle. Ausfallerscheinungen bei H. im angetrunkenen Zustand wie Torkeln oder sich Übergeben schilderte keiner der Zeugen.
272
Der Zeuge …, Nachbar der H. W. schilderte, dass er sich konkret am 02.10.2022 gegen etwa 17:00 Uhr mit H. zusammengeschrieben und ein Vorglühen für den Abend bei der … die auch in A. im C. wohne, ausgemacht habe. Anschließend habe man gemeinsam in den Club „E.“ gehen wollen, ein Tisch sei bereits reserviert gewesen.
273
Da es so stark geregnet habe, habe er dann gegen 20:00 Uhr die H. mit dem Pkw abgeholt, gemeinsam seien sie zu … gefahren.
274
Bei diesem „Vorglühen“ seien er ( …), H. W., … und …er zugegen gewesen.
275
Diese Personen gaben als Zeugen binvernommen glaubhaft und glaubwürdig an, dass Alkohol konsumiert worden sei (Bier, Wein, Pfefferminzschnaps), es seien auch Trinkspiele gemacht worden. Übereinstimmend äußerten alle Zeugen, dass sich die Menge des Alkoholkonsums im Rahmen des Üblichen gehalten habe, alle dann bei Aufbruch des Freundeskreises gegen 23:00 Uhr in Richtung „E.“ angetrunken und lustig gewesen seien, aber nicht betrunken. Ausfallerscheinungen, insbesondere auch von H. W. wurden negiert.
276
Während die anderen mit dem Auto Richtung „Eiskelter“ gefahren seien, sei er/S… mit H. W. zu Fuß dorthin gegangen. Am Festhallenparkplatz habe seine Freundin (…) mit ihrer Schwester … absprachegemäß auf ihn gewartet.
277
Im „E.“ hatte zwar der … mit H. W. ab und an sporadisch Kontakt, sie auch mal auf der Tanzfläche wahrgenommen (ohne, dass ihm Ausfallerscheinungen aufgefallen wären) im Wesentlichen hat sich der Freundeskreis (… er, …) dann dort aber „aus den Augen verloren“, jeder sprach mit zufällig getroffenen Bekannten und Freunden.
278
Um kurz vor 02:30 Uhr habe – so der Zeuge … – er in der Discothek mit H. W. – sie habe heim gewollt, weil sie ani nächsten Tag habe nach Rumänien fliegen wollen – vereinbart, dass man sich gemeinsam zu Fuß auf den Heimweg mache. Zusammen hätten sie dann den Eingangsbereich passiert.
279
Ihm sei aber wegen des Alkoholkonsums schlecht gewesen und er habe sich hinter einer Steinmauer versucht zu übergeben. Anschließend sei er nochmal in den „E.“ gegangen und habe kurz seiner Freundin … gesprochen, sie gefragt, ob sie mitkomme, da ihm schlecht sei und er mit H. heimgehen wolle. Die Freundin habe aber noch nicht heim gewollt, weshalb er ihr (es sei beabsichtigt gewesen, dass sie bei ihm schlafe) den Haustürschlüssel gegeben habe.
280
Als er dann wieder am Eingangsbereich der Discothek gewesen sei, habe er H. W. nicht finden können. Er habe versucht, sie um 02:36 Uhr und 02:37 Uhr auf deren Mobiltelefon zu erreichen, was allerdings nicht gelungen sei; er habe nur die Mailbox erreicht. Er habe sich dann nichts weiter gedacht, weil H. an dem Abend kein Datenvolumen mehr auf ihrem Handy gehabt habe. Deswegen habe er die fehlende Reaktion nicht hinterfragt.
281
Um 02:38 Uhr habe er eine WhatsAppNachricht mit dem Inhalt „H.?“ geschrieben und sei, nachdem er nochmals versucht habe, sich zu übergeben, zu Fuß in Richtung seiner Wohnanschrift gegangen.
282
Auf dem Weg dorthin habe er einen Anruf (ca. gegen 03:00 Uhr) seiner Freundin … erhalten, dass diese jetzt doch zusammen mit ihrer Schwester den „E.“ verlassen würde. Zu diesem Zeitpunkt sei er auf Höhe des Hotels „Berge“, K.-Straße 85, bei dem dortigen Baum gewesen.
283
Der Zeuge zeichnete dies in eine Lageskizze ein und erläuterte diesen Punkt im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme allen Verfahrensbeteiligten.
284
Anschließend sei er wegen dieses Anrufes seiner Freundin umgekehrt und zurück zum „E.“ gegangen. Dort habe er dann aber ca. eine halbe Stunde draußen gewartet, Weil es der Schwester seiner Freundin schlecht gegangen und diese gemeinsam mit der Freundin auf dem Klo gewesen sei. Er selbst habe vor dem „E.“ unter einem Regenschirm sitzend gewartet, ihm sei schlecht gewesen, ihm sei nichts aufgefallen, z.B. auch kein Jogger. Letztendlich sei er dann erst gegen etwa 03:30 Uhr/03:45 Uhr gemeinsam mit seiner Freundin zu Hause gewesen (deren Schwester sei mit einem anderen Freund heimgefahren).
285
Die Zeugen … (Geschäftsführer des „E.s“) und … (Eigentümer des „E.s“) berichteten übereinstimmend, die H. als Stammkundin des „E.s“ gekannt zu haben. Sie sei der klassische Normalgast gewesen, habe natürlich auch Alkohol konsumiert, aber nie krasse Ausfallerscheinungen wie Torkeln o.ä. gezeigt.
286
Auf Frage zum Alkoholkonsum ihrer Tochter H. schilderten die Zeugen … W. übereinstimmend, dass diese vor dem Feierngehen mit ihren Freunden und Bekannten schon immer vorgeglüht habe. Das Vorglühen habe auch oft bei ihnen im Haus stattgefunden, da sie ja so nah zum „E.“ wohnen würden. Im „E.“ seien die Getränke so brutal teuer, dass die jungen Leute sich das kaum leisten könnten. Sie hätten ihre Tochter aber dabei nie betrunken mit Ausfallerscheinungen wie etwa Torkeln o.ä. gesehen.
D.II.10. Kein Streit, keine Auffälligkeiten zwischen H. W. und einer anderen Person in der Nacht 02./03.10.2022 (oder davor)
287
Die Zeugen … (bis ca. 04:30 Uhr im „E.“), … (bis ca. 02:15 Uhr im „E.“), … (bis ca. 03:30 Uhr/04:00 Uhr im „E.“), … (bis ca. 03:00 Uhr/03:30 Uhr im bzw. in unmittelbarer Nähe des „E.s“), … t (bis ca. 04:00 Uhr/05:00 Uhr im „E.“), … (bis ca. 04:45 Uhr im „E.“), … er (bis ca. 04:00 Uhr/05:00 Uhr im „E.“), … (bis ca. 01:30 Uhr/01:45 Uhr im „E.“), … (bis ca. 05:00 Uhr/06:00 Uhr im „E.“), … (bis ca. 03:00 Uhr im „E.“), … (bis ca. 01:30 Uhr im „E.“), …er (hat am 02./03. 10.2022 als Barkeeper im „E.“ gearbeitet), …er (E.betreiber, die vom 02. auf den 03.10.2022 vor Ort waren), … er (bis ca. 05:00 Uhr/06:00 Uhr im „E.“) gaben übereinstimmend glaubhaft und glaubwürdig an, dass H. W. in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 im Club mit niemandem einen Konflikt/Streit gehabt oder es auffallende Ereignisse („Anmache“ durch andere Personen) gegeben habe. Auch ist keinem der einvernommenen Zeugen aus dem Bekannten- und Freundeskreis der H. W. bekannt gewesen, dass sie etwa gestalkt worden sei.
288
Die Eltern von H. W.l, die Zeugen … W., gaben übereinstimmend an, dass H. zwar viele Verehrer gehabt habe, aber keinen Stalker. Ihnen sei nicht bekannt, dass ihre Tochter mit Freunden oder Bekannten Streit gehabt habe, weder in ihrer Heimat A. am Chiemsee noch in Cluj/Rumänien, wo sie studiert habe.
D.II.11. Zeugen zur Person der H. W.
11.1. Eltern … und …s W. und Bruder … W.
289
Von ihren Eltern, den Zeugen … und … W., wurde H. glaubhaft und glaubwürdig als liebenswerter, hilfsbereiter, weltoffener Mensch (sie sei oft und gerne gereist, auch spontan) beschrieben, welcher auf andere zugeht, Gespräche sucht, Streitigkeiten aus dem Wege geht. Beide Eltern betonten, dass man eigentlich mit H. gar nicht habe streiten können. Sie sei auch nicht unvorsichtig oder naiv gewesen, habe ein gutes Menschengespür gehabt, sie sei „taff“ gewesen. Nach dem Abitur im Jahr 2017 sei sie alleine 3 Monate durch Australien, Neuseeland und Thailand gereist. Sie habe andere Menschen respektiert und sei immer auf Ausgleich bedacht gewesen, Streit aus dem Weg gegangen. Sie sei nie zornig oder aufbrausend gewesen. Sie sei respektvoll gewesen, habe etwa nie über einen anderen Menschen gesagt, er sei blöd.
290
Ebensowenig habe es Streitigkeiten oder auch nur Spannungen in der Familie gegeben. Es sei auch nicht so gewesen, dass es innerhalb der Familie „Allianzen“ gegeben habe. H. sei, wie erwähnt, sehr selbstständig gewesen, habe sich betreffend ihre Person und ihr Leben keinerlei Sorgen gemacht. Ihre Sorgen seien wenn überhaupt eher genereller Natur gewesen (globale Sorgen etwa betreffend den Klimawandel, Sorgen bezüglich der hohen Grundstückspreise im C. etc.).
291
Diese Beschreibung des Charakters und der Persönlichkeit von H. teilte auch ihr Bruder, der Zeuge … W., der nochmals besonders betonte, dass sie immer Rücksicht auf andere genommen habe, man mit ihr habe kaum streiten können, sie keinen festen Freund, aber auch keine Feinde oder Stalker gehabt habe. Sie sei ein Mensch voller Lebensmut und Lebensfreude mit vielen Freunden und Bekannten gewesen, lebenslustig und weltoffen.
11.2. Charakter der H. W. (Freunde und Bekannte)
292
Auch von ihren Freunden und Bekannten (…) wurde H. W. durchweg als liebenswürdig, nicht streitlustig und aufbrausend, respektvoll gegenüber anderen Menschen, hilfsbereit und vermittelnd beschrieben. Auseinandersetzungen zwischen H. und anderen Personen in Form von Streitigkeiten o.ä. schilderte niemand, ebenso wenig, dass H. gestalkt worden wäre.
11.3. Üblicher Heimweg von H. W. nach „E.-Besuchen“
293
Die Eltern … und … W. schilderten dass H. nach „E.besuchen“ grundsätzlich die K.-Straße entlang bis nach Hause … gegangen sei.
294
Dies wurde in gleiche Form geschildert durch die Zeugen … und … (Nachbar von H.), ebenso aber auch durch ihren Bruder … W..
11.4. Beschädigung der Hose von H. W. am 03.10.2022
295
Auf den mit allen Verfahrensbeteiligten durch Abspielen in Augenschein genommenen Videosequenzen (vgl. nachfolgend Ziff. D.II.17.3.1.) ist zu sehen, dass der seitlich angebrachte Reißverschluss (links) der von H. W. in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 getragenen Hose einen Defekt aufwies, so dass ein kleiner Teil nackter Haut sichtbar war und H. die Hose mehrmals „hochzog“.
296
Neben der Zeugin … (Ziff. D.II.9.) hat auch die Zeugin … diesen Defekt wahrgenommen und beschrieben.
297
Die Zeugin … W. (von Beruf Schneiderin) schilderte, dass die Hose aus Lederimitat gewesen sei, der Reißverschluss sei seitlich angebracht gewesen. Die Hosenbeine seien bis zu den Knien hauteng gewesen, unten habe die Hose aber einen Schlag gehabt. Sie habe die später gefundene Hose gesehen und sei sich eigentlich sicher, dass dies eine Hose gewesen sei, die sie oben im Bund abgenäht (enger genäht) habe, H. habe eine sehr schmale Taille gehabt. H. habe Schuhgröße 40-41 gehabt.
D.II.12. Zeugeneinvernahmen des S. T. 21.10.2022 und 10.11.2022
298
Die Polizeibeamtin und Zeugin KHK’in … war für die SOKO „Club“, welche aus verschiedenen Ermittlerteams bestand, tätig und im Zuge dieser Tätigkeit u.a. Vernehmungsbeamtin des am 21.10.2022 und am 10.11.2022 als Zeuge einvernommenen S. T. gewesen.
299
Es sei so gewesen, dass über die Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd am 19.10.2022 ein Zeugenaufruf zur Identifizierung der durch drei unabhängige Zeugen benannten Person, die mit Stirnlampe als Jogger im Bereich A. im C. – HohenA. am 03.10. 2022 in der Zeit zwischen 02:15 und 02:30 Uhr gesehen worden sei, veröffentlicht worden sei. Auf diesen Zeugenaufruf habe sich am 20.10.2022 um 06:52 Uhr die Mutter von S. T. T. bei dem Hinweistelefon gemeldet und angegeben, dass ihr Sohn S. vermutlich der gesuchte Jogger sei. Diese Spur habe dann sie/… zur Abarbeitung vorgelegt bekommen und zunächst bei … T. zurückgerufen, diese telefonisch belehrt und eigentlich auch vorladen wollen, Aufgrund von Zeitprobleemen sei es dann aber nicht zu einer förmlichen Vernehmung von … T. gekommen.
300
Wohl sei aber S. T. für den 21.10.2022 zur Zeugeneinvernahme vorgeladen worden und in der Mittagszeit gegen 13:00 Uhr dann auch auf der Polizeidienststelle erschienen.
301
S. T. sei als Zeuge belehrt worden. S. T. sei zu diesem Zeitpunkt in keinster Form tatverdächtig gewesen. Vielmehr hätten zu diesem Zeitpunkt andere Spuren bei den Ermittlungen im Vordergrund gestanden, wie etwa die Holzkernuhr und die Frage, wem diese gehöre. Es sei darum gegangen, ob T. etwas bemerkt/gesehen habe, was ggf. eine Spur ergeben könnte. Er habe zusammengeht angegeben, dass er in dieser Nacht nicht habe schlafen können und daher um ca. 02:00 Uhr nachts von zu Hause aus zum Joggen aufgebrochen sei. Er trainiere für den Halbmarathon. Dem S. T. sei eine Landkarte, in die er seine Laufstrecke habe eintragen sollen, vorgelegt worden. Diese Karte sei zunächst nicht so klar und deutlich gewesen, man habe polizeilicherseits erst mal eine bessere Karte Ausgedruckt. Auf dieser habe S. T. dann seine Laufstrecke eingetragen. Demnach sei er von daheim, … vom … im C., losgelaufen, über den Kampenwandparkplatz sowie einige kleinere Straßen und letztlich in der Nähe der Kinderheilstätte in Haindorf angekommen. Dort sei die Straße gesperrt gewesen, weshalb er den gleichen Weg zurückgelaufen sei, Richtung EDEKA und von dort in Richtung Kreisverkehr sowie entlang der Hauptstraße (Bahnhofstraße, die dann in HohenA. K.-Straße heiße) in Richtung …. In der Bahnhofstraße in A. sei auch das Lokal „Chalet“. Wieder in HohenA. angekommen, sei er nicht über die S.-Straße Richtung Club „E.“ gelaufen, sondern nach Durchqueren eines Durchbruches in der Mauer beim Parkplatz über den Festhallenparkplatz, an dessen Ende wieder auf die Straße zurück bis zur Wohnanschrift im X. Weg ... Die Laufstrecke sei 5-6 km gewesen.
302
Mit der Zeugin und allen Verfahrsbeteiligten wird die von S. T. im Rahmen der Zeugeninvernahme am 21.10.2022 angegebene und auf einer Karte eingezeichnete Laufstreck in Augenschein genommen.
303
Insbesondere im Bereich Festhallenparkplatz/Club „E.“ habe er ein paar Leute gesehen, auch ein Auto mit Standlicht bemerkt, es sei ihm nichts Besonderes aufgefallen.
304
Die Zeugin KHK’in … gab weiterhin an, dass S. T. anach befragt worden sei, warum er in der Nacht zwischen 02:00 und 03:00 Uhr laufe und dabei den Durchgang des Festhallenparkplatzes genutzt habe. T. habe drei Grunde angegeben, einmal, dass er gehofft habe, einen Spezl zu treffen/zu sehen. Er sei durch den Durchbruch in der Mauer zum Festhallenparkplatz gelaufen, weil die Leute, die üblicherweise vor dem Club „E.“ rumstehen würden, sonst gedacht hätten, er sei blöd und schließlich sei es so, dass die S.-Straße, wenn der Club „E.“ geöffnet habe, grundsätzlich gesperrt sei.
305
S. T. habe auch die von ihm in der Nacht am 03.10.2022 laut seiner Aussage getragene Laufbekleidung zusammengeknüllt mitgebracht gehabt: Eine schwarze Softshelljacke mit der reflektierenden Aufschrift „Bergwachtjugend A.-Samerberg“ und eine Stirnlampe. Eine Hose habe er nicht dabei gehabt. Im Verlaufe der Vernehmung vom 21.10.2022 habe er aber von sich aus angegeben, dass er eine lange Jogginghose zum Laufen angehabt habe.
306
Zur ungewöhnlichen Zeit des Joggens befragt, habe S. T. erwähnt, dass er grundsätzlich nach der Arbeit so gegen 20:00 Uhr laufe. In dieser Nacht aber sei er gejoggt, weil er nicht habe schlafen können. Wenn es stark regne, laufe er grundsätzlich nicht. Zum Zeitpunkt des Joggens am 03.10.2022 habe es aber nicht stark geregnet, nur leicht genieselt. Er habe zu dieser Zeit weder sein Handy noch seine Laufuhr dabei gehabt. Er gehe, wenn er nachts laufe, über die Terrassentüre vom Wohnzimmer raus (werde nicht verschlossen, ziehe er nur hinter sich zu) und komme so auch wieder zurück, dann wecke er keinen auf.
307
Weiter habe T. angegeben, dass er ab und zu in den „E.“ gehe, nicht aber in der Nacht zum 03.10.2022 dort gewesen sei. Er kenne die H. nicht, auch nicht vom Sehen und auch nicht vom „E.“.
308
Die Zeugin betonte nochmals, dass es zum Zeitpunkt der Zeugeneinvernahme von S. T. am 21.10.2022 überhaupt keinen Hinweis gegeben habe, dass dieser Täter sein könnte oder einen unmittelbaren Tatbezug habe.
309
Auch gab sie an, dass sie ihn in der Hauptverhandlung am 13.10.2023 nicht wiedererkannt habe; er sei ein Jahr zuvor, am 21.10.2022, sehr zierlich und drahtig gewesen, nunmehr aber kräftig, er habe sich optisch/äußerlich sehr verändert.
310
In diesem Zusammenhang wurden mit der Zeugin und allen Verfahrensbeteiligten die im Zuge der Zeugeneinvernahme am 21.10.2022 von S. T. gefertigten Lichtbilder (Ziff. D.II.17.2.5.) in Augenschein genommen, auf denen die sportliche, schmale, aber drahtige Physiognomie des Angeklagten deutlich erkennbar ist.
311
Weiterhin führte die Zeugin aus, dass – dies sei auch im Protokoll der Zeugeneinvernahme vom 21.10.2022 vermerkt worden – S. T. bei seinem Eifitreffen bei der Polizei sehr blass gewesen sei, vor Beginn der Vernehmung auch einen nervösen Eindruck gemacht habe. Sie habe ihn nach seinem Befinden befragt. Daraufhin habe er geantwortet, dass er bis 12:00 Uhr gearbeitet habe und schon alles passe. Die Zeugeneinvernahme vom 21.10.2022 habe von 13:15 bis 14:20 Uhr gedauert. S. T. habe vor Beantwortung einzelner Fragen immer wieder längere Zeit nachgedacht.
312
Insgesamt sei S. T. aber nicht deutlich nervöser gewesen, als andere Personen seines Alters, die auf der Polizeidienststelle als Zeugen einvernommen würden.
313
Weil S. T. im Rahmen seiner 1. Zeugeneinvernahme am 21.10.2022 selbst erwähnt habe, dass er sich zur fraglichen Tatzeit in der Nähe des vermutlichen Tatortes aufgehalten habe, hätten sich polizeilicherseits noch einige Nachfragen gestellt. Das sei ein Grund gewesen, weshalb S. T. am 10.11.2022 nochmal zur Zeugeneinvernahme vorgeladen worden sei, Ein anderer sei gewesen, von ihm am 21.10.2022 überlassene Gegenstände (Fitnessuhr und Handy) zurückzugeben. Am 10.11.2022 sei dann nach Belehrung die 2. Zeugenvernehmung durchgeführt worden (von 15:05 Uhr bis 17:12 Uhr). Auch zu diesem Zeitpunkt sei S. T. in keinster Weise tatverdächtig gewesen.
314
Am 10.11.2022 habe er eine lange Hose dabei gehabt und angegeben, dass er sich sicher sei, eine solche lange Hose beim Joggen in den frühen Morgenstunden des 03.10.2022 getragen zu haben. Bei Übereichen der Hose habe er zudem erwähnt, dass polizeilicherseits ja ein Jogger mit kurzer Hose gesucht werde. Daraufhin habe sie ihn gefragt, ob er meine, dass ein zweiter Jogger unterwegs gewesen sei, was T. verneint habe.
315
Er habe nochmals seine Laufstrecke eingezeichnet.
Mit der Zeugin und allen Verfahrensbeteiligten wird die von S. T. Rahmen der 2. Zeugeneneinvernahme am 10.11.2022 angegebene und auf einer Karte eingezeichnete Laufstrecke in Augenschein genommen.
316
Ebenso werden die Lichtbilder der von S. T. am 10.11.2022 mitgebrachten Hose, nach seinen Angaben habe er eine solche am 03.10.2022 getragen, in Augenschein genommen (Ziff. D.II.17.2.6., Bl. 382 f. d.A.). Es handelt sich nicht um eine Legging, vielmehr um eine weitere Hose, einer Trekkinghose ähnlich.
317
KHK’in … referierte, dass S. T. nunmehr den Beginn der Laufstrecke etwas anders als am 21.10.2022 beschrieben habe. Er sei von daheim losgelaufen, in die K.-Straße abgebogen und über Aufham in Richtung Kinderklinik A. gelaufen. Dort sei die Strecke gesperrt gewesen, sodass er die gleiche Strecke bis Aufham zurück gelaufen, rechts abgebogen und wieder auf die K.-Straße gekommen sei, wo er bis zum Kreisverkehr beim EDEKA und dann auf der Bahnhofstraße Richtung … gelaufen sei. Der Rest der Joggingstrecke sei von T. gleich beschrieben worden. Er habe die Laufstrecke aber nicht mehr mit 5-6 km, sondern mit 6-7 km angegeben. Außerdem habe S. auch ausgeführt, dass er für 1 km normalerweise 5 Minuten brauche, d.h., wenn man das hoch rechne, 6 km in 30 Minuten, er sei in der Nacht aber gemütlich gelaufen.
318
In dieser 2. Zeugeneinvernahme habe S. T. auch den Spezl, den er eventuell im Bereich „E.“ habe treffen/sehen wollen, als … angegeben. Er sei zudem nach Freunden gefragt worden, habe den Namen … genannt. Zudem habe er angegeben, noch nie eine Beziehung gehabt zu haben.
319
Auch hinsichtlich der Beantwortung der Frage, wie oft e…r, bereits im Club „E.“ gewesen sei, habe es kleine Widersprüchlichkeiten gegeben: Nachdem er zunächst (21.10.2022) davon gesprochen habe, dass er dort ab und zu hingehe, habe er am 10.11.2022 erst ausgeführt, dass er dort einmal, dann, dass er dort zweimal gewesen sei.
320
Im Rahmen der Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 sei S. T. zudem auch gefragt worden, von wem er über das gewaltsame Ableben der H. erfahren habe. Er habe erklärt, dass er das von seiner Mutter erfahren habe, das habe er mehrfach gesagt. Er habe auch gesagt, dass er halt mit seiner Mutter über den Marathon geredet habe und, dass er an dem Tattag gelaufen sei. Dann sei die Rede auf das Unglück gekommen, dass da passiert sei.
321
Sie/KHK’in … labe nachgefragt, wann er mit der Mama darüber geredet habe und T. habe geantwortet, dass das an diesem Montag gewesen sein müsse, als er in der Nacht beim Laufen gewesen sei. Später habe er auch in Rosenhelm24 darüber gelesen. Er habe nicht erzählt, dass er diese Information etwa von der Feuerwehr, der Bergwacht oder der Wasserwacht gehabt habe. Betreffend den Zeitpunkt, wann er von dem Gewaltverbrechen gegen H. erfahren habe, habe S. T. also selbst zunächst vom Montag, dem 03.10.2022, gesprochen, dies auch mehrfach (… Ich glaube eher, das ist doch der Montag war, dass ich davon erfahren habe …). In der 2. Zeugenvernehmung habe S. auch erwähnt, dass er am Montagabend, als er aus Traunstein, da war Ich bei der … (…tl), nach Hause gekommen Ist, von der Mama, von diesem Tötungsdelikt erfahren hat. Erst als ihm vorgehalten worden sei, dass das Gewaltverbrechen erst am Montag spätabends bekannt geworden sei, gab er an, dass er sich mit dem Montag nicht mehr sicher sei. Er sei dabei geblieben, H. überhaupt nicht gekannt zu haben.
322
S. T. sei außerdem nach dem Ablauf des Montags, 03.10.2022, befragt worden. Er habe angegeben, am 03.10.2022, nachdem er gegen 10:00 Uhr aufgestanden sei, etwas mit der … ausgemacht und gemacht zu haben, er wisse aber nicht ehr, was und wie dann i.E. der Montag abgelaufen sei.
323
Schließlich gab die Polizeibeamtin und Zeugin KHK’in … an, dass S. T. im Rahmen der Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022, nachdem er angegeben habe, auf Rosenheim24 das mit der H. gelesen zu haben, ohne jeglichen Tatverdacht oder Hintergedanken gefragt worden sei, was er denn denke, was passiert sei, da man sich ja zu solchen Vorfällen doch Gedanken mache. T. habe darauf geantwortet, dass er nicht wisse, wie er das jetzt sagen solle. Vielleicht, dass sie irgendjemand mitgenommen habe und sie dann wieder habe aussteigen wollen. Auf Nachfrage, wie er das meine, habe er konkretisierend geantwortet, naja, mit dem Auto mitgenommen und dann habe sie vielleicht wieder aussteigen wollen, er habe sie nicht gelassen und habe sie dann zu etwas zwingen wollen, vielleicht habe er Ihr dann irgendwas draufgehauen oder so. Sie habe nachgefragt, was er ihr denn draufgehauen haben könnte. S. T. habe geantwortet, irgendwas im Auto, was da drin war oder auch schon außerhalb vielleicht Irgend einen Stein oder so. Schließlich habe sie ihn auch gefragt, ob er meine, dass das mit dem Steinschlagen schon zum Tod der H. führen konnte. S. T. habe geantwortet, nein, aber vielleicht, dass er sie überhaupt mitnehmen konnte. Das kann man ja auch nicht wissen, wie hart der drauf schlägt.
324
Bei der 2. Zeugeneinvernahme, bei der T. auch immer wieder bei einzelnen Fragen vor deren Beantwortung erst einige Zeit überlegt, gezögert und z.T. sein Gesicht, seinen Kopf mit beiden Händen gestützt habe, sei es ihr so vorgekommen, dass S. T. froh gewesen sei, als er wieder habe gehen dürfen; dies sei für sie aber auch nicht besonders auffällig gewesen.
325
Zum Abschluss ihrer Einvernahme betonte die Polizeibeamtin und Zeugin KHK’in … nochmals, dass sich weder bei der 1. noch bei der 2. Zeugeneinvernahme von S. T. irgend ein Verdacht auf einen Tatbezug oder ggf. seine Täterschaft ergeben habe, weil Ermittlungen gegen ihn sich noch nicht konkretisiert hätten, weshalb S. T. auch nicht audiovisuell vernommen worden sei.
326
D.II.13. Freitag, 18.11.2022
327
13.1. Festnahmebeamte
Die Polizeibeamten und … hatten am 18.11.2022 den Auftrag zur vorläufigen Festnahme von S. T.. Dazu kam es (nach Ausfertigung des Haftbefehles) dann auch gegen Mittag (13:31 Uhr) im Bereich der A 93, kurz vor Kufstein. Die Zeugen berichteten keinerlei besonderen Auffälligkeiten.
328
13.2. Durchsuchungsmaßnahmen im Hause T. am 18.11.2022
329
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK … war im gegenständlichen Verfahren am 18.11.2022 ab 16:30 Uhr im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen im Zimmer des Angeklagten T. an dessen Wohnanschrift … im C. beteiligt.
330
Ziel der Durchsuchungsmaßnahmen sei gewesen, Kleidungsstücke (die S. T. beim Joggen am 03.10.2022 getragen haben könnte), Gegenstände (die er an diesem Tag mitgeführt haben und die als Tatwerkzeug in Betracht kommen könnten), evtl. das Handy der H. W. (dieses sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefunden gewesen) und ggf. Übertragungsspuren (z.B. Blutantragungen o.ä.), die mit dem Ableben von H. hätten in Verbindung gebracht werden können, zu finden und sicherzustellen.
331
S. T. sei bei der Durchsuchungsmaßnahmen nicht zugegen gewesen, wohl aber seine Eltern und seine Schwester ….
332
Zusammenfassend könne er … sagen, dass hauptsächlich eine Vielzahl von Kleidungsstücken (insbesondere Trainingshosen, Lauf-T-Shirts), aber auch Boxershorts, Stirnlampen und Handys sichergestellt und später spurentechnisch untersucht worden seien. Handys seien insgesamt 3 gefunden worden (Mobiltelefon Oukitel WP 7, Xiaomi MI A2 Lite blau und Xiaomi Redmi Note 9 S).
333
Es seien keinerlei Gegenstände aufgefunden worden, die als mögliches Tatwerkzeug in Frage gekommen wären.
334
Auch hätten sich in dem Zimmer keinerlei Hinweise gefunden, die für einen Drogen- und/oder Alkoholkonsum gesprochen hätten.
Von dem Zimmer des S. T. seien am 18.11.2022 Lichtbilder gefertigt (Ziff. D.II.17.2.7.) worden. Diese wurden mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.
335
Den Lichtbildern ist zu entnehmen, dass das Zimmer in einem extrem unordentlichen und verwahrlosten Zustand war (etwa zwischen Bett und Wand Essensreste, die bereits Schimmel angesetzt hatten, Herumliegen verschmutzter Kleidungsstücke auf dem gesamten Fußbodenbereich, mit verschiedenen Körperflüssigkeiten verschmutztes Bettlaken und benutzte Kondome). Neben Tisch, Schrank (in welchem nur noch wenige Kleidungsstücke waren) und Bett waren in dem Zimmer auch Sportgeräte (Bauchtrainer).
336
Anlässlich der Durchsuchung des Wohnanwesens der Familie T. und insbesondere des Zimmers des Angeklagten S. T. war auch die Zeugin KK’in … zugegen. Diese schilderte, dass sie Skizzen von den einzelnen Räumlichkeiten des Hauses (Keller, Erdgeschoss und 1. Stock) gefertigt habe. Insgesamt sei das Haus unordentlich und dreckig gewesen, viele Sachen hätten auf dem Boden gelegen.
337
In das Zimmer des Angeklagten sei sie nicht hineingegangen, da zu diesem Zeitpunkt dort die Spurensicherung gearbeitet habe. Sie habe aber einen Blick hineingeworfen. Auch das Zimmer von S. T. habe einen extrem dreckigen Eindruck gemacht, es habe augenscheinlich älterer Abfall auf dem Boden gelegen, ebenso jede Menge Wäsche, die nach ihrem Eindruck nicht sauber gewesen sei.
339
Anlässlich der Wohnungs-/Zimmerdurchsuchung beim Angeklagten am 18.11.2022 seien – so die Polizeibeamtin und KHM’in … – verschiedene Gegenstände (Stirn-/Lauflampen) und v.a. Bekleidung (Laufshirts, Laufhosen, türkisfarbener Hoodie) sichergestellt und dann Spurensicherungsmaßnahmen im Hinblick auf molekulargenetische Spuren sowie teilweise auf daktyloskopische Spuren durchgeführt worden.
340
Betreffend eine Softshelljacke mit der Aufschrift „Bergwacht“ auf dem Rücken, die im Unterschied zu den meisten anderen Kleidungsstücken einen frisch gewaschen Eindruck gemacht habe, hatten sich unter Infrarot Antragungen gezeigt, die später ebenfalls untersucht worden seien.
342
14.1.1. Aussage Hauptverhandlung
343
Die Zeugin … wurde am 17.10.2023 und am 07.12.2023 im Beisein ihres Zeugenbeistandes einvernommen.
344
Nachdem seitens aller Verfahrensbeteiligten einschließlich der Pflichtverteidiger des Angeklagten T. am 17.10.2023 erklärt worden war, dass zunächst auf eine konfrontative Befragung der Zeugin … verzichtet werde – die Pflichtverteidigung wollte zugunsten des Angeklagten ihm den Aspekt des höheren Gewichts eines evtl. im Raum stehenden Geständnisses bewahren –, war diese für den 07.12.2023 beabsichtigt und erfolgte auch in Anwesenheit der Pflichtverteidiger und der Wahlverteidigerin. … wurde im Beisein ihres Zeugenbeistandes am 07.12.2023 vor Vernehmungsbeginn ausführlich gem. § 55 StPO, insbesondere auch § 55 Abs. 1 2. Alt. StPO (Gefahr der Strafverfolgung für eine der in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen – konkret ihre Schwester …) belehrt.
345
Die Belehrung erfolgte im Hinblick auf Widersprüche in den Aussagen zwischen … und … bezüglich einer möglichen Bedrohung der … durch S… mit einem Messer. Betr. Fragen diesbezüglich, durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung sie ihre Schwester der Gefahr aussetzen würde, insoweit wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, berief … sich auf § 55 Abs. 1 2. Alt. StPO, im Übrigen war sie aussagebereit.
… ist die jüngere Schwester der … und mit S. … befreundet gewesen. Sie habe ihn über … kennengelernt. Sie wisse nicht, dass T. eine feste Freundin habe.
346
Am 17.10.2023 im Rahmen ihrer 1. Zeugeneinvernahme vor Gericht berichtete sie, dass sie am 03.10.2022 mit ihrer Schwester … sowie S. und dem … am Chiemsee beim Tischtennisspielen gewesen sei.
347
S. T. habe so gegen 14:30 Uhr – die Uhrzeit wisse sie nicht mehr ganz genau – sich mit ihrer Schwester zusammengeschrieben. Es sei dann das Tischtennisspielen am Chiemsee für den Nachmittag ausgemacht worden.
348
Sie sei mit ihrer Schwester losgefahren, erst hätten sie noch den … abgeholt, seien danach nach Übersee gefahren. Sie hätten dann so etwa 1-1 1/2 Stunden (bis etwa 17:30/18:00 Uhr) gespielt und danach so allgemein geratscht.
T. habe völlig unvermittelt berichtet, dass in A. eine Frau umgebracht worden sei. Er habe gesagt, es habe „In A. einen Mord gegeben, bei dem eine Frau getötet wurde“, ob wir das schon gehört hätten. Den Namen H. habe er nicht genannt. Sie … sei perplex gewesen.
… und … (= …) hätten nicht so weit weg gestanden. Ob sie das aber tatsächlich gehört hätten, können sie nicht sagen.
349
Sie sei sich sicher, dass das am 03.10.2022, eben der Feiertag, gewesen sei … labe ansonsten auch keine Zeit, da er werktags bis spät abends arbeiten müsse. Ihre Schwester … habe sie anschließend nach Hause gefahren. Sie wisse nicht, was ihre Schwester nach dem Tischtennis noch gemacht habe.
350
Die Zeugin … führte weiter aus, dass sie selbst erst 1-2 Tage später von der verfahrensgegenständlichen Tat aus den Medien, genauer C.24, erfahren habe.
351
Auffallend – so … weiter – sei gewesen, dass der Angeklagte sich nach dem 03.10.2022 beinahe täglich bei ihnen in Bergen/Bernhaupten aufgehalten und auch dort übernachtet habe, z.T. im Auto vor ihrer Wohnung. Sie habe den Eindruck gehabt, dass … sich habe verstecken wollen. Nach dem 03.10.2022 habe S. auch viel getrunken, sich zugeschüttet und sich öfters bei ihnen zu Hause übergeben. Unter Alkoholeinfluss habe sie bei ihm keine Änderung im Verhalten gegenüber Mädchen festgestellt.
352
Er sei auch am 17.11.2022 zuhause bei ihnen in Bergen/Bernhaupten gewesen. Man habe zusammen gesessen und getrunken. Dabei sei ihre Schwester und ihre Mutter gewesen, aber auch der … S. T. habe an dem Abend ziemlich viel getrunken und sich später übergeben müssen. Ihre Schwester … habe erzählt, dass sie an diesem Tag von der Polizei vernommen worden sei. Welche Fragen und welchen Inhalt diese Vernehmung gehabt habe, sei nicht besprochen worden.
353
Der S. habe an dem Abend des 17.11.2022, als kurz über H. gesprochen worden sei, auch gesagt: „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht“.
354
Der Angeklagte habe sich eine Beziehung mit ihrer Schwester … oder jedenfalls intime Kontakte gewünscht. Dies schlussfolgere sie daraus, dass er sich ihr öfter zugewendet und sie auch mehrfach – trotz entgegenstehenden Willens ihrer Schwester … – angefasst, seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt habe und dann oberhalb der Kleidung mit seiner Hand weiter nach oben, Richtung Intimbereich, gegangen sei. Am intensivsten mit dem Anfassen sei das mal im Auto gewesen, da sei sie dabei gewesen (sie hätten auf einem Parkplatz gestanden, … sei auf dem Fahrersitz gesessen, S. auf dem Beifahrersitz und sie hinten). Sie habe ihm dann klargemacht, dass er das nicht machen soll; dann habe er das gelassen. Sie … und … hätten S. auch mal gefragt, warum er das mache, da habe er nicht geantwortet. … habe aber mit S. nie Stress gehabt.
355
Am 07.12.2023 in Anwesenheit auch der Wahlverteidigerin im Rahmen ihrer 2. Zeugeneinvernahme vor Gericht wiederholte … zunächst, dass sie S. über ihre Schwester …, da beide in der gleichen Schule und befreundet gewesen seien, kennengelernt habe.
356
Ebenso schilderte sie nochmals, nicht zu wissen, ob S. eine feste Freundin oder evtl. mit Mädchen Schwierigkeiten gehabt habe. Sie wissen nur, dass er mal auf … gestanden sei, ihre Schwester … von ihm aber nichts gewollt habe. Sie beschrieb erneut den Vorfall im Auto, wo S. ihre Schwester am Oberschenkel anlangte, weiter rauf gegangen sei. … habe das nicht gewollt, das auch gesagt. S. habe aber nicht aufgehört. Sie sei dazwischen gegangen und habe die Hand vom S. weggezogen. Gewalt sei von Seiten des S. nicht im Spiel gewesen. Das im Auto sei aber keine „neckische“ Stimmung gewesen, sondern schon Ernst. … habe halt gesagt, dass sie das nicht mag, er solle aufhören. Das habe S. aber eben einfach nicht gemacht.
357
Zum Ablauf des 03.10.2022 befragt, äußerte sie, dass sie sich nicht an alle Details des Tagesablaufes erinnern könne, aber noch wisse, dass sie gemeinsam mit ihrer Schwester … dem S. T. und dem … (= …) am späten Nachmittag, glaublich zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr beim Tischtennisspielen am Chiemsee gewesen sei. Wie der Ort genau heiße, wisse sie nicht. Da sei ein großer Kiesparkplatz, eine Wiese, im Sommer glaublich Badeplatz, und dann eben der Tischtennisplatz gewesen.
358
Nachdem sie etwa 1-1 1/2 Stunden dort gespielt hätten, seien sie zurück zum Parkplatz, hätten zu viert am Auto ihrer Schwester gestanden.
359
Nach Aufforderung durch das Gericht stellte die Zeugin … dies nach und platziert die 4 Personen in dem Abstand, wie er sich am 03.10.2022 dargestellt habe. Der Abstand betrug danach ca. 1-1,5 m zu jeder Person.
360
Sie hätten geredet, worüber genau wisse sie nicht mehr. S. T. habe dann spontan gesagt: „Habt ihr schon gehört, da ist in A. ein Mädl umgebracht worden.“ Er habe keinen Namen genannt, auch nicht irgend etwas Konkretes über das mögliche Geschehen.
361
Ob … und … das auch gehört hätten, wisse sie nicht. Sie habe das angenommen, dass die beiden das gehört hätten, aber sie wisse es eben nicht, weil die glaublich gerade was anderes miteinander geredet hätten. Deshalb habe sie auch bei ihrer Vernehmung am 22.11.2022 – dies betonte die Zeugin nach entsprechendem Vorhalt – geäußert: „Ja, das haben die …, der … und ich so mitbekommen. Die anderen beiden, wie gesagt, … und … müssten das auch gehört haben, die waren bei diesem Gespräch definitiv mit dabei“.
362
S. habe das so nebenbei, in normalem Tonfall in die Runde gesagt.
363
Sie wisse jetzt nicht mehr, ob S. mit ihnen (ihr, ihrer Schwester … und dem …) oder selbst gefahren sei.
364
Jedenfalls habe nach dem Tischtennisspielen ihre Schwester sie und den … ann heimgefahren.
365
Sie meine, sie habe später mit denen auch nicht mehr über die Äußerung des S.s gesprochen.
366
Soweit ihr vorgehalten wurde, dass sie in ihrer polizeilichen Aussage vom 22.11.2022 geäußert habe, „wir waren alle drei ziemlich geschockt, als uns das der S. erzählt hat und haben uns dann schon noch gegenseitig gefragt, wie sowas passieren kann“, antwortete die Zeugin …. Es könne sein, dass sie eventuell noch darüber gesprochen hätten, sie könne sich daran aber heute nicht mehr erinnern. Vielleicht sei das eine Schlussfolgerung durch sie durch die Umstände gewesen.
367
Ihre Schwester sei dann kurz daheim gewesen, das glaube sie. Sie wisse nicht, was … dann noch am 03.10.2022 gemacht habe.
368
Zuhause habe sie – so … weiter – aber nachgeschaut, ob da was passiert sei. Sie glaube sie habe in Google „Mord in A.“ eingegeben, da habe noch nichts darüber dagestanden.
369
Dass das am 03.10.2022 gewesen sei, mache sie daran fest, dass es der Feiertag gewesen sei und; … nur an Feiertagen Zeit habe, am Nachmittag was zu machen. Danach habe sie sich krank gefühlt (Corona gehabt).
370
Am 17.11.2022 sei bei ihnen zu Hause eine Party gewesen. Da wäre neben ihrer Mutter und ihrer Schwester auch der S. T. und der … dabei gewesen.
371
Sie hätten zusammen gehockt und getrunken. Wann genau die Party begonnen hätte, könne sie nicht sagen.
372
Es sei dann so gewesen, dass sie schon kurz über den Fall H. geredet hätten. … sei an dem Tag ja bei der Polizei gewesen. S. habe zu Beginn des Treffens auf der Couch gesessen, sie/… und ihre Mutter am Tisch. Da habe der S. dann völlig unvermittelt gesagt: „Ja, ich war’s, Ich hab sie umgebracht“. Alkohol sei zu diesem Zeitpunkt noch kaum geflossen.
373
Die Verteidigung machte der Zeugin diesbezüglich mit Nachdruck einen falschen Vorhalt und behauptete – entgegen den tatsächlichen Feststellungen und der Aussage des … im Rahmen der Hauptverhandlung –, dass der ebenfalls anwesende … als Zeuge ausgesagt habe, das Geständnis nicht gehört zu haben. Die Zeugin … blieb trotzdem sicher und konstant dabei, dass S. T. in die Runde gesagt hat: „Ja, ich war’ s, ich hab sie umgebracht“.
374
Sie hätte sich dann mit ihrer Mutter und ihrer Schwester angeschaut. Sie habe sich (unausgesprochen, also) gedacht, ob der S. das überhaupt ernst gemeint habe, weil sie ihm das nicht zugetraut habe. Sie könne sich nicht mehr erinnern, dass da nachgefragt worden sei. Sie sei über diese Äußerung aber schockiert gewesen. S. T. sei, bevor er diese Bemerkung gemacht habe, nicht aufgezogen worden von den anderen Anwesenden.
375
Auf Vorhalt ihrer Aussage vom 22.11.2022 bei der Polizei, wo sie gefragt wurde, ob es an diesem Abend irgendwelche Auffälligkeiten gegeben habe und diesbezüglich folgende Antwort der Zeugin protokolliert wurde: „Es waren lediglich Smalltalk Themen, über die wir uns unterhielten. Es wurde auch kurz über den Tod von H. gesprochen, aber nur sehr kurz und nichts Spezielles“ – äußerte die Zeugin, dass sie bei der Polizei sehr nervös gewesen sei und einiges vergessen habe, auch sei sie ja nicht konkret danach gefragt worden.
376
Später – nach der Festnahme vom S. – habe sie mit dem … der bei der Party am 17.11.2022 dabei gewesen sei, auch noch mal über die Bemerkung vom S. an diesem Abend – „Ja, ich war’s, ich hab sie umgebracht“ – gesprochen.
… habe ihr gesagt, dass er das auch gehört habe und, dass er es brutal fände, dass S. das gesagt habe. Tatsächlich äußerte … n seiner Zeugenvernehmung vor Gericht, dass er das Geständnis des S. T. ehört hat (vgl. Ziff. D.II.14.10.).
… habe aber auch – so … weiter – geäußert, dass er das in diesem Moment nicht ernst genommen habe, weil er das dem T. nicht zugetraut habe.
377
Weiter gab sie an, sie hätten zwar alle den ganzen Abend Alkohol getrunken. Aber erst nachdem S. das gesagt habe, habe er so richtig Alkohol getrunken und sich dann auch erbrochen.
378
S. sei dann ja festgenommen worden, am darauffolgenden Tag (18.11.2022). Sie wisse aber den Zeitpunkt und die Umstände, wann und wie sie das erfahren habe, heute nicht mehr. Soweit sie erinnern könne, habe … im Internet gelesen, dass einer in der Sache H. festgenommen worden sei, auch das Alter habe da gestanden. Da habe sie zunächst aber noch nicht geglaubt, dass es sich bei der festgenommenen Person um S. gehandelt habe. Ein paar Tage später sei das dann aber klar gewesen.
379
Nach der Festnahme von S. habe sie mit ihrer Schwester … und ihrer Mutter über diesen Satz, den S. am 17.11.2022 so unvermittelt geäußert habe, geredet. Sie drei hätten das S. eigentlich nicht zugetraut.
380
Zum Verhalten des S. im zeitlichen Kontext der Geschehnisse machte die Zeugin – … die unter Ziff. D.II 6.11. dargestellten Angaben.
381
Zwischen dem 03.10.2022 und seiner Festnahme habe S. schon auch erzählt, dass er bei der Polizei zur Vernehmung gewesen sei. Ob und ggf. was zum Inhalt dieser Vernehmung durch S. gesagt worden sei, wisse sie heute aber nicht mehr.
382
Auf Nachfrage der Verteidigung konnte die Zeugin … keine Sprachnachricht von ihrer Schwester … am 05.10.2022, 15:04 Uhr, erinnern, auch nicht einen Inhalt selbiger und auch nicht, ob sie darauf geantwortet habe.
383
Auf weitere Nachfrage gab sie an, dass sie mit ihrer Schwester … arüber geredet habe, dass diese bei der Polizei eine Aussage gemacht habe und umgekehrt. Sie könne aber nicht mehr sagen, ob sie sich über die Fragen und Aussagen bei der Polizei ausgetauscht hätten, auch nicht, ob sie nach der Ladung aber noch vor der Vernehmung bereits darüber gesprochen hätten. … habe irgendwie Angst gehabt, mit reingezogen zu werden, hätte Angst vor der Vernehmung gehabt, wenn sie etwas Falsches sagen würde. Sie/… habe ihrer Schwester… gesagt, dass diese keine Angst haben brauche, nur sagen solle, was sie wirklich wisse. … habe ihr dann auch gesagt, dass sie nur das gesagt habe, was sie zum Zeitpunkt der Vernehmung gewusst habe. … steigere sich aber gerne in Sachen rein, mache sich einen Kopf und mache sich selber fertig. Dann sage sie auch mal sowas wie mit der Angst, eingesperrt (U-Haft) zu werden. Dies sei eine eigene Befürchtung der … gewesen. … sei mit den Daten nicht mehr ganz sicher gewesen.
384
Bei der 1. polizeilichen Vernehmung sei auch nicht nur davon gesprochen worden, dass der S. etwas damit zu tun haben könne (Tatverdacht bestand nicht nur gegen T.). Es seien zwei Namen genannt worden, denjenigen, der außer dem Namen T. gefallen sei, könne sie aber nicht mehr erinnern. Auf Vorhalt, dass sie bei der Vernehmung am 22.11.2022 gefragt worden sei, ob sie mit Herrn T. oder mit dem Herrn … verwandt oder verschwägert sei, gab die Zeugin an: Ja, das bin ich gefragt worden, um diesen Namen hat es sich gehandelt.
385
Auf Nachfrage des Sachverständigen Dr. … erklärte die Zeugin … dass ihr nie aufgefallen sei, dass S. T. etwa krasse Geschichten aus der Zeitung übernehme oder etwas übertrieben darstelle.
386
14.1.2. Aussage … bei der Polizei (am 22.11.2022 und 24.01.2023)
387
Der Polizeibeamte und Zeuge KOK … gab an, sowohl die Vernehmung am 22.11.2022 als auch im 24.01.2023 mit der … durchgeführt zu haben.
388
Der Zeuge referierte betreffend die 1. Zeugeneinvernahme am 22.11.2022 (von 15:42 Uhr – 16:40 Uhr) zusammenfassend, dass … geäußert habe, dass sie, ihre Schwester … und S. T. sich am Nachmittag des 03.10.2022 zum Tischtennisspielen beim Strandbad in Felden/Übersee getroffen hätten. Das Treffen habe um etwa 17:00 Uhr stattgefunden. Als die Gruppe gegen 18:00 Uhr/18:30 Uhr zum Fahrzeug de … am Parkplatz zurückgegangen sei, habe S. T. zu ihr … gesagt, dass „in A. eine Frau umgebracht worden ist“, „es in A. einen Mord gegeben hat“. Den Namen des Opfers habe er nicht genannt. Diese Aussage hätten auch ihre Schwester … und der … mitbekommen können. Ob sie (also … und …) das tatsächlich mitbekommen hätten, wisse sie… nicht. Sie sei sich sicher, dass dies an dem Feiertag, Montag 03.10.2022, gewesen sei. Das könne sie auch daran festmachen, dass der … (= …) sonst um diese Zeit (am Nachmittag) gar nicht etwas mit ihnen machen könnte wegen der Arbeit.
389
Weiter habe die … m Rahmen der 1. Zeugenvernehmung ausgeführt, dass sich … dann später glaublich noch mal mit dem S. T. getroffen habe, da sei sie aber nicht dabei gewesen.
… habe angegeben, dass sie selbst von dem Gewaltverbrechen erst 1-2 Tage später aus den Medien erfahren habe.
390
Thema sei bei der 1. Vernehmung am 22.11.2022 schließlich auch der 17.11.2022 und die „Hausparty“ bei den … an diesem Tag in Bergen/Bernhaupten gewesen. An diesem Tag sei … ja bei der Polizei einvernommen worden. S. T. habe an diesem Tag sehr viel getrunken, habe sich auch übergeben müssen und habe dann bei ihnen genächtigt, so habe dies die … geschildert.
391
Weiterhin habe … die Persönlichkeit von S. T. beschrieben, auch ein bisschen sein Verhältnis zu ….
392
Bei der 2. Vernehmung am 24.01.2023 (von 16:02 Uhr – 16:24 Uhr) habe … betreffend das verfahrensgegenständliche Geschehen ergänzend angegeben, dass S. ihre Schwester … in sexueller Hinsicht angefasst habe. Das wäre im Auto gewesen, … habe das nicht gewollt und sie habe dann ihrer Schwester geholfen.
393
Auf seine Nachfrage hin zu ggf. stattgehabten Verhaltensänderungen bei S. T. nach dem 03.10.2022 habe sich … dahingehend geäußert, dass S. T. in den letzten Wochen vor seiner Festnahme öfters bei ihnen in Bergen/Bernhaupten gewesen sei. Zuvor hätten sich etwa 2-3 × pro Woche getroffen, dann aber eigentlich täglich. Das sei schon komisch gewesen und ihnen vorgekommen, als wolle S. sich verstecken.
14.2.1. Aussage Hauptverhandlung
394
Die Zeugin … ist die Mutter der Zeuginnen … und … und wohnt mit diesen in Bergen/Bernhaupten.
395
Die Angaben der Zeugin … zur generellen Beschreibung von S. T. wurden unter Ziff. D.II.6.11. dargestellt.
396
Zum Tagesablauf am … konnte die Zeugin keinerlei konkreten Angaben mehr machen.
397
Ihre beiden Töchter hätten oft mit Spezln zuhause bei ihnen gesessen, auch „Hauspartys“ veranstaltet, so auch am Abend des 17.11.2022. S. sei bei ihnen … und … zu Besuch gewesen, auch der … S. sei an diesem Abend auffällig ruhig gewesen, habe gedrückt gewirkt und habe sich allgemein sehr komisch verhalten. Er habe nicht wenig Alkohol (Pfefferminzeschnaps) konsumiert – zunächst mit dem … och etwas bei der Tankstelle oder dem Netto geholt –, sich später übergeben müssen, in dieser Nacht dann auch bei ihnen geschlafen.
398
Noch ehe S. aber betrunken gewesen sei, es sei noch früh am Abend gewesen, habe er auf der Couch sitzend plötzlich gesagt: „Ja, ich war’s. Ich habe sie umgebracht!“ Das habe er einfach so locker flockig gesagt. Wen er dabei angeschaut habe, wisse sie nicht. Die jungen Leute hätten zuvor ein bisschen über das „Thema H.“ gesprochen, über die bereits erfolgten Vernehmungen. An diesem Tag sei … zu ihrer ersten polizeilichen Zeugenvernehmung gewesen. S. T. habe gesagt, dass auch er bei der Polizei im Fall H. gewesen sei, weil er in der Nacht gejoggt sei und sich deswegen gemeldet habe.
399
Die Zeugin … ab weiter an, schockiert auf diese Aussage reagiert und zu … esagt zu haben, dass er sich einen Anwalt nehmen solle. S. T. habe zu keinem Zeitpunkt die Tat abgestritten oder andere Äußerungen dazu getroffen. S. T. habe geantwortet, „wenn er/… ber verhaftet werden würde ….“. Er habe dann noch irgendwas gesagt, das bekomme sie aber nicht mehr zusammen.
400
Bei dieser Aussage von S. müssten, … und der … abei gewesen sein, mit Sicherheit könne sie das aber nicht mehr sagen. Vielleicht hätten sie das auch nicht gehört, es sei Musik gelaufen.
401
Auf Nachfrage, warum sie diesen markanten Satz im Rahmen ihrer 1. Zeugeneinvernahme am 22.11.2022 nicht erwähnt habe, äußerte die Zeugin; … dass sie das nicht wisse, sie habe einfach in der Situation nicht daran gedacht. In der 2. Zeugeneinvernahme am 24.01.2023 habe sie dann alles so vor ihrem inneren Auge gesehen, da sei ihr das plötzlich wieder gekommen.
402
Sie sei – wie gesagt – schockiert gewesen von dieser Aussage des S.’s („Ja, ich war’s. Ich habe sie umgebracht!“). S. sei ja eigentlich ein schüchterner junger Mann gewesen, wenn auch sein Verhältnis zu Mädchen schwierig gewesen sei. Dann sei sie zum Rauchen raus, … (= …) und S. seien auch rausgekommen. Normalerweise rauche S. T. nicht, an diesem Abend habe er aber schon geraucht. Sie habe ihn dann gefragt, seit wann er denn rauche. Da habe S. … aber keine Antwort gegeben.
403
… labe ihr irgendwann mal (zeitlich könne sie das aber nicht mehr einordnen) gesagt, dass sie es schon seltsam finde, dass S. ihr von einem Mordfall in A. berichtet habe, obwohl das zu dem Zeitpunkt eigentlich noch keiner habe wissen können.
404
Nach dem Abend am 17.11.2022 habe, wie bereits erwähnt, S. T. bei ihnen übernachtet, ebenso der … (= …). Beide seien am Morgen weggefahren. … habe später mal erwähnt, dass ihm aufgefallen sei, dass der … da in der Früh besonders seltsam gewesen sein soll. Näheres wisse sie aber nicht. (= …) habe ihr auch noch erzählt, dass T. wohl da in der Früh einen Streit mit seinen Eltern gehabt habe und ein Telefonat dahingehend auch nicht gut ausgegangen sein solle, mehr wisse sie aber auch insoweit nicht.
14.2.2. Aussage … bei der Polizei (am 22.11.2022 und 24.01.2023)
405
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK… hat die Zeugeneinvernahme der … am 22.11.2022 nach Belehrung durchgeführt.
406
Insoweit berichtete er zusammenfassend, dass diese an den Ablauf der Tage 02./03.10.2022 keine konkrete Erinnerung mehr gehabt habe, auch nicht daran, was ihre beiden Töchte … und … an diesen Tagen gemacht hätten.
407
Sie habe aber angegeben, S. T. im 17.11.2022 zuletzt gesehen zu haben. Da habe bei ihnen zu Hause eine „Hausparty“ stattgefunden. Neben ihrer Person, ihren beiden Töchtern und S. – der sei so etwa gegen 19:00 Uhr/19:30 Uhr erschienen – sei auch noch der … (= …) und evtl. der … anwesend gewesen. Man habe sich unterhalten, getanzt und getrunken. S. habe sehr viel getrunken und sich dann im Laufe des Abends auch übergeben müssen. Zuvor sei das Thema auf den „Fall H.“ gekommen, wohl auch, weil ihre Tochter … an diesem Tag zur Zeugeneinvernahme bei der Polizei gewesen sei. Sie habe von dem Gespräch nicht alles mitbekommen. Es sei auch Thema gewesen, dass S. … bereits zweimal bei der Polizei als Zeuge einvernommen worden sei.
408
… habe zur Person des S. zudem geschildert, dass er mit ihrer Tochter … in Niedernfels bis 2019 in der Schule gewesen sei und ihre Tochter … ab 2021 über Instagram/WhatsApp wieder Kontakt zu S. aufgenommen habe, seitdem mit ihm befreundet gewesen sei. Bei ihnen zu Hause sei S. erst ab etwa Ende August 2021 immer wieder gewesen. Er sei ein schüchterner Typ. Anlässlich von Hauspartys und dem Trinken von Alkohol sei er aber lockerer geworden. Weiter habe … geschrieben, dass … en Kontakt zu S. gehalten habe, weil sie eine soziale Ader und S. ihr leid getan habe, da er nicht viele Freunde gehabt habe. Auch sei so gewesen, dass S. nach der Beschreibung von … irgendwie anders als andere Jungs in seinem Alter gewesen sei, wenn sie auch keine Behinderung oder psychische Auffälligkeit geschildert habe.
409
Die 2. Vernehmung der … am 24.01.2023 habe nicht er durchgeführt, sondern die Kollegin ….
410
Die Polizeibeamtin und Zeugin KHK’in … äußerte insoweit, dass bei dieser Vernehmung Thema gewesen sei, dass … ihrer Mutter, der … etwa 1-2 Wochen nach der Festnahme von S. T. erzählt habe, dass T. sie mit einem Messer bedroht habe.
411
… habe ihr das erzählt, auch, dass da zumindest die … dabei gewesen sei.
412
Weiter schilderte die Zeugin KHK’in …, dass … auch angegeben habe, dass S. öfter Taschenmesser dabei gehabt habe. Sie habe auch einen konkreten Vorfall geschildert, als S. an einem Tag auf einem Flohmarkt in Bergen ein solches gekauft und ihr dann stolz gezeigt habe. Er habe eine Affinität zu Messern gehabt.
413
Außerdem sei es nochmals um den 17.11.2022 gegangen. S. soll nach den Angaben der … an diesem Abend erst ganz besonders, auffallend ruhig gewesen sein, später viel Alkohol konsumiert haben, irgendwann mit … auch mal auf dem Balkon eine geraucht haben. Zuvor habe S. noch nie geraucht.
414
An diesem Abend habe nach Angaben der Zeugin … u.a. auch eine Unterhaltung über H. stattgefunden. S. habe geäußert, dass er auch schon zur Zeugeneinvernahme gewesen und in der Nacht gejoggt sei, weshalb er sich auch bei der Polizei gemeldet habe. Schließlich habe … ich die Situation geschildert von diesem Donnerstagabend, dem 17.11. 2022, als S. auf der Couch gesessen und sinngemäß gesagt habe: „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht“. Es sei dann auch noch irgendetwas von seiner Verhaftung geredet worden. … habe angegeben, schockiert gewesen zu sein, sie habe das nicht einordnen können und S. empfohlen, einen Anwalt zu nehmen.
415
Die Zeugin KHK’in … erinnerte zuletzt, dass … in dieser Vernehmung vom 24.01.2023 auch berichtet habe, dass S. auf Krankenschwestern stehen würde, oftmals bei Frauen abgeblitzt und nach Erzählungen immer wieder massiv ausgetickt sei, Aggressionen an den Tag gelegt habe.
416
Die Zeugin … wurde am 19.10.2023 und am 03.11.2023 im Beisein ihres Zeugenbeistandes im Rahmen der Hauptverhandlung vernommen, am 03.11.2023 entsprechend Beschluss vom 26.10.2023 audiovisuell.
417
Sowohl am 19.10.2023 als auch am 03.11.2023 wurde allseits – auch seitens der Pflichtverteidiger des Angeklagten T. – zunächst auf eine konfrontative Befragung der Zeugin … verzichtet. Die Pflichtverteidigung wollte zugunsten des Angeklagten ihm den Aspekt des höheren Gewichts eines evtl. im Raum stehenden Geständnisses bewahren. Die konfrontative Befragung war für den 05.12.2023 beabsichtigt.
418
Am 05.12.2023 berief sich die Zeugin … nach Belehrung über ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO und Rücksprache mit ihrem Zeugenbeistand auf diese Norm.
419
Am 14.12.2023 wurden die polizeilichen Angaben der … vom 17.11.2022, 18.11.2022 und 18.01.2023 durch die Vernehmungsbeamtinnen und Zeuginnen KHK’in … und KK’in … referiert und am 21.12.2023 die audiovisuellen, aufgezeichneten polizeilichen Vernehmungen der … vom 18.11.2022, 11:40 Uhr-13:05 Uhr, und vom 18.01. 2023, 09:43 Uhr-10:52 Uhr, durch Abspielen in Augenschein genommen.
420
Das Berufen auf § 55 StPO durch … am 05.12.2023 war berechtigt, da sie zwar immer wieder den 03.10.2022 als den Tag angab, an dem sie von S. T. erfahren habe, dass in A. ein Mädl umgebracht worden sei. Sie verknüpfte dies mit dem Feiertag und ihren Empfindungen/Verunsicherungen über diese Erzählung am Morgen des 04.10.2022 in der Schule. Allerdings ordnete sie zum einen dieses Gespräch in zeitlicher Hinsicht in die Abendstunden des 03.10.2022 ein und war sich zum anderen – wie sich insb. z.T. aus den durch Abspielen eingeführten Sprachnachrichten vom 17.11.2022 ergibt – auch zeitnah hinsichtlich des Datums, wann sie von S. erfahren hat, dass in A. ein Mädl umgebracht wurde, nicht sicher, ebenso bezüglich der zeitlichen Einordnung anderer Ereignisse (vgl. i.E. Ziff. D.II.16.3.2.).
421
Die Widersprüche konnten, nachdem … sich auf § 55 StPO berief, nicht aufgeklärt werden.
422
Die Kammer geht zwar nicht davon aus, dass … S. T. ewusst zu Unrecht belastet hat. Am 17.11.2022 hat sie die Bedeutung ihrer Aussage aufgrund ihrer erkennbar eingeschränkten geistigen Fähigkeiten (ergibt sich etwa auch daraus, dass sie wie notwendig, vor Beginn ihrer Zeugeneinvernahme von den Vernehmungsbeamtinnen darauf hingewiesen worden war, dass sie sich einen Anwalt nehmen könne und daraus fälschlicherweise folgerte, sie sei auch verdächtig und brauche einen Anwalt; Sprachnachricht vom 17.11.2022, 13:38 Uhr + 13:40 Uhr + 13:43 Uhr, vgl. i.E. Ziff. D.II.16.3.2.). sicher auch nicht erkannt.
423
Zudem ergibt sich aus der Sprachnachricht 17.11.2022, 13:59 Uhr an …, dass sie T. fett in Schutz genommen hat (vgl. i.E. Ziff. D.II.16.3.2.), grundsätzlich also eher entlasten als belasten wollte. Auch der Zeuge … gab etwa an, dass er sich nicht vorstellen könne, dass … dem S. eine reinwürgt. Soweit etwa die Zeugin … angab, … habe es nicht immer so mit der Wahrheit, hat sich dies lediglich auf die „Dreiecks-Beziehung“ zwischen ihr (…) und ihrem Freund … sowie … die D. mit falschen „Anspielungen“ eifersüchtig habe machen wollen, bezogen.
424
Aufgrund der aber bestehenden und nicht aufklärbaren Widersprüche hat die Kammer im Ergebnis die Angaben der … auch nicht soweit sie durch die Vernehmungsbeamtinnen und Zeuginnen KHK’in … und KK’in … referiert bzw. durch die in Augenscheinnahme der audiovisuellen Vernehmungen Gegenstand der Hauptverhandlung waren – im Rahmen der Beweiswürdigung in keinerlei Weise berücksichtigt.
425
Es wird insoweit ausdrücklich vollumfänglich auf die Darlegungen in Ziff. D.II.19.8.6.3. verwiesen.
426
Die Zeugin … führte aus, dass sie sich in der Tatnacht in ihrer Ferienwohnung in der K.-Straße ... (Burghotel) in A. befunden habe. Die Wohnung gehe auf der einen Seite zur Ecke X. Weg/K.-Straße.
427
Nächtens müsse sie meist zwischen 02:15 Uhr/02:45 auf die Toilette. Um dabei nicht völlig wach zu werden, gehe sie die wenigen Meter bis dorthin meist mit geschlossenen Augen.
428
So sei es auch in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 gewesen. Auf dem Weg zur Toilette habe sie dann einen schrecklichen Schrei gehört. Auf dem Rückweg von der Toilette – auch dies sei sozusagen ihr nächtliches Ritual – habe sie kurz auf ihr Handy geschaut, es sei gegen 02:35 Uhr gewesen. Auf dem Rückweg von der Toilette sei ihr nichts mehr aufgefallen.
429
In der Nacht sei sie sich nicht sicher gewesen, ob sie den Schrei geträumt oder dieser echt gewesen sei. Als sie dann 1 oder 2 Tage später von der Tat erfahren habe, sei ihr klar geworden, dass sie den Schrei nicht geträumt habe, sondern dieser real gewesen sei, das sei ihr klar geworden und kein Rückschluss aus nachträglichen Erkenntnissen.
430
Natürlich sei dies ihre Interpretation, für sie sei der Schrei aber kein Hilfeschrei, sondern ein Schrei des Erschrockenseins gewesen. Es sei nur ein Schrei gewesen, von einer jungen Frau. Ein Schrei in Todesangst, wie wenn man eine Person unvermittelt und unkontrolliert von hinten an den Haaren zieht, panisch, außer sich, überrascht.
431
Der Zeuge … gab an, am 03.10.2022, nachmittags, nicht beim Tischtennisspielen am Chiemsee dabei gewesen zu sein. Da sei er sich sicher, da er am 01.10.2022 mit der …einen Streit gehabt habe (sie habe ihm das Wechseln der Winterreifen nicht vergütet), weshalb er sich aus der Gruppe ausgeklinkt habe.
432
Erst ca. 2 Wochen vor seiner polizeilichen Vernehmung (diese war am 06.12.2022) habe er … wieder getroffen, die ihm erzählt habe, dass T. „wegen dem Mord an der H. in U-Haft sitze“. Da seien auch ihre Schwester … und die Mutter … dabei gewesen. Er/… habe sowas dem T. nicht zugetraut.
433
Der Zeuge … der sowohl mit S. T. als auch mit den Zeuginnen … und … befreundet ist, führte aus, dass er von H. W. Tod von Erzählungen seiner Mutter oder seines Onkels – aber erst einige Tage, nachdem das passiert sei – erfahren habe. Wann dies genau gewesen sei, könne er nicht mehr sagen.
434
Ob es am 03.10.2022, dem Feiertag, gewesen sei, als er mit … und … S. … und glaublich dem… am Chiemsee beim Tischtennisspielen gewesen sei, wisse er nicht genau. Er sei mit diesen Personen (ob … überhaupt dabei gewesen sei, wisse er eben nicht mehr) seiner Erinnerung nach nur einmal in Übersee zum Tischtennisspielen gewesen. Grundsätzlich sei es auch so, dass er nur am Samstag, Sonntag oder an Feiertagen nachmittags etwas unternehmen könne, da er ansonsten in der Arbeit sei (immer so bis auf 17:00 Uhr) bzw. dann auf dem Hof seines Onkels helfen müsse.
435
Zu diesem Tischtennisspielen in Übersee sei er nach seiner Erinnerung mit … und … nach Übersee gefahren. Das Treffen habe auch nicht sehr lange gedauert. Sie seien alle wieder gemeinsam zum Auto und … habe ihn heim gefahren.
436
Ob … dann noch etwas vorgehabt habe, wisse er nicht.
437
Er könne sich auf Vorhalt nicht erinnern, dass S. bei der Rückkehr zum Auto etwas gesagt habe wie: „In A. hat es seinen Mord gegeben, eine Frau ist getötet worden!“.
438
Der Zeuge … schilderte, dass er S. T. nach dem sie bis 2019 häufiger gemeinsam (bei den Pfadfindern, Berggehen etc.) etwas unternommen hätten, in den letzten Jahren ein bisschen „aus den Augen verloren hätten“, es sei nur noch eine lose Bekanntschaft gewesen (vgl. Ziff. D. II. 6.2.).
439
Im November 2022 sei er dann telefonisch von der KPI Rosenheim zu einer Zeugenaussage betreffend den S. T. geladen worden.
440
Am 16.11.2022 habe er, weil er sich keinen Reim habe machen können, um was es gehe, den S. angerufen. S. habe ihm erzählt, dass er in der Nacht vom 02. auf den 03.10. 2022 gelaufen sei, beim „E.“ vorbei, um zu schauen, was sich da so tue. Er/… könne sich nicht mehr erinnern, dass S. eine Uhrzeit genannt habe.
441
Auf Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 17.11.2022, dass das nach der Erzählung von S. gegen 02:00 Uhr am Morgen gewesen sein solle, äußerte der Zeuge, das könne schon stimmen, wenn er das damals so gesagt habe.
442
S. habe jedenfalls erwähnt, dass er/T. als Zeuge ausgesagt und dabei auch ihn/… … benannt habe, den er möglicherweise in der Nacht habe treffen wollen. Er selbst habe das Wochenende Samstag bis Montag (01.-03.10.2022) bei seinen Eltern in A. verbracht. S. habe das aber sicher nicht gewusst.
443
Danach gefragt, wann er selbst vom Mord an der H. in A. erfahren habe, äußerte der Zeuge … dass dies am Nachmittag des 03.10.2022 gewesen sei. Da habe er dies über die WhatsApp Gruppe „A.“ erfahren, in der sei u.a. … und … nicht aber der S. T.
444
Dem Zeugen … wurde daraufhin der Chat aus der WhatsApp Gruppe „A.“ (Bl. 462 d.A.) vorgehalten, er las ihn selbst vor. In diesem heißt es:
… de ham die … h. doad in prien gfunden …
… wie kommt die nach kaltenbach in da prien …
445
Der Zeuge äußert dazu, ja dies sei die Nachricht, da habe er sich mit der Zeit/dem Datum wohl vertan.
446
Es wird festgestellt, dass diese Nachricht vom 04.10.2022, 00:10 Uhr bzw. 00:11 Uhr stammt.
447
Betreffend das verfahrensgegenständliche Geschehen (02./03.10.2022) gab die Zeugin … an, dass sie am 02.10.2022 krank und deshalb zu Hause gewesen sei. Sie habe mitbekommen, dass S. T. am 02.10.2022 beim Fabian irgendwie angefragt habe, ob sie gemeinsam fortgehen wollten. … habe dem S. aber abgesagt, da am 03.10.2022 der letzte Tag der Wiesn gewesen sei und sie gemeinsam miT. dort habe hingehen wollen, was sie dann auch gemacht hätten. Auch habe den … (= …) am 02.10.2022 seiner Tante in Wolfratshausen bei Renovierungsarbeiten geholfen, sei spät am Abend zu ihr gekommen und habe die Nacht bei ihr verbracht.
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Es sei in dieser damaligen Zeit aber so gewesen, dass … sie/… habe eifersüchtig machen wollen, auch mit falschen Behauptungen betr. den… … habe was vom … gewollt. Daher habe eine Rivalität zwischen ihnen beiden bestanden…. habe auch mal kurz mit der … rumgeknutscht.
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Über den Mord an der H. habe sie dann aus dem Internet erfahren.
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Nach der Verhaftung des S. T. habe sie von …gehört, dass S. T. sich angeblich Ende Oktober 2022 bis zu seiner Festnahme am 18.11.2022 mit Alkohol „zugeschossen“ habe, davor habe S. eigentlich normal getrunken, so 1-2-3 Bier wie alle. … habe ihm auch mal auf WhatsApp o.ä. ein Bild (an Helloween aufgenommen) vom S. T. gezeigt, wo was von Absturz stand und T. mit einer Flasche zu sehen gewesen sei, da sei S. schon recht betrunken rüber gekommen. … habe dazu auch gesagt, dass das irgendwie auffällig sei, dass T. sehr viel trinke und auch die ganze Zeit in der Arbeit fehle.
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Der Zeuge … ist ein Arbeitskollege und guter Freund von S. T.
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Am 02.10.2022 habe er/… einer Tante bei Renovierungsarbeiten geholfen, sei dann in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 bei seiner damaligen Freundin … gewesen, mit der er am 03.10.2022 nach München auf die Wiesn gefahren sei.
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Der S. habe am 02.10.2022 auf Nacht was mit ihm machen wollen. Er/… habe aber keine Zeit gehabt. S. habe dazu gesagt/geschrieben, dass er dann halt sein Berichtsheft für die Ausbildung schreibe.
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Dass dann am 03.10.2022 eine Frau tot aufgefunden worden sei, habe er aus Rosenheim24 erfahren, nachdem T. ihn gefragt habe, ob er schon was gehört habe. Zeitlich könne er/… das aber nicht mehr einordnen.
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Vielleicht 3/4 Tage nach dem Mord (der sei ja am Feiertag gewesen) habe T. ihn angerufen, weil sein Auto kaputt gewesen sei.
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T. sei aber um die Zeit krankgeschrieben (04. und 05.10.2022) gewesen, habe ihm gegenüber erklärt, er sei erkältet. Da habe er/… sich noch gedacht, wenn der T. schon so viele Fehltage habe, könne er mit einer Erkältung doch in die Arbeit gehen.
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Er habe dann das Auto angeschaut, da seien vorne rechts Reifen und Felge, Stabilisator und Querlenker kaputt gewesen. T. habe aber schon im Baumarkt einen Wagenheber gekauft und den Reifen gewechselt gehabt.
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… habe gesagt, dass er über irgendwas drübergefahren, draufgerumpelt sei, Baumstumpf, oder so. Das sei irgendwie auf einem Waldweg gewesen in der Mittagszeit. T. der ihm gegenüber geäußert habe, er sei gefahren, habe auch erzählt, dass das Fahrzeug so einen Meter hochgesprungen sei. T. sei recht schnell, nachdem er den Führerschein gemacht habe, wie ein Wilder Auto gefahren, rasant und unvorsichtig.
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Jedenfalls habe er/… Ersatzteile bestellt und mit dem T. das Auto repariert. Während T. a bei ihm gewesen sei, habe plötzlich seine Mutter angerufen. Die Mutter habe zu S. gesagt, er müsse schnell nach Hause kommen, wegen dem Fall von der H.. Eigentlich habe S. ihm den Inhalt des Telefonats gar nicht erzählen wollen, es dann aber, als en/… nachgebohrt habe, doch gemacht. S. sei da auch irgendwie sehr nervös gewesen. Obwohl sein Auto noch gar nicht fertig repariert gewesen sei, sei er dann mit dem Auto heimgefahren.
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S. habe – das könne er aber zeitlich nicht mehr einordnen – auch mal gesagt, zum G. seien sie (T. + …) nicht an dem Tag im „E.“ gewesen, weil da wurde ja die eine da ermordet und sie hätten ja eigentlich am 02.10.2022 dort auch feiern wollen.
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S. T. habe ihm gegenüber nie gesagt, dass er Hauptverdächtiger sei. Er/… habe aber mal in dem Zusammenhang was davon erzählt, dass er in der Nacht, wo das mit der H. passiert sei, nachdem er an seinem Berichtsheft geschrieben habe, noch mal kurz zum Joggen draußen gewesen sei. Wann das gewesen sei und wo er genau gejoggt sei, habe T. ihm aber nicht erzählt.
462
Zum Alkoholkonsum des Angeklagten und zum Umgang von S. T. mit Frauen befragt, äußerte der Zeuge … sich wie unter Ziff. D. II. 6.5. dargelegt.
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Der Zeuge … schilderte, dass er von dem verfahrensgegenständlichen Vorfall am 05.10.2022 von der Zeugin …erfahren habe.
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S. T. habe ihm gegenüber – glaublich nach seiner ersten Zeugenvernehmung am 21.10.2022, auf jeden Fall noch vor seiner Festnahme am 18.11.2022 – erzählt, dass er/T. in der Tatnacht in A. joggen gewesen sei. T. habe dabei zudem sinngemäß geäußert, dass nun jeder meinen würde, dass er der Mörder sei.
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Der Zeuge … konnte sich nicht erinnern, ob S. ihm gegenüber geäußert habe, um wie viel Uhr und an welchen Orten er gejoggt sei.
466
Jedenfalls habe es dann am 17.11.2022, also einen Tag vor der Festnahme des Angeklagten, bei der Familie … in Bergen/Bernhaupten ein gemeinsames Treffen gegeben. Das Thema „H.“ sei angesprochen worden. Neben ihm seien sicher …, … die Mutter … sowie S. T. dabei gewesen.
467
Noch recht zu Beginn des Treffens (Anfang bis Mitte) habe S. T. dann gesagt, – es sei um das Thema „H.“ gegangen und darum, dass S. und … als Zeugen vernommen worden seien -: „Ich bin der Mörder von A.!“. T. habe auch noch etwa sinngemäß gesagt, „er sage jetzt, dass er es war, weil er keinen Bock mehr auf diesen ganzen Druck hat, der auf ihm lastet“.
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Er/… persönlich habe den Eindruck gehabt, dass dieser Druck ein eigener, von T. selbst ausgehender Druck gewesen sei.
469
Er/… habe diese Aussage aber deshalb nicht so ernst genommen, weil er sowas dem S. T. nicht zugetraut habe. Die … (Mutter der … und … habe sinngemäß mit dem Hinweis reagiert, S. solle sich einen Anwalt nehmen.
470
Im Verlauf des Abends sei dann viel Alkohol, vor allem Pfefferminzschnaps getrunken worden. S. sei recht betrunken gewesen, habe sich regelrecht weggekippt und später übergeben, aber erst nach dem Geständnis. S. habe auf ihn an diesem Abend einen bedrückten Eindruck gemacht.
471
Am nächsten Morgen (18.11.2022) habe S. ihn nach Chieming zur Arbeit gefahren. Da habe es irgendwie auch ein Telefonat mit den „T.-Eltern“ gegeben und anscheinend Stress. Was Grund für den Stress gewesen sei, wisse er nicht, er habe nicht zugehört. An dem Morgen sei T. überhaupt komisch gewesen, was Näheres könne er dazu aber auch nicht sagen.
472
Die Zeugin … berichtete, dass sie S. T. am 07.10.2022 gegen 14:00 Uhr im Pfarrheim in A. im C. gesehen habe. Das Pfarrheim habe wegen anstehender Renovierungsarbeiten ausgeräumt werden müssen und S. habe sich als freiwilliger Helfer gemeldet.
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S. T.habe dann sehr tatkräftig mitgeholfen, die Aktion habe etwa 1-1 1/2 Stunden gedauert. Er habe viel Kraft gehabt, etwa wenn die anderen 1-2 Stühle getragen habe, habe er gleich 3-4 ausgeräumt. Im Laufe der „Ausräumaktion“ habe er dann auch seine Jacke ausgezogen und habe oben herum nur noch ein kurzesärmliches T-Shirt angehabt. Während des Ausräumens sei ihr aufgefallen, dass S. T. sich wiederholt am linken Unterarm mit der flachen Hand gerieben habe. Als er dann nur noch im T-Shirt gearbeitet habe, habe sie am linken Unterarm mehrere (sicher mehr als 2) rötliche Kratzer wahrgenommen. Sie habe S. gefragt, ob er sich bei der „Ausräumaktion“ verletzt habe. Das habe T. verneint, vielmehr geantwortet, dass das von der Arbeit komme. Sie habe den Eindruck gehabt, dass S. von ihrer Frage überrascht gewesen sei.
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Sie habe Kratzer nur beugeseltig am linken Unterarm (vom Handgelenk bis zum Ellbogen) wahrgenommen. Sie seien rötlich gewesen. Für sie seien das oberflächliche Kratzer gewesen, wie wenn jemand in Sträuchern oder Gestrüpp oder Dornen hängen bleibe. Eine Blutkruste habe sie nicht wahrgenommen. Zum Alter der Kratzer könne sie nichts sagen.
475
Betreffend die sog. „Holzkernuhr-Spur“, bezüglich derer es auch am 14.10.2022 und 19.10.2022 zu einem Presseaufruf, sowie einer Darstellung in der XY-Sendung am 09.11.2022 kam (vgl. D. II. 17.3.3.), wurde der … gehört.
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Dieser legte glaubhaft und glaubwürdig dar, dass er von seiner Fa. aus (…, Bad Wildbach) im Rahmen eines Betriebsausflugs am 28.09.2022 gegen 17:00 Uhr vom Kampenwandparkplatz mit der Bahn auf die Kampenwand zu einer Alm gefahren sei. An dem Event hätten ca. 100-120 Personen der Fa. teilgenommen. Nachdem sie ca. 3 Stunden gefeiert hätten, seien sie mit der Bahn wieder runtergefahren.
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Er habe auf dem Kampenwandparkplatz austreten müssen und sei aus Unvorsicht (er sei nicht stark betrunken gewesen) in den Bach gefallen. Er habe sich an dem steilen Flussufer an einem Ast festgehalten und hochgezogen, sei nass gewesen. Nachdem er wieder oben gewesen sei, habe er festgestellt, dass er seine Holzkernuhr verloren habe. Er habe noch mit einer Kollegin und der Handybeleuchtung gesucht, die Uhr aber nicht mehr gefunden. In der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 sei er nicht in A. gewesen, vielmehr zu Hause in Bad Wildbach bei seiner Frau.
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Der Zeuge fertigte eine Skizze vom Kampenwandparkplatz und dem Ort, wo er beim Austreten in den Bach fiel und seine Holzkernuhr verlor.
15.1.1. Aussage des … in der Hauptverhandlung
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Der Zeuge … gab zunächst an, selbst seit 03.11.2022 in Untersuchungshaft zu sein, zunächst bis 28.02.2023 in der JVA Traunstein, seitdem in der JVA Bernau am Chiemsee.
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Die Verlegung nach Bernau sei erfolgt, da der Grund seiner Inhaftierung (Vorwurf des sexuellen Missbrauchs) unter den Mitgefangenen bekannt geworden sei und er mit Repressalien gerechnet habe. In Bernau selbst sei er dann Opfer eines sexuellen Übergriffes durch einen Mitgefangenen geworden, daher in Schutzhaft verlegt worden.
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In seiner Zeit in der JVA Traunstein habe er S. T. kennengelernt, der glaublich so 2-3 Wochen nach ihm gekommen sei. Während er/… n einer Zelle im 1. Stock gewesen sei, habe T. eine Zelle im Erdgeschoss gehabt. Er habe ihn auch nicht ständig, aber eben ab und zu getroffen, etwa mal beim Hofgang (2 × täglich 60 min; er habe aber nicht täglich am Hofgang teilgenommen) oder beim Aufschluss (grundsätzlich 2 × täglich 60 min).
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Bei diesen Zusammentreffen habe man sich ganz normal unterhalten. Er habe T. aber auch gefragt, warum er/T.; einsitze.
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T. habe erwähnt: „Wegen dem Mordfall der am E.!“.
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Er/… habe dann weiter gefragt, ob er die Frau wirklich ermordet habe, was T. unächst einige Male verneint habe, er/T. habe mit dem Mord nichts zu tun. T. habe zunächst nur erzählt, dass er in der Gegend beim „E.“ nachts gegen 02:00 Uhr joggen gewesen sei. Er habe seinen Kopf frei kriegen wollen, da er zu Hause Stress mit der Mutter gehabt und seine Ruhe gewollt habe.
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Dass mit dem Joggen habe T. ach seiner Aussage auch einer Freundin erzählt, die ihn ann angezeigt habe. An dem Tag, wo das mit dem Mord passiert und T. joggen gewesen sei, habe es zwischen der Freundin und T. irgendwie einen Anruf oder Besuch gegeben. Dabei habe T. an dem Tag, wo der Mord passiert sei, der Freundin erzählt, dass er zu dem Zeitpunkt dort in der Nähe gewesen sei, gejoggt habe.
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Er/… habe sich gedacht, dass es nicht stimme, dass … ichts mit dem Mord zu tun habe, wenn er doch in U-Haft sitze.
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Deshalb habe er mehrfach nachgefragt, ob es irgendwie Spuren, Beweise oder sonst was gäbe. T. habe geantwortet: „Ne, es gibt keine Spuren. An der Leiche sind keine Spuren gefunden worden, da sie im Wasser lag.“ T. habe auch erwähnt, dass die alles untersucht, auch auf seine/T. rs DNA überprüft, aber nichts gefunden hätten. Dass T. das gesagt habe, da sei er sich 100 % sicher.
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Er habe dann so in der Weihnachtszeit sich während des Aufschlusses mit T. in seiner/… Zelle getroffen, nur er und T. seien in der Zelle gewesen. Sie hätten gemeinsam Spekulatius gegessen. 2-3 Tage vorher habe er seinerseits dem T. anvertraut, weshalb er/… Untersuchungshaft sitze (Sexualstraftaten).
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T. habe bei diesem Gespräch in der Weihnachtszeit noch nicht seine Verletzung an der rechten Hand gehabt (die habe er erst im Januar 2023 gehabt, da habe T. – den Grund dafür wisse er nicht – mit der Hand gegen die Wand geschlagen und sich eine Verletzung zugezogen). Bei dem Treffen in seiner Zelle sei das Gespräch auch wieder auf den Mordfall am „E.“ gekommen. Er habe T. dann wieder gefragt, ob er was mit dem Fall zu tun habe.
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Da habe T. ann ausgepackt und gesagt: „Ja, ich habe etwas mit dem Fall zu tun!“. Weiter habe T. angegeben, dass er an ihr ein sexuelles Interesse gehabt habe. Erwähnt habe er auch, dass er sie vom Sehen her kenne und schon ganz hübsch gefunden habe. Ob er auch ihren Namen gekannt habe, habe er nicht erzählt. Er hätte sie missbrauchen oder vergewaltigen wollen. Ob er sie tatsächlich missbraucht oder vergewaltigt habe, habe er nicht gesagt. Weiter habe T. erzählt, dass er sie dann bewusstlos geschlagen habe, damit sie sich nicht wehren könne. Er habe nicht gesagt, womit. Und dann habe er sie in den Fluss geworfen. Das habe S. in einer Art und Weise gesagt, dass er/…es mit „entsorgen“ gleichsetzen würde. Außerdem habe T. gesagt, dass der Vorfall ein Stückchen weiter weg vom „E.“ gewesen sei.
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Heute sei er sich nicht mehr ganz sicher, ob T. ausdrücklich zu ihm gesagt habe, dass er sie zunächst, beim Draufhauen, nicht habe umbringen wollen. Da sei er sich unsicher, ob er/… das nur geglaubt bzw. aus der Art, wie T. das erzählt habe, geschlussfolgert habe oder, ob T. ihm das direkt gesagt habe.
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Auch habe T. ihm erzählt, dass er nie wirklich Chancen bei Frauen, noch nie eine sexuelle Beziehung gehabt habe, dass er sich erniedrigt gefühlt habe, weil er irgendwie immer Ablehnung erhalten, Körbe bekommen habe.
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Im Rahmen des Gespräches habe T. schließlich auch thematisiert, dass er es doof finde, dass seine Mutter nicht glauben würde, dass er unschuldig wäre. Er/… habe daraufhin zum T. gesagt: „Bist d ja nicht, du hast es mir ja erzählt gehabt!“.
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Er/… habe erst einmal schlucken müssen, da er das S. nicht zugetraut habe. Er habe zu S. gesagt, er solle aus der Zelle gehen. Das habe S. auch gemacht. T. habe dabei niedergeschlagen gewirkt, als würde ihm die Luft weg bleiben. Das Gespräch habe so etwa 5 min gedauert.
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Nach einiger Zeit habe en/… aber wieder mit S. beim Hofgang, wo dieser oft alleine gewesen sei und traurig gewirkt habe – er/… könne nicht sehen, wenn andere allein seien –, normal geredet, aber nicht mehr über das Thema „H.“, weil ihn/… das belastet habe.
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Diese Informationen habe er nur von S. T.
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Er habe zwar vor seiner Inhaftierung gehört, dass in A. ein Mord passiert sei. Dafür habe er sich aber nicht näher interessiert, auch nicht die Presseberichterstattung dazu verfolgt. Während der Haft habe er – er lese keine Zeitung und habe keinen Internetanschluss – nur im November 2022 beim Durchzappen gesehen, dass der Fall in XY Thema sei. Das habe er sich aber nicht angeschaut. Jetzt im Oktober 2023 habe er dann gehört, dass der Prozess um den Mord in A. begonnen habe. Er habe das auf RTL 2 und NTV, Kurznachrichten, gehört, dass es eben losgegangen sei mit dem Prozess.
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Das Gespräch mit T.in der Weihnachtszeit 2022 habe er danach irgendwie verdrängt, weil er überrascht und belastet gewesen sei, dass S. das gemacht habe. Er/… habe ja auch genug eigene Probleme gehabt und sei dann nach Bernau gekommen. Er habe nicht gewusst, ob und ggf. wie sich S. in seinem Verfahren einlasse.
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Das Gespräch sei aber, als er in den Kurznachrichten mitbekommen habe, dass der Prozess losgegangen sei, wieder hochgekommen. Es sei berichtet worden, dass S. nichts sage. Er habe mit einem Mitarbeiter in der JVA Bernau, dem Beamten … darüber gesprochen, diesen gefragt, ob er da was sagen solle über die Infos, die er in diesem Fall habe. Der Beamte habe ihm gegenüber geäußert, dass er/… das mit seinem Anwalt besprechen solle, was er dann auch gemacht habe. In dem Gespräch habe sein Rechtsanwalt ihm erzählt, dass er die gleiche Richterin habe, wie T. Er habe gedacht, dass das sein Vorteil sein könnte, wenn er vor Gericht die Wahrheit sage.
500
Hauptmotiv dafür, von dem Gespräch mit S. T., in dem dieser eingeräumt habe, etwas mit dem Fall zu tun zu haben, zu erzählen, sei aber nicht gewesen, dass er sich eine Vergünstigung für das eigene Verfahren erhoffe. Natürlich wäre es schön, wenn er dafür auch eine Vergünstigung bekäme. Die Staatsanwaltschaft habe ihm aber keine Zusage gemacht. Er habe auch keinerlei Vorstellung, was ihm die Aussage bringen könne.
501
Hauptmotiv sei gewesen, dass die Sache ihn schon belastet und er die Wahrheit habe sagen wollen, d.h. er wolle, dass die Wahrheit rauskomme, der wahre Täter gefunden werde.
502
Er habe gegenüber Mitgefangenen nichts von dem Gespräch mit S. T. erzählt, auch wegen der eigenen Erfahrungen, was dann daraus werden könne.
503
Ob S. T. selbst sich gegenüber anderen Mitgefangenen offenbart habe, wisse er nicht. Er wisse nur, dass bel dem allgemeinen Hofgang Immer mal wieder von Mitgefangenen Bemerkungen sinngemäß dahingehend gefallen seien, dass der (T.) wegen des Mordfalls in A. sitze und, dass einige geäußert hätten, dass sie ihm am liebsten eine auf die Fresse hauen würden.
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Befragt nach seiner eigenen Persönlichkeit und seinen eigenen Lebensumständen schilderte der Zeuge … dass er selbst in seiner Kindheit und Jugend Opfer sexueller Übergriffe, auch von Vater und Mutter, gewesen sei. Im letzten Jahr habe ein Verfahren vor dem Amtsgericht Laufen stattgefunden. In diesem Verfahren sei seine Mutter freigesprochen worden. Des Weiteren gab der Zeuge an, selbst psychische Probleme zu haben, er sei Borderliner.
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Die Polizeibeamtin und Zeugin KK’in … welche die Vernehmung des … am 16.10.2023 in der JVA Bernau geführt hat, schilderte zunächst, dass sie gemeinsam mit der Kollegin … und Staatsanwalt … kurzfristig davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass … Angaben zum angelaufenen Prozess im Fall „H.“ machen könne.
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Es sei eher schwierig gewesen, den Termin kurzfristig in der JVA Bernau abzusprechen, das habe dann aber geklappt. Sie habe dabei angeordnet, dass … vor Beginn der Vernehmung nicht davon in Kenntnis zu setzen sei, weshalb er vernommen werden würde.
507
Als sie drei dann in der JVA Bernau eingetroffen seien und … in den Vernehmungsraum geführt worden sei, sei er überrascht gewesen. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass sie (Polizei und Staatsanwaltschaft) da seien, weil Rechtsanwalt V. sich gemeldet und angegeben habe, dass er, …, zum laufenden Verfahren „H.“ Angaben machen könne. Sie habe gegenüber … erwähnt, dass sie deshalb extra herausgefahren seien und sich ungern Schmarrn anhören würden. Dies habe sie geäußert, weil aus ihrer ganz persönlichen Sicht bei Häftlingen eine mögliche Motivation zu einer Aussage darin liegen könne, dass sie sich für ihr eigenes Verfahren etwas erwarten würden. Dann sei eine eingehende Belehrung erfolgt. Außerdem sei … darauf hingewiesen worden, dass er audiovisuell vernommen werden würde.
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Hinsichtlich das … selbst betreffende Verfahren seien ihm keine Zusagen und keine Versprechungen gemacht worden. Nach Belehrung, Aufbau der Anlage und nochmaliger Belehrung sei ausdrücklich formuliert worden, dass ihm für sein Verfahren keinerlei Zusage gemacht werde, egal wie er aussage. Rechtsanwalt V. sei bei der Vernehmung nicht dabei gewesen, der … aber darauf hingewiesen worden, dass er jederzeit Kontakt zu seinem Anwalt aufnehmen könne, … sei weder mit ihr noch mit der Kollegin … noch mit Staatsanwalt … allein gewesen.
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Sie persönlich habe sich dann, da ja wesentlicher Aspekt auch sei, was für ein Typ der … sei, umgehört. Dabei sei zutage getreten, dass er gern „best buddy“ für andere sei, durchaus auch mal erwähnt habe, was andere Häftlinge so gemacht hätten. Sie habe aber keinerlei Informationen dahingehend habe erlangen können, dass diese Aussagen nicht der Wahrheit entsprochen hätten.
15.1.3. Inaugenscheinnahme der audiovisuellen Vernehmung des … vom 16.10.2023
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Mit allen Verfahrensbeteiligten wurde zudem die audiovisuell aufgezeichnete polizeilliche Vernehmung des Zeugen … vom 16.10.2023 durch Abspielen in Augensein genommen.
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Dort gab der Zeuge zusammengefasst an, dass T. im Rahmen seiner Offenbarung ihm gegenüber um die Weihnachtszeit 2022 erzählt habe, dass er sexuelle Interessen an der Frau gehabt habe, er sie vergewaltigen oder missbrauchen wollte, es ein Stückchen weiter weg vom „E.“ passiert sei, er sie bewusstlos geschlagen habe, damit sie sich nicht habe wehren können und sie dann in das Wasser geschmissen habe. Auch habe T. erwähnt, dass an ihr keine Spuren mehr gefunden worden seien. Ob er sie beim Draufhauen habe umbringen wollen, wisse er nicht 100-prozentig, glaube das aber nicht, weil T. das gesagt habe.
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Erwähnt habe T. auch, dass er nie wirklich Chancen bei den Frauen gehabt, immer wieder Körbe bekommen und sich erniedrigt gefühlt habe, irgendwie immer Ablehnung erhalten habe. Schließlich hat er zum Kerngeschehen in dieser Aussage ausgeführt, dass T. ihm erzählt habe, dass er an dem Tag, wo das passiert sei, sich mit einer Freundin getroffen (Besuch) oder diese angerufen und er (…) ihr (Freundin) erzählt habe, dass er zu dem Zeitpunkt in der Nähe nachts gegen 02:00 Uhr joggen gewesen sei.
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Zu Beginn der Vernehmung ist ausdrücklich festgehalten, dass, egal wie die Aussage von …ausfällt, es keine Zusicherung für sein eigenes Strafverfahren gibt.
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Insgesamt hat der Zeuge …im Rahmen der polizeilichen Vernehmung vom 16.10.2023 differenziert zwischen dem, was S. T. ihm gegenüber direkt sagte und eigenen Eindrücken, Schlussfolgerungen.
15.1.4. Richter am Amtsgericht …
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Festzustellen war nach Aussage des Zeugen und Richter am Amtsgericht …, dass …m Verfahren gegen seine Mutter – die Anzeige gegen sie hatte nicht … initiiert, sondern dessen Schwester …
(vgl. Selbstleseverfahren „…“ → Strafanzeige gegen …, Cs gegen … Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Laufen vom 01.06.2022 sowie Urteil in diesem Verfahren, Ziff. D. II. 17.1.3.)- im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens etwas anderes ausgesagt hat, als in der Hauptverhandlung.
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In dieser gab … nach Belehrung – so der Zeuge R. am Amtsgericht … – an, dass er seine Mutter falsch belastet habe.
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Der Zeuge … er vor seiner strafrichterlichen Tätigkeit 13 Jahre lang Familienrichter war, legte dar, dass … insoweit sich in einem Loyalitätskonflikt befunden habe, die Eltern ihn gegeneinander ausgespielt hätten. Dies sei im Rahmen von Familienstreitigkeiten, in denen Eltern öfters versuchen würden, ihre Kinder zu instrumentalisieren, nichts Ungewöhnliches. Auf Vorhalt des Protokolls der Hauptverhandlung vom 01.06.2022 erinnerte der Zeuge … dass Thema gewesen sei, dass der Vater … manipuliert und gewollt habe, dass … ie Mutter falsch belaste, damit er die Kinder behalte könne. Der Freispruch der Mutter sei erfolgt, weil die Wahrheit nicht habe festgestellt werden können.
518
Der Zeuge … Polizeibeamter bei der PI Prien am Chiemsee, schilderte, dass … (nachdem am 16.07.2023 in der JVA Bernau, Haus 4, ein herrenloses Stück Haschisch gefunden worden sei) angegeben habe, dass der Mithäftling … (*1990) ihm/… gegenüber geäußert habe, dass er Haschisch verloren habe und, sollte … …es finden, es ihm/… zurückgeben solle. Mit dem … sei dann auch am 24.07.2023 eine entsprechende Zeugenvernehmung durchgeführt worden (von Herrn … Kontaktbeamter in der JVA Bernau).
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Warum… seine Erkenntnisse zu … zur Meldung gebracht habe, wisse er/… nicht. … habe, keine Erwartung für diese Zeugenaussage betreffend sein eigenes Verfahren in den Raum gestellt.
520
Das Haschisch, welches verpackt gewesen sei, sei dann auf Spuren untersucht und auch Spuren sowohl am Haschisch selbst als auch an der Verpackung gesichert worden. Am Haschisch selbst sei nach dem DNA-Gutachten, welches erst in der ersten Novemberwoche 2023 eingegangen sei, DNA von 3 Personen nachweisbar gewesen (Mischspur). Die Hauptkomponente habe vollständig das DNA-Muster des Gefangenen…aufgewiesen. Auf der Packung selbst sei ebenfalls DNA gesichert worden. Verursacher dieser DNA-Spur sei nur der Gefangene … gewesen.
521
… selbst sei am 04.10.2023 nach Ungarn abgeschoben worden. Zuvor habe keine Beschuldigtenvernehmung stattgefunden, da erst das Ergebnis der DNA-Untersuchung hätte abgewartet werden sollen. Die Aussage des … sei somit aus polizeilicher Sicht zutreffend gewesen.
522
15.1.6. Verlesene ZVD betr. …
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Aus der verlesenen ZVD betr. … vom 20.11.2023 geht hervor, dass dieser nach dem allgemeinen Sicherheitsvermerk Konsument von Betäubungsmitteln ist und nicht nur die Zugangskontrolle vom 20.09.2021 positiv war, sondern auch die am 21.07.2023 durchgeführte Urinkontrolle und … dafür disziplinarisch geahndet wurde (5 Tage Arrest, vollzogen vom 27.07.2023-01.08.2023).
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Ebenfalls ergibt sich, dass … am 04.10.2023 per Luftabschiebung nach Ungarn verbracht wurde.
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15.1.7. Zeitpunkte der Akteneinsicht der Verteidigung
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Zudem wurde zu Protokoll (vgl. dasjenige vom 05.12.2023) festgestellt, dass die Verteidigung zu folgenden Zeitpunkten Akteneinsicht hatte:
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Vfg. vom 22.11.2022, bearbeitet von GS am 24.11.2022, AE in 2. Akte Bd. 1-2 + BZR
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Vfg. vom 21.12.2022, bearbeitet von GS am 27.12.2022, AE in 2. Akte Bd. I-V, SonderBd Leichenöffnung, BZR
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Vfg. vom 16.01.2023, bearbeitet von GS am 19.01.2023, AE in 2. Akte Bd. V-VI, Zweit-SonderBd Leichenöffnung
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Vfg. vom 31.01.2023, bearbeitet von GS am 03.02.2023, AE in 2. Akte Bd. VI-VIII, DVD …
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Vfg. vom 13.03.2023, bearbeitet von GS am 15.03.2023, AE in 2. Akte Bd. VIII,-X, Zweit-SonderBd Auswertung Mobiltelefon.
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in den Sonderband Nachermittlung durch das Gericht nach Anklageerhebung am 28.04.2023.
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Der Zeuge … gab seine Person betreffend an, selbst seit Mitte Januar 2022 (18.01. 2022) in Untersuchungshaft in der JVA Traunstein gewesen zu sein, seit Anfang 2023 in Strafhaft. S. T. der im November 2022 in JVA Traunstein gekommen sei, habe er im dortigen Arbeitsbetrieb im Dezember 2022 kennengelernt.
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Es habe sich recht schnell herumgesprochen gehabt, dass T. wegen dem Fall mit der H. in Haft sei. Mithäftlinge hätten auch gesagt, dass er das anscheinend gewesen sei. Während der Arbeit oder den Pausen auf dem Hof habe er mit dem S. zwar grundsätzlich normal geredet, ihn aber auch mal gefragt, warum er da sei. T. habe dann geäußert, dass er nicht wisse, warum er da sei. Er habe erwähnt, dass eine Freundin von ihm bei der Polizei gegen ihn ausgesagt habe, er aber nicht gewollt habe, dass das irgendwelche Konsequenzen für die Freundin habe. Die Freundin habe sich irgendwie bei einem Datum getäuscht, so T. ihm/… gegenüber. Die Freundin habe auch behauptet, dass er/T. es ihr gegenüber gestanden habe.
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S. T. habe ihm/… sonst zur Sache nur erzählt, dass er in der Nacht – wo das anscheinend mit der H. passiert sei – joggen gewesen sei und weiter, dass er es nicht gewesen sei.
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Im Verlaufe der Zeit habe T. ihm – so … weiter – schon auch noch Sachen erzählt, etwa, dass die H. über 2 Promille gehabt habe, auch, dass sie irgendwie von hinten attackiert/angegriffen worden sein soll. T. habe angegeben, dass er das aus den Akten gehabt habe.
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Den Mitgefangenen … kenne er nur flüchtig, er habe sich mit dem eigentlich nicht unterhalten wollen. Von anderen habe er gewusst, dass … wegen pädophilen Sachen in Haft sei, und da müsse er/… erst recht nicht mit so jemandem reden. Es habe aber niemand gesagt, dass … ein Zinker sei oder nicht geradlinig…. sei ihm/… einfach unsympathisch gewesen.
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Auch der Gefangene und Zeuge … hat S. T.n der JVA Traunstein, wo er selbst ab 14.11.2022 in Untersuchungshaft war (bis Mitte August 2023, mit Rechtskraft seiner Strafsache kam er nach Kaisheim, Verschubung 29.08.2023), kennengelernt, näher ab Januar 2023 im Arbeitsbetrieb.
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Er selbst habe dem T. nicht gesagt, weshalb er tatsächlich in Haft sei (sexueller Missbrauch von Kindern), er habe ihn insoweit angelogen und angegeben, dass er wegen einer Steuerstraftat da sei.
T. sei von Mitgefangenen, da er der „H. Mörder“ sein solle, gehänselt worden (nicht wegen seiner Körperlichkeit oder seines Verhaltens). Er/… rhabe ihn darauf angesprochen und T. habe geäußert, dass ihn das nicht störe, da er es nicht gewesen sei.
534
In der Folgezeit hätten sie sich schon immer wieder bei der Arbeit, beim Hofgang oder beim Aufschluss, wenn sie zusammen Schach gespielt hätten, unterhalten, meist allerdings über allgemeine Dinge. Er habe gar nicht so viel wissen wollen, habe sich um seine eigenen Sachen gekümmert. Mit der Zeit habe er über T. erfahren, dass er gerne auf Berge gehe, mit seinem Opa Schach spiele und, dass ihm die Familie wichtig sei. T. habe zwar wohl keinen so hohen IQ-Wert, das habe T. selbst geäußert, auch, dass er damit ein Problem habe. Er/… habe ihn aber versucht zu bestärken, dass jeder seine Qualitäten habe. Die Beziehung zu T. habe eine gewisse Dynamik entwickelt.
535
Ab und zu seien sie auch auf die Tat zu sprechen gekommen, er habe den T. dann gefragt, wie es ihm damit gehe. T. habe immer betont, dass er es nicht gewesen sei. Er habe den T. auch gefragt, wie die H. so sei. T. habe ihm erzählt, dass das eine sehr große Frau gewesen sei, so 1,83 cm, die habe er aber nicht gekannt. En … habe darauf erwidert: „Du bist ja so ein Grischbal!“ und T. habe wieder sinngemäß geäußert, dass er es ja auch nicht gewesen sei.
536
Es habe mehrere Gespräche gegeben, in welchem einzelnen Gespräch T. ihm was gesagt habe, könne er heute nicht mehr rekonstruieren.
537
Es sei vom T. auch mal die Rede davon gewesen, dass er in der Gegend des „E.s“ in dieser Nacht, wo dann letztlich der H. was passiert sei, gelaufen sei. Um wie viel Uhr und welche Strecke, dazu habe T.aber Nichts gesagt.
538
Gesprächsinhalt sei zudem mal gewesen, ob die Polizei was gefunden habe. T. habe dann von Sexvideos mit Gewalt auf seinem Handy erzählt. In diesem Zusammenhang habe T. geäußert, dass ihn solche Sexvideos mit Gewalt interessieren und faszinieren. Er/… habe dies eigentlich dem T. den er als Naturburschen eingeordnet habe, nicht zugetraut.
539
Dann sei noch die Bemerkung vom T. efallen, dass man „Erlebtes verdrängen“, „vergessen“ könne. Diese Bemerkung habe 100-prozentig im Zusammenhang mit einem Gespräch zwischen ihnen beiden über den Mordfall „H.“ gestanden. Er/… labe diese Aussage als auffallend, komisch empfunden.
540
Schließlich könne er sich erinnern, dass es irgendwie mal im Zusammenhang mit der H. um ein „Draufspringen“ gegangen sei. Wann dieses Gespräch genau gewesen sei, könne er nicht mehr einordnen, glaublich im Juni/Juli 2023. Er/… selbst habe dieses Wort sicher nicht ins Spiel gebracht, entweder sei das in der Presse gestanden oder vom S. T. selbst erwähnt worden, das wisse er heute nicht mehr.
541
Sie hätten sich mal über darüber unterhalten, ob T. eine Freundin habe. Das habe T. verneint, habe dann aber von einem Mädchen, einer … erzählt, für das er schon sehr geschwärmt, auch mal über deren Oberschenkel gestrichen habe.
542
S. T. habe eigentlich gesagt, dass er das nicht gewesen sei, was er/… ihm zunächst auch geglaubt habe.
543
Das habe sich erst geändert, als S. T. ihm gegenüber das mit den Sexvideos mit Gewalt, die ihn interessieren und faszinieren, erwähnt habe und als T.; im Zusammenhang mit einem Gespräch über den Mordfall „H.“ auch erwähnt habe, dass man Erlebtes verdrängen könne. Er – so … weiter – wisse ja nicht, was passiert sei und habe etwa den T. ja auch angelogen, was seine Straftat anbelange.
544
Im Laufe des Sommers 2023 (bis zu seiner Verschubung nach Kaisheim im August 2023) sei der Kontakt zu S. T. dann weniger geworden, T. habe mehr mit anderen Mitgefangenen unternommen.
545
Für seine Scheidung sei er von Kaisheim nochmals in die JVA Traunstein verschubt worden (17.-31.10.2023). Der Scheidungstermin sei am 20.10.2023 gewesen.
546
In Traunstein habe er um diese Zeit in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über das „H. Verfahren“ gelesen, in dem u.a. gestanden habe, dass der Angeklagte gegenüber der Mutter der … geäußert habe: „Ja, ich war’s“. Er habe dann S. T. getroffen und ihn gefragt: „Warum hast du das gesagt!“. T. habe ihm erwidert: „Das war nur Spaß!“. Er/… habe dann noch gesagt, dass man sowas nicht aus Spaß sage. T. habe dann nichts mehr erwidert.
547
Der Zeuge … befindet sich seit 03.06.2023 in Untersuchungshaft in der JVA Traunstein und hat dort im Arbeitsbetrieb ab 15.06.2023 auch S. T. kennengelernt. Sie hätten gemeinsam am gleichen Tisch gearbeitet (Zusammenbau von Spielzeug). T. habe ihm, da er die Arbeiten bereits länger verrichtet habe, gezeigt, was zu tun sei.
548
Am Anfang habe er nicht mit T. über den Fall gesprochen. Dann hätten sie beide mal beiläufig darüber gesprochen, so etwa 2-3 Wochen nach dem 15.06.2023. T. habe erwähnt, dass er das Mädchen nicht gekannt habe. Er sei zu dem Zeitpunkt auch nicht dort gewesen, er sei daheim gewesen, es sei ihm nicht gut gegangen, dann sei er Joggen gewesen, aber nicht in der Nähe vom Club, das habe T. ihm gesagt, nachdem das in der Zeitung gestanden sei. T. habe mit ihm/… nicht über die Tat reden wollen.
… habe dann aber trotzdem mal gesagt, dass er sich nicht daran erinnern könne, dass er das gemacht haben soll. In dem Zusammenhang sei er durch’n Wind gewesen. Während des jetzt laufenden Prozesses habe er/…; darüber auch in der Zeitung gelesen, u.a. von der Schulfreundin des S. T. und was die gesagt haben solle. T. habe geantwortet, dass das, was in der Zeitung stehe, nicht stimme. Er/… würde das dem T. nicht zutrauen, weil der so ein ruhiger Typ sei.
II. 16. Handyauswertungen
- Handy H. W. iPhone XR (10)),
- Handy’s, die S. T. nutzte (Xiaomi Redmi Note 9 S, Xiaomi Mi A2 Lite und Oukitel WP 7),
den Sachverständigen für Digitale Forensik …, den sachverständigen Zeugen …, die Zeugen KHK … KHK … KOK … KK’in … und POM …
549
Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben zur Auswertung der Handys, insbesondere von H. W. (iPhone XR (10)), S. … (Xiaomi Mi A2 Lite + Oukitel WP 7) und … (Smartphone Apple iPhone 12).
16.1. Handy … (iPhone XR (10))
550
Die Polizeibeamtin und Zeugin KK’in … gab an, dass das Gerät (iPhone XR (10), Provider Vodafone), welches am 28.05.2023 im Fluss Prien in A. (Höhe Zillibillerstr. 21) gefunden worden sei, stark beschädigt war.
551
Mit allen Verfahrensbeteiligten wurden die insoweit gefertigten Lichtbilder (Ziff. D. II. 17.2.8.) in Augenschein genommen, auf denen die Beschädigungen dokumentiert sind (vgl. zum Fundort auch Anlage zum Urteil, Karte 2).
552
Weiter gab die Zeugin an, dass das Gerät an das Bayerische Landeskriminalamt übersandt worden sei zur Rekonstruktion des womöglich noch bestehenden Datenbestandes. Dort sei die Hauptplatine entfernt und in ein baugleiches Vergleichsgerät eingesetzt worden; sodann hätten die Daten mittels der Anwendung Cellebrite Physical Analyzer gesichert und ausgewertet werden können.
553
Der Sachverständige für Digitale Forensik, … nahm die digital-forensische Auswertung des am 28.05.2023 in der Prien aufgefundenen Handys der verstorbenen H. W. vor.
554
Bei der Untersuchung habe er im AppNutzungsprotokoll zunächst als Zeitpunkt der letzten Kameranutzung den 03.10.2022 um 02:19:55 Uhr ausmachen können. Fotos oder Videos seien allerdings nicht gefertigt worden. Die Nutzung sei punktuell gewesen, habe 1 sec gedauert. Es sei nicht zu klären, ob dies versehentlich (etwa dadurch, dass aus dem aktiven Sperrbildschirm mit einem Wischen in die KameraApp gewechselt worden sei) oder absichtlich erfolgt sei (absichtliches Öffnen und ohne Fertigung einer Aufnahme anschließend erfolgtes Schließen). Theoretisch könne es sich auch um den Zugriff der Kamera zwecks Entsperrung via faceID handeln.
16.1.1. Ausgehender Anruf am 03.10.2022, 02:32:09 Uhr
555
Es habe sodann ein letzter ausgehender Anruf zum Festnetzanschluss der Eltern der Verstorbenen am 03.10.2023 um 02:32:09 Uhr festgestellt werden können. Der Anruf sei laut Anrufprotokoll mit 0 sec angegeben. Dafür seien verschiedene Gründe theoretisch denkbar, etwa, dass der Anruf nicht habe aufgebaut werden können (mangels Netzempfang), nicht abgehoben oder der Anruf abgebrochen worden sei (z.B. durch Auflege-Funktion) oder das Gerät sich während des Rufaufbaus ausgeschaltet haben könnte. Grund dafür könne aber auch fehlendes Daten-/Prepaidvolumen sein.
556
Der ausgehende Anrufversuch und die Nummer sei im Handy unter dem Begriff „home“ gespeichert gewesen. Es habe sich nicht um einen Anruf über WhatsApp gehandelt, sondern um einen nativen Anruf. Für die Aktivierung eines solchen (Anruf über Telefonnetz) gäbe es theoretisch verschiedene Möglichkeiten: Eine Kurzwahl, über eine KontaktApp (diese müsse geöffnet werden, der Kontakt ausgewählt und dann gedrückt werden), eine Wahlwiederholung, das Aufrufen eines Anrufprotokolls und das Drücken einer Wahlwiederholung oder über einen Sprachbefehl.
557
Die Frage, ob H. W. zum Entsperren ihres iPhones XR (10) einen PIN oder ein Passwort benötigt habe oder dies ggf. über faceID oder Fingerabdruck möglich gewesen wäre, beantwortete der Sachverständige … wie folgt:
„Das Apple iPhone XR (10) der H. W. habe über keinen Fingerabdrucksensor verfügt, eine Entsperrung des Gerätes sei mit Gesichtserkennung (Apple facelD) und per Hand möglich gewesen. Für die Nutzung von faceID sei die Einrichtung eines Entsperrcodes zwingend erforderlich, die vorliegend durch eine eingerichtete 6-stellige PIN gegeben gewesen sei. Laut den gesicherten Protokolleinträgen sei das Smartphone das letzte Mal am 03.10.2022 mit faceID um 00:09:35 Uhr erfolgreich entsperrt worden
(die nächste Entsperrung via PIN-Eingabe sei am 13.06.2023 um 08:34 Uhr erfolgt, als das Smartphone nach Auffindung durch das LKA, von ihm/… hochgefahren und entsperrt worden sei).“
558
Der bereits erwähnte Anruf vom 03.10.2022 um 02:32:09 Uhr sei in der Detailansicht als „Anruf abgebrochen“ gekennzeichnet. Der Anrufkontakt sei des Weiteren als Notfallkontakt (kostenpflichtig) gespeichert gewesen (nicht als Anruf über die Notruffunktion – kostenfrei –, etwa die Nrn. 110 oder 112).
559
Im Handy von H. W. seien 2 Nummern („Papa“ und „home“) als Notfallkontakt hinterlegt gewesen. Zudem sei ein Notfallpass (Angaben zu Alter, Größe, Gewicht, Blutgruppe von H. sowie ein Hinweis zur Organspende) installiert gewesen.
560
Da auf dem Handy von H. W. und der installierten Betriebssystemversion eine Notfallerkennung nicht implementiert gewesen sei (erst ab dem Apple iPhone „14“ – H. hatte „10“ -. und der Betriebssystemversion iOS 16 – H. hatte iOS 15 –), sei auszuschließen, dass der Notrufkontakt durch einen Sturz/ein Herunterfallen ausgelöst worden sei – wie von der Verteidigung behauptet. Zudem sei festzustellen gewesen, dass die Einstellungsseite „Notruf SOS“, welche das Wählen eines Notrufkontaktes durch 2-maliges Drücken der Seitentaste des Handys ermögliche, deaktiviert gewesen sei.
561
Aufgrund der Auswertung der Protokolldateien sei vielmehr – so … – eindeutig dokumentiert, dass der Notruf am 03.10.2022 um 02:32:09 Uhr über den Sperrbildschirm erfolgt sei (und nicht ein normaler Telefonanruf über das Adressbuch des im Handy gespeicherten Kontaktes). V.a. der Protokolleintrag „<private> is NOT an emergency number“ und „SBLockscreen EmergencyCall ViewController“ (Hinweis auf die Oberfläche eines Notruffensters) seien entsprechende Hinweise. Diese Erkenntnis habe sich zudem durch einen vergleichenden Kontrollversuch bestätigt: Zur Klärung der Frage, inwieweit sich ein Notruf per Sperrbildschirm von einem über das Adressbuch getätigten unterscheide, habe er die Anrufmöglichkeit über das Adressbuch an einem, dem Handy von H. W. vergleichbaren Gerät vorgenommen, den Speicher des Testgeräts gesichert und in ein Protokoll exportiert. Für die Untersuchung habe er dann die Einträge in der exportierten Protokolldatei aus einem Notfallkontakt-Anruf über Sperrbildschirm auf dem Handy von H. mit denjenigen aus einem entsprechenden Notfallkontakt-Anruf über das Adressbuch verglichen. Dabei habe sich gezeigt, dass die vorgefundenen Einträge auf dem Handy von H. betreffend den Notruf vom 03.10.2022, 02:32:09 Uhr sich eindeutig von denjenigen Einträgen, die in der Protokolldatei bei Anruf über das Adressbuch dokumentiert gewesen seien, unterschieden. Insbesondere sei der Eintrag „SBLockscreen EmergencyCall ViewController“ (welcher ein Hinweis darauf sei, dass der Anruf über die Bildschirmoberfläche des Sperrbildschirms erfolgte) bei dem vergleichenden Testanruf über das Adressbuch nicht enthalten gewesen.
562
Um den Notrufkontakt über den Sperrbildschirm vorzunehmen, müsse zum einen das Handy „aufgeweckt“ werden, anschließend sei ein bewusstes Drücken/Antippen der Schaltfläche „Notruf“ und dann ein weiteres bewusstes Antippen einer der beiden im Handy von H. W. als Notfallkontakt hinterlegten Nummern („Papa“ / „home“) notwendig gewesen, insgesamt also drei aktive und bewusste Handlungen.
563
Auf Nachfrage der Verteidigung schloss der Sachverständige … aus, dass ein Entsperren des Handys von H. W. nd ein Kontaktieren des Notrufkontaktes über den Sperrbildschirm durch Wassertropfen oder durch Strömung (unabhängig von deren Stärke) möglich gewesen sei. Auch die von der Verteidigung in den Raum gestellte Möglichkeit, dass dies im/unter Wasser durch ein Drücken auf das Handy möglich gewesen sei, negierte der Sachverständige. Gleichfalls schloss … aus, dass ein Entsperren des Handys von H. … und ein Kontaktieren des Notrufkontaktes über den Sperrbildschirm mittels zweifachen Drückens der Schaltfläche „Notruf“ auf dem Display und anschließendem Auswählen des Kontakts „home“ – wie von der Verteidigung ebenfalls in den Raum gestellt – durch Pflanzenteile oder anderes biologisches Material im Wasser erfolgt sein könnte.
16.1.2. Auswertung des Temperatursensors von H. W. Handy
564
Dafür, dass das Handy der verstorbenen H. W. egen 02:33:35 Uhr bereits ins Wasser gelangt sei, spricht – neben dem Umstand der festgestellten ungenauen GPS-Daten; s. nachfolgend D. II. 16.1.3. – aus Sicht des digital-forensischen Sachverständigen … ein weiterer Umstand:
565
Das Handy von H. W. habe einen Temperatur- und Wassersensor gehabt. Der Sensor gebe bestimmte Zahlen/Werte an, die für bestimmte Temperaturen stünden. Allgemein sei zunächst zu betonen, dass ein Handy, etwa wenn es Netz suche
- so auch im konkreten Fall vorstellbar, da im „E.“ im unteren Bereich/Partyfläche kein Handyempfang herrsche und dann, als wieder Netz (Ausgangsbereich „E.“) da gewesen sei, das Handy natürlich auch wieder Netz gesucht habe –,
einen höheren Wert erbringe und zum anderen dann, wenn das Gerät beispielsweise in kaltes Wasser gelange, die Werte abfielen – wenn auch mit einem leichten Zeitverzug, da es eine gewisse Dauer benötige, um einen Temperaturabfall zu erreichen. Notwendig sei nämlich zunächst ein Durchdringen des Gehäuses mit Wasser, dann des Luftspalts zwischen Gehäuse und Sensor und schließlich das Abkühlen des Sensors selbst.
566
Neben diesen Parametern seien aber auch der konkrete Zustand des jeweiligen Handys, etwa als Folge des Gebrauches, und das jeweilige „Verhalten“ des Handys in einem Gewässer (hängenbleiben, Grad des jeweiligen „Untergehens“ oder kurzfristiges Wiederhochspülen etc.) relevant, weshalb auch eine aussagekräftige Nachstellung in Versuchsreihen mangels Rekonstruierbarkeit der tatsächlichen Gegebenheiten nicht möglich sei.
567
Der Sachverständige …übergab insoweit betreffend das Handy von H. ein an alle Verfahrensbeteiligten ausgehändigtes und mit dem Sachverständigen und diesen in Augenschein genommenes sowie von … nochmals erläutertes Diagramm bezüglich des von der Verteidigung gewünschten Zeitfensters 02.10.2022, 23:05:42 Uhr bis 03.10.2022 14:24:58 Uhr, aus dem sich (u.a.) folgende Werte ergaben („vierstellige Zahlenliste“):
* 02.10.2022, 23:05:42 Uhr: … 2279; * 02.10.2022, 23:25:38 Uhr: … 2179; * 02.10.2022, 23:51:19 Uhr: … 2259; * 03.10.2022, 00:59:39 Uhr: … 2859;
* 03.10.2022, 02:21:04 Uhr: … 3150; (um diese Zeit verlässt H. W. den „E.“ – in dem kein Empfang-Netz herrscht –, hält sich im Ausgangsbereich auf → Handy „sucht“ Netz)
* 03.10.2022, 02:28:25 Uhr: … 2879; (um diese Zeit ist H. W. gerade von der S.-Straße In die K.-Straße eingebogen)
* 03.10.2022, 02:29:45 Uhr: … 2879; * 03.10.2022, 02:30:15 Uhr: … 2789; * 03.10.2022, 02:30:46 Uhr: … 2779; * 03.10.2022, 02:31:17 Uhr: … 2759; * 03.10.2022, 02:31:46 Uhr: … 2719.
568
Dann sei aus sachverständiger Sicht der Beginn des Abfalls (38 sec nach dem um 02:32:09 Uhr erfolgten Notruf) zu registrieren,
ab * 03.10.2022, 02:32:47 Uhr: … 2569; * 03.10.2022, 02:33:18 Uhr: … 2279; * 03.10.2022, 02:33:48 Uhr: … 1879; * 03.10.2022, 02:34:19 Uhr: … 1759; * 03.10.2022, 02:34:50 Uhr: … 1559,
der ab 02:38:41 Uhr seinen „Tiefpunkt“ … 1000 … erreicht habe, danach seien nur noch stagnierende Werte registriert, grundsätzlich unter 1000 (zw. 989-889; nur zw. 09:32:53 Uhr – 09:50:14 Uhr noch einmal um 1000).
569
Der Abfall der Temperatur sei zweifelsohne mit einem Eintauchen des Handys von H. W. in kaltes Wasser in Einklang zu bringen.
570
Dem Sachverständigen … gelang es in der Folgezeit zudem über Apple die genauen Temperaturdaten zu ermitteln und den Zahlenkürzeln konkrete Temperaturwerte zuzuordnen.
571
Dabei stellte er zunächst fest, dass es zwei Akkutemperaturverläufe mit jeweils verschiedener Datenquelle gab, die einen Zeitversatz aufwiesen:
1. Unified logs (Protokolldatei, einheitslose Temperaturwerte),
2. CurrentPowerLog.PLSQL (Datenbank-Datei, Temperaturwerte in Grad Celsius, zeitlich um ca. 5 Minuten verzögert).
572
Der Zeitstempel aus den beiden Datenquellen sei nicht synchron. Warum ein zeitlicher Versatz zwischen den beiden Datenquellen auftrete – so … –, habe nicht eindeutig geklärt werden können. Bei der Protokolldatei handele es sich jedoch um eine vergleichsweise simple Dateistruktur (Text-Datei). Die Dateistruktur einer Datenbank-Datei (SQLite-Datei) sei dagegen komplexer. Möglich sei es, dass die Temperaturwerte des Akkus zunächst zwischengespeichert würden, oder aus einem anderen Grund (eventuell absichtlich vom Betriebssystem) mit einem verzögerten Zeitstempel in die Datenbank-Datei geschrieben würden.
573
Aus sachverständiger Sicht seien die Inhalte aus der Protokolldatei aber aus folgenden Gründen als höherwertig zu bewerten:
574
In der Regel sei für eine ressourcensparende Protokollierung ein einfaches Datenformat (z.B. eine Text-Datei) effizienter. Dieses könne mit simplen und ressourcensparenden Befehlen beschrieben werden. Die Datenbank-Datei dagegen erfordere vereinfacht gesagt ein Werkzeug oder komplexere Befehle, um beschrieben zu werden. Die Werte in einer Datenbank-Datei seien grundsätzlich eher für analytische und/oder statistische Zwecke für andere Applikationen bedeutsam, insoweit sei eine genaue Zeiterfassung auch gar nicht erforderlich. Die Protokolldatei, welche die frühesten Zeitpunkte erfasse, sei also grundsätzlich die verlässlichere oder anders ausgedrückt: Die Temperaturwerte würden zeitlich zuerst in der Protokolldatei erfasst und nicht in der Datenbank-Datei, weshalb die Wertepaare in der Protokolldatei (vgl. Anlage zu Protokoll BLKA-KTI Blatt: 0001) aussagekräftiger seien.
575
Dementsprechend wurden betreffend den konkreten Fall und den relevanten Zeitraum am 03.10.2022 folgende Wertepaare – die der Sachverständige auch nochmals in einer Grafik, die allen Verfahrensbeteiligten zur Verfügung gestellt wurde, extrahierte und erläuterte – ermittelt („Temperaturliste“):
03.10.2022: 02:23:13 Uhr – 3150 → entspr. 31,69 °C
03.10.2022: 02:29:45 Uhr – 2879 → entspr. 28,79 °C
03.10.2022: 02:31:47 Uhr – 2719 → entspr. 27,59 °C
03.10.2022: 02:32:17 Uhr – 2700 → entspr. 27,39 °C
03.10.2022: 02:34:19 Uhr – 1759 → entspr. ca. 17,49 °C
(„ca.“ da insoweit nur ein Temperatureintrag für den Wert 1729 existiert)
03.10.2022: 02:35:21 Uhr – 1459 → entspr. ca. 14,59 °C
(„ca.“ da insoweit nur ein Temperatureintrag für den Wert 1429 existiert)
576
Es sei zu erkennen, dass die einheitslosen Zahlenwerte aus der Protokolldatei näherungsweise einer Temperatur in Grad Celsius mit 2 Nachkommastellen gleich zu setzen seien (z.B. „1000“ entsprechend 10 °C).
577
Konkret sei betreffend den Zeitraum 03.10.2022 ab Verlassen des Clubs durch H. W. festzustellen gewesen, dass um 02:32:17 Uhr der Wert bei 2700 (entspr. 27,39 °C) gelegen habe, um 02:34:19 Uhr mit einem Wert von 1759 (entspr. ca. 17,49 °C) ein Ablauf, der um 02:38:41 Uhr mit einem Wert von 1000 (s.o.) seinen Tiefpunkt erreicht habe.
578
Dieser Umstand spreche nicht dagegen, dass das Handy der H. W. bereits um 02:33:35 Uhr ins Wasser gelangt seien könne (als Folge dessen auch die GPS-Daten ungenau geworden seien, s. Ziff. D. II. 16.1.3.), da, wie bereits erwähnt, der Temperatur- und Wassersensor des Handys zeitverzögert reagiere.
16.1.3. Auswertung der GPS-Daten von H. W. Handy
579
Betreffend die GPS-Daten des Handys der Geschädigten, dies erläuterte insbesondere der Zeuge KOK… sei betreffend den Zeitraum vom 03.10.2022, 02:13:40 Uhr, bis 03.10.2022, 02:31:41 Uhr, dokumentiert, dass die Gerätestandorte vom System mit hohen Genauigkeiten angegeben worden seien (Abweichung lediglich zw. 35 – ca. 120 m).
580
Dies verdeutlichte der Zeuge KOK … anhand einer Karte, auf welcher zum einen die Örtlichkeiten („E.“/Schlossstraße, K.-Straße, Richtung Wohnort H. W.) zu sehen waren, ebenso die letzten Geopunkte des Handys von H. W. Eingezeichnet sind zudem die Radien der jeweiligen Geopunkte.
581
Insoweit betonte der Zeuge KOK …; dass die Geopunkte keine Punkte im eigentlichen Sinne seien, sondern als Flächen/Bereiche zu verstehen seien.
582
Dementsprechend wurden mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten zunächst die Punkte 1 (03.10.2022, 02:28:31 Uhr, Radius um den Bereich der Ecke S.-Straße/K.-Straße) bis Punkt 11 (03.10.2022, 02:31:41 Uhr, Bereich/Fläche, die die Ecke X. Weg/K.-Straße umfasst) nochmals anhand der Karte in Augenschein genommen, die alle einen Radius von unter 120 m aufweisen (mithin genau sind, s.o.).
583
Die nachfolgend generierten Gerätestandorte am 03.10.2022 ab 02:33:35 Uhr (Punkt 12) – so KOK … – hätten demgegenüber ausschließlich Radien von 1.039,8 m bis zu 9.661 m angegeben.
584
Die Ungenauigkeit der GPS-Daten am 03.10.2022 ab 02:33:35 Uhr, sei ein Hinweis auf eine deutliche Abschirmung des Mobilgerätes. Sämtliche Koordinaten seien im Umfeld des Bärbachs und der Prien generiert, wo das Mobiltelefon schließlich auch am 28.05.2023 aufgefunden worden sei. Bei Mitnahme des Mobiltelefons hätte dieses die konstant gleiche Signaldichte wie zuvor gehabt und somit auch weiterhin genaue GPS-Daten generiert. Somit sei das Einbringen des Gerätes ins Wasser ab spätestens 02:33:35 Uhr anzunehmen und nicht vor 02:31:42 Uhr (letzter genauer GPS-Punkt 02:31:41 Uhr)..
585
Der Auffindeort des Mobiltelefons befinde sich im Vergleich zu den GPS-Koordinaten weiter südlich in A. im C.. Hier sei jedoch zu bemerken, dass dies mit der hohen Ungenauigkeit der letztmalig gesendeten GPS-Daten erklärbar sei; der Auffindeort liege im angegebenen Radius (Fläche/Bereich) der Koordinaten und sei damit als unkritisch zu bewerten.
586
Anhand der festgestellten Geopunkte sei auch die Gehrichtung von H. W. und der von ihr genommene Heimweg belegt: S.-Straße – K.-Straße – Richtung ihrer Heimatadresse (…).
587
Insbesondere sei aufgrund des um 02:29:23 Uhr produzierten Geodatensatzes ein Heimweg über den Kampenwandparkplatz ausgeschlossen. Ebenso sei aufgrund der vorliegenden Uhrzeiten der Geodaten (02:29:55 Uhr bis 02:31:41 Uhr) auszuschließen, dass H. von der K.-Straße zurück in Richtung Kampenwandparkplatz gegangen sein könnte, da dies aus zeitlicher Sicht nicht möglich gewesen sei.
16.1.4. Auswertung der Funkzellendaten von H. W. Handy
588
Der Zeuge … at nach entsprechenden Anfragen beim Mobilfunkanbieter Vodafone und Auswertung der erlangten Daten betreffend das Handy der H. W.insichtlich Funkzellendaten nachfolgend dargestellte Feststellungen betreffend den 03.10.2022 treffen können.
589
Vorauszuschicken sei, dass Funkzellendaten technische Informationen über Verbindungsauf- und -abbau, Verbindungsdauer, Verbindungszeitpunkt und Verbindungsarten mit einem Sendemast selbst beinhalteten.
590
In A. im C. im fraglichen Bereich („E.“ → Heimatadresse H. W.) seien 2 Funkzellen relevant, die Funkzelle Nord (CID 20528897) – dort liege der Club „E.“ – und die Funkzelle Süd (CID 20528898) – von dieser Funkzelle werde die Wohnanschrift der H. W. versorgt -. Auffällig sei gewesen, dass die Funkzellen eigentlich keine Überschneidung/-lappung aufwiesen. Dies sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die natürliche Barriere, die der Schlossberg darstelle, zurückzuführen. Es seien Wegstrecken bzw. Verbindungsreichweiten von Vodafone ermittelt worden und auch, wo örtlich gesehen der Wechsel der Funkzellen stattfinde.
591
Insoweit wurde mit dem Zeugen … und allen Verfahrensbeteiligten eine entsprechend gefertigte Karte in Augenschein genommen, aus welcher sich ergibt, dass der Zellwechsel von der Funkzelle Nord in die Funkzelle Süd im Bereich der K.-Straße 81, Ecke der Straße „A.“ erfolgt.
592
Die Auswertung der Daten in zeitlicher Abfolge betreffend die Morgenstunden des 03.10.2022 habe dann Folgendes ergeben:
03.10.2022, 02:09 Uhr: Die letzte Standortübermittlung habe die Diskothek „E.“ in der S.-Straße 5 in A. im C. ergeben; dieser Bereich werde von der nördlichen Funkzelle abgedeckt.
03.10.2022, 02:32 Uhr: Um diese Uhrzeit sei ein ausgehender Anrufversuch über LTE-Verbindung registriert gewesen, das Mobiltelefon habe sich zu diesem Zeitpunkt in der südlichen Vodafone-Zelle befunden.
593
Ein Gespräch sei nicht geführt worden, der Kommunikationsaufbau sei gescheitert. Insoweit sei mit Vodafone Rücksprache genommen worden. Vodafone habe mitgeteilt, dass der letzte Ladevorgang am 25.09.2022 erfolgt sei und das Kundenkonto kein Prepaid-Guthaben mehr aufgewiesen habe, was ein denkbarer Grund für das Nichtzustandekommen des Gespräches gewesen sei.
594
Es sei aber eine datenbasierte Telefonie versucht worden. Dementsprechend müsse ein Mensch mit dem Handy eine Aktion ausgelöst habe, da es zu einer Display-Aktivierung gekommen sei und kein automatisierter Prozess stattgefunden habe.
03.10.2022, 02:36 Uhr: Zu diesem Zeitpunkt sei ein eingehender Anrufversuch durch … estzustellen gewesen, ebenso, dass das Handy der Geschädigten zu diesem Zeitpunkt nicht im Netz registriert gewesen sei, dementsprechend seien auch keine Standortdaten vorhanden.
03.10.2022, 02:37 Uhr: Zu diesem Zeitpunkt sei ein weiterer eingehender Anrufversuch durch … festzustellen gewesen, ebenso, dass das Handy der Geschädigten zu diesem Zeitpunkt weiterhin nicht im Netz registriert gewesen sei, dementsprechend seien auch keine Standortdaten vorhanden.
03.10.2022, 02:40 Uhr: Eine eingehende SMS – mit dem Vermerk der Handynummer von …- sei festzustellen. Es sei – so der Zeuge …- davon auszugehen, dass es sich hier um eine automatische SMS als Folge der zuvor erfolgten Anrufversuche des … handele. Das Mobiltelefon sei zu diesem Zeitpunkt von der nördlichen Vodafone Zelle abgedeckt worden.
595
Insoweit wurde mit dem Zeugen … und allen Verfahrensbeteiligten eine entsprechend gefertigte Karte in Augenschein genommen, aus welcher sich die von dem Zeugen … erläuterten Zeitpunkte und Aktivitäten sowie der Funkzellenwechsel ergeben. Der erneute Wechsel in die nördliche Funkzelle sei damit erklärbar, dass das Handy sich im Wasser in Richtung Norden „bewegt“ habe, dies könne einen Funkzellenwechsel auslösen.
596
Der Annahme, dass das Handy im Wasser gewesen sei, die GPS-Daten als Folge dessen um 02:33:35 Uhr bereits ungenau gewesen seien, stehe nicht entgegen, dass um 02:40 Uhr die SMS noch zugestellt worden sei. Grund dafür könne beispielsweise sein, dass das Handy im Wasser noch mal Richtung Wasseroberfläche „hochgeschwemmt“ worden sei, dadurch wieder kurzzeitig Netzempfang gehabt habe, wodurch die SMS-Zustellung möglich geworden sei. Tatsächlich sei das Handy ja auch – so KOK … einige hundert Meter im Bärbach und im Fluss Prien getrieben (vgl. Anhang Karte 2 zum späteren Fundort). Zuletzt – so der Zeuge … – sei festgestellt worden, dass vom Handy der H. … am 03.10.2022 zu den Uhrzeiten 00:40:36 Uhr, 01:40:36 Uhr, 02:40:36 Uhr und 03:40:46 Uhr, welches sich nach wie vor in der nördlichen Vodafone Zelle befunden habe, in periodischer Form Internetverkehr von exakt 1 Stunde Dauer aufgebaut habe, lediglich der Datensatz mit der Beginnzeit 03:40:46 Uhr habe bereits nach 57 min 28 sec geendet. Es habe sich um automatische Hintergrund-Updates gehandelt. Die dabei eruierten periodischen Internetdaten würden aber nicht bedeuten, dass der Teilnehmer aktiv im Netz bzw. in der angegebenen Funkzelle eingebucht sei.
597
Am 03.10.2022 um 04:38 Uhr sei das Ende der Datenverbindungen und somit die letzte Aktivität des Mobiltelefons festgestellt worden.
598
Auf der Grundlage dieser gesicherten Daten stehe fest, dass im Zeitraum vom 03.10.2022, 02:32 Uhr bis 03.10.2022, 02:40 Uhr ein Ortswechsel des Mobiltelefons der H. W. ovon der südlichen Zelle in die nördliche Zelle erfolgt sei.
599
Die Heimatadresse der Geschädigten H. W. werde von der südlichen Vodafone Zelle abgedeckt, sodass der Zellwechsel mit ihrem regulären Heimweg nicht in Einklang zu bringen sei.
600
Der Zeuge verwies auch darauf, dass im Bereich des Heimwegs der Geschädigten entlang der K.-Straße in A. im C. ein durchgehender Netzempfang gegeben sei, eine gute Mobilfunkversorgung.
601
Die fehlgeschlagenen Anrufversuche des … um 02:36 Uhr und um 02:37 Uhr am 03.10.2022 deuteten auf ein Abschirmen des Mobiltelefons oder ein Eindringen ins Wasser hin. Dazu, dass der Empfang einer SMS um 02:40 Uhr plausibel ist, verwies … (ebenso wie … s.o.) nochmals auf ein kurzzeitiges „Hochspülen“ des Handys an die Wasseroberfläche.
602
16.1.5. Sonstige Auswertungserkenntnisse betr. das Handy von H. W.
603
Die Polizeibeamtin und Zeugin KK’in …gab darüber hinaus betreffend das Handy der H. W.an, dass im Zeitraum vom 22.03.2019, 01:55 Uhr, bis 03.10.2022, 02:32:09 Uhr, dem Anrufprotokoll insgesamt 767 Einträge zu entnehmen gewesen seien. Teilnehmer seien nahezu ausschließlich Freunde der H. W. gewesen.
604
Der letzte ausgehende Anruf sei am 03.10.2022 um 02:32:09 Uhr zum Festnetztelefon der Eltern erfolgt. Weiterhin seien im gesamten Anrufprotokoll lediglich zwei weitere Anrufe mit dem Festnetzanschluss der Eltern gespeichert gewesen, Gespräche mit den Eltern seien über deren Mobiltelefonnummern lediglich vereinzelt verzeichnet (20 × „Papa“ und 10 × „Mutti“); kein Eintrag sei hierbei der Nachtzeit zuzuordnen gewesen.
605
Im Zeitraum vom 02.10.2022, 23:45 Uhr, bis 04.10.2022 seien insgesamt 94 Geräte-Ereignisse registriert gewesen; es habe sich um die Funktionen „Display on/off“ ((91) und Weiterleitung Audioausgabe (3)) gehandelt. Zudem sei ein Zeitstempel am 03.10.2022, 14:49 Uhr, festzustellen gewesen. Dieser sei wie folgt zu erklären – was auch der Sachverständige für Digitale Forensik, … bestätigend so. einordnete -: Da das Gerät beim erstmaligen Einschalten (nach Auffindung) ein Satelliten-Signal empfangen habe, seien einige der zuletzt gespeicherten Standorte ab einer Geräte-Systemzeit 03.10.2022, 14:49 Uhr (UTC+1) verfälscht bzw. Standorte in der Nähe des BLKA’s, 15, 8… M., in der Sicherung enthalten.
606
Kalendereinträge seien insgesamt 196 verzeichnet gewesen, in der Rubrik „Reminder“ sei für den 03.10.2022 der Eintrag „Kuchen Magdi“ (Hungerbaumaufstellen bei …) erschienen.
607
Im Verlauf des 02.10.2022 seien diverse Sprachnachrichten versandt und empfangen worden, wobei es jeweils um Alltagsthemen zwischen H. W. und ihren Freunden gegangen sei. Am 02.10.2022 um 18:00:11 Uhr habe H. folgende Sprachnachricht verschickt: „Meine Motivation liegt bei – 3000 und ich bin saumüde. Und es schüttet wie die Sau. Gar keinen Bock da obe zu gehen. Aber ich hab’s mit der … ausgemacht. Also zumindestens vorglühen. Lacht. Aber ich kann’s mir auch vorstellen, dass ich nach dem Vorglühen heim gehe. Weiß nicht. Schauen wir mal.“
608
Schließlich sei es so, dass zahlreiche Nachrichten (insg. 4.428 in den Bereichen Facebook Messenger, Instagram, Apple iMessenger, Native (SMS), SnapChat, Telegram, Tinder und WhatsApp) hätten festgestellt werden können. Die letzte Nachricht sei von H. am 02.10.2022 um 18:06:38 Uhr an ihre Freundinnen … und … versandt worden. Verfahrensrelevante Erkenntnisse hätten sich insoweit nicht ergeben.
16.2. Handys S. T.Oukitel WP7,
609
Die Zeugen KHK … und KOK … legtenten zunächst dar, dass hinsichtlich der drei sichergestellten Handys, die (u.a.) vom Angeklagten genutzt wurden, folgende Nutzungszeiträume festzustellen gewesen seien:
- Xiaomi Redmi 9 S = Mai 2020 – April 2021,
d.h. betreffend dieses Handy habe der Nutzungszeitraum vor dem verfahrensgegenständlichen Geschehen gelegen; das Handy sei defekt gewesen, vom LKA aber ausgewertet worden. Verfahrensrelevante Erkenntnisse seien, wie zu erwarten, nicht zutage getreten.
- Xiaomi Mi A2 Lite = August 2018 – November 2022
- Oukitel WP7, Rufnummer mit den Endziffern … 3996 = April 2022 – November 2022
610
Der Zeuge KHK … betonte zunächst, dass der Angeklagte S. T. also zwei Handys tatzeitnah genutzt habe, ein Mobiltelefon, welches er überwiegend zum Surfen im Internet gebraucht habe (Xiaomi Mi A2 Lite) und eines (Oukitel WP7), welches auf seine Mutter (I. T.) laufe, (auch) ihm aber 2022 zuzuordnen gewesen sei und mit dem er telefoniert und in den sozialen Netzwerken unterwegs gewesen sei (Provider Telefónica).
16.2.1. Auswertungserkenntnisse betr. das Handy Xiaomi Mi A2 Lite
611
Bei der Auswertung im WebVerlauf des Handys Xiaomi Mi A2 Lite seien aus kriminalpolizeilicher Sicht durchaus als auffällig zu bezeichnende GoogleBegriffe, GoogleSuchanfragen und Bilder mit dazugehörigen Zeitstempeln festgestellt worden, explizit habe es sich um folgende gehandelt:
- Suchkombinationen Zeitraum 27.10.2022-30.10.2022:
* „Sex Bruder und Schwester“
* „Sex Vater und Tochter“
* „Sex Vater und Tochterr“
612
Diese Suchbegriffe seien mehrfach aufgerufen worden.
- Suchbegriffe Zeitraum 06.08.2019-01.03.2022:
* „Vergewaltigung“ – „Endfürung“ – „Endfürung Porno“ – „Folter“ – „Vergewaltigung“ – „Tenager“ – „Tinager“ – „Gezwungen zum sex“ – „Gezwungen“ – „Kitneper“ – „Endfürung“ – „Vatter und“
613
Auch diese Suchbegriffe seien mehrfach aufgerufen worden.
614
Bei der Auswertung im WebVerlauf des Handys Xiaomi Mi A2 Lite sei zudem erkennbar geworden, dass vielfältige Seiten mit pornographischen Inhalten (Bilder/Videos) aufgerufen worden seien, u.a. auch zahlreiche Videos, in denen Vergewaltigungen (fake-Vergewaltigungen) dargestellt seien.
615
Insoweit führte der Zeuge KOK … der die entsprechende Auswertung für den Zeitraum 04.08.2022-02.11.2022 vornahm, aus, dass der Webverlauf insgesamt 11.826 Einträge aufgewiesen habe. Dabei handele es sich um die protokollierten Einträge. Es sei zu betonen, dass das Betriebssystem nicht alle Einträge protokolliere. Um den WebVerlauf betreffend pornographische Inhalte zu erfassen, seien polizeilicherseits Suchbegriffe – orientiert an den im GoogleVerlauf (s.o.) festgestellten Suchbegriffen – eingegeben worden (vgl. auch nachfolgend).
616
Die Protokollierung beinhalte den „Titel“ einer Webseite, der Protokolleintrag „URL“ (= Uniform Resource Locator, Adresse, die einen Pfad zu einer bestimmten Datei auf einem Server angibt), bezeichne den Aufruf einer Webseite, Datei, eines Videos o.ä.. Der Zeitstempel „zuletzt besucht am …“ gebe das Datum und die Uhrzeit des Aufrufs wieder und mit dem Protokolleintrag „Quelle“ sei diejenige App (Anwendung) gelistet, über welche der Aufruf der URL stattgefunden habe.
617
Bei 5.089 der insgesamt festgestellten 11.826 Protokolleinträgen habe kein Zeitstempel mehr festgestellt werden können, d.h. eine zeitliche Einordnung dieser Protokolleinträge sei nicht möglich gewesen. Weshalb die AppChrome (WebBrowser) oder das Betriebssystem diese 5.089 Protokolleinträge nicht mit einem Zeitstempel versehen habe, sei nur vom Hersteller der App-Chrome bzw. vom Hersteller des Betriebssystems des Smartphones zu beantworten. Gleiches gelte für die Frage, weshalb die Protokolleinträge für ein und denselben Aufruf einer Webseite teilweise zwei oder mehrere gleichwertige Einträge mit exakt derselben URL, dem gleichlautenden Titel der Webseite und exakt demselben, sekundengenauen Zeitstempel generiere.
618
Diese offensichtlich mehrmals protokollierten, vom Zeugen KOK … als „Duplikate“ bezeichneten Protokolleinträge, seien bei der Erstellung des Webverlaufs und der entsprechenden Excelliste, die mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurde, „entfernt“ worden, sodass schlussendlich für den Zeitraum vom 04.08.2022-02.11.2022 insgesamt 3.198 Webseiten gelistet worden seien.
619
Im Rahmen der weiteren Auswertung dieser gelisteten Webseiten sei festgestellt worden, dass 3.097 Webseiten mit pornographischem Inhalt vorgelegen hätten, d.h. 97 % hätten derartige Inhalte betroffen, lediglich 3 % (99 Webseiten) hätten in diesem Zeitraum keine pornographischen Inhalte betroffen.
620
Der Zeuge betonte, dass die Polizei zwar die Suchbegriffe eingegeben habe, diese aber an den GoogleSuchbegriffen, die auf dem Xiaomi Mi A2 Lite festgestellt und dort aktiv von S. T. eingegeben worden seien (auch an der Rechtschreibung erkennbar), sowie bereits vom Zeugen KHK … benannt wurden (s.o.), angelehnt, sozusagen von diesen „inspiriert“ gewesen seien. Es seien entsprechende Farbskalen etwa für die Schlagworte „hart“, „gezwungen“ und „brutal“ auf die aufgerufenen Seiten pornographischen Inhaltes bzw. den jeweiligen Titel gelegt worden. Gleichfalls sei chronologisch eine Liste erstellt worden, wie viele Seiten im Zeitraum 04.08.2022-02.11.2022 an den jeweiligen Tagen aufgerufen worden seien. Schließlich sei auch eine Liste der Häufigkeit der Worte in den jeweiligen Seitentiteln erstellt worden.
621
Dementsprechend habe sich zum einen ergeben, dass – in zeitlicher Nähe zum 03.10.2022 – es am 27.09.2022 zu 412 Seitenaufrufen gekommen sei, am 28.09.2022 zu 31, am 29.09.2022 zu 451 und am 30.09.2022 zu 229. Insbesondere die Anzahl der Seitenaufrufe am 27.09.2022 und 29.09.2022 sei zuvor in dieser Größenordnung nie feststellbar gewesen.
622
Des Weiteren sei feststellbar gewesen, dass die Seitenaufrufe nach dem 03.10.2022 durchgehend im einstelligen Bereich, zwischen dem 10.10. und dem 22.10.2022 gänzlich „eingeschlafen“ seien (0) und erst ab 23.10.2022 wieder ein Anstieg – 24.10.2022 auf 243 –, im Übrigen aber nicht mehr im 3-stelligen Bereich, festzustellen gewesen sei.
623
Am 03.10.2022 sei zudem eine Suche nach einem Präparat, durch dessen Einnahme der Penis innerhalb weniger Wochen um 7-11 cm wachse, feststellbar gewesen.
624
Hinsichtlich der Häufigkeit bestimmter Wörter in den, im Zeitraum 04.08.2022-02.11.2022 aufgerufenen Webadressen der Websites (= URL) mit pornographischem Inhalt, habe sich der Begriff „Porn“ mit 795 als am häufigsten dargestellt, gefolgt von „Sex“ (607), „Video“ (380), „Cam“ (342), „chat“ (334), „Live“ (291), „XXX“ (289), sowie von „Gratis“, „Free“, „Kostenlos“, „Teen“ (126), „Schwester“ (113), „Bruder“ (79), „gezwungen“ (60), „Tochter“ (29), „Hard“ (21), „Teenager“ (11), „hart“ (10), „Vergewaltigung“ (5), „grausam“ (3) und „Entführung“ (1).
625
Der Zeuge KOK … übergab entsprechende grafische Darstellungen bzw. Auflistungen, welche von ihm nochmals erläutert und mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein (sowie anschließend als Anlage zu Protokoll) genommen wurden.
626
Zudem betonte der Zeuge, dass die Protokollierung der entsprechenden Webseiten grundsätzlich belege, dass die jeweilige Seite aufgerufen worden sei. Sog. Popups – Fenster, die plötzlich eigenständig über der aktuellen Internetseite auftauchen und bei denen es sich um Dialogfelder, erläuternde Ergänzungen zur Hauptseite, aber auch Werbung handeln könne – seien aber nicht für jeden Aufruf auszuschließen. Gleichfalls sei nicht zu ermitteln, wie lange sich ein Nutzer auf der jeweiligen Seite aufgehalten habe, d.h. ob er letztendlich tatsächlich den jeweiligen Inhalt (vollständig) konsumiert habe.
627
Weiter verwies der Zeuge darauf, dass viele der aufgerufenen Webseiten nicht mehr herunterzuladen seien. Das pornographische Geschäft sei schnelllebig, die Kunden wünschten ständig neue Inhalte, daher seien die Seiten oft nicht lange online.
628
Er habe jedoch z.B. noch ein am 30.09.2022 um 14:24:54 Uhr über das Handy Xiaomi Mi A2 Lite aufgerufenes Video mit dem Titel „Cute russian blonde strangled and fucked“ heruntergeladen können, ein ca. 19-minütiges Video, welches mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurde.
629
Inhalt des Videos (s. auch Ziff. D. II. 17.3.6.): Ein Mädchen auf einer Wiese, sehr groß und sehr schlank, macht YogaÜbungen – maskierter Mann in Tarnkleidung beobachtet sie zunächst – nähert sich ihr dann – Mädchen flüchtet in eine Ruine, versteckt sich – dem Mann gelingt es, sie von hinten zu überfallen und zu Boden zu bringen – sie ist zunächst bewusstlos, er stranguliert sie mehrfach im Bereich eines Schaukelgestelles, dabei entkleidet er sie zunächst am Oberkörper, küsst den Oberkörper insbesondere die Brüste, zwischendurch führt er immer wieder den Strangulationsvorgang durch – er entkleidet sie dann auch am Unterkörper – schließlich positioniert er den reglosen Körper des Mädchens bäuchlings auf einer Treppe; am reglosen Körper des Mädchens führt der Mann durch mehrfache Penetration den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss aus. Insgesamt steht die exzessive Gewaltanwendung in dem Video im Vordergrund.
630
Der Zeuge KOK … führte insoweit aus, dass dieses Videos sicher kein Popup sei. Der Seitenbetreiber wolle den Nutzer auf der jeweiligen Seite binden, es handele sich insoweit nicht um eine im Hintergrund aufgerufene Seite, vielmehr müsse ein Nutzer diese Seite bewusst aufrufen.
631
Weiter – so KHK… – konnten auf dem Mobiltelefon Xiaomi Mi A2 Lite des Angeklagten zwei Bilder vom 05.02.2019 gesichert werden. Diese wurden mit dem Zeugen sowie allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen. Beide Bilder zeigen die Schwester von S. T. (damals 11 Jahre alt). Sie liegt nur mit einem Slip bekleidet in ihrem Bett, ihre Hand befindet sich zwischen ihren Beinen. Das Bild ist durch den Türspalt aufgenommen. Die Bilder seien in der Wohnung T. aufgenommen, zu erkennen etwa am Türknauf.
16.2.2. Auswertungserkenntnisse betr. das Handy Oukitel WP7
632
Bezüglich des Handy’s Oukitel WP7, welches auf die Mutter des Angeklagten laufe, aber S. T. zuzuordnen sei – er habe damit telefoniert, sei in den sozialen Netzwerken unterwegs gewesen, habe Fotos gemacht und auch Fotos von Freunden zugesandt bekommen (s. nachfolgend, a.E. von Ziff. D. II. 16.2.2.) –, sei die Rufnummer mit den Endziffern … 3996 genutzt worden.
633
Der Beschluss für die Einholung der rückwirkenden Verbindungsdaten für diese Rufnummer habe – so der Zeuge … – nach Umsetzung am 22.12.2022 und Sichtung der Daten zum einen ergeben, dass bereits mehrere Löschvorgänge erfolgt seien.
634
Es hätten keine Standortdaten mehr für den Zeitraum 02.-07.10.2022 vorgelegen. Auch sei es so gewesen, dass für diesen Zeitraum die IMEI des genutzten Mobiltelefons sowie die Gesamtheit der Kommunikationsereignisse der Gesprächsarten Internet Data und SMS gefehlt hätten. Um diesen Datenverlust bezüglich der Standortdaten zu kompensieren, seien die rückwirkenden Verbindungsdaten der Rufnummer mit den Endziffern … 3996 in Bezug zu den bereits zu früheren Zeitpunkten im vorliegenden Verfahren erhobenen Funkzellendaten entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts Rosenheim vom 04. und 05.10.2022 gesetzt worden, wodurch eine Tabelle „02.10.2022-07.10.2022 incl. Standort“ habe erstellt werden können. Ein Vergleich der rückwirkenden Verbindungsdaten der Rufnummer mit den Endziffern … 3996 mit den Funkzellendaten zu dieser Rufnummer habe mehrere Kommunikationsereignisse gezeigt.
635
Eine Einzelprüfung der Kommunikationsereignisse zur Rufnummer … 3996 im Zeitraum 02.-05.10.2022 habe dann zu dem Ergebnis geführt, dass alle Kommunikationsereignisse aus der rückwirkenden Verbindungsdatenerhebung zur Rufnummer auch in der Funkzellendatenrecherche enthalten gewesen seien. Für diesen Zeitraum seien somit keine Kommunikationsereignisse bekannt, welche außerhalb der erhobenen Funkzellenbereiche (Telefónica Funkzelle, Sendemaststandort A. im C., HohenA., Schloss 1) stattgefunden hätten. Nach dem 05.10.2022, 10:48 Uhr, lägen zur Rufnummer mit den Endziffern … 3996 keine weiteren Funkzellendaten vor, da der Beschluss zu diesem Zeitpunkt geendet habe.
636
Bezüglich der Auswertung der rückwirkenden Verbindungsdaten zur Rufnummer mit den Endziffern … 3996 (es seien nur noch ein- und ausgehende Gespräche feststellbar gewesen) habe er/Schleifer, zudem feststellen können, dass im Zeitraum 01.10.2022-18.11.2022 die häufigsten Partnernummern diejenigen von … und … gewesen seien.
637
Mit dem Zeugen … und allen Verfahrensbeteiligten wurde die Gesamtauflistung der Kommunikationsereignisse und der Partnernummern in Augenschein genommen.
638
Am 02.10.2022 habe zwischen S. T. und … ab 11:25:30 Uhr (bis 17:49:39 Uhr) per WhatsAppChat ein Austausch darüber stattgefunden, ob … wos mit ihm macha mog – Was treibst du so – S. fragt auch, ist bei eich a schlechtes Wetter, letztlich sei aber dann nichts Konkretes ausgemacht worden und wohl kein Treffen zustande gekommen.
639
Um 20:55 Uhr habe die Rufnummer mit den Endziffern … 3996 als Empfänger ein 13-minütiges Gespräch mit der Partnernummer des … geführt. Dies sei auch der letzte Datensatz am 02.10.2022 gewesen. Die Rufnummer sei Zellteilnehmer der Telefónica Funkzelle, Sendemaststandort A. im C., HohenA., Schloss 1, gewesen.
640
Am 03.10.2022 – Feiertag/Tag der Deutschen Einheit – sei dann wiederum per WhatsAppChat zwischen S. T. und … kommuniziert worden.
641
Voranzustellen sei, dass die Zeitangaben auf der koordinierten Weltzeit (UTC) beruhen würden. Hinsichtlich der in diesem Zeitraum geltenden Sommerzeit seien deshalb zu jeder Zeitangabe 2 Stunden hinzuzurechnen (Realzeit also 2 Stunden später als nachbenannt).
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08:20:38 Uhr: …an S.: Mogst heid wos macha?
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08:44:49 Uhr: S. an … können wir machen
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08:44:56 Uhr: … an S.: Super
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11:41:55 Uhr: S. an …: Wan treffen wir uns und wo
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11:42:33 Uhr: … an S.: Machma um 7 beim E.
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11:43:06 Uhr: S. an … Und was machma da
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11:43:33 Uhr: … an S.: Schauma du derfst dann erstmal mit meim Auto an … holen
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11:44:34 Uhr: S. an …: Ok und eher geht nicht
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11:45:14 Uhr: S. an … Jetzt warad so schönes Wetter
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11:45:28 Uhr: … an S.: Und wos machma
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11:46:12 Uhr: S. an … Hab noch keinen Plan aber hab Bock was zu machen
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11:46:31 Uhr: … an S.: Machma dann später trotzdem was mit … auch!
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11:47:08 Uhr: S. an … Ja
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11:52:13 Uhr: S. an …: Und hast Bock oda ned
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11:52:27 Uhr: … an S.: Ja aber was machma
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11:57:34 Uhr: S. an …: Wir könnten Federball spielen ob’s besser klappt wie beim letzten mal
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11:58:03 Uhr: … an S.: Ja kema machma muss davor aber noch tanken
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11:58:53 Uhr: S. an …: Ja bast muß Grad noch reifenwechseln
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11:59:38 Uhr: … an S.: Ok wo treffma uns dann? E.?
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12:00:37 Uhr: S. an … Ja wan bist da
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12:00:53 Uhr: … an S.: Ja so um halb Dreiviertel
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12:01:01 Uhr: S. an … Ok
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12:16:22 Uhr: S. an …: Holst du mich doch bei mir sonst muss ich das Zeug so weit schleppen
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12:16:44 Uhr: … an S.: Ok basd
642
Am 03.10.2022 um 19:57 Uhr sei die Rufnummer mit den Endziffern … 3996 von der Partnernummer des …kontaktiert worden (ca. 16-minütiges Gespräch), nochmals um 20:15 Uhr (5-minütiges Gespräch).
643
Aus dem Ergebnis der Funkzellenauswertung und der erholten rückwirkenden Verbindungsdaten habe sich ergeben – so der Zeuge … –, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt dieser Anrufe in der Funkzelle A. im C., HohenA., Schloss 1, befunden habe.
644
Weiter habe sich für den 04.10.2022, 20:42 Uhr, ein 5-minütiges Gespräch mit der Partnernummer der … ergeben. Die Rufnummer mit den Entziffern … 3996 sei zu diesem Zeitpunkt wiederum in der vorgenannten Funkzelle gewesen. Die Rufnummer der … labe sich hierbei ebenfalls in dieser Funkzelle befunden.
645
Schließlich seien für den 05.10.2022 3 Gespräche mit der Rufnummer … 3996 getätigt worden, um 06:04 Uhr an …, um 10:46 Uhr ein Anwählversuch bei der HUK Coburg Rosenheim und um 16:48 Uhr an … Innere Medizin. Die Rufnummer mit den Entziffern … 3996 sei auch zu diesen Zeitpunkten in der vorgenannten Funkzelle gewesen.
646
Der Zeuge KOK …, der die erste grobe Auswertung des Handys Oukitel WP7 vornahm, legte bezüglich des Handys Oukitel WP7, einem Outdoor Handy, welches zwar GPS habe, dieses sei jedoch ausgeschaltet géwesen, dar, dass sich ergeben habe, dass zwischen dem 04.10.2022-13.10.2022 Presseberichte zum Thema „H.“ aufgerufen worden seien, erstmals am 04.10. 2022 um 19:56:18 Uhr über Rosenheim24.
647
Bezüglich E-Mails, Chats, Videodateien habe keinerlei tatrelevantes Material eruiert werden können. Die Bilddateien (Selfies und Familienbilder) seien ohne Zeitstempel hinterlegt gewesen, in den Dokumenten sei es um die Pfadfinder, Ausbildung und Stundenpläne gegangen, eben nichts von Tatrelevanz.
648
Der Sachverständige für Digitale Forensik, …, hat betreffend das Handy Oukitel WP7 des Weiteren geprüft, ob die im „Beweisantrag Nr. 3“ vorgebrachte Behauptung (die laut Verteidigung ausdrücklich aber keine (Teil-) Einlassung des Angeklagten sei), Herr T. habe am 03.10.2022 ab 02:30 Uhr das Multiplayerspiel „Clash of Clans“, ein Strategiespiel des Spieleherstellers Supercell Oy aktiv gespielt, bei Auswertung des Handys zu verifizieren gewesen sei.
649
Bei der Auswertung – so … habe er zunächst festgestellt, dass im angewandten Zeitfilter (03.10.2022, 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr) lediglich Ereignisse in Bezug auf kabellose Netzwerke (WLAN) erkennbar gewesen seien. Diese seien zudem nicht mit genauen Zeitpunkten aufgelistet, sondern jeweils zur vollen Stunde (02:00 Uhr, 04:00 Uhr usw.). Ihre Aussagekraft habe nur einen zusammenfassenden Charakter, d.h., die Einträge gäben lediglich eine Auskunft darüber, welche Applikation in welchem Zeitfenster die WLAN-Verbindung nutze, auch die Dauer der Aktivität sei nicht ablesbar.
650
Im fraglichen Zeitfenster (03.10.2022, 02:00 Uhr bis 04:00 Uhr) seien 2 Einträge mit der Applikationsbezeichnung „Clash of Clans“ enthalten – allerdings eben ohne konkreten Zeitpunkt.
651
Erst die weiteren Ermittlungen über EUROPOL SIENA zur Behauptung der Verteidigung aus dem „Beweisantrag Nr. 3“ vom 14.12.2023, am 03.10.2022 ab 02:30 Uhr habe Herr T. das Multiplayerspiel „Clash of Clans“ auf seinem Mobiltelefon Oukitel WP7 gespielt, erbrachten – so der sachverständige Zeuge … – Folgendes:
652
Es sei bei dem finnischen Spielehersteller Supercell Oy zur Abklärung der Frage, inwieweit eine Person am 03.10.2022 ab 02:30 Uhr über das Smartphone Oukitel WP7 das Onlinespiel „Clash of Clans“ gespielt habe, am 02.01.2024 mittels dem von EUROPOL bereitgestellten E-Mail System zum sicheren internationalen Nachrichtenaustausch (SIENA) eine Anfrage gestellt worden. Dabei seien (nur) die beiden dem Smartphone Oukitel WP7 zuzuordnenden IMEI-Nummern sowie die Mobilfunknummer mit den Endziffern … 3996 als Identifikationskriterium zum Auffinden des Benutzerkontos beigefügt gewesen.
653
Der finnischen Spielehersteller Supercell Oy habe das Siel „Clash of Clans“ für die Smartphonebetriebssysteme iOS und Android entwickelt, das Spiel könne aber auch auf einem Computer gespielt werden.
654
Es sei am 12.01.2024 ein Antwortschreiben über EUROPOL Siena des finnischen Spieleherstellers Supercell Oy eingegangen. Dieses Antwortschreiben sei in englischer Sprache verfasst gewesen. Das Schreiben wurde von dem hinzugezogenen Dolmetscher für die englische Sprache … übersetzt.
655
Die Auskunft des finnischen Spieleherstellers Supercell Oy sei dann über EUROPOL Siena mit Schreiben vom 06.02.2024 ergänzt worden betreffend eine Auflistung aller Spielzeiten im Zeitraum 01.10.2022-05.01.2024.
656
Dem Spielehersteller sei es anhand der angefragten Daten möglich gewesen, das Benutzerkonto „jojo“ zum Spiel „Clash of Clans“ zu identifizieren. Supercell Oy habe zudem den Namen des Smartphones Oukitel WP7 aufgeführt, welches in der Anfrage keine Erwähnung gefunden habe. Insgesamt hätten in dem Zeitraum vom 02.10.2022-04.10.2022 hinsichtlich der Sessions (Sitzungen) 13 Datensätze vorgelegen. Diese beinhalteten neben dem Datum der Startzeit, den Beginn der Session, den Verbindungsaufbau zwischen der SmartphoneApp und einen über das Internet erreichbaren SpieleServer. In einer weiteren Spalte sei die vom Spielehersteller serverseitig protokollierte Spielezeit (Duration) zum jeweiligen Datum abzulesen. Bezüglich der Dauer der Spielesitzung liege eine zeitliche Angabe in Minuten und Sekunden vor. Die nachfolgende Spalte weise die zugewiesene IP-Adresse auf, über die u.a. auch der von der Familie T. betriebene internetfähige Router über den Internet Diensteanbieter Telefónica Deutschland GmbH zu ermitteln gewesen sei.
657
Laut der Auskunft der Herstellerfirma Supercell Oy sei es so, dass über das Handy/Smartphone Oukitel WP7 mit den Endziffern … 3996
(bei bestehender Verbindung über den Router des Hausanschlusses der Familie T. die IP-Adresse sei Telefónica Deutschland zuzuordnen gewesen, die den Router betreibe)
das Spiel „Clash of Clans“ am 03.10.2022 ab 02:42 Uhr (UTC+2) für die Dauer von 8 min 33 sec gespielt worden sei. Es sei der Begriff „session“ (= Sitzung) vermerkt, d.h. eine Person habe sich aktiv eingeloggt und nach 8 min 33 sec ausgeloggt.
658
Weiter sei das Spiel am 03.10.2022 um 03:31 Uhr für die Dauer von 3 min 4 sec gespielt worden. Auch um 18:54 Uhr am 03.10.2022 sei das Spiel nochmals für die Dauer von 3 min 37 sec gespielt worden.
659
Vor dem 03.10.2022 ab 02:42 Uhr sei „Clash of Clans“ zuletzt am 02.10.2022 ab 21:10 Uhr für 14 min 29 sec gespielt worden.
660
Welche konkrete Person das Spiel „Clash of Clans“ jeweils auf dem Handy Oukitel WP7 gespielt habe, sei über den Spielehersteller in Finnland nicht zu ermitteln gewesen. Anhand der Auskunft von Supercell Oy habe der Benutzername zum Spiel „Clash of Clans“ „jojo“ gelautet. Die Recherche zu diesem Namen habe eine Vielzahl von Spielern hervorgebracht, die diesen Benutzernamen verwenden würden. Der Hersteller habe den Benutzernamen „jojo“, welcher auf dem Smartphone Oukitel WP7 gespielt worden sei, allerdings anhand der eindeutigen ID #QQGUJV92P feststellen können. Mit dieser ID sei ein Spielerprofil „jojo“ auf einer Internetseite namens „Clash of Stats“ aufzufinden gewesen. Der Link zur Internetseite und zum Spielerprofil habe gelautet: https://www.clashofstats.com/players/jojo-QQGUJV92P. Das Spielerprofil habe einen weiblichen Avatar gezeigt. Ein Avatar lasse sich aber frei wählen, weshalb Rückschlüsse auf die tatsächliche Identität eines Nutzers nicht möglich seien.
661
Mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wird die diesbzgl. gefertigte Lichtbildtafel (Spielerprofil „jojo“ zur ID #QQGUJV92P) in Augenschein genommen:
Bild 1: Menüpunkt Einstellungen „‚Supercell ID verbinde dein Konto mit einer Supercell ID, um dein Spiel zu schützen und auf mehreren Geräten zu spielen.
Bild 2-6: Registrierungsvorgang Supercell ID
Bild 8: nach Anmeldung mit der E-Mail-Adresse
Bild 9: Auswählen eines vorgegebenen Avatars
Bild 10: Historie zum Spieler „jojo“; die weibliche Spielfigur in Kleid und mit rosa Haaren, Pfeil und Bogen haltend, nennt sich Avatar
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Neben dem Spielen des Spiels „Clash of Clans“ am 03.10.2022 ab 02:42 Uhr seien am 03.10.2022 YouTubeVideos über Google aufgerufen worden:
663
Diesbezüglich referierte der sachverständige Zeuge … etreffend die Nacht vom 02. auf den 03.10.2022, dass zu ermitteln gewesen sei, dass vom Handy/Smartphone Oukitel WP7 mit den Endziffern … 3996 um 01:24 Uhr das YouTubeVideo „So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“, Dauer 14 min 42 sec, aufgerufen worden sei (Protokoll der Netzwerknutzungen, Zeitfenster 03.10.2022, 00:00 Uhr – 02:00 Uhr mit ID 11631 und mit ID 11632).
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Dieses Video habe ein Datenvolumen von ca. 57 Megabytes. Laut Netzwerknutzungen seien aber nur ca. 5.8 Megabytes empfangen worden. Daraus sei zu schlussfolgern, dass auch nur etwa 10 % des Videos heruntergeladen, also das Video nicht vollständig, sondern nur etwa 10 % des Videos (1 min 31 sec) angeschaut worden seien. Diese zeitlichen Aspekte seien zu errechnen bei der Zugrundelegung einer hohen Auflösung (720p – bessere Bildqualität). Sofern die Qualität der Auflösung schlechter sei (schlechte Qualität = weniger Dateivolumen) und die schlechtmöglichste Auflösung (360p) zugrunde gelegt werde, sei von einer Abspieldauer betreffend das um 01:24 Uhr aufgerufene FitnessVideo von 2 min 34 sec auszugehen.
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Dieses YouTubeVideo sei also nach Aufruf am 03.10.2022 um 01:24 Uhr max. 2 min 34 sec gelaufen.
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Wer das Video aufgerufen und (teilweise) angeschaut habe, sei nicht festzustellen.
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Dass abhängig von Faktoren wie etwa der unterschiedlichen Qualität der Auflösung bei Herunterladen von ca. 5.8 Megabytes die tatsächlich abgespielte Videodauer leicht unterschiedlich sein könne, gab auch der forensisch-digitale Sachverständige … an.
668
Vor dem Protokolleintrag „Clash of Clans“ seien zudem im Zeitfenster 03.10.2022, 02:00 Uhr – 04:00 Uhr im Protokoll der Netzwerknutzungen (mit ID 11648 und mit ID 11649) Einträge der App YouTube über Google vorhanden gewesen.
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Aus nachfolgenden Erkenntnissen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass vor dem Spiel „Clash of Clans“ weitere aktive Nutzungen an dem Handy Oukitel WP7 erfolgt sind:
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Seitens des sachverständigen Zeugen … wurde zunächst darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Zeitfenster zwar chronologisch seien, nicht aber die Protokolleinträge innerhalb des jeweiligen Zeitfensters. Grund dafür sei, dass die entsprechende Registrierung der Netzwerkverbindungen für analytische und statistische Zwecke durch den jeweiligen Hersteller erfolge; insoweit sei eine zeitpunktgenaue Erfassung irrelevant.
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Zum anderen sei bezüglich der beiden Nutzungsmodi „Foreground“ und „Background“ grundsätzlich klarstellend auszuführen, dass „Foreground“ bedeute, dass eine App im Vordergrund laufe und auf dem Bildschirm dem Nutzer angezeigt werde. „Background“ bedeute, dass die App gestartet sei, aber im Hintergrund laufe, d.h. die App sei nicht aktiv im Vordergrund.
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Zu betonen sei aber auch, dass der Modus „Foreground“ nicht zwingend die aktive Nutzung einer App belege. Dies erkläre etwa auch den im Protokoll der Netzwerknutzungen dokumentierten Umstand, dass im Zeitfenster 03.10.2022, 04:00 Uhr – 06:00 Uhr, das Spiel „Clash of clans“ einmal im „Foreground“ auftauche, laut der über EUROPOL Siena eingeholten Auskunft des finnischen Spieleherstellers Supercell Oy jedoch kein aktives Spielen/kein aktiver Aufruf des Spieles „Clash of clans“ in/zu dieser Zeit erfolgte. Daher habe die Feststellung des Nutzungsmodus „Foreground“ keine Aussagekraft hinsichtlich der Frage einer tatsächlich erfolgten, aktiven Nutzung, d.h. dass auch das Aufploppen von Google im „Foreground“ keinen Hinweis auf eine aktive Nutzung über den YouTubeVerlauf ergäbe.
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Bei der Bewertung der genannten Einträge im Protokoll der Netzwerknutzungen sei dementsprechend von Folgendem auszugehen:
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In Bezug auf das „Zweite YouTube Video“ – im Zeitfenster 03.10.2022, 02:00 Uhr – 04:00 Uhr im Protokoll der Netzwerknutzungen mit ID 11648 und mit ID 11649 – über Google sei unter Berücksichtigung dieser Begrifflichkeiten festzustellen gewesen, dass die App aus dem Hintergrund („Background“), somit für den Benutzer des Smartphones nicht sichtbar, in den Vordergrund („Foreground“), ab diesem Zeitpunkt für den Benutzer des Smartphones sichtbar, gewechselt sei.
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Dafür seien zwei mögliche Konstellationen denkbar:
* Erstens, die YouTubeApp sei bereits geöffnet, gestartet und als aktiv anzusehen gewesen und habe sich im AppFach befunden (Apps, welche sich auf dem Smartphone „durchwischen“ ließen). Diese Apps seien zwar aktiv, jedoch nicht vollständig auf dem Bildschirm angezeigt. Interaktionen mit diesen Apps seien durch den Benutzer noch nicht möglich. Tippe der Benutzer auf eine dieser Apps im AppFach, wechsele diese angewählte App vom Nutzungsmodus „Background“ in den Nutzungsmodus „Foreground“. Die App befände sich folglich im Vordergrund und stehe für Interaktionen durch den Benutzer zur Verfügung.
* Zweitens, die YouTubeApp sei noch nicht geöffnet/gestartet. Der Benutzer tippe auf die App, um diese zu starten. Während des Ladevorgangs der App befinde sich diese im Nutzungsmodus „Background“. Das bedeute, die App sei zu diesem Zeitpunkt aktiv, jedoch noch nicht auf dem Bildschirm des Smartphones sichtbar. Nach dem vollständigen Laden der App sei diese sodann auf dem Bildschirm sichtbar und stehe für Interaktionen durch den Benutzer bereit. Der Status des Nutzungsmodus wechsle demzufolge von „Background“ in „Foreground“.
- Anhand der gesicherten Protokolleinträge – so … – sei in zeitlicher Hinsicht nochmals auf Folgendes hinzuweisen:
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Im Protokoll der Netzwerknutzungen befände sich unter der ID 11640 der erste Eintrag zum Zeitraum 03.10.2022 02:00 Uhr – 04:00 Uhr. Unter der Spalte „Zusätzliche Informationen“ der ID 11641 seien eine Reihe von Systemprozessen namentlich gelistet, mit Blick auf die ID 11642 zusätzlich Telefonprozesse. Da das Betriebssystem des Oukitel WP7 die freie Software Android darstelle, seien mittels Recherche auf der Entwicklerplattform „Developers“ zum Smartphone-Betriebssystem Android die jeweiligen Apps und deren Verwendungszwecke einsehbar gewesen. Diese hätten auf Prozesse eines AndroidSmartphones hingedeutet, welche nach Aktivierung des Smartphones (Einschalten, PIN-Eingabe, Face-Unlock etc.) die Grundfunktionalität darstellten. Die angesprochenen Apps liefen unter dem Netzwerkmodus „Foreground“, seien demnach aktiv, besäßen jedoch laut der Entwicklerplattform „Developers“ keine grafische Benutzeroberfläche, d.h. eine Interaktion durch den Benutzer mit dieser App sei nicht möglich und nicht vorgesehen. Ausgehend davon, dass der Benutzer des Smartphones Oukitel WP7 dieses am 03.10.2022 nach 02:00 Uhr aktiviert habe, hätten sich nachfolgend die Apps von Google, der Google Play Store, die Schnellsuchleiste von Google, Google Mobil Service und weitere Google Apps geladen.
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Sofern eine „ForegroundAktivität“ der YouTubeApp am 03.10.2022 nach 02:00 Uhr und vor dem Spiel „Clash of Clans“ stattgefunden hätte, seien laut … folgende Aussagen zu treffen: Allein aus den Protokolleinträgen gehe weder der Name des Videos noch der exakte Zeitpunkt des Abspielens hervor.
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Entweder habe der Nutzer des Smartphones die App mittels Antippen auf dem Bildschirm gestartet oder er habe diese aus dem AppFach in den Vordergrund gewischt. Durchaus plausibel sei ebenfalls die Annahme, dass nach dem Einschalten des Smartphones die App YouTube sich in den „Foreground“ geschaltet habe. Weiter plausibel sei, dass das FitnessVideo
(„So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“) – am 03.10.2022 um 01:24 Uhr aufgerufen und für max 2 min 34 sec abgespielt -
noch in der YouTubeApp geladen gewesen sei, nach Einschalten des Smartphones dieses angezeigt und weiter abgespielt worden sei. In Summe habe die YouTubeApp 164.753 Bytes empfangen, was einer reinen Abspielzeit des Fitnessvideos von knapp 3 Sekunden entspräche (exakt 2,66 Sekunden).
- Zusätzlich sei – so … weiter – aber zu ermitteln gewesen, dass Google im jeweiligen Benutzerkonto Aktivitäten der App YouTube, online einsehbar, protokolliere. Zum Protokollumfang gehöre u.a. der Videotitel, die Abspieldauer und der Zeitstempel des Startens des Videos. Hinsichtlich des Startens von Videos in der YouTubeApp und der damit verbundenen Protokollierung sei für den 03.10.2022 nur der Aufruf von 2 Videos festzustellen gewesen:
* 03.10.2022, 01:24 Uhr: Aufruf des Videos „So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“
* 03.10.2022, 14:54 Uhr: Aufruf des StrickVideos „How To: Slip Purlwise (sl1p)
- Weitere Aufrufe von Videos hätten sich am 03.10.2022 nicht ereignet. Die App YouTube habe infolgedessen am 03.10.2022 kein drittes Video abgespielt, da zu einem dritten Video keine Protokollierung stattgefunden habe. Es existiere zum 03.10.2022 kein dritter Zeitstempel zu einem Video.
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Wäre im Zeitfenster 03.10.2022, 02:00 Uhr – 04:00 Uhr, noch etwas anderes angeschaut oder gespielt worden oder wäre gechatet, geschrieben bzw. eine E-Mail verschickt worden, wäre auch dies protokolliert worden.
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Schließlich gab der Zeuge … an, dass weitere Erkenntnisse über die Firma G. (Auskunft über die dort gespeicherten Nutzungen von der IP Adresse … über ein mögliches Antippen der Applikation YouTube nicht zu erwarten seien. Die Protokolleinträge der Netzwerknutzungen seien den Ermittlungsbehörden abschließend zur Verfügung gestellt worden durch Sicherung der GoogleAccountDaten seitens der Digitalen Forensik
- und hätten die dargelegten Erkenntnisse zum Abspielen von 2 YouTubeVideos am 03.10.2022 um 01:24 Uhr bzw. 14:54 Uhr ergeben, ebenso, dass dazwischen kein weiteres YouTubeVideo über Google aufgerufen worden sei -.
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Die Daten, die von Google zu erlangen seien, lägen also vollständig vor.
678
Die Erläuterungen des sachverständigen Zeugen … zur Auswertung des Protokolles der Netzwerknutzungen im relevanten Zeitraum waren insgesamt nachvollziehbar.
679
Zu ermitteln gewesen und damit zu erwähnen seien – so schließlich der sachverständige Zeuge … – betreffend die Aktivitäten der App YouTube folgende GoogleBenutzerkonten:
… Die insoweit erfolgte Auswertung habe allerdings im Ergebnisse keine weiteren Erkenntnisse zu einer möglichen Nutzung im maßgeblichen Zeitraum am 03.10.2022 zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr ergeben.
680
Über das Bayerische Landeskriminalamt in München habe die Auskunft erlangt werden können, dass auf dem Smartphone Oukitel WP7 das aktive Google Benutzerkonto auf …. com gelautet habe.
681
In diesem Google Benutzerkonto habe hinsichtlich Einträgen zu YouTube und „Clash of Clans“ zum 03.10.2022 Folgendes ermittelt werden können:
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Protokollierung der 2, bereits benannten Videos der online Plattform YouTube:
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01:24 Uhr: Aufruf des Videos „So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“ und 14:54 Uhr: Aufruf des StrickVideos „How To: Slip Purlwise (sl1p) -.
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Weitere Erkenntnisse seien auch nicht aus der Auswertung des Routers in der Wohnung der Familie … (FRITZ!Box 7490) zu erlangen gewesen. Eine Überprüfung der Zeiteinstellungen habe die Übereinstimmung mit der Realzeit ergeben. Eine Suche in dem Datensatz mit dem Suchbegriff „2022“ habe lediglich einen einzigen Eintrag ergeben: Es habe sich um einen sog. „CrashReport“ mit Beginn „Tue Sep 13 11:53:56 Uhr 2022 UTC“ und Ende „Tue Sep 13 11:57:41 Uhr 2022 UTC by crask report“ gehandelt. Es sei anhand der Auswertungsergebnisse davon auszugehen, dass es seit November 2022 zu mehrere Trennungen gekommen sei, was zu Datenverlust führe. Das Gerät habe dann Einträge in der Anrufliste vom 15.09.2023, 15:11 Uhr, bis 02.01.2024, 15:35 Uhr, gezeigt, daneben Systemereignisse vom 27.12.2023, 11:05 Uhr, bis 02.01.2024, 15:58 Uhr. In weiteren Supportdateien hätten keine Einträge für das Jahr 2022 festgestellt werden können.
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Im Zuge der Auswertung des Handys Oukitel WP7 seien schließlich betreffend den 03.10.2022 keine Kameraaufzeichnungen (Fotos/Videos) festgestellt worden. Da das Handy physisch gesichert sei, sei grundsätzlich die Wiederherstellung eventuell gelöschter Inhalte gut möglich, derartige hätten sich jedoch nicht gefunden. Es sei lediglich ein Foto auf dem Handy von S. T. am 03.10.2023 um 20:18:47 Uhr heruntergeladen worden, welches ihm/… von … zugesandt worden sei.
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Im Zeitraum 04.10.2022, 20:59:58 Uhr bis 21:12:14 Uhr seien insgesamt 22 Fotoaufnahmen (davon 5 nicht gelöschte) festzustellen gewesen; die 17 gelöschten Bilder seien aus der Galerieanwendung, welche ehemals enthaltene Mediendaten für eine gewisse Zeit zwischenspeichere, gewesen. Eine genaue zeitliche Eingrenzung sei nicht möglich.
684
Der Zeuge POM …, der ebenfalls in die Auswertung der 3, dem Angeklagten T. zuzurechnenden und sichergestellten Handys involviert war, gab ergänzend an, dass zwar in der Nacht des 03.10.2022 Netzwerkverbindungen (WLAN Heimatanschrift des Angeklagten, über die FRITZ-Box 7490 Verbindung) festzustellen gewesen seien. Ein Handy könne sich dann sozusagen allein verbinden, es sei keine Aktivität eines Nutzers erforderlich. Es könnten dann z.B. auch Apps im Hintergrund arbeiten, wie etwa die YouTube App oder auch SpieleApps.
685
Die Auswertung des Handys Oukitel WP7 habe u.a. ergeben, dass – wie vom Kollegen KOK … angesprochen – zwischen dem 04.10.2022-13.10.2022 Presseberichte zum Thema „H.“ aufgerufen worden seien, erstmals am 04.10.2022 um 19:56:18 Uhr in Rosenheim24. Dieser Bericht wurde nochmals mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und verlesen.
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Der Bericht erschien erstmals online am 04.10.2022 um 16:03 Uhr. In dem Bericht heißt es, dass eine junge Frau (23) nach einem Clubbesuch in A. im C. tot in Prien am Chiemsee aus dem Fluss geborgen wurde und die Polizei ein Gewaltverbrechen nicht ausschließt. Um 19:56:18 Uhr waren bereits einige Updates betreffend diesen Bericht vorhanden, die inhaltlich keine weiteren Details enthielten.
Um 19:56:53 Uhr und 19:56:54 Uhr sei es zu einem erneuten Aufruf dieses Artikels gekommen. Um 20:48:48 Uhr sei ein Spiegelbericht auf Spiegelonline aufgerufen worden; auch dieser habe inhaltlich keine weiteren Details enthalten.
16.3.1. Geo- und Funkzellendaten, WhatsAppChats
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Auch das Handy der …ein Smartphone Apple iPhone 12, wurde digital-forensisch ausgewertet.
688
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK … führte aus, dass folgende verfahrensrelevanten Erkenntnisse bezüglich Geo- und Funkzellendaten sowie Nachrichten per WhatsApp im Zeitraum 02.10.2022-05.10.2022 im Rahmen der Auswertung erlangt werden konnten:
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Am 02.10.2022 habe zwischen S. T. und … ab 11:25:30 Uhr (bis 17:49:39 Uhr) per WhatsAppChat ein Austausch darüber stattgefunden, ob … wos mit ihm macha mog – Was treibst du so – S. fragt auch, ist bei eich a schlechtes Wetter, letztlich sei aber dann nichts Konkretes ausgemacht worden und wohl kein Treffen zustande gekommen, wie bereits im Rahmen der Auswertungserkenntnisse betreffend das von S. T.genutzte Handy Oukitel WP7 dargelegt (s.o. Ziff. D. II. 16.2.2.)
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Auch am 03.10.2022: – Feiertag/Tag der Deutschen Einheit – sei per WhatsAppChat zwischen S. T. und … wegen eines Treffens kommuniziert worden:
691
Insoweit kann betr. den Inhalt auf die Ausführungen in Ziff. D. II. 16.2.2. verwiesen werden.
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Weiter sei bei Auswertung des Handy’s von … bezüglich des 03.10.2022 Folgendes festgestellt worden:
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14:49 Uhr: Geodaten in A., …(Wohnanschrift von T.) und Funkzelle A.
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15:56 Uhr: Geodaten in Prien, am Reitbach (verm. McDonald’s)
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zw. 15:59-16:01 Uhr: … macht mehrere Bilder auf einer Toilette, wohl WC bei McDonald’s
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16:22 Uhr: Geodaten in Übersee, Strandbad
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17:47 Uhr: Geodaten der Wohnanschrift (Bergen/Bernhaupten)
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18:19 Uhr: Funkzelle A.
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zw. 18:22-18:25 Uhr:… → Sprachnachricht an … dass … Corona hat, …fährt offensichtlich Auto
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18:54 Uhr: Geodaten der Wohnanschrift (Bergen/Bernhaupten)
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ab 20:44 Uhr: WhatsApp Kommunikationen zw. … und … (Thema: Besuch eines lost place) sowie WhatsAppChats mit … und … sowie …es geht um die Sendung „Berlin Tag und Nacht“, ein Fan-Treffen miT. bis zuletzt 23:25 Uhr
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Diese Sprachnachrichten wurden mit allen Verfahrensbeteiligten durch Abspielen angehört und so ins Verfahren eingeführt. Es sind keinerlei Hintergrundgeräusche, wie etwa beim Fahren in einem Fahrzeug oder bei einem Spaziergang in der Natur zu vernehmen.
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Der Zeuge KOK … Führte aus, dass es am 03.10.2022 für den Zeitraum 19:30 Uhr – 20:00 Uhr keinerlei technischen Fußabdruck/keine Funkzellendaten vom Handy … im Raum A. im C. gäbe.
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07:51 Uhr: Geodaten in Traunstein, Berufsschule
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13:03 + 15:26 Uhr: Geodaten der Wohnanschrift (Bergen/Bernhaupten)
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15:56 Uhr: Geodaten in Traunstein, Hochstraße/McDonalds
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ab 18:07:39 Uhr tauschen sich …; und S. T. Wieder per WhatsAppChat aus:
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Voranzustellen sei, dass die Zeitangaben auf der koordinierten Weltzeit (UTC) beruhen würden. Hinsichtlich der in diesem Zeitraum geltenden Sommerzeit seien deshalb zu jeder Zeitangabe 2 Stunden hinzuzurechnen (Realzeit also 2 Stunden später als nachbenannt).
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ab 18:07:39 Uhr: … an S.: Host du lust wos zum machen? Mir is so fad anschließend Sprachnachricht von; … n S., der vom Vortag noch Sachen in ihrem Auto hat
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18:09:17 Uhr: S. an …: Was hab ich vergessen
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18:09:36 Uhr: …an S.: De Tasche mit dem Puk zeig drin – De is no bel mir im Auto
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18:10:25 Uhr: S. an … A ja wir können ein bisschen spazieren gehen
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18:10:34 Uhr: … an S.: ja super – Treffma uns beim E. hinten?
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18:11:23 Uhr: S. an … Ok wan
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18:11:32 Uhr: … an S.: Jetzt dann – Frog an … vit mog er a wos macha
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18:12:35 Uhr: S. an … Dareich in nicht
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18:13:07 Uhr: S. an … Bist schon unterwegs
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18:13:16 Uhr: … an S.: Ja
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18:13:29 Uhr: S. an … Ok wo bist du denn
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20:42 Uhr: … ruft S. an → Funkzelle A. bis 22:25 Uhr
(s. auch Ziff. D. II. 16.2.2.)
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ab 21:00 Uhr: AppleHealth, viele Bewegungsdaten mit hohen Schrittzahlen
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Für den 03.10.2022 liegen demgegenüber keine derartigen Daten vor.
- 22:43 Uhr: … verlangt die Übersendung der Bilder von S.
- 22:47 Uhr: Geodaten der Wohnanschrift (Bergen/Bernhaupten)
- 06:28 Uhr: … erhält die Bilder von S.
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Die vom Zeugen KHK …eferierten Auswertungserkenntnisse bestätigte auch der an der Auswertung mitbeteiligte sachverständige Zeugen …
16.3.2. Text- und Sprachnachrichten
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Dieser hat des Weiteren aus dem Smartphone der … in zeitlich chronologischer Reihenfolge u.a. folgende Text- und Sprachnachrichten mit Verfahrensbezug festgestellt, welche durch Verlesen bzw. Abspielen in die Hauptverhandlung eingeführt wurden:
* 05.10.2022, 15:04 Uhr, … an Schwesti (…)
„Ähm Ich hab dir ja gerade ein TikTok geschickt … ähm ein Mädl … also ich bin ja gestern beim T. gewesen und der hat mich allein am E. … also er ist vorgegangen und erzählt mir beim E. weil ich habe da gewartet ja hmmm ein Mädl ist beim E. gestern umgebracht worden, also am Sams … äh … am ja Samstag umgebracht worden … und ähm … ja der Mörder ist immer noch nicht gefunden und der treibt sich immer noch rum. Ich habe dann den T. angeschrien und hab gesagt Mädl … ich bin grad vorm E., ich gehe allein, als Frau, ich hab nichts dabei, nur mein Schlüssel. Und jetzt seitdem trau ich … seitdem lässt mich der T. da nicht mehr alleine. Und seitdem sagt er ich soll dort nicht mehr parken … wenn ich jetzt alleine bin, weil das Mädl eben da umgebracht worden ist und jetzt hab ich so Paranoia, dass … ich habe gestern so Schiß gehabt, dass ich auch umgebracht werde, weil der Mörder noch nicht gesichtet worden ist.“
* 17.11.2022, 10:36 Uhr, WhatsApp Sprachnachricht von … (Mutter) an … „Hallo ich bin es, deine liebe Mutter. Du, gell, vergiss den Zettel nicht vom Fielmann, denn der ist auf dem Esstisch und vergiss um 12:00 Uhr nicht bei der Polizei heute zu sein. Und ich hab gesagt zu der … dass zu mir nach der Arbeit bitteschön, also nach Fielmann kommt’s und mir die Brille zeigt, dass war nett, ich hab dich lieb, Bussi“.
* 17.11.2022, 10:36 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Ich muss jetzt eigentlich bei der Polizei sein, aber jetzt hat mich der Verkehr aufgehalten und … jetzt bin ich viel zu spät … ha … Scheiße.“
* 17.11.2022, 13:38 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Also ich bin jetzt fertig … und die haben jetzt ausgefragt … wegen allem … und dann … T[cenzura] … der T. ist einfach Tatverdächtiger … die meinen halt echt … die meinen halt wirklich der T. hätte das Mädl umgebracht. Ich hab halt denen jetzt gerade so alles gesagt und … ich bin richtig erschrocken … ich hab jetzt alles gesagt soweit … und jetzt haben die noch von mir Bilder machen müssen … wie sie man das in Amerika kennt … dieses Seitenbild, Vorderbild … so als Straftäter so … und … die haben jetzt auch gesagt, es kann passieren, dass wir mal für 2, 3 Tage im U-Haft müssen … weil … wir die Tatverdächtigen sind … ach Gott … ich hab ich mag nicht … und … die haben gesagt ich mir … die haben gesagt … ich soll mir einen Anwalt holen … Ich darf auch jederzeit anrufen und mir einen Anwalt besorgen … Und der T. braucht unbedingt einen Anwalt, weil er … weil er beschuldigt ist … als Täter, oh Gott.“
* 17.11.2022, 13:40 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Hallo Mama. Also ich bin jetzt zurück von der Polizei. Das hat jetzt echt eineinhalb Stunden gedauert. Und … ja, also ich bin jetzt beschu … also … ähm, der T. ist jetzt noch bei der Polizei der Täter. Ich habe ihnen jetzt alles erzählt. Den Chat mit dem T. habe ich Ihnen abfotografieren müssen und so. Ähm … und … ich habe nicht mehr genau gewusst, was an dem Tag war, glaubst du ich merke mir das so hä? … Und die haben zu mir gesagt, dass ich mich vielleicht … besser wäre es, dass ich mir einen Anwalt holen. Und der T. müsse vielleicht für 2, 3 Tage in U-Haft, weil die alles genauer untersuchen müssen und blablabla. Und die haben jetzt meine Jacke untersucht und in ein paar Tagen oder Wochen krieg ich dann die DNA Dinger. Und … die denken halt echt, ich und der … hätten nichts Besseres zu tun, als irgendwelche Mädls umzubringen, vor allem der T. Jetzt ist der halt beschuldigt und denkt, sie denken, dass der T. sie umgebracht hätte
* 17.11.2022, 13:43 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Mir ist gerade aufgefallen, Ich habe der Polizei gerade einen Schmarm erzählt, weil ich hab nicht mehr genau gewusst, welches Datum das war. Glaubst, ich merke mir das? Es war, ich hab nämlich gerade nachgeschaut, es war nicht am 3. wo wir uns getroffen haben, sondern am 5 … Oh Mann, jetzt hol ich mich noch mehr in die Scheiße. Warum werde denn ich da jetzt mit reingezogen? Ich hab nicht mal was damit zu tun. Ich kenne dieses Weib nicht einmal. … Jetzt muss ich auch noch wahrscheinlich in U-Haft, nur weil die denken, dass ich mit dem T. das Mädchen umgebracht hätte, nur weil er mich angegeben hat. Jetzt muss ich mir einen Anwalt holen dafür. Mama … ich hab noch nie einen Anwalt gehabt und ich möchte auch nicht in U-Haft gehen … Mann.
* 17.11.2022, 13:59 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Aber ich habe den T. fett beschützt, weil die haben mich so gefragt, wie er so Auto fährt, weil ich dann über das Auto geredet habe. Und ich habe gesagt, ja, der fährt voll gut Auto. Ich habe den fett in Schutz genommen, den T. dafür muss er mir dankbar sein, jetzt. Und, ich habe so viel Gutes gesagt und … bei der Hälfte habe ich es nicht mehr gewusst, ich habe einfach irgendwas erzählt. Ich merke mir doch nicht, was der am 3. oder 5. Oktober war. Weil das war nämlich jetzt nicht am 3., wir haben uns am 3. auch getroffen und er hat mir darüber erzählt, aber … eigentlich war das auch am 5. und ich hab jetzt gesagt … ich hab jetzt nicht geahnt, dass ich darüber abgefragt werde. Ich habe ein … ich weiß … ich habe das nicht mehr gewusst, ich habe das nicht mehr so im Gedächtnis drinnen, wann ich wie mit wem was gemacht habe … Jetzt habe ich übrigens dich und den … auch angeben müssen, weil die so gefragt haben, mit wem ich so abhänge … Aber, ich nicht mal was damit zu tun, wer, ich war nicht mal mit ihm um 2 in der Nacht laufen. Dann fragen die mich, wann der unterwegs war. Ich, ich habe dann gesagt, es tut mir leid, ich weiß es nicht. Ich bin fast zuwider geworden da drinnen. Oh na, ich bin so, ich habe so Angst, ich bin im Arsch.“
* 17.11.2022, 14:00 Uhr, WhatsApp Sprachnachricht von … (Mutter) an …
„Nein, jetzt pass auf, Jetzt beruhigst du dich mal bitte wieder, du musst nicht in U-Haft, das kann ja nicht sein, das kann ja nicht sein, dass die dich da gleich reinhauen. Also dann bin ich da und dann nehmen wir uns einen Anwalt, weil das kann nicht dein Scheiß Ernst sein, dass du jetzt dafür einhockst … nur weil du mit dem T. unterwegs warst. Und das mit dem äh mit dem Datum, des, falls die dich anreden, geh, fahr irgendwann noch mal rein und ändert des, sag, dass du dich da vertan hast. Ich weiß es ja auch nicht und du weißt es ja auch nicht mehr so genau, entschuldige mal, wer kann denn ahnen, dass du verdächtig wirst, mit dem T. die Frau umzubringen? …
* 17.11.2022, 14:00 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an …
„Mama, Ich hab mich um das Datum vertan, es war nicht der 3., sondern der 5. Und jetzt … ach Scheiße … nein, ich finde das gerade dumm, ich habe nichts damit zu tun und ich habe keine Ahnung und ich habe noch nicht einmal das Handy so lange, dass ich … ach nee, jetzt reite ich mich noch mehr in die Scheiße hinein, obwohl ich nicht mal was damit zu tun habe. Glaubst du, ich merke mir das, wann das war, ich habe nicht mal geahnt, dass ich da abgefragt werde.“
* 17.11.2022, 14:04 Uhr, WhatsApp Sprachachricht von … an ihren Vater
„Hallo, also ich war jetzt gerade bei der Polizei. Und ich muss jetzt vielleicht für ein paar Tage oder Wochen in U-Haft. Weil die mich und den T. verdächtigen. … Jetzt bin ich da in eine Scheiße mit reingeritten worden und die denken jetzt, dass ich das Mädchen umgebracht hätte, ich und der T. Und jetzt vermuten, jetzt denken die, dass der T. war und ich damit dabei war, Mittäterin bin … Und ich habe nicht einmal was damit zu tun. Und dann habe ich zu denen auch gesagt, warum, schau ich wirklich so aus, als würde Ich einen Menschen umbringen, habe ich dann zu denen gesagt. … Und dann hat mich der Mann, der wo da war, da waren 2 Leute, die haben das alles aufgeschrieben und diktiert und so und mich dann so blöd, also hat halt dann ein bisschen lauter geredet, ich soll jetzt die Wahrheit sagen und soll … ich habe gesagt … ja, anstatt … ich kann … ich habe dann zu denen gesagt, ich habe ja nichts Besseres zu tun, als jemanden umzubringen, habe ich dann gesagt. Und dann habe ich gesagt, als ob ich jemanden umbringen täte. Und ich war, ich habe nicht mal was mit den A. zu tun. Und dann gibt der T. der Volldepp, mich an und dann werde ich schon mit verdächtigt. Nur, weil ich die 1. Person war, mit der er sich getroffen hat. Das habe ich ja nicht mal gewusst, dass da jemand umgebracht worden ist, bis er mir er mir das erzählt ha t. Das habe ich ja nicht gewusst. Weil ich bin ehrlich, ich lese Medien ja eigentlich gar nicht …“
699
Ebenfalls durch Abspielen im Rahmen der Hauptverhandlung wurden auch WhatsAppKommunikationen (Text- und Sprachnachrichten) mit Tatbezug zwischen … und … im Zeitraum 16.11.2022 bis 28.112022 eingeführt.
700
Inhalt dieser Text- und Sprachnachrichten ist zum einen die anstehende bzw. erfolgte Zeugeneinvernahme der … am 17.11.2022 (ihre Sprachnachrichten von diesem Tag 13:38 Uhr und 13:59 Uhr an … wurdenen bereits wortwörtlich wiedergegeben, s.o.). Danach geht es in der Kommunikation ab 19.11.2022 darum, dass S. T. seit 18.11. 2022 nicht mehr online ist, die Frage, ob er festgenommen wurde und in Untersuchungshaft sitzt, sowie Erwägungen dazu, ob er tatsächlich mit dem Mordfall „H.“ etwas zu tun haben könnte. Mehrfach betont … (etwa am 19.11.2022 um 11:25 Uhr), dass, falls der T. Wirklich jetzt in U-Haft sitzt, wir ihm wirklich da helfen müssen. Die Kommunikation bezieht sich zudem darauf, dass es auch zwei andere Verdächtige gäbe (Sprachnachricht vom 24.11.2022, 21:09 Uhr: … Verdächtigen, mit dem zweiten, der eine heißt …, der andere … …).
701
Schließlich hat … durch Abspielen im Rahmen der Hauptverhandlung auch eine WhatsAppKommunikation mit Tatbezug zwischen … und S. T. im Zeitraum 16.11.2022 bis 17.11.2022 eingeführt.
702
…teilt S. zunächst mit, dass sie zur Polizei zur Einvernahme geht und sich mit einer Frau … trifft. S. T. gibt an, „dass die voll nett ist“. Nach erfolgter Zeugeneinvernahme der … schickt diese an S. T. am 17.11.2022 um 13:43 Uhr folgende Sprachnachricht:
„Hallo T. ich war jetzt gerade bel der Polizei. Hab das alles geregelt. Und ich habe mich verplappert äh ich habe nämlich gesagt, dass war am dritten Oktober, obwohl es am fünften Oktober war, hab ich jetzt gerade gesehen, ich habe ich habe es nicht mehr genau gewusst, ich habe es halt vergessen gehabt, weil ich jetzt nicht geahnt habe, dass ich jetzt da so irgendwie abgefragt werde oder so, weil ich ja nichts damit zu tun habe. Und ähm wenn du noch mal von der Polizei einen Anruf kriegst und die dich wegen dem wir haben uns zwar am dritten auch getroffen, aber es war nicht am dritten, es war am fünften, ich habe mich am Datum vertan. Vielleicht kannst du denen dann sagen, dass ich mich vertan habe und dass eigentlich der fünfte Oktober war, wo wir uns getroffen haben“.
Bezüglich des Routers der Familie … an deren Wohnanschrift berichtete der Zeuge …, dass die Untersuchung von Verbindungs-/Ereignisdaten für den Zeitraum 02.10.2022-04.10.2022 als Treffer nur eine Anrufliste vom 04.10.2022 mit 4 ausgehenden Anrufen zwischen 17:27 Uhr und 08:06 Uhr (ohne Verfahrensbezug) ergeben habe. Weitere Daten, WLAN-Daten von Mobiltelefonen etc. seien nicht vorhanden gewesen, da bei Routern der Marke FRITZ Box (so im Haushalt …) die weitere Protokollierung standardmäßig ausgeschaltet sei, weitere Auslesemöglichkeiten des Routers digital nicht bestünden.
703
Auch das Handy der … wurde – so … nach deren Einvernahme am 07.12.2023 im Januar 2024 noch ausgewertet zu möglichen Text- und Sprachnachrichten zwischen … und ihrer Schwester … v.a. auch betr. das Jahr 2023.
704
Dabei habe – mit Verfahrensbezug – lediglich eine am 15.10.2023, 03:00 Uhr, von „…“ an „…“ übersandte Nachricht festgestellt werden können, die eine als Bild aufgefundene Textpassage beinhaltet habe:
Überschrift: „Angeklagter prahlt mit Täter-Wissen: Verplapperte er sich im Mordfall H.?“
„Mit einem Auto. Dass er sie vielleicht zu etwas zwingen wollte und er ihr dann eine drüber gehaut hat, vielleicht irgendwas, was im Auto war, oder ein Stein …“, berichtete die Beamtin über T’s Aussage. Wobei der Schlag mit dem Stein nicht tödlich gewesen sein soll, sagte T. damals auf Rückfrage. Warum mutmaßt man so etwas vor der Polizei, wenn man einfach nur joggen war? Tatsächlich wurde H. mehrfach mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen“.
705
Bei diesem als Bild aufgefundenen Text habe es sich – so der Zeuge … weiter – um einen im Internet veröffentlichten Artikel der Abendzeitung vom 13.10.2023, um 15:43 Uhr eingestellt, gehandelt.
706
Auf weitere Nachfrage äußerte der Zeuge, dass der WhatsApp Chat-Verlauf zwischen „…“ und „…“ erst Nachrichten ab dem 11.12.2022 zeige. Gelöschte Nachrichten seien betreffend den relevanten Zeitraum (Anfang Oktober 2022) nicht festgestellt worden.
D. II. 17. Sonstige Beweismittel
17.1. Selbstleseverfahren
17.1.1. Selbstleseverfahren Nr. 1 (Zeitungsartikel, die unmittelbar nach der Tat erschienen)
707
Nach der am 03.10.2022 ab 23:40 Uhr durchgeführten Obduktion an dem Leichnam der H. W. und deren Ergebnis, dass diese Opfer einer Gewalteinwirkung geworden sowie schließlich nach Einbringung in den Bärbach ertrunken ist, wurde seitens der KPI Rosenheim Kontakt mit der Pressestelle des PP Oberbayern Süd aufgenommen, so der Zeuge KHK
708
… Im Rahmen des Selbstleseverfahren Nr. 1 wurden die betreffend das verfahrensgegenständliche Geschehen in der Presse veröffentlichten Meldungen eingeführt. Danach war folgender Ablauf der Presseberichterstattung nebst dem jeweiligen Inhalt festzustellen:
* Am 03.10.2022 gab es keinerlei Meldungen zum verfahrensgegenständlichen Geschehen.
ovb-online berichtet in der Mittagszeit mit Updates um 14:05 Uhr und 15:26 Uhr davon, dass eine junge Frau, Anfang 20, tot aufgefunden wurde – tot aus der Prien bei Kaltenbach geborgen – und ein Fremdverschulden wohl nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Pressestelle des PP Oberbayern Süd veröffentlichte erstmals eine Meldung, wonach die Leiche einer jungen Frau (23) gefunden wurde und wegen eines Tötungsdeliktes ermittelt wird. Zeitgleich wurde erstmals ein Foto des Opfers veröffentlicht.
Update – PP Oberbayern Süd bestätigt, dass die 23-jährige Frau gewaltsam ums Leben kam; Rechtsmediziner stellten Spuren fest, die auf eine äußere Gewalteinwirkung schließen lassen und somit ein Tötungsdelikt belegen können, aber es wird weiter in alle Richtungen ermittelt.
ovb-online berichtet von einem Gewaltverbrechen und nennt den Namen „H.“. Es wird erwähnt, dass die Sonderkommission „Club“ eingerichtet wurde. Mitteilung verschiedener Fragen bezüglich möglicher Kontakte der Getöteten im Musikclub „E.“ am 03.10.2022 und nach Wahrnehmungen in den frühen Morgenstunden des Montags sowie nach einigen fehlenden persönlichen Gegenständen der Getöteten.
Presseaufruf betreffend ein von der Sonderkommission „Club“ eingerichtetes Hinweistelefon und den Umstand, dass nun auch ein Medien-Upload-Portal freigeschaltet wurde.
Pressemeldung und Mitteilung einer 1. Bilanz der bisherigen Ermittlungen (Einbindung der Operativen Fallanalyse, Angabe zur Anzahl der bisher eingegangenen Hinweise und Schilderung, dass in den vergangenen Tagen umfangreiche Absuchmaßnahmen erfolgt sind). Weiter heißt es in dem Artikel: Insbesondere aufgrund der rechtsmedizinischen Untersuchungsergebnisse gehen wir von einem Gewaltdelikt aus … Natürlich berücksichtigen wir aber bei unseren Ermittlungen stets auch andere denkbare Fallkonstellationen wie beispielsweise ein Unfallgeschehen.
Pressemeldung, dass von der Sonderkommission „Club“ weiterhin mit Hochdruck ermittelt wird.
Update zum Stand der Ermittlungen (Eingang von 123 Hinweisen), zudem Hinweis darauf, dass von Dienstag (11.10.2022) bis einschließlich Donnerstag (13.10.2022) am Rathaus in der K.-Straße in A. ein Infomobil der Polizei steht.
Veröffentlichung einiger Fotos eines Beweisstückes (im Bereich des Parkplatzes der Kampenwandbahn im angrenzenden Bachlauf gefundene und sichergestellte Holzkernuhr)
Presseaufruf betreffend den von der Sonderkommission „Club“ als wichtigen Zeugen gesuchten Jogger und Hinweis darauf, dass auch der Besitzer der Armband-/Holzkernuhr noch unbekannt ist.
Update der PP Pressestelle, dass der gesuchte Jogger mittlerweile ermittelt und einvernommen werden konnte. Weiter heißt es: Weitere sachdienliche Hinweise ergaben sich aus der Einvernahme des Joggers nicht.
Pressemeldung, dass die Sonderkommission „Club“ zur Klärung des Gewaltverbrechens an einer 23 Jahre alten Frau weiterhin mit Hochdruck arbeitet.
Pressemeldung, dass der Fall des Tötungsdeliktes an der 23-jährigen H. am Vorabend (09.11.2022) in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vorgestellt wurde und seitdem mehr als 50 Hinweise eingingen.
Pressemeldung, dass im Fall des Tötungsdeliktes an der 23-jährigen H. am Vortag (18.11.2022) ein Tatverdächtiger festgenommen wurde und der Ermittlungsrichter Untersuchungshaft anordnete. Weiterhin erfolgte der Hinweis, dass die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind.
Pressemitteilung, dass der Eigentümer der gefundenen Holzkernuhr ermittelt und aufgrund von Alibiüberprüfungen aus kriminalpolizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Sicht als Täter ausgeschlossen werden konnte.
Pressemeldung, dass das Mobiltelefon des Opfers am 28.05.2023 im Bachbett der Prien im Gemeindebereich A. im C. aufgefunden wurde.
17.1.2. Zeitungsartikel „zu Beweisantrag Nr. 5“, die im Kontext mit dem Prozessbeginn am 12.10.2023 erschienen
709
Diese im Selbstleseverfahren eingeführten Zeitungsartikel enthalten das gegenständliche Geschehen betreffend folgende Inhalte:
gewaltsamer Tod von H. W. … von hinten angegriffen … schwer verletzt … in den angrenzenden Bärbach geworfen
* 30.09.2023, Oberbayrische Volksblatt
* 30.09.2023, Dachauer Nachrichten
… die Staatsanwaltschaft geht von Mord aus Heimtücke aus … von hinten angegriffen, schwer verletzt und die bewusstlose Frau in den Bärbach geworfen, der in die Prien mündet … sie ertrank
… Mord aus Heimtücke … Laut Anklage mit einem stumpfen Gegenstand bewusstlos geschlagen und er sie dann in den damals reißenden Bärbach am Rande des Parkplatzes der Kampenwandbahn warf. Sie ertrank dort …
* 04.10.2023, Oberbayrische Volksblatt
* 04.10.2023, Traunsteiner Tagblatt
… sexuell motiviert … H. soll im Bärbach ertrunken sein …
* 12.10.2023. Alt-Neuöttinger Anzeiger
… er soll am 03.10.2022 in den frühen Morgenstunden die Studentin H. hinterrücks angefallen, bewusstlos geschlagen und dann in den reißenden Bach geworfen haben … er soll sie im Bereich des Kampenwandbahn-Parkplatzes in A. aus sexuellen Motiven angegriffen und bewusstlos geschlagen haben …
* 12.10.2023, Welt Panorama
… sie aus sexuell motivierten Gründen … angegriffen, ihr mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf schlagen und sie stranguliert …
* 13.10.2023, Aichacher Nachrichten
… Ermittler gehen davon aus, dass H., die damals schrie, bevor sie in den Bärbach stürzte, der damals reißend viel Wasser führte … dass ein junger Mann sie damals in diesen Bach warf, nachdem er sie aus sexuell motivierten Gründen angegriffen, ihr mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen und sie stranguliert hatte … Mutter des jungen Mannes war es schließlich, die sich bei der Polizei meldete, um zu sagen, dass ihr Sohn in der fraglichen Nacht joggen gegangen sei, weil er nicht schlafen konnte …
* 13.10.2023, Donaukurier
* 13.10.2023, Dachauer Nachrichten
… Die Polizei suchte den Jogger zunächst nur als Zeugen … laut Staatsanwaltschaft verfolgt er H., greift sie von hinten an, drückt seine Knie auf ihre Schultern, schlägt ihr fünfmal in Tötungsabsicht mit einem Gegenstand auf den Kopf, stranguliert sie. Dann wirft er den leblosen Körper in den Bärbach, der direkt neben dem Gehweg verläuft.
… aus sexuell motivierten Gründen habe er die nichtsahnende Medizinstudentin von hinten angegriffen, zu Boden gebracht, mindestens fünfmal mit einem stumpfen Gegenstand auf ihren Kopf eingeschlagen, sie stranguliert, die Bewusstlose in den Bärbach am Rand des Parkplatzes der Kampenwandbahn geworfen. Dort sei sie Minuten später ertrunken … S. T. … war zunächst lediglich als Zeuge gesucht worden, nachdem 3 andere Zeugen einen Jogger in der Nähe vom E. und des Parkplatzes der Kampenwandbahn gesehen hatten. S. T’s Mutter hatte sich auf den Zeugenaufruf bei der Polizei gemeldet und gesagt, dass es sich bei dem Jogger um ihren Sohn handeln könne.
* 13.10.2023, Oberbayrische Volksblatt
* 13.10.2023, Süddeutsche Zeitung
… aus sexuell motivierten Gründen von hinten angegriffen und sie auf den Boden zwang … er soll sich auf ihre Schultern gesetzt und die mindestens fünfmal mit einem stumpfen Gegenstand in Tötungsabsicht auf den Kopf geschlagen und sie auch stranguliert haben. Anschließend habe er sein bereits bewusstloses Opfer in den Bärbach geworfen …
… Chronik einer unfassbaren Tragödie … Spuren äußerer Gewalteinwirkung, die auf ein Tötungsdelikt schließen lassen … 19.10.2022 Zeugenaufruf Jogger … Anklage gegen den inhaftierten Verdächtigen, Mord, als Motiv Heimtücke …
* 30.09.2023, Oberbayrische Volksblatt
* 02.10.2023, Oberbayrische Volksblatt
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur das Wunde noch immer schmerzt …
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur wie H.s Eltern leiden …
* 13.10.2023, Dachauer Nachrichten
inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur, dass H.s Eltern wollen, dass ihre Tochter nicht vergessen wird …
* 3.10.2023, Oberbayrische Volksblatt
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur, dass H.s Eltern wollen, dass ihre Tochter nicht vergessen wird …
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur wie H.s Eltern leiden …
Und … ausgerechnet die Mutter des Angeklagten brachte die Polizei auf die Spur, hatte nach einem Zeugenaufruf angegeben, dass T. nachts joggen war …
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur über Aussage der Familie W. über ihre Tochter …
* 14.10.2023, Oberbayrische Volksblatt
… inhaltlich nichts zum Tatgeschehen, nur, was die Eltern über ihre ermordete Tochter sagen, wie sie sie vermissen …
710
Beigegeben dem Beweisantrag Nr. 5 und dem „Selbstleseververfahren Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ ist auch ein Bericht von NTV, Panorama, vom 19.11.2011 … (also nicht im Zusammenhang mit dem Prozessauftakt).
17.1.3. Selbstleseverfahren „…“
711
Dem Selbstleseverfahren „…“ war der
die Verfügung der StA vom 31.10.2023
Ablehnung der von der Verteidigung beantragten Beiziehung der Ermittlungsakte betreffend den Zeugen …. 1 – und der Akte des Amtsgerichts Laufen betreffend das Strafverfahren gegen die Mutter des Zeugen …,
Schreiben des anwaltschaftlichen Vertreters des Zeugen …
Einverständnis, dass das im Verfahren … durch Prof. Dr. … bzgl. … erstellte Gutachten betreffend die im Ergebnis gestellten Diagnosen (Seite 18) im Selbstleseverfahren eingeführt werden kann;
Seite 18 des Gutachtens Prof. Dr. … vom 13.04.2023,
Diagnosen betreffend den … depressive Anpassungsstörung (ICD-10: F 43.2), vordiagnostiziert: hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F 90.1), Borderline Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.3) und dissoziale Persönlichkeit;
Strafanzeige gegen die Mutter des … von …
der aufgrund dieser Anzeige vom Amtsgericht Laufen am 13.05.2020 im Verfahren Cs 220 Js 21478/19 gegen die Mutter erlassen wurde, Tatzeit: 10.05.2017 und 26.02.2019, Vorwurf: Nötigung in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung;
Hauptverhandlungsprotokoll, aufgenommen in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Laufen vom 01.06.2022 im Verfahren 3 Cs 220 Js 21478/19:
Urteil des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 07.12.2022 im Verfahren 3 Ls 370 Js 33367/19 jug.
- BZR Nr. 2 –, in dem es u.a. heißt, dass der Angeklagte sich geständig, einsichtig und reuig gezeigt hat;
Anklageschrift im Verfahren 370 Js 40802/22 der Staatsanwaltschaft Traunstein vom 26.09.2023 gegen den …
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit einem Kind in Tateinheit mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Nötigung jeweils in 2 tatmehrheitlichen Fällen, in Tatmehrheit mit 6 tatmehrheitlichen Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind jeweils in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind In Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinhelt mit Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrhelt mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Drittbesltzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Hindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in Tatmehrheit mit sexuellen Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Nötigung und in Tatmehrheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte;
aus der Anklageschrift ergibt sich, dass … Geschädigten vorgab, Krebs im Endstadium zu haben und es sein letzter Wunsch sei, mit einem Mädchen Erfahrungen zu machen und eine Freundin zu haben, die ihn bis zum Tod begleitet;
E-Mails Zwischen der Vors. Ri’in am LG Aßbichler und dem Staatsanwalt als Gruppenleiter Fiedler betreffend die Freigabe der genannten, im Selbstleseverfahren eingeführten Urteile und der nachbenannten Erkenntnisse betreffend …
Spurensicherungsbericht und DNA-Ergebnis (euro fins) betreffend das in der JVA Bernau gefundene Haschischpäckchen (vgl. Angaben des Zeugen … Ziff. D. II. 15.1.5.),
am Haschisch: Mischspur aus Merkmalen von mindestens 3 Personen; aus dieser Mischung lässt sich eine Hauptkomponente der anhaftenden Zellmaterialien ableiten, deren Verursacher ohne vernünftigen Zweifel die Vergleichsperson M. 1990 (…) ist (nach der Wahrscheinlichkeitsberechnung auf der Grundlage von Frequenztabellen ist dies 2 × 102020 mal wahrscheinlicher, als dass Verursacher der Hauptkomponente der anhaftenden Zellmaterialien eine unbekannte, mit der Vergleichsperson M.1990 unverwandte Person ist; auf der Verpackung selbst DNA, Spurenverursacher insoweit nur; …);
Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, gegen; … im Verfahren 430 Js 37675/23 wegen sexueller Nötigung in 2 Fällen z.N. des … Tatzeiten: Ende Juni 2023 und 13.07.2023.
17.1.4. Bl. 0-431 d.A., insb. Bl. 89 d.A.
712
Entsprechend dem Beweisantrag Nr. 4 wurde festgestellt, dass dem S. T. am 23.11.2022 aus der Akte Bl. 0-431 von der Verteidigung zur Verfügung gestellt wurden. Auf Bl. 89 d.A. heißt es (u.a.) in „6. Spurensuche und Sicherung“:
713
In der Nacht vom 02.10.2022 auf den 03.10.2022 wurden im Gemeindegebiet A. im C. starke Regenfälle verzeichnet, welche ein deutliches Anschwellen der Flusspegel zur Folge hatten. Hiervon waren auch die Prien und der Bärbach betroffen. Der Leichnam, die getragene Kleidung und die aufge-fundenen Gegenstände befanden sich allesamt im fließenden Wasser. Die Spurenlage ist demnach als mangelhaft zu bezeichnen. An den sichergestellten Spurenträgern (Leichnam, Kleidung, Gegenstände) konnte lediglich DNA der Geschädigten selbst gesichert werden. Fremde DNA-Muster, als auch daktylo – skopische Spuren konnten bislang nicht festgestellt werden. Die Uhr weist ebenfalls keine DNA oder dak – tyloskopische Spuren auf.
17.1.5. DNA-Gutachten Nr. 24-22-0121-13 (Bettlaken) und Nr. 24-22-0122 -14 (Haare aus Gurtverkleidung Pkw) jeweils vom 06.02.2024
714
Die genannten, im Selbstleseverfahren eingeführten Gutachten ergaben weder am Bettlaken von S. T. Spuren, die mit dem DNA-Muster der H. W. übereingestimmt hätten, noch bei Untersuchung der Haare aus der Gurtverkleidung des von S. T. genutzten Pkw’s.
715
Zudem wurden von der Kammer und allen Verfahrensbeteiligten (insbesondere) folgende Lichtbilder – grundsätzlich im Kontext zur jeweils sachbezogenen Zeugen-/Sachverständigenanhörungin die Hauptverhandlung eingeführt:
17.2.1. Lichtbilder der Auffindesituation und Bergung der Leiche von H. W. sowie ihres Bekleidungszustandes
716
Die von der Auffindesituation des Leichnams am 03.10.2022 sowie der Bergung des Leichnams um 16:06 Uhr gefertigten Lichtbilder wurden im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeugen … sowie PM’in … und PHM … (Ziff. D. II. 3.1. + 3.2.) in Augenschein genommen und von diesen Zeugen, wie dargelegt, erläutert. Der Bekleidungszustand des aufgefundenen Leichnams wurde anhand der gefertigten Lichtbilder u.a. mit dem Zeugen … (Ziff. D. II. 3.1.), aber auch dem Zeugen KHK … (Ziff. D. II. 2.) geschildert, ebenso von… (Ziff. D. II. 18.3.1.) und Prof. … (Ziff. D. II. 18.3.3.2.).
17.2.2. Lichtbilder der Obduktion von H. W.
717
Die im Rahmen der Obduktion des Leichnams von H. W. am 03.10.2022 ab etwa 23:40 Uhr gefertigten Lichtbilder wurden im Zusammenhang mit der Anhörung der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. … (Ziff. D. II. 18.3.3.2.), insbesondere im Rahmen von deren Ausführungen zu erhobenen Befunden in Augenschein genommen und erläutert, ebenso von Prof. …
17.2.3. Lichtbilder der Fundstellen der H. zuzuordnenden Gegenstände
718
Die von der jeweiligen Fundstelle von Gegenständen, welche H. W. zugeordnet werden konnten, gefertigten Lichtbilder wurden mit der Zeugin KHM’in … (Ziff. D. II. 5.) in Augenschein genommen und von dieser erörtert.
17.2.4. Lichtbilder/CT-Aufnahmen betreffend den beidseitigen Schulterdachbruch
719
Die postmortal gefertigten Lichtbilder der Computertomografie betreffend die beidseitige, symmetrische Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen), rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte wurden im Rahmen der Anhörung der Rechtsmedizinerin Prof.; … und des forensisch-traumatomechanischen Sachverständigen Prof. … (Ziff. D. II. 18.3.3.), aber auch der Anhörung des hydromechanischen Sachverständigen Prof. … (Ziff. D. II. 18.2.) mehrfach in Augenschein genommen.
17.2.5. Lichtbilder von S. T. gefertigt am 21.10.2022
720
Die anlässlich der Zeugeneinvernahme von S. T.am 21.10.2022 gefertigten Lichtbilder wurden insbesondere im Hinblick auf seine damalige Physiognomie (schmal, sportlich, drahtig) ebenfalls mehrfach in Augenschein genommen, etwa mit dem Zeugen KHK … (Ziff. D. II. 2.) oder der Zeugin KHK’in … (Ziff. D. II. 12.).
17.2.6. Lichtbilder der von S. T. am 10.11.2022 übergebenen Hose
721
Anlässlich der 2. Zeugeneinvernahme von S. T. am 10.11.2022 übergab er eine lange Hose – er gab dazu an, eine solche beim Joggen in der Nacht vom 03.10.2022 getragen zu haben -. Die insoweit gefertigten Lichtbilder wurden u.a. mit den Zeugen KHK … (Ziff. D. II. 2.) und KHK’in … (Ziff. D. II. 12.) in Augenschein genommen und besprochen.
17.2.7. Lichtbilder von der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten (18.11.2022)
722
Im Rahmen der am 18.11.2022 im Hause T. erfolgten polizeilichen Maßnahmen wurde v.a. auch der Zustand des Zimmers des Angeklagten fotografisch dokumentiert. Diese Fotos wurden im Zuge der Einvernahme der Zeugen KHK… und KK’in … (Ziff. D. II. 13.2.) angeschaut und erläutert.
17.2.8. Lichtbilder des beschädigten Handy’s von H. W.
723
Die Beschädigungen am Handy der H. W. welches am 28.05.2023 im Fluss Prien aufgefunden wurde, wurden von der Zeugin KK’in … anhand der gefertigten Lichtbilder erörtert (Ziff. D. II. 16.1.).
724
Soweit weitere Lichtbilder durch Vorhalt eingeführt wurden, ist dies bei dem jeweiligen Zeugen/Sachverständigen angemerkt.
17.3.1. „E.“ Videoaufzeichnungen (Asservat ÜL-Nr. 10404/23)
725
DerZeuge KHK …hat die Videoaufzeichnungen im „E.“ der Tatnacht vorgeführt.
726
Die Anwesenheit von H. W. im „E.“ in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ist durch folgende, im Club „E.“ installierte Kameras dokumentiert worden: Eingang 1 – Eingang 2 – Treppe – Eingangsbereich innen – Raum Bar vorne – Bar vorne – DJ Pult-Tanzfläche – Notausgang 2.
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Die Dokumentation zeigt die Geschädigte H. im chronologischen Ablauf ihres dortigen Besuches, vom Eintreffen (02.10.2022, ca. 23:15 Uhr) bis zum Verlassen des Clubs (03.10.2022, ca. 02:27 Uhr). Auf den Videoaufnahmen sei der Aufenthalt von H. nicht komplett lückenlos dokumentiert, etwa weil in den Hygieneräumen des Clubs (Toilette, Waschraum) keine Kameras installiert seien, auch nicht jeder Bereich im Club durch Überwachungskameras erfasst und einsehbar sei
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Es sei von den Videodateien ein Zusammenschnitt gefertigt worden, dabei z.T. ein sog. „Spotlight“ auf die Geschädigte gesetzt worden, um eine bessere und übersichtlichere Darstellung auf den Videodateien zu ermöglichen. Da es sich um einen Zusammenschnitt handele, weiche die Länge des Gesamtvideos von der tatsächlichen Zeit, die H. im „E.“ verbracht habe, ab.
729
Der Zeuge KHK… erläutert zunächst auch, dass die Time-Code-Zeit ca. 06:46 min von der Real-Zeit abweiche, d.h., sei beispielsweise auf dem Video die Zeit 02:00:00 Uhr eingeblendet, sei die reale Zeit 02:06:46 Uhr.
730
Der Videozusammenschnitt – betreffend ca. die letzte halbe Stunde von H. im Club (davor sei nichts Besonderes zu sehen) – habe eine Dauer von 9 min 22 sec, Beginn 03.10.2022, 02:01:57 Uhr (d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:08:43 Uhr) bis 02:21:14 Uhr (d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:28:00 Uhr).
731
Des Weiteren sei darauf zu verweisen, dass zwischen 00:54, (Time-Code-Zeit = 02:02:52 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:09:38 Uhr) und 00:55 (Time-Code-Zeit = 02:12:44 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:19:30 Uhr) ein etwa 10-minütiger „Zeit-Sprung“ sei, auch da seien keinerlei Erkenntnisse zu H. W. erfasst.
732
Dem Videozusammenschnitt – eingeführt durch Abspielen – ist Folgendes zu entnehmen:
1. Video, Geschädigte H. W. verlässt den Club „E.“
bei 00:58 (Time-Code-Zeit = 02:12:48 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:19:34 Uhr) tritt H. W. in den Bereich der Videokamera (Treppe); zu sehen ist ihre Bekleidung, weiße Sneaker, schwarze Hose, schwarzes NetzTop; sie hält in beiden Händen ihr Handy;
bei 01:05 stellt sich H. im Garderobenbereich an (eine weibliche Person vor ihr); sie hält das Handy jetzt in ihrer rechten Hand, mit der linken Hand hält sie ihre Hose fest bzw. zieht sie hoch; die Hose der H. W. ist erkennbar beschädigt, sie weist seitlich (links) einen defekten Reißverschluss auf, wodurch die Hose leicht nach unten rutscht und der String-Tanga sowie etwas nackte Haut sichtbar ist;
bei 01:13 (Time-Code-Zeit = 02:13:02 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:19:48 Uhr) ist H. „an der Reihe“ zur Abholung ihrer Jacke;
bei 01:17 (Time-Code-Zeit = 02:13:06 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:19:52 Uhr) holt H. ihren Garderobenzettel, den sie am Handy platziert hat, von dort; der Zettel fällt ihr herunter, H. bückt sich – ohne dass Ausfallerscheinungen oder ein „Wackeln“ erkennbar wärehebt den Garderobenzettel auf und überreicht diesen dem Garderobenpersonal,
bei 01:30 (Time-Code-Zeit = 02:13:19 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:20:05 Uhr), um ihre Jacke zu erhalten;
bei 02:02 (Time-Code-Zeit = 02:13:51 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:20:37 Uhr) erhält sie ihre Jacke; während des Wartens unterhält sie sich mit 2 weiblichen Personen
bis 02:30 (Time-Code-Zeit = 02:14:19 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:21:05 Uhr) ist zu sehen, dass H. ihre schwarze Lederjacke anzieht; dabei sind keinerlei Auffälligkeiten oder Schwierigkeiten zu bemerken; auch hat sie beim Anziehen der Jacke ihr Handy in der Hand; beim Schlüpfen in den jeweiligen Ärmel der Jacke nimmt sie das Handy ohne Probleme in die jeweils andere Hand; zudem unterhält sie sich währenddessen weiterhin mit den beiden Frauen, von denen sie sich bei 02:42 verabschiedet;
anschließend begibt sie sich durch das „Gewühle“ Richtung Ausgangsbereich (Sperrgitter sind zu erkennen);
02:54-03:03 (Time-Code-Zeit = 02:14:53 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:21:39 Uhr) spricht sie nochmals kurz mit einer Frau, ehe sie zunächst bis 04:21 aus der Videoaufzeichnung „verschwindet“; ab 03:09 Videokamera Eingang 1 (Außenkamera);
04:21 (Time-Code-Zeit = 02:16:05 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:22:51 Uhr) ist zu sehen, dass sie im Absperrungs-/Außenbereich vor dem Eingang zum „E.“ eine weibliche Person bis 04:33 umarmt und anschließend allein an der Absperrung vorbeigeht;
bei 04:46 (Time-Code-Zeit = 02:16:30 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:23:16 Uhr) dreht H., nachdem sie wieder in den Innenbereich gegangen ist, nicht durch die Menschenmenge durchkommt, um; sie ist von hinten zu sehen und geht wieder in den Außenbereich, wo sie zuletzt eine weibliche Person umarmt hat; dort spricht sie nochmals kurz mit einer weiblichen Person bis 05:06 (Time-Code-Zeit = 02:16:50 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:23:36 Uhr); die Person legt ihr dabei die rechte Hand auf die linke Schulter; auch ist zu sehen, dass H. sich wieder ihre Hose im Bereich der linken Hüfte hält;
bei 05:27 (Time-Code-Zeit = 02:17:11 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:23:57 Uhr) taucht eine männliche Person auf, identifiziert als … die mit H. kurz spricht, beide umarmen sich, … geht in die Diskothek;
bis 07:52 „verschwindet“ sie aus dem Aufzeichnungsbereich;
bei 07:52 (Time-Code-Zeit = 02:19:35 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:26:21 Uhr) taucht H. zunächst (rechter Bildrand) wieder im Aufzeichnungsbereich auf bis 08:02 (Time-Code-Zeit = 02:19:46 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:26:32 Uhr) anschließend ist sie ab 08:29 (Time-Code-Zeit = 02:20:23 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:27:09 Uhr – Notausgang 2) von der Videoüberwachung auf den Parkplatz vor dem Club „E.“ erfasst; sie ist von hinten zu sehen; sie ist allein unterwegs; sie geht zielstrebig in Richtung K.-Straße, besondere Ausfallerscheinungen sind nicht erkennbar; ab 09:22 (Time-Code-Zeit = 02:21:14 Uhr d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:28:00 Uhr) ist H. nicht mehr zu sehen
2. Video, Time-Code-Zeit weicht ca. 06:46 min von der Real-Zeit ab
DAUER = 1 min 16 sec, Beginn 03.10.2022, 02:20:16 Uhr bis 02:21:20 Uhr = Time-Code-Zeit, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:27:02 Uhr bis 02:28:06 Uhr
entspricht der Aufzeichnung ab 08:29 (Notausgang 2) vom 1. Video;
von der Videoüberwachung auf den Parkplatz vor dem Club „E.“ erfasstes Verlassen des Clubs durch H. – aufgearbeitet durch die digitale Forensik, mit Hervorhebungen durch „Spotlight“ auf H.;
00:19 (Time-Code-Zeit = 02:20:23 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:27:09 Uhr)
tritt H. in das Bild; die 1. Sekunden bis 00:23 sind betreffend das Gangbild der H. keinerlei Ausfallerscheinungen erkennbar, auf Höhe des auf dem Parkplatz stehenden, vollständig abgebildeten Fahrzeuges ist im Gangbild 00:24-00:32 → (Time-Code-Zeit = 02:20:28 Uhr bis 02:20:36 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:27:14 Uhr bis 02:27:22 Uhr) ein einmaliges leichtes Ausschwenken nach links und rechts festzustellen; danach sind keine weiteren Auffälligkeiten bildlich dokumentiert bis 01:05 (Time-Code-Zeit = 02:21:10 Uhr, d.h. + 06:46 min → reale Zeit = 02:27:56 Uhr); dann biegt H. aus der S.-Straße nach rechts in die K.-Straße ein (reale Zeit 02:28 Uhr); anschließend ist H. vom Aufzeichnungsbereich nicht mehr erfasst.
733
Die Videoaufzeichnung der Discothek „E.“ (Zeitabweichung von + 06:46 Minuten hier umgerechnet), Notausgang 2, zeigt also, wie die später verstorbene H. W. am 03.10.2022 zwischen 02:27:09 Uhr und 02:28 Uhr die S.-Straße vom Ein- und Ausgang der Discothek in Richtung K.-Straße entlang geht und nach rechts auf diese abbiegt.
734
Von der Videokamera „Notausgang 2“ sind zudem als zeitlich H. W. nachfolgende Personen, die die S.-Straße entlanggehen, um 02:36 Uhr der … und um 02:38 Uhr die … erfasst (vgl. auch Ziff. D. II. 8.1. + 19.8.7.2.1.).
735
Um 02:36 Uhr ist auch ein in die S.-Straße einfahrender Pkw zu erkennen (vgl. Ziff. D. II. 8.2. + 19.8.7.2.1.).
17.3.2. Video Sequenz „E.“ Notausgang 2, 03.10.2022 (Aufnahmezeit
02:10 Uhr – 02:14 Uhr → Realzeit + 6 min 46 sec)
736
Die Video-Sequenz, übergeben mit Speicherstick als Anlage zu Beweisantrag Nr. 19, wurde mit allen Verfahrensbeteiligten durch Abspielen in Augenschein genommen.
737
Zu sehen ist der Zeuge …, der in der Realzeit um 02:18 Uhr – nach einem kurzen Telefonat – mit einer anderen männlichen Person die S.-Straße in Richtung K.-Straße läuft und um 02:20 Uhr nach links in die K.-Straße (Richtung A.) einbiegt (s. Paul K., Ziff. D. II. 7.2. + 19.8.7.2.1.).
17.3.3. Beitrag XY-Ungelöst vom 09.11.2022
738
Gemeinsam mit dem Zeugen KHK … und allen Verfahrensbeteiligten wurde zudem die XY-Sendung vom 09.11.2022 (betreffend den Fall „H.“) angeschaut.
739
Der Polizeibeamte … stellt den Fall „H. W.“ vor. Es wird berichtet, dass H. nach einem Clubbesuch ins Flüsschen Bärbach geriet, im Fluss Prien am 03.10.2022 tot aufgefunden wurde und Zeichen körperlicher Gewalt aufweist, aber in alle Richtungen ermittelt werde. Aufgerufen wurde dazu, dass sich Personen melden sollten, die in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr im Bereich „E.“ unterwegs waren bzw. Wahrnehmungen gemacht haben. Es wird über den Fund der Holzkernuhr, deren Armband abgerissen war, berichtet und der Besitzer/Eigentümer der Holzkernuhr gesucht.
740
Weitere inhaltliche Angaben zu dem verfahrensgegenständlichen Geschehen enthält der Beitrag nicht.
17.3.4. Drohnenflug (Bärbach/Prien bis zum Auffindeort in Kaltenbach)
741
Darüber hinaus führte der Polizeibeamte und Zeuge KHK … die Drohnenflugaufnahmen durch Abspielen vor, welche am 27.11.2023 von der Hubschrauber-/Drohnenstaffel Roth beginnend am Scheichergraben in A. im C. (K.-Straße) und dem Bärbach sowie dem ca. 12 km langen Flussverlauf der Prien bis zum Auffindeort des Leichnams von H. W. in Kaltenbach gefertigt worden sind.
742
Ebenso führte er Drohnenaufnahmen, welche durch das K 6 am 07.12.2023 gefertigt wurden (am 27.11.2023 war es bereits dunkel, sodass weitere Aufnahmen nicht möglich waren), vor, die die Zugänge zu den 4 Mühlen (Oberprien- und Unterprienmühle, Rainermühle und Mühltaler Mühle), welche an der Prien bis zum Auffindeort liegen, dokumentieren.
743
Insgesamt hat es sich um 45 Videoabschnitte gehandelt, auf denen die Morphologie des Flussbettes zu erkennen ist (steindurchsetzt; z.T. Baumstämme – ca. 20-30 cm hoch –, die den Flusslauf regulieren; Gefälle und Abstürze), aber auch die Zuflüsse zu den 4 genannten Mühlen.
744
U.a. diese Drohnenaufnahmen wurden dem hydromechanischen Sachverständigen Prof. … als Grundlage seiner Gutachtenserstattung zur Verfügung gestellt.
745
Das Wehr Kaltenbach habe für die Ermittlungen, so KHK …, keine Rolle mehr gespielt, da die Leiche der H. W. auf Höhe dieses Wehrs gefunden wurde, allerdings im Hauptfluss Prien (was ein Treiben der Leiche über den Mühlbach zum Wehr Kaltenbach ausschließt).
746
17.3.5. Relevante Strecken nebst Weg-/Zeitberechnung durch KOK … und KHK …
747
Der Zeuge KOK … schilderte die erhobenen Weg-/Zeitberechnungen hinsichtlich der verfahrensgegenständlich relevanten Strecken:
748
Zunächst sei der Heimweg der H. W. (vom „E.“ bis an die Wohnanschrift … insg. 885 m, Gehzeit ca. 10 min) von der Ecke S.-Straße – (nach rechts) K.-Straße bis auf Höhe des Burghotels (K.-Straße 94 a) abgegangen worden. Die Strecke habe fast 240 m betragen, zurückgelegt worden sei diese bei normaler Gehgeschwindigkeit in 2 min 42 sec.
749
Von der Ecke S.-Straße – K.-Straße nach links in K.-Straße bis auf Höhe Nr. 75 a (Höhe Gasthof „B.“) habe die Wegstrecke knapp 300 m betragen, bei normaler Gehgeschwindigkeit in ca. 3 min zurückzulegen (relevant bezüglich des Zeugen … Ziff. D. II. 7.2., 17.3.2. + 19.8.7.2.1.).
750
Betreffend die vom Angeklagten T. in seinen beiden Zeugeneinvernahmen am 21.10.2022 und 10.11.2022 angegebenen Laufstrecken sei ebenfalls ab dem Lokal „Chalet“ (s. nachfolgend Erkenntnisse zur dortigen WebcamAuswertung, Ziff. D. II. 17.4.) – dort lief S. T. nach eigenen Angaben im Rahmen der Zeugeneinvernahmen – eine Wegzeitberechnung durch „Nachlaufen“ der Strecke erfolgt. Ein Kollege (I.) sei die Strecke gelaufen.
751
Die Strecke „Chalet“/Bahnhofstraße/K.-Straße in Richtung HohenA./über den Festhallenparkplatz in die S.-Straße/den M. Weg in den …/bis an die Ecke X. Weg/K.-Straße, konkret Höhe Burghotel Nr. 94 a, sei 3,36 km lang. Der Kollege habe insgesamt 20 min 49 sec gebraucht und damit eine pace von 6 (1 km in 6 min).
752
(Nur) Die Strecke vom Festhallenparkplatz (Mitte) bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße betrage 990 m.
753
Betreffend die Wegstrecke Ecke X. Weg/K.-Straße zur Wohnanschrift der Familie T., sei – so der Zeuge KHK … – eine Strecke von 680 m ermittelt worden. Auch diese Strecke sei der Kollege … „nachgelaufen“ mit einer 6er-pace, habe dafür 3 min 39 sec benötigt.
754
Bei einer pace von 5 – wie von S. T. in seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 angegeben – errechne sich eine Zeit von 3 min 24 sec.
755
Von den Laufstrecken und dem jeweiligen Lauf durch I. wurden mittels bodycams Videos gefertigt, die vom Zeugen KHK … vorgeführt und mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurden, von denen letztlich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (insbesondere den von den Zeugen, aber auch von S. T. selbst bei seinen Zeugenvernehmungen geschilderten Strecken) entscheidungsrelevant folgende waren:
* X81371523-2023-12-11-11-18-59 (2023).mp4
- Laufstrecke „Chalet“, entlang der Hauptstraße Richtung HohenA., über Festhallenparkplatz, M. Weg bis Ecke X. Weg/K.-Straße –, 3,36 km
* X81372662-2023-12-13-10-43-08 (2023).mp4
- Laufstrecke Mitte Festhallenparkplatz über M. Weg bis Ecke X. Weg/K.-Straße –, 990 m
* X81371523-2023-12-11-11-41-44 (2023).mp4
- Laufstrecke „Heimweg“ H. W. von S.-Straße rechtsabbiegend in K.-Straße bis Ecke X. Weg/K.-Straße –; 240 m
* X81372662-2023-12-13-10-59-50 (2023).mp4
- Laufstrecke von Ecke X. Weg/K.-Straße durch X. Weg zur Wohnanschrift T. –, 680 m.
17.3.6. Video „Cute russian blonde strangled und fucked“
756
Durch Abspielen wurde das am 30.09.2022 um 14:24:54 Uhr über das Xiaomi MiA2 Lite (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.2.1.) aufgerufene 19-minütige Video mit dem Titel „Cute russian blonde strangled and fucked“ mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurde.
757
Inhalt des Videos: ein Mädchen auf einer Wiese, sehr groß und sehr schlank, macht YogaÜbungen – maskierter Mann in Tarnkleidung beobachtet sie zunächst – nähert sich ihr dann – Mädchen flüchtet in eine Ruine, versteckt sich – dem Mann gelingt es, sie von hinten zu überfallen und zu Boden zu bringen – sie ist zunächst bewusstlos, er stranguliert sie mehrfach im Bereich eines Schaukelgestelles, dabei entkleidet er sie zunächst am Oberkörper, küsst den Oberkörper insbesondere die Brüste, zwischendurch führt er immer wieder den Strangulationsvorgang durch – er entkleidet sie dann auch am Unterkörper – schließlich positioniert er den reglosen Körper des Mädchens bäuchlings auf einer Treppe, am reglosen Körper des Mädchens führt der Mann durch mehrfache Penetration den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss aus. Insgesamt steht die exzessive Gewaltanwendung in dem Video im Vordergrund.
758
Der Zeuge KOK … legte allgemein dar, dass folgende Webcams von dem Team „Digitale Spuren“ gesichert und ausgewertet worden seien, was er nochmals anhand einer gefertigten Skizze und Nummerierung der entsprechenden Webcams im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme erläuterte:
(1) Webcam Tankstelle Boxen-Stopp
759
Die von S. T. im Rahmen seiner Zeugeneinvernahmen am 21.10.2022 und 10.11. 2022 beschriebene Laufstrecke sei außerhalb des von der Webcam der Tankstelle Boxen-Stopp erfassten Blickfeldes gewesen.
(2) Webcam Lokal „Chalets“
(Bahnhofstraße 17 in A., Kamera in R. Straße)
760
Bei Auswertung dieser Webcam sei bei eingeblendetem Zeitstempel um 02:17:28 Uhr von links kommend eine Person in das Kamerasichtfeld eingelaufen, um 02:17:36 Uhr habe diese Personen nach rechts laufend das Kamerabild verlassen, d.h. die Person sei aus südlicher Richtung von A. her kommend gelaufen, die Bahnhofstraße entlang in Richtung Norden.
761
Mit den Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten wurde diese WebcamAufnahme mehrmals in Augenschein genommen. Zu sehen ist eine joggende Person, sie trägt eine Stirnlampe. Weitere Aussagen zu der Person und der Art ihrer Bekleidung sind aufgrund der Aufnahmequalität (Nachtmodus, Aufnahme der Person in schwarz-weiß, zudem regnet es erkennbar) nicht sicher zu treffen; jedoch ist auszuschließen, dass diese Person eine im Beinbereich weite Hose trägt, weil die Kontur der Beine der laufenden Person deutlich erkennbar ist.
762
Der Zeuge KOK … erläutert, dass das Bildmaterial zur Aufarbeitung auch noch an das LKA München übersandt worden sei, weitere Erkenntnisse seien jedoch nicht möglich gewesen.
763
Wesentliche weitere Erkenntnis sei hinsichtlich der Frage der Richtigkeit der in die Kameraaufnahmen eingeblendeten Uhrzeit gewesen, dass die Überprüfung ergeben habe, dass die Kamera nicht zeitsynchronisiert gelaufen sei, d.h. die den Kameraaufnahmen zu entnehmende Uhrzeit nicht der Echtzeit entsprochen habe.
764
Der Betreiber der Cocktailbar … habe insoweit einen Finanzbericht und einen Screenshot seines Kassenabrechnungssystems vorgelegt.
765
Diese wurden mit dem Zeugen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen, verlesen und vom Zeugen erläutert.
766
Den Tagesabschlussbericht (Z-Lesung) habe der Inhaber nach Beendigung jedes Barbetriebes nach dem Abkassieren des letzten Gastes durchgeführt. Infolgedessen generiere das Abrechnungssystem einen sog. Finanzbericht. Diese vom Abrechnungssystem protokollierten Finanzberichte seien u.a. zur Vorlage beim Finanzamt bestimmt, daher betreibe Reichhardt sein Kassensystem zeitsynchronisiert, d.h. der Zeitpunkt des Kassensystems im Fiskaljournal entspreche der Echtzeit. Bezüglich des Abends 02.10.2022 auf 03.10.2022 sei dem Finanzbericht zu entnehmen, dass die letzte Buchung mit 02:39 Uhr sei. Die Abfrage in den Protokolldateien des Abbrechungssystemes habe als sekundengenaue Uhrzeit 02:39:33 Uhr herausgelesen. Der Zeitstempel der Kameraaufzeichnung zum Ereignis der Z-Lesung (auch dies wurde mit allen Verfahrensbeteiligten nochmals und mehrfach in Augenschein genommen) zeigt die Uhrzeit 02:48:20 Uhr. Dementsprechend habe am 03.10.2022 die zeitliche Differenz zwischen dem Zeitstempel der Kamera und der Echtzeit 8 min 47 sec betragen. Die im Blickfeld der Kamera am 03.10.2022 um 02:17:28 Uhr erfasste Person sei also in Echtzeit um 2:08:41 Uhr vorbei gejoggt.
(Richtung Norden; K.-Straße)
767
Aus Datenschutzgründen sei diese Webcam grundsätzlich digital maskiert, damit Unbeteiligte nicht gefilmt werde könnten; im konkreten Zeitpunkt sei das Kamerasystem zudem defekt gewesen.
(4) + (5) + (6) Webcams im Bereich des Lokals „E.“, S.-Straße
(Haupteingang (4), Kamera im Bereich des Gebäudes (5) und Bereich Notausgang (6))
768
Die entspr. WebcamAufnahmen und Videos wurden mit allen Verfahrensbeteiligten durch Abspielen in Augenschein genommen und vom Zeugen KHK … erläutert (s.o., Ziff. D. II. 17.3.1.).
(an der Straße „A.“, Eingangsbereich)
769
Die Kameraaufnahmen dieser Webcam seien nicht darstellbar gewesen, vom Hersteller weiß überlagert; zudem sei nur der Eingangsbereich erfasst, eine Mauer verhindere den Blick auf die Straße.
(8) + (9) + (10) Webcams Kampenwandparkplatz
(Bereich Kassenautomat (8), Parkplatz (9) und Schranke Zufahrtsbereich (10))
770
Zusammengefasst – so KOK Mense – sei auch auf den Webcams des Kampenwandparkplatzes in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 nichts Tatrelevantes festzustellen gewesen.
771
Die Kamera im Bereich des Kassenautomats sei bewegungsgesteuert, der Erfassungsbereich äußerst gering. Davon konnten sich alle Verfahrensbeteiligten durch Inaugenscheinnahme der entsprechenden WebcamBilder, vorgeführt durch Abspielen, überzeugen.
772
Die WebcamAufnahmen im Zeitfenster 03.10.2022 02:15 Uhr – 02:45 Uhr betreffend den Parkplatz hätten ebenfalls nichts Konkretes ergeben. Zum einen sei die Bildqualität aufgrund eines den Kamerabereich störenden Spinnennetzes sehr schlecht, zum anderen aber auch aufgrund des Regens. Es seien insbesondere keine Personen zu erkennen, die sich im Parkplatzbereich in dem genannten Zeitfenster etwa im Bereich Bärbach aufgehalten hätten. Auch die Vergrößerung habe insoweit keine weitere Erkenntnis erbracht. Es seien auch keine Lichter/Lichtreflexionen zu erkennen, die etwa mit einer Stirnlampe o.ä. in Verbindung gebracht werden könnten. Schließlich sei auch im Bereich der Zufahrtsschranke (10) in der genannten Nacht und insbesondere im tatrelevanten Zeitfenster Nichts festzustellen gewesen, keine Lichtveränderungen, Personen o.ä..
(11) Private Kamera eines Bürgers
(wohnhaft Bach 13 a, 1,3 km Luftlinie vom „E.“ entfernt)
773
Diese Webcam sei auch gesichtet worden, es habe sich aber nichts Tatrelevantes ergeben, so KOK …
774
Die Webcam „HohenA.“ sei nicht vom Team „Digitale Spuren“ – so KOK … – gesichert und ausgewertet worden.
775
Zur Webcam HohenA. (auf dem Schlossberg) wurden die Standbilder insbesondere vom 03. und 04.10.2022 mit den Zeugen KHK … und KHK … sowie allen Verfahensbeteiligten mehrfache Inaugenscheinnahme genommen.
776
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK… hat alle WebcamAufnahmen vom Schloss HohenA. im Zeitraum 02.-07.10.2022 in Absprache mit dem WebcamBetreiber … gesichert. Die Webcam mache alle 10 Minuten eine Aufnahme, die jeweilige Uhrzeit sei als Dateiname abgelegt. Es sei festgestellt worden, dass die Kamera am 03.10.2022 zwischen 01:30-02:40 Uhr sowie zwischen 05:00 Uhr – 07:40 Uhr keine Aufnahmen gemacht habe. … habe zu dem Grund befragt angegeben, dass er dies am Morgen um 08:00 Uhr festgestellt habe: Es habe wegen eines Serverproblemes eine Fehlermeldung vorgelegen, die Webcam habe neu gestartet werden müssen.
777
Die Umstände dieser „KameraStörungen“ wurden von dem polizeilichen Sachbearbeiter und Zeugen HKH … ebenfalls nochmals dargelegt: Auch er schilderte, dass am 03.10.2022 von 01:00 Uhr – 02:40 Uhr und von 05:00 Uhr bis 07:40 Uhr durch die Webcam am Schloss HohenA., welche den Festhallenparkplatz erfasse und alle 10 Minuten ein Bild erstelle, keine Aufnahmen gefertigt worden seien.
778
Betreffend diese Ausfälle der Webcam in der Tatnacht (03.10.2022) sei zusammenfassend festzustellen gewesen, dass kein Zusammenhang zwischen dem Ausfall der Webcam am Schloss HohenA. und dem Mobilfunknetz bestanden habe
- 1. Ausfall sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf ein Verbindungsproblem zwischen dem sog. Backend-Server und Steuerrechner der Kamera zurückzuführen, der 2. Ausfall auf ein technisches Problem der Frontend-Server/Hardwareproblem mit der Festplatte -.
779
Der Polizeibeamte und Zeuge KHK … führte aus, dass es bei der Auswertung der WebcamAufnahmen HohenA. primär um eine Rekonstruktion und Objektivierung der Angaben der … betreffend die angebliche Parksituation vom 03.10.2022 und 04.10.2022 gegangen sei.
780
Für den 03.10.2022 sei anzugeben, dass die von der Zeugin benannten Parkplätze nicht von der Webcam hätten dokumentiert werden können, da sie (die unmittelbar an die Mauer zur S.-Straße angrenzenden Parkplätze) durch einen Baum bzw. dessen Belaubung Anfang Oktober 2022 verdeckt gewesen seien.
781
Unabhängig davon sei auf dem Bild 18:40 Uhr vom 03.10.2022 (18:50 Uhr nicht mehr) und in der Zeit vom 19:10 Uhr – 20:30 Uhr ein Anhänger der DLRG dokumentiert gewesen (das Fahrzeug sei in die Suchmaßnahmen involviert gewesen). Der Zeuge KHK … erklärte hierzu, dass, nachdem an der unbekannten weiblichen Leiche ein Stempel des Clubs „E.“ aufgefallen sei, durch das Auffinden der Leiche im Fluss ein Bezug nach A. gegeben gewesen sei, ein Einsatzbefehl an Herrn … von der DLRG erteilt worden sei. Es sei die Möglichkeit im Raum gestanden, dass der Körper in den Fluss geraten und abgetrieben worden sei. Daher seien Absuchmaßnahmen für sinnvoll erachtet worden. Das DLRG-Fahrzeug sei gegen 18:30 Uhr am Einsatzort in A. angekommen und dann erstmals um 18:40 Uhr auf der Webcam HohenA. erfasst worden. Um 18:50 Uhr sei es nicht mehr zu sehen gewesen, was dadurch erklärlich sei, dass es Richtung Prien (Fluss) gefahren sei und dort das Boot zwecks Durchführung der Absuchmaßnahmen zu Wasser gelassen habe. Auf dem Bild von 19:10 Uhr sei das Fahrzeug wieder zu sehen, ebenso auf den nachfolgenden Bildern bis 20:30 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug nach Frasdorf beordert worden, um dort die Kollegen wieder aufzunehmen.
782
Betreffend den 03.10.2022 sei im Übrigen festzustellen gewesen, dass in den frühen Morgenstunden (00:00 Uhr bis 01:20 Uhr) der Festhallenparkplatz komplett voll geparkt gewesen sei.
783
Für den 04.10.2022 sei anzugeben, dass bei Auswertung der Bilder der Webcam um 20:50 Uhr der Pkw der V. R. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt worden sei, d.h. ein in Größe und Form entsprechendes Fahrzeug. Letztmalig sei dieses Fahrzeug am 04.10.2022 um 22:20 Uhr, zu diesem Zeitpunkt mit Innenbeleuchtung, zu sehen gewesen, auf der nächsten Aufnahme (10 Minuten später, 22:30 Uhr) nicht mehr.
17.5. Verlesene Urkunde – Toxikologisches Haargutachten betr. S. T.
784
Ausweislich des verlesenen toxikologischen Haargutachtens über die Untersuchung von Haaren auf Drogen und ausgewählte Medikamente mit Wirkung auf das Zentralnervensystem des FTC München vom 24.01.2023 hat der Angeklagte T. im untersuchten Zeitraum (5 bis 6 Monate vor der Haarprobenentnahme am 24.11.2022) keine zentral wirksamen Drogen und Medikamente sowie synthetische Cannabinoide konsumiert.
17.6. MantrailerHunde (Führer)
785
Hinsichtlich des Einsatzes von MantrailerHunden in HohenA., Bereich „E.“ bzw. im Bereich möglicher Tatorte, war durch Einvernahme der Zeugen …, KHK Steffen …, KHK …, EKHK …, sowie PHK … Folgendes festzustellen:
… ehrenamtlicher Fachberater für Rettungshunde, koordiniert MantrailerHunde-Einsätze, so auch im gegenständlichen Fall einen solchen am 04.10.2022 ab ca. 01:00 Uhr.
786
Es habe ein Bezug zwischen dem in der Nähe von Prien aufgefundenen Leichnam sowie dem „E.“ in HohenA. gegeben. Am 03.10.2022 sei daher der Einsatz von MantrailerHunden aus polizeilicher Sicht angedacht und er deshalb verständigt worden, primär mit dem Ziel, eventuell tatrelevante Gegenstände o.ä. aufzufinden.
787
Er sei dann gegen 23:40 Uhr nach A. zum Club „E.“ gefahren, wo er glaublich 1 Stunde später angekommen sei. Vor Ort sei 1 Hund von der Hundestaffel der DLRG gewesen, des Weiteren 2 MantrailerHunde der Rettungsstaffel Miesbach.
788
Zunächst sei eine Einweisung der 3 Hunde erfolgt.
789
Es seien Referenzgegenstände der H. W. welche die Zeugen KHK … und KHK …, wie diese auch berichteten, aus der Wohnung der Geschädigten geholt hatten (Papiertüte mit mehreren Gegenständen, Schlafanzug und Birkenstockschuh), den MantrailerHunden zur Aufnahme der Geruchsspur vorgelegt worden. Der Mensch verliere (ständig) unbemerkt Milliarden von kleinen Hautschuppen. Den Geruch von Hauptschuppen könne ein MantrailerHund aufnehmen und so menschliche Spuren nachverfolgen (so Gessner).
790
Dabei habe es zunächst noch ein „Problem“ gegeben:
791
Da die Referenzgegenstände ggf. auch den Geruch der Beamten (die diese in der Wohnung W. abgeholt hätten) hätten aufnehmen können, mussten die Beamten nochmals zurückkommen. Die Hunde hätten sozusagen einen Unterschied der Geruchspartikel der Beamten und derjenigen von H., nach denen sie hätten suchen sollen, aufnehmen müssen, um nach der richtigen Spur zu suchen.
792
Wenn ein MantrailerHund eine Spur finde, käme Zug auf die Leine.
793
Anschließend seien die 3 Hunde jeweils getrennt voneinander zum Einsatz gekommen, jeweils zwischen 10 und 20 min und jeweils mit 2 Beamten
- Hund 1 lief mit den Zeugen … und EKHK …/- Hund 2 lief mit Kollegen der Pl Rosenheim/- Hund 3 lief mit den Zeugen … und EKHK … -.
794
Die Hunde hätten jeweils ein GPS-Halsband. Die von ihnen zurückgelegte Strecke würde automatisch aufgezeichnet und sei dann auf eine Karte übertragen worden. Der Zeuge … legte insoweit 3, als Anlage zu Protokoll genommene Karten vor, aus welchen die Wegstrecken, die der jeweilige Hund zurückgelegt hatte, ersichtlich sind.
795
Insoweit war Folgendes festzustellen:
796
Hund 1 sei vom Club die S.-Straße, K.-Straße, bis zur Wohnanschrift der H. W. (Zeugen …) gelaufen. Zug auf der Leine sei nicht festgestellt worden.
797
Eine Erklärung der Zeugen dafür war, dass die Referenzgegenstände von der Wohnanschrift der H. W., zum „E.“ gefahren worden seien. Da es so sei, dass Geruchspartikel selbst dann, wenn die Referenzgegenstände in einem Auto (und dann noch wie gegenständlich in einer Papiertüte, so der Zeuge KHK …) transportiert würden, beispielsweise durch die Lüftung auf die Straße getragen werden könnten, sei diese zurückgelegte Strecke nicht als realistisch anzusehen.
798
Hund 2 sei vom Ausgang „E.“ die S.-Straße in östlicher Richtung, dort bis zur K.-Straße, dann in nördlicher Richtung bis auf Höhe des Feuerwehrhauses gelaufen, ehe er abbog Richtung Prien bis zur Brücke S.-Straße über die Prien. Zug auf der Leine sei nicht festgestellt worden.
799
Die von diesem Hund zurückgelegte Strecke wurde vom Zeugen … als nicht aussagekräftig beurteilt: Seiner Einschätzung nach habe der Hund, dies sei aus seinem Verhalten zu schlussfolgern, den Geruch nicht zuordnen können.
800
Hund 3 sei dann die S.-Straße entlang gelaufen, anschließend in östlicher Richtung, wieder kurz in südlicher Richtung in die K.-Straße und zurück in nördliche Richtung die K.-Straße entlang. Im weiteren Verlauf sei er im Bereich der Straße „A.“ bis zum dortigen Waldrand gelaufen, anschließend zurück Richtung K.-Straße, dann im weiteren Verlauf über den Kampenwandparkplatz. Zug auf der Leine sei nicht festgestellt worden. Die Hundeführer gaben an, dass der Hund keine Spuren gefunden habe, zudem etwa durch Rehe (deren Augen seien erkennbar gewesen) am Waldrand abgelenkt gewesen sei; der Hund habe keine Richtung mehr aufnehmen können, wohl weil keine ausreichende Duftgemenge vorgelegen habe und der Hund die relevante Spur nicht weiter habe verfolgen könne. Der Einsatz sei dann abgebrochen worden. Hund 3 habe vor seinem Einsatz zudem „Urlaub“ gehabt, es sei unklar gewesen, ob er daher an diesem Tag überhaupt habe zuverlässig reagieren können.
801
Generell führten die Zeugen aus, dass nach ihrer Erfahrung mit MantrailerHunden zwar richtig sei, dass ein Hund grundsätzlich die letzte/aktuellste Spur verfolgen würden. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass ein Hund ältere Spuren (etwa, weil der Spurenträger eine bestimmte Strecke häufiger gehe) aufnehme und verfolge.
802
Auch ein Hund sei ein Lebewesen. Eine absolute Zuverlässigkeit bestehe nicht, d.h., es sei nicht ausgeschlossen, dass ein MantrailerHund auch ältere Spuren erwische, durch andere Spuren abgelenkt sei oder deshalb, weil Geruchspartikel (Hautschuppen) beispielsweise durch Wind verweht würden, eine Spur nicht korrekt verfolgen könne. Zudem sei zu sehen, dass Spuren durch verschiedene Faktoren (etwa Regen und Wind) verfälscht werden könnten. Auch sei theoretisch denkbar, dass eine Person (Täter) in Kontakt mit einer anderen Person (Opfer) etwa im Rahmen eines Körperkontaktes Geruchspartikel (des Opfers) aufnehme und diese dann ihrerseits weitertrage (abhängig von der Intensität des Kontaktes), wenn auch wahrscheinlicher sei, dass die Geruchspartikel des Täters überlagernd seien.
803
Zur Ausbildung eines MantrailerHundes befragt, gab der Zeuge … an, dass sich grundsätzlich jede Hunderasse für die Ausbildung eigne, wenn auch jede Hunderasse unterschiedlich reagiere.
804
Die Ausbildung von MantrailerHunden dauere 1-2 Jahre (2 × pro Woche werde für 2-3 Stunden trainiert, dann erfolge eine Prüfung), anschließend sei alle 1-2 Jahre eine Auffrischung und erneute Prüfungsablegung notwendig. Die Hunde 1-3 hätten eine Prüfung absolviert, aber keine polizeiliche.
805
Am 04.10.2022 wurde dann auch nochmals ab 13:30 Uhr bei Tageslicht mit dem polizeilichen MantrailerHund „Alf“ eine Absuche vorgenommen, über die der Zeuge PHK … berichtete.
806
Auch „Alf“ trug ein GPS-Halsband, welches letztendlich seinen zurückgelegten Weg auf eine Karte übertrug. Da das Opfer – so der Zeuge PHK … sich nach den Erkenntnissen im Club „E.“ aufgehalten hatte, sei der Hund, nachdem er den Geruch über die vorliegenden Referenzgegenstände aufgenommen habe, in der S.-Straße eingesetzt worden. Er sei von dort nach rechts in die K.-Straße eingebogen. Da sei auch Zug auf der Leine gewesen. Dort sei er bis zur Straße an der Bergbahn gegangen (Zufahrtsweg zum Kampenwandparkplatz), allerdings nach kurzer Wegstrecke zurückgekommen. „Alf“ sei unsicher geworden, es sei kein Zug mehr auf der Leine gewesen. „Alf“ sei ein Stück in den Brandnerweg gelaufen. Von dort habe er über den Bärbach wieder zurück auf der K.-Straße bis zum Beginn eines Waldstückes gesucht. Er habe an einer Parkbank gekreist und sei entlang des Scheichergrabens wieder zurück bis auf Höhe des Anwesens K.-Straße 102 gelaufen. Dort habe er in alle Richtungen negativ angezeigt und die Suche beendet.
807
Auf Nachfrage der Verteidigung äußerte der Zeuge PHK … dass „Alf“ auf Blut keine besondere Reaktion zeige, auch nicht intensiver rieche. Dies täten nur ausgebildete Leichenspürhunde.
18.1. Dr. … (daktyloslopische und DNA-Spuren)
808
Die Sachversändige Dr. … hat die ihr übermittelten Spurenträger auf daktyloskopische und DNA-Spuren untersucht.
809
Zunächst legte sie dar, dass Analyse und Auswertung nach den anerkannten, standardisierten Kriterien vorgenommen worden seien
(Untersuchung von 16 autosomal/unabhängig voneinander vererbbaren DNA-Systemen – so dass die Produktregel anwendbar ist – unter Berücksichtigung der mitteleuropäischen Bevölkerungsgruppe; dass der Angeklagte T. einer fremden, nicht mitteleuropäischen Ethnle angehört, ist nicht ersichtlich, so dass Bedenken gegen die Anwendung der mitteleuropäischen Vergleichspopulation nicht angebracht und nähere Ausführungen zur unabhängigen Vererblichkeit der Merkmalssysteme nicht erforderlich sind, vgl. BGH, NStZ-RR 2014, 115/116; NStZ 2013, 179/180, jeweils m.w.N.).
810
Zusammenfassend gab sie an, dass unter Berücksichtigung dieser Methodik die molekulargenetische und daktyloskopische Spurenuntersuchung an der Kleidung der Verstorbenen H. W. ergeben habe, dass – bedingt durch die lange Liegezeit im Wasser – keine Fremdspuren und auch nur noch bedingt Spuren von der Verstorbenen selbst festzustellen gewesen seien. Aufgrund der schlechten Quantität und Qualität sei die Erstellung eines Identifizierungsmusters und damit ein DNA-Nachweis nicht möglich gewesen. Es sei kein biologisches Material des Angeklagten nachweisbar gewesen.
811
Ebenso sei an den im Rahmen der Durchsuchung beim Angeklagten am 18.11.2022 sichergestellten Gegenständen (insbesondere Laufbekleidung) keine DNA/biologisches Material der Verstorbenen festgestellt worden, lediglich – wie zu erwarten – Einzelprofile, die dem Angeklagten zuzuordnen gewesen seien bzw. Mischspuren, bei denen die Hauptkomponente dem Angeklagten zuzuordnen gewesen sei.
812
An einer sichergestellten Softshelljacke (frisch gewaschen, vgl. Ziff. D. II. 13.3.) mit der Aufschrift „Bergwacht“ seien unter Infrarot zwar bluttypische Reaktionen erkennbar gewesen, die Untersuchung habe letztlich aber keinen Nachweis erbracht, es sei eine nur ungenügende DNA-Menge festzustellen gewesen.
813
Von einer nicht genügenden bzw. nicht ausreichenden DNA-Menge spreche man dann, wenn keine humane DNA nachweisbar, die DNA zerlegt (kaputt) oder zu wenig DNA vorhanden sei, um alle Merkmale darstellen zu können.
814
Ob DNA bei einem Waschvorgang zerstört werde, sei nicht generell zu beantworten. Es komme auf die Temperatur des Waschganges an, ebenso auf das verwendete Waschmittel und den Umstand, wie voll die jeweilige Waschmaschine sei (sei sie sehr voll, halte sich DNA-Material besser).
18.2. Prof. … (Hydromechaniker)
815
Die Kammer hat den Sachverständigen Prof. …, Hydromechaniker, dazu gehört, ob die von der Rechtsmedizin beschriebenen Verletzungen, v.a. die am Kopf von H. W. festgestellten 5 QuetschRissWunden sowie die festgestellten, symmetrischen beidseitigen Frakturen der Schulterdachknochen, rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte, Folge des Treibevorgangs, also den dynamischen Vorgängen im fließenden Gewässer bzw. den im Wasser wirkenden (Fließ-)Kräften geschuldet sein könnten, entstanden etwa in sog. Wasserwalzen, und damit als Treibeverletzung eingeordnet werden könnten.
816
Prof. … hat zunächst betreffend seine fachliche Qualifikation ausgeführt, dass er Physiker ist und seit 2004 an der Universität der Bundeswehr München Professor für Hydromechanik. Die Hydromechanik sei ein Teilgebiet der Fluidmechanik bzw. Strömungslehre und auch der Kontinuumsmechanik, sie beschäftige sich mit dem mechanischen Verhalten von Fluiden. Er habe betreffend das Verhalten von Körpern in Gewässern Forschung betrieben.
817
Er habe keine medizinische Ausbildung, insbesondere keine vertieften Kenntnisse von Anatomie und Rechtsmedizin.
818
Des Weiteren hat er voranstellend ausgeführt, dass er als Grundlage für die Beantwortung der hydromechanischen Fragestellungen die von den Gewässern Bärbach und Prien gefertigten Drohnenaufnahmen (vgl. Ziff. D. II. 17.3.4.) und die Lichtbilder des mutmaßlichen Tatortes zur Verfügung gestellt bekommen habe. Im Rahmen von drei Ortsbegehungen habe er selbst Bärbach und Prien, insbesondere bezüglich der Sohle der Gewässer und der Besonderheiten in wasserbaulicher Hinsicht (Neigungen, Abstürze) sowie betreffend die (heutigen – früher Mühlen) Kraftwerke (unter Berücksichtigung auch der von den jeweiligen Kraftwerksbetreibern zur Verfügung gestellten Anknüpfungstatsachen) angeschaut. Zudem habe er die schriftlichen Gutachten der Rechtsmedizin zur Hand gehabt und auch verschiedene Erkenntnisse/Messungen des Wasserwirtschaftsamtes hinsichtlich der hydrologischen Gesamtsituation beider Gewässer (Hochwassersituation, Pegelstände etc.) am 03.10.2022 sowie schließlich zur Verdeutlichung der hydromechanischen „Vorgänge“ mehrere Videos von Hochwassersituationen an Bärbach bzw. Prien im August 2020, Mai 2019 und Juli 2017.
819
Zur Klärung der Fragestellung der Dynamik eines leblosen Körpers (186 cm, 70 kg) in Bärbach und Prien, der Bestimmung der Bewegungsrichtungen und wasserbedingten Kräfte sowie insbesondere der Prüfung des Vorhandenseins ggf. von Wasserwalzen und deren Auswirkung auf die Körperdynamik führte Prof. … zunächst an, dass die hydrologische Gesamtsituation am 03.10.2022 unter Berücksichtigung des Abflusses am Pegel A. in den Blick genommen worden sei. Am 03.10.2022 sei ein Hochwasser registriert gewesen, welches in der Spitze (zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr) am Pegel A. zu einem Abfluss von ca. 30 m³/s geführt habe, danach sei das Wasser relativ schnell wieder abgeflossen. Dies sei kein unnormales Ereignis gewesen, langfristig seien derartige Hochwasserereignisse 1-2 × pro Jahr (im Zeitraum von 2002-2023) registriert.
820
Es seien auch deutlich gravierendere Hochwasserereignisse festzustellen gewesen, so etwa im August 2020 mit einem Abfluss von 80,3 m³/s, im Mai 2019 mit einem Abfluss von 70,5 m³/s oder im Juli 2017 mit einem solchen von 54,4 m³/s.
821
Von diesen 3 Hochwasserereignissen, die deutlich gravierender gewesen seien, als dasjenige vom 03.10.2022, habe er betreffend die Strömungsverhältnisse Videos ausgewertet, welche im Rahmen der Hauptverhandlung mit dem Sachverständigen und allen Verfahrensbeteiligten auch durch Abspielen in Augenschein genommen wurden.
822
Zu der hydrologischen Situation betreffend die verfahrensgegenständlichen Gewässer Bärbach und Prien führte der Sachverständige weiter aus, dass im Bärbach (wegen des geringeren Einzugsgebietes) nur etwa 1/10 der Wassermenge, welche am Pegel A. festgestellt wurde, vorhanden sei, d.h. bei einem am 03.10.2022 in der Spitze festgestellten Abfluss von 30 m³/s am Pegel A. im Bärbach ein Abfluss von 3 m³/s.
823
Zudem sei hinsichtlich der Strömungs-/Fließgeschwindigkeit anzugeben, dass diese grundsätzlich als sog. mittlere Fließgeschwindigkeit (Gaußsche Verteilung) angegeben werde. Als Faustregel sei aber anzuwenden, dass die maximal Fließgeschwindigkeit (vorzufinden in der Flussmitte) maximal 1,4 × größer sein könne, als die mittlere Fließgeschwindigkeit. An den Flussrändern tendiere die Fließgeschwindigkeit demgegenüber gen Null.
824
Betreffend die Frage des Treibeverhaltens eines Körpers bei einer Hochwasserlage wie der am 03.10.2022 in einem schmalen Gewässer wie dem Bärbach sei die Geschwindigkeit über die Breite relevant, weshalb der Bärbach im Bereich Kampenwandparkplatz vermessen worden sei, der dort ca. 2,30 m bereit sei, eine Breite, die der Bärbach im Bereich HohenA. insgesamt im ungefähren habe.
825
Ein Körper von 186 cm richte sich in einem derartigen Bach aus. Da der Kopf sozusagen im Gewässer schneller fließe, treibe er in Fließrichtung generell nach vorne, d.h. der Körper drehe sich mit dem Kopf in Strömungsrichtung, wobei aufgrund der unterschiedlichen Dichte verschiedener Gewebetypen (Fett, Muskeln, Knochen etc.) grundsätzlich Kopf und Extremitäten nach unten (Bauchlage) „hängen“ würden, der Körper bei Hochwasser gleichsam im Wasser „schwebe“ und eine gewisse Schwimmstabilität erlange (typische Treibeposition). Bei kurzzeitigem Hängenbleiben o.ä. sei eine Querpositionierung des Körpers im fließenden Gewässer theoretisch denkbar, mit dem Losreißen jedoch zeitnah wieder eine Ausrichtung in Strömungsrichtung, mit dem Kopf voraus und Gesicht nach unten.
826
Ein Treiben des Körpers mit den Füßen voran sei unwahrscheinlich und langfristig auch nicht möglich. In schmalen Gewässern richte sich der Körper immer sehr schnell wieder mit dem Kopf voran aus.
827
Auch in einem breiteren Gewässer wie der Prien, in dem die Strömungsgeschwindigkeit geringer sei als in einem schmalen Gewässer wie dem Bärbach, sei grundsätzlich ebenso von dieser typischen Treibeposition des Körpers auszugehen. Möglich sei aber auch hier ein kurzzeitiges Drehen des Körpers als Folge eines Hängenbleibens.
828
In welcher Höhe innerhalb eines Gewässers, also in welcher Wasserschicht ein Körper treibe, könne zwar nicht pauschal angegeben werden. Es sei jedoch so, dass bei zunehmender Ausprägung einer Hochwasserlage auch das beschriebene „Schweben“ ausgeprägter sei, der Körper nicht direkt über den Untergrund, die Sohle „schleife“, darüber „gezogen“ werde. Deshalb sei bei Hochwasserlagen die Verletzungsgefahr für im Gewässer treibende Körper auch geringer. Direkt an der Oberfläche treibe der Körper aber auch nicht. Das komme lediglich dann vor, wenn eine Leiche bereits vermehrt durch Fäulnis o.ä. Gase aufweise.
829
Betreffend das Treiben von H. W. im Bärbach sei also von einem solchen mit dem Kopf voran auszugehen.
830
Als Hindernis sei lediglich der Straßendurchlass „A.“ zu nennen, wo es theoretisch zu einem Anstoß des Körpers gekommen sein könnte. Allerdings sei aus hydromechanischer Sicht ein Auftreffen auf den immer gleichen Gegenstand (z.B. Stein) und dadurch die Entstehung von mehreren Kopfverletzungen ohne Schürfungen, also solchen in einem 90° Winkel, im fließenden Gewässer ausgeschlossen. Denn für die Entstehung einer Verletzung im 90° Winkel auf/an einem Körper seien sog. Normalkräfte erforderlich (nicht sog. Scherkräfte, die in Fließgewässern vorherrschen würden).
831
Als Normalkraft werde eine Wechselwirkungskraft in der Kontaktzone zwischen zwei Körpern oder eine Schnittkraft in einem stabförmigen Bauteil bezeichnet. Sie stehe senkrecht zur Kontaktfläche bzw. Schnittfläche. Die in Richtung des Normalvektors wirkende Normalkraft erzeugt Druck- bzw. Zugspannungen.
832
Die Scherkraft sei demgegenüber die Kraft, die parallel zu einer Oberfläche wirke, wenn Kräfte in entgegengesetzten Richtungen an den Seiten eines Objektes ziehen oder schieben. Sie trete auf, wenn Teile eines Körpers in verschiedenen Richtungen bewegt würden, sodass sie relativ zueinander verschoben würden.
833
Normalkraft sei also die Kraft senkrecht zur Oberfläche, während die Scherkraft parallel zu Oberflächen wirke und das relative Verschieben von Teilen eines Körpers ermögliche oder verhindere.
834
Diese unterschiedlichen Kräfte (Normalkraft – Scherkraft) und ihre unterschiedliche Wirkungsweise verursache auch unterschiedliche Verletzungsbilder.
835
Wären die QuetschRissWunden im fließenden Gewässer und einem dortigen Hindernis entstanden, würden sie wegen der Wirkungsweise der dort bestehenden Scherkräfte um die zentrale Wunde herum, d.h. im direkten Wundumfeld der Zentralwunde Schürfungen, Scherverletzungen aufweisen. Dies gelte auch für im fließenden Gewässer entstehende Hämatome.
836
Auch die Frakturen der Schulterdächer seien in der Entstehung an diesem Hindernis schon deshalb nicht plausibel,
- da diejenige rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte verbunden gewesen sei, also Folge einer Krafteinwirkung von hinten nach vorne. In der typischen Treibeposition treibe der Körper aber mit dem Kopf voran, sodass bei einem Anstoß eine Fraktur in Richtung Körpermitte nicht entstehen könne, nur in umgekehrter Richtung.
- Im Bärbach sei auch keine besonders kräftige Ufervegetation vorhanden, die den Körper als stabiles Hindernis habe festhalten und damit eine andere Positionierung des Körpers als in der typischen Treibepostion mit dem Kopf voran hätte verursachen können.
- Schließlich seien auch keine äußeren Verletzungen und keine Scherverletzungen im Bereich der Schulterdächer dokumentiert, die mit einem solchen Vorfall in Einklang zu bringen wären.
837
Da ein Körper allerhöchstens gleich schnell wie die Strömungsgeschwindigkeit, normalerweise aber etwas langsamer als die Strömungsgeschwindigkeit transportiert werde, sei anhand dieses Parameters zudem bestimmbar, ob und wie lange H. auf den ca. 12 km
- KHK … ->
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ca. 600 m im Bärbach bis zur Einmündung im Fluss Prien und
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ca. 10,8 km im Fluss Prien -
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bis zum Auffindeort mindestens (ohne Annahme einer Zeitverzögerung etwa durch Hängenbleiben) getrieben sei.
838
Insoweit sei – so Prof. … – betreffend den Bärbach die Fließgeschwindigkeit (höher als in der Prien, da schmaler, nur 2,3 m breit) zwischen 1,8 m/s bis 2,2 m/s anzusetzen, d.h. bei 600 m Treibestrecke im Bärbach habe der Körper für das Zurücklegen dieser Strecke (minimal) 5,56 min – 4,55 min benötigt.
839
Die Fließgeschwindigkeit im Fluss Prien sei geringer (als im Bärbach, da breiter, ca. 17 m – abzüglich etwa 1,5 m pro Uferseite wegen starker Verkrautung an den Uferrändern). Der Pegel A. in der Prien läge etwas unterhalb der Einmündung des Bärbachs. Hier sei am 03.10.2022 für den Abfluss als Maximalwert 30.2 m³/s, als Minimalwert 4.92 m³/s und im Mittel 13.1 m³/s gemessen worden. Der Abfluss habe an diesem Tag also eine erhebliche Schwankung aufgewiesen, die aus den starken Niederschlägen im 56.2 km² großen Einzugsgebiet resultiere; darin sei auch das Einzugsgebiet des Bärbachs enthalten. Die Fließ-Strömungsgeschwindigkeit sei damit rechnerisch bei maximalem Abfluss mit knapp unter 1.1 m/s zugrunde zulegen.
840
Dementsprechend sei Folgendes zu errechnen:
bei 10,8 km Treibestrecke bis zur Auffindeörtlichkeit = 2,73 h = 2 h 43,8 min.
841
Selbst wenn man eine Fließgeschwindigkeit hypothetisch auch in der Prien in der Größenordnung wie im Bärbach ansetzen würde – also zwischen 1,8 m/s – 2,2 m/s – sei
bei 10,8 km Treibestrecke bis zur Auffindeörtlichkeit = 1,67 h = 1 h 40 min (bei 1,8 m/s)
bzw. = 1,36 h = 1 h 22 min (bei 2,2 m/s)
in zeitlicher Hinsicht in Anschlag zu bringen.
842
Prof. … wies nochmals darauf hin, dass es im Bärbach keine besonders kräftige Ufervegetation gäbe, die den Körper als stabiles Hindernis hätte festhalten oder entkleiden könne. Dokumentiert sei lediglich ein einzelner hereinragender junger Baum auf der Höhe der Feuerwehr. Dieser sei von der Kriminalpolizei Rosenheim als mögliche Ursache für die Rötungen am Hals der Toten in Augenschein genommen worden, was auch aus hydromechanischer Sicht möglich sei. Zudem gäbe es keine hydraulische Struktur, an der eine Wasserwalze bei den Abflussverhältnissen am 03.10.2022 im Bärbach hätte entstehen können.
843
Im Hinblick auf die Frage der Entstehung möglicher Verletzungen des Leichnams während des Treibens unter hydromechanischem Blickwinkel wies der Sachverständige Prof. … insbesondere auf die im Verlauf der zurückgelegten Treibstrecke festzustellenden Besonderheiten sowie die dort festzustellenden Strömungsverhältnisse hin.
844
Die Besonderheiten in wasserbaulicher Hinsicht (Neigungen, Abstürze) in den fraglichen verfahrensgegenständlichen Gewässern Bärbach und Prien sowie auf der Treibestrecke seien von ihm bei Normalwasserstand in Augenschein genommen worden. Es seien, dies sei ja auch auf den in Augenschein genommenen Drohnenaufnahmen (Ziff. D. II. 17.3.4.) zu erkennen, Steine, z.T. scharfkantig, erkennbar geworden. Die Verletzungsgefahr sei jedoch bei Hochwasser wesentlich geringer als bei Normalwasser, da Steine und Ähnliches überspült seien und – wie bereits erwähnt – der Körper bei Hochwasserlagen „schwebe“ bzw. „gleite“, der Körper also nicht direkt über den Untergrund, die Sohle „schleife“.
845
Um die Sohle von Bergflüssen vor Erosion zu schützen, würden sog. Rampen und Abstürze in den Fluss verbaut, an denen der Fluss ein größeres Gefälle überwinde, danach wieder flacher ströme, wodurch sich dort größere Wassertiefen und kleinere Fließgeschwindigkeiten und damit weniger Erosion einstellen würden.
846
Auf der Rampe selbst sei die Wassertiefe kleiner als im eigentlichen Fluss, womit die Strömungsgeschwindigkeit dort größer werde. Auf rauen Rampen ragten immer wieder Steine aus dem Boden, die bewusst angelegt würden, um die Strömung zu bremsen. Beim Zusammenstoß eines leblosen Körpers mit solchen Steinen könne es hier zwar zu größeren Verletzungen kommen. Diese seien dann aber immer mit Abschürfungen (Scherkräfte) verbunden. Zudem würden diese Verletzungen aus hydromechanischer Sicht umso unwahrscheinlicher, desto tiefer das Wasser sei, was insbesondere bei Hochwasserlagen wie am 03.10.2022 der Fall sei, d.h. bei Hochwasser steige auch hier (auf den Rampen) der Wasserstand, so dass das Verletzungsrisiko eher geringer sei.
847
Bei einem Sohlabsturz entstünden generell Verletzungen genau/gerade durch den Absturz aus der entsprechenden Fallhöhe, bei der der Körper in das Unterwasser stürze. Dabei werde ein Körper umso mehr abgefedert, desto tiefer das Unterwasser sei. Bei Hochwasser, wo der Stand des Unterwassers höher sei, sei die Verletzungsgefahr also weitaus kleiner als bei Niedrigwasser, der Körper gleite sozusagen sanft über das „Wehr“ und falle in tieferes Unterwasser.
848
Hinter Sohlabstürzen und Rampen könnten zwar grundsätzlich auch Wasserwalzen auftreten. Solche Wasserwalzen seien durch eine abrupte Erhöhung der Wassertiefe in Strömungsrichtung geprägt, wobei es an der Wasseroberfläche auf der Wasserwalze zu einer Gegenströmung (Rückströmung) komme. Damit ein Körper in einer solchen Wasserwalze „gefangen“ werde, müsse dieser aber kleiner als die Walze selbst sein. Eine nur geringfügige Rückströmung reiche zudem nicht aus, um einen leblosen Körper in einer Wasserwalze zu fangen und u.U. mehrfach gegen einen Stein zu schlagen.
849
Anhand der Videos von den drei genannten, gravierenderen Hochwasserereignissen 2020, 2019 und 2017
- sogar ca. doppelt bis dreifach gravierender als dasjenige am 03.10.2022 -
und der dort erkennbaren Strömungsverhältnisse einschließlich Gischt etc. führte der Sachverständige weiter aus, dass Wasserwalzen in einem Ausmaß, in denen sich ein menschlicher Körper von 1,86 m verfangen und immer wieder etwa gegen denselben Stein gestoßen werden könnte
- wodurch gleichförmige Verletzungen erklärbar werden könnten – wenn auch nur mit Schürfungen im unmittelbaren Wundumfeld (Scherkräfte) –,
mangels relevanter Rückströmungen nicht erkennbar geworden seien. Selbst die festzustellende und erkennbare Gischt weise eine StromabwärtsRichtung auf (keine Rückströmung).
850
Auch betreffend das von der Verteidigung des Angeklagten vorgelegte, von seinen Angehörigen gefertigte und durch Abspielen in Augenschein genommene Video (Bereich der Pegelstation A.) blieb der Sachverständige dabei, dass der dortige Absturz nicht einmal so groß sei, wie andere Abstürze, die er begutachtet habe. Bei Hochwasser sei auch unter Zugrundelegung dieses Videos sicher nicht von der Ausbildung einer Wasserwalze auszugehen, in der ein Körper vom 186 cm „gefangen“ werden (sich verfangen) könne.
851
Auch seien die weiteren Besonderheiten auf der Treibestrecke v.a. in Form sog. Ausleitungskraftwerke (heute Kraftwerke, ehemals/historisch Mühlen) begutachtet worden im Hinblick auf die Frage, ob Verletzungen am Leichnam von H. W. auf Einwirkungen in den dortigen Ausleitungskanälen zurückzuführen sein könnten.
852
Aus hydromechanischer Sicht – so Prof. … – sei es im Ergebnis auszuschließen, dass der Körper von H. W. durch einen (oder mehrere) der Kraftwerkskanäle der Mühlen Oberprienmühle, Unterprienmühle, Rainermühle und Mühltaler Mühle (z.T. genannt auch Prientaler Mühle) getrieben sei.
853
Diese 4 Mühlen seien als Standardausleitungskraftwerke zu bezeichnen, die im Wesentlichen gleich aufgebaut seien. Vom Mutterfluss aus sei jeweils nach einem Staubereich vor der Ausleitungsstrecke ein Einlaufbauwerk installiert, ein sog. Schütz/Schleuse, d.h. ein Wehr staue den Fluss zunächst einmal an und lenke Wasser durch eine Schleuse (Einlaufbauwerk) in einen Ausleitungskanal (Mühlbach/Triebkanal). Es folge eine Rechenanlage (z.T. nur Feinrechen, z.T. Grob- und Feinrechen, s. nachfolgend) vor dem eigentlichen Kraftwerk. Nachdem das Wasser die Turbine durchströmt habe, fließe es durch den Unterwasserkanal wieder in den Mutterfluss Prien.
854
Die Oberprienmühle sei voll automatisiert, d.h. bei Hochwasser schließe sich die davor befindliche Schleuse auf 15-20 cm. Ein Körper könne dort nicht hindurch treiben.
855
Bei der Unterprienmühle sei die technische Situation genauso, d.h. bei Hochwasser schließe sich das Einlaufbauwerk (Schütz/Schleuse) automatisch auf ca. 10 cm, so dass der Körper an diesem Kraftwerk nicht die Ausleitungsstrecke genommen haben könne. Zudem sei dahinter nur ein Feinrechen (2 cm Zinken-/Stababstand) verbaut.
856
Die Rainermühle sei die älteste Anlage auf der Treibestrecke. Sie habe keine automatisierte Schleuse, die Eingangsschleuse würde manuell bedient, so dass etwa 2000 l/s die Turbine erreichen würden. Anhand der Befragung der Betreiber (…) sei jedoch festgestellt worden, dass am 03.10.2022 aufgrund des dort herrschenden Hochwassers die zuständige Person die Hubhöhe der Schleuse manuell geregelt habe. Ganz genau sei die Öffnungshöhe nicht mehr zu rekonstruieren gewesen, etwa 50-70 cm, so dass ein lebloser Körper grundsätzlich hätte in diesen Kraftwerkskanal eindringen können. Vor dem eigentlichen Kraftwerk sei aber ein Feinrechen (lichter Stababstand 2 cm) und parallel dazu ein Überlaufwehr angeordnet, welches nur dann überflutet werde, wenn mehr als 2000 l/s in den Kanal fließen würden oder der Rechen verlegt bzw. blockiert sei, was eine Überflutung der Anlage ausschließe, da dann das überflüssige Wasser über das Wehr in einen Beipass um die Turbine geleitet werde. Nach Angabe des Betreibers sei die Eingangsschleuse am 03.10.2022 und im Hinblick auf die Hochwassersituation aber schon so weit geschlossen gewesen, dass nur soviel Wasser in den Kraftwerkskanal geflossen sei, dass das Wehr nicht überflutet (Beipass nicht angesprungen) und das Wasser vollständig durch den Feinrechen geleitet worden/geströmt sei. Eine technische Vorrichtung, mit der Treibgut entnommen werden könne, sei nicht vorhanden. Zusammenfassend, so Prof. …, sei daher nicht davon auszugehen, dass der Körper von H. W. durch den Kraftwerkskanal der Rainermühle getrieben sei, der Körper wäre vor dem Feinrechen hängen geblieben.
857
Zur 4., der Mühltaler Mühle, sei schließlich festzustellen gewesen, dass sich die Schleuse bei Hochwasser automatisch auf eine Hubhöhe von ca. 20 cm reduziere. Auch dies schließe ein Durchtreiben eines Körpers durch die Ausleitungsstrecke der Mühle aus. Zudem folge baulich dann ein Feinrechen, Stababstand 2 cm, der bei Verlegung durch Treibgut automatische gereinigt werde. Treibgut werde entnommen und bleibe in einer daneben befindlichen Rinne liegen. Ein Leichnam sei dort aber nicht entnommen worden.
858
Betreffend den Kraftwerkskanal zur Kaltenbacher Mühle könne ein Durchtreiben des leblosen Körpers der H. W. ausgeschlossen werden, da die Fundstelle des Leichnams stromauf, oberhalb des Auslaufs des Kraftwerkskanals im Mutterfluss Prien liege. Besonders in Augenschein genommen habe er – so Prof. … – aber den vor der Ausleitungsstrecke zur Kaltenbacher Mühle befindlichen Rechen, einen Grobrechen vor der Schleuse, insbesondere da seitens der Verteidigung dort die Entstehung der Akromionfrakturen als plausibel in den Raum gestellt worden sei.
859
Dieser Grobrechen wurde auf den entsprechend gefertigten Lichtbildern mit dem Sachverständigen sowie allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen.
860
Diesen Grobrechen könne ein Körper grundsätzlich passieren (der Abstand der Stäbe des Grobrechens betrage ca. 60 cm) und nach dem Sturz über eine Wand in Strömungsrichtung zur Rechten wieder in den Mutterfluss gelangt sein. Dieser Weg sei bei Niedrigwasser sogar äußerst wahrscheinlich, da ein Körper in der davor befindlichen „Kurve“ durch die Zentrifugalkräfte zum Prallhang und vor den Grobrechen geführt würde.
861
Bei dem Hochwasser am 03.10.2022 habe es aber einiges an Treibholz hinter dem Prallhang gegeben, so dass die Stromlinien in die Mitte des Flusses abgelenkt worden seien (also eher nicht in den Bereich des Einlaufbauwerkes mit dem Rechen). Zudem sei die Schleuse nur wenig geöffnet gewesen, so dass die geringe Strömung durch die Schleuse mit einem Rückstau verbunden gewesen sei. Nichtsdestotrotz sei es aber theoretisch denkbar, dass der Körper von H. W. den Grobrechen grundsätzlich erreicht haben könnte.
862
Allerdings sei es so, dass der Abstand der am Leichnam festgestellten beiden Schulterdächer von H. W. (ca. 31 cm) wesentlich kleiner als der Abstand der Rechenstäbe (s.o., ca. 60 cm) sei. Damit sei ein gleichzeitiger Stoß der Schultern gegen zwei Rechenstäbe ausgeschlossen – unabhängig davon, dass bei der typischen Treibeposition mit dem Kopf voran die Fraktur Richtung Körpermitte am rechten Schulterdach bei physikalischer Betrachtung der einwirkenden Kraftrichtung nicht entstanden sein könne, ebenso äußerliche Scherverletzungen (Jacke hatte H. sicher nicht mehr an, vgl. Fundort, Anlage zum Urteil Karte 2) aus hydromechanischer Sicht entstanden wären (solche seien aber nicht dokumentiert).
863
Unter Außerachtlassung dieser letztgenannten Aspekte sei also allenfalls nur ein Stoß einer Schulterseite gegen einen Rechenstab denkbar, sowie dann ein weiterer konsekutiver Stoß gegen einen (zweiten) Stab.
864
Dabei sei aber bereits fraglich, ob es zu einem derart festen Anpressdruck, der die festgestellte Verletzung verursacht haben könnte, an dieser Stelle überhaupt kommen könne. Denn vor diesem Rechen sei ein sog. Totwasserbereich festzustellen. Der Körper sei in dem Gewässer mit einer Geschwindigkeit von etwa 1-2 m/s „unterwegs“ gewesen. Im Totwasserbereich betrage die Geschwindigkeit etwa nur 1/4 davon (also deutlich unter 1 m/s). Aus geometrischen Gründen sei der Totwasserbereich vor Rechen wie dem im Bereich der Kaltenbacher Mühle vorgefundenen, relativ hoch, sodass selbst bei Hochwasser vor dem Bereich des Rechnens immer ein relevanter Todwasserbereich verbleibe. Die dort herrschende deutlich geringere Bewegungsenergie sei nicht ausreichend, um die für Frakturen erforderliche Krafteinwirkung zu entfalten.
865
Selbst wenn man einen Anpressdruck in der erforderlichen Größenordnung aber theoretisch unterstellen würde, sei davon auszugehen, dass bei Anstoß des Körpers mit einer Schulterseite an einem der Rechenzinken die Kraft-/Bewegungsenergie bereits soweit abgebaut werde, dass die Größe der Wucht, die verbleibende Bewegungsenergie selbst bei einem zweiten Anpressen nicht ausreichen würde (konsekutiver Anstoß), um das Verletzungsbild einer Akromionfraktur auch am anderen Schulterdach zu verursachen. Der zweite Stoß sei nur noch als Touchieren des Rechenstabs zu verstehen. Eine tiefergehende Verletzung, wie ein Bruch, sei aus hydromechanischer Sicht ausgeschlossen. Zudem würde der Körper nach dem ersten Stoß gedreht werden, so dass der zweite Kontakt mit einem Rechenstab viel tiefer am Körper, etwa im Bereich des Unterarms stattgefunden hätte.
866
Außerdem sei davon auszugehen, dass der Körper von H. W. an dem Grobrechen bzw. im Bereich des dort hängen gebliebenen Treibholzes ebenfalls hängen geblieben wäre.
867
Hinsichtlich der QuetschRissWunden und Hämatome ohne Schürfungen sei eine Entstehung an dem vor der Ausleitungsstrecke zur Kaltenbacher Mühle befindlichen Rechen gleichfalls aus hydromechanischer Sicht auszuschließen, da auch hier Scherkräfte wirksam seien, d.h. Schürfungen im direkten Wundumfeld zur jeweiligen Zentralwunde bzw. den Kopfhautrötungen/Hämatomen entstanden wären.
868
Zusammenfassend könne der leblose Körper der H. W. nicht durch die Kraftwerkskanäle getrieben sein. Die Ursache der Verletzungen an beiden Schulterdächern könne unter Berücksichtigung der Morphologie der Gewässer, der konkret bestehenden Hochwassersituation und des dadurch bedingten Treibeverhaltens des Körpers („schweben“/„gleiten“) sowie des Umstandes, dass die Fraktur betreffend das rechte Schulterdach in Richtung Körpermitte (Krafteinwirkung von hinten nach vorne) dokumentiert sei, aus hydromechanischer Sicht nicht auf der Treibestrecke entstanden sein und auch nicht auf einen Zusammenprall mit dem, an der Ausleitungsstrecke zur Kaltenbacher Mühle befindlichen Grobrechen zurückgeführt werden. Kopfverletzungen ohne Schürfungen seien aus hydromechanischer Sicht als Treibeverletzung auszuschließen, da sie durch Normalkraft (90° Winkel; keine Schürfungen im direkten Umfeld der jeweiligen Zentralwunde bzw. der Kopfhautrötung dokumentiert) gesetzt worden seien.
869
Der Sachverständige Prof. … äußerte sich schließlich zur Frage des Be-/Entkleidungszustand des Leichnams.
870
Der Leichnam von H. W. war nur mit Schuhen nebst Socken, Stringtanga, BH und Netz-Top bekleidet. Ihre Kunstlederhose und ihre Kunstlederjacke waren ebenso wie der Gürtel der Jacke an den bereits durch die polizeiliche Zeugin benannten Orten (vgl. Ziff. D. II. 5., ebenso Lichtbilder, Ziff. D. II. 17.2.3.) aufgefunden worden, die Hose vollständig auf links gedreht, die Jacke betreffend den linken Ärmel auf links gedreht.
871
Laut Sachverständigem tendiere die Wahrscheinlichkeit, dass einem leblosen, mit der Strömung treibenden Körper die Hose (im Oberschenkelbereich eng anliegend, unten weiter geschnitten) über die Schuhe (Gr. 41) ausgezogen werde, gen Null, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
872
Theoretisch sei ein Entkleiden denkbar, wenn Geschwindigkeitsunterschiede bestünden, nicht aber, wenn Körper und Wasser weitgehend gleiche Geschwindigkeit aufwiesen, wie es vorliegend anzunehmen sei.
873
Zudem sei zu berücksichtigen, dass am Leichnam von H. der Stringtanga nicht verrutscht gewesen sei, vielmehr regelgerecht gesessen habe.
874
Gegen ein Entkleiden der Lederjacke im fließenden Gewässer spreche auch bereits der Umstand, dass betreffend die Jacke nur ein Ärmel auf links gedreht worden sei.
875
D.h. im Einzelnen, so Prof. …:
876
Prinzipiell seien zwar Gegebenheiten, wenn auch unwahrscheinlich, vorstellbar, dass einem leblosen Körper eine Lederjacke durch das Treiben in einem Fluss abgestriffen werden könne.
877
Wenn etwa der Körper – entgegen der typischen Treibeposition kurzzeitig (s.o.) – mit den Beinen nach vorne treibe und z.B. ein an der Sohle befindlicher Ast nach oben rage und unter die Jacke greife, dann wäre es denkbar, dass diese beim Weitertrieben des Körpers abgestreift würde. In diesem Fall wären aber beide Ärmel auf links gedreht. Außerdem sei solchenfalls mit einer Beschädigung an der Jacke zu rechnen. Die von H. W. getragene Lederjacke (die mit dem Sachverständigen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen wurde) wies jedoch keine derartigen Beschädigungen auf.
878
Bei einem Hängenbleiben im Kragen der Jacke würde sich der Körper zunächst einmal um das so gebildete Lager drehen. Sollte er dadurch nicht wieder freikommen, würden beim Abziehen der Jacke bei hinreichender Kraft aber auch beide Ärmel auf links gedreht werden.
879
Tatsächlich sei an der Jacke der H. W. bei Auffindung aber nur ein Ärmel auf links gedreht gewesen. Dies könne nur dann geschehen, wenn die Jacke durch eine greifende Zugkraft am anderen Ärmel entkleidet werde. Eine derartige greifende Zugkraft gäbe es in Strömungen aber nicht. Die Jacke könne also im Konkreten nicht von einer Flussströmung während des Treibevorganges ausgezogen worden sein.
880
Das Ausziehen der Lederhose sei durch die Laschenbildung infolge des defekten Reißverschlusses grundsätzlich sicher begünstigt worden, sei aber ebenfalls unwahrscheinlich, da die Sneaker (Gr. 41), die noch an der Leiche waren, einen nicht unerheblichen Widerstand bilden würden.
881
Beim Treiben mit dem Kopf vorweg, der typischen Treibeposition, könnte denktheoretisch irgendeine astähnliche Struktur in die beschädigte Reißverschlussöffnung gegriffen haben. In diesem Fall hätte sich der Körper um diesen Haltepunkt gedreht, bis er wieder aus der Halterung heraus gerutscht wäre. Nur eine beidseitig der Hüfte in die Hose greifende Halterung könnte aber die Hose gleichmäßig herunter und über die Schuhe ausziehen. Auch insoweit seien dann aber Beschädigungen an der Hose zu erwarten, welche aber an der von H. W. getragenen Lederhose (abgesehen von dem defekten Reißverschluss) – wie mit dem Sachverständigen und allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen – nicht festgestellt werden konnten.
882
Auf Nachfrage der Verteidigung, ob ein Ausziehen der Hose, welche komplett auf links gedreht gewesen sei, im Gewässer wahrscheinlicher sei, wenn man unterstelle, dass H. ausgetreten und die Hose (bereits wieder) unterhalb des Knies gewesen sei, erläuterte der Sachverständige, dass dies theoretisch eher – unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der seitliche Reißverschluss an dieser Hose aufgrund eines Defektes ca. 20 cm geöffnet war und beide Hosenbeine auf links gedreht waren – denkbar sei, wenn auch zu berücksichtigen sei, dass nasse Kleidungsstücke generell schwer ausziehbar seien.
883
Alle diese Veränderungen der Kleidung seien für sich genommen bereits extrem unwahrscheinlich. Das Auftreten der Gesamtheit an Veränderungen – so Prof. … zusammenfassend – sei als bedingte Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Sie berechne sich als Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten, womit der gesamte Entkleidungszustand vollkommen unwahrscheinlich durch das Treiben im Gewässer verursacht worden sein könne.
884
Die Frage, wie sich die zwei von H. W. in der Tatnacht getragenen Ringe von den Fingern gelöst haben (könnten), konnte demgegenüber nicht abschließend beantwortet werden. Der hydromechanische Sachverständige führte lediglich hinsichtlich des am 12.10.2022 im Bärbach beim Kampenwandparkplatz aufgefundenen Fächerrings (vgl. D. II. 5., es wurde nur dieser Ring aufgefunden), der keine durchgehende Ringschiene aufweist, aus, dass ein Abstreifen durch Wasserkraft nicht möglich erscheine. Weitere Ansätze für sachdienliche Ermittlungen fehlen, zu schlussfolgern wären allenfalls Vermutungen, so Prof. M..
885
Soweit seitens der Verteidigung an den hydromechanischen Sachverständigen Prof. … die Frage gestellt wurde, ob H. sich im Bereich der Auffindeörtlichkeit die Kopfverletzungen habe zuziehen können (etwa dadurch, dass sie an der Wurzel hängen geblieben sei und mit dem Kopf immer wieder auf den gleichen Stein o.ä. geschlagen sei), verneinte dies der Sachverständige.
886
Die Strömungsgeschwindigkeit sei aufgrund des bereits in der Nacht sinkenden Pegels rasch heruntergegangen.
887
Die Auffindeörtlichkeit habe sich zudem am Rand des Flusses Prien befunden, wo grundsätzlich eine geringere Fließgeschwindigkeit herrsche (als etwa in der Mitte des Flusses). Die Fließgeschwindigkeit am Rand eines Flusses tendiere gen Null (Grenzschicht; s.o.), was eine geringe Bewegungsenergie bedeute.
888
Soweit von der Verteidigung ein „Wellenschlag“ angenommen werde, habe dieser sicher keine so erhebliche Bewegung in den Körper gebracht, die geeignet gewesen wäre, Verletzungen am Kopf und im Bereich der Schulterdächer – wie festgestellt – aus hydromechanischer Sicht zu erklären, unabhängig davon – so Prof. … –, dass für das festgestellte Verletzungsbild am Kopf (QuetschRissWunden/Hämatome) ohne Schürfungen – wie bereits wiederholt dargelegt – Normalkräfte wirksam gewesen seien, im fließenden Gewässer aber Scherkräfte wirksam seien.
889
Schließlich führte der hydromechanischen Sachverständige Prof. … auf Frage der Verteidigung, ob am 03.10.2022 ein Stehen im Bärbach möglich gewesen sei, aus, dass ein Mensch in einem fließenden Gewässer bereits bei einer Wasserhöhe von ca. 80 cm (Bärbach in den ersten Stunden des 03.10.2022 jedoch aufgrund Starkregens und dadurch bedingter konkreter Hochwassersituation ca. 1,40 m) angehoben werde. Dies führe dazu, dass die Schwerkraft geringer werde. Ein Stehen werde damit bereits schwierig. Ob es überhaupt noch möglich sei, sei abhängig vom konkreten Untergrund, der Reibung, dem Schuhwerk, also viele Unwägbarkeiten. Dies gelte natürlich bei einer konkreten Wasserhöhe von 1,40 m umso mehr, d.h. da sei ein Stehen eigentlich unmöglich.
890
Auf weitere Frage, ob die beiden von H. W. getragenen Halsketten und ggf. ein Hängenbleiben ihres Körpers an den Ketten während des Treibens die Fraktur von HWK 5 verursacht haben könnte, äußerte der Sachverständige Prof. … nach Inaugenscheinnahme beider Ketten bei physikalischer Betrachtung und Beurteilung der einwirkenden Kräfte: Die Ketten, dünne Kordelketten, wären gerissen, wäre mit einer Kraft auf den hängengebliebenen Körper eingewirkt worden, der zu einer Fraktur von HWK 5 hätte führen können.
891
Diese hydromechanischen Erkenntnisse wurden insbesondere vom biomechamischen/traumatomechamischen Sachverständigen Prof. … im Rahmen seiner Begutachtung zur Beurteilung plausibler Entstehungsursachen der von der Rechtsmedizin erhobenen Befunde berücksichtigt.
892
18.3. Medizinische Sachverständige (bzw. sachverständige Zeugen)
18.3.1. … (erste Leichenschau)
893
Die Zeugin … schilderte, dass sie am 03.10.2022 als Ärztin von der Polizei nach Kaltenbach beordert worden sei, die genaue Uhrzeit wisse sie nicht mehr. Vor Ort seien bereits Bergungskräfte (Feuerwehr, Dienststellenleiter der Pl Prien und Beamte der Kripo Rosenheim, ca. 15 Leute) gewesen. Schaulustige habe sie nicht gesehen. Sie werde jährlich etwa zu 300 Leichen von der Polizei zwecks erster Leichenschau gerufen.
894
In Kaltenbach sei eine Leiche gefunden worden. Vor Ort habe sie die Leiche nur kurz gesehen, diese sei nur leicht bekleidet gewesen (mit BH und einer Art T-Shirt, einem Stringtanga, regelgerecht sitzend, und zugeschnürten Turnschuhen). Vor Ort habe sie keine Blutentnahme, Temperaturmessung – die Rektaltemperaturmessung am Leichnam sei bereits um 16:40 Uhr von der Polizei durchgeführt worden – oder andere medizinische Untersuchungen vorgenommen. Sie habe allerdings noch in Kaltenbach festgestellt, dass bereits Leichenstarre eingetreten gewesen sei. Arme, Beine und Kopf der Leiche seien nicht mehr zu bewegen gewesen. Aufgefallen sei auch eine Wunde an der Stirn, sie wisse nicht mehr, ob rechts oder links. Dass aus dieser Wunde Blut gelaufen sei, habe sie nicht bemerkt. Schaumpilz vor Ort habe sie nicht wahrgenommen.
895
Die unbekannte weibliche Leiche sei dann durch Mitarbeiter des Bestattungsinstitutes Hartl in deren Räumlichkeiten transportiert worden (etwa gegen 18:00 Uhr). Dort sei auch die Spurensicherung vor Ort gewesen, habe den Zustand der unbekannten weiblichen Leiche fototechnisch dokumentiert. Sie/… selbst habe den Eindruck gehabt, dass die Leiche viele blaue Flecke an den Armen aufgewiesen habe, atypische Flecken und Hämatome, die ihrer Einschätzung nach als Griffspuren etwa im Rahmen eines Festhaltegeschehens zu interpretieren gewesen seien, aber möglicherweise natürlich auch nach Todeseintritt entstanden sein könnten. Auffällig sei – wie bereits erwähnt – auf jeden Fall der Bekleidungszustand gewesen.
896
Während der Leichenschau bei der Firma …ei dann zum einen ein etwas verblasster Stempel des Clubs „E.“ bemerkt und zum anderen beschlossen worden, die Leiche in die Rechtsmedizin nach München zu verbringen. Sie/W. habe eine Leichenbescheinigung ausgestellt, in der der Verdacht auf Ertrinkungstod vermerkt worden sei, ebenso, dass nicht von einem natürlichen Tod ausgegangen werde – dies sei um 20:50 Uhr am 03.10.2022 erfolgt –, was auch immer dafür Ursache gewesen sein mag.
897
2-3 Tage später habe sie erfahren, dass wohl ein Tötungsdelikt vorliege, von wem sie das erfahren habe, wisse sie nicht mehr.
18.3.2. Dr. … (toxikologische Begutachtung der H. W.)
898
Die toxikologische Untersuchung von Mageninhalt, Blut und Urin der verstorbenen H. W. wurde durch die Sachverständige Dr. … vorgenommen.
899
Der Magen habe 110 ml eines wässrigen Sekrets mit einzelnen erkennbaren festen Nahrungsbestandteilen enthalten.
900
Die umfangreichen toxikologischen Untersuchungen insbesondere von Blut und Herzblut der Verstorbenen hätten die Aufnahme des schmerz- und entzündungshemmenden Arzneistoffes Ibuprofen unterhalb des üblichen therapeutischen Bereichs sowie von Coffein als typischem Bestandteil coffeinhaltiger Getränke und Chinin belegt. Das festgestellte Chinin lasse sich mit einem vorangegangenen Konsum chininhaltiger Getränke erklären.
901
Hinweise für die Aufnahme weiterer Arzneistoffe oder von Drogen seien nicht zutage getreten, insbesondere keine Hinweise für eine Aufnahme von Cannabisprodukten wie Haschisch und/oder Marihuana, synthetischen Cannabinoiden („Spice“, Kräutermischungen), Designerstimulanzien (sog. „Badesalze“), Designeropioiden, halluzinogen wirkenden Substanzen (z.B. LSD oder Analoga) oder Designerbenzodiazepinen. Gleichfalls habe es keinerlei Hinweise für eine Aufnahme von y-Hydroxybuttersäure („Liquid Ecstasy“ oder KO-Tropfen) gegeben.
902
In der Harnblase sei wenig Urin gewesen, konkret 1 ml. Die Blase könne sich aber neben einer kurz vor Todeseintritt erfolgten bewussten Entleerung auch nach Todeseintritt passiv entleert haben.
903
Bei der Untersuchung des Urins sei acetylierte Glukose (> 180 mg/dL) aufgefunden worden. Dies weise auf das Vorliegen einer Hyperglykämie („Überzucker“) zum Zeitpunkt des Ablebens hin, da Glukose erst bei Überschreiten der sog. „Nierenschwelle“ (ab einer Glukosekonzentration im Blut von ca. 150-180 mg/dL) in relevanter Konzentration im Urin nachzuweisen sei. Dies lasse sich als agonaler Effekt interpretieren, bedingt durch einen Adrenalinausstoß, etwa durch Stress bzw. Angst.
904
Die Untersuchung der Blutprobe (Oberschenkelvenenblut) habe ergeben, dass die Verstorbene erheblich alkoholisiert gewesen sei (2,06 Promille – postmortal komme es nicht zu einem weiteren Abbau, sodass die festgestellte Blutalkoholkonzentration derjenigen zum Zeitpunkt des Todeseintrittes entspreche).
905
Bei der festgestellten Alkoholisierung der Verstorbenen erscheine zwar grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Motorik naheliegend und eine Beeinträchtigung der Bewusstseinslage zumindest vorstellbar. Ob und in welchem Umfang konkret bezogen auf die Person der H. W. allerdings eine Beeinträchtigung vorgelegen habe, sei abhängig von der Alkoholtoleranz der Verstorbenen. Eine relevante, tatsächliche Einschränkung oder gar Aufhebung der Handlungsfähigkeit sei insoweit bezogen auf die Person der H. W. und ihren Zustand in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 unter Berücksichtigung der Videoaufnahmen aus dem „E.“ und der Zeugenaussagen nicht anzunehmen.
18.3.3. Prof. … (Rechtsmedizin München – Obduktion H. W. und Prof. … Biomechaniker)
906
Die Sachverständigen Prof. … – rechtsmedizinische Sachverständige – und Prof. … – biomechanischer und forensisch-traumatomechanischer Sachverständiger – haben Feststellungen betreffend die körperliche Untersuchung des Angeklagten, Feststellungen im Rahmen der Obduktion der H. W. (Befunde und deren Beurteilung), Feststellungen zu Spuren und betreffend die von der Zeugin … berichteten Kratzer beim Angeklagten (von dieser festgestellt am 07.10.2022) getroffen und dargelegt, sowie Ausführungen zu plausiblen Geschehensabläufen und Entstehungsursachen bei Gesamtbewertung der bei H. W. erhobenen Befunde gemacht.
907
Beide Sachverständigen sind dem Gericht seit vielen Jahren als fundierte Gutachter mit großer forensischer Erfahrung bekannt. Ihren medizinischen Ausführungen schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung an.
908
Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. … gab betreffend den Angeklagten S. T. und den Feststellungen bei dessen körperlicher Untersuchung am 09.12.2022 an, dass er 1,67 m groß und 62 Kilo (mit Kleidung) schwer gewesen sei. Es seien kleinere Hautverletzungen frischer Natur – also nicht dem Vorfall vom 03.10.2022 zuordenbar – festgestellt worden.
909
Prof. … wies darauf hin, dass allgemein in einem dynamischen Geschehen ein Missverhältnis von Körpergröße und Körpergewicht bei Opfer und Täter für Verletzungsbilder nicht immer relevant sei.
910
Ausweislich des verlesenen toxikologischen Haargutachtens (s. Ziff. D. II. 17.5.) über die Untersuchung von Haaren auf Drogen und ausgewählte Medikamente mit Wirkung auf das Zentralnervensystem des FTC München vom 24.01.2023 habe der Angeklagte T. im untersuchten Zeitraum (5 bis 6 Monate vor der Haarprobenentnahme am 24.11.2022) keine zentral wirksamen Drogen und Medikamente sowie synthetische Cannabinoide konsumiert.
911
Soweit von der Zeugin … (Ziff. D. II. 14.11.) beschrieben worden sei, sie habe bei S. … am 07.10.2022 am linken Unterarm beugeseitig vom Handgelenk bis zum Ellenbogen mehrere oberflächige Kratzer wahrgenommen, rötliche Linien, ohne dass sie eine Blutkruste gesehen habe, äußerte die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. …, dass im Hinblick auf diese Beschreibung (die aus rechtsmedizinischer Sicht zwar nicht ganz schlüssig sei) mangels Blutverkrustungen die Kratzer als frische Verletzungen einzuordnen seien, etwa 1-2 Tage alt, aber nach dieser Beschreibung nicht auf den 03.10.2022 rückzudatieren.
912
Der Sachverständige Prof. A… referierte sodann die von ihm gewonnenen Erkenntnisse betreffend den vom Angeklagten genutzten Pkw sowie verschiedene Bekleidungsstücke, welche anlässlich der Durchsuchung am 18.11.2022 sichergestellt wurden, im Hinblick auf die Untersuchung nach Blutspuren.
913
Der Pkw Suzuki Swift des Angeklagten sei mittels Luminolverfahren unter Normalbeleuchtung bereits von KHM’in L. auf vorhandene Blutspuren untersucht worden. Es seien latente Blutspuren an unterschiedlichen Fahrzeugbereichen
(Türgriff außen, Türverkleidung innen, Fußbodenbereich vorne und hinten, Sitze vorne wie hinten, Lenkrad, Bedienelemente, Armaturenbrett, Pedale und Fußmatten sowie Sicherheitsgurt am Fahrerplatz, Kofferraum)
gesucht worden. Die Suche sei mit Ausnahme der linken Seitenführung des Beifahrersitzes negativ verlaufen. Auch die dortige Blutvortestuntersuchung sei positiv gewesen (am ehesten durch Kontaktübertragung gesetzte Blutspur an der Sitzfläche des Beifahrersitzes). Der gefertigte Abrieb (Spur Nr. 8.9.2.12) sei molekulargenetisch untersucht worden. Das biologisch verfügbare Material habe aber nicht für die Feststellung eines Spurenverursachers ausgereicht.
914
Weiter sei insbesondere das Asservat 8.4.2., die im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen am 18.11.2022 sichergestellte schwarze Softshelljacke, an der im Rahmen der Spurensicherung durch die KPI Rosenheim, KHM’in … r, mittels Infrarotkamera diverse Antragungen festgestellt und markiert worden seien, näher untersucht worden. Sowohl mittels Luminolverfahren als auch Blutvortestuntersuchung habe sich allerdings kein Hinweis auf eine Blutspur ergeben, d.h. es habe keinerlei Beweis vorgelegen, dass es sich bei den Antragungen um Blut gehandelt habe. Auch die Morphologie sei nicht bluttypisch gewesen.
915
Betreffend weitere, am 18.11.2022 im Zimmer des Angeklagten sichergestellte Bekleidungsstücke (Joggingschuhe, T-Shirt, kurze sowie lange Sporthosen, Stirnlampenband) hätten sich nach den molekulargenetischen Untersuchungen und Analysen ebenfalls keine Blutspuren nachweisen lassen, bzw. am Sportshirt (Spur 8.8.3.) und einer Sporthose (Spur 8.12.7.) nur eine sehr dezente, latente Blutspur uncharakteristischer Morphologie, die am ehesten durch Kontakt entstanden sein könnte, aber keine Feststellung eines Spurenverursachers ermöglicht habe.
18.3.3.2. betr. H. W. (gerichtliche Leichenöffnung, erhobene Befunde)
916
Die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. … legte sodann die Befunde dar, die im Rahmen der gerichtlichen Leichenöffnung am 03.10.2022 ab 23:40 Uhr in den Räumlichkeiten der Rechtsmedizin München erhoben wurden.
917
Bei Durchführung der Obduktion sei ihr nur der Umstand der Auffindung der Leiche im Fluss Prien – ohne dass sie Kenntnis von der im Wasser zurückgelegten Strecke des Leichnams gehabt habe – bekannt gewesen, der Bekleidungszustand (Schuhe und Socken, Stringtanga, BH und NetzTop), der allerdings für die Obduktion keine Rolle gespielt habe, und der Umstand, dass die Getötete zuvor wohl im „E.“ gewesen sei (Auffindung eines entsprechenden Stempels am Unterarm). Ein mutmaßlicher Handlungsablauf sei ihr nicht mitgeteilt worden.
918
Zunächst sei festgestellt worden, dass der weibliche Leichnam 1,86 m und 70 kg schwer gewesen sei. Die Totenstarre sei im Bereich der Ellenbogengelenke und Kniegelenke kräftig und fest ausgeprägt gewesen, im Bereich der Kiefer-, Finger- und Zehengelenke sehr kräftig bis deutlich.
919
Auch sei eine geringe Waschhautbildung an den Händen festzustellen gewesen, an den Füßen sei diese noch deutlich weniger ausgeprägt gewesen. Im Bereich von Nase und Mund habe sich Schaumpilz ausgebildet gehabt.
920
Sodann beschrieb sie die wesentlichen erhobenen Befunde, wobei sie diese ergänzend anhand der anlässlich der Obduktion gefertigten Lichtbilder (Ziff. D. II. 17.2.2.) sowie einer zusätzlichen, allen Verfahrensbeteiligten übergebenen Lichtbildmappe erläuterte.
921
(a) Bei der gerichtlichen Leichenöffnung habe sich als wesentlichster Befund eine massive Blähung beider Lungen mit aufgehobenem Retraktionsvermögen und reichlich feinblasigem Schaum gezeigt.
922
(b) Darüber hinaus hätten sich am Kopf insgesamt 5 auffällig gleichförmige QuetschRissWunden gezeigt (1 in der linken, hinteren Schläfenpartie; 1 im mittleren Anteil der linken, vorderen Schläfenpartie; 1 in der linken hinteren seitlichen Scheitelregion; 1 in der vorderen seitlichen rechten Scheitelregion, 1 in der seitlichen Hinterhauptsregion rechts), kräftig in der Kopfschwarte umblutet. Diese Wunden hätten in direktem Umfeld der Zentralwunde keine Schürfungen aufgewiesen. Das Setzen der Verletzungen sei in einem 90° Winkel erfolgt. Sie seien zwischen 2,5 cm/3,5 cm in der Länge und etwa zwischen 2 cm/2,5 cm in der Breite gewesen.
923
Daraus seien aber keine knöchernen Verletzungen am Schädel oder Verletzungen innerhalb der Schädelhöhle resultiert. Sie seien jedoch durchaus geeignet im Rahmen einer Bewusstseinsstörung den Ertrinkungsvorgang zu begünstigen.
924
Des Weiteren seien (mindestens) 2 Kopfhautrötungen ohne zentrale Wunde (Hämatome), die ebenfalls keine Schürfungen aufwiesen, abzugrenzen gewesen. Deren Durchmesser habe ca. 3 cm betragen.
925
(c) Es seien im gesamten Gesichtsbereich zudem z.T. schürfartige Verletzungen und Einblutungen vorhanden gewesen, v.a. in der Scheitel- und Schläfenpartie, in der Nasenregion (Nasenrücken kräftig rot-violett verfärbt mit Oberhautdefekten und Schwellung) und den Ohrregionen (feinste oberflächliche Hautdefektstellen an linker und rechter Ohrmuschel sowie eine kleine (4 mm) Durchtrennung der Ohrkrempe rechts), aber auch am linken Augenoberlid, darüber hinaus seien die Augenbindehäute rechts dunkelrot-violett getönt gewesen, hätten z.T. glasstecknadelkopfgroße, z.T. mittelgrob-fleckförmige, kräftige Einblutungen gezeigt, auch die Bindehaut links sei blutfarbstoffdurchsetzt gewesen.
926
(d) Am Hals seien streifige Hautrötungen, die in der rechten seitlichen Halsregion eher schrägverlaufend gewesen seien, verbunden mit einer flächenhaften Einblutung, links dagegen eher querverlaufend, zu dokumentieren gewesen. Im Unterhautfettgewebe und in der Muskulatur seien überwiegend rechts betont z.T. kräftige, flächenhafte Einblutungen vorhanden gewesen, links demgegenüber nur seitlich unter einer fleckförmigen Einblutung.
927
Die Befunde hätten zunächst an einen Strangulationsvorgang denken lassen. Daher sei dann noch eine Kehlkopffeinpräparation vorgenommen worden. Diese habe allerdings keine Hinweise auf Knochen-/Knorpelverletzungen ergeben, ebenfalls seien bei der Untersuchung von Zungenbein und Luftröhrenknorpel keine Verletzungen festzustellen gewesen.
928
(e) An der Körperrückseite seien als weiterer Befund massive Ein- und Unterblutungen in der paravertebralen Muskulatur links flächenhaft und sehr kräftig ausgeprägt (quer 8 cm und hoch bis zu 4 cm), sich von der Nackenregion bis weit nach unten in den Bereich des Steißes ziehend, zu erheben gewesen.
929
(f) Weiterhin hätten Einblutungen auch über dem äußeren Anteil des Schulterblattes links sowie massiv am rechten Oberarm bis auf den Knochen, ohne äußere Verletzung, vorgelegen.
930
(g) Es sei zudem eine symmetrische, beidseitige Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen) – dokumentiert auch auf der postmortal gefertigten Computertomografie (vgl. Ziff. D. II. 17.2.4.), deren radiologische Auswertung (Oberarzt Dr. S.) die Befunde bestätigt habe –, rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte, links mit kompletter Fraktur durch das Akromion, zu eruieren gewesen.
931
Scherverletzungen seien in dem Bereich der Schulterdächer nicht zu befunden gewesen.
932
(h) Zu lokalisieren gewesen sei weiter eine Fraktur der rechten Wirbelkörperfacette von HWK 5 mit Eröffnung des Wirbelbogens und mit Beteiligung der Facettengelenke mit extraduraler Einblutung in den Rückenmarkskanal.
933
(i) Im Bereich von Brust und Brustkorb seien zahlreiche oberflächliche Hautdefektstellen zu finden gewesen, zudem Hämatome.
934
(j) Im Genitalbereich seien keine abgrenzbaren Verletzungen festzustellen gewesen.
935
(k) Darüber hinaus seien an den Extremitäten (Armen und Beinen) Einblutungen und Schürfungen vorhanden gewesen. Insbesondere die gesamte Knieregion links sei rötlich-violett getönt gewesen, über der Kniescheibe mit deutlichen Schürfungen und feinsten Oberhautdefektstellen. An den Händen und Fingern von H. W. hätten sich keine typischen Abwehrverletzungen gezeigt, und keine Verletzungen an den Handinnenflächen, wie sie etwa bei einem Festhalten an Gestrüpp o.ä. entstünden.
936
Es sei zudem ein deutlicher aromatischer Geruch der Leibeshöhlen aufgefallen, so dass eine Alkoholbestimmung veranlasst worden sei. Im Magen habe 110 ml eines wässrigen Sekrets mit einzelnen erkennbaren festen Nahrungsbestandteilen festgestellt werden können, in der Blase 1 ml Urin (s.o. Dr. G. R., Ziff. D. II. 18.3.2.).
18.3.3.3. betr. H. W. Beurteilung der erhobenen Befunde
937
Der bei der Obduktion zutage getretene wesentliche Befund einer massiven Blähung beider Lungen mit aufgehobenem Retraktionsvermögen und reichlich feinblasigem Schaum spreche aus rechtsmedizinischer Sicht, so Prof. …, auch im Hinblick auf die Auffindesituation für ein Ertrinken. Dies bestätige auch der histologische Befund. Die feingeweblichen Untersuchungen hätten an der Lunge eine deutliche emphysematöse Überblähung von Abschnitten der Lungenperipherie mit Zeichen, die durchaus vereinbar seien mit einem akuten Ertrinkungsereignis, gezeigt, des Weiteren typische Anzeichen eines akuten Herzkreislaufversagens.
938
Die feingewerblichen Zusatzuntersuchungen der Organe der verstorbenen H. W. hätten keine weiteren pathologischen und/oder todesursächlichen Befunde ergeben.
939
Insgesamt sei von einem Todeseintritt durch Ertrinken von (max.) 4-5 Minuten nach Einbringen in das Gewässer auszugehen. Insbesondere die das Bewusstsein zumindest eintrübenden Kopfverletzungen (s. Ziff. D. II. 18.3.3.2.(b)) müssten zu Lebzeiten der H. W. vor dem Gelangen in den Bärbach entstanden sein.
940
Die Alkoholisierung der Verstorbenen – 2,06 Promille, s. Dr. … r (Ziff. D. II. 18.2.) –, die als hochgradige Alkoholisierung einzuordnen sei, habe trotz der von den Zeugen beschriebenen Alkoholgewöhnung (kein gravierender Rauschzustand, auch nicht auf den Videoaufzeichnungen aus dem Club „E.“ erkennbar) von H. W. – so Prof. … – Einfluss auf das zentrale Nervensystem. Aufgrund der Alkoholgewöhnung und damit einhergehender Kompensationsmechanismen sei davon auszugehen, dass die motorischen und kognitiven Fähigkeiten von H. W. erhalten gewesen seien. Allerdings sei auszuführen, dass die Faktoren Alkohol und kaltes Wasser im Körper (betreffend Nervensystem, Atmung, Muskulatur, Kreislauf) Reaktionen auslösen würden, die den Ertrinkensvorgang zusätzlich beschleunigten. So mache Alkohol grundsätzlich die Gefäße weit, kaltes Wasser verenge sie, was einen rapiden Abfall des Blutdrucks und der Herzleistung nach sich ziehen würde. Eine Synchronisierung von Atmung und Bewegung sei – selbst bei bewusstseinsklaren Alkoholisierten, die in kaltes Wasser fielen – schnell nicht mehr möglich. Allein bereits aus rechtsmedizinischer Sicht (also ohne Berücksichtigung der weiteren, im konkreten Fall relevanten Faktoren wie Wasserstand, Fließgeschwindigkeit etc.) habe H. W., nachdem sie in das Wasser gelangt sei, keine realistische Chance mehr gehabt, herauszukommen. Ebenso sei anzunehmen, dass eine Wehrfähigkeit von H. W. betreffend Szenarien einer möglichen Gewalteinwirkung durch eine fremde Person reduziert gewesen seien.
941
Im Rahmen der Obduktion sei festgestellt worden, dass sich in der Blase wenig Urin (1 ml) befunden habe. Grund dafür könne eine aktive Abgabe zu Lebzeiten sein, aber ebenso ein postmortales passives Abgeben des Urins.
942
Der Mageninhalt habe aus (nur) 110 ml Sekret bestanden, was aus rechtsmedizinischer Sicht dafür spräche – so Prof. … –, dass H. V… bewusstlos oder zumindest bewusstseinsgetrübt war, als sie in den Bärbach gelangt sei. Typischerweise sei bei Ertrunkenen mehr Wasser/Flüssigkeit im Magen vorzufinden.
943
Im Scheidenbereich seien keine Verletzungen festgestellt worden. Die gefertigten Abriebe im Bereich Mundhöhle, Scheide und After hätten keinen Hinweis auf Spermaspuren des Angeklagten ergeben.
944
Des Weiteren wiesen die beiden Sachverständigen Prof. … und Prof. … darauf hin, dass in die Beurteilung der im Rahmen der Obduktion befundeten Verletzungen (insbesondere hinsichtlich ihrer Entstehung) die Erkenntnisse der am 13.10.2022 erfolgten Tatortbegehung eingeflossen seien, v.a. im Hinblick auf die Beschaffenheit der Gewässer (Morphologie der Gewässer, der Sohle und des am 03.10.2022 vorherrschenden Hochwasserstandes, anhand des niedergedrückten Bewuchses noch gut erkennbar), da H. W. ca, 12 km in Bärbach und Prien bis zum Auffindeort in Kaltenbach getrieben sei.
945
Prof. … bezog zudem bzgl. der biomechanischen und forensisch-traumatomechanischen Bewertung der erhobenen Gesamtbefunde die Darlegungen und Ausführungen des hydromechanischen Sachverständigen Prof. … hinsichtlich Fließverhältnissen in Bärbach und Prien, der Hochwassersituation am 03.10.2022, der Sohle der Gewässer, den wasserbaulichen Gegebenheiten in den Gewässern, sowie dem Treibeverhalten des leblosen Körpers von H. W … ein.
946
Die in den Gewässern vorhandenen festen, rauen Strukturen seien grundsätzlich als geeignet angesehen worden, einzelne Verletzungen (sog. Treibeverletzungen), auch postmortal, herbeizuführen, was bei der Ursachenbewertung der im Rahmen der Obduktion erhobenen Verletzungsbefunde Berücksichtigung gefunden habe.
947
Die Erkenntnisse der Tatortbegehung seien deckungsgleich mit den Erkenntnissen der im Rahmen der Hauptverhandlung abgespielten Drohnenaufnahmen vom Bach-/Flussverlauf.
948
Die Fließgeschwindigkeit, die einen Rückschluss auf zeitliche Aspekte zulasse, sei am 13.10. 2022 ebenfalls diskutiert worden, wobei die Polizei von einer mittleren Fließgeschwindigkeit von 10 km/h ausgegangen sei. Im Rahmen der Hauptverhandlung habe er – Prof. … – dann die vom hydromechanischen Sachverständigen Prof. … genauer ermittelten (geringeren) Fließgeschwindigkeiten (im Bärbach – ca. 600 m Treibestrecke – zw. 1,8 m/s bis 2,2 m/s und in der Prien – ca. 10,8 km Treibestrecke – 1,1 m/s) seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Die genaue Dauer der zurückgelegten Strecke eines Körpers in fließendem Gewässer sei aber schwer zu rekonstruieren, beinhalte viele Unsicherheitsfaktoren (etwa wenn der Körper zeitweise irgendwo hängen bleibe). Betreffend die Treibestrecke der H. … von 11/12 km errechne sich unter der anzunehmenden Fließgeschwindigkeit eine Zeit von minimal etwa 1 Stunde 30 Minuten (vgl. Ziff. D. II. 18.2.).
Danach seien von ihnen, Prof. … und Prof./… unter rechtsmedizinischen und biomechanischen Aspekten, sowie – bzgl. Prof. … und seine Begutachtung – auch unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des hydromechanischen Sachverständigen folgende Ursächlichkeiten (Entstehungsursachen) der objektiv erhobenene Befunde und des Gesamtverletzungsbildes als plausibel angesehen worden:
* Die flächigen Verletzungen (Schürfungen und Einblutungen/Hämatome) an der Stirn, den Wangen, am rechten Ohr, an der Nase und am Kinn (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (c)) der Verstorbenen und im Bereich Brust und Brustkorb (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (i)) seien durchaus als typische Treibeverletzungen zu werten.
949
Andere Ursachen (etwa umschriebene Gewalteinwirkungen, wie z.B. auch Schläge) seien natürlich aus rechtsmedizinischer Sicht auch nicht ausgeschlossen und möglich.
950
Es sei nicht mehr einzugrenzen, ob diese Verletzungen zu Lebzeiten oder postmortal entstanden seien. Denn auch nach Eintritt des Todes sei die Ausbildung von Hämatomen zunächst noch möglich. Erst etwa 1 Stunde nach Todeseintritt sei aber die Ausbildung flächiger, massiver Ein- und Unterblutungen nicht mehr zu erwarten.
951
Darüber hinaus seien an den Extremitäten (Armen und Beinen; Ziff. D. II. 18.3.3.2. (k)) Einblutungen und Schürfungen vorhanden, denen kein konkreter Entstehungsmechanismus zugeordnet werden könne.
952
Auch insoweit könne das Treiben ursächlich sein (Ausnahme: massive Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen). Es könne aber ebenso an ein kräftiges Drücken nach unten oder Ziehen an Kleidungsgegenständen gedacht werden.
* Die festgestellte Verletzung der H. W. am Hals (Einblutungen im Kopfwendermuskel, Bruch des HWK 5 im Bogenbereich; Ziff. D. II. 18.3.3.2. (d)) sei nicht eindeutig einem Geschehen zuzuordnen. In Betracht komme Gewalt gegen den rechten Halsbereich. Ein Strangulationsvorgang sei aber eher unwahrscheinlich, da das Kehlkopfskelett unauffällig gewesen sei, keinerlei Verletzung an Zungenbein, Kehlkopf und Luftröhre habe eruiert werden können. Es handele sich aber auch nicht um eine typische Treibeverletzung, auszuschließen sei sie aber biomechanisch gleichfalls nicht, etwa wenn ausreichend Zug auf die Halswirbelsäule einwirke.
953
Die Striemen an der rechten Halsseite des Leichnams könnten aber auf jeden Fall von den Ketten stammen.
* Prof. … wies zudem darauf hin, dass der Bruch HWK 5 schon zu einer Einblutung (Rückenmarkskanal) habe führen könne, aber nicht in der Massivität, wie im Rahmen der Obduktion dokumentiert, von der Nackenpartie beginnend bis fast zum Steiß. Die großflächigen Ein- und Unterblutungen am Rücken des Leichnams (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (e)), der äußerlich in diesem Bereich keinerlei größere Verletzung aufgewiesen habe, seien daneben auch nicht durch das Treiben erklärbar. Erklärbar sei diese Verletzung nur durch ein starkes und massives Drücken, etwa bei einem Draufknien oder Draufdrücken mit einem weicheren Gegenstand im Rahmen eines dynamischen Geschehens, z.B. einem Turnschuh.
954
Gleiches gelte für die massive Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (f)).
* Als eigentümliche und seltene Verletzung sei – sowohl aus biomechanischer als auch aus rechtsmedizinischer Sicht – die symmetrische, beidseitige Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen; Ziff. D. II. 18.3.3.2. (g)) zu qualifizieren. Einseitige Akromionfrakturen hätten die Sachverständigen Prof. … und Prof. … schon gesehen (dokumentiert bei Ski-Unfällen oder vergleichbaren Ereignissen), noch nie aber eine derart symmetrische, beidseitige Fraktur der Schulterknochen.
955
Die Verursachung durch Menschenkraft sei möglich, eine Berechnung des Kraftaufwandes mangels vorhandener Vergleichs-/Referenzdaten und hochgradig individueller Bedingungen jedoch ausgeschlossen.
956
Die Fraktur der beiden Schulterdächer lasse sich mit stumpfer Gewalteinwirkung erklären. In Zusammenschau mit den Obduktionsbefunden, insbesondere den mäßigen Einblutungen im Bereich der Schulterblätter und den kräftigen Einblutungen im Nacken, v.a. aber an der Körperrückseite (v.a. links flächenhaft und sehr kräftig ausgeprägt – eindrucksvoll auf den während der Obduktion gefertigten Lichtbilder zu erkennen (Ziff. D. II. 17.2.2.) – und entlang der gesamten Wirbelsäule (von der Nackenregion bis zum Steiß) sei am ehesten von einer stumpfen Gewalteinwirkung von hinten oben nach vorne (im Hinblick darauf, dass die Fraktur des Akromions rechts eine Richtung in die Körpermitte aufweise) auszugehen, d.h. die Brüche der Schulterdächer benötigten für ihre Entstehung aufgrund der Lokalisation und dem Abknicken nach ventral Kraft von oben hinten nach vorne unten, etwa durch erhebliche Gewalteinwirkung auf Schultergürtel und Nackenpartie, wenn sich das Opfer knieend oder in Bauchlage befunden habe, wobei zu bedenken sei, dass mutmaßlich ein dynamisches Geschehen vorgelegen habe. Die beiden Brüche seien zumindestens in zeitlich engem Zusammenhang gesetzt worden, eine zeitgleiche Entstehung sei wahrscheinlich.
957
Die von den Brüchen gefertigten CT-Aufnahmen (vgl. Ziff. D. II. 17.2.4.) habe er angeschaut, anhand der entsprechenden Lichtbilder – mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen – erläuterte der bio-/traumatomechanische Sachverständige Prof. … nochmals den Frakturverlauf und die Verschiebung des rechten Schulterdaches nach vorne Richtung Körpermitte.
958
Umschriebene Gewalteinwirkungen, unter Umständen auch mit Gegenständen, ließen sich demgegenüber als Ursache ausschließen, da äußerlich keine sichtbaren Verletzungen vorhanden gewesen seien.
959
Das symmetrische Verletzungsbild sei bei Gesamtbewertung nicht typisch für eine Treibeverletzung.
960
Überlegungen, ob die symmetrischen Schulterdachverletzungen durch das Treiben entstanden sein könnten, wurden von Prof. Adamec unter bio-/traumatomechanischem Blickwinkel (ebenso wie von Prof. … unter hydromechanischem Blickwinkel, Ziff. D. II. 18.2.) als nicht plausibel zurückgewiesen.
961
Prof. … betonte insbesondere, dass im Bereich der Schulterdächer Einblutungen erkennbar gewesen seien. Diese seien Zeichen für Vitalität und ließen sich mit einer Verletzungsentstehung – die allenfalls im Bereich des Rechens vor dem Kraftwerkskanal zur Kaltenbacher Mühle und wenn überhaupt unter Berücksichtigung der hydrodynamischen Vorgänge (s.o.) nur betreffend ein Schulterdach denkbar wären – 1 Stunde nach Todeseintritt nicht in Einklang bringen
(H. W. erreichte mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h – 10 km/h den Rechen vor dem Kraftwerkskanal zur Kaltenbacher Mühle frühestens (ohne kurzzeitiges Hängenbleiben des Leichnams etwa an Treibgut und dadurch bedingten Zeitverzug) nach ca. 1 Stunde 30 min).
962
Auch wies der biomechanische Sachverständige Prof. … – der bzgl. der Kopf- und Schulterdachverletzungen unter Berücksichtigung der im Rahmen der Hauptverhandlung zusätzlich erlangten hdyromechanischen Erkenntnisse von Prof. … deren Entstehung während des Treibens für noch unwahrscheinlicher hielt, als vor bzw. ohne die Darlegungen des Hydromechanikers – nochmals darauf hin, dass vor dem Rechen zum Kraftwerkskanal zur Kaltenbacher Mühle und im dortigen Totwasserbereich – wie auch von Prof. … hervorgehoben – eine Fließgeschwindigkeit von weniger als 1 m/s (ca. 0,5 m/s) anzunehmen sei, d.h. die für die Verursachung einer Fraktur eines Schulterdaches erforderliche Energie auch aus biomechanischer Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit schon gar nicht gegeben gewesen sei. Eine Fließgeschwindigkeit von 0,5 m/s entspräche einer Sturzhöhe von 1,3 cm, was Frakturen quasi ausschließe.
963
Ein erster Anstoß (ein gleichzeitiger Anstoß mit beiden Schulterdächern sei aufgrund des festgestellten Abstandes der Rechenstäbe nicht möglich) hätte zudem zusätzlich zu einer drastischen Reduktion der Bewegungsenergie gefügt und damit eine – zweite – Fraktur sicher unmöglich gemacht.
964
Insgesamt seien die biomechanischen Erkenntnisse durch die hdydromechanischen, von Prof. M. überzeugend dargelegten Erkenntnisse, bekräftigt worden.
* Die am Kopf der Verstorbenen festgestellten insgesamt Ziff. D. II. 18.3.3.2. (b)) 5 auffällig gleichförmigen QuetschRissWunden, deuteten sowohl aus biomechanischer als auch aus rechtsmedizinischer Sicht in ihrer Gesamtheit auf eine stumpfe Gewalteinwirkung hin.
965
Grundsätzlich sei eine einzelne QuetschRissWunde als Treibeverletzung zwar denkbar. Jedoch seien dann wegen der beim Treibevorgang in fließenden Gewässern herrschenden Scherkräfte Schürfungen im direkten Wundumfeld der Zentralwunde gegeben. Gleiches gelte für die festgestellten Hämatome ohne Schürfungen im Umfeld.
966
Aufgrund der Größe und Gleichartigkeit der konkret am Leichnam von H. W. festgestellten QuetschRissWunden und ihrer Ausgestalltung ohne Schürfungen im direkten Wundumfeld der Zentralwunde sowie von (mindestens) 2 in Größe und Form ähnliche Kopfhautrötungen (Hämatomen) ohne zentrale Wunde und ohne Schürfungen sei an einen kleinflächigen Gegenstand zu denken, etwa einen Stein. Dieser Gegenstand sei in einem 90° Winkel (betreffend alle 7 Wunden) auf den Kopf getroffen. Dass die Wunden links- und rechtsseitig am Kopf festzustellen gewesen seien, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit einem dynamischen Geschehen geschuldet.
967
Befragt von der Verteidigung danach, in welcher Körperhaltung/-lage/-stellung aus biomechanischer Sicht ggf. Schläge auf den Kopf von H. W. erfolgt seien, legte sich Prof. Adamec nicht fest. Die Wunden seien links und rechts am Kopf festzustellen gewesen (s.o. Ziff. D. II. 18.3.3.2. (b)). Es sei, wie gesagt, von einem dynamischen Geschehen, keiner gleich bleibenden, statischen Situation auszugehen. Der Hand eines möglichen Täters sei es in verschiedenen denkbaren Positionen möglich, diese Verletzungen zu setzen. Ausgeschlossen sei es im Hinblick auf die Länge eines Armes z.B. selbst nicht, dass trotz eines Größenunterschiedes zwischen Opfer und Täter von ca. 20 cm Schläge auf den Kopf des Opfers gesetzt worden sein könnten, als es noch stand.
968
Der hydromechanische Sachverständige Prof. … (s.o.) schloss die Entstehung der Kopfverletzungen ohne Schürfungen bei Gesamtbetrachtung im Zuge des Treibens auch unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten (Abstürze, Kraftwerke) im Hinblick auf die Hochwassersituation und die Wirkweise der für ihre Entstehung maßgeblichen Normalkräfte (90° Winkel) aus (s.o. Ziff. D. II. 18.2.).
969
Der biomechanische Sachverständige Prof. … hielt dies ebenfalls unter traumatomechanischem Blickwinkel und Berücksichtigung der Ausführungen des hydromechanische Sachverständigen Prof. … für ausgeschlossen, insbesondere unter nochmaliger Berücksichtigung, dass diese Verletzungen in einem 90° Winkel zugefügt wurden, es sich bei den Wunden um einen zentralen Stoß (zentrale Wunde) ohne tangentiales Moment handelt, im Wundumfeld keine Schürfungen erkennbar und die 5 Wunden auffällig von weitgehend gleicher Gestalt und Größe sind. Dies gelte auch für die (mindestens) 2 Hämatome ohne Schürfungen.
970
Prof. … legte ergänzend dar, dass er insoweit die Möglichkeit geprüft habe, ob diese Verletzungen beispielsweise durch das erst am 28.05.2023 aufgefundene Handy/iPhone XR (10) der H. W. hätten verursacht werden können, was im Ergebnis zu verneinen sei.
971
Es seien eine Reihe von Schlagversuchen unter Verwendung eines Kopf-Präparates und einer Kraftmessplatte durchgeführt worden, einmal mit der Rückseite des Handys und einmal mit der Kante. Bis zu einer Stoßkraft der Handyrückseite von bis zu 0,5 kN seien weder Schäden am Gerät noch sichtbare Verletzungen der Haut festzustellen gewesen. Bei einer Steigerung der Schlagintensität sei es zum großflächigen und ausgedehnten Bruch des Smartphones gekommen, an der Haut seien jedoch allenfalls ganz oberflächliche, durch Bruchfragmente der Handyschale verursachte Läsionen festzustellen gewesen. Durch Schläge mit der Kante des Handys seien an der Haut Wunden erzeugbar gewesen, diese seien jedoch wesentlich länger als die im Kopfbereich von H. W. festgestellten (zur Größe vgl. Ziff. D. II. 18.3.3.2. (b)) gewesen.
972
Insgesamt sei damit aus biomechanischer Sicht ein Handy als Tatwerkzeug nicht nachvollziehbar geeignet, die bei H. W. festgestellten Kopfverletzungen zu verursachen.
973
Als Tatwerkzeug denkbar und möglich sei etwa ein Stein oder ein kleiner Hammerkopf.
974
Aufgrund der auffälligen Gleichförmigkeit der 5 QuetschRissWunden am Kopf, d.h. dem Umstand, dass sie von weitgehend gleicher Gestalt und Größe seien (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (b)) und in ihrer Umgebung keine Schürfungen o.ä. aufgewiesen hätten, seien sie nicht als Treibeverletzungen zu interpretieren, plausibel sei vielmehr eine Entstehung zu Lebzeiten und vor Eintreten des Körpers ins Wasser anzunehmen.
975
Grundsätzlich betonten die Sachverständigen zusammenfassend, dass beim Treiben eines menschlichen Körpers in einem Gewässer einzelne QuetschRissWunden – wenn auch mit Schürfungen um die zentrale Wunde – entstehen könnten. Entstehen könnten auch Hämatome, dann aber ebenfalls mit Schürfungen.
976
Allerdings sei es aufgrund des konkreten Gesamtverletzungsbildes, der tatsächlich am 03.10. 2022 herrschenden Hochwassersituation und der fehlenden Schürfungen im direkten Umfeld der jeweiligen Zentralwunde in der Gesamtschau bezüglich des bei H. W. dokumentierten Verletzungsbildes eben gerade nicht plausibel, dass diese Verletzungen während des Treibevorganges entstanden sind.
977
Gleiches gilt für die (mindestens) 2 in Größe und Form ähnlichen Kopfhautrötungen (Hämatome) ohne zentrale Wunde und ohne Schürfungen.
978
Erst recht ist nicht plausibel und durch die Sachverständigen – Prof. … und Prof. … – ausgeschlossen worden, dass hinsichtlich des am Leichnam von H. W. festgestellten Verletzungsbildes – wie von der Verteidigung behauptet – Hinweise auf eine sonstige Gewalteinwirkung fehlen und dieses nur durch den Treibevorgang zu erklären ist.
979
Insoweit betonten sie nochmals, dass aufgrund der am 03.10.2022 herrschenden Hochwassersituation die Verletzungsgefahr bereits deutlich herabgesetzt gewesen sei. Der Körper bewege sich auch nicht unmittelbar an der Sohle (wo er eher mit Steinen u.ä. kollidieren könnte), sondern – wenn auch nicht an der Wasseroberfläche – gleite/schwebe eher durch die mittlere Wasserschicht. Zudem sei eine Entstehung der objektiv am Leichnam von H. V… festgestellten 5 QuetschRissWunden sowie der (mindestens) 2 Kopfhautrötungen (Hämatome) ohne zentrale Wunde und ohne Schürfungen durch den Mechanismus von Normalkräften bedingt (und nicht durch die im Gewässer herrschenden Scherkräfte).
980
Die Entstehung der symmetrischen, beidseitigen Fraktur der Schulterdachknochen, rechts mit Stück Fraktur und Fraktur Richtung Körpermitte (ohne relevante äußere Verletzungen bzw. Scherverletzungen, sei ebenfalls im Rahmen des Treibervorgangs nicht plausibel.
* Schließlich hat Prof. … ausgeführt, dass mehrfache Schläge mit einem Stein oder einem vergleichbaren stumpfen Gegenstand auf den Kopf eines Menschen objektiv als abstrakt lebensgefährlich zu qualifizieren seien.
981
Die der H. W. durch die Schläge auf den Kopf zugefügten Verletzungen seien aber nicht konkret lebensgefährlich gewesen, auch nicht – wie von Prof. … dargelegt – todesursächlich.
18.3.4. Dr. … (Todeszeitpunkt)
982
Zur Frage einer Eingrenzung des Todeszeitpunkts von H. W. sind durch den Sachverständigen Dr. … unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen
betreffend letztes gesichertes Sehen in lebendem Zustand am 03.10.2022 um 02:28 Uhr sowie dem Auffinden des Leichnams am selben Tage um 14:26 Uhr im Fluss Prien mit anschließender Bergung um 16:06 Uhr, denjenigen aus der polizeilichen Leichenschau und der Obduktion (insb. Ausprägungsgrad der Leichenstarre), der Wasserpegelstände sowie Wetterdaten (einschließlich Wassertemperatur – 10,3° – und Außentemperatur – 14° –) am 03.10.2022 und des Bekleidungszustandes der H. W. sowie der um 16:40 Uhr gemessenen Rektaltemperatur (13°)
folgende Feststellungen getroffen worden:
983
Zunächst verwies der Sachverständige darauf, dass sämtliche Methoden zur Rückrechnung der Todeszeit Unsicherheiten unterliegen würden. Die größten Fehlerbreiten seien aufgrund individueller Einflussgrößen sowie Abhängigkeiten von den Umgebungsbedingungen für nichttemperaturgestützte Verfahren zu erwarten. Die validesten Ergebnisse seien zu erwarten, wenn man sämtliche Methoden kombiniere. Lägen die Todeszeitschätzwerte sämtlicher Methoden in einer gewissen Zeitspanne, so sei dies ein starker Hinweis dafür, dass der Tod auch in zeitlicher Nähe zu dieser Zeitspanne eingetreten sei.
984
Für die Rückrechnung der Todeszeit seien folgende Methoden zur Verfügung gestanden:
- Rückrechnung nach Marshall und Hoare und Henßge (HE);
- Vergleich mit in einer Datenbank des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Jena gespeicherten Messergebnissen, die an realen Fällen unter kontrollierten Bedingungen gewonnen wurden (DB): Diese Methode habe letztendlich im konkret vorliegenden Fall aber nicht zur Anwendung kommen können, da die Datenbank keine Fälle mit Abkühlung einer Leiche im fließenden Gewässer enthalte;
- Computersimulation mit einem Finite-Element-Modell (FE).
985
Neben den temperaturgestützten Verfahren zur Todeszeitschätzung kämen auch nichttemperaturgestützte Verfahren zur Anwendung. Hierbei würden die Ausprägungen der Leichenerscheinungen (etwa der Leichenstarre) sowie supravitale Reaktionen beurteilt.
986
Es sei eine konstante Wassertemperatur von 10,3° (gemessen am 03.10.2022, nachmittags) zugrunde gelegt worden. Die Leiche der H. sei im fließenden Gewässer des Flusses Prien aufgefunden worden, habe sich an einem Ast verfangen und nahezu komplett unter Wasser befunden. Die Fließgeschwindigkeit sei mit 10 km/h zugrunde gelegt worden, die am 03.10.2022 um 16:40 Uhr gemessene Rektaltemperatur habe 13° betragen (bei Messung habe H. bereits ca. 35 min nicht mehr im Wasser gelegen). Bei Auffindung sei H. nur leicht (mit Schuhen und Socken, Stringtanga, BH und NetzTop) bekleidet gewesen (je weniger Bekleidung ein Leichnam habe, desto schneller kühle er zwar grundsätzlich ab; im Wasser habe dieser Umstand aber keinen so ausgeprägten Einfluss), die übrigen Kleidungsstücke seien später in der Prien gefunden worden. Anhand des Obduktionsberichts sei davon auszugehen, dass H. multiple Folgen hauptsächlich stumpfer Gewalteinwirkung aufgewiesen habe, Todesursache sei Ertrinken gewesen.
987
Die Todeszeitschätzwerte lägen sowohl für das Henßge-Modell als auch für das FE-Modell vor dem Zeitpunkt, als H. W. zuletzt lebend gesehen worden sei, nämlich am 02.10.2022 um 17:52 Uhr (für angenommenes ruhendes Wasser) bzw. um 23:16 Uhr (für angenommenes fließendes Wasser). Dies spräche für einen Todeszeitpunkt in zeitlicher Nähe zu dem Zeitpunkt, als H. W. zuletzt lebend gesehen wurde. Ein Todeszeitpunkt deutlich bzw. mehrere Stunden nach 02:28 Uhr am 03.10.2022 erscheine daher als unmöglich.
988
Bei Anwendung der nichttemperaturgestützten Verfahren (Bewertung der Ausprägung von Leichenstarre und -flecken sowie dem Grad der Waschhautbildung) sei berücksichtigt worden, dass in der ersten Leichenschau am 03.10.2022 die Leichenstarre als in sämtlichen Gelenken stark ausgeprägt beschrieben worden sei, die Leichenflecken als hellrot (zurückzuführen auf die niedrige Wassertemperatur). Die Todesstarre bilde sich ca. 3 +/- 2 Stunden nach Todeseintritt aus, die vollständige Ausprägung sei ca. 8 Stunden postmortem zu erwarten, eine Lösung nach ca. 2-4 Tagen.
989
Insgesamt ließen sich – so der Sachverständige – vorliegend die Beschreibungen bezüglich der Ausprägung von Totenstarre und Leichenflecken mit einer Liegezeit von ca. 8 Stunden und mehr plausibel vereinbaren.
990
Weiter sei anhand der Ausprägung der sog. Waschhautbildung ein Rückschluss auf die Liegezeit im Wasser möglich. Betreffend H. sei eine solche an den Händen beschrieben worden (weniger an den Füßen). Die Ausprägung einer Waschhautbildung sei stark abhängig von der Wassertemperatur. Die am Leichnam von H. W. beschriebene Waschhautbildung an den Händen sei problemlos mit einer Liegezeit von ca. 8 Stunden und mehr vereinbar, diejenige an den Füßen (weniger ausgeprägt) spräche auch nicht dagegen.
991
Aufgrund der Unsicherheiten sei eine genauere Eingrenzung der Todeszeit nicht möglich, ein Todeszeitpunkt deutlich bzw. mehrere Stunden nach 02:28 Uhr am 03.10.2022 erscheine aber insgesamt bei kritischer Gesamtbewertung als nicht möglich.
992
Im Übrigen wurde der Sachverständige Dr. M… auch dazu befragt, ob und wie er sich erklären könne, dass insbesondere die von H. W. getragene Lederjacke und Hose separat im Fluss Prien aufgefunden worden seien und, ob ein Ausziehen während des Treibevorgangs möglich und plausibel sei. Der Sachverständige gab an, dass er diese Frage nicht klären könne, es sei nicht sein Fachgebiet. Er könne insoweit nur spekulieren.
993
18.4. Psychiatrische und Psychologische Beurteilung des Angeklagten, Festellungen zu Einsichts- und Steuerungsfähigkeit
18.4.1. … – Testpsychologin
994
Die Sachverständige … hat den Angeklagten T. testpsychologisch untersucht und begutachtet.
995
Danach erreiche S. T. in der Begabungsdiagnostik bei allen valide auswertbaren Testverfahren ein Resultat, das in den Leistungsbereichen Denkgeschwindigkeit und Gedächtnisleistung mit 80 IQ-Punkten im unterdurchschnittlichen Bereich gelegen, in einem Verfahren zur Bewertung der Fähigkeiten zum logischen Schlussfolgern indessen einen Wert von 91 IQ-Punkten und damit im unteren Durchschnittsbereich erzielt habe. Bei einem insgesamt heterogenen Profil habe die verbale Intelligenz mit 83 IQ-Punkten im knapp unterdurchschnittlichen Bereich gelegen, desgleichen die Konzentrationsleistungen, bei allerdings sehr guter Aufmerksamkeit und Kontinuität.
996
Für das anamnestisch diagnostizierte ADHS seien aktuell testpsychologisch keine Anhaltspunkte mehr zu finden gewesen. Das visuelle Gedächtnis sei bei S. T. sehr gut ausgeprägt gewesen. Hinweise für eine hirnorganische Leistungsbeeinträchtigung bzw. eine Intelligenzminderung seien nicht zu eruieren gewesen.
997
Die Diagnostik des Persönlichkeitsbereiches habe ein hohes Maß an Kontrolle hinsichtlich Ärgergefühlen erbracht, keine paranoiden Symptome, i.E. niederschwellige Empfindlichkeit gegenüber gemutmaßter Zurücksetzung, hohe Misstrauensbereitschaft, nachtragende Affekthaltung, hohen Selbstbezug, insbesondere in der Wahrnehmung vermeintlich feindseliger Reaktionen der Umwelt, eine grundsätzlich hohe Normenorientierung, emotionale Labilität, leichte Erregbarkeit, geringe Frustrationstoleranz sowie geringe Antriebsspannung. Weiterhin hätten sich eine hohe Leistungsorientierung, im sozialen Umgang Gehemmtheit, Kontaktscheu, ein geringes Selbstvertrauen, Selbstwertprobleme, geringe Aggressivität, Geduld, soziale Verantwortlichkeit, Hilfsbereitschaft und ein eher introvertiertes Verhalten gezeigt. Hinweise auf eine Empathiestörung im Sinne einer Psychopathie seien demgegenüber nicht festzustellen gewesen.
998
Die Diagnostik hinsichtlich sexueller Auffälligkeiten habe keine relevant abweichenden Resultate erbracht. Ebenso hätten sich keinerlei Hinweise für eine Suchtproblematik ergeben.
999
Insgesamt betonte die Sachverständige … dass sich im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung von S. T. weder Hinweise für ein Simulieren noch Hinweise für ein Dissimulieren ergeben hätten.
1000
Es habe sich das Bild eines noch durchschnittlich begabten jungen Mannes ohne wesentliche kognitiven Defizite mit Auffälligkeiten in der Persönlichkeit in Richtung einer Selbstwertproblematik (im Sinne von Gehemmtheit und Selbstunsicherheit) ergeben, zudem eine ausgeprägte Aggressionshemmung. Hinweise auf eine psychische Störung seien nicht zu eruieren gewesen.
1001
Betreffend den Angeklagten und den relevanten Tatzeitpunkt bzw. den Tatzeitraum ist nicht davon auszugehen, dass eine erheblich verminderte, geschweige denn aufgehobene Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB vorgelegen hat.
1002
Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht unter Berücksichtigung der Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. … der dem Gericht seit vielen Jahren als fundierter Gutachter mit großer forensischer Erfahrung bekannt ist.
1003
Die Kammer hat keinen Zweifel an seiner Sachkunde und schließt sich seinen überzeugenden Ausführungen nach eigener Überprüfung und auch aufgrund des eigenen Eindrucks vom Angeklagten hinsichtlich der medizinischen Bewertung an.
1004
Der psychiatrische Sachverständige Dr. … hat den Angeklagten 5 × in der JVA Traunstein aufgesucht und exploriert (13.12.2022, 20.01.2023, 16.02.2023, 10. und 17.03.2023), zudem die Krankenakte der JVA Traunstein eingesehen, ebenso die Krankenakten aus den Jahren 2011 und 2012 betreffend ambulante und teilstationäre Aufenthalte des Angeklagten im Kbo-Heckscher Klinikum (Abteilung Rosenheim) und an der Hauptverhandlung teilgenommen.
1005
Unter Berücksichtigung der erlangten Erkenntnisse legte der Sachverständige Dr. … zunächst dar, dass sich aus den ärztlichen Unterlagen des Kbo-Heckscher Klinikums Hinweise auf multiple Entwicklungsauffälligkeiten in verschiedenen Entwicklungsbereichen ergeben hätten, aus der Krankenakte der JVA Traunstein demgegenüber keine Hinweise für relevante Pathologika.
1006
Es sei unter Berücksichtigung der anamnestischen Befunde von Auffälligkeiten beim Angeklagten T. in der lebens- und psychosozialen Entwicklungsgeschichte auszugehen.
1007
Die dokumentierten, sich schon sehr früh zeigenden Entwicklungsauffälligkeiten hätten den gesamten Entwicklungsverlauf von S. T. begleitet.
1008
S. T. habe bereits früh Auffälligkeiten in allen wesentlichen Entwicklungsbausteinen, also Motorik, Sprache, Sauberkeitsentwicklung und psychosoziale Entwicklung gezeigt.
1009
Motorisch sei eine Spitzfußstellung festzustellen gewesen, was ein häufiges Symptom bei einer zunächst nicht anderweitig auffälligen Sauerstoffunterversorgung des Kindes um den Geburtszeitpunkt sein könne. Auch seien Auffälligkeiten im grobmotorischen Bereich verzeichnet, was oft mit Schwierigkeiten im Erlernen und in der Geschicklichkeit komplexerer motorischer Vorgänge wie Laufen, Klettern und Hüpfen einhergehe; später seien auch oft komplexerer Handlungen wie Anziehen, Schuhebinden und Schreiben betroffen.
1010
Daneben sei bei dem Angeklagten die Sprachentwicklung verzögert in Gang gekommen. Im 11. Lebensjahr sei eine Entwicklungsstörung des Sprachausdruckes und des Sprachverständnisses diagnostiziert worden mit Defiziten von Wortschatz, Satzbildung, altersgemäßer sprachlicher Schilderung von Ereignissen, grammatikalischen Schwierigkeiten, Störungen der Aussprache und des Redeflusses.
1011
Weiterer somatischer Belastungsfaktor aus der Vorgeschichte seien die häufigen Mittelohrentzündungen mit Einschränkungen des Hörvermögens bis zur Sanierung und Sicherung des Hörvermögens durch Einsetzen sog. Paukenröhrchen (2005/2008 – und damit in einem sensiblen Fenster der Sprachentwicklung) gewesen.
1012
Desgleichen habe eine erhebliche Verzögerung in der Sauberkeitsentwicklung bestanden (noch im 11. Lebensjahr war T. nachts nicht trocken, Einkoten insistierte erst gegen Ende des 1. Lebensjahrzehntes; der Zeuge … – eingeführt im Selbstleseverfahren, Ziff. D. II. 6.14. – berichtete, dass S. T. noch während der Haft sein großes Geschäft in die Dusche verrichtete).
1013
Die psychosoziale Integration in den jeweiligen Gleichaltrigenkreis sei von Beginn an und bereits im Kindergartenalter schwierig gewesen. S. T. labe nur schwer mit Gleichaltrigen mithalten können, sei in Spielsituationen motorisch und sozial überfordert gewesen. Seitens der Eltern seien durch Kontakt zu den entsprechenden Vorsorgeinstitutionen Maßnahmen wie Betreuung in einer Frühförderschule und Besuch einer schulvorbereitenden Einrichtung ergriffen worden.
1014
Diese Entwicklungsproblematik sei erstmals medizinisch im Sommer 2007 im sozialpädiatrischen Zentrum Vogthareuth diagnostiziert worden. Dort sei auch ein ADHS beschrieben worden. Ein ADHS im klassischen Sinne werde dann diagnostiziert, wenn sich Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen mit einer erhöhten Ablenkbarkeit, impulsiven Verhaltensweisen und körperlicher Unruhe deutlich stärker ausgeprägt zeigen würden, als bei Kindern gleichen Alters und gleichen Entwicklungsstandes. Solche Kinder würden dann beispielsweise oft Spiele plötzlich abbrechen, gingen Beschäftigungen aus dem Weg, die vermehrte Anstrengungen erfordern und von Erziehungspersonen vorgegeben würden, verlören schnell das Interesse an einem Spiel, handelten spontan nach plötzlichen Einfällen ohne die Folgen zu kalkulieren, redeten hinein, neigten zu emotionalen Ausbrüchen, seien ruhelos, könnten schlecht stillsitzen. All dies mache die Integration in die Umgebung von Alterskameraden weiter problematisch.
1015
Befunde, die aber weiterhin (zur Tatzeit/aktuell) die Stellung dieser Diagnose rechtfertigen würden, seien weder klinisch noch testpsychologisch zu erheben gewesen.
1016
Bei der Einschulung des Angeklagten T. sei diesen Entwicklungsauffälligkeiten dahingehend Rechnung getragen worden, dass sie in eine sog. Diagnose- und Förderklasse (der Stoff der 1. Klasse werde auf 2 Jahre erstreckt) erfolgt sei. Im Verlauf der Grundschuljahre sei es zu einer Fortsetzung der Entwicklungsschwierigkeiten gekommen: S. T. habe sich sowohl was die psychosoziale Orientierung im Gleichaltrigenkreis, die Akzeptanz der Schulregeln als auch das Lerntempo betraf, schwergetan. Zur Förderung der sozialen Kompetenz sei er dann ab der 2. Klasse, die er im Alter von 9 Jahren besucht habe, zusätzlich in einem Hort betreut worden. Trotz dieser zusätzlichen Betreuung sei die emotionale Situation im 11. Lebensjahr soweit eskaliert, dass er insgesamt 5 Monate lang stationär kinderpsychiatrisch behandelt worden sei (in der Heckscher Klinik). Es sei eine pharmakologische Einstellung von S. vorgenommen worden. Neben der diagnostizierten Hörbeeinträchtigung sei überdies eine komplexe Sprachentwicklungsstörung sowohl auf rezeptiver (Sprachverständnis) als auch auf expressiver (Sprachausdruck) Ebene beschrieben worden. Der Angeklagte habe darüber hinaus eine verhaltenstherapeutische Betreuung erhalten (einschließlich Elternarbeit und heilpädagogischer Behandlung). Die multimodale Therapie habe zu einer Verbesserung der bei S. bestehenden Problemkreise geführt (Verbesserung von altersnahen Konfliktlösungsstrategien in Auseinandersetzungen mit anderen, Stärkung des Selbstgefühls, Fortschritt in der Verfügbarkeit komplexerer motorischer Abläufe und der Sauberkeitsentwicklung). Die Schullaufbahn von S. sei dann in der Franz von S. Schule, einer privaten Grund- und Mittelschule mit Förderschwerpunkten in Schloss Niedernfels in Marquartstein, fortgesetzt worden, wo er 2019 den qualifizierenden Hauptschulabschluss mit einem durchschnittlichen Resultat (2,8) erreicht habe.
1017
So positiv die Entwicklung auf der Leistungsebene zu bewerten sei, so hätten sich doch problematische soziale Erfahrungen in den höheren Schulklassen der Mittelschule fortgesetzt, etwa vor dem Hintergrund seiner geringen Körpergröße und verzögerten körperlichen Entwicklung. S. T. labe sich Schikanen, immer wieder Mobbing und Ausgrenzungserfahrungen (Opfererfahrungen) gegenüber gesehen, denen er sich nicht adäquat habe erwehren können bzw. als Reaktion darauf habe er provokantes Verhalten gezeigt.
1018
S. T. sei es nicht möglich, sich bei der Familie und/oder Lehrkräften Hilfe zu holen. Bei Ärger und Konflikten habe er ein hohes Maß an Kontrolle. Das verursache aber inneren Druck, weil er eben alles mit sich selbst ausmache.
1019
Betreffend die familiären Verhältnisse sei festzustellen gewesen, dass der Angeklagte in geordneten Verhältnissen aufgewachsen sei. Die Mutter sei in einem sozialen Beruf tätig, der Vater als Gymnasiallehrer. Außergewöhnliche Erziehungs- bzw. disziplinarische Schwierigkeiten seien – so der forensisch-psychiatrische Sachverständige … – nicht konkret zu eruieren gewesen, wenn sich auch im Rahmen der Hauptverhandlung durchaus Anhaltspunkte für gewisse Problematiken ergeben hätten, etwa durch die Aussage der Zeugin … (Alkoholproblem des Vaters; S. zu Hause immer wieder aggressiv) oder des Zeugen … (S. im Sozialverhalten auffällig) oder auch betreffend den „Zustand“ der Wohnung und insbesondere des Zimmers von S. im Hause T. Welcher als verwahrlost (Zeugen KHK … und KK’in … sowie gefertigte Lichtbilder) einzuordnen sei.
1020
Trotz der adäquaten schulischen Förderung, die S. T. zu einem qualifizierenden Hauptschulabschluss geführt habe, sei der Übergang in die Ausbildung schwierig verlaufen. Das ursprünglich angestrebte Ausbildungsziel als Automechatroniker sei gescheitert, da er keinen Ausbildungsplatz bekommen habe. Über Vermittlung von Verwandten habe er dann einen Ausbildungsplatz in einer Firma für Anlagenmechanik erhalten, wo er bereits in der 9. Klasse ein Praktikum gemacht habe. In der Ausbildung habe sich T. ann zwar fleißig, aber wenig belastbar, auch nervös und überfordert gezeigt; v.a. sei es so gewesen, dass ihm die notwendigen berufsschulischen schriftlichen Arbeiten (Berichtsheft) Schwierigkeiten bereitet hätten, weshalb er das 1. Lehrjahr bereits habe wiederholen müssen. T. habe sich aber nicht nur in konkreten Arbeitssituationen, sondern auch bei anderen Anforderungen – wie bereits dargelegt – schlecht Hilfe holen können, offensichtlich auch nicht von den Eltern, sondern Überforderung und Enttäuschung stets mit sich selbst ausgemacht. Die Beschreibungen aus der Arbeitsumgebung, so … würden nahelegen, dass T. Schwierigkeiten habe, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, sich schnell auf neue, unvertraute Situationen einzustellen, woraus nach fremdanamnestischen Informationen unter Druck Sprunghaftigkeit, Irritation und auch offensichtlich unüberlegtes Handeln resultiert habe. Transferleistungen, d.h. Erfahrungen von einem Gebiet auf ein anderes, ähnliches, aber nicht identisches zu übertragen, falle dem Angeklagten schwer.
1021
Im Hinblick auf die Bewertung der sozialen Beziehungen falle aus forensisch-psychiatrischer Sicht zum einen auf, dass der Angeklagte bei sich selbst einen Hang zum Einzelgängerischen angegeben habe. Andererseits bestehe bei ihm durchweg aber auch eine Kontaktsehnsucht, ein Kontaktinteresse und eine Kontaktbereitschaft (was auch die Zeugen, etwa … und A… so schilderten). Insoweit sei auch eine Entwicklung dahingehend festzustellen (z.B. gegenüber seiner, vom Zeugen … geschilderten Zeit bei der Bergwacht), dass es S. T. der Zeit vor der Inhaftierung besser und adäquater geschafft habe, sich in den Kreis Gleichaltriger einzufügen. Auch während der Untersuchungshaft in der JVA Traunstein habe S. nach Angaben der Mithäftlinge eine Entwicklung gemacht
(z.B. … der beschrieb, dass er den Eindruck gehabt habe, dass S. die U-Haft eigentlich gut getan habe, er sich zunehmend geöffnet und seinen Platz in der Gemeinschaft gefunden, auch eine gewisse Selbstsicherheit erlangt habe, etwa beim Schachspielen oder der Arbeit, die er zunehmend besser erledigt habe, was ihn mit Freude und Stolz erfüllt habe).
1022
Die Entwicklungsauffälligkeiten im interaktionellen Bereich hätten sich auch in der psychosexuellen Entwicklung gezeigt. S. T. er einen Faible für Krankenschwestern habe, habe, (so seine Angaben zur Sexualanamnese) bisher keine Beziehung zu einem in etwa gleichaltrigen Mädchen bzw. einer jungen Frau gehabt. Auch wenn die Varianz gerade in der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahrsjahrzehnts in diesem Entwicklungsbereich sehr groß sei, sei betreffend die Person des Angeklagten festzustellen, dass er einerseits sozial ungeschickt, gehemmt und unrealistisch sei, andererseits aber auch deutlich distanzunsicher bis sozial inadäquat bzw. sich schwer tue, soziale Signale adäquat einzuschätzen. Jedenfalls sei nach der Anamnese festzustellen, dass alle Kontaktanbahnungsversuche frustrierend geendet hätten. Im Rahmen der Zeugeneinvernahmen sei deutlich geworden
(etwa durch die Angaben der Zeuginnen … und … oder …),
dass S. T. Kontakte gewünscht und mit Zurückweisungen schwer habe umgehen können. Die niederschwelligen Signale etwa der …, dass sie Körperlichkeit nicht wünsche, habe er eigenständig – so… und … – nicht wahrgenommen, sich aber auf Zurückweisung zurückgezogen.
1023
Weiter gab der Sachverständige … Insoweit an, dass es für ihn aufgrund der Gesamtpersönlichkeit von S. T., wie sie sich ihm nach den Explorationen dargestellt habe, schon sehr überraschend gewesen sei (wenn auch in der Altersgruppe des Angeklagten 30-95 % der Jugendlichen Pornos konsumieren würden), in welchem Umfang S. T. sich mit Sex-/Gewaltvideos – 97 % der aufgerufenen Webseiten – beschäftigt habe und was für ein pornographisches Video mit massiven Gewaltinhalten („Cute russian blonde strangeld and fucked“) sich der Angeklagte, der auch selbst angegeben habe, von Sexvideos mit Gewaltinhalten fasziniert zu sein (vgl. …), wohl angeschaut habe, wenn auch das zeitliche Ausmaß derartigen Konsums nicht abschließend habe geklärt werden können.
1024
Schwere abnorme Sexualfantasieen seien bei S. T. jedoch nicht zu diagnostizieren gewesen. Welche Auswirkungen ggf. der Konsum von Pornos mit Gewaltinhalten auf S. T. r gehabt haben könnte, müsse offen bleiben, da S. T.sich diesbezüglich nicht geäußert habe.
1025
Insoweit gäbe es abstrakt gesehen unterschiedliche Befunde, d.h. zum einen werde in der entsprechenden Literatur davon ausgegangen, dass eine Korrelation zwischen dem Konsum von Sex-Gewaltvideos und aggressiver Sexualität bestünde, zum anderen davon, dass der Konsum von Sex-/Gewaltvideos eine sublimatorische Funktion habe.
1026
Das Persönlichkeitsbild – so Dr. … sei also einerseits durch eine langjährige Außenseiterstellung gekennzeichnet, Ausgrenzungserfahrungen/Hänseleien. In der Arbeitsumgebung sei T. bei zumutbaren Anforderungen schnell überfordert, dann nervös, unsicher, aber auch unkritisch bei Konfrontation reagierend (vgl. …), verleugnend, ausweichend gewesen. Kognitiv sei er schnell überfordert, bei einfachen, überschaubaren Arbeiten aber auch zuverlässig, von großem Durchhaltevermögen und insbesondere bei motorischen Betätigungen von großer Ausdauer. Ein Austausch, ein situationsadäquates Sich-Hilfe-Holen habe – wenn überhaupt – allenfalls zu den etwa gleichaltrigen Freunden … und … in dann durchaus altersüblichen Themen (z.B. Strategien gegenüber Mädchen, Einschätzung von deren Reaktionen) stattgefunden. Auffälligkeiten in der Einschätzung eigenen Tuns, eigener Arbeitsleistungen, eigenen Verhaltens in Form eines reduzierten bis fehlenden kritischen und selbstkritischen Urteilsvermögens, ausweichende, vermeidende, verleugnende Strategien ohne Antizipation etwaiger Konzeptgrenzen (z.B. Mängel in der betrieblichen Berichtsheftführung – körperlicher Kontakt zu … die dies nicht wollte) seien aufgefallen.
1027
Zu weiteren anamnestischen Bereichen wie Konsum psychotroper Substanzen sei festzustellen gewesen, dass S. lediglich Alkohol im durchaus altersüblichen gesellschaftlichen Rahmen konsumiert habe, erst ab Oktober 2022 in größerem Umfang. Drogenerfahrungen habe S. negiert, auch habe er angegeben, er rauche nicht und habe auch noch nie geraucht. Auffälligkeiten im Hinblick auf die Frage tatzeitrelevanter Einschränkungen der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit hätten sich damit bezüglich eines möglichen Konsums psychotroper Substanzen nicht ergeben.
1028
Gleiches gelte für die Vorgeschichte bezüglich relevanter körperlicher Erkrankungen (Autounfall Ende 2021 hatte kein Schädel-Hirn-Trauma zur Folge).
1029
Weiter führte der forensisch-psychiatrische Sachverständige … aus, dass sich im Untersuchungszeitraum bei S. T. keine gravierenden psychopathologischen Auffälligkeiten wie Störungen von Bewusstsein, Orientierung, Denkstörungen in Form von Wahnbildungen, Sinnestäuschungen, schwere krankhafte Störungen des Ich-Erlebens oder hochgradige pathologische psychomotorische Auffälligkeiten ergeben hätten.
1030
Erkennbar sei geworden, dass S. T. nach wie vor nicht damit zurechtkomme und umzugehen wisse, dass er eine kleine Körpergröße habe.
1031
Unerwartet und überraschend sei jedoch der impulsive Schlag von S. … gegen die Zellenwand (Folge: Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand) Ende Januar 2023 nach einem stattgehabten Begutachtungstermin gewesen. S. T. habe ihm gegenüber erwähnt, dass er zuvor an eine gewisse „Janina“ gedacht habe und, wenn er über Mädels nachdenke, über sich selbst zornig werde.
1032
Betreffend die Bewältigung allgemein seelisch belastender Ereignisse habe T. beschrieben, in solchen kritischen Situationen einsame Bergwanderungen zu machen oder zu laufen. Ebenfalls aus den Beschreibungen aus der Arbeitsumgebung, aber auch aus dem Umfeld der sozialen Beziehungen des Angeklagten werde erkennbar, dass er in der Lage sei, Einzeleindrücke zu sammeln, aber Probleme habe, diese in einem resümierenden Gesamteindruck zu integrieren und sich auf dieser Basis ein kritisches Urteil über Situationen und Personen sowie deren Verhalten zu bilden. Dies führe mitunter zu einer verminderten Fähigkeit zur Antizipation, d.h. Resultate eigenen Handelns vorauszusehen.
1033
Ein weiterer wichtiger Entwicklungsaspekt sei die sog. Mentalisierung, d.h. der Vollzug eines sozialen Perspektivenwechsels. Dr. … betonte, dass sich der Angeklagte im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung völlig angepasst und situationsadäquat verhalten habe. Aus seinen eigenen Schilderungen und seiner Selbstwahrnehmung, aber auch aus den Angaben der Zeugen seien aber Distanzunsicherheiten im interpersonellen Kontakt deutlich geworden, die auf ein Mentalisierungsdefizit hinwiesen. Aus forensisch-psychiatrischer Sichtweise seien diese Defizite als Aspekte der Distanzunsicherheit, Ungeschicklichkeit und Ungeübtheit im Rahmen von Kontaktanbahnungsaktivitäten aber noch jenseitig eines massiv übergriffigen Handelns.
1034
Als weiteres Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten T. beschreibt der Sachverständige Dr. … dessen Umgang mit Enttäuschungen und Frustrationen. T. nabe auf Ablehnungen insbesondere durch Mädchen und junge Frauen verärgert, auch impulsiv reagiert. Demgegenüber sei aus dem Ausbildungsumfeld eher der Eindruck vermittelt worden, … fresse alles hin sich hinein, ziehe sich zurück und gehe weg.
1035
T. selbst habe sich in der Untersuchungssituation, gleichwohl er das Verspüren von Ärger, auch Wut in derlei Versagenssituationen durchaus konzedierte, insgesamt eher indifferent fatalistisch gegeben. Dass der Angeklagte T. in seinem Vermögen, ich-dystone Impulse zu kontrollieren, problematische Emotionen zu regulieren und sein Verhalten zu steuern, auch Grenzen habe, habe sich nicht zuletzt in dem Faustschlag gegen die Zellenwand mit Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand im Januar 2023 gezeigt. Insgesamt sei T. aber im Umgang mit Enttäuschungs- und Frustrationssituationen – vor dem Hintergrund seiner fatalistischen Lebens- und Entwicklungsgeschichte zwanglos nachvollziehbar – erfahren.
1036
Im Vorfeld des verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunktes seien bei dem Angeklagten T. keine relevanten Besonderheiten zu eruieren gewesen, so Dr. … weiter.
1037
Im September 2022 seien zwar zwei eher lose Kontakte zu Mädchen beendet (… und …) und dadurch bei ihm wieder eine gewisse Enttäuschung ausgelöst worden. Auch sei ein „Explodieren“ der Aufrufe (zahlenmäßig) pornographischer Seiten bis zum fraglichen Wochenende 02./03.10.2022 festzustellen gewesen, wenig andere Tätigkeiten an dem Wochenende vor der Tat. Es seien aber in der Exploration keinerlei Ereignisse zu eruieren gewesen, die auf eine besondere psychische Disposition hingewiesen hätten.
1038
Ebenso sei bis zur Verhaftung die Kontaktgestaltung des Angeklagten nicht ungewöhnlich und abweichend vom vorherigen Erscheinungsbild gewesen (mit einer Gruppe mehr oder wenig naher bzw. loser Bekannter sei er etwa an den Tegernsee gefahren, habe sich nicht aus der Gruppe zurückgezogen).
1039
Zudem wies der Sachverständige darauf hin, dass keiner der befragten Zeugen angegeben habe, dem Angeklagten eine solche Tat zuzutrauen. Auch bei unmittelbarer Konfrontation mit Auffälligkeiten – wie etwa durch die Zeugin …, der Kratzspuren an dem linken Unterarm des Angeklagten aufgefallen seien – habe T. nicht unkontrolliert reagiert. Selbst als bei einem Zusammentreffen mit anderen Gleichaltrigen unmittelbar vor seiner Verhaftung (17.11.2022) das Thema auf „H.“ gekommen sei, habe er nach Zeugenaussagen zumindest äußerlich nicht konfus und desorganisiert reagiert, sondern mit der Bemerkung: „Ja, ich hab sie umgebracht“ bzw. „Ja, ich bin der Mörder von A.!“ oder sinngemäß „Dann sollen sie mich doch verhaften, dann ist der Scheiß endlich vorbei!“.
1040
Nachdem T. verhaftet und der verfahrensgegenständlichen Tat insbesondere aufgrund der Angaben von V. R. beschuldigt worden sei, habe er Enttäuschung über diese Freundin zum Ausdruck gebracht. S. T.abe die Tat, wenn er … ihn darauf angesprochen habe, bestritten.
1041
Zudem habe er geäußert, dass die Polizei nach den Äußerungen von … so habe handeln müssen, wie sie gehandelt habe. Andererseits habe S. auch geäußert, dass die Staatsanwaltschaft ihm die Tat erst nachweisen müsse und der Tathergang, der ihm aus den Akten bekannt sei, doch Hinweise enthalte, die nahelegen würden, dass er als Täter von vornherein ausscheiden müsse. Er habe auf die Größe der getöteten H. W.ingewiesen, auf die örtlichen Gegebenheiten am mutmaßlichen Tatort und auf die mutmaßlichen Nachtathandlungen wie das Verbringen zu einem entfernten Bach oder auf die Häuser in der Umgebung.
1042
Auch in der videoaufgezeichneten Vorführung zum Ermittlungsrichter (wo sich S. T. nicht äußerte) sei er äußerlich angepasst, kontrolliert und mit einer gewissen Übersicht ausgestattet erschienen, eine außergewöhnliche Irritation sei nicht beobachtbar gewesen.
1043
Unter Bewetung all dieser Anknüpfungstatsachen kommt der jugendpsychiatrische Sachverständige Dr. … zu dem Ergebnis, dass eine psychiatrische Diagnose im engeren Sinne der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) trotz der bei dem Angeklagten T. unzweifelhaft bestehenden Auffälligkeiten nicht gegeben ist.
1044
Die Persönlichkeitsakzentuierungen als Folge des festgestellten Entwicklungsverlaufes beim Angeklagten hätten trotz der identifizierbaren Auswirkungen nicht die Dignität, eine eigene psychiatrische Diagnose, z.B. in Form einer Persönlichkeitsstörung zu begründen. D.h., die Persönlichkeitsakzentuierungen ließen sich als Ganzes weder in ihrer Qualität noch in ihrem Ausprägungsgrad unter die Kategorie einer Persönlichkeitsstörung nach den Vorgaben des ICD-10 subsumieren, was neben dem klinisch-psychopathologischen Befund auch durch die im Wesentlichen in diesem Bereich nicht auffällige, ausführliche testpsychologische Persönlichkeitsdiagnostik untermauert worden sei.
1045
Der Sachverständige verweist zudem darauf, dass bei Entwicklungsauffälligkeiten – wie sie bei S. T. festzustellen gewesen seien – nicht selten erheblichere Sozialverhaltensauffälligkeiten mit einem expansiven Akzent
(aggressive Verhaltensweisen, erhebliche Probleme der pädagogischen Eingrenzung und Führbarkeit bis hin zu Delinquenz sowie missbräuchliches Konsumverhalten psychotroper Substanzen)
einhergehen würden. Derartige gravierende Auffälligkeiten seien bei S. T. aber nicht eruierbar gewesen. Vielmehr hätten sich die Entwicklungsauffälligkeiten bei S. T. zwar durchgehend in Form von Schwierigkeiten der psychosozialen Orientierung im jeweiligen Gleichaltrigenkreis, Anpassungs- und Integrationsschwierigkeiten gezeigt, die wiederum multiple Schikane- und Ausgrenzungserfahrungen zur Folge gehabt hätten. Trotzdem sei es S. T. aber zumindest abschnittsweise und punktuell gelungen, Bewältigungs- und Umgehungsstrategien zu finden, wofür zum einen bei einer offensichtlich angemessenen schulischen Förderung das Erreichen eines Qualifizierenden Hauptschulabschlusses stehe, aber auch beispielsweise das Reflektieren und Bemühen um Verbalisieren eigener Stärken und Schwächen. Trotz offensichtlich vieler negativer sozialer Erfahrungen seien bei T. nicht zuletzt seinen eigenen Angaben folgend insbesondere in den Monaten vor der Inhaftierung auch weitere Initiativen um soziale Kontakte zu sehen, wenn auch diese Kontaktbemühungen von den geschilderten Auffälligkeiten (Distanzunsicherheit, Defizite im sozialen Urteilsvermögen, geringe sozio-emotionale Belastbarkeit, introvertierter Verarbeitungsprozess von Enttäuschungen) geprägt gewesen seien.
1046
Da bei S. T. unter medizinischem Blickwinkel keine psychiatrische Diagnose entsprechend den Richtlinien des ICD-10 zu stellen ist, scheidet auch die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung aus (vgl. auch Ziff. F. V.).
1047
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme schließt sich die Kammer nach eigener Bewertung diesen Einschätzungen an.
1048
Die Beweisaufnahme hat die Ausführungen des Sachverständigen Dr. … bestätigt, insbesondere im Hinblick auf die Angaben der Freunde und Bekannten, von Mithäftlingen und Arbeitskollegen des Angeklagten (Umfeldzeugen, Ziff. D. II. 6.) sowie den Erkenntnissen der Auswertung der von S. T. genutzten Handys (Xiaomi MiA2 Lite und Oukitel WP7; Ziff. D. II. 16.2.1. und 16.2.2.). Hinweise auf Substanz-/Drogenkonsum haben sich nicht ergeben (vgl. etwa verlesenes Toxikologisches Haargutachten, Ziff. D. II. 17.5. sowie D. II. 18.3.3.1. oder Durchsuchung, Ziff. D. II. 13.2.).
1049
Mangels Vorliegens einer psychiatrischen Diagnose im engeren Sinne stellt sich auch nicht die vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage, ob und ggf. welches der Eingangsmerkmale der Schuldfähigkeitsparagrafen erfüllt sein könnte und ob daraus folgend von einer erheblich verringerten oder gar aufgehobenen Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit auszugehen wäre.
19. Abschließende Beweiswürdigung:
1050
Der unter Ziffer C. dargelegte Sachverhalt steht Überzeugung der Kammer fest aufgrund der wertenden Gesamtbetrachtung betreffend die im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen und Indizien, insbesondere dem vom Angeklagten offenbarten Täterwissen bzw. Geständnis im Vorfeld der Hauptverhandlung (gegenüber … sowie …).
1051
Ein Unfallgeschehen konnte zweifelsfrei ausgeschlossen werden.
1052
Voranstellend verweist die Kammer auf die vom Bundesgerichtshof insbesondere für Indizienprozesse aufgestellten Anforderungen. Die Kammer war sich bewusst, dass die Urteilsgründe alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, berücksichtigen muss und diese in die Beweiswürdigung einbezogen werden (BGH, Urteil vom 29.07.1998 – 1 StR 94/98) und erkennen lassen müssen, auf welchen tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlagen die Beweiswürdigung beruht (BGH, Beschluss vom 08.11.1996 – 2 StR 534/96).
1053
Die Kammer ist überzeugt, dass die festgestellten Tatsachen und Indizien in ihrer Gesamtschau den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ohne Zweifel tragen. Die Beweisanzeichen in der Gesamtschau haben wegen ihrer Häufung und ihrem allseitigen Durchdringung die Richtigkeit des Vorwurfes begründet. Der Beweiswert einzelner Indizien war im Zusammenhang mit anderen Indizien und der jeweiligen Inbezugsetzung zueinander sowie zu erlangten objektiven Feststellungen im Übrigen geeignet, im Rahmen der Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zu erlangen (BGH, Urteil vom 06.02.2002 – 1 StR 513/01).
19.2. Keine Einlassung des Angeklagten
1054
Der Angeklagte S. T. hat sich im Rahmen der Hauptverhandlung weder zu seiner Person noch zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf eingelassen, weder direkt noch über seine Verteidiger.
19.3. Keine objektiven Beweisanzeichen
1055
Betreffend das verfahrensgegenständlichen Geschehen gibt es keine unmittelbaren Tatzeugen.
1056
Ebenso fehlen objektive Spuren (daktyloskopische oder DNA-Spuren; vgl. Sachverständige …, Ziff. D. II. 18.1. und im Selbstleseverfahren eingeführte Gutachten, Ziff. D. II. 17.1.5., auch Prof. Adamec, Ziff. D. II. 18.3.3./3.3.2., und … keine Spermaspuren), Ziff. D. II. 18.3.3.3.); weder wurden Spuren an sichergestellten Gegenständen (z.B. Kleidung, Bettlaken, Gurtverkleidung des Pkw’s) des Angeklagten T. festgestellt, die H. W. zuzuordnen gewesen wären, noch konnten an den Kleidungsstücken der verstorbenen H. W. oder an H. selbst Spuren festgestellt werden, die einen Tatbezug des Angeklagten bzw. seine Täterschaft belegen könnten (was aufgrund der Treibe-/Liegezeit des Körpers von H. W. im Wasser auch nicht zu erwarten war; vgl. Sachverständige …, Ziff. D. II. 18.1.).
1057
Eine Bekleidung des Angeklagten war erst am 21.10.2022 bzw. 10.11.2022 von ihm freiwillig vorgelegt worden.
Festzustellen im Rahmen der Hauptverhandlung waren jedoch folgende objektive Umstände und indizien:
1058
Allgemein war als üblicher Heimweg, den H. W.om „E.“ (S.-Straße) nach Hause … nahm, festzustellen:
1059
Der Weg von der S.-Straße (nördliche Richtung), nach rechts abbiegend über die K.-Straße, zunächst auf dem linken Gehweg bis zur Autowerkstatt, dort die Straßenseite querend, da sich ab dort nur auf der rechten Straßenseite ein Gehweg befindet, eine Wegstrecke von 885 m, bei normaler Gehgeschwindigkeit in ca. 10 min zurückzulegen (Zeuge …OK …, Ziff. D. II. 17.3.5.).
1060
Dies äußerten etwa die Zeugen … und … (Nachbar von H.), ebenso aber auch ihr Bruder … W.jun. (Ziff. D. II. 11.3.).
1061
Dass H. W. diesen Weg auch am 03.10.2022 nach dem Besuch des Clubs „E.“ nahm, ergibt sich aus Folgendem:
1062
Zunächst ist auf dem Videozusammenschnitt (Videokamera „Notausgang 2“; D. II. 17.3.1.) zu sehen, dass H. um 02:27:09 Uhr den Parkplatz vor dem Club „E.“ entlang geht und um 02:28 Uhr aus der S.-Straße nach rechts in die K.-Straße abbiegend aus dem Erfassungsbereich der Videoüberwachung „verschwindet“.
1063
Anhand der Geodatenauswertung des Mobiltelefones der H. W. und der daraus erstellten Karten, welche mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und von KOK … erläutert wurden (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.1.3.), ist der gewählte Heimweg von H. W. entlang der K.-Straße (in Richtung des späteren Tatortbereichs am Bärbach, gegenüber dem Burghotel in der K.-Straße 94 a) gleichfalls belegt.
1064
Insbesondere war aufgrund des um 02:29:23 Uhr produzierten Geodatensatzes ein Heimweg über den Kampenwandparkplatz ausgeschlossen. Ebenso war aufgrund der vorliegenden Uhrzeiten zu Geodaten (02:29:55 Uhr – 02:31:41 Uhr) auszuschließen, dass H. von der K.-Straße zurück in Richtung Kampenwandparkplatz gegangen sein könnte, da dies aus zeitlicher Sicht nicht möglich war (Ziff. D. II. 16.1.3.).
1065
Dass H. W. nicht über den Kampenwandparkplatz heim ging, wird auch durch die WebcamAufnahmen des Kampenwandparkplatzes (Ziff. D. 11.17.4) untermauert. Zwar sind die WebcamAufnahmen nicht von guter Qualität, es sind aber insbesondere keine Personen zu erkennen, die sich im Parkplatzbereich im relevanten Zeitfenster (ca. 02:30 Uhr – 02:35 Uhr) etwa im Bereich Bärbach aufgehalten hätten.
1066
Indizwert hat insoweit auch der von der Zeugin … (hielt sich in einer Wohnung im Burghotel an der Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a auf) am 03.10.2022 gegen 02:30 Uhr gehörte Schrei (Ziff. D. II. 14.4.).
19.5. Tatzeit und objektiv festgestelltes Verletzungsbild
1067
Der Beginn der Tatzeit war unter Berücksichtigung folgender, durch die Beweisaufnahme erlangten Erkenntnisse – nicht näher eingrenzbar – am 03.10.2022 zwischen 02:30 Uhr und 02:32 Uhr:
- Um 02:28 Uhr verlässt H. W. den Aufzeichnungsbereich des Clubs „E.“, „Notausgang 2“, aus der S.-Straße nach rechts in die K.-Straße einbiegend (vgl. Ziff. D.II. 17.3.1.). Dabei ist sie allein unterwegs und unverletzt.
- Die Wegstrecke bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße (Gehweg gegenüberliegend dem Burghotel, K.-Straße 94 a – Tatortbereich, vgl. auch nachfolgend Ziff. D. II. 19.6.) beträgt ca. 240 m, bei normaler Geschwindigkeit zurückzulegen in 2 min 42 sec (s. Ziff. D. II. 17.3.5.).
- Von der Zeugin … wahrgenommener Schrei gegen ca. 02:30 Uhr (Ziff. D. II. 14.4.).
- Vom Handy der H. W. um 02:32:09 Uhr ausgehender Notruf an den Notrufkontakt „home“ (vgl. Ziff. D. II. 16.1.1., v.a. Ausführungen des digitalen Sachverständigen K.).
1068
Insoweit ist nochmals darauf hinzuweisen, dass H. ihre Eltern so gut wie nie auf dem Festnetz angerufen hat. Im Übrigen war kein Eintrag eines Anrufs zur Nachtzeit festzustellen (Ziff. D. II. 16.1.5.). Auch ist zu sehen, dass H. bei den Notrufkontakten einen Notfallpass hinterlegt hatte, sich also vorab Gedanken gemacht hat, was in Notfallsituationen relevant ist.
1069
Zum Zeitpunkt des ausgehenden Notrufs an den Notrufkontakt „home“ hat der Übergriff/„Notfall“ bereits begonnen.
- Die bei Auswertung des Handys von H. W. festgestellten Geodatenpunkte 9 (02:31:14 Uhr), 10 (02:31:26 Uhr) und 11 (02:31:41 Uhr), waren noch genau (Radius unter 120 m), was dafür spricht, dass noch keine Abschirmung (etwa durch Einbringung ins Wasser) erfolgte.
1070
Der erste ungenaue Geodatenpunkt, der für eine Abschirmung wie z.B. durch Wasser/Pflanzen spricht, ist um 02:33:35 Uhr (Punkt 12) festgestellt, also nach dem Anrufversuch um 02:32:09 Uhr (vgl. Ziff. D. II. 16.1.3.).
1071
Dem widersprachen nicht die Feststellungen im Rahmen der Auslesung des Temperatursensors von H.s Handy.
1072
Der Temperatur- und Wassersensor im Handy von H. W. registrierte ab 02:32:47 Uhr fallende Werte, zunächst langsam, ab 02:33:18 Uhr schneller, ehe die Werte ab 02:38:41 Uhr auf einem „Tiefpunkt“ stagnierten. Dies spricht für ein Verbringen des Handys in ein kaltes Medium wie etwa Wasser (Bärbach, Temperatur am 03.10.2022 zwischen 8,5 und 9,8°). Der Temperaturabfall ist dabei leicht „zeitverzögert“ (vgl. Ziff. D. II. 16.1.2., insb. Kochneff).
1073
Zudem war festzustellen, dass am 03.10.2022 um 02:36 Uhr und um 02:37 Uhr 2 Anrufversuche durch … erfolgten. Zu diesem Zeitpunkt war das Handy der Geschädigten nicht im Netz registriert (obwohl im Bereich des Heimwegs der Geschädigten entlang der K.-Straße in HohenA. ein durchgehender Netzempfang, eine gute Mobilfunkversorgung gegeben ist; Ziff. D. II. 16.1.4.).
1074
Die Kammer verkennt nicht, dass zwar nicht aufgeklärt werden konnte, ob H. W. und ihr Handy zeitgleich oder zeitversetzt ins Wasser gelangten. Folgende Erkenntnisse rechtfertigen aber in zeitlicher Hinsicht die Feststellung, dass der Angeklagte T. unmittelbar nachdem er auf H. W. eingeschlagen hatte, deren Körper in den Bärbach warf:
1075
Die von dem Sachverständigen … (s. Ziff. D. II. 18.3.4.) durchgeführte Todeszeitberechnung ergab eine Todeszeit am 02.10.2022 zwischen 17:52 Uhr und 23:16 Uhr, was aufgrund der objektiven Feststellungen nicht zutreffend ist. H. W. lebte in diesem Zeitraum noch nachweisbar (vgl. Video, Ziff. D. II. 17.3.1. und Zeugen). Jedoch muss deshalb laut dem Sachverständigen von einem zeitnahen Todeszeitpunkt, und damit Einbringen des Körpers ins Gewässer, da H. W. ertrank, zu dem Zeitpunkt, an dem H. zuletzt gesichert lebend gesehen wurde, also dem 03.10.2022, 02:28 Uhr (vgl. Video, Ziff. D. II. 17.3.1.), ausgegangen werden.
1076
Dafür, dass H. W. zeitnah zum Gelangen ihres Handy in den Bach selbst in den Bärbach gelangte, spricht auch, dass … und … (vgl. Ziff. D. II. 8.1.) ansonsten etwa gegen 02:40 Uhr, als sie im Bereich K.-Straße 94 a ankamen (E.) bzw. die Tür des Hotels öffneten (B.) Wahrnehmungen zum verfahrensgegenständlichen. Geschehen hätten machen müssen (vgl. auch nochmals Ziff. D. II. 19.8.7.2.1.).
1077
19.5.2. Objektiv festgestellte Verletzungen am Leichnam der H. W.
1078
Zu den Verletzungen am Leichnam der H. W. konnten aufgrund der Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen (… Ziff. D. II. 18.3.3.2.), die die Obduktion am 03.10.2022, beginnend um 23:40 Uhr, durchgeführt hat, folgende objektiven Feststellungen getroffen werden:
insgesamt 5 QuetschRissWunden (ohne Schürfungen in Wundenähe) sowie (mindestens) 2 Kopfhautrötungen (Hämatome) ebenfalls ohne Schürfungen;
oberflächliche Hautrötungen und Schürfungen v.a. im Schläfenbereich beidseits;
im gesamten Gesichtsbereich z.T. schürferartige Verletzungen und Einblutungen, v.a. in der Scheitel- und Schläfenpartie, in der Nasenregion (Nasenrücken kräftig rot-violett verfärbt mit Oberhautdefekten und Schwellung) und den Ohrregionen (feinste oberflächliche Hautdefektstellen an linker und rechter Ohrmuschel sowie kleine (4 mm) Durchtrennung der Ohrkrempe rechts), aber auch am linken Augenoberlid; darüber hinaus Augenbindehäute rechts dunkelrot-violett getönt, z.T. glasstecknadelkopfgroße, z.T. mittelgrob-fleckförmige, kräftige Einblutungen auch die Bindehaut links blutfarbstoffdurchsetzt;
streifige Hautrötungen, in der rechten seitlichen Halsregion eher schrägverlaufend, verbunden mit einer flächenhaften Einblutung, links dagegen eher querverlaufend;
in Unterhautfettgewebe und Muskulatur überwiegend rechts betont z.T. kräftige flächenhafte Einblutungen, links demgegenüber nur seitlich unter einer fleckförmigen Einblutung;
massive Einblutungen in der paravertebralen Muskulatur links flächenhaft und sehr kräftig ausgeprägt (quer 8 cm und hoch bis zu 4 cm), sich von der Nackenregion bis weit nach unten in den Bereich des Steißes ziehend, allerdings keine äußeren Verletzungen;
weiterhin Einblutungen auch über dem äußeren Anteil des Schulterblattes links sowie an der Oberarmmitte rechts bis auf den Knochen (ohne äußere Scherverletzungen), geringfügiger auch links;
symmetrische, beidseitige Fraktur des Akromions (Schulterdachknochen), rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte, links mit kompletter Fraktur durch das Akromion;
Fraktur der rechten Wirbelkörperfacette von HWK 5 mit Eröffnung des Wirbelbogens und mit Beteiligung der Facettengelenke mit extraduraler Einblutung in den Rückenmarkskanal;
zahlreiche oberflächliche Hautdefektstellen, zudem Hämatome;
Einblutungen und Schürfungen, insbesondere gesamte Knieregion links rötlich-violett getönt, über der Kniescheibe mit deutlichen Schürfungen und feinsten Oberhautdefektstellen;
- keine relevanten (lediglich kleine Kratzer) Verletzungen an Händen (insbesondere aber auch nicht an den Handinnenseiten), Fingern, Nägeln, die auf Abwehrhandlungen schließen ließen oder auf Festhalteversuche etwa an Gestrüpp o.ä. im reißenden Bärbach/Gewässer.
19.6. Örtlichkeit, an welcher der Körper der H. W.m 03.10.2022 in den Bärbach gelangte
1079
Die Örtlichkeit, an welcher der Körper der H. W. am 03.10.2022 in den Bärbach gelangte, ist im Bereich der Ecke X. Weg/K.-Straße, gegenüber liegend dem Burghotel (K.-Straße 94 a) im Bereich des dortigen Gehweges/Grünbereichs zu lokalisieren. Dies ergibt sich für die Kammer aus folgenden, im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten Erkenntnissen:
- Der Heimweg von H. W. (vgl. D. II. 19.4.) führt dort vorbei.
- Die Zeugin S…, die am 03.10.2022 im Burghotel war, hat gegen 02:30 Uhr einen Schrei gehört (Ziff. D. II. 14.4.).
- Des Weiteren ergaben sich die dargelegten Ungenauigkeiten der GPS-Daten des Handys von H. W. (die, wie ausgeführt, nicht als „Punkt“, sondern als Fläche/Bereich zu verstehen sind) erstmalig gerade in diesem Bereich, wobei die Ungenauigkeit, wie beschrieben, auf ein Abschirmen (etwa durch Wasser) zurückzuführen ist (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.1.3.).
- Zudem ist zu sehen, dass – wie ebenfalls zuvor bereits ausgeführt – auszuschließen war, dass H. W. den Heimweg über den Kampenwandparkplatz genommen hat (s.o. Ziff. D. II. 19.4), auf der anderen Seite aber erste, ihr zuzuordnende Gegenstände im Bereich des Kampenwandparkplatzes aufgefunden wurden. Unter Berücksichtigung der Fließrichtung des Bärbachs in die Prien spricht dies indiziell dafür, dass H. bereits vor dem Bereich des Kampenwandparkplatzes in den Bärbach gelangt ist.
1080
Diese Erkenntnisse werden auch nicht durch die Erkenntnisse aus dem Einsatz der Mantrailer-Hunde relativiert (Ziff. D. II. 17.6.):
1081
Insoweit ist zum einen auszuführen – wie von den Zeugen dargelegt –, dass dann, wenn die Hunde eine Spur aufnehmen, Zug auf die Leine kommt. Dies war vorliegend jedoch bei keinem der eingesetzten Hunde (nach Verlassen der S.-Straße) der Fall. Vielmehr haben die jeweiligen Hunde die relevante Spur nicht weiter verfolgt, konnten den Geruch nicht zuordnen, weshalb der Einsatz abgebrochen wurde.
1082
Im Übrigen wird von der Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – 5 StR 151/14) MantrailerHunden grundsätzlich lediglich ein „gewisser“ Indiz-/Beweiswert zugemessen und zwar nur unter der Voraussetzung der Einhaltung folgender Mindeststandards (sonst gar nicht), die vorliegend nicht eingehalten wurden:
- nur Einsatz von Hunden, die die jeweils einschlägige Personensuchhund-Prüfungsstufe der Polizei absolviert haben → die Hunde 1-3, welche in den frühen Morgenstunden des 04.10.2022 zum Einsatz kamen, hatten keine polizeiliche Prüfung:
- die verwendete Geruchsspur muss einer konkreten Person eindeutig nachvollziehbar zuzuordnen sein. Als Spurenträger sollten daher nur Abstriche unmittelbar vom Körper der betreffenden Person verwendet werden. Zusätzlich muss die Gewinnung des Spurenträgers in einem Protokoll dokumentiert werden → daran fehlt es vorliegend;
- jeweils zwei Suchhunde müssen unabhängig voneinander und ohne Beteiligung des jeweils anderen Hundeführers dieselbe Spur suchen. Nur bei einem identischen Ergebnis ist die erforderliche Objektivierbarkeit gegeben → Hund 1 und Hund 3 gingen mit den gleichen Hundeführern, auch lagen keine identischen Ergebnisse, vielmehr 4 – Hund 1-3 und „Alf“ – verschiedene vor;
- jeder Einsatz ist vollständig zu filmen, um eine Nachvollziehbarkeit durch das Gericht und einen Sachverständigen zu gewährleisten → eine filmische Dokumentation fehlt vorliegend.
19.7. Ausschluss eines Unfallgeschehens
1083
Unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses war ein Unfallgeschehen sicher auszuschließen und zwar aus folgenden Erwägungen:
1084
Die Sachverständigen … und … haben zwar nicht ausgeschlossen, dass grundsätzlich einzelne Verletzungen im Rahmen eines Treibevorganges durch Anstoßen etwa des Kopfes an harte Gegenstände im Wasser entstehen könnten.
1085
Dass das Gesamtbild der bei H. W. objektiv festgestellten Verletzungen nicht durch ein Unfallgeschehen bzw. das Treiben in Bärbach und Prien entstanden sein kann, ergibt für die Kammer aus den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen …, des biomechanischen Sachverständigen … (Ziff. D. II. 18.3.3.3.) und den Erkenntnissen des hydromechanischen Sachverständigen … (Ziff. D. II. 18.2.), der die Gewässer, in denen H. W. trieb, einschließlich ihrer wasserbaulichen Besonderheiten und das Treibeverhalten eines Körpers in fließenden Gewässern gutachterlich bewertet hat unter besonderer Berücksichtigung der in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 herrschenden Hochwasserverhältnisse, die für einen in einem Gewässer treibenden Körper ein geringeres Verletzungsrisiko darstellen, ein direktes Schleifen des Körpers über den Untergrund einhergehend mit einem Kollidieren von am Grund liegenden Steinen u.ä. verhindern.
19.7.1.1. QuetschRissWunden am Kopf
1086
Die 5 QuetschRissWunden am Kopf des Leichnams sind als Folge stumpfer Gewalteinwirkung (durch einen unbekannt gebliebenen Gegenstand, mutmaßlich einen Stein) vor Verbringen des Körpers von H. W. ins Wasser entstanden. Sie sind in einem 90° Winkel entstanden, durch Normalkrafteinwirkung (nicht Scherkräfte, wie sie in einem reißenden Bach/Fluss herrschen). Um die jeweilige Wunde herum entstanden Hämatome, aber keine Schürfungen o.ä.. Zudem waren (mindestens) 2 Kopfhautrötungen (Hämatome ohne Zentralwunde) abgrenzbar, die ebenfalls keine Schürfungen aufwiesen.
1087
Derartige Wunden haben sich nur am Kopf des Leichnams feststellen lassen. Sie weisen eine große Ähnlichkeit auf, d.h. sie sind von weitgehend gleicher Gestalt und Größe, plausibel mit einer Schlagverletzung in Einklang zu bringen. Als Folge des Treibevorgangs in Bärbach und Prien konnten diese Verletzungen in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen werden, insbesondere hat der hydromechanische Sachverständige … ausgeführt, dass auf der gesamten Fließstrecke unter Berücksichtigung der hydrologischen Bedingungen in Form von Hochwasser, aber auch unter Berücksichtigung der wasserbaulichen Besonderheiten keine Wasserwalzen (in denen sich der Körper „verfangen“ haben könnte) entstanden sein können. Auch in Wasserwalzen wirken im Übrigen nicht Normalkräfte, sondern Scherkräfte, die aber – wie ausgeführt – nicht die in einem 90° Winkel entstanden Kopfverletzungen (ohne Schürfungen im Bereich der jeweiligen Zentralwunde), wie sie bei H. W. festgestellt wurden, verursachen können.
1088
Auch war auszuschließen, dass H. W. (vgl. …, Ziff. D. II. 18.2.) während des Treibens einen der Kraftwerkskanäle passiert haben könnte, d.h. sie ist im Bärbach und dem Mutterfluss Prien bis zum Auffindeort nahe Kaltenbach bei Prien am Chiemsee getrieben.
19.7.1.2. Symmetrische, beidseitige Fraktur der Schulterdachknochen
1089
Gleichfalls haben sich für die symmetrische, beidseitige Fraktur der Schulterdachknochen, rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte keine Hinweise ergeben, dass diese während des Treibervorgangs entstanden sein könnten.
1090
Bedeutsam ist diesbezüglich zum einen, dass die beiden Schulterdachbrüche zumindest in zeitlich engem Zusammenhang gesetzt wurden, eine zeitgleiche Entstehung wahrscheinlich ist (Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1091
Weiter ist insbesondere auf die Ausführungen von … zu verweisen (Ziff. D. II. 18.2.), wonach auf der gesamten Treibestrecke des Körpers von H. W. keine Stelle erkennbar war, an welcher sich plausibel der Bruch beider Akromions erklären ließe, wie von der Verteidigung behauptet. Dafür ist insbesondere auch nicht der Rechen der Kaltenbacher Mühle geeignet (Abstand der Rechenzinken ca. 60 cm; Abstand der beiden Akromions ca. 31 cm; ein 2-faches Anstoßen mit der für einen Bruch erforderlichen Bewegungsenergie wurde von … ausgeschlossen, auch wegen des selbst bei Hochwasser vor dem Rechen befindlichen Totwasserbereiches).
1092
Insoweit ist weiter – darauf wurde seitens der rechtsmedizinischen Sachverständigen … und des biomechanischen Sachverständigen P… (Ziff. D. II. 18.3.3.3.) verwiesen – von Relevanz, dass unterhalb der Schulterdachbrüche massive Einblutungen feststellbar waren. Derartig massive Einblutungen sind jedoch in zeitlicher Hinsicht lediglich bis etwa 1 Stunde nach Todeseintritt in ihrer Entstehung erklärbar. Bei einer angenommenen Fließgeschwindigkeit zwischen 8-10 km/h und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der genannte Rechen kurz vor Kaltenbach und der Auffindeörtlichkeit, mithin nach einer bereits zurückgelegten Treibestrecke von mehr als 10 km befindet, wäre – selbst unterstellt, der Leichnam hätte diese Treibestrecke ohne jegliche Verzögerung, ohne kurzzeitiges Hängenbleiben zurückgelegt – die Entstehung der festgestellten Hämatome in Form massiver, großflächiger Einblutungen dort nicht mehr möglich gewesen. Auch ist zu sehen, dass die Hautoberfläche im Bereich der Schulterdächer keine Scherverletzungen aufwies; dies spricht dagegen, dass die Akromionsverletzungen – oder auch nur eine – Treibeverletzungen sind, da dafür eine hohe Bewegungsenergie erforderlich ist, die auch zu äußerlichen Verletzungen nebst Schürfungen geführt hätte.
1093
Darüber hinaus ist zu sehen, dass eines der Schulterdächer (rechts) eine Fraktur Richtung Körpermitte aufwies und dies aus rechtsmedizinischer sowie biomechanischer Sicht (vgl. Mütz…) eine Gewalteinwirkung von hinten oben nach vorne mittig voraussetzt. Im Hinblick auf die typische Treibeposition eines Körpers (s…) ist davon auszugehen, dass der Körper mit dem Kopf voran treibt. Ein Stoßen auf einen Gegenstand wie etwa den Rechen vor der Kaltenbacher Mühle hätte eine entgegengesetzte Frakturrichtung verursacht (von vorne nach hinten, wäre der Kopf zunächst zwischen den Rechenstäben „durch“ gekommen und eine Schulter hängen geblieben bzw. frakturiert). Selbst unterstellt – unabhängig von der am Leichnam von H. festgestellten Frakturrichtung –, dass auf diese Art und Weise ein Schulterdachbruch entstanden wäre, wäre laut … der zweite hydromechanisch nicht erklärlich, weil durch den ersten Anschluss an einem der Rechenzinken die Bewegungsenergie derart reduziert worden wäre, dass nicht genug Kraftentfaltung entstanden wäre, um einen zweiten, gleichartigen Bruch herbeizuführen. Im Übrigen wäre es nach dem ersten Anstoß zu einem Drehen des Körpers gekommen, sodass ein zweiter Anstoß tiefer am Körper, etwa im Bereich des Unterarmes stattgefunden hätte. Einzupreisen ist insoweit auch die weitere hydromechanische Erkenntnis, dass vor dem Rechen selbst bei Hochwasser ein relevanter Totwasserbereich ist, der die vorhandene Bewegungsenergie herabsetzt.
19.7.1.3. Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen
1094
Auch die Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen ohne äußere Verletzung ist nicht als Treibeverletzung zu werten (v…), ursächlich dafür ist eine starke, kräftige Einwirkung mit einem weicheren Gegenstand wie etwa einem Turnschuh. Ein dafür geeigneter Gegenstand ist laut … weder an der Sohle der Gewässer erkennbar gewesen – unabhängig davon, dass der Körper aufgrund der konkreten Hochwassersituation am 03.10.2022 nicht direkt an der Sohle „schleift“ und die Verletzungsgefahr deshalb auch deutlich geringer war – noch an den baulichen Gegebenheiten der Gewässer.
19.7.1.4. Ein- und Unterblutung im Rückenbereich
1095
Gleiches gilt für die massive Ein- und Unterblutung im Rückenbereich (von der Nackenpartie bis fast zum Steiß) und deren Lokalisation im Wirbelsäulebereich ohne größere äußere Hautverletzung im Rückenbereich.
1096
Seitens der Sachverständigen … wurde ausgeführt, dass der Bruch HWK 5 zwar nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ausschließbar eine Treibeverletzung ist. Wenn er innerhalb der ersten Stunde nach dem Versterben der H. W. entstanden wäre, hätte er auch noch eine Ein- und Unterblutung verursachen können (die Sachverständige schloss also entgegen der Behauptung der Verteidigung postmortale Einblutungen grundsätzlich nicht aus). Allerdings ist nicht von der Verursachung einer Ein- und Unterblutung in dem flächigen und massiven Ausmaß, wie im Rahmen der Obduktion im Konkreten im Rückenbereich am Leichnam von H. W. festgestellt, auszugehen.
1097
Die Entstehung von Einblutungen in diesem Ausmaß durch massive Schwimmbewegungen – wie von der Verteidigung vorgetragen – ist weder in der Praxis noch der Literatur bekannt (so die Rechtsmediziner). Anzumerken ist hierbei auch, dass H. nach Betrachtung der rechtsmedizinischen Erkenntnisse bewusstseinseingetrübt bzw. bewusstlos ins Wasser gelangte (vgl. Ziff. D. II. 19.7.2.), weshalb Schwimmbewegungen denklogisch nicht möglich erscheinen. Auch die völlig intakten Handinnenflächen sprechen gegen massive Bewegungen/Verhaltensweisen von H. in Panik, weil ein Festhalten am Uferbereich/der Ufervegetation zu erwarten wäre mit der Folge von Verletzungen der Handinnenflächen (vgl. D. II. 19.7.1.5.).
1098
Beide letztgenannten Verletzungen (7.1.3. und 7.1.4.) sind aus rechtsmedizinischer Sicht vielmehr Folge einer massiven Krafteinwirkung, allerdings nicht mit einem harten Gegenstand, sondern einem weicheren (wie einem Turnschuh o.ä., da es ansonsten auch zu äußeren Verletzungen gekommen wäre).
19.7.1.5. Keine relevanten Verletzungen an den Händen
1099
Ein weiterer Aspekt bei der Beurteilung des Verletzungsbildes und dem Ausschluss eines Unfallgeschehens ist, dass demgegenüber keine Verletzungen an den Handinnenflächen und auch keine größeren Verletzungen sonst an den Händen des Leichnams festzustellen waren (Ziff. D. II. 18.3.3.2. (k)).
1100
Wenn H. W. entsprechend der „Verteidigerversion“ – s. nachfolgend Ziff. D. II. 19.7.8. i.E. – bei einem Unfallgeschehen im Rahmen eines Austretens ins Wasser gefallen/gelangt wäre, wäre es lebensnah, dass sie reflektorisch versucht hätte, sich am (reichhaltig vorhandenen) Gestrüpp am Uferbereich des Bärbachs (max. 1,15 m entfernt bei einer Breite von 2,30 m) festzuklammern. Von dort wäre sie dann „los-/weggerissen“ worden verbunden mit Verletzungen an den Händen, insbesondere den Handinnenflächen.
1101
Insgesamt ist nochmals zu betonen, dass das festgestellte Gesamtverletzungsbild
(insbesondere Verletzungen am Kopf in Form der festgestellten QuetschRissWunden, zurückzuführen auf die Wirkung von Normalkräften – nicht Scherkräften –, sowie den symmetrischen, beidseitigen Frakturen der Schulterdachknochen, rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte)
gegen ein Unfallgeschehen spricht. Außerdem bedeutet die für den 03.10.2022 festgestellte Hochwassersituation für einen in einem Gewässer treibenden Körper ein geringeres Verletzungsrisiko, bewirkt kein Schleifen direkt über den Untergrund einhergehend mit einem Kollidieren von am Grund liegenden Steinen u.ä. (Ziff. D. II. 18.2.).
1102
19.7.2. Geringe Sekretmenge im Magen und hoher Glucosewert im Urin
1103
Gegen ein Unfallgeschehen spricht auch die rechtsmedizinische Feststellung (vgl. …, Ziff. D. II. 18.3.2., …, Ziff. D. II. 18.3.3.2.), dass der Mageninhalt aus (nur) 110 ml Sekret bestand und ein hoher Glucosewert im Urin der verstorbenen H. W.orlag.
1104
Denn die geringe Sekretmenge im Magen des Leichnams spricht dafür, dass H. W. bewusstlos/bewusstseinsgetrübt war, als sie in das Gewässer gelangte. Typischerweise ist bei Ertrunkenen mehr Wasser/Flüssigkeit im Magen vorzufinden (s. Prof. M., Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1105
Der hohe Glucosewert (acetylierte Glukose) im Urin der verstorbenen H. W., der von der Sachverständigen … festgestellt wurde (Ziff. D. II. 18.3.2.), weist auf das Vorliegen einer Hyperglykämie („Überzucker“) zum Zeitpunkt des Ablebens hin, da Glukose erst bei Überschreiten der sog. „Nierenschwelle“ in relevanter Konzentration im Urin nachzuweisen ist. Dies kann – so … – als agonaler Effekt interpretiert werden, bedingt durch einen Adrenalin-Ausstoß, etwa verursacht durch Stress bzw. Angst.
1106
Dass der Stress bzw. die Angst nicht durch ein Unfallgeschehen, ein Fallen in das Gewässer im Rahmen des Austretens erfolgte (so die Behauptung der Verteidigung), ergibt sich bei Inbezugsetzung zu der festgestellten geringen Sekretmenge im Magen: Wäre H. beim Austreten aus Ungeschick ins Gewässer gefallen, wäre sie noch nicht bewusstlos gewesen, d.h., wäre sie dann ertrunken, hätte sich mehr Wasser/Flüssigkeit in ihrem Magen befunden. Der hohe Glukosewert wurde damit nicht durch ein Unfallgeschehen ausgelöst, sondern durch das Tatgeschehen.
1107
19.7.3. Notruf um 02.:32:09 Uhr der H. mittels Handy (Notrufkontakt „home“)
1108
Gegen ein Unfallgeschehen spricht weiter der bei Auswertung des Handys von H. W. festgestellte Anruf um 02:32:09 Uhr, ein ausgehender Notruf an den Notrufkontakt „home“ (vgl. …, Ziff. D. II. 16.1.1.).
1109
Es hat sich um einen nativen Anruf gehandelt. Nicht über facelD, nicht über Adressbuch, sondern über Sperrbildschirm: Mittels zweifachen Drückens der Schaltfläche Notruf auf dem Display des Handys von H. W. und anschließendem Auswählen des Kontakts „home“ wurde der Notfallkontakt bewusst aktiviert. Der Notfallkontakt kann nicht durch einen Sturz ausgelöst worden sein. Ausgeschlossen ist ebenso, dass der Notfallkontakt durch Wassertropfen oder Pflanzenteile im Wasser ausgelöst wurde, wie von der Verteidigung in den Raum gestellt.
1110
Die Auswertung des Anrufprotokolls betreffend Zeitraum 22.03.2019 – 03.10.2022 ergab zudem zwar 767 Einträge, davon nur 20 × „Papa“, 10 × „Mutti“; davon waren lediglich 2 Anrufe mit dem Festnetzanschluss der Eltern gespeichert, kein Eintrag war hierbei der Nachtzeit zuzuordnen (Ziff. D. II. 16.1.5.). Das aktive Anwählen des Notfallkontaktes „home“ (dort hatte H. zudem einen Notfallpass mit Angaben zu Alter, Größe, Gewicht, Blutgruppe und Hinweis auf Organspender installiert; vgl. Ziff. D. II. 16.1.1.) ist dementsprechend zwanglos damit in Einklang zu bringen, dass H. W. in einer besonderen, einer Notsituation war.
1111
Bei unterstelltem Unfallgeschehen („Verteidigerversion“, vgl. nachfolgend Ziff. D. II. 19.7.8. i.E.), anlässlich dessen H. W. Ins Wasser gefallen wäre, wäre lebensnah davon auszugehen, dass H. versucht hätte, sich am Gestrüpp etc. festzuhalten
(das Gestrüpp ist im Bärbach, 2,30 m breit, max 1,15 m entfernt; es haben sich an H. W. Hände aber keinerlei typische Verletzungen gefunden, die bei einem Festhalten an Gestrüpp zu erwarten sind, vgl. Ziff. D. II. 18.3.3.2.),
dabei mehrere Hilferufe ausgestoßen hätte (vgl. auch nachfolgend Ziff. D. II. 19.7.7.), nicht aber, dass sie mittels ihres Handys versucht, Hilfe zu rufen. Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass H. W. im reißenden Bach ihr Handy festhält, dabei fähig ist, 2x die Schaltfläche „Notruf“ zu drücken und dann den Kontakt „home“ auszuwählen – vielmehr ist davon auszugehen, dass sie das Handy, wäre sie unerwartet im Rahmen eines Unfallgeschehens in den reißenden Bärbach gestürzt (unabhängig davon, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits im Bewusstsein eingetrübt oder bewusstlos war, s.o.), reflektorisch loslässt bzw. ihr dieses durch Wasserkraft entrissen wird.
1112
Bei einem Wegschwimmen/Wegtreiben
- unter Außerachtlassung der übrigen, bereits genannten Aspekte wie insbesondere dem beeinträchtigten Bewusstsein bzw. der Bewusstlosigkeit von H. W. -
wäre theoretiisch zwar ein generelles „Tastentippen“ noch denkbar.
1113
Das Absetzen des Notrufs durch [xxx]2x-iges Drücken der Schaltfläche Notruf und das Auswählen des Notrufkontaktes „home“ ist aber eine zielgerichtete Aktion, die ein gewisses Maß an Feinmotorik erfordert. Das 2x-ige Drücken der Schaltfläche Notruf und das Auswählen des Notrufkontaktes „home“ erfordert, dass mit einer Hand das Handy gehalten wird und mit der anderen Hand ein auf den Punkt genaues Antippen der Schaltfläche und des auszuwählenden Notrufkontaktes erfolgt, also eine „ruhige“ Hand, Rahmenbedingungen, die in einem reißenden Bach wie dem Bärbach am 03.10.2022 gegen 02:32 Uhr nicht gegeben waren.
1114
Es ist nicht davon auszugehen, dass H. W. in dem 1,40 m hohen, reißenden Bärbach längere Zeit hätte stehen können, um punktgenau „Tasten“ (die Schaltfläche) zu tippen
- … (Ziff. D. II. 18.2.) hat bereits betreffend eine Höhe von 80 cm ausgeführt, dass ein Mensch in einem fließenden Gewässer aufgrund geringerer Schwerkraft nur schwer stehen kann. Die Möglichkeit des Stehens in einem fließenden Gewässer bereits bei einer Höhe von ca. 80 cm ist abhängig vom konkreten Untergrund, der Reibung und dem Schuhwerk. Der Bärbach wies zum maßgeblichen Zeitpunkt aber eine Höhe von 1,40 m auf (vgl. KHK M., Ziff. D. II. 2.). Bei dieser Höhe ist ein Stehen nicht realistisch. H. W. hatte zudem Sneaker mit glatter Sohle an, also Schuhe, die auf dem steinigen Untergrund, welcher aufgrund der Hochwasserlage überspült war, keinen Halt bieten.
1115
Zusätzlich ist zu sehen, dass gegen das von der Verteidigung in den Raum gestellte Unfallgeschehen, in dessen Rahmen H. nach Gelangen ins Wasser noch den Notruf abgesetzt haben soll, die rechtsmedizinische Feststellung spricht, dass H. wenig Sekret im Magen hatte, mithin bei Gelangen ins Wasser zumindest bewusstseinsgetrübt oder bereits bewusstlos war. In diesem Zustand konnte sie sicher nicht mehr in der Form, wie geschehen, einen Notruf absetzen. Zusätzlich ist einzupreisen, dass H. W. – wie festgestellt – alkoholisiert war. Alkohol macht grundsätzlich die Gefäße weit, kaltes Wasser verengt sie, was einen rapiden Abfall des Blutdrucks und der Herzleistung nach sich zieht und als Folge dessen eine Synchronisierung von Atmung und Bewegung schnell unmöglich macht (selbst bei bewusstseinsklaren Alkoholisierten, die in kaltes Wasser fallen; s. Ziff. D. II. 18.3.3.3.). Damit ist aber unabhängig von den zuvor genannten Aspekten ein Stehen im reißenden Gewässer bzw. eine Aktivierung des Notfallkontakts „home“ während eines Wegtreibens nicht anzunehmen.
1116
19.7.4. Körperlicher Zustand/Leistungsfähigkeit von H. W. bei Verlassen des „E.s“
1117
Gegen ein Unfallgeschehen spricht weiter der körperliche Zustand von H. beim Verlassen der Diskothek.
1118
Zwar ist bei ihr eine nicht unerhebliche Alkoholisierung (2,06 Promille) festgestellt worden. Postmortal kommt es zu keinem Abbau, so dass die festgestellte Blutalkoholkonzentration derjenigen zum Zeitpunkt des Todeseintritts entspricht (vgl. …, Ziff. D. II. 18.3.2.).
1119
Ihre körperliche Leistungsfähigkeit war dadurch aufgrund ihrer Alkoholtoleranz/-gewöhnung jedoch nicht wesentlich eingeschränkt.
1120
Soweit Zeugen zum Zustand der H. W. in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 Angaben machen konnten, insbesondere zu ihrer Alkoholisierung und deren Folgen, berichteten sie im Wesentlichen, dass H. zwar angetrunken, aber nicht sinnlos oder stark betrunken erschien (Ziff. D. II. 9.).
1121
Entscheidend ist jedoch, dass durch den, durch Inaugenscheinnahme/Abspielen eingeführten Videozusammenschnitt der Zustand von H. W.
- es handelt sich zwar um einen Zusammenschnitt, jedoch dokumentiert dieser den Zustand von H. W. nicht nur wenige Sekunden, sondern über einen längeren Zeitraum -
bis kurz vor dem Verlassen der Diskothek dokumentiert und darauf ihre allgemeine Leistungsfähigkeit belegt ist (vgl. Ziff. D. II. 17.3.1.):
1122
So hob sie etwa um 02:19 Uhr, nachdem ihr der Garderobenzettel zu Boden gefallen war, diesen auf, ohne dass sie in irgendeiner Form schwankte oder gar umfiel und übergibt den Zettel dem Personal. Nach Erhalt ihrer schwarzen Lederjacke zieht sie diese problemlos an (02:21 Uhr). Beim Schlüpfen in den jeweiligen Jackenärmel nimmt sie ohne Koordinationsprobleme ihr Handy von der einen Hand in die jeweils andere Hand. Um 02:27:09 Uhr wird sie von der Kamera auf dem Parkplatz vor dem Club „E.“ erfasst. Sie geht zielstrebig, besondere Ausfallerscheinungen sind nicht zu erkennen, lediglich 2 leichtere „Schlenkerer“, aber kein Torkeln, Stolpern o.ä.. H. zieht auch ihre Hose hoch, realisiert, dass sie ein Problem mit der Hose hat, hat Empfindungen (Scham), versucht den Defekt durch das Hochziehen zu korrigieren und zu kaschieren. H. W. nimmt ihren „Standard-Heimweg“, ist also nicht orientierungslos, war vielmehr zielstrebig Richtung Heimatadresse unterwegs (keinesfalls langsam), wie sich aus den gesicherten, vom Zeugen KOK … eingeführten GPS-Daten/Geodatenpunkten bis 02:31:41 Uhr ergibt (Ziff. D. II. 16.1.3.). Insgesamt handelte sie zweckrational.
1123
Gegen einen die Handlungsfähigkeit von H. W. relevant beeinträchtigenden oder gar ihre Handlungsfähigkeit aufhebenden Zustand vor dem Übergriff spricht auch der von ihr mit ihrem Handy um 02:32:09 Uhr getätigte Notruf zum gespeicherten Notrufkontakt „home“, der – s. Ausführungen unter Ziff. D. II. 19.7.3. und Ziff. D. II. 16.1.1. – ein bewusstes, zielgerichtetes, Feinmotorik voraussetzendes, mehraktiges Bedienen (2 ×-iges Drücken der Schaltfläche „Notruf“, dann Auswählen des Notrufkontaktes „home“) erforderte.
1124
Auch die rechtsmedizinische Sachverständige … (Ziff. D. II. 18.3.3.2.) hat betont, dass die Alkoholisierung der Verstorbenen – 2,06 Promille – zwar als hochgradige Alkoholisierung einzuordnen ist. Jedoch ist aufgrund der Angaben der Zeugen von einer Alkoholgewöhnung der H. W. auszugehen (kein gravierender Rauschzustand, auch nicht auf den Videoaufzeichnungen aus dem Club „E.“ für die Sachverständige erkennbar), so dass trotz des Einflusses von Alkohol auf das zentrale Nervensystem betreffend H. W. von einem Erhalt der motorischen und kognitiven Fähigkeiten auszugehen ist. Diese Einschätzung teilt auch die Sachverständige … (Ziff. D. II. 18.3.2.), die hinsichtlich der Frage, ob relevante Einschränkungen oder gar eine Aufhebung der Handlungsfähigkeit vorlagen, auf die Alkoholtoleranz der individuellen Person abgestellt hat und unter Berücksichtigung der Videoaufnahmen aus dem „E.“ sowie der Zeugenaussagen betreffend den Zustand von H. W. in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 derartige Einschränkungen nicht eruieren konnte.
1125
Damit fehlen bei Gesamtbetrachtung dieser Aspekte Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungsfähigkeit von H. W. zum Zeitpunkt des Verlassens des „E.s“ in einer Form eingeschränkt gewesen wäre, die ein Unfallgeschehen – unabhängig von den bisher genannten Aspekten, die ein solches bereits ausschließen – wesentlich hätte begünstigen können.
19.7.5. Bekleidungszustand
1126
Auch der Bekleidungszustand (Ziff. D. II. 17.2.1.) ist für die Kammer ein Indiz dafür, dass kein Unfallgeschehen vorgelegen haben kann.
1127
Es war unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. … (Ziff. D. II. 18.2.) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus hydrodynamischer Sicht auszuschließen, dass dem Körper von H. W. durch Hindernisse oder die Strömung die Hose über die Schuhe (diese waren bei Auffindung noch an den Füßen) und auch die Lederjacke – die Kleidungsstücke waren zudem nass, was das Ausziehen erschwert – hätten ausgezogen werden können. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zum einen beide Kleidungsstücke keine relevanten Beschädigungen aufwiesen
(an der Hose war nur der seitliche Reißverschluss links defekt, vgl. Videozusammenschnitt und in Augenschein genommene Lederhose),
sowie zum anderen die Hose bei Auffindung vollständig auf links gedreht war, bei der Jacke jedoch nur der linke Ärmel auf links gedreht war. Das Entkleiden insbesondere der Jacke mit engen Ärmeln durch Wasserkraft mit einem noch auf rechts gedrehten Ärmel, ist nicht nachvollziehbar.
1128
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Verteidigung auch nicht aus der Anhörung des Sachverständigen Dr. … zu dieser Frage, da dieser angab, dazu keine abschließende Antwort geben zu können, da diese Beurteilung nicht sein Fachgebiet betrifft, für die Beantwortung dieser Frage vielmehr Aspekte der Fließkräfte und Hydromechanik ausschlaggebend sind (vgl. Ziff. D. II. 18.3.4.).
1129
Ein eigenständiges Entkleiden in einem reißenden Gewässer mit einer Höhe von 1,40 m ist auszuschließen – unabhängig von der Feststellung, dass H. W.bei Gelangen ins Gewässer bereits im Bewusstsein eingetrübt bzw. bewusstlos war. Insoweit ist zu sehen, dass der Bärbach nur 2,30 m breit ist. Ein Ausziehen der Jacke und der Hose (über die Schuhe) in dem aufgrund der Hochwassersituation reißenden Bach durch H. W. selbst, um ans Ufer zu schwimmen (so die These der Verteidigung), ist nicht plausibel. Das Ufer des Bärbaches (2,30 m breit) ist im ungünstigsten Fall 1,15 m entfernt, also zum Greifen nahe.
1130
Schließlich hat die Kammer als Indiz dafür, dass H. W. die Kleidung (Hosen und Jacke) durch einen Dritten ausgezogen wurde, einbezogen, dass aus rechtsmedizinischer Sicht die Einblutungen und Schürfungen an den Extremitäten auch durch ein kräftiges Drücken nach unten oder Ziehen an Kleidungsgegenständen entstanden sein könnten (vgl. Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1131
In der Gesamtschau dieser Erwägungen hat die Kammer keinen Zweifel, dass weder H. W. sich selbst Hose und Jacke ausgezogen hat noch ein Ausziehen dieser Kleidungsstücke während des Treibevorganges erfolgt ist. Das Entkleiden erfolgte vielmehr durch den Angeklagten, der Täter des Übergriffs auf H. W. war (vgl. dazu Ziff. D. II. 19.8.).
1132
Schließlich ist auch von Relevanz für den Ausschluss eines Unfallgeschehens, dass der Zeuge … (Ziff. D. II. 15.1.) geschildert hat, dass der Angeklagte S. … in dem „Offenbarungsgespräch“ im Dezember 2022 ihm gegenüber angab, dass „er (S. T.) sie ins Wasser geworfen hat“. Das spricht eindeutig gegen ein Unfallgeschehen. Betreffend die Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen … wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen (D. II. 19.8.1.2.).
1133
Indiz gegen ein Unfallgeschehen ist letztlich auch der von der Zeugin … (Ziff. D. II. 14.4.) geschilderte Schrei in Todesangst.
1134
Das Gericht verkennt nicht, dass die Charakterisierung des Schreis (Schrei in Todesangst) einem Eindruck der Zeugin geschuldet war. Denktheoretisch möglich ist zwar, dass ein Schrei auch erfolgt sein könnte, wenn ein Unfallgeschehen vorgelegen hätte. Allerdings ist im Konkreten der Schrei nicht isoliert zu sehen, sondern im Kontext auch mit dem von H. W. um 02:32:09 Uhr aktiv gewählte Notruf. Wäre das aktive Wählen des Notrufes – wie es die „Verteidigerversion“ in den Raum stellt, vgl. nachfolgend – nach dem Fallen in den Bärbach im Rahmen des Austretens/eines Unfallsgeschehens durch H. W. möglich gewesen (unter Außerachtlassung vorgenannter Aspekte, die dies bereits ausschließen) und erfolgt, wäre auch davon auszugehen, dass sie nicht nur einen Schrei ausgestoßen hätte, sondern mehrere Schreie, Hilferufe, um auf ihre missliche Situation aufmerksam zu machen. Damit ist ein Schrei im Rahmen eines Unfallgeschehens nicht plausibel.
19.7.8. „Verteidigerversion“
1135
Die von der Verteidigung in den Raum gestellte „Unfallversion“, H. W. sei, als sie ausgetreten sei, in den Bärbach gefallen, wo sie erst um 02:32:09 Uhr durch 2x-iges Drücken der Schaltfläche Notruf und das Auswählen des Notrufkontaktes „home“ den Notruf absetzte, anschließend sich selbst Hose und Jacke auszog, um an das (max.) nur 1,15 m entfernte Ufer zu schwirmmen, dann ertrunken sei und sich die festgestellten Verletzungen während des Treibens bis zum Auffindeort zugezogen habe, ist unter Berücksichtigung der dargelegten Aspekte, die eindeutig gegen ein Unfallgeschehen sprechen, ausgeschlossen.
1136
Seitens der Kammer ist deshalb insoweit lediglich nochmals besonders zu betonen, dass das Verletzungsbild eindeutig gegen die „Unfallversion“ spricht. Das Verletzungsbild in seiner Gesamtheit kann nicht (vollständig) während des Treibevorganges entstanden sein, insbesondere betreffend die festgestellten Kopf- (ohne Schürfungen) und Akromionverletzungen sowie die flächigen und massiven und Ein-/Unterblutungen im Rückenbereich sowie die Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen.
1137
Ebenfalls nicht in Einklang mit der „Verteidigerversion“ zu bringen ist das Absetzen des Notrufes um 02:32:09 Uhr an den Notfallkontakt „home“, wie bereits ausgeführt.
1138
Insbesondere sind auch nochmals die Erkenntnisse der Rechtsmedizin in die Beurteilung einzustellen, dass eine Handlungsfähigkeit von H. W. aufgrund der Bewusstseinseintrübung zum Zeitpunkt des Gelangens ins Wasser nicht mehr gegeben und aufgrund ihrer Alkoholisierung (Gefäße weit, bei Gelangen ins kalte Wasser Abfall des Blutdrucks und der Herzleistung) – selbst wenn sie entgegen der tatsächlichen Feststellungen bewusstseinsklar gewesen wäre – ihr eine Synchronisierung von Atmung und Bewegung nicht mehr möglich gewesen wäre (Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1139
Damit konnte H. W. nicht (wie von der Verteidigung behauptet) noch 1-2 min Schwimmbewegungen ausführen. Das Absetzen des Notrufs durch H. W.kann nicht im Wasser erfolgt sein. Ebenso wenig konnte H. W. sich im Wasser Jacke sowie Hose über die anbehaltenen Sneaker (Gr. 41) ausziehen (Ziff. D. II. 18.2.), um der Theorie der Verteidigung entsprechend ans Ufer zu schwimmen.
1140
Die von der Verteidigung vorgebrachte „Unfallversion“ des „Austretens“ wird auch nicht durch den Umstand gestützt, dass in der Harnblase von H. W. eine Urinmenge von lediglich 1 ml gefunden wurde, da – so … und … (vgl. Ziff. D. II. 18.3.2. und 18.3.3.3.) – neben einer bewussten Entleerung ebenso eine unbewusste postmortale Entleerung plausibel ist.
1141
19.8. Täterschaft des Angeklagten S. T.
1142
Unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses in der Gesamtbewertung steht die Täterschaft des Angeklagten T. für das Gericht zweifelsfrei fest und zwar aus folgenden Erwägungen:
19.8.1. … (Geständnis + Täterwissen)
19.8.1.1. Inhalt der Aussage
1143
Der zeuge … Ziff. D. II. 15.1.1.), der im Zeitraum 03.11.2022-28.02.2023 in der JVA Traunstein in Untersuchungshaft war (dann Verlegung in die JVA Bernau) gab betreffend das verfahrensgegenständliche Geschehen an, dass sich S. T. ihm gegenüber offenbarte.
1144
S. T. äußere gegenüber ihm/Zeuge: „Ja, ich habe etwas mit dem Fall zu tun“. Er/T. schilderte i.E. Folgendes:
- Er/T. hat ein sexuelles Interesse an der Frau gehabt. Er hat sie vergewaltigen oder sonst sexuell missbrauchen wollen.
- Er/T. hat erwähnt, dass er sie vom Sehen her kennt und schon ganz hübsch fand.
- Er/T. schildert, dass es ein Stückchen weiter weg vom „E.“ war (Tatort).
… selbst gab an, die Örtlichkeit nicht zu kennen.
- Weiter schildert T., dass er sie bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehren kann. Er/T. hat – dies konnte … nicht mehr konkret erinnern – entweder geäußert, dass er sie zunächst beim Draufschlagen nicht umbringen wollte oder er/… selbst hat dies aus der Art, wie T. das erzählte, geschlussfolgert.
- Ob er/T. sie tatsächlich vergewaltigt oder missbraucht hat, sagte T. nicht.
- Dann hat er/T. sie in den Fluss geworfen – im Fluss „entsorgt“, wobei der Zeuge … den Begriff des „Entsorgens“ als seinen eigenen bezeichnete, aber angab, S. hat das in einer Art und Weise gesagt, dass das mit dem Begriff „entsorgen“ gleich zu setzen war.
1145
Damit bekundet der Zeuge … ein Geständnis des S. T.hm gegenüber. Außerdem bekundet er Umstände, die nur der Täter wissen konnte.
1146
Die These der Verteidigung, S. T. habe gar nicht mit … über den … „Fall H.“ gesprochen, ist ebenso wie die These der Verteidigung, S. T. habe mit … zwar vielleicht über den „Fall H.“ gesprochen, diesem gegenüber aber weder ein Geständnis abgelegt noch Täterwissen offenbar, widerlegt und zwar aus folgenden Erwägungen:
* Keine Abwehrverletzungen/kein Kampfgeschehen
1147
… bekundet inhaltlich Angaben von S. T., die Täterwissen darstellen.
1148
Dass die Frau bewusstlos geschlagen wurde, damit sie sich nicht wehrt, bzw. es kein Kampfgeschehen gab, war nie Thema in Presseartikeln, weder denjenigen, die unmittelbar nach der Tat erschienen (vgl. Selbstleseverfahren Nr. 1, Ziff. D. II. 17.1.1.) noch denjenigen, die nach Beginn der Hauptverhandlung am 12.10.2023 erschienen (vgl. Selbstleseverfahren Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5 (Ziff. D. II. 17.1.2.)). Dies wusste nur der Täter.
1149
Dass die Schläge gesetzt wurden, um zu verhindern, dass die Frau sich wehrt, deckt sich aber objektiv vollständig mit den rechtsmedizinischen Erkenntnissen. Anhaltspunkte für Abwehrverletzungen wurden von der Sachverständigen … nicht festgestellt (vgt Ziff. D. II. 18.3.3.2. und D. II. 18.3.3.3.). Ein Kampfgeschehen ist also nicht anzunehmen. Bei einem Angriff, dessen sich H. noch hätte erwehren können (und sich erwehrt hätte), wären aber Abwehrverletzungen an den Händen, die sie schützend an/über den Kopf gehalten hätte, zu erwarten. Dass es objektiv keinen Kampf gab, war nie Gegenstand in der Presse.
* Eintritt von Bewusstlosigkeit bei H.
1150
H. W. ist nicht an der Gewalteinwirkung durch den Täter verstorben, sondern ertrunken, was Gegenstand der Presseberichterstattung ab Prozessauftakt war.
1151
Ein wesentlicher Aspekt ist jedoch, dass T. gegenüber … sagte, dass er sie bewusstlos geschlagen hat (damit sie sich nicht wehren kann), nicht, dass er sie tot geschlagen hat. Das ist, pbjektiv belegt durch die rechtsmedizinischen Erkenntnisse (…, Ziff. D. II. 18.3.2., und Prof. M., Ziff. D. II. 18.3.3.2.):
- Magehinhalt nur 110 ml, spricht dafür, dass H. bewusstseinseingetrübt oder bewusstlos ins Wasser gelangt ist, also nicht bewusstseinsklar ins Wasser gelangte und ertrank;
- zudem keine Verletzungen/Spuren an den Händen, v.a. Handinnenflächen, die zu erwarten wären, wenn sie bewusstseinsklar ins Wasser gefallen wäre und versucht hätte, sich am Ufergestrüpp festzuhalten);
- die Kopfverletzungen waren nicht todesursächlich (keine knöchernen Verletzungen am Schädel oder Verletzungen innerhalb der Schädelhöhle.
1152
Diese detailreichen, mit den objektiven Feststellungen plausibel in Einklang zu bringenden Umstände, waren nie öffentlich bekannt gemacht worden.
* Bei Schlägen/Angriff außerhalb des Wassers kein Tötungswille
1153
Weiter isr bedeutsam, dass der Zeuge … entweder direkt von S. T. erfuhr, dass die Schläge nicht mit Tötungswillen erfolgten oder er dies aus der Art, wie T. es ihm gegenüber schilderte, schlussfolgerte, was in „Einklang“ steht mit den eigenen Angaben von S. T. im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022.
1154
Wie die Zeugin KHK … (Ziff. D. II. 12.) referierte, hat S. T. am 10.11.2022 befragt danach, ob er sich vorstellen könne, was passiert ist, als seine (T.) Erklärung, wie es abgelaufen sein könnte, angegeben, … dass er nicht wisse, wie er das jetzt sagen solle dass er (der Täter) ihr dann irgendwas draufgehauen hat oder so … irgendwie einen Stein oder so … dass das mit dem Stein schlagen aber noch nicht zum Tod geführt hat … Das kann man ja auch nicht wissen, wie hart der drauf schlägt. …
1155
Tatsächlich verstarb H. W. nicht durch die Angriffe auf ihre körperliche Integrität vor Einbringen ins Wasser.
* Motiv des Angriffs war sexueller Art
1156
Betreffend das Motiv, ein sexuelles Interesse, ist zwar zutreffend, dass dies in der Presse ab dem Prozessauftakt Thema war.
1157
Dies spricht aber nicht dagegen, dass S. T. tatsächlich ein sexuelles Interesse hatte und dies auch dem M. gegenüber angab.
1158
Von einer tatsächlich erfolgten „Vergewaltigung“ sagte M. gerade nichts, d.h. schilderte nicht, dass T. ihm gegenüber angegeben hätte, die Frau tatsächlich vergewaltigt bzw. missbraucht zu haben. Dies entspricht den objektiven Feststellungen aus der rechtsmedizinischen Untersuchung, dass keine Verletzungen im Genitalbereich der H. W. festgestellt wurden, ebenso wenig Spermaspuren (Ziff. D. II. 18.3.3.3.), auch saß der unbeschädigte Stringtanga am Leichnam bei Auffindung regelgerecht (Ziff. D. II. 2.; 3.1. oder 18.3.1.).
1159
Der Angeklagte hat H. W. aber bereits Hose und Jacke ausgezogen (vgl. v.a. Ziff. D. II. 18.2. und D. II. 19.7.5.), was ein sexuelles Motiv nahelegt.
1160
Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass der Angeklagte eine Affinität zu sexuellen Inhalten mit Gewaltanwendung hat (Ziff. D. II. 16.2.), damit auch eine Motivation sexueller Art zur Tatzeit schlüssig ist:
1161
So ergab die Auswertung seines Handys „Xiaomi Mi A2 Lite“ (Ziff. D. II. 16.2.1.) und des dortigen Webverlaufs im Zeitraum 06.08.2019 bis 01.03.2022 den mehrfachen Aufruf von Suchbegriffen wie,
* „Vergewaltigung“ – „Endfürung“ – „Endfürung Porno“ – „Folter“ – „Vergewaltigung“ – „Tenager“ – „Tinager“ – „Gezwungen zum sex“ – „Gezwungen“ – „Kitneper“ – „Endfürung“ – „Vatter und“
1162
Im Zeitraum nach der Tat vom 27.10.2022 bis 30.10.2022 ist der mehrfache Aufruf von den Suchbegriffen
* „Sex Bruder und Schwester“
* „Sex Vater und Tochter“
* „Sex Vater und Tochterr“
festzustellen, wie durch den Zeugen KHK … referiert.
1163
Der Zeuge KOK … (Ziff. D. II. 16.2.1.) hat betreffend die Auswertung dieses Handys und des WebVerlaufes für den Zeitraum 04.08.2022 – 02.11.2022 insgesamt (bereinigt) 3.198 gelistete Webseiten festgestellt
(zutreffend hat die Verteidigung zwar darauf hingewiesen, dass die Suchbegriffe zur Ermittlung des Webverlaufs von der Polizei eingegeben wurden; wie im Rahmen der erhobenen Beweise, Ziff. D. II. 16.2.1., i.E. dargelegt, ist insoweit jedoch eine Bereinigung im Hinblick auf mehrmalige Protokollierungen erfolgt und die Suchbegriffe an den vorgenannten, von S. T. eingegebenen GoogleSuchbegriffen orientiert worden).
1164
Im Rahmen der Auswertung dieser gelisteten Webseiten war festzustellen, dass 3.097 Webseiten mit pornographischem Inhalt vorlagen, d.h. 97 % der Inhalte betrafen, nur 3 % (99 Webseiten) hatten keinen pornographischen Inhalt.
1165
Des Weiteren war in zeitlicher Nähe zum 03.10.2022 festzustellen, dass es etwa am 27.09.2022 zu 412 Seitenaufrufen mit pornographischem Inhalt kam, am 28.09.2022 zu 31, am 29.09.2022 zu 451 und am 30.09.2022 zu 229. Auch wenn der Verteidigung Recht zu geben ist, dass nicht bezüglich jedem einzelnen Aufruf einer Webseite mit pornographischem Inhalt feststellbar ist, dass S. T. diese von „A bis Z“ konsumiert hat, so ergibt die Häufigkeit der Aufruf jedoch, dass er sich intensiv mit diesen Inhalten beschäftigt hat, auch in Bezug auf seine eigene Person (s. etwa Suche nach einem Präparat, durch dessen Einnahme der Penis innerhalb weniger Wochen 7-11 cm wachse, am 03.10.2022).
1166
Die Webseiten beinhalteten – so die Auswertung – auch Sexvideos mit Gewaltdarstellungen (anhand der URL Titel war die Einordnung möglich). Wenn diese auch – wie KOK … ausführte – nur noch vereinzelt herunterzuladen waren, so war z.B. ein 19-minütiges Video, welches am 30.09.2022 um 14:24:54 Uhr aufgerufen worden war, mit dem Titel „Cute russian blonde strangled and fucked“ (vgl. zum Inhalt Ziff. D. II. 17.3.6.) noch herunterzuladen und wurde mit allen Verfahrensbeteiligten durch Abspielen in Augenschein genommen.
1167
Dass S. T. die Kombination von Sex und Gewalt in den Bann zog, äußerte er selbst gegenüber dem Zeugen R. G. (Ziff. D. II. 15.3.): Ihm gegenüber gab S. T. an, dass ihn Sexvideos mit Gewalt interessieren und faszinieren.
1168
Auch dies dokumentiert bei lebensnaher Bewertung, dass S. T. nicht nur ein einziges Sex-/Gewaltvideo angeklickt und angeschaut hat.
1169
S. T. war zudem „enttäuscht und traurig“ (vgl. Zeugen … Ziff. D. II. 6.5.), dass er keine Freundin, in seinem bisherigen Leben keine Beziehung hatte (äußert er selbst bei seiner Zeugenaussage am 10.11.2022, vgl. KHK … Ziff. D. II. 12., und gegenüber dem Zeugen …, Ziff. D. II. 15.3., sowie dem Sachverständigen … Ziff. D. II. 18.4.2.) was ein sexuelles Motiv betreffend sein Handeln schlüssig macht.
1170
Gegenüber dem Zeugen … (Ziff. D. II. 15.3.) erwähnte T. dass er keine Freundin hatte. Er erzählte auch von einer … für die er sehr geschwärmt, dieser auch mal über den Oberoberschenkel gestrichen hat (welche das nicht wollte).
… (Ziff. D. II. 6.11.) berichtete Gleiches und auch, dass ihre Schwester … aber von S. „nichts“ wollte, er das nicht immer gleich einsah. … gab an (Ziff. D. II. 6.11.), dass S. T. gegenüber ihrer Tochter … ein bisschen aufdringlich war.
1171
Gegenüber … (Ziff. D. II. 15.1.) – auch dies war bis zu dessen Einvernahme am 24.10.2023 kein Thema in Presseartikeln – gab S. T. an, dass er nie wirklich Chancen bei Frauen hatte, noch nie eine sexuelle Beziehung hatte, sich erniedrigt gefühlt hat, weil er immer wieder Ablehnung und Körbe erhielt, was im Übrigen dafür spricht, dass es tatsächlich zwischen … und S. T. ein „Offenbarungsgespräch“ gab und damit für dessen Glaubwürdigkeit (s. auch nachfolgend Ziff. D. II. 19.8.1.2.). Dass seine „Annäherungen“ an Mädchpn/Frauen frustrierend für ihn waren, schilderte S. T. nämlich auch gegenüber dem forensisch-psychiatrischen Sachverständigen … (Ziff. D. II. 18.4.2.), der dies aber erst am 22.12.2023 und damit nach Vernehmung des … am 24.10.2023 einführte.
1172
Dies ist auch naheliegend unter Berücksichtigung der Schilderungen etwa der Zeuginnen … (Ziff. D. II. 6.10.). S. T. war Ende September/Anfang Oktober 2022 von A. nach Ettenhausen/Baden-Württemberg, immerhin ca. 350 km, gefahren. Nach einem Tag kam es zu einem abrupten Abbruch. S. fuhr „etwas enttäuscht“ nach Hause.
1173
Der Zeuge … (Ziff. D. II. 6.5.) erwähnte ein Interesse von S. an einer Pfadfinderin und an einer Freundin von …, aus dem nichts wurde, was S. traurig und enttäuscht machte. Auch … (Ziff. D. II. 6.11.) erwähnte, dass S. etwa auf eine Freundin von ihr „stand“ (… die er am Bauwagen in Traunstein kennengelernt hatte, dann aber außer „Zusammenschreiben“ da nichts draus wurde.
1174
Dass und in welchem Umfang S. T. er Umstand, dass er keine Freundin und bei Frauen keine Chance gehabt hat, in seinem bisherigen Leben beeinflusst hat, ist auch durch den Vorfall während der Untersuchungshaft am 20.01.2023 belegt. An diesem Tag schlug er mit seiner rechten Hand so kräftig gegen die Zellenwand, dass es zu einem Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand kam. Gegenüber … (Ziff. D. II. 18.4.2.) äußerte T. dass er gegen die Wand schlug, weil er recht viel an eine „Janina“ gedacht hat. Wenn er über Mädls nachdenkt, wird er über sich selber zornig. … bezeichnete diesen Vorfall als einen unerwartet massiven Impulsdurchbruch.
1175
Zudem ist hinsichtlich der Feststellung, dass das Motiv des Übergriffs auf H. W. ein sexuelles Interesse war, einzustellen, dass H. W. vom Täter – wie objektiv festgestellt (vgl. i.E. Ziff. D. II. 19.7.5.) – (teilweise) ausgezogen wurde.
1176
Schließlich gab … an, dass S. ihm offenbarte, sie ins Wasser geworfen zu haben.
1177
Dies schließt ein Unfallgeschehen – das wie dargelegt auch aus anderen Aspekten ausscheidet (Ziff. D. II. 19.7.) – aus. Dieser „Offenbarungsaspekt“ entspricht vielmehr den objektiven Feststellungen durch die Sachverständigen …, die ein Unfallgeschehen ausschließen.
1178
Den Tatortbereich gab S. gegenüber … mit ein bisschen weiter weg vom „E.“ an – auch dies deckt sich mit den weiteren objektiven Erkenntnissen zur Tatörtlichkeit, etwa 240 m entfernt vom „E.“ (Ziff. D. II. 19.6.).
19.8.1.2. Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen …
1179
Die Kammer war sich bewusst, dass Mithäftlinge/Straftäter oder Beschuldigte und die Frage der Glaubwürdigkeit ihrer als Zeugen gemachten Aussagen einer besonders kritischen Prüfung zu unterziehen sind unter Einbeziehung der Persönlichkeit (einschließlich bestehender Krankheitsbilder) und der Umstände der Entstehung der einen Angeklagten belastenden Aussage.
1180
Um die Glaubwürdigkeit des … zu prüfen, hat das Gericht daher dessen Person kritisch hinterfragt, insbesondere auch durch Beiziehung verschiedener, im Selbstleseverfahren … (Ziff. D. II. 17.1.3.) eingeführter Urkunden und Dokumente, der im Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ (Ziff. D. II. 17.1.2.) eingeführten Zeitungsartikel, sowie durch die im Rahmen der Hauptverhandlung insoweit gehörten Zeugen – Richter am Amtsgericht … (Ziff. D. II. 15.1.4.), KK’in … (Ziff. D. II 15.1.2.) … (Ziff. D. II. 15.1.5.) sowie … (Ziff. D. II. 15.2.) und … (Ziff. D. II. 15.3.).
1181
Voranzustellen ist zunächst, dass die Frage der Glaubwürdigkeit nicht im Sinne einer Persönlichkeitseigenschaft, sondern betreffend eine konkrete Aussage innerhalb eines spezifischen Kontextes zu beurteilen ist.
1182
Diesbezüglich war vorab festzustellen, dass die Angaben des Zeugen M. dokumentieren, dass S. T. ihm Täterwissen offenbart hat,
- Informationen gab, die im Wesentlichen nicht Gegenstand der Presseberichterstattung waren,
- und er/M. gerade Falschinformationen der Presse nicht vortrug (s. i.E. nachfolgend).
1183
Kenntnis von diesen Informationen/Umständen hatte nur der Täter.
1184
Da Anhaltspunkte jeglicher Art fehlen, dass … selbst einen Tatbezug hat, muss er die Informationen vom Täter S. T. erhalten haben, der Täterwissen offenbarte. M. kann sich die geschilderten, z.T. detailiierten Umstände nicht ausgedacht haben, da sie sich im Wesentlichen mit den objektiv erhobenen Befunden der Sachverständigen decken, weshalb eine Lüge nicht anzunehmen ist. Die Schilderungen des … können auch nicht zufällig den Tatsachen entsprechen, da ein bestimmter Ablauf der Tat nicht ohne weiteres zwingend auf der Hand liegt.
1185
Im Übrigen hält der Zeuge … auch einer Glaubwürdigkeitsprüfung uneingeschränkt Stand:
1186
Soweit seitens der Verteidigung des Angeklagten T. insoweit vorgebracht wurde, … „sei ein notorischer Lügner“, hat dies die Beweisaufnahme nicht ergeben:
- Festzustellen war zwar, dass …im Verfahren gegen seine Mutter
- die Anzeige gegen sie hatte allerdings nicht … initiiert, sondern dessen Schwester … (vgl. Selbstleseverfahren „…“, Ziff. D. II. 17.1.3. → Strafanzeige gegen …, Cs gegen … Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Laufen vom 01.06.2022 sowie Urteil in diesem Verfahren) -
d.h. im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens andere Angaben gemacht hat, als im Rahmen der Hauptverhandlung, wo er nach Belehrung – so auch der Zeuge R. am Amtsgericht … (Ziff. D. II. 15.1.4.) – angab, dass er seine Mutter falsch belastet hat. Der Zeuge …, der vor seiner strafrichterlichen Tätigkeit 13 Jahre lang Familienrichter war, legte aber dar, dass … sich in einem Loyalitätskonflikt befand, die Eltern ihn gegeneinander ausspielten. Dies ist im Rahmen von Familienstreitigkeiten, in denen Eltern öfters versuchen, ihre Kinder zu instrumentalisieren, nichts Ungewöhnliches. Auf Vorhalt des Protokolls der Hauptverhandlung vom 01.06.2022 erinnerte der Zeuge … dass Thema war, dass der Vater seinen Sohn … manipuliert und gewollt hat, dass … die Mutter falsch belastet, damit er die Kinder behalten kann.
1187
Die vom Zeugen … im Verfahren gegen seine Mutter geäußerte Unwahrheit (entweder im Ermittlungs- oder Hauptverfahren) ist damit nicht geeignet, eine generelle Unglaubwürdigkeit von ihm im gegenständlichen Verfahren getätigter Aussagen zu begründen, da sie im Kontext mit einem ganz spezifischen, durch die Familienstreitigkeiten begründeten Loyalitätskonflikt stand.
- Weitere von der Verteidigung im Rahmen der Beweisanträge Nr. 2 und Nr. 10 vorgebrachte Aspekte, die die Behauptung stützen sollten, … sei ein „notorischer Lügner“ und habe daher auch im gegenständlichen Verfahren die Unwahrheit sagt, haben sich demgegenüber nicht ergeben:
* Vielmehr war festzustellen, dass der Zeuge … (vgl. Selbstleseverfahren „M.“, Ziff. D. II. 17.1.3) in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Mühldorf am Inn am 07.12.2022, in dem er wegen verschiedener Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Besitzes pornographischer Schriften u.a. verurteilt worden war, sich geständig, einsichtig und reuig gezeigt hat. Wie die Verteidigung des Angeklagten T. daraus meint, den Schluss ziehen zu können, … habe in diesem Verfahren die Unwahrheit gesagt, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar.
* Gleiches gilt im Ergebnis für die Verteidigerbehauptung, … habe einen Mithäftling zu Unrecht der sexuellen Nötigung bezichtigt.
1188
Dies ist eine Behauptung ins Blaue. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, im Verfahren 430 Js 37675/23 insoweit zwischenzeitlich Anklage gegen den Mithäftling wegen zweier Fälle der sexuellen Nötigung, Tatzeit Ende Juni 2023 und 13.07.2023, erhoben, geht also zumindest von einem hinreichenden Tatverdacht aus, wenn das Verfahren auch noch nicht abgeschlossen ist. Der Mithäftling ist am 04.10.2023 nach Ungarn abgeschoben worden (Ziff. D. II. 15.1.6.).
* Ebenso hat sich die „Meldung“ des … in der JVA betreffend einen Mithäftling, dass ein gefundenes Haschischpäckchen diesem gehört, als zutreffend erwiesen. Dies hat der Zeuge … (Ziff. D. II. 15.1.5.) dargestellt. Im Übrigen ergab sich aus der verlesenen ZVD (Ziff. D. II. 15.1.6.) betreffend diesen Mithäftling, dass eine am 21.07.2023 durchgeführte Urinkontrolle bei dem Mithäftling positiv war. Des Weiteren dokumentiert das im Selbstleseverfahren … (Ziff. D. II. 17.1.3.) zu diesem Vorgang gefertigte und eingeführte DNA-Gutachten, dass die molekulargenetische Untersuchung des am Haschisch gesicherten Zellmaterials ergab, dass dpr genannte Mithäftling Mitverursacher der Spur war, und zwar als Hauptkomponente; nach der molekulargenetische Untersuchung ist er 2,0 × 1020 mal wahrscheinlicher Mit-Spurenverursacher als eine unbekannte Person. Auf der Packung selbst wurde ebenfalls DNA gesichert, Alleinverursacher war der Mithäftling.
1189
Damit ist auch betreffend diesen Sachverhalt davon auszugehen, dass … die Wahrheit gesagt hat, was bereits isoliert betrachtet die Behauptung der Verteidigung widerlegt, … sei ein „notorischer (= gewohnheitsmäßiger/ständiger) Lügner“.
* Soweit seitens der Verteidigung daneben versucht wurde, die Glaubwürdigkeit von …s-… betreffend seine Aussage im gegenständlichen Verfahren dadurch zu erschüttern, dass er zum einen Borderliner sowie eine dissoziale Persönlichkeit und zum anderen ein weiteres Verfahren gegen ihn anhängig ist, sind auch diese beiden Aspekte dazu nicht geeignet:
1190
Zwar ist es zutreffend (vgl. Selbstleseverfahren „… und die eingeführte gutachterliche Stellungnahme von Prof. … vom 13.04.2023, Ziff. D. II. 17.1.3.), dass bei … folgende Diagnose gestellt wurde: Die Primärpersönlichkeit (neben einer depressiven Anpassungsstörung und einer vordiagnostizierten hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens) zeigt deutliche Borderlinerzüge und eine dissoziale Entwicklung. Die Schlussfolgerung, die seitens der Verteidigung T. daraus gezogen wurde, er sei deshalb ein „notorische Lügner“, ist jedoch durch nichts belegt, vielmehr durch die bereits zuvor genannten Tatsachen, die belegen, dass … in verschiedenen Situationen nachweisbar die Wahrheit gesagt hat, widerlegt (ebenso durch die nachfolgend dargelegten Argumente, insbesondere im Zusammenhang mit den „Pressetexten zum Beweisantrag Nr. 5“, Ziff. D. II. 17.1.2.).
1191
Zutreffend ist (vgl. ebenfalls Selbstleseverfahren „…, Ziff. D. II. 17.1.3.), dass gegen … ein neues Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs anhängig ist (Anklageschrift vom 26.09.2023), weshalb er sich auch seit 03.11.2022 in Untersuchungshaft befindet. Zutreffend ist zudem, dass … nach Anklage mutmaßlichen späteren Opfern gegenüber wahrheitswidrig angegeben haben soll, an Krebs im Endstadium zu leiden, um diese zu sexuellen Handlungen zu veranlassen. Insoweit ist jedoch zu sehen, dass dies für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Aussage im gegenständlichen Verfahren, d.h. betreffend seine konkrete Aussage innerhalb eines spezifischen Kontextes, keine Relevanz hat, insbesondere, da … Umstände und Inhalte aus dem „Offenbarungsgespräch“ wiedergab, die nur der Täter S. T. wissen konnte (s.o.).
* Schließlich gab der Mithäftling und Zeuge … (Ziff. D. II. 15.2.) befragte nach der Persönlichkeit des … an, dass er mit diesem „wegen der pädophilen Sachen, die er mache, zwar nicht rede“, aber niemand gesagt hat, dass … ein Zinker oder nicht geradlinig sei.
1192
Die Zeugin KK’i… (Ziff. D. II. 15.1.2.), die die polizeiliche Vernehmung von … in der JVA Bernau durchgeführt hatte, schilderte, dass sie sich schon danach umgehört hat, was für ein Typ … ist. Dabei trat zutage, dass er gern „best buddy“ ist, auch mal erwähnt, was andere Häftlinge so gemacht haben, sie aber keinerlei Informationen darüber erlangt hat, dass diese Aussagen nicht der Wahrheit entsprochen hätten.
* Damit haben sich für die Kammer keinerlei generelle Aspekte ergeben, dass … ein „notorischer Lügner“ und seine im gegenständlichen Verfahren getätigte Aussage bereits deshalb unglaubwürdig wäre.
1193
Es gilt im Übrigen: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach demjenigen, der einmal gelogen hat, auch ansonsten nie zu glauben ist (Löwe-Rosenberg/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 StPO Rn. 237).
1194
Vielmehr ist die Kammer von der Glaubwürdigkeit seiner Angaben im gegenständlichen Verfahren überzeugt, und zwar im Hinblick auf folgende Aspekte:
→ Zunächst haben sich keine Hinweise oder Anknüpfungstatsachen dahingehend ergeben, dass … nicht über eine allgemeine Aussagetüchtigkeit verfügt.
1195
Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, Erinnerung oder des Ausdrucksvermögens sind nicht erkennbar geworden.
1196
Vielmehr hat er in zeitlicher Hinsicht
(z.B. eigene Inhaftierung, Verknüpfung von Spekulatiusessen, Weihnachtszeit und „Offenbarungsgespräch“, noch bevor T. Verletzung an der Hand hatte),
aber auch in inhaltlicher Hinsicht
(z.B. eigene Offenbarung gegenüber S. T. die im Rahmen eines sich dynamisch entwickelnden Vertrauensverhältnisses ausschlaggebend dafür war, dass sich auch S. offenbarte)
grundsätzlich die erforderlichen kognitiven Fähigkeiten für das Tätigen einer realitätsbezogenen Aussage erkennen lassen.
1197
Gleiches gilt insbesondere für den Inhalt und die Schilderungen hinsichtlich der Äußerungen von S. T. ihm/… gegenüber
(z.B. Differenzierung betreffend die Frage, ob er direkt von S. T. erfuhr, dass die Schläge nicht mit Tötungswillen erfolgten oder er dies aus der Art, wie T. es ihm gegenüber schilderte, schlussfolgerte)
sowie die Wiedergabe eigener emotionaler Empfindungen
(z.B. konnte er mit dem, was S. ihm offenbarte, zunächst nicht umgehen, verwies ihn der Zelle, mied eine Zeit lang den Kontakt zu T. der ihm dann aber wieder leid tat, weil er immer allein war).
→ Auch die Entstehung der Aussage … hat die Kammer besonders kritisch geprüft, insbesondere, da … zum einen angab, sich auch für sein eigenes Verfahren vor der gleichen Richterin ggf. einen Vorteil erhofft zu haben und er zum anderen erst nach ca. 10 Monaten seinerseits eine Aussage zu dem „Offenbarungsgespräch“ machte.
1198
S. T. – so … – hat sich bereits im Dezember 2022 offenbart. … gab dies aber erst im Oktober 2023 „weiter“. Die dafür von … gegebene Begründung, er habe dem keine so große Bedeutung beigemessen, sich auch mehr um seine eigenen Dinge gekümmert, ist nachvollziehbar und nicht lebensfremd, zumal in Untersuchungshaft grundsätzlich nur Personen sitzen, die einer Tat (grundsätzlich nicht einer Bagatelltat) dringend verdächtig sind. Zudem wurde … am 28.02.2023 nach Bernau verlegt. Er wusste deshalb nicht, ob und ggf. wie S. T.sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf in seinem Verfahren/in der Hauptverhandlung äußert.
1199
… gab an, dass er Anfang Oktober 2023 in den Kurznachrichten vom Beginn des Prozesses im Mordfall H. gehört hat, und, dass S. nichts sagt. S. beantwortete nicht die Frage nach dem Warum. Insoweit ist nachvollziehbar, dass … bewusst war, dass er/… aus dem „Offenbarungsgespräch“ ja wusste, dass S. T. etwas mit dem Fall zu tun hat und die Frage beantworten kann. … schilderte durchgängig und konstant, dass Hauptmotiv für ihn war, jetzt etwas zu sagen, da er wollte, dass die Wahrheit an den Tag kommt. Er wollte, dass der wahre Täter gefunden wird.
1200
Ebenso unumwunden gab er auch an, dass ein weiterer Aspekt, warum er sich nun als Zeuge meldete, war, dass er sich für sein eigenes Strafverfahren eventuell einen Vorteil erwartete.
1201
Zu sehen ist jedoch, dass er sich nicht direkt an die Polizei oder das Gericht wandte. Er führte zunächst ein erstes Gespräch mit dem Beamten … Diesen fragte er, wie er sich verhalten soll, wenn er etwas zum Verfahren „H.“ zu sagen hat. Zu diesem Zeitpunkt wusste … noch gar nicht, dass er die gleiche Richterin wie S. T. seinem eigenen Strafverfahren haben wird. Der Beamte … verwies … an seinen Rechtsanwalt. Erst als … mit seinem Rechtsanwalt daraufhin Kontakt aufnahm, erfuhr er von diesem, dass er für sein eigenes Strafverfahren die gleiche Richterin haben wird, wie S. T.
1202
Es war festzustellen, dass vor Beginn der polizeilichen Vernehmung und auch vor Vernehmung von … im Rahmen der Hauptverhandlung ihm betreffend sein eigenes Verfahren keine Zusagen gemacht/Vergünstigungen in Aussicht gestellt wurden. … selbst hatte auch keinerlei Vorstellung, was ihm die Aussage bringen könnte.
1203
Der Gesetzgebung ist es abgesehen davon nicht unbekannt, dass Anreize zur Aufklärungs- (und/oder Präventions)hilfe gewährt werden (fakultative Strafmilderung bis hin zum Absehen von Strafe), wie etwa die gesetzlichen Regelungen des § 31 BtMG oder von § 46 b StGB dokumentieren.
→ Die Aussage des … war zudem zum Kerngeschehen, aber auch zum Randgeschehen, konstant, widerspruchsfrei und schlüssig.
1204
Insbesondere war betreffend die inhaltlichen Realitätskriterien festzustellen, dass die Schilderung des Zeugen … (sowohl bei der Polizei als auch vor Gericht) spontan war, detailreich
(etwa bezüglich des Zeitpunktes der Offenbarung durch S. T. Weihnachtszeit, da sie gemeinsam Spekulatius gegessen haben; noch bevor T. die Verletzung an der Hand hatte; unmittelbar nachdem er/… selbst sich dem S. T. anvertraut hatte, weshalb er/… in U-Haft sitzt),
nicht nur bezogen auf das zentrale Beweisthema. Die Aussage enthielt auch ein unverwechselbares Gepräge von der Persönlichkeit und dem Sprachstil des Zeugen …, etwa, dass „Entsorgen“ der jungen Frau, was er auf Nachfrage, wie S. T. das gesagt hat, mit „in den Fluss geworfen“ ausführte. Allerdings sagte S. das so, dass das mit dem Begriff „entsorgen“ für … t gleich zu setzen war.
1205
Gleichfalls differenzierte … im Rahmen seiner Einvernahme klar zwischen Dingen, die er sicher wusste und solchen, die er nicht sicher wusste.
1206
Ein wesentlicher Aspekt ist insoweit, dass T. gegenüber … sagte, dass er sie bewusstlos geschlagen hat, damit sie sich nicht wehren kann. Das ist objektiv belegt durch die rechtsmedizinischen Erkenntnisse (s.o.). Ob T. ausdrücklich sagte, dass er sie beim Draufschlagen nicht habe töten wollen oder das sein/… Eindruck aus der Art, wie S. es erzählte, war, ließ er offen. Er legte keinen besonderen Belastungseifer an den Tag (z.B. gab er etwa an, dass T. nicht sagte, ob er sie tatsächlich missbrauchte oder vergewaltigte).
1207
Er schilderte, dass, nachdem er mehrfach bei S. nachgebohrt hatte, weshalb dieser in Untersuchungshaft sitzt, S. schließlich auspackte und sagte, dass er etwas mit dem Fall zu tun hat, ein sexuelles Interesse an ihr hatte, dass er sie bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehren konnte und sie dann in den Fluss warf und, dass der Vorfall ein Stückchen weiter weg vom „E.“ war. Dies deckt sich in wesentlichen Punkten, wie bereits mehrfach erwähnt, mit den durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen objektiv gestützten Erkenntnissen (s.o.).
1208
Die zeitliche Einordnung dieser Offenbarung ist nachvollziehbar. … sprach davon, dass es um Weihnachten 2022 war, da er in der Weihnachtszeit so gerne Spekulatius essen würde und bei dem Gespräch sie beide Spekulatius gegessen haben. Die Offenbarung durch S. T. war noch bevor er die Verletzung an der Hand hatte.
1209
Ebenso hatte S. T. ihm bereits vor dem „Offenbarungsgespräch“ geschildert, dass er an dem Tag, wo den Mord passiert ist, in der Nähe joggen war und das an dem Tag auch einer Freundin erzählt hat.
1210
Diese Punkte schilderte er – ohne Stereotypen zu verwenden – konstant.
1211
Dass S. T. sich gegenüber … nicht sofort, sondern erst als dieser sich seinerseits T. gegenüber öffnete, offenbarte, entspricht auch dem „Charakter“ von S. T.: So beschrieb etwa der Zeuge … (Ziff. D. II. 6.5.), dass man S. T. alles aus der Nase ziehen muss, er kein „offener Typ“ ist, eine Einschätzung die auch S.’s Hausärztin, die Zeugin Dr. … (Ziff. D. II. 6.4.), teilt.
1212
Auch gab … an, dass S. sich ihm gegenüber weiter dahingehend anvertraut hat, dass er nie wirklich Chancen bei Frauen hatte, noch nie eine sexuelle Beziehung hatte, sich erniedrigt gefühlt hat, weil er immer wieder Ablehnung und Körbe erhielt. Dies spricht dafür, dass es tatsächlich zwischen … und S. T. ein „Offenbarungsgespräch“ gab. Denn, dass seine „Annäherungen“ an Mädchen/Frauen frustrierend für ihn waren, schilderte S. T. auch gegenüber dem forensisch-psychiatrischen Sachverständigen … (Ziff. D. II. 18.4.2.), der dies aber erst am 22.12.2023 und damit nach Vernehmung des … am 24.10.2023 einführte. Gegenstand der Presseberichterstattung war dies bis zur Vernehmung des … am 24.10.2023 ebenfalls nicht, weshalb … dies auch nicht aus der Presse übernommen haben kann.
→ Schließlich ergab die Überprüfung möglicher Alternativhypothesen keinerlei Hinweise, dass die Schilderungen des Zeugen … auf Fantasie, Wahrnehmungsübertragung, Induktion oder Suggestion beruhen könnten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass seine Aussage erlebnisbasiert ist:
* Die Fantasiehypothese, d.h. dass die Inhalte der Aussage des Zeuger … frei erfunden sind, ist eindeutig zurückzuweisen.
1213
Der grundlegende Unterschied zwischen einer wahren und einer nicht wahren Darstellung besteht darin, dass der aufrichtige Zeuge seinen Bericht aus dem Gedächtnis rekonstruieren muss, während der nicht aufrichtige Zeuge seine Aussage aus seinem sonstigen deliktspezifischen Wissens, sog. Schemawissen konstruieren muss. Dabei finden sich z.B. v.a. direkt zum Handlungsziel führende Handlungssequenzen. Zeugen, die nicht wahrheitsgemäße, fantasiehafte Aussagen machen, verfolgen das Ziel, beim Befragen den Eindruck eines glaubwürdigen Berichts zu erwecken und sind bemüht, ihre Aussagen zu stützen. Deshalb enthalten falsche Aussagen nur wenig Selbstkorrektur und wenig Erinnerungskritik. Stattdessen wird homogenitätssteigernde Affirmation deutlich, bei kritischen Nachfragen und Versuchen der Konkretisierung entsteht mehr Pauschalierung.
1214
All diese Kennzeichen einer frei erfundenen Aussage sind in der Aussage des Zeugen … nicht erkennbar. Er lässt Selbstkorrektur erkennen. So gibt er etwa an, nicht mehr sicher zu wissen, ob S. ihm gegenüber geäußert hat, dass er sie zunächst beim Draufschlagen nicht töten wollte oder er/… dies nur aus der Art und Weise, wie S. das erzählt hat, selbst geschlussfolgert hat. Er räumt ebenso ein, dass das Wort „Entsorgen“ der Frau im Bärbach nicht von S. benutzt wurde, sondern von ihm stammt. Auch lässt er offen, ob die Frau tatsächlich vergewaltigt bzw. missbraucht wurde, erklärte vielmehr, dass S. dazu nichts sagte.
1215
Auf der anderen Seite ist z.B. der Umstand, dass S. ihm gegenüber äußerte, die Frau geschlagen zu haben, damit sie sich nicht wehren kann, ein Umstand, der (später) durch die Rechtsmedizin eine objektive Bestätigung gefunden hat (keine Abwehrverletzungen – wenig Sekret im Magen).
1216
Bei der Prüfung der Fantasiehypothese hat die Kammer auch eingepreist, dass seitens der Verteidigung vorgebracht wurde (vgl. Beweisantrag Nr. 4), dass S. T. aus Aktenbestandteilen, die ihm von seinem anwaltschaftlichen Vertreter bereits am 23.11.2022 überlassen wurden (Bl. 0 – 431 d.A.), Kenntnis davon hatte, dass keine DNA-Spuren gefunden wurden, was der Zeuge … ebenfalls als durch S. T.geschildert angab. S. T. hat ihm/… noch vor dem „Offenbarungsgespräch“, als er ihn/T. fragte (er hat mehrfach bei T. nachgefragt, ob der Vorwurf stimmt), warum er „einsitzt“ und ob er was mit dem Mord an der H. zu tun hat, geantwortet: „Es gibt keine Spuren. An der Leiche sind keine Spuren gefunden worden, da sie im Wasser lag“.
1217
Auch dies spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Aussage des …
1218
Wie bereits erwähnt, wurde entsprechend dem Beweisantrag Nr. 4 festgestellt, dass dem S. T. am 23.11.2022 aus der Akte Bl. 0 – 431 von der Verteidigung zur Verfügung gestellt wurden. Auf Bl. 89 d.A. heißt es (u.a.) in „6. Spurensuche und Sicherung“:
1219
In der Nacht vom 02.10.2022 auf den 03.10.2022 wurden im Gemeindegebiet A. im C. starke Regenfälle verzeichnet, welche ein deutliches Anschwellen der Flusspegel zur Folge hatten. Hiervon waren auch die Prien und der Bärbach betroffen. Der Leichnam, die getragene Kleidung und die aufgefundenen Gegenstände befanden sich allesamt im fließenden Wasser. Die Spurenlage ist demnach als mangelhaft zu bezeichnen. An den sichergestellten Spurenträgern (Leichnam, Kleidung, Gegenstände) konnte lediglich DNA der Geschädigten selbst gesichert werden. Fremde DNA-Muster, als auch daktyloskopische Spuren konnten bislang nicht festgestellt werden. Die Uhr weist ebenfalls keine DNA oder daktyloskopische Spuren auf.
1220
Auch diese Angabe des Zeugen … entspricht nicht seiner Fantasie, ist vielmehr realitätsbezogen und tatsachenbasiert. Sie war nicht Gegenstand der Presseberichterstattung. S. T. hat dies aus den ihm zur Verfügung gestellten Aktenbestandteilen gewusst und gegenüber … dementsprechend erwähnt, dass „keine Spuren gefunden wurden, die ja alles untersucht haben und auch seine/T.’s DNA überprüft wurde und nichts gefunden wurde“.
* Auch ist die von der Verteidigung aufgestellte Behauptung zurückzuweisen, dass … das „Offenbarungsgespräch“ frei erfunden (s. gerade getätigte Ausführungen) bzw. den Inhalt eines solchen vermeintlichen Gespräches aus allgemein zugänglichen Quellen geschöpft hat, d.h. die Hypothese, das … bewusst falsch aussagte bzw. Erkenntnisse aus der Presse bewusst falsch als ein vermeintlich mit S. T. geführtes Gespräch darstellte. Die Kammer hat insoweit sich insbesondere mit den von der Verteidigung im Beweisantrag Nr. 5 vorgelegten Presseartikeln (vgl. Ziff. D. II. 17.1.2.) auseinander gesetzt. Diesbezüglich war Folgendes festzustellen:
- Zum einen hat … glaubhaft und glaubwürdig dargelegt, dass er sich nicht sehr für den Mord in A. interessierte, in der Haft auch keine Zeitung liest
(ohnehin fraglich, ob Presseprodukte wie die Dachauer Nachrichten, der Donaukurier oder die Aichacher Nachrichten, wie von der Verteidigung ins Blaue behauptet, in der JVA Traunstein allgemein zugänglich „ausliegen“)
und keinen Internetanschluss hat. Er hat im November 2022 beim Durchzappen zwar gesehen, dass der Fall in XY besprochen wurde, auch hat er im Oktober 2023 (in den Kurznachrichten auf RTL 2 und NTV) gehört, dass der Prozess begonnen hat.
1221
Allerdings erschüttern die von der Verteidigung insoweit vorgelegten und im Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ eingeführten Artikel (vgl. Ziff. D. II. 17.1.2.) nicht die Glaubwürdigkeit des …. Dass … vielmehr nur bekundet hat, was S. T. ihm offenbart hat, ergibt sich nochmals zusammenfassend aus folgenden Erwägungen:
- … hat auf der einen Seite Details geschildert, die er nicht aus diesen vorgelegten Zeitungsartikeln haben, sondern nur vom Angeklagten/Täter wissen konnte:
1222
So hat er – wie bereits geschildert – angeführt, dass T. ihm gegenüber äußerte, dass er die Frau bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehren konnte. Davon (warum, mit welchem Ziel das bewusstlos Schlägen erfolgte) stand nie etwas in Presseartikeln, weder denjenigen im Jahre 2022 (eingeführt im Selbstleseverfahren Nr. 1, Ziff. D. II. 17.1.1.) noch den von der Verteidigung vorgelegten aus dem Jahre 2023 im Zusammenhang mit dem Prozessauftakt (Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“, Ziff. D. II. 17.1.2.). Die Frage eines möglichen Kampfgeschehens war nicht Gegenstand der Medienberichterstattung. Allerdings steht diese Äußerung von S., die … bekundet hat, in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Rechtsmedizin, wie bereits erwähnt (keine Abwehrverletzungen – wenig Sekret im Magen).
1223
Gleiches gilt für den Aspekt, dass S. T. gegenüber … angab, dass er nie wirklich Chancen bei Frauen, noch nie eine sexuelle Beziehung gehabt hat, dass er sich erniedrigt fühlt, weil er irgendwie immer Ablehnung, Körbe erhält. Auch dieser Aspekt war bis zur Aussage des … nie Gegenstand und Inhalt von Presseartikeln. Dieser Umstand wurde (neben der Aussage von …) nur dargelegt durch den forensisch-psychiatrischen Sachverständigen …, dem gegenüber sich S. T. auch entsprechend äußerte. D… führte das aber erst im Rahmen der Hauptverhandlung am 22.12.2023 ein, also nach Einvernahme des … am 24.10.2023; danach erschienen auch entsprechende Inhalte in der Presse.
- Auf der anderen Seite hat … Details, die in den vorgelegten Zeitungsartikeln ausgeführt wurden, gerade nicht referiert, was dann, wenn er seine Erkenntnisse nicht von S. T. sondern aus den Presseartikeln gehabt hätte, naheliegend gewesen wäre:
1224
So gab … etwa – obwohl dies wiederholt in den von der Verteidigung vorgelegten Presseartikeln stand
(s. Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ etwa C.-Zeitung und Oberbayrisches Volksblatt, jeweils vom 04.10.2023, Süddeutsche Zeitung, 13.10.2023, Oberbayrisches Volksblatt, 13.10.2023) -
nicht an, dass S. T. ihm gegenüber den Tatort Kampenwandparkplatz benannt habe (vielmehr: S. T. habe insoweit geäußert, ein Stückchen weiter weg vom „E.“). Auch gab … nicht an, dass S. ihm gegenüber einen Angriff von hinten geschildert hat
(obwohl dies mehrfach in der Presse thematisiert wurde; vgl. Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ etwa C.-Zeitung, Oberbayrisches Volksblatt und Dachauer Nachrichten, jeweils vom 30.09.2023, tz, 02.10.2023, Alt-Neuöttinger Anzeiger, 12.10.2023, Süddeutsche Zeitung, 13.10.2023, Oberbayrisches Volksblatt, 13.10.2023),
oder ein Verfolgen (s. Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ Dachaiuer Nachrichten vom 13.10.2023).
1225
Weiter gab … nicht an, dass S. T. ihm gegenüber geäußert hätte – obwohl auch dies mehrfach in den vorgelegten Presseartikeln stand
(s. Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ etwa Welt Panorama, 12.10.2023, Süddeutsche Zeitung, Oberbayrisches Volksblatt, Aichacher Nachrichten und Dachaiuer Nachrichten, jeweils vom 13.10.2023) –,
dass (er) das Mädl stranguliert habe. Dass es zu keiner Strangulation kam, steht in Einklang mit der Beurteilung der Rechtsmedizin (Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1226
Schließlich gab … nicht an
- und auch dies stand wiederholt in der Presse (s. Selbstleseverfahren „Pressetexte zum Beweisantrag Nr. 5“ etwa Süddeutsche Zeitung und Dachauer Nachrichten, jeweils vom 13.10.2023) –,
der Frau in Tötungsabsicht auf den Kopf geschlagen zu haben, sondern genau das Gegenteil, nämlich, dass die Schläge erfolgten, damit sie sich nicht wehren kann, ohne Tötungsabsicht.
1227
Auch dies steht in Einklang mit den rechtsmedizinischen Feststellungen (i.E. Ziff. D. II. 18.3.3.3.), dass die Schläge auf den Kopf nicht tödlich waren.
1228
Zudem war in den Presseartikeln, die unmittelbar nach dem 03.10.2022 erschienen (Ziff. D. II. 17.1.1.) und in der XY-Sendung (Ziff. D. II. 17.3.3.) vom 09.11.2022 die „Holzkernuhr“ und deren möglicher Bezug zum verfahrensgegenständlichen Geschehen Thema. … gab aber nichts dazu an.
1229
Dass die sog. „Holzkernuhr-Spur“ letztlich keine Tatrelevanz hatte, ergab sich aber erst mit Vernehmung des Zeugen … am 15.02.2023 (Ziff. D. II. 14.12.) und war am 03.03.2023 Gegenstand einer Pressemitteilung (Ziff. D. II. 17.1.1.).
1230
Damit ist aber die These der Verteidigung widerlegt, S. T. habe gar nicht mit … über den „Fall H.“ gesprochen, ebenso die These, S. T. labe mit … über den „Fall H.“ gesprochen, diesem gegenüber aber weder ein Geständnis abgelegt noch Täterwissen offenbart.
1231
Auch der von der Verteidigung ins Feld geführte Aspekt, die Aussage von … sei unglaubwürdig und erlogen, weil er ausgesagt habe, S. T. habe ihm gegenüber geschildert, er/T. habe die Frau dann in den Fluss geworfen, der Bärbach aber kein Fluss, sondern ein Bach sei, was der Angeklagte wisse, ist dies kein Aspekt, der gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht.
1232
Selbst die Verteidigung bezeichnete den Bärbach immer wieder mal als „Fluss“, wenn dies dann auch als „Versprecher“ korrigiert wurde. Auch in den Presseberichterstattungen gehen die Begriffe Bach und Fluss immer wieder durcheinander (so ist etwa am 02.06.2023 die Rede vom Bach bett der Prien, D. II. 17.1.1.). In dem XY-Beitrag vom 09.11.2022 spricht der Polizeibeamte Butz von dem Flüsschen Bärbach (Ziff. D. II. 17.3.3.) und auch der Zeuge … sprach davon, sich, nachdem er in den Bärbach gefallen war, am Fluss ufer festgehalten und hochgezogen zu haben (Ziff. D. II. 14.12.).
1233
Ob der Zeuge … die genau Definition von Fluss/Bach kennt, ist fraglich, jedenfalls die Verwendung des Begriffs Fluss in Bezug auf den Bärbach … kennt die Gegend und Gewässer um A. auch gar nicht) im Rahmen der Wiedergabe des Inhaltes der Offenbarung durch S. T. kein Indiz für seine (generelle) Unglaubwürdigkeit.
* Hinweise für einen Transfer (Wahrnehmungsübertragungshypothese) zum Kerngeschehen durch … haben sich nicht ergeben, auch nicht zum Randgeschehen.
1234
Von einem Transfer ist auszugehen, wenn Inhalte der Aussage mit anderen Personen real oder über Medien in einem anderen raumzeitlichen Zusammenhang erlebt worden sind, aber fälschlicherweise auf eine weitere Person/den Angeklagten übertragen werden.
1235
Es fehlen jegliche Anhaltspunkte, dass … die Inhalte des von ihm geschilderten „Offenbarungsgespräches“ von einer anderen Person – die dies vom Täter hätte mitgeteilt bekommen müssen bzw. selbst Täter gewesen sein müsste (Anhaltspunkte, dass eine dritte Person Tatbezug hat bzw. Täter war, fehlen aber, vgl. Ziff. D. II. 2., II. 4.3. und nachfolgend Ziff. D. II. 19.8.7.1.) – erhalten hat. Wie bereits dargelegt, sind die Informationen, die A. M. in dem „Offenbarungsgespräch“ von S. T. erhalten hat, in vielen Bereichen auch nicht Gegenstand der Medienberichterstattung gewesen, decken sich aber mit den objektiven Feststellungen der Sachverständigen.
* Gleichfalls haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass Inhalte der Aussage von … unwillentlich, willentlich oder gezielt unterbewusst fremdindiziert wurden, weshalb auch die Induktions- und Suggestionshypothese eindeutig zurückzuweisen war.
1236
Somit hat auch die Prüfung möglicher Alternativhypothesen in der Gesamtschau keinen Hinweis dahingehend ergeben, dass die Inhalte der Aussage des Zeugen … nicht erlebnisfundiert sind.
1237
Die Aussage des … ist vielmehr gemessen an den Realkriterien von hoher Güte, widerspruchsfrei, schlüssig und nachvollziehbar sowie detailreich.
1238
Es war lediglich eine kleinere Inkonstanz (zunächst fehlender Tötungswille beim Draufschlagen von S. geäußert – so bei der Polizei – oder selbst aus der Art geschlussfolgert, wie S. es schilderte) festzustellen. Diese spricht aber für kritische Selbstkorrektur und damit seine Glaubwürdigkeit, da dann, wenn eine Aussage ohne jede Inkonstanz abläuft, die Bewertung als auswendig gelernt im Raum steht.
1239
Die Aussage von … vor Gericht (auch seine polizeiliche Aussage, die audiovisuell aufgezeichnet und im Rahmen der Hauptverhandlung nochmals durch Abspielen in Augenschein genommen wurde, Ziff. D. II. 15.1.2. und 15.1.3.) war bei einer kritischen Verhaltensanalyse seiner Körpersprache frei von Warnsymptomen. Er hat eine gleichbleibend natürliche Körpersprache, auch im Übergang zwischen unverfänglichen Themen (z.B. seiner Vorliebe für’s Spekulatiusessen in der Weihnachtszeit) und den entscheidungsrelevanten Fragen gezeigt. Dies war auch der audiovisuellen Vernehmung zu entnehmen. Ebenso zeigten sich in dem Moment, als er unbeobachtet ist, keine Auffälligkeiten: Die Vernehmung wurde zwecks Toilettengang unterbrochen; danach saß … einige Minuten vor der laufenden Videokamera, ohne dass die Vernehmungspersonen in seiner Nähe sind. Er „wartet“, ist nicht nervös o.ä.
1240
Er hat auch eigene Gefühlsreaktionen betreffend den Kernbereich geschildert (etwa seine Überraschung, dass S. T. ihm gegenüber die Tat zugab, dass er ihn dann erst mal der Zelle verwies und den Kontakt zu ihm mied, T. ihm dann aber wieder leid tat, weil er immer allein war).
1241
Insbesondere war es aber gerade nicht so, wie von der Verteidigung in den Raum gestellt, dass … bereits bei der polizeilichen Einvernahme über 41 Seiten lediglich 3 Phrasen immer wieder wiederholt hat:
1242
Vielmehr wurden vielfältige Aspekte erörtert (eingeführt durch die Vernehmungsbeamtin KK’in J. Z. und durch Abspielen der audiovisuellen polizeilichen Vernehmung, Ziff. D. II. 15.1.2. + 15.2.3.).
S. 1/3: Belehrung und Klarstellung, dass M. keine Zusicherung für sein eigenes Verfahren erhält; S. 4/6: Schilderung der Offenbarung, aber auch der Umstände des Zusammentreffens, Aufschluss, Zelle des …, Zubereitung eines Getränkes für S., Kartenspielen; S. 7/8: Nachfragen der Polizei zu dem von S. geäußerten Motiv; S. 8/9: Schilderung der eigenen Empfindungen von …, als sich S. ihm gegenüber offenbarte, aber auch Reaktion des S.s, als M. ihn der Zelle verwies; S. 10: Eingrenzung der Zeit, in der das „Offenbarungsgespräch“ stattfand; S. 11/12: Schilderung, dass … den Inhalt des „Offenbarungsgespräches“ in der JVA nicht weitergab sowie des Grundes dafür; S. 12: Umstand, dass … sich seinerseits dem S. anvertraute und mitteilte, warum er sitzt; S. 13: Schilderung, dass S. ihm sagte, dass er nie wirklich Chancen bei Frauen hatte, sich erniedrigt fühlte, weil er immer Ablehnung erhalten, Körbe bekommen hat; Umstand, dass er nachts in der Gegend beim E. joggen war; S. 14: Befragung des … ob S. etwas dazu sagte, ob er die Frau gekannt hat, wo es passiert ist und warum; S. 15/16: Nachfragen der Polizei zum konkreten, von S. geschilderten Ablauf, insbesondere auch betreffend die innere Vorstellung von S.; S. 16/17: Angaben des … generell zu S. T. aber auch dazu, dass diesem die Untersuchungshaft zugesetzt hat; S. 18/19: Schilderungen des …, was er selbst nach Offenbarung durch S. empfand; S. 19/20: Darlegung der Gründe, warum er/… erst im Oktober 2023 von dem „Offenbarungsgespräch“ berichtete, insbesondere Darlegung seiner Motive; S. 21/22: Erörterung, ob es zwischen … t und T. zu Konfliktsituationen gekommen war, ob er wisse, ob T. mit anderen über den Vorwurf gesprochen hat und, dass angeblich eine Freundin ihn anzeigte; S. 23: Thema Joggen des S. in der Nacht; S. 24: Erörterung des Vorfalles, als S. im Januar 2023 eine Verletzung an der Hand hatte, nachdem er gegen die Wand schlug; S. 25: Befragung zu den Empfindungen des … nach der Offenbarung; S. 26: Erörterung des Themas „Spuren“ und des Grundes, warum S. nachts joggen war; S. 27/29: nochmalige Befragung des … zu dem von S. geschilderten Tatablauf; S. 30/31: Alkoholkonsum des S.; S. 30: Medienkonsum des … während der Inhaftierung; S. 32/34: zusammenfassende Erörertung der Erkentnisse aus dem „Offenbarungsgespräch“; S. 34: Toilettenpause; S. 35: Erörterung von Umständen, die … sonst von S. erfuhr (Eltern, Arbeit); S. 36/37: Grund der Verlegung von … nach Bernau; S. 38/41: Zusammenfassung -
1243
Gegenstand der polizeilichen Einvernahme über 41 Seiten war also eindeutig mehr, als lediglich 3 Phrasen.
19.8.1.3. Ausschluss eines falschen Geständnisses durch S. T. gegenüber …
1244
Dass es sich bei dem gegenüber … abgegebenen Geständnis des Angeklagten T. um ein falsches Geständnis handeln könnte, hat die Kammer ausgeschlossen.
1245
Insoweit ist zum einen nochmals zu betonen, dass S. T. dem „Offenbarungsgespräch“ gegenüber … Täterwissen offenbart hat. Dies steht im Einklang mit objektiven Feststellungen insbesondere der rechtsmedizinischen, des bio-/traumatomechanischen und des hydromechanischen Sachverständigen. Damit scheidet die Theorie des falschen Geständnisses per se aus, da diese Information zu dieser Zeit nur der Täter wissen konnte.
1246
Daneben ist zu sehen, dass S. T. sich zuvor auch gegenüber anderen Personen (… sowie …) öffnete und offenbarte, nämlich bei der „Hausparty“ am 17.11.2022, wo er äußerte, „Ja, ich bin der Mörder von A.“ (vgl. i.E. nachfolgend, Ziff. D. II. 19.8.2. und Ziff. D. II. 19.8.3.). Er war kurz danach in Untersuchungshaft gekommen. Trotzdem gestand er (erneut) die Tat unter Offenbarung von detailiertem Täterwissen dem ….
1247
Auch der Umstand, dass S. T. sich gegenüber … zunächst nicht öffnete, spricht nicht für ein falsches Geständnis. Denn … (Ziff. D. II. 15.1.1.) hat nachvollziehbar dargestellt, dass sich S. ihm gegenüber erst öffnete, nachdem er/… sich seinerseits S. gegenüber offenbart und ihm anvertraut hatte, weshalb er/M. in Untersuchungshaft sitzt. Das Verhältnis zwischen T. und … hat psychodynamisch also eine Entwicklung genommen, an deren „Ende“ dann auch die Offenbarung durch S. T.stand.
1248
Dies steht aber auch in Einklang mit dem geschilderten Charakter von S. T. (vgl. …, Ziff. D. II. 6.5. und Dr. … Ziff. D. II. 6.4.), dass er kein offener Typ ist, man ihm alles aus der Nase ziehen muss, er Probleme in sich hinein frisst.
1249
Schließlich ist für den Ausschluss eines falschen Geständnisses auch von Bedeutung, dass auf Nachfrage des Sachverständigen … die Zeugin … erklärte (Ziff. D. II. 14.1.1.), dass ihr nie auffiel, dass S. T.etwa krasse Geschichten aus der Zeitung übernimmt oder etwas übertrieben darstellt.
1250
Die Psychologin … (Ziff. D. II.18.4.1.) betonte darüber hinaus, dass sich im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung von S. T.eder Hinweise für ein Simulieren noch Hinweise für ein Dissimulieren ergaben.
1251
Insgesamt ist damit ein falsches Geständnis eindeutig auszuschließen.
1252
Zusammenfassend ist folglich von der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussage des … auszugehen.
1253
Damit ist weiterhin davon auszugehen, dass S. T.gegenüber … offenbart hat, dass er Täter des Übergriffes auf H. W.war. Er hat sie aus sexuellem Interesse angegriffen, um sie zu vergewaltigen bzw. sexuell zu missbrauchen. Damit sie sich nicht wehren kann, hat er sie bewusstlos geschlagen. Dann hat er sie in den Bärbach geworfen.
1254
Ergänzende indizielle Bedeutung für die Annahme der Täterschaft des Angeklagten S. T. am folgenden, im Rahmen der Beweisaufnahme erlangten und sich durch jeweilige Inbezygsetzung zueinander allseitig durchdringenden Erkenntnissen zu:
19.8.2. … (Täterwissen + Geständnis)
1255
Auch die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.1.) hat zum einen bekundet, dass der Angeklagte S. T. gegenüber am 03.10.2022 Täterwissen offenbart, sowie am 17.11.2022 ein Geständnis abgegeben hat.
19.8.2.1. Inhalt der Aussage
1256
Nach der Aussage der Zeugin …kam es am 03.10.2022 zwischen 16:30 Uhr und 17:30/18:00 Uhr dazu, dass sich der Angeklagte gemeinsam mit ih … und ihrer Schwester … sowie dem … in Übersee/Feldwies zum Tischtennisspielen traf. Nach Beendigung des Spiels, am Auto stehend, äußerte S. T.völlig unvermittelt, dass in A. eine Frau umgebracht wurde, ob „wir“ schon gehört hätten, dass es in A. einen Mord gegeben hat.
1257
Nach der Aussage der Zeugin … im es zudem am 17.11.2022 bei ihnen/… zuhause in Bergen/Bernhaupten zu einer „Hausparty“, bei der neben ihrer Schwester V… auch ihre … sowie der S. T. anwesend waren.
1258
An diesem Abend sagte T. als das Thema auf die „H.“ kam: „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht“.
19.8.2.2. Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin …
1259
Die Angaben der Zeugin … sind glaubhaft und glaubwürdig, sowohl betreffend das für den 03.10.2022 bezeugte, von S. T. geäußerte Täterwissen als auch bezüglich des am 17.11.2022 von S. T. gegebenen Geständnisses, und zwar aus folgenden Erwägungen:
1260
Die Äußerung des Angeklagten T. am 03.10.2022 beinhaltet in dreifacher Hinsicht Täterwissen:
1. dass es überhaupt eine Leiche, weiblich, gibt;
2. dass sie umgebracht wurde (nicht etwa verunfallte o.ä.) und
3. dass sich die Tat in A. abgespielt hat.
1261
Zum Zeitpunkt, als das Tischtennisspielen stattfand (vgl. nachfolgend, zwischen 16:00 Uhr und 18:00 Uhr), war der weibliche Leichnam, von dem nur das Gesäß sichtbar war, in der Prien bei Kaltenbach zwar bereits gefunden (14:26 Uhr). Geborgen wurde er erst um 16:06 Uhr. Es war jedoch völlig offen, wo (Kaltenbach/A.) und was (Unfall/Gewaltverbrechen) passiert war. Erst im Rahmen der vorläufigen internen Leichenschau (…, Ziff. D. II. 18.3.1.) wurde anhand des Stempels auf dem Arm der Toten („E.“) ein möglicher Bezug der aufgefundenen Leiche zum „E.“ und damit nach A. hergestellt und auch eine mögliche Fremdeinwirkung ins Auge gefasst.
1262
Entsprechende Informationen waren bis dahin nicht nach draußen gedrungen.
1263
Dass etwas durch die Rettungskräfte von Feuerwehr, Wasserwacht und Polizei nach außen gedrungen ist, ist auszuschließen (vgl. PM’in …, PHM …; Ziff. D. II. 3.2. und 18.3.1., sowie KHK A… Ziff. D. II. 4.1.).
1264
S. T.elbst gab insoweit als Zeuge befragt am 10.11.2022 an, dass er die Info vom Tod der H. nicht von den Rettungskräften (Berg-/Wasserwacht und Feuerwehr) hatte, sondern von seiner Mutter und später las er darüber in Rosenheim24 (Ziff. D. II. 12.).
1265
Das gemeinsame Tischtennisspielen am 03.10.2022 war aber um 18:00 Uhr bereits beendet. Um 17:47 Uhr war das Handy von … die den „Fahrdienst“ übernommen hatte, bereits wieder in Bergen/Bernhaupten eingeloggt (vgl. Ziff. D. II. 16.3.1.).
1266
Die 1. Presseveröffentlichung bezüglich eines möglichen Gewaltverbrechens erfolgte am 04.10.2022 ab 14:05 Uhr (vgl. Selbstleseverfahren Nr. 1, Ziff. D. II. 17.1.1.).
1267
Zunächst ist in objektiver Hinsicht festzustellen, dass es gesichert am 03.10.2022, nachmittags, in Übersee zu einem Treffen zwischen … und …, S. T. und … kam.
1268
Insoweit ist zunächst der zwischen … und S. T. am 03.10.2022 dokumentierte ChatVerlauf bedeutsam: Ab 10:20:38 Uhr „schreiben“ … und S. mehrfach hin und her, ob und was sie an diesem Tag unternehmen wollen. Um 13:46:31 Uhr wird in diese Planung auch der … (= … miteinbezogen (… Machma dann später trotzdem was mit dem … auch!“ …). Nachdem S. zunächst noch angibt, Reifen wechseln zu müssen, wird als Treffpunkt „E.“ so „halb dreiviertel“ ausgemacht und, dass … den S. abholt (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.2.2.).
… konnte zwar nicht mehr einordnen, ob das Tischtennisspielen, bei dem auch S. dabei war, am 03.10.2022 stattfand. Er wusste aber noch, dass … und … auch dabei waren, es nicht lang gedauert hat und V. ihn dann heim (nach Molberting) gefahren hat (Ziff. D. II. 14.6.).
1269
Wlk gab weiter an, nach seiner Erinnerung einmal (da war er sich aber nicht sicher) beim Tennisspielen gewesen zu sein, wo T. mit dabei war. Abweichend vom Vorhalt der Verteidigung war er sich aber auch nicht sicher, dass bei diesem einen Mal der … ebenfalls dabei war (V… – Ziff. D. II. 14.5. – schloss aus, dass er am 03.10.2022 mit … und … sowie T. Tischtennisspielen war).
1270
Dass … dann tatsächlich den S. T. uch abgeholt hat, ist durch die Geodaten ihres Handy’s belegt: Am 03.10.2022 um 14:49 Uhr wurden Geodaten in A., … (Wohnanschrift von T.) und in der Funkzelle A. produziert.
1271
Dass die „Gruppe“ anschließend nach Übersee (Strandbad Felden) zum Tischtennisspielen fuhr, ist objektiviert durch die am 03.10.2022 um 16:22 Uhr dort dokumentierten Geodaten von … Handy.
1272
Nach der Aussage von … hat das Tischtennisspielen dann etwa 1 – 1 1/2 Stunden gedauert. Anschließend hat … zunächst ihre Schwester … nach Hause gefahren. Auch dies ist anhand der Handyauswertung von …’s Handy zu verifizieren und dokumentiert:
1273
Am 03.10.2022 um 17:47 Uhr ist … wieder zuhause (Bergen/Bernhaupten) eingeloggt. Anhand der Geodaten – am 03.10.2022 um 18:19 Uhr ist … Handy wieder in der Funkzelle A. eingeloggt – ist weiterhin davon auszugehen, dass … anschließend S. wieder nach Hause fuhr.
1274
… selbst fuhr danach zurück nach Bergen/Bernhaupten – um 18:54 Uhr werden dort Geodaten produziert –, während S. T. – nicht ausschließbar – ab 18:54 Uhr für 3 min 37 sec „Clash of Clans“ spielte (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.2.1.).
1275
Die Behauptung der Verteidigung, es habe am 03.10.2022 entgegen der Aussage der … gar kein Treffen in Übersee stattgefunden, an dem S. T. teilgenommen habe, ist damit entkräftet.
1276
Zu sehen ist insoweit zudem, dass es am 04.10.2022 zwischen … und S. T. erneut zu einem „Schreiben“ kommt, man gemeinsam etwas unternehmen will (und schließlich auch ab etwa kurz vor 21:00 Uhr unternimmt). Im Rahmen dessen schickt … dem Angeklagten auch eine WhatsApp, dass er vom Vortag noch Sachen in ihrem Auto vergessen hat, d.h., es war am 03.10.2022 somit zu einem Treffen gekommen (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.3.1.).
1277
Dies hat S. T. anlässlich seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.022 (vgl. Ziff. D. II. 12.) im Übrigen selbst angegeben: Am 03.10.2022 hat er etwas mit V. unternommen, er wusste nur nicht mehr, was. Auch führte er selbst aus, er habe am 03.10.2022 vom Gewaltverbrechen gegen H. erfahren hat, als er wieder heim kam. S. T. war also „weg“.
1278
Daneben ist aus Sicht der Kammer auch die Aussage der …, dass S. T. nach dem Tischtennisspielen am Auto stehend äußerte, dass in A. eine Frau umgebracht wurde, es in A. einen Mord gegeben hat, glaubhaft und glaubwürdig.
1279
Dies gab sie bereits im Rahmen ihrer polizeilichen Einvernahme am 22.11.2022 (vgl. Ziff. D. II. 14.1.2.) an.
1280
Zunächst war festzustellen, dass sich keinerlei Hinweise auf eine fehlende Aussagetüchtigkeit der … ergeben haben. Hinweise für Beeinträchtigungen bei Wahrnehmung, Erinnerung oder Ausdrucksvermögen fehlen, auch wenn … durchaus ein „einfaches“ Mädchen ist.
1281
Ihre Angaben in der Hauptverhandlung erfolgten ruhig und sachlich, ihre Schilderungen waren nachvollziehbar, logisch und detailreich. Sie zeigte sich aussagebereit, wenngleich erkennbar wurde, dass die Aussage im Rahmen eines presseträchtigen Verfahrens mit viel Medienpräsenz für sie sehr belastend war. Die Zeugin konnte die ihr gestellten Fragen intellektuell erfassen, ihre Antworten waren durchwegs adäquat und ihr Sprachverständnis und Ausdrucksvermögen altersentsprechend. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit war nicht limitiert, vielmehr brachte sie die Äußerung von S. T. mit dem objektiv festgestellten Umstand des Treffens und Tischtennisspielens am Feiertag, dem 03.10.2022, in Übersee in Bezug. Ebenso schildert sie eigene emotionale Empfindungen, etwa, dass sie, als sie wieder zu Hause war, „Mord in A.“ gegoogelt hat, aber noch nichts darüber drinstand.
1282
Die Aussage der … zum Kerngeschehen (aber auch zu Randgeschehnissen) war insgesamt konstant und schlüssig.
1283
Dies hat die Kammer im Hinblick darauf, dass … bei der polizeilichen Vernehmung vom 22.11.2022 angab, … wir alle drei waren ziemlich geschockt, als S. das erzählte …, in der Hauptverhandlung dann aber sagte, es könne sein, dass sie darüber gesprochen haben, das könne sie aber heute nicht mehr erinnern, besonders kritisch geprüft.
1284
Die sich daraus ergebende Abweichung war schlussendlich nicht aufzuklären, spricht aber insgesamt nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Die Aussage, dass sie drei geschockt waren, stellte sich für die Zeugin als Schlussfolgerung anhand der Umstände dar.
1285
Die Zeugin gab an, nicht zu wissen, ob sie (… und …) es gehört haben. Das sei möglich, aber sie wisse es nicht, weil die glaublich gerade etwas anderes miteinander redeten.
1286
Der Umstand, dass der Zeuge … und … zwar in unmittelbarer Nähe (Entfernung jeweils ca. 1-1,50 m) zu … und zu S. T. der Nähe des Autos standen und … die genannte Äußerung von S. nicht mitbekam, spricht damit nicht gegen die Glaubwürdigkeit von …
1287
Insoweit war von Relevanz, dass … bereits bei der polizeilichen Vernehmung nicht gesagt hat, sie (… und …) haben es gehört, sondern sie müssten es gehört haben (eingeführt über den Vernehmungsbeamten und Zeugen KOK …, Ziff. D. II. 14.1.2.).
1288
Im Rahmen der Hauptverhandlung schloss sie dann auch nicht aus, dass sie darüber gesprochen hätten, konnte es aber mehr als ein Jahr nach den Ereignissen nicht mehr konkret erinnern. Die Abweichung der Aussage in diesem Punkt ist somit nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer betreffend die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeuginc … insgesamt zu berühren.
1289
Es ergaben sich zudem bei Überprüfung möglichter Alternativhypothesen keinerlei Hinweise, dass die Schilderungen der Zeugin … auf Fantasie, Wahrnehmungsübertragung, Induktion oder Suggestion beruhen könnten.
1290
Die Aussage der Zeugin … war nicht durch sog. Schemawissen gekennzeichnet, direkt zum Ergebnis der jeweiligen Frage führend. Pauschalierungen waren nicht erkennbar, vielmehr differenzierte die Zeugin zwischen dem, was sie über ein Jahr nach den der Befragung zugrunde liegenden Ereignissen noch konkret wusste und dem, was sie nicht mehr erinnern konnte.
1291
Die Kammer hat dabei in die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von … auch einbezogen, dass sie nach dem 03.10.2022 medial und/oder von anderen Personen von den Geschehnissen erfahren haben könnte. Das Gericht hat also in den Blick genommen, ob sie diese erlangten Erkenntnisse dann fälschlicherweise dem 03.10.2022 zugeordnet und unbewusst (oder bewusst) den S. T. beschuldigt hat (bewusste oder unbewusste Falschbelastung durch/nach suggestive/r Einflussnahme im Vorfeld oder Induktion bzw. Transfer).
1292
Diese Hypothesen haben nach Überzeugung der Kammer jedoch keinen Bestand:
… hat ohne jeden Belastungseifer ausgesagt. … hat bereits bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 22.11.2022 die Offenbarung von Täterwissen durch S. T. am 03.10. 2022 geschildert, zu einem Zeitpunkt, wo darüber keine Berichterstattung erfolgt war (in der Presse war nie Thema, dass S. T. am 03.10.2022 in den Nachmittagsstunden zu anderen Personen geäußert hat: „Wisst ihr schon, dass es in A. einen Mord gegeben hat“ bzw. „In A. wurde eine Frau umgebracht“). Dass der von S. T. geäußerte Satz Täterwissen darstellt und welche Bedeutung ihm damit zukommen konnte, hat … im 22.11.2022 sicher nicht einordnen können.
1293
Der Aufenthalt in Übersee am 03.10.2022 (nachmittags) steht objektiv fest (vgl. gerade getätigte Darlegungen).
… ist ein „einfaches“ Mädchen. Es ist auszuschließen, dass sie nachträglich auf den 03.10.2022 ein Ereignis datiert, um S. T. zu belasten.
1294
Zudem ist zu sehen, dass … detailreich und nachvollziehbar im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme angab, dass sie, nachdem sie am 03.10.2022 von T. in den Nachmittagsstunden erfahren hatte, dass in A. ein Mädl umgebracht worden ist, im Internet diesbezüglich recherchiert und nichts gefunden hat. Das ist nachvollziehbar, da die 1. Presseveröffentlichung bezüglich eines möglichen Gewaltverbrechens vom 03.10.2022 am 04.10.2022 ab 14:05 Uhr erfolgte (vgl. Selbstleseverfahren Nr. 1, Ziff. D. II. 17.1.1.). Erst 1 oder 2 Tage später hat die Zeugin … in den Medien, C.24, von der Tat gelesen.
1295
Als Indiz hat die Kammer neben den bereits dargestellten Aspekten zudem berücksichtigt, dass S. T. in seiner Zeugenvernehmung vom 10.11.2022 (vgl. KHK’in …, Ziff. D. II. 12.) selbst den 03.10.2022 mit der Kenntnis von dem Gewaltverbrechen in A. – er will das von seiner Mutter erfahren haben – in Verbindung brachte, wenn er auch nicht vollkommen sicher war, wie KHK’in … (vgl. Ziff. D. II. 12.) referierte: Ich glaube eher, dass es doch Montag war, dass ich davon erfahren habe. Auf die Nachfrage, wann er das mit der H. erfahren hat, äußerte S. T. am 10.11.2022, dass er halt mit seiner Mutter über den Marathon geredet hat und dass er gelaufen ist. Dann ist die Rede auf das Unglück gekommen, dass da passiert ist. Er hat mit seiner Mutter an diesem Montag geredet, als er in der Nacht beim Laufen war.
1296
Erst als KHK’in … ihn darauf hinwies, dass das da noch gar nicht bekannt war, sagte S. T. dass er sich mit dem Montag nicht mehr sicher ist.
1297
Betreffend die Aussage der …, dass S. T. im Rahmen der „Hausparty“ am 17.11.2022, als es um das Thema „H.“ ging, ein Geständnis abgelegt hat („Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht!“ bzw. „Ja, ich bin der Mörder von A.!“), ist ebenfalls von der Glaubwürdigkeit dieser Angabe auszugehen und zwar aus folgenden Erwägungen:
* Zunächst hat die Kammer insoweit berücksichtigt, dass auch die Zeugen … und … (Ziff. D. II. 14.2. und D. II. 14.10.), welche ebenfalls bei der genannten „Hausparty“ zugegen waren, als Zeugen befragt, dieses Geständnis von S. T. schilderten.
* Weiter fiel wesentlich ins Gewicht, dass der Zeuge … (Ziff. D. II. 15.3.), der anlässlich seines am 20.10.2023 erfolgten Scheidungstermins nochmals von der JVA Kaisheim in die JVA Traunstein verschubt wurde, glaubhaft und glaubwürdig Folgendes bekundet hat: Er hat im Oktober 2023 während dieser Zeit in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über das „H.Verfahren“ gelesen. In diesem Artikel stand u.a., dass der Angeklagte gegenüber der Mutter der …. (also der … geäußert habe: „Ja, ich war’s!“. Darauf sprach G. den Angeklagten T. an und fragte, warum er das gesagt hat. T. antwortete: „Das war nur Spaß“. Damit hat der Zeuge … aber bekundet, dass S. T. ihm gegenüber selbst eingeräumt hat, diesen Satz tatsächlich geäußert zu haben, wie von diesen drei Zeugen – … und … sowie … – übereinstimmend bekundet.
* Dass S. T. dieses Geständnis zum Spaß geäußert hat, schließt die Kammer aus: Zwar hat der Zeuge … (Ziff. D. II. 14.10. und D. II. 16.3.2.) dieses Geständnis nicht so ernst genommen, aber deshalb, weil er das dem S. nicht zugetraut hat.
1298
Weiter ist zu sehen, dass S. T. nicht nur am 17.11.2022 in die Runde der „Hausparty-Teilnehmer“ ein Geständnis abgegeben hat, sondern ca. 6 Wochen später gegenüber dem Zeugen … erneut ein Geständnis mit detailliertem Täterwissen abgab (vgl. oben sowie Ziff. D. II. 15.1.1.), obwohl er zu diesem Zeitpunkt aufgrund des gegen ihn bestehenden dringenden Tatverdachtes bereits in Untersuchungshaft genommen worden war, von Spaß also keine Rede mehr sein konnte.
1299
Die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.2.) hat darüber hinaus S. gegenüber erwähnt, dass er sich einen Anwalt nehmen soll (hörte auch der Zeuge … Ziff. D. II. 14.10.), was dann, wenn sie die Äußerung als Spaß aufgefasst hätte, nicht notwendig gewesen wäre. Wäre T.’s geständige Äußerung aus seiner Sicht nur ein Spaß gewesen, hätte er im Übrigen darauf lebensnah eine Reaktion im Sinne des Bestreitens o.ä. zeigen können, da bemerkbar war, dass … seine Aussage, „Ja, ich war’s, ich bin der Mörder von A.!“ eben nicht spaßig fand. S. T. hat aber auf den Rat, sich einen Anwalt zu nehmen, nichts gesagt, die Tat nicht abgestritten oder eine andere Äußerung getroffen – etwa, das war jetzt nur ein Spaß oder ich brauche keinen Anwalt, da das ja nur ein Spaß war, was ich gerade gesagt habe oder ich brauch keinen Anwalt, weil ich ein Alibi habe, zu Hause war und „Clash of clans“ gespielt bzw. ein YouTubeVideo angeschaut habe oder geschlafen habe nach dem Joggen.
1300
Zum anderen hat die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.1.) – ausdrücklich danach gefragt – angegeben, dass S. vorher nicht „aufgezogen“ wurde.
1301
Der Zeuge … (Ziff. D. II. 14.10.) gab betreffend den „Gemütszustand“ von S. T.an diesem Abend an, dass S. eher bedrückt war, also nicht lustig, spaßig drauf. Auch …beschrieb S. an diesem Abend als auffällig ruhig, eher gedrückt (Ziff. D. II. 14.2.).
1302
Weiterhin ist nicht davon auszugehen, dass S. zu dem Zeitpunkt, als er am 17.11.2022 äußerte „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht!“ bzw. „Ja, ich bin der Mörder von A.!“ schon sinnlos betrunken war. Die Zeugen … und … sowie … gaben an, dass dieses Geständnis noch zu Beginn des Treffens (Anfang bis Mitte) gefallen ist, S. T. sich erst danach mit Pfefferminzschnaps „weggekippt“ hat.
1303
Für die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin … spricht auch der Umstand, dass ihre Angaben nicht nur konstant waren, sondern auch ihr Aussageverhalten im Rahmen der konfrontativen Befragung durch die Verteidigung:
1304
Die Verteidigung machte der Zeugin einen falschen Vorhalt. Die Verteidigung behauptete – entgegen den tatsächlichen Feststellungen –, dass … in der Hauptverhandlung als Zeuge aussagte, das Geständnis nicht gehört zu haben. Tatsächlich sagte der Zeuge … aber aus (Ziff. D. II. 14.10.), dass S. beim Partyabend am 17.11.2022 geäußert hatte: „Ich bin der Mörder von A.!“. Die Zeugin … blieb in ihrer Körpersprache frei von Warnsymptomen und ohne jeglichen Belastungseifer bei ihrer Schilderung, ließ sich selbst durch den falschen Vorhalt der Verteidigung nicht verunsichern.
* Auch der von der Verteidigung vorgebrachte weitere Aspekt, S. T. habe den Satz „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht!“ bzw. „Ja, ich bin der Mörder von A.!“ am 17.11.2022 nur aufgrund des bestehenden äußeren Drucks (insbesondere durch die Polizei) geäußert – ohne dass dies eine Einlassung bzw. ein Einräumen der Äußerung dieses Satzes sein sollte –, greift für die Kammer nicht:
1305
Denn ein objektivierbarer, von Außenstehenden, insbesondere von polizeilicher Seite, auf S. T.ausgeübter Druck zu diesem Zeitpunkt ist in keiner Form erkennbar gewesen, eher im Gegenteil.
1306
Gegenüber dem Sachverständigen Dr. … der dies insoweit als Zeuge referierte, gab S. T.selbst an, dass er in der Zeit zwischen Anfang Oktober und der Festnahme gearbeitet hat; als er als Jogger vernommen wurde, hat er sich noch nichts dabei gedacht (vgl. Ziff. D. II. 18.4.2.), was gegen einen Druck von Seiten der Polizei spricht, auch dagegen, dass S. T.sich als Hauptverdächtiger fühlte.
1307
Von der Polizeibeamtin und Zeugin KHK’in … (Ziff. D. II. 12.), welche die Zeugeneinvernahmen von S. T.m 21.10.2022 und 10.11.2022 durchgeführt hat (aber auch etwa von dem polizeilichen Sachbearbeiter, dem Zeugen KHK … Ziff. D. II. 2.), wurde glaubhaft und glaubwürdig dargelegt, dass S. T. bis zur Aussage der … am 17.11.2022 in keiner Form tatverdächtig war. Er war an den beiden genannten Tagen als Zeuge gehört worden, nachdem seine Mutter, … T. (vgl. Zeugin KHK’in Sch., Ziff. D. II. 12.), ihn nach erfolgten Zeugenaufruf vom 19.10.2022 betreffend einen in der Tatnacht gesehenen Jogger (Ziff. D. II. 17.1.1.) als Jogger angegeben hatte. Am 10.11.2022 kam S. T.auch zur KPI Rosenheim, um seine am 21.10.2022 sichergestellte Fitnessuhr wieder abzuholen.
1308
Da er im Bereich „E.“ unterwegs war, wurde er als Zeuge nach möglichen verdächtigen Wahrnehmungen befragt.
1309
Weil er aber nicht tatverdächtig war, wurden beide Zeugeneinvernahmen auch nicht audiovisuell aufgezeichnet. Wie die Zeugen KHK … und KHK’in … (Ziff. D. II. 2. und D. II. 12.) darlegten, sind audiovisuelle Vernehmungen, sofern sie von besonderer Bedeutung sind, insbesondere bei Kapitaldelikten, Standard. Soweit S. T. in der Vernehmung vom 10.11.2022 selbst Aspekte offenbart hat, die betreffend einige Details nach vollständiger Ausschöpfung der Ermittlungserkenntnisse einschließlich der im Rahmen der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse als Täterwissen qualifiziert werden können (vgl. Ziff. D. II. 19.8.5.1.), ist dies von den Ermittlungsbehörden damals, da der Ermittlungsstand noch nicht so weit gediehen war, insbesondere die Polizei den tatsächlichen Ablauf selbst noch nicht hinreichend kannte, nicht erkannt worden. S. T. selbst hatte in seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 angegeben, sich am 03.10.2022 mit der … getroffen zu haben. Nur deshalb wurde V. R. am 17.11.2022 als Zeugin gehört. Auch zu diesem Zeitpunkt bestand gegen S. T. keinerlei Tatverdacht. Deshalb wurde die erste Zeugeneinvernahme von … am 17.11.2022 ebenfalls nicht audiovisuell aufgezeichnet.
1310
Erst nach der Aussage von … am 17.11.2022 entwickelte sich der Tatverdacht gegenüber S. T. Die belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass S. T. gegenüber … am 03.10.2022 Täterwissen offenbart haben und damit als Tatverdächtiger in Betracht kommen könnte, ergaben sich also erst aus der Aussage der … am 17.11.2022. Deshalb wurde … nochmals am 18.11.2022 einvernommen und dann wegen der Bedeutung ihrer Aussage im Rahmen eines mutmaßlichen Kapitalverbrechens auch eine audiovisuelle Vernehmung durchgeführt.
1311
Die Polizeibeamten und Zeugen KHK … und KHK’in … betonten auf mehrfache Nachfrage der Verteidigung nochmals, dass audiovisuelle Vernehmungen grundsätzlich einzelfallbezogen abhängig von ihrer Bedeutung für ein ggf. später stattfindendes Verfahren durchgeführt werden. Erst die nach vorläufiger Festnahme am 18.11.2022 gegen 13:31 Uhr (Ziff. D. II. 13.1.) erfolgte Vorführung des S. T. zum Ermittlungsrichter (dort machte er keine Angaben) und die dortige Haftbefehlseröffnung wurde audiovisuell aufgezeichnet.
1312
Dass entgegen der Mutmaßung der Verteidigung gegen S. T. nach der Vernehmung am 21.10.2022 kein Tatverdacht bestand, folgt auch aus der im Selbstleseverfahren (Ziff. D. II. 17.1.1.) eingeführten Pressemitteilung vom 21.10.2022, 15:38 Uhr: „Update der PP Pressestelle, dass der gesuchte Jogger mittlerweile ermittelt und einvernommen werden konnte. Weitere sachdienliche Hinweise ergaben sich aus der Einvernahme des Joggers nicht“.
1313
S. T. selbst erwähnt zudem in einer Textnachricht am 16.11.2022, 16:20 Uhr (s. Ziff. D. II. 16.3.2.), an … als diese ihm mitteilt, dass sie am 17.11.2022 zur Polizei zur Einvernahme geht und sich mit einer Frau … trifft, „dass die voll nett ist“ (S. T. war bereits am 21.10.2022 und 10.11.2022 zur Zeugeneinvernahme bei ihr gewesen), was eindeutig einem (falschen) Geständnis während der „Hausparty“ am 17.11.2022 nur wegen des bestehenden äußeren, von der Polizei verursachten Drucks widerspricht.
1314
Vielmehr ist von einem selbstgemachten, inneren Druck des S. T. – weil er der Täter war – am 17.11.2022 im Hinblick auf seine Verantwortlichkeit für den Übergriff auf H. W. im 03.10.2022 auszugehen:
1315
So äußerte der Zeuge … (Ziff. D. II. 14.10.), dass S. T. nachdem er am 17. 11.2022 geäußert hatte, ich bin der Mörder von A., sinngemäß sagte: „… er sagt, dass er es war, weil er keinen Bock mehr auf den ganzen Druck hat, der auf ihm lastet!“. … hatte den Eindruck, dass dieser Druck ein eigener, von T. selbst ausgehender Druck war. Für diesen „Druck“, der sich nach Tatbegehung am 03.10.2022 in S. T. aufgebaut hat, sprechen für die Kammer auch weitere, im Rahmen der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse:
1316
So berichtete etwa der Zeuge … (Ziff. D. II. 14.9.) von einem Vorfall Anfang Oktober 2022, wenige Tage nach dem Mord in A.. S. hatte sein Fahrzeug zu ihm/… zwecks Durchführung von Reparaturarbeiten gebracht. Während der Durchführung der Reparaturarbeiten rief plötzlich die Mutter von S. an und sagte zu ihm – so berichtete es S. dem Zeugen … –, er müsse schnell nach Hause kommen wegen dem Fall von H.. S. T. war daraufhin sehr nervös und fuhr mit dem Auto, noch ehe es fertig repariert war, nach Hause. Dies war noch vor dem Zeugenaufruf (19.10.2022) hinsichtlich eines Joggers und noch vor der ersten Zeugenvereinvernahme von S. am 21.10.2022. Stress wegen dem Fall H., den S. T. empfand und den er … gegenüber offenbarte, konnte also sicher nicht von der Polizei o.ä. kommen, es war ein eigener, innerer Druck aufgrund der Geschehnisse zum Nachteil der H., die T.verursacht hatte.
1317
Auch betreffend den 18.11.2022, als S. T. emeinsam mit … – so dessen Aussage (Ziff. D, II. 14.10.) – nach der „Hausparty“ vom 17.11.2022 in den Morgenstunden im Auto unterwegs war, hatte S. ein Telefonat mit den Eltern und anscheinend Stress, wenn … auch den Grund nicht mitbekam.
1318
Ebenso ist die Schilderung des Arbeitskollegen und Zeugen … (Ziff. D. II. 6.12.), der einen Arbeitstag Ende Oktober/Anfang November 2022, zeitnah zur Festnahme von S. erinnerte, Indiz für dessen innere „Belastung“. An diesem Tag war S. „völlig durch den Wind“. Nachdem er zunächst schon das Auto 1 m in die Straße hinein geparkt hatte, wirkte er bei der Arbeit nicht bei der Sache, teilnahmslos, etwas eingeknickt. Die Arbeiten wurden zwar in einer größeren Wohnanlage durchgeführt. Dass S. aber, nachdem er etwas aus dem ca. 8-10 m vor dem Haus geparkten Firmenauto holen sollte, nicht wiederkam und, als … ihn suchte und dann fand, auf die Frage, wo er bleibt, antwortete, er hat den Eingang nicht mehr gefunden, ist schon als auffällig zu bezeichnen. Der Zeuge … schilderte, dass er so mit T. an dem Tag nicht hat weiterarbeiten können (das machte einfach keinen Sinn), was er auch mittags im Büro sagte. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass S. von seinem Ausbilder, dem Zeugen … (Ziff. D. II. 6.6.), grundsätzlich dahingehend beschrieben wurde, dass er das macht, was man ihm sagt, fleißig ist, ist das vom Zeugen … eschilderte Verhalten als Indiz für einen inneren Druck zu werten.
1319
Die Entwicklung eines inneren Druckes in S. T. als Folge des von ihm begangenen Übergriffs auf H. W. steht auch im Einklang mit dem vom Sachverständigen Dr. … (Ziff. D. II. 18.4.2.) gutachterlicherseits festgestellten Charakter des S. T.: Grundsätzlich hat S. bei Ärger und Konflikten ein hohes Maß an Kontrolle. Dies verursacht jedoch einen inneren Druck, v.a. weil er mit keinem redet, sich bei keinem Hilfe holt und alles mit sich selbst ausmacht.
1320
Ausdruck eines inneren Druckes, den sich S. T. selbst machte, sind schließlich auch die bei ihm festgestellten Verhaltensänderungen nach dem 03.10.2022 (vgl. i.E. nachfolgend Ziff. D. II. 19.8.5.3.).
19.8.3. … und … (17.11.2022, Geständnis)
1321
Glaubhaft und glaubwürdig schilderten auch die Zeugen A… (Ziff. D. II. 14.2.) und … (Ziff. D. II. 14.10.), dass anlässlich des „Partyabends“ bei der Familie … in Bergen/Bernhaupten am 17.11.2022, die Äußerung von S. T. fiel; „Ja, ich war’s. Ich habe sie umgebracht“ bzw. „Ich bin der Mörder von A.“.
1322
Zutreffend ist zwar vorgebracht worden, dass … diese Äußerung im Rahmen ihrer 1. polizeilichen Vernehmung am 22.11.2022 nicht bekundet hat. Dies spricht jedoch nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit:
1323
Zum einen ist dieser Satz und diese Äußerung des S. T. auch von … K… und … gehört und bezeugt worden. Vor allem aber ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass S. T. selbst gegenüber dem Zeugen … (vgl. Ziff. D. II. 15.1.1. sowie soeben getätigte Ausführungen) objektiv die Äußerung dieses Satzes bei der „Hausparty“ am 17.11.2022 eingeräumt hat, weshalb auch den Aussagen von … und … im Rahmen der Gesamtwürdigung Bedeutung zukommt.
1324
Bezüglich … sind zudem grundsätzlich eher Entlastungstendenzen festzustellen gewesen, etwa aus den zwischen … und ihm im Zeitraum 16.11.2022 – 28.11.2022 dokumentierten Text- und Sprachnachrichten mit Verfahrensbezug (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.3.2. → … Der T. braucht unbedingt einen Anwalt, weil er … weil er beschuldigt ist … als Täter … – wir müssen ihm da wirklich helfen …).
1325
Hinsichtlich der Überzeugung, dass die Äußerung von T. am 17.11.2022 während der „Hausparty“ nicht aus Spaß erfolgte, gelten die soeben in Ziff. D. II. 19.8.2.2. dargelegte Aspekte. Ebenso kann bezüglich des Ausschlusses eines bestehenden äußeren Drucks, insbesondere durch die Polizei, auf die soeben gemachten Ausführungen Bezug genommen werden.
1326
Soweit die Prüfung vorgenommen wurde, ob es sich um ein falsches Geständnis gehandelt haben könnte, haben gleichfalls vorgenannte Argumente (Ziff. D. II. 19.8.1.3.) Geltung.
1327
Auch mit den beiden Mithäftlingen … und … unterhielt sich S. T. über den „Fall H.“. Zwar gestand er diesen gegenüber die Tat nicht, offenbarte auch kein Täterwissen, tätigte jedoch Bemerkungen mit Indizwert:
1328
Dem Zeugen … (Ziff. D. II. 15.3.) – der 100 % sicher war, dass diese Bemerkung im Zusammenhang mit einem Gespräch über H. fiel – gegenüber äußerte S. T., man könne „Erlebtes verdrängen“, „vergessen“.
1329
Dies ist eine Charaktereigenschaft von S. T. die etwa auch der Zeuge … schildert (Ziff. D. II. 6.5.): S. sieht nur das Positive und das Negative lässt er alles hinten dran stehen. Was ihn belastet, verdrängt er (Schubladen).
1330
Mit dem Zeugen … (Ziff. D. II. 15.4.) wollte T. zwar nicht über den „Fall H.“ reden. Er äußerte aber gegenüber … er könne sich „nicht erinnern“, dass er das gemacht haben soll.
1331
19.8.5. Verhalten (sänderungen) und Person des Angeklagten
19.8.5.1. S. T. als Zeuge
1332
Am 21.10.2022 und 10.11.2022 wurde S. T. ohne Bestehen irgendeines Tatverdachtes als Zeuge einvernommen. Die insoweit getätigten Aussagen von S. T. denen ebenfalls indizielle Bedeutung für seine Täterschaft zukommen, wurden über die Vernehmungsbeamtin und Zeugin KHK’in … (Ziff. D. II. 12.) eingeführt.
1333
Dabei gab S. T. zum einen an, zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr am 03.10.2022 gejoggt zu sein. Er legte seine Joggingstrecke, wie von der Vernehmungsbeamtin referiert, dar. Hinsichtlich des Beginnes der „Joggingrunde“ zeigten sich zwischen beiden Vernehmungen leichte Abweichungen. Betreffend das „Zurücklaufen“ schilderte er bei beiden Vernehmungen eine gleiche Route: Nachdem er von A. kommend an der Hauptstraße (Bahnhof- bzw. K.-Straße) Richtung HohenA. lief, überquerte er, nach Passieren eines Durchbruches in der dortigen Mauer, den Festhallenparkplatz.
1334
Nach dem Joggen ist er nach seinen Angaben als Zeuge gleich heim und ins Bett.
1335
Weiter gab er an, für den Halbmarathon zu trainieren. Ebenso äußerte er, dass er normal 1 km in 5 Minuten läuft, zu dem besagten Zeitpunkt am 03.10.2022 aber gemütlich unterwegs war.
1336
S. gab weiterhin an, ohne Laufuhr und Handy gejoggt zu sein.
1337
Immer wenn er in der Nacht zum Laufen geht, dann geht er über die Terrassentüre vom Wohnzimmer raus und auch so wieder zurück. Das macht er so, weil er sonst seine Schwester Magdalena oder auch seine Eltern aufwecken würde, die normalerweise in der Nacht schlafen. Die Terrassentüre kann man von außen nicht versperren. Er zieht sie einfach zu und wenn er wieder nach Hause kommt, dann kann er so das Haus auch wieder betreten, ohne dass er jemanden aufweckt.
1338
… T., die Mutter des Angeklagten S. T. rief am 20.10.2022 um 06:52 Uhr (KHK’in … Ziff. D. II. 12.), nachdem am 19.10.2022 in der Presse ein Zeugenaufruf nach einem Jogger erfolgt war (Ziff. D. II. 17.1.1.), bei der Polizeidienststelle an und teilte mit, dass ihr Sohn S. vermutlich der gesuchte Jogger ist.
1339
Gegenüber Freunden und Zeugen
(…, Ziff. D. II. 14.2; 14.9.; 14.10., und …, D. II. 14.7., dem gegenüber S. T. auch angab, beim „E.“ vorbeigelaufen zu sein (sagte er auch zu …, Ziff. D. II. 15.3.), um zu schauen, was sich da so tue)
sowie den Mithäftlingen … und … (Ziff. D. II. 15.1.1.; 15.2. und 15.3.) äußerte S. T. zudem selbst, in der fraglichen Nacht gejoggt zu sein.
1340
Eine zeitliche Konkretisierung erfolgte gegenüber diesen Zeugen nicht.
1341
Jedoch ist in der Nacht im entscheidungserheblichen Zeitraum von den Zeugen … – im Bereich der Felder zwischen A. und HohenA. gegen etwa 02:15 Uhr –, … – er ging Richtung A., Jogger lief ihm im Bereich K.-Straße 75 a, Laufrichtung HohenA. gegen etwa 02:25 Uhr entgegen –, … – bereits auf dem Festhallenparkplatz gegen etwa 02:20 Uhr/02:25 Uhr – und … S… – Bereich Festhallenparkplatz gegen etwa 02:25 Uhr/02:30 Uhr – (Ziff. D. II. 7.) ein Jogger wahrgenommen worden.
1342
Der Jogger, welcher in normalem Joggingtempo unterwegs war, wurde jeweils nur wenige Sekunden wahrgenommen. Es wurde typische Laufkleidung beschrieben, zum Teil eine Stirnlampe (B. und Sch.). Keine einheitliche Beschreibung durch diese 4 Zeugen erfolgte dahingehend, ob der Jogger eine kurze Hose (M.und Sch.) oder eine lange Laufhose in Form einer Legging (B.) trug (K. konnte dazu keine Angaben machen).
1343
Unabhängig davon, dass der Zeuge … der eine Legging, wahrnahm, Fahrer eines Fahrzeuges war, sich auf den Straßenverlauf konzentrierte und nur wenige Sekunden den Jogger, der neben der Fahrbahn auf dem dort befindlichen Geh-/Radlweg unterwegs war, sah, ist anzuführen, dass S. T. selbst anlässlich seiner 2. Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 eine lange, weite Hose mitbrachte. Eine solche habe er angeblich in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 beim Joggen getragen. Bei dieser Hose (die davon gefertigten Lichtbilder wurden in Augenschein genommen, Ziff. D. II. 17.2.6.), eher eine Art Trekkinghose, handelt es sich sicher nicht um eine eng anliegende Legging oder eine typische Jogginghose.
1344
Die Kammer betont jedoch, dass es für sie nicht entscheidungserheblich war, ob S. eine lange oder kurze Laufhose trug, v.a. weil nicht davon auszugehen ist, dass in der Zeit zwischen 02:15 Uhr – 02:45 Uhr mehrere Jogger in dem fraglichen Bereich unterwegs waren. Dazu äußerte auch S. T. selbst, im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme danach befragt, ob er meine, dass ein zweiter Jogger unterwegs gewesen sei: Nein (vgl. KHK’in …, D. II. 12.).
1345
Schließlich kommt auch der WebcamAufzeichnung des Lokales „Chalet“ (Bahnhofstraße) insoweit indizielle Bedeutung zu (Ziff. D. II. 17.4.): Dort ist bei einer Echtzeit von 02:08:41 Uhr eine vorbeijoggende Person zu sehen, des Weiteren, dass diese eine Stirnlampe trägt. Eine Identifizierung der Person und auch ein vollständiges Erkennen ihrer Bekleidung (sicher aber keine so weit geschnittene Hose, wie von T. am 10.11.2022 übergeben und auf den Lichtbildern Bl. 382 f. d.A. dokumentiert, Ziff. D. II. 17.2.6.) war zwar aufgrund der Aufnahmequalität nicht zweifelsfrei möglich. Allerdings ist diese Person von ihrem Habitus dem S. T. bzgl. Größe und Physiognomie, wie sie damals bei ihm bestand (drahtig, sportlich, schmal) durchaus vergleichbar. S. T. selbst beschrieb in seinen Zeugenvernehmungen die Laufstrecke auch im Bereich Bahnhofstraße/„Chalet“.
1346
Indizielle Bedeutung hat auch eine weitere Äußerung von S. T. am 10.11.2022 im Rahmen seiner damaligen zweiten Zeugeneinvernahme:
1347
Die Vernehmungsbeamtin und Zeugin KHK’in … (Ziff. D. II. 12.) gab an, dass S. T. völlig unbedarft und ohne Tatverdacht gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, was passiert sei. S. T. hat darauf nicht geantwortet „keine Ahnung“ o.ä., sondern eine weitgehende Vorstellung präsentiert:
* … dass er dann halt … ihr dann irgendwas draufgehauen hat oder so …:
„Draufhauen“ ist ein bayerischer Begriff. In der Region C., in der der Angeklagte sein gesamtes Leben verbracht hat, lässt sich der Begriff ins Hochdeutsche übertragen in Bezug auf eine Person mit „Schlag von oben“ übersetzen. Mit einem Schlag auf den Kopf ist dieser Begriff zweifellos in Einklang zu bringen. Diese präsentierte Vorstellung deckt sich mit den rechtsmedizinischen Feststellungen und der unter biomechanischem Blickwinkel plausiblen Entstehungsursächlichkeit.
Andere Vorgehensweisen/Schlagführungen würde man mit Worten wie „hinhauen“, „reinhauen“, „runterhauen“ bezeichnen.
* … vielleicht irgendeinen Stein oder so …, gab S. T. weiter an.
Die Verursachung der 5 QuetschRissWunden sowie der (mindestens) 2 Hämatome ohne Schürfungen am Kopf von H. W. durch einen Stein als Tatwerkzeug ist plausibel (vgl. Ausführungen der Rechtsmedizin, Ziff. D. II. 18.3.3.3.). Bei der Verwendung eines anderen möglichen Tatwerkzeugs, etwa dem Schlagen mit einer Stange, einem Stock oder einem Brett, wäre das Verletzungsbild ein anderes gewesen.
Und auf Frage, ob das mit dem Stein schlagen schon zum Tod der H. führen konnte, äußerte T.
* … Das kann man ja auch nicht wissen, wie hart der drauf schlägt …
1348
Dass das „Draufhauen“ nicht zum Tod geführt hat, deckt sich ebenfalls mit den objektiven Feststellungen. H. wurde nicht totgeschlagen, sie gelangte vielmehr (lediglich) bewusstseinseingetrübt bzw. bewusstlos in den Bärbach, wo sie ertrank.
1349
Diese präsentierte Vorstellung ist also zwanglos mit dem festgestellten Verletzungsbild am Leichnam der H. W. und dessen plausibel anzunehmenden Entstehungsmöglichkeiten (vgl. Prof. … nd Prof. …, Ziff. D. II. 18.3.3.3.) in Einklang zu bringen.
1350
Diese Darstellung hat S. T. insbesondere den Umstand, dass die Schläge erfolgten, damit die Frau sich nicht wehren kann (nicht um sie zu töten), im Dezember 2022 in dem „Offenbarungsgespräch“ gegenüber … – wie von diesem glaubhaft und glaubwürdig dargelegt (s.o.) – wiederholt.
1351
Soweit S. T. im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, was passiert ist, auch schilderte, dass irgendjemand sie vielleicht mitgenommen hat und sie dann wieder aussteigen wollte oder so, er sie aber nicht gelassen hat und er sie dann zu irgendetwas zwingen wollte, konnte nicht festgestellt werden, ob etwa bei ihm auch der Wunsch einer Entführung (vgl. mehrfache Eingabe von GoogleSuchBegriffen wie „Endfürung“ oder „Endfürung Porno“, Ziff. D. II. 16.2.1.) eine Rolle gespielt haben könnte.
1352
An der Verwertbarkeit der Angaben von S. T. als Zeuge bestehen keine Bedenken.
1353
Zum Zeitpunkt beider Zeugeneinvernahmen bestand gegen ihn keinerlei Tatverdacht, auch weil die Vernehmungsbeamten „es ihm nicht zugetraut hätten“. Zum Zeitpunkt der Zeugeneinvernahmen waren auch die objektiven Ermittlungen, v.a. die rechtsmedizinischen, noch nicht abgeschlossen. Eine audiovisuelle Vernehmung erfolgte deshalb nicht. Es ging darum, ob er Beobachtungen gemacht hat, da er im Tatortbereich „unterwegs“ gewesen war.
19.8.5.2. Genereller Charakter von S. T.
1354
Die zur Person von S. T. invernommen Zeugen haben verschiedene Seiten von ihm geschildert:
1355
Auf der einen Seite wird er als ruhig, nicht viel redend, scheu, zurückhaltend und als Einzelgänger beschrieben (Zeugen Dr. …, Ziff. D. II. 6.4.; … und … R… Ziff. D. II. 6.11.; …, Ziff. D. II. 6.9.; …, Ziff. D. II. 6.8.; … und …, Ziff. D. II. 6.6.; …, Ziff. D. II. 6.13.; … Ziff. D. II. 6.14.).
1356
Auch gilt er durchaus als hilfsbereit und bemüht (vgl. P…, Ziff. D. II. 6.5., oder … Ziff. D. II. 14.11., … Ziff. D. II. 15.2. und …, Ziff. D. II. 6.14.; …, Ziff. D. II. 18.4.1.).
1357
Er ist klein und schlank, flink und sportlich, berginteressiert und beschäftigt sich ausgiebig mit Laufen, trainiert für den Halbmarathon (…, Ziff. D. II. 6.2.; P… K… – S. ist viel draußen –, Ziff. D. II. 6.5.; … W. Ziff. D. II. 6.9.; …, Ziff. D. II. 6.14. und 15.3.).
1358
Daneben war er aber auch sein Leben lang immer wieder
- wenn auch nicht in allen sozialen Bereichen, so etwa nicht bei den Pfadfindern (…, Ziff. D. II. 6.2.) und der Bergwacht (M… S…, Ziff. D. II. 6.3.) oder bei … (…, Ziff. D. II. 6.11.), vgl. auch …, Ziff. D. II. 6.8. „er hat in der Gruppe seinen Stand gehabt“ oder von der Verteidigung übergebenes Foto, als Anlage zu Protokoll genommen -
Ausgrenzungserfahrungen/Mobbing (wegen seiner verzögerten körperlichen Entwicklung, unterdurchschnittlicher intellektueller Ausstattung, multiplen Teilleistungsstörungen v.a. in den Bereichen Lesen und Schreiben sowie der Sprachentwicklung) ausgesetzt (… und Dr. … Ziff. D. II. 18.4.). Er hat dies grundsätzlich „ertragen“, sich meist nicht gewehrt (vgl. auch J. T., Ziff. D. II. 6.14.). Er verfügt über ein hohes Maß an Kontrolle hinsichtlich Ärger und Konflikten, was einen inneren Druck erzeugt, insbesondere auch, weil er alles mit sich ausmacht, es ihm nicht möglich ist, sich Hilfe zu holen (Ziff. D. II. 18.4.2.).
1359
Bei Frauen hatte er kein G., er erfuhr vielmehr Abweisungen und Ablehnungen, was er erniedrigend empfand und was in ihm Gefühle der Traurigkeit und Enttäuschung auslöste (vgl. …, Ziff. D. II. 6.5.; S… und … S…, Ziff. D. II. 6.10.; … und …, Ziff. D. II. 6.11. und 14.2.2.; … und …, Ziff. D. II. 15.1. und 15.3.). Bei derlei Versagenssituationen verspürt er Ärgerlichkeit (Dr. … Ziff. D. II. 18.4.2.).
1360
Gleichfalls versetzte er sich oft nicht in andere (so näherte er sich etwa V… körperlich und merkte nicht, dass sie das nicht wollte, … und …, Ziff. D. II. 6.11.; … S… beschreibt ihn als distanzlos, Ziff. D. II. 6.3.), reagiert sozial inadäquat (vgl. etwa … S…, Ziff. D. II. 6.3. oder Zeugen …, Ziff. D. II. 6.6., der ihn auf seine Pflichten zur Führung des Berichtsheftes hinwies, woraufhin S. grinste, ihm war alles egal). S. T. tut sich schwer, soziale Signale adäquat einzuschätzen. Er hat Schwierigkeiten im Bereich der psychosozialen Orientierung im jeweiligen Gleichaltrigenkreis, Anpassungs- und Integrationsschwierigkeiten, ebenso, sich auf andere, unvertraute Situationen einzustellen. Unter Druck neigt er zu Sprunghaftigkeit und offensichtlich unüberlegtem Handeln. Bei Konfrontation reagiert er unkritisch und verleugnend/ausweichend. Kritisches bzw. selbstkritisches Urteilsvermögen bei ihm ist reduziert bzw. fehlend (so Dr. …, Ziff. D. II. 18.4.2.).
1361
Risiken und Gefahren schätzt er schwer ein (er konnte sich nicht reinversetzen, was er durch sein Verhalten auslöst, …, Ziff. D. II. 6.3.; risikobereit auch beim Autofahren, …, Ziff. D. II. 6.5. und D. II. 14.9.). Er verdrängt Probleme, frisst diese in sich hinein, ist kein offener Typ, kein offenes Buch (vgl. …, Ziff. D. II. 6.5., oder … G…, Ziff. D. II. 15.3.). Es ist ihm nicht möglich, sich bei Problemen Hilfe zu holen, weder in der Familie noch bei Lehrkräften. S.s Fähigkeit zur Antizipation, d.h. Resultate eigenen Handelns vorauszusehen, ist vermindert (Ziff. D. II. 18.4.2.).
1362
Er litt unter seiner geringen Körpergröße (wenn er auch deshalb nicht ständig von anderen ausgegrenzt wurde, vgl. Zeuge …, Ziff. D. II. 6.2., oder von der Verteidigung übergebene, als Anlage zu Protokoll genommene „Gruppenbilder“, auf denen er sichtlich Teil der Gruppe ist), ebenso darunter, dass er von seiner Intelligenz her eher unterdurchschnittlich ist (vgl. Dr. …, Ziff. D. II. 6.4.; …, Ziff. D. II. 6.3.; R. G., Ziff. D. II. 15.3.).
1363
Er war an Sexvideos mit Gewaltdarstellungen interessiert und von diesen fasziniert (vgl. R. G., Ziff. D. II. 15.3.; Handy-Auswertung, Ziff. D. II. 16.2., – Excelliste zum Webverlauf – 97 % der gelisteten Webseiten hatten pornographischen Inhalt; … traute das T., den er als Naturburschen einordnete, nicht zu, Ziff. D. II. 15.3.). Gelegentlich zeigt S. T. unerwartet (und ohne direkten Auslöser, vgl. etwa …, Ziff. D. II. 6.3.; tickt immer wieder aus, …, Ziff. D. II. 6.7.) impulsives Verhalten, wie sich beispielhaft auch im Januar 2023 in der JVA Traunstein zeigte, wo er mit seiner rechten Hand so kräftig gegen die Zellenwand schlug, dass er sich einen Bruch eines Mittelhandstrahls der rechten Hand zuzog; er war emotional sehr angespannt, weil er zuvor recht viel an eine „Janina“ gedacht hat und über sich selbst zornig geworden war, wenn er über Mädels nachdachte. Diese „Aktion“ war für Dr. … unerwartet (Ziff. D. II. 18.4.2.). Der Zeuge … (Ziff. D. II. 15.2.) beschrieb plötzliche Stimmungsschwankungen und, dass T. „Dampf ablässt“ (in Zusammenhang mit dessen Selbstverletzung im Januar 2023).
19.8.5.3. Verhaltensänderungen bei S. T. nach dem 03.10.2022
1364
In der Gesamtbetrachtung von indizieller Relevanz für die Annahme eines inneren Drucks wegen seines Übergriffs auf H. W. am 03.10.2022 sind auch die nach dem 03.10.2022 bei S. T. festzustellenden Verhaltensänderungen:
1365
Von den Zeugen … und … (Ziff. D. II. 6.5. und D. II. 14.10.) wurde geschildert, dass S. T. nach dem 03.10.2022 vermehrt Alkohol konsumierte („hat sich zugeschüttet“ – „abgeschossen“ – 2-3 Wochen vor seiner Festnahme etwa bei einer HalloweenParty – S. hat sich regelrecht weggekippt –), was auch …; bemerkte (Ziff. D. II. 14.1.1.) oder … (Ziff. D. II. 14.8.). Den gesteigerten Alkoholkonsum ab Oktober 2022 räumte S. T. selbst gegenüber Dr. … ein (Ziff. D. II. 18.4.2.).
1366
Er hielt sich vermehrt bei der Familie … in Bergen/Bernhaupten auf, erweckte den Eindruck, sich dort zu verstecken und schlief öfters im Auto vor deren Wohnung (vgl. … und …, Ziff. D. II. 6.11.).
1367
Am 17.11.2022, nachdem S. T. im Verlauf der „Hausparty“ bei … geäußert hatte: „Ja, ich war’s, ich habe sie umgebracht“ und … (D. II. 6.11.) daraufhin, da sie schockiert war, erst einmal auf den Balkon zum Rauchen ging, kam S. T. dazu und rauchte ebenfalls, obwohl er sonst nie raucht (S. T. gab auch bei Dr. … – D. II. 18.4.2. – an, nicht zu rauchen und noch nie geraucht zu haben; dies äußerte auch … Ziff. D. II. 6.4.).
1368
Auch beschrieben … und …, dass S. T. eigentlich immer lustig war (D. II. 6.11.), nach dem 03.10.2022 aber nicht mehr (vgl. …, D. II. 6.11.).
1369
S. T., der von Sexvideos mit Gewaltdarstellungen fasziniert ist, – gibt er auch gegenüber … (Ziff. D. II. 15.3.) an –, hatte vor dem 03.10.2022 v.a. im Zeitraum 27.09.2022-30.09.2022
- am 27.09.2022 kam es zu 412 Seitenaufrufen, am 28.09.2022 zu 31, 29.09.2022 zu 451 und am 30.09.2022 zu 229 -
in der Anzahl stark ansteigend bzw. auf hohem Niveau entsprechende Seiten aufgerufen (und zumindest teilweise konsumiert), wenn die Kammer auch nicht verkennt, dass nicht jeder Aufruf eines Sex-/Gewaltvideos ein vollständiges Anschauen beinhaltet.
1370
Nach dem 03.10.2022 war der Aufruf entsprechender Seiten zunächst durchgehend im einstelligen Bereich, zwischen dem 10.10.2022 – 22.10.2022 gänzlich „eingeschlafen“ (0) und erst ab 23.10.2022 wieder ein Anstieg festzustellen (24.10.2022 auf 243), im Übrigen aber nicht mehr im 3-stelligen Bereich (vgl. Ergebnis der Auswertung des Handys Xiaomi Mi A2, KOK …, Ziff. D. II. 16.2.).
1371
S. T. wurde von seinem Arbeitgeber/Ausbilder als fleißig beschrieben, dass er macht, was man ihm sagt (vgl. Zeugen … und … D. II. 6.6.). Kurz vor seiner Inhaftierung war S. T. jedoch bei der Arbeit „durch den Wind“, nicht zu gebrauchen (vgl. Zeugen … Ziff. D. II. 6.12.).
19.8.6. Nicht in die Beweiswürdigung eingeflossene Erkenntnisse
1372
Die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.4.) hatte bei S. T. am 07.10.2022 Kratzer am Unterarm bemerkt. Ihr fiel, nachdem S. T. bei einer „Ausräumaktion“ in kurzärmlichem T-Shirt arbeitete, auf, dass er mehrfach an dem linken Unterarm mit der flachen Hand rieb. Sie beschrieb beugeseitig am linken Unterarm mehrere rötliche, oberflächliche Kratzer, wie wenn jemand in Sträuchern, Gestrüpp oder Dornen hängen geblieben ist; eine Blutkruste nahm sie nicht wahr. Die Frage, ob er sich beim der „Ausräumaktion“ verletzt hatte, verneinte S., er sprach davon, dass das von der Arbeit kommt.
1373
Unabhängig davon, ob er sich ein derartiges Verletzungsbild bei der Arbeit hat zuziehen können (Ziff. D. II. 6.6.), hat die rechtsmedizinische Sachverständige Prof. … (Ziff. D. II. 18.3.3.1.) ausgeführt, dass unter Zugrundelegung des von der Zeugin … geschilderten Verletzungsbildes mangels Blutverkrustungen frische Verletzungen mit einem Alter von 1-2 Tagen anzunehmen sind.
1374
Damit sind die beschriebenen Verletzungen aber nicht auf den 03.10.2022 zurückzudatieren, hatten daher für die Überzeugungsbildung der Kammer keinerlei Indizwert.
19.8.6.2. Schwarze Softshelljacke
1375
Gleiches gilt im Ergebnis betreffend die im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen am 18.11.2022 im Zimmer von S. … sichergestellte (Asservat 8.4.2., Zeugin KHK’in … Ziff. D. II. 13.3.) schwarze Softshelljacke. Insoweit waren zwar mittels Infrarotkamera diverse Antragungen festgestellt und nicht ausgeschlossen worden, dass es sich um Blutantragungen handeln könnte (Ziff. D. II. 18.1.). Der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. … (Ziff. D. II. 18.3.3.1.) führte aber aus, dass sich mittels Blutvortestuntersuchung und Luminolverfahren keine Hinweise auf eine Blutspur ergaben, die Antragungen im Hinblick auf ihre Morphologie vielmehr blutuntypisch waren.
1376
Ebenfalls wurden von der Kammer die Angaben der Zeugin … (Ziff. D. II. 14.3.) nicht für die Überzeugungsbildung, dass S. T. Täter des Übergriffs auf H. W. ist, herangezogen und zwar aus folgenden Erwägungen:
1377
Zwar hat … nachdem sie von S. T. in seiner Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 benannt worden war (er hatte angegeben, sie am 03.10.2022 getroffen zu haben), in ihrer Zeugeneinvernahme am 17.11.2022 (ebenso am 18.11.2022 und 18.01.2023 sowie anlässlich ihrer Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung am 19.10.2023 und am 03.11.2023) angegeben, dass S. T. ihr gegenüber in den Abendstunden des 03.10.2022 erwähnt habe, ob sie schon wisse, dass da ein Mädl umgebracht worden ist, im „E.“ oder neben dem „E.“ besser gesagt. Auch legte sie insoweit eigene Empfindungen dar, etwa, dass es am Feiertag gewesen sei und, dass sie dadurch verunsichert gewesen sei, sich auch als potentielles Opfer gesehen habe oder, dass sie sich am darauffolgenden Tag (04.10.2022) in der Schule (Geodaten ab 07:51 Uhr, Handy also tatsächlich in der Schule) Gedanken gemacht habe, was S. ihr da am Vorabend erzählt habe.
1378
Allerdings war … betreffend die zeitliche Einordnung widersprüchlich:
1379
Insoweit ist von wesentlicher Bedeutung, dass die durch Abspielen in die Hauptverhandlung eingeführten Sprachnachrichten (Ziff. D. II. 16.3.2.) zwischen … und ihrer Schwester ….
(05.10.2022 – … ich bin ja gestern – wäre der 04.10.2022 – beim T. gewesen und der hat mich alleine am E. … ja ein Mädl ist beim E. gestern (wäre der 04.10.2022, da ist H. aber nicht umgebracht worden, ihr Leichnam wurde bereits am 03.10.2022 um 14:26 Uhr gefunden) umgebracht worden …),
sowie v.a. am 17.11.2022 zwischen … und ihrer Mutter …, bzw. ihrem Vater sowie …
… spricht mehrfach davon, dass sie bei der Polizei gerade einen Schmarren erzählt hat, weil ich habe nicht mehr genau gewusst, welches Datum das war …. Ich hab mich mit dem Datum vertan, es war nicht der 3., sondern der 5. (das lange Treffen war allerdings auch nicht am 5. wie … in dieser Sprachnachricht erwähnt, sondern am 04.10.2022 – s. Apple Health-Uhr)
dokumentieren, dass ihr eine sichere zeitliche Einordnung des genannten Gespräches mit S. T., indem er ihr Täterwissen offenbart haben soll, nicht möglich war, ebenso zeitliche Einordnungen überhaupt.
1380
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sie im Rahmen ihrer 3. polizeilichen Einvernahme vom 18.01.2023, wie von der Vernehmungsbeamtin und Zeugin KK’in … referiert, auf Vorhalt von Widersprüchen in zeitlicher Hinsicht angab, weil ich gewusst habe, dass ich an dem Abend da war, am E., wo das passiert ist und dann hab ich ihr das gleich geschickt (TikTok an ihre Schwester …), weil ich mir gedacht habe: o.k., ich hätte das vielleicht sein können. Auch betonte … in der Vernehmung vom 18.01.2023, dass sie sich sowohl am 03. als auch am 04.10.2022 mit S. T. getroffen habe.
1381
Ein Treffen am 03.10.2022 spricht … zudem auch in der Sprachnachricht an S. T. vom 17.11.2022, 13:43 Uhr, an (vgl. Ziff. D. II. 16.3.2.: … wir haben uns zwar am dritten auch getroffen …).
1382
Gegen ein Treffen zwischen S. T. und … am 03.10.2022 in den Abendstunden, etwa so ab 19:30 Uhr/20:00 Uhr auf dem Festhallenparkplatz in A. im C. (so von … geäußert), sprechen betreffend den Zeitfaktor bereits die objektiven Feststellungen zu den Geodaten (um 18:54 Uhr bereits wieder in Bergen/Bernhaupten eingeloggt) sowie mehrere Sprachnachrichten bzw. WhatsAppKommunikationen an/mit … und … (Austausch über eine Fanveranstaltung der Serie „Berlin Tag und Nacht“) und … (Thema: Besuch eines lost place) am 03.10.2022 ab 20:44 Uhr. Es gab keinerlei technischen Fußabdruck/keine Funkzellendaten vom Handy der … im Raum A. für den Zeitraum 19:30 Uhr/20:00 Uhr am 03.10.2022. Fotos, welche anlässlich eines „langen Spaziergangs“ von S. und … mit dem Handy von S. gefertigt wurden, wurden am 04.10.2022 gemacht und auf Aufforderung der … (vom 04.10.2022, 22:43 Uhr; Ziff. D. 16.3.1.) von S. am 05.10.2022 um 06:28 Uhr übersandt. Die AppleHealth der … weist für den 04.10.2022 ab 21:00 Uhr eine hohe Schrittzahl auf (nicht aber für den 03.10.2022; vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.3.1.). Auch ist ihr Pkw am 04.10.2022 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von 20:50 Uhr – 22:20 Uhr anhand der WebcamAufnahmen auf dem Festhallenparkplatz festzustellen gewesen (vgl. Ziff. D. 17.4.).
1383
Zudem ergab die Auswertung des Handy’s Oukitel WP7, dass S. seinerseits am 03.10. 2022 um 19:57 Uhr und um 20:15 Uhr mit … telefonierte, das erste Mal ca. 16 min, das zweite Mal ca. 5 min (s. Ziff. D. II. 16.2.2.).
1384
Die Auswertung von … Handy belegte für den 04.10.2022, dass sie um 20:08 Uhr eine WhatsApp an S. richtet, dass ihr fad ist und, ob er was machen will. Es ist dann tatsächlich am 04.10.2022 ab 21:00 Uhr zu einem Treffen von S. und … in A. im C. gekommen (vgl. I.E. Ziff. D. II. 16.3.1.).
1385
Ebenso ergab die Auswertung von … s Handy aber auch eine Sprachnachricht von … an S. am 04.10.2022, 20:07 Uhr, aus der sich ergibt, dass S. vom Vortag noch Sachen in ihrem Auto hat (Ziff. D. II. 16.3.1.). Dies spricht für ein tatsächlich am 03.10.2022 stattgehabtes Treffen zwischen S. und … (wenn auch eben nicht in den Abendstunden, sondern nur am Nachmittag des 03.10.2022 in Übersee; vgl. Ziff. D. II. 19.8.2.2.). Dass es am 03.10.2022 zu einem Treffen zwischen S. T. und … kam, schildert T. in seiner Zeugenvernehmung vom 10.11.2022 auch selbst (Ziff. D. II. 12.).
1386
Zwar geht die Kammer nicht davon aus, dass … gegen S. T. bewusst falsch ausgesagt hat.
1387
Dafür finden sich keine Hinweise, vielmehr eher solche, dass sie ihn entlasten wollte
(vgl. etwa – Ziff. D. II. 16.3.2. – Sprachnachricht … an S. T. vom 17.11.2022, 13:43 Uhr: … Hallo T. ch war jetzt gerade bei der Polizei. Hab das alles geregelt …
Sprachnachricht … an … vom 17.11.2022, 13:59 Uhr: … Aber ich habe den T. fett beschützt … Ich habe den fett in Schutz genommen, den T., dafür muss er mir dankbar sein, jetzt. Und, ich habe so viel Gutes gesagt, …
Sprachnachricht … an … vom 19.11.2022, 11:22 Uhr: … Wir helfen ihm jetzt einfach dabei …).
1388
Es bleibt aber offen, ob … bereits am 03.10.2022 – zu welchem Zeitpunkt auch immer – von S. T. erfahren hat, dass in A. ein Mädl umgebracht wurde, oder eben zu einem späteren Zeitpunkt bzw. am 04.10.2022.
1389
Eine Aufklärung der Widersprüche war der Kammer schlussendlich nicht möglich. Nachdem allseits (einschließlich der Pflichtverteidigung des Angeklagten) am 19.10.2023 und am 03.11.2023 im Rahmen der Hauptverhandlung zunächst auf eine konfrontative Befragung von … verzichtet wurde (vgl. Protokoll und Ziff. D. II. 14.3.), diese dann für den 05.12.2023 beabsichtigt war, berief sich die Zeugin … an diesem Tag auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (s.o. nochmals Ziff. D. II. 14.3.).
19.8.7. Keine Erkenntnisse, die die Täterschaft des Angeklagten ausschließen
19.8.7.1. Keine dritte Person mit Tatbezug
1390
Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass eine dritte Person Tatbezug hat bzw. Täter gewesen sein könnte, fehlen. Die äußerst umfangreichen kriminalpolizeilichen Ermittlungsmaßnahmen haben weder betreffend die „E.-Besucher“ der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 noch betreffend Freunde und Bekannte der H. W. belastbare Anknüpfungstatsachen oder Indizien ergeben, die auf einen direkten Tatbezug bzw. eine Täterschaft einer dritten Person schließen lassen könnten.
1391
Gleiches gilt hinsichtlich weiterer Ermittlungsansätze, etwa betreffend die am Kampenwandparkplatz sichergestellte Holzkernuhr – vgl. auch Bernhard K., Ziff. D. II. 14.12. – oder bezüglich auf dem Kampenwand- bzw. dem Festhallenparkplatz tatzeitnah festgestellter Fahrzeuge und deren Fahrern/Besitzern/Haltern. Zu betonen ist, dass die Polizei offen ermittelt hat, eine Vielzahl von Personen befragt und überprüft hat (1.173 förmliche Vernehmungen, Abarbeitung von 1.498 Ermittlungsaufträgen; Ziff. D. II. 2.) und etwa gegenüber der Zeugin … (Ziff. D. II. 14.1.1.) noch bei deren Vernehmung am 22.11.2022 als möglichen Tatverdächtigen auch einen Malki benannt hat.
1392
Dies ergibt sich auch aus den eingeführten Sprachnachrichten. Beispielhaft sei auf diejenige zwischen … und … am 24.11.2022, 21:09 Uhr, hingewiesen, wo es (nach Festnahme von S. T. im 18.11.2022) um zwei andere Verdächtige geht, der eine heißt A., der andere Mike (Ziff. D. II. 16.3.2).
1393
Schließlich war auch nicht festzustellen, dass H. W. vor dem 03.10.2022 oder ehe sie am 03.10.2022 gegen 02:27 Uhr alleine und unverletzt den Club „E.“ verließ, mit einer anderen Person eine Auseinandersetzung/einen Streit gehabt oder es sonst eine Person gegeben hätte, die ihr feindlich gesonnen (z.B. ein Stalker) gewesen wäre (vgl. Zeugen Ziff. D. II. 10. und Ziff. D. II. 11.1. +. 2.).
19.8.7.2. Kein Alibi des Angeklagten S. T.:
1394
Soweit seitens der Verteidigung zum einen „zeitliche Bedenken“ geäußert sowie zum anderen ein „aktives Nutzen des Handys Oukitel WP7“ am 03.10.2022 ab 02:30 Uhr in den Raum gestellt (unter ausdrücklicher Erklärung, dass dies keine Einlassung des Angeklagten sein solle) und deshalb eine Täterschaft des Angeklagten S. T. ausgeschlossen wurde, haben sich nach der insoweit von Amts wegen veranlassten und durchgeführten Beweisaufnahme für die Kammer keinerlei Anhaltspunkte für ein (entsprechendes) Alibi des Angeklagten S. T. im relevanten Zeitraum ergeben.
1395
Nur ein erwiesenes Alibi hätte Einfluss auf die Entscheidung haben können (vgl. BGH 25, 285 – 2 StR 552/73).
1396
Weg-/Zeitaspekte stehen unter Berücksichtigung der insoweit festgestellten Gegebenheiten der Täterschaft des Angeklagten nicht entgegen.
1397
Betreffend die vom Angeklagten T. selbst in seinen beiden Zeugeneinvernahmen vom 21.10. 2022 und 10.11.2022 (vgl. KHK’in Sch., Ziff. D. II. 12.) angegebenen Laufstrecken war bereits ein „Zurücklaufen“ von A. in Richtung HohenA. vorbei am Lokal „Chalet“ anzunehmen – und damit auch, dass er die Person ist, die am 03.10.2022 um 02:08:41 Uhr von der Webcam des Lokals „Chalet“ erfasst wurde.
1398
Die WebcamAufnahmen des Lokals „Chalet“ sind zwar nicht von guter Qualität – vgl. Ziff. D. II. 17.4. –, jedoch ist die dort um 02:08:41 Uhr vorbeilaufende Person von ihrer Physiognomie her der Physiognomie von S. T. zum damaligen Zeitpunkt
(damals schlank, sportlich, drahtig, regelmäßig für Marathon gelaufen/trainiert, V…, Ziff. D. II. 6.9.; KHK … Ziff. D. II. 2., KHK’in … Ziff. D. II. 12. und mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommene Lichtbilder von S. T. gefertigt am 21.10.2022, Ziff. D. II. 17.2.5.)
durchaus vergleichbar. Auch trug diese Person eine Stirnlampe.
1399
Dass S. T. Anfang Oktober 2022 fit und sportlich war, ergibt sich auch aus seinen Angaben gegenüber Dr. … 2-3× pro Woche ging er laufen, zudem ging er 2-3 × pro Woche ins Fitnessstudio (Ziff. D. II. 18.4.1. und B. I.).
1400
Anhaltspunkte für weitere Jogger waren nicht gegeben, sind unter Berücksichtigung der Uhrzeit und des Wetters auch nicht zu erwarten. S. T. selbst gab anlässlich seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 auf die Frage, ob noch ein zweiter Jogger unterwegs war, an: Nein (Ziff. D. II. 12.).
1401
Weiter äußerte S. T. selbst in seinen Zeugeneinvernahmen am 21.10.2022 und 10.11.2022, dass er von der K.-Straße durch den Mauerdurchbruch auf den Festhallenparkplatz und über diesen gejoggt ist.
1402
Zu werten ist zudem, dass die Mutter von S. T. nach dem Presseaufruf vom 19.10.2022 (vgl. Selbstleseverfahren Ziff. D. II. 17.1.1.) am 20.10.2022 um 06:52 Uhr ihren Sohn als den gesuchten Jogger benannt hatte (Ziff. D. II. 12.). Diese Angabe ist verwertbar, da die Mutter von sich aus bei der Polizei anrief, diese Angaben nicht im Rahmen etwa einer Zeugeneinvernahme machte, so dass die Grundsätze des informatorischen Gespäches anzuwenden sind.
1403
S. T. selbst hat gegenüber den Zeugen … und … (D. II. 14.2.1., 14.9. + 15.2.) geäußert, dass er in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 gejoggt ist, gegenüber … und … (D. II. 14.7., 15.1.1. + 15.3.) ergänzend, dass er in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 beim „E.“ vorbei bzw. in der Gegend des „E.s“ gejoggt ist. Auch gegenüber Dr. … äußerte er, in der Tatnacht zwischen 02:00 Uhr und 03:00 Uhr gejoggt zu sein, ebenso gegenüber … (Ziff. D. II. 15.4.).
1404
Damit besteht kein Zweifel, dass S. T. zur tatrelevanten Zeit in Tatortnähe joggte.
1405
Die Frage, ob S. T. eine kurze oder lange Jogginghose trug, war für die Kammer nicht entscheidungsrelevant.
1406
Die Zeugen, die einen „Jogger“ sahen, sahen ihn jeweils nur wenige Sekunden. Der einzige Zeuge, der eine lange Hose wahrnahm, beschrieb diese als Legging (vgl. … Ziff. D. II. 7.1.). Eine Legging liegt grundsätzlich hauteng an, was bei den vom Zeugen – er fuhr mit dem Auto auf der K.-Straße Richtung A. – geschilderten Straßen- und Lichtverhältnissen und dem Wahrnehmen des Joggers von wenigen Sekunden durchaus mit nackten Beinen verwechselt worden sein kann. S. T. selbst brachte zu seiner Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 eine lange Hose mit, erklärte, dass er eine solche (wenn auch vielleicht nicht genau diese) beim Joggen in der Nacht des 03.10.2022 trug. Die von dieser Hose gefertigten Lichtbilder (Bl. 382 f. d.A., Ziff. D. II. 17.2.6.) wurden mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen. Es handelt sich sicherlich nicht um eine eng anliegende Legging, eher um eine Art Trekkinghose, weit geschnitten (eine andere Hose, als sie vom Jogger, der auf der Webcam „Chalet“ dokumentiert ist, getragen wurde).
1407
Die Laufstrecke vom Lokal „Chalet“ bis nach HohenA. entlang der Bahnhofstraße (so heißt die Hauptstraße noch in A.) bzw. der K.-Straße (so heißt die Hauptstraße dann in HohenA.) über den Festhallenparkplatz, den M. Weg bis zur Ecke Brugweg/K.-Straße 94 a beträgt 3,36 km, bei einer Pace von 6 min/km zurückzulegen in 20 min 49 sec (vgl. Weg-/Zeitberechnung, Ziff. D. II. 17.3.5.).
1408
S. T. hatte selbst zu seiner Laufgeschwindigkeit angegeben, dass er 5 Minuten für 1 km braucht, für die 3,36 km also ca. 17 min. Mit dieser Laufgeschwindigkeit wäre er (02:08:41 Uhr am „Chalet“ vorbeilaufend) um 02:25:41 Uhr an der Ecke Brugweg/K.-Straße 94 a. Wenn er „gemütlich“ (so seine Zeugenaussage am 10.11.2022, Ziff. D. II. 12. – wobei er am 21.10.2022 angab, für den Halbmarathon zu trainieren und von … eine joggende Person in normalem Joggingtempo wahrgenommen wurde, D. II. 7.1., … angab, dass der Jogger mit Ausdauerlauftempo unterwegs war, Ziff. D. II. 7.4.) gelaufen ist, braucht er einige min länger. Es ist ihm aber unzweifelhaft möglich, um ca. 02:31 Uhr an der Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a zu sein.
1409
Dies steht auch in zeitlicher Hinsicht in Einklang mit den Erkenntnissen der insoweit einvernommenen Zeugen: Der Zeuge … (vgl. Ziff. D. II. 7.1.) hat am 03.10.2022 kurz nach Abfahrt vom Festhallenparkplatz gegen 02:10 Uhr in Richtung A. im Bereich der Felder zwischen A. und HohenA. in Richtung HohenA. laufend eine joggende Person mit Stirnlampe in normalem Joggingtempo gesehen. Der nächste Zeuge, dem eine joggende Person auffiel, war der Zeuge … (vgl. Ziff. D. II. 7.2.), der ebenfalls Richtung A. zu Fuß ging und dem auf Höhe des Gasthofes „B.“, K.-Straße 75 a, gegen geschätzt 02:25 Uhr eine joggende Person entgegenkam. Die mit allen Verfahrensbeteiligten entsprechend Beweisantrag Nr. 19 in Augenschein genommene Videosequenz (vgl. Ziff. D. II. 17.3.2.) dokumentiert, dass … um 02:20 Uhr von der S.-Straße nach links in die K.-Straße in Richtung A. gemeinsam mit einem Freund zu Fuß abbiegt. Bis zum Gasthof „B.“, K.-Straße 75 a, beträgt die Wegstrecke knapp 300 Meter, bei normalem Gehtempo, welches …, wie auf der Videosequenzen ebenfalls zu erkennen, einhielt, in etwa 3 min zurückzulegen, d.h. der Jogger ist ihm um etwa 02:23 Uhr auf Höhe des Gasthofes „B.“, K.-Straße 75 a entgegen gelaufen. Die Zeugin … (Ziff. D. II. 7.3.) hat auf dem Festhallenparkplatz ebenfalls einen Jogger wahrgenommen, gibt die Zeit mit 02:20 Uhr bis 02:25 Uhr an, was unter Berücksichtigung der Wegstrecke von der K.-Straße 75 a bis zum Festhallenparkplatz („Abkürzung“ durch Mauerdurchbruch, nicht einmal 200 m) zeitlich plausibel ist. Und schließlich hat der Zeuge … (Ziff. D. II. 7.4.) auf der Mitte des Festhallenparkplatzes einen „Jogger“ geschätzt zwischen 02:25 Uhr und 02:30 Uhr wahrgenommen, der mit Ausdauerlauftempo unterwegs war.
1410
Es ist also unter Weg-/Zeitaspekten schlüssig, dass S. T. etwa gegen 02:25 Uhr im Bereich der Mitte des Festhallenparkplatzes joggte.
1411
Danach wurde der „Jogger“ nicht mehr gesehen (was aber auch nie jemand in den Raum stellte und was entgegen der Ansicht der Verteidigung auch eine Täterschaft nicht ausschließt; Täter kann nicht nur derjenige sein, der bei Tatausführung beobachtet wird). Dass der Jogger nicht mehr gesehen wurde, ist auch durchaus plausibel, da die Strecke Festhallenparkplatz (Mitte) über den M. Weg (ein Trampelpfad, schmal, selbst für Radl gesperrt) bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a keine viel frequentierte ist. Sie führt nicht zu einem Parkplatz bzw. Parkmöglichkeiten. Es handelt sich auch nicht um eine Durchgangsstraße, auch gibt es nur wenige Häuser.
1412
Vom Festhallenparkplatz (Mitte) über den M. Weg bis zur Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a beträgt die Strecke 990 m, unter Zugrundelegung der bereits dargelegten Laufleistung von S. T. joggend in etwa 5 min zurückzulegen (vgl. i.E. Ziff. D. II. 17.3.5.).
1413
Damit ist S. T. kurz nach 02:30 Uhr an der Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a angekommen und hat H. W. auf dem gegenüberliegenden Gehsteig wahrgenommen.
1414
Denn H. W. hatte bis dahin, nachdem sie um 02:28 Uhr aus dem Aufzeichnungsbereich der „E.Kamera“ von der S.-Straße nach rechts in die K.-Straße einbog, eine Wegstrecke von ca. 240 m zurückzulegen. H. W. ging zügig (s. Video, Ziff. D. II. 17.3.1., und GPS-Daten, Ziff. D. II. 16.1.). Bei einer normalen Gehgeschwindigkeit ist dafür eine Zeit von ca. 2 min 42 sec notwendig (vgl. Weg-/Zeitberechnung, Ziff. D. II. 17.3.5.), d.h. H. W. war auf dem der Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a gegenüberliegenden Gehsteigbereich gegen etwa 02:30:42 Uhr angekommen.
1415
Diese Zeitberechnungen werden zum einen nicht durch den Umstand entkräftet, dass die Zeugen … und … („Wendezeugen“, Ziff. D. II. 8.2.) weder einen Jogger wahrnahmen noch eine Frau. Denn diese Zeugen (sie kamen aus Richtung A.) gaben übereinstimmend an, dass der Wendevorgang bereits im Einfahrtsbereich zu der Straße „A.“ erfolgt ist. Diese Straße, hinsichtlich derer sich die Zeugen sicher waren, dass bereits dort der Wendevorgang stattgefunden hat, ist vor dem Bereich, indem die K.-Straße eine Linkskurve zum Tatortbereich macht. Der Tatort, d.h. der Ort, an dem der Angeklagte auf H. W. traf (Ecke X. Weg/K.-Straße 94 a bzw. gegenüberliegender Gehsteigbereich) ist von dort aus gar nicht einsehbar (vgl. Karte Nr. 1, Anlage zum Urteil).
1416
Der Zeuge … (Ziff. D. II. 8.1.) begab sich gegen 02:35 Uhr/02:40 Uhr zu seinem in der Straße „A.“, Nähe Waldrand, geparkten Pkw, konnte also ebenfalls den Tatortbereich nicht einsehen.
1417
Zum anderen wird diese Zeitberechnung schließlich auch nicht durch die Angaben der Zeugen … und … (Ziff. D. II. 8.1.) in Frage gestellt. A… verließ nach ihren Angaben den Club geschätzt gegen 02:30 Uhr, ganz genau wusste sie das nicht mehr. Zum einen ist sie aber auf den durch Abspielen in Augenschein genommenen Videoaufnahmen (Kamera „Notausgang 2“) um 02:38 Uhr (noch) auf der S.-Straße zu sehen (vgl. Ziff. D. II. 17.3.1.). Zum anderen gab E. an (Ziff. D. II. 8.1.), beim Einbiegen von der S.-Straße in die K.-Straße von sich selbst ein Video gedreht zu haben. Dieses zeigte sie dem Gericht vor. Der Zeitstempel des Beginnes der Videoaufnahme lautet 02:40 Uhr. …, der im Burghotel, K.-Straße 94 a, im 3. Stock schlief, erhielt um 02:38 Uhr, auch dies ist anhand des abfotografierten, mit allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommenen Chats dokumentiert, von … die Nachricht: „Bin gleich da“. Erst im Hinblick auf diese Nachricht stand er auf, verließ das im 3. Stock liegende Zimmer und ging in Richtung Haupteingang des Hotels.
1418
D.h., im Hinblick auf die oben dargelegte Feststellung zum Beginn des Übergriffes von S. T. auf H. W. (zwischen 02:30 Uhr und 02:32 Uhr), war … zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in die K.-Straße eingebogen und vom Bereich des der Kampenmwandstraße 94 a gegenüberliegenden Gehsteigbereichs noch ca. 200 m entfernt. Ebenfalls hatte sich … noch nicht einmal auf dem Weg vom 3. Stock des Burghotels in der K.-Straße 94 a zu dessen Eingangsbereich begeben, geschweige denn, dass er bereits die Eingangstüre geöffnet und den gegenüberliegenden Gehsteigbereich, den Ort des Aufeinandertreffens von S. T. und H. W. in den Blick genommen hätte.
1419
Betreffend die Wegstrecke Ecke X. Weg/K.-Straße zu der Wohnanschrift des Angeklagten B. ..., ist – so der Zeuge KHK… – eine Strecke von 680 m ermittelt worden. Auch diese Strecke lief der Kollege I. in 3 min 39 sec mit einer pace von 6 „nach“. Bei einer pace von 5 min/km – wie von S. T. in seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 (Ziff. D. II. 12.) angegeben – benötigte er „nur“ 3 min 24 sec, ist also entsprechend 15 sec früher an der Wohnanschrift X. Weg ....
1420
Nachdem der Angeklagte auf H. W. einschlagen hatte, damit sie sich nicht wehren kann (Tatzeitbeginn zwischen 02:30 Uhr und 02:32 Uhr), sowie ihr Jacke und Hose ausgezogen hatte, warf er sie ohne relevante zeitliche Zäsur in den Bärbach (vgl. Ziff. D. II. 19.5.1.). Es ist ihm unzweifelhaft möglich, gegen 02:40 Uhr an seiner Wohnanschrift im X. Weg ... anzukommen, wo er – so seine Aussage in der Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022, Ziff. D. II. 12., – über die Terrassentüre in die Wohnung gelangt.
1421
Die Tat lief innerhalb nur weniger Minuten ab. Die Zeitspanne ist jedoch ausreichend zur Durchführung des Angriffs und der festgestellten Handlungen des Angeklagten bis hin zum Verbringen des Körpers von H. W. ins Gewässer.
1422
Denklogisch hat der Angriff bereits vor dem Notruf um 02:32:09 Uhr begonnen, da der Notruf als Reaktion der H. W. auf den Angriff erfolgte.
1423
Selbst unter zugunsten Annahme, dass ein Großteil der festgestellten Tathandlungen erst ab dem Notruf erfolgt sein sollten, ist die festgestellte Zeitspanne leicht ausreichend, diese auszuführen.
1424
Damit ist die Täterschaft des Angeklagten T. auch unter zeitlichen Aspekten schlüssig.
19.8.7.2.2. Nutzung des Handys Oukitel WP7 („Clash of Clans“ am 03.10.2022 ab 02:42 Uhr)
1425
Im Ergebnis hat sich aus der von der Verteidigung in den Raum gestellten Nutzung des Handys Oukitel WP7 in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 ab 02:30 Uhr (sollte im Übrigen ausdrücklich auch keine Einlassung des Angeklagten sein) ebenfalls kein Alibi des S. T. ergeben.
1426
Unabhängig davon, dass dieses Handy offensichtlich auch von anderen Mitgliedern der Familie T. enutzt wurde (vgl. Strickvideo), haben die nachträglichen umfangreichen Auswertungen des Handys Oukitel WP7 für die frühen Morgenstunden des 03.10.2022 (00:00 Uhr – 04:00 Uhr) nur folgende aktiven Nutzungen ergeben (vgl. i.E. Ziff. D. II. 16.2.):
1427
Es wurde das YouTubeVideo „So geht Fitness zu Hause richtig“ am 03.10.2022 um 01:24 Uhr aufgerufen. Das Video hat eine Dauer von 14 min 42 sec. Aufgrund des empfangenen Datenvolumens steht fest, dass das Video nicht vollständig, sondern nur etwa zu 10 % angeschaut wurde (also bei Annahme der schlechtesten Auflösungsqualität max. 2 min 34 sec → Ende des Aufrufs = 01:26:34 Uhr).
1428
Wer das YouTubeVideo aufgerufen hat, ist bislang unbekannt, nicht ausschließbar aber der Angeklagte.
1429
S. T. ist danach (sollte er – nicht ausschließbar – das Video aufgerufen haben) zum Joggen aufgebrochen.
1430
Betreffend die Zeit nach Rückkehr zur Wohnung in den … gegen 02:40 Uhr war
- so das Ermittlungsergebnis über EUROPOL Siena (Ziff. D. II. 16.2.) zur Behauptung der Verteidigung aus dem Schriftsatz vom 14.12.2023, „Beweisantrag Nr. 3“, wonach der Angeklagte am 03.10.2022 ab 02:30 Uhr das Multiplayerspiel „Clash of Clans“ auf dem Mobiltelefon Oukitel WP7 gespielt habe, ohne dass diese Behauptung als Einlassung zu werten sei -
festzustellen, dass am 03.10.2022 (erst) ab 02:42 Uhr (UTC+2) das Spiel „Clash of Clans“ für die Dauer von 8 min 33 sec am Handy Oukitel WP7 betätigt wurde.
1431
Auch wenn das Multiplayerspiel „Clash of Clans“ vom Account „jojo“, einem weiblichen Avatar gespielt und die Person des Spielers nicht festgestellt wurde, geht die Kammer davon aus, dass nicht ausschließbar S. T. das Spiel am 03.10.2022 ab 02:42 Uhr für 8 min 33 sec nach Rückkehr zur Wohnung gegen ca. 02:40 Uhr aktiv gespielt haben kann.
1432
Weiter wurde das Spiel am 03.10.2022 um 03:31 Uhr für die Dauer von 3 min 4 sec gespielt.
1433
Zudem war festzustellen, dass zwar im Zeitfenster 03.10.2022, 02:00 Uhr – 04:00 Uhr, vor dem Aufruf des Multiplayerspiel „Clash of Clans“ ab 02:42 Uhr ein weiterer logfile (GoogleYouTube) registriert war.
1434
Jedoch war zum einen Ergebnis der Ermittlungen, dass innerhalb der jeweiligen Zeitfenster keine chronologische Protokollierung der Netzwerkverbindungen erfolgt.
1435
Zum anderen war bezüglich der Frage eines möglichen Startens eines Videos in der YouTubeApp im Zeitfenster 02:00 Uhr-04:00 Uhr keine Protokollierung von Netzwerkverbindungen festzustellen. Am 03.10.2022 konnten anhand der Protokollierung der Netzwerkverbindungen nur 2 Videoaufrufe verifiziert werden:
* 03.10.2022, 01:42 Uhr: Aufruf des Videos „So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“
* 03.10.2022, 14:54 Uhr: Aufruf des StrickVideos „How To: Slip Purlwise (sl1p)
1436
Weitere Aufrufe von Videos ereigneten sich am 03.10.2022 nicht, d.h. die AppYouTube hat am 03.10.2022 kein drittes Video abgespielt, da zu einem dritten Video keine Protokollierung stattfand bzw. registriert wurde. Wäre im Zeitfenster 03.10.2022 02:00 Uhr – 04:00 Uhr noch etwas anderes angeschaut, aufgerufen, gespielt worden oder wäre gechatet, geschrieben bzw. eine E-Mail verschickt worden, wäre auch dies protokolliert worden (vgl. nochmals Ausführungen Kochneff und H. Ziff. D. II. 16.2.).
1437
Der von der Verteidigung mehrfach angesprochene logfile im Zeitfenster 03.10.2022, 02:00 Uhr-04:00 Uhr „vor“ dem Aufruf des Multiplayerspiel „Clash of Clans“ ab 02:42 Uhr belegt also keine aktive Nutzung, da
- eine zeitliche Festlegung, wie erwähnt, schon gar nicht zu treffen ist, weil in einem Zeitfenster keine chronologische Protokollierung der Netzwerkverbindungen erfolgt,
- weil der Nutzer des Smartphones ohne aktive Nutzung die App mittels Antippen auf dem Bildschirm gestartet oder er diese aus dem AppFach in den Vordergrund gewischt hat.
- Es steht fest, dass am 03.10.2022 nur um 01:24 Uhr (und um 14:54 Uhr) ein YouTubeVideo aufgerufen wurde (s. i.E. Ziff. D. II. 16.2.2.).
- Durchaus plausibel ist die Annahme, dass nach dem Einschalten des Smartphones die App YouTube sich ohne aktive Nutzung in den „Foreground“ schaltete. Nachvollziehbar zu erklären ist dies deshalb, weil etwa das FitnessVideo („So geht Fitness zu Hause richtig – Training, Ernährung und Work-out mit Trainingsplan“, welches um 01:24 Uhr aufgerufen worden war) noch in der YouTubeApp geladen war, es beim Wiederstarten angezeigt und „automatisch“ weiter abgespielt wurde. Dies wurde ebenfalls plausibel dadurch belegt, dass eine reine „Abspielzeit“ des Fitnessvideos von (nur) knapp 3 sec (exakt 2,66 sec) dokumentiert und dadurch die Annahme einer „Wischaktion“ vor Beginn des Spielens von „Clash of clans“ ab 02:42 Uhr bekräftigt ist. Binnen 2,66 sec ist nicht von einem Videokonsum auszugehen.
1438
Die nachträglichen umfangreichen Auswertungen des Handys Oukitel WP7 in dieser Nacht ergaben also keinen aktiven Nutzungsvorgang im maßgeblichen Zeitraum 02:30 Uhr – 02:42 Uhr.
1439
Ergänzend sei angemerkt, dass S. T. selbst in seiner Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 angab (vgl. Vernehmungsbeamtin und Zeugin KHK’in … Ziff. D. ii. 12.), dass er, nachdem er noch eine Runde gelaufen ist, einfach heim und wieder ins Bett ging. Davon, dass er noch ein Strategiespiel gespielt oder ein YouTubeVideo angeschaut hätte, erwähnte er nichts, auch nicht gegenüber einem der Zeugen – etwa beim „Partyabend“ am 17.11.2022 oder gegenüber … bzw. … -.
1440
Dass von der Verteidigung in den Raum gestellte Argument, S. T. könne nicht der Täter sein, da es nicht nachvollziehbar sei, dass er sich nach einem körperlichen Übergriff einfach an das Handy gesetzt und ein Computerspiel gespielt hätte, steht dem nach Überzeugung der Kammer nicht entgegen, da es keine gesicherten, allgemeingültigen Erkenntnisse darüber gibt, wie sich eine Person, die einen körperlichen Übergriff zum Nachteil eines anderen Menschen begangen hat, danach verhält.
1441
Insgesamt hat die Kammer, insbesondere unter Berücksichtigung der glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des … M…, aber auch der übrigen erhobenen Beweise und ertrachtung keine Zweifel, dass der Tod von H. W. keinem Unfallgeschehen geschuldet ist und S. T. objektiv Tater der Übergriffs, so wie er den Sachverhaltsfeststellungen Ziff. C. II./III. zugrunde gelet ist, war.
1442
Folgende weiteren Umstände hat die Kammer darüber hinaus in den Blick genommen:
1443
Soweit S. T. gegenüber Dr. … auf die Größe der getöteten H. W. hinwies sowie auf die örtlichen Gegebenheiten, und dass ihm ein Verbringen zu einem entfernten Bach nicht möglich gewesen sei (Ziff. D. II. 18.4.2.), steht dies der Annahme einer Täterschaft nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der Tatörtlichkeit (vgl. Ziff. D. II. 19.6.) war ein Verbringen des Körpers nicht über eine große Distanz zum Bärbach notwendig, vielmehr nur von wenigen Metern. Gleichfalls ist ein Verbringen in den Bärbach auch nicht durch den Größeren- und Gewichtsunterschied zwischen dem Angeklagten (1,67 cm – 62 kg; Ziff. D. II. 18.3.3.1.) und H. W. (1,86 cm – 70 kg; Ziff. D. II. 18.3.3.2.) ausgeschlossen: S. war körperlich fit, ging nicht nur 2-3 × pro Woche Laufen, sondern auch 2-3 × pro Woche ins Fitnessstudio (Ziff. B. I.). Prof. … wies darauf hin (Ziff. D. II. 18.3.3.1.), dass in einem dynamischen Geschehen ein Missverhältnis von Körpergröße und Körpergewicht zwischen Opfer und Täter nicht grundsätzlich ausschlaggebend ist. Die Zeugin … (Ziff. D. II. 14.11.) schilderte, dass S. T. Viel Kraft hatte.
1444
Auch soweit seitens der Verteidigung vorgebracht wurde, eine Täterschaft des Angeklagten S. T. scheide bereits deshalb aus, weil im Umfeld des angenommenen Tatortes keinerlei Steine vorhanden seien, greift dieser Aspekt nicht: Zum einen geht die Kammer davon aus, dass der H. W. mit einem unbekannt gebliebenen, stumpfen Gegenstand, gegebenenfalls einem Stein, mehrfach wuchtig auf den Kopf geschlagen wurde. Des Weiteren waren im Umfeld der Tatörtlichkeit durchaus Steine; es wurde etwa auch von KHM’in … (Ziff. D. II. 5.) ein solcher sichergestellt, nachdem daran mögliche rötliche Antragungen bemerkt worden waren (tatrelevante Antragungen wurden im Ergebnis nicht festgestellt). Steine waren also vorhanden.
1445
Schließlich spricht auch das Fehlen von (DNA)Spuren des Angeklagten nicht gegen die Tatbegehung durch ihn. Grundsätzlich gilt, dass nicht jeder Kontakt zwingend zum Setzen einer Spur führt und auch nicht jede gesetzte Spur auffindbar ist (vgl. zu der Problematik etwa BGH, Beschluss vom 29.12.2014 – 2 StR 211/14).
1446
Der Umstand, dass an Körper und Kleidung der H. W. keine DNA oder daktyloskopische Spuren vom Angeklagten gefunden wurden, schließt seine Täterschaft nicht aus: Bereits aufgrund der Dauer der Liegezeit der Leiche und der Kleidung im Gewässer waren Spuren des Täters nicht zu erwarten.
1447
Gleichfalls schließt der Umstand, dass an der (vorgelegten) Kleidung des Angeklagten bzw. der erst fast 7 Wochen später am 18.11.2022 (also mit einem relevanten Zeitverzug zur Tat) sichergestellten Gegenstände keine Spuren von H. W. gefunden wurden, seine Täterschaft nicht aus: Die Softshelljacke erschien frisch gewaschen, die übergebene Hose war nicht diejenige, die er in der Nacht vom 02. auf den 03.10.2022 trug.
19.8.8. Subjektive Tatseite des Angeklagten S. T.
1448
Zur subjektiven Vorstellungswelt des Angeklagten S. T. im Zuge des verfahrensgegenständlichen Übergriffs auf H. W. war entgegen dem Sachverhalt der Anklage Folgendes festzustellen:
1449
Gegenüber dem Zeugen … äußerte S. T. zum einen, dass er ein sexuelles Interesse an ihr gehabt hat. Außerdem äußerte er, dass er sie bewusstlos geschlagen hat, damit sie sich nicht wehren kann.
1450
Damit hat S. T., der bei Tatbegehung bei erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit handelte (Ziff. D. II. 18.4.2.), seine Fähigkeit, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, also grundsätzlich nicht beeinträchtigt war, gegenüber … seine zunächst bestehende subjektive Vorstellungswelt betreffend einen Körperverletzungsvorsatz offenbart: Er hat auf H. eingeschlagen, um sie bewusstlos zu machen, damit sie sich nicht wehren kann.
1451
Allein dies rechtfertigt bezüglich des Vorsatzes die Annahme, dass S. T. H. in ihrer körperlichen Integrität verletzen wollte und es ihm darauf ankam.
1452
Dies war aber auch bereits bei dem Angriff von hinten (vgl. Ziff. D. II. 18.3.3.3.), dem zu Bodenstoßen mit großer Wucht sowie dem anschließenden Einwirken des Angeklagten auf Rücken und Schultern von H. W. welches zu dem beidseitigen symmetrischen Bruch der Schulterdächer und massiven Einblutungen am Rücken sowie dem rechten Oberarm bis auf den Knochen führte, der Fall.
1453
Mit dem bewusstlos Schlagen mittels eines stumpfen Gegenstandes, gegebenenfalls einem Stein – also einem nach der konkreten Art der Verwendung (mehrfache Schläge auf den Kopf) zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeigneten Gegenstand –, geht aber nicht nur die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit eines anderen Menschen einher. Vielmehr ist von dem Wissen und Wollen eines derart agierenden Täters auch umfasst, dass durch diese Behandlung das Opfer abstrakt in Lebensgefahr geraten kann, etwa weil es sich z.B. an Erbrochenem verschluckt und ersticken kann. Ein Täter muss (nur) die Umstände erkennen, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Er muss sie nicht als lebensgefährdend bewerten. Bei S. T. ist ein allgemein vorhandenes Verständnis gegeben (er war u.a. bei der Bergwacht, wo auch eine Erste-Hilfe-Ausbildung erfolgte, Ziff. D. II. 6.4., auch hat er den Führerschein, dieses Wissen wurde also „aufgefrischt“), dass dann, wenn er einem Menschen mit dem Ziel, seine Bewusstlosigkeit herbeizuführen, mehrmals mit einem Gegenstand auf den Kopf schlägt, er diesen Menschen damit in eine abstrakt lebensgefährliche Lage bringen kann (vgl. auch Aussage des S. T. als Zeuge, Ziff. D. II. 12.).
1454
Einen (wenn auch nur bedingten) Tötungsvorsatz hatte S. T. nach Überzeugung der Kammer zu diesem Zeitpunkt aber, als er H. W. angriff und mit einem stumpfen Gegenstand auf ihren Kopf einschlug, noch nicht.
1455
Er wollte sie bewusstlos schlagen, damit sie sich nicht wehren kann. Er gab selber im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 10.11.2022 auf die Frage: Meinen Sie, dass das mit dem Steinschlagen schon zum Tod der H. führen konnte? an: Nein, aber vielleicht, dass er sie überhaupt mitnehmen konnte, und, … man kann ja auch nicht wissen, wie hart der drauf schlägt (Ziff. D. II. 12.). S. T. hat damit als Zeuge ein Dosieren der Schläge mit Differenzierung der Folgen (bewusstlos schlagen – töten) als seine Vorstellungswelt präsentiert. Diese Vorstellungswelt hat sich deckungsgleich in seiner Offenbarung gegenüber … wieder gefunden (bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht wehren kann). Zu werten ist diesbezüglich auch die Aussage des Zeugen … (Ziff. D. II. 15.1.1.), dass S. T. entweder direkt äußerte, dass er, als er H. bewusstlos schlug, damit sie sich nicht mehr wehren kann, noch keinen Tötungswillen hatte oder es so war, dass er/… das (den noch fehlenden Tötungswillen) aus der Art und Weise von S.’s Schilderung schlussfolgerte.
1456
Dies deckt sich auch mit den objektiven, rechtsmedizinischen Feststellungen (Ziff. D. 18.3.3.2.), wonach die Schläge auf den Kopf keine knöchernen Verletzungen am Schädel oder Verletzungen innerhalb der Schädelhöhle verursachten, sie waren auch nicht todesursächlich.
1457
Damit steht für die Kammer fest, dass der Übergriff auf H. W. durch den Angeklagten zunächst (nur) mit Körperverletzungsvorsatz erfolgte, er zu diesem Zeitpunkt keinen Willen hatte, die Frau zu töten, auch nicht mit bedingten Vorsatz. Er vertraute zu diesem Zeitpunkt auf den Eintritt der bloßen Bewusstlosigkeit.
1458
Im Hinblick auf das von S. T. gegenüber … M… angegebene sexuelle Interesse gilt Folgendes:
1459
Zwar hat der Angeklagte gegenüber … M… angegeben, dass er ein sexuelles Interesse an der Frau gehabt hat, er wollte sie missbrauchen oder vergewaltigen (Ziff. D. II. 15.1.1.). Ebenso war festzustellen, dass der Bekleidungszustand von H. W. insbesondere das Entkleiden der Lederjacke und der Lederhose nicht durch Wasserkräfte während des Treibevorgangs zu erklären ist. Auch ist nicht davon auszugehen, dass H. W. sich selbst Jacke und Hose auszog (Ziff. D. II. 19.7.5.). Vielmehr wurden diese Kleidungsstücke ihr bereits vor Verbringen in das Gewässer vom Angeklagten S. T. ausgezogen.
1460
Dieses Ausziehen ist als unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung eines sexuellen Missbrauchs zu verstehen.
1461
Nicht festzustellen war, dass es objektiv zu sexuellen Handlungen an oder gar zur Vergewaltigung von H. W. kam.
1462
Der Zeuge … M… gab insoweit an, dass der Angeklagte ihm gegenüber nicht äußerte, ob er sie tatsächlich vergewaltigt oder missbraucht hat (Ziff. D. II. 15.1.1.). Seitens der Rechtsmedizin wurden keinerlei Verletzungen im Genitalbereich festgestellt, auch keine Spermaspuren (Ziff. D. II. 18.3.3.3.). Der Slip saß regelrecht.
1463
Da weitere Feststellungen dazu, wieso S. T. dann von dem ursprünglich beabsichtigten sexuellen Missbrauch Abstand nahm, zu seiner insoweit bestehenden inneren Vorstellungswelt, nicht zu treffen waren, sowie verschiedene Ursachen
- z.B. Überforderung des Angeklagten, der keinerlei sexuelle Erfahrung hatte, aber auch Überforderung durch die Situation, Angst im Hinblick auf den wahrgenommenen „Anruft“, von dem der Angeklagte nicht wusste, dass er nie einging (vgl. Dr. H… unter Druck neigt T. zu Sprunghaftigkeit und offensichtlich unüberlegtem Handeln; Ziff. D. II. 18.4.2.), Aufgeben aus Mitleid o.ä. -
denkbar sind, ist die Kammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass er die weitere Ausführung sexueller Handlungen aus selbstgesetzten, freiwilligen Motiven aufgab. Damit ist von einem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (vgl. hierzu Ziff. E. I. 5.2.) zugunsten des Angeklagten auszugehen.
1464
Danach erfolgte, wenn auch nicht räumlich und zeitlich, eine Zäsur.
1465
Die Zäsur zeigt sich objektiv in der Handlungsweise des Angeklagten und subjektiv durch die neue Zielsetzung seines Tuns:
1466
Er entschloss sich, die (objektiv) zumindest bewusstseinseingetrübte H. W. in den angrenzenden Bärbach zu werfen, der aufgrund des Starkregens der vergangenen Stunden Hochwasser führte (1,40 m) und reißend war, das Wasser war kalt. Dabei hatte er direkten Tötungsvorsatz. Gegenüber dem Zeugen … äußerte S. T. dass er sie dann in den Fluss geworfen hat. Der Angeklagte sagt dies zu M… in einer Art und Weise, dass dieser das mit dem Begriff „entsorgen“ gleichsetzte (Ziff. D. II. 15.1.1.).
1467
Der Angeklagte war sich bewusst, dass H. noch nicht tot war, da er gegenüber … davon sprach, dass sie von ihm bewusstlos (also noch nicht tot) geschlagen wurde. Dann kam es allerdings nach Überzeugung der Kammer zu einem Vorsatzwechsel, ein qualitativ belangvoller Einschnitt.
1468
S. T. entschloss sich den Körper der Frau, die zumindest bewusstseinseingetrübt war, in den Fluss zu werfen. Er wusste und wollte, dass sein Opfer in dem Gewässer ertrinken wird.
1469
Es ist damit ein Wechsel der Zielrichtung des Handelns gegeben: Er will zunächst sexuell motiviert an H. handeln. Dann wirft er sie in den Fluss, sein Opfer ist „weg“, das ursprüngliche Ziel nicht mehr realisierbar. Mit dem Verbringen des Körpers von H. in den reißenden Bärbach kam es dem Angeklagten S. T. r jetzt nicht mehr darauf an, sich an dem Körper sexuell zu befriedigen, sondern den Körper im Fluss zu „entsorgen“. Er wollte sein Opfer töten, diesen Erfolgswillen hatte er. Er wusste, dass ein bewusstlos geschlagener Mensch, den er in einen Hochwasser führenden, reißenden Bach verbringt, durch Ertrinken stirbt.
1470
S. T. entschloss sich dazu, um die zuvor durch seinen Übergriff auf H. W. begangene Körperverletzung, aber auch den sexuell motivierten Übergriff, zu dem er durch Ausziehen von Hose und Jacke bereits unmittelbar angesetzt hatte, zu verschleiern. Nur dadurch, dass H. stirbt, konnte der Angeklagte, der gegenüber … äußerte, dass er sie vom Sehen her kennt (Ziff. D. II. 15.1.1. – Täter und Opfer wohnten im selben kleinen Ort, keinen km von einander entfernt) seine Identifizierung verhindern. Das Opfer ist durch das Verbringen ins Wasser weg, aber auch die Spuren.
19.9.1. Auffindung und Bergung des Leichnams, erste Mitteilungen in den Medien
1471
Entdeckt wurde ein unbekannter Leichnam vom Zeugen … (Ziff. D. II. 3.1.) am 03.10.2022 um 14:26 Uhr in der Prien bei Kaltenbach.
1472
Die Bergung des unbekannten Leichnams erfolgte um 16:06 Uhr durch Kräfte der Feuerwehr und Wasserwacht. Schaulustige wurden ferngehalten, kamen sicher nicht näher als 100-200 m an die Bergungsstelle heran (PM’in … und PHM …, Ziff. D. II. 3.2., ebenso KHK … keine Weitergabe von „Info’s“ durch Bergungskräfte, Ziff. D. II. 4.1.).
1473
Die Identifizierung des zunächst unbekannten weiblichen Leichnams erfolgte – nach dem sich im Rahmen der ersten Leichenschau ab etwa 18:00 Uhr im Bestattungsunternehmen Hartl aufgrund eines Stempels ein Bezug zum Club „E.“ und damit erstmals nach A. im C. ergeben hatte – am 03.10.2022 um ca. 22:00 Uhr (vgl. Ziff. D. II. 4.) im Beisein eines begrenzten, zur Verschwiegenheit verpflichteten Personenkreises (Ärzte/Polizeibeamte).
1474
S. T. sprach selbst nicht davon, vom Unglück über Feuerwehr, Bergwacht oder Wasserwacht Informationen erhalten zu haben (vgl. KHK’in …, Ziff. D. II. 12.).
1475
19.9.2. Nicht ausschließbar spielt S. T. am 03.10.2022 ab 02:42 Uhr „Clash of Clans“ auf dem Handy Oukitel WP7
1476
Insoweit kann auf die Ausführungen Ziff. D. II. 19.8.7.2. Bezug genommen werden.
19.10. Tatfolgen für die Eltern von H. W.
1477
Zu den Folgen der Geschehnisse und des Ablebens ihrer Tochter am 03.10.2022 war – anhand der glaubhaften und glaubwürdigen Angaben der Eltern – bezüglich der Mutter … W. festzustellen, dass sie Ende 2022 therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Derzeit ist sie nicht mehr in Therapie. Sie vermisst ihre Tochter nicht nur jeden Tag, kann vielmehr ihrer Arbeit als selbständige Schneiderin bis heute nicht mehr nachgehen.
1478
Der Vater von H., … W., war unmittelbar nach der Tat zunächst bis Allerheiligen 2022 krankgeschrieben. Einen dann unternommenen Arbeitsversuch musste er nach 1 1/2 Wochen abbrechen, konnte bis Februar 2023 nicht arbeiten. Bis heute macht er zu 100 % homeoffice, kann nicht mehr unter Leute gehen. Auch er hat therapeutische Hilfe in einer Traumaarnbulanz kurz vor Silvester 2022 in Anspruch nehmen müssen. Parallel dazu hat er 10 Sitzungen bei einem Psychologen wahrgenommen. Aktuell nimmt er aber keine therapeutische Hilfe mehr in Anspruch. Ohne Medikamente kann er jedoch nach wie vor keine Nacht schlafen.
20. Erhaltene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten T. bei Tatbegehung
1479
Die Feststellung, dass S. T. bei erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit handelte, beruht auf den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. … betreffend die medizinischen Voraussetzungen (vgl. Ziff. D. II. 18.4.2.). Da keine psychiatrische Diagnose im engeren Sinne zu stellen war, stellte sich nicht die vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage, ob und ggf. welches der Eingangsmerkmale der Schuldfähigkeitsparagrafen erfüllt sein könnte und, ob daraus folgend von einer erheblich verringerten oder gar aufgehobenen Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit auszugehen wäre.
E. Rechtliche Einordnung:
1480
Durch den somit zur Überzeugung der Kammer feststehenden und unter Ziffer C. dargelegten Sachverhalt hat sich der Angeklagte T. der gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord schuldig gemacht (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5; 211 Abs. 2, 3. Merkmalsgruppe; 53 StGB).
I. Handlungen des Angeklagten, um sich sexuell motiviert der H. W. zu bemächtigen:
Gefährliche Körperverletzung
1481
Die Einwirkung des Angeklagten auf H. W. um sich ihrer sexuell motiviert zu bemächtigen, d.h. das mit großer Wucht erfolgte zu Bodenbringen der H. W. und die Einwirkung im Rahmen eines dynamischen Geschehens auf ihren Rücken und den Oberarmbereich mit erheblicher Krafteinwirkung hat H. bereits an ihrer Gesundheit geschädigt (Verursachung der symmetrischen, beidseitigen Akromionfrakturen; massive, großflächige Ein- und Unterblutung im Rückenbereich von der Nackenpartie bis zum Steiß sowie Einblutung am rechten Oberarm bis auf den Knochen).
2. „mittels eines anderen gefährlichen Werkzeuges“ – § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
1482
Zudem hat T. die Variante Nr. 2 des § 224 Abs. 1 StGB erfüllt, als er mit einem unbekannt gebliebenen, stumpfen Gegenstand, gegebenenfalls einem Stein, mindestens 7 × auf den Kopf von H. W. einschlug und dadurch 5 QuetschRissWunden sowie (mindestens) 2 Hämatome (jeweils ohne Schürfungen) herbeiführte.
1483
§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist erfüllt, wenn eine Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, d.h. mittels eines von außen auf den Körper des Opfers einwirkenden Tatmittels erfolgt. „Mittels“ des Werkzeuges ist die Körperverletzung begangen, wenn sie mit dessen Hilfe, also durch das Werkzeug, unter dessen zweckgerichteter Verwendung durch den Täter verursacht wurde. Das Tatmittel muss unmittelbar auf den Körper der geschädigten Person einwirken. Werkzeug ist jeder Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Ein gefährliches Werkzeug ist damit ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (potentielle Gefährlichkeit, vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 224 Rn. 9 ff.; BGH NStZ-RR 2012, 308/309).
1484
Der vom Angeklagten, für das Einschlagen auf H. W. ihren Kopf, mit Kraft benutzte, unbekannt gebliebene stumpfe Gegenstand, gegebenenfalls ein Stein (oder ein anderer vergleichsweise harter Gegenstand), ist unzweifelhaft in der konkreten Art der Verwendung objektiv geeignet, erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität herbeizuführen, was im Konkreten auch durch die entstandenen 5 QuetschRissWunden sowie die (mindestens) 2 Kopfhautrötungen/Hämatome (ohne Schürfungen) dokumentiert ist. Dies wusste und wollte der Angeklagte T. auch, er wollte H. bewusstlos schlagen, damit sie sich nicht wehren kann.
3. „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ – § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB
1485
Die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist durch die Einwirkung des Angeklagten auf H. W. ebenfalls erfüllt worden, denn für eine Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ genügt nach der Rechtsprechung, dass die Art der Behandlung nach den Umständen des Einzelfalles generell dazu geeignet ist, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen, d.h. die objektive Eignung der Behandlung zur Lebensgefährdung genügt, eine konkrete Gefahr braucht nicht eingetreten zu sein (vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 67; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 920 f.; Fischer, a.a.O., § 224 Rn. 26 ff.).
1486
Die Schläge auf den Kopf der Geschädigten W. waren geeignet, das Opfer in abstrakte Lebensgefahr zu bringen (vgl. Rechtsmedizin, Ziff. D. II. 18.3.3.3.).
1487
Der Angeklagte führte diese Schläge aus, um H. W. bewusstlos zu schlagen, damit sie sich nicht wehren kann. Einen Menschen bewusstlos zu schlagen, beinhaltet eine abstrakte Gefährdung des Lebens.
1488
Dies war vom Wissen und Wollen des Angeklagten umfasst.
1489
Insoweit ist insbesondere auch nochmals auf seine Angaben im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme am 10.11.2022 (Ziff. D. II. 12.) zu verweisen: Dort schilderte er als Zeuge befragt die Möglichkeit des Dosieres von Schlägen, verbunden mit der Differenzierung der Folgen (bewusstlos Schlagen – töten). Zum Zeitpunkt des Draufschlagens hat er jedoch eine Tötung der Frau weder gewollt noch billigend in Kauf genommen (s. auch Ziff. D. II. 19.8.8.).
1490
4. Nicht „mittels eines hinterlistigen Überfalls“ – § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB
1491
Der unvermittelte Angriff des Angeklagten auf H. W. stellt sich rechtlich aber nicht als eine Körperverletzung „mittels eines hinterlistigen Überfalles“ im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB dar.
1492
Überfall ist ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht oder auf den er sich nicht vorbereiten kann.
1493
Hinterlistig ist der Überfall aber nur dann, wenn sich die Absicht des Täters, dem anderen die Verteidigungsmöglichkeit zu erschweren, äußerlich manifestiert, wenn der Täter also planmäßig seine Verletzungsabsicht verbirgt, indem er etwa Freundlichkeit vortäuscht, dem Tatopfer aufgelauert oder sich anschleicht oder es an einen Ort lockt, an dem seine Abwehr- und Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt sind. Anerkanntermaßen reichen ein plötzlicher Angriff von hinten oder die bloße Ausnutzung des Überraschungsmomentes nach ständiger Rechtsprechung für sich alleine nicht aus (Fischer, a.a.O., § 224 Rn. 22).
1494
Zwar konnten Feststellungen dahingehend getroffen werden, dass der Angriff des Angeklagten auf H. W. von hinten erfolgte
(s. Akromionbrüche, insbesondere rechts mit Stückfraktur und Fraktur Richtung Körpermitte und dazu erfolgte Erklärung der rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. … und Prof. A…).
1495
Die näheren Umstände, etwa, ob es zuvor zu einem „Ansprechen“ zwischen Täter und Opfer gekommen ist, waren allerdings nicht aufzuklären. Mangels Feststellungen hierzu wird zugunsten des Angeklagten daher davon ausgegangen, dass keine Tatumstände über das bloße Ausnutzen des Überraschungsmoments und des Angriffs von hinten hinaus gegeben waren, mithin die Hinterlist des Überfalls in rechtlicher Hinsicht zu verneinen war.
5. Strafbefreiender Rücktritt vom Sexualdelikt
5.1. Zwar unmittelbares Ansetzen
1496
Der Angeklagte T. hat gegenüber … M… (s. Ziff. D. II. 15.1.1.1.) angegeben, dass er die Frau (H. W.) aus sexuellen Motiven angegriffen hat. Er äußerte, dass er die Frau missbrauchen oder vergewaltigen wollte.
1497
Zu dem beabsichtigten sexuellen Übergriff hat der Angeklagte auch bereits dadurch unmittelbar angesetzt, dass er H. W. zu Boden brachte und bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehren kann. Darüber hinaus hat er ihr bereits Lederjacke und Lederhose ausgezogen
(vgl. Ausführungen dazu, dass dies weder durch H. W. selbst noch durch den Treibevorgang erfolgt sein kann, Ziff. D. II. 19.7.5).
1498
Ein tatsächlich erfolgter sexueller Übergriff durch den Angeklagten war nicht festzustellen.
1499
Zum einen gab … an, dass der Angeklagte sich nicht dahin gehend geäußert hat, ob er sie tatsächlich missbraucht oder vergewaltigt hat (s. Ziff. D. II. 15.1.1.). Zum anderen sprach dagegen, dass nicht nur der Stringtanga am Körper der H. W. regelgerecht saß sowie keinerlei Beschädigungen aufwies, sondern auch im Genitalbereich keinerlei Verletzungen festgestellt werden konnten (Ziff. D. II. 19.3.3.2.), kein biologisches Material des Angeklagten (Ziff. D. II. 18.1.) und auch keinerlei Spermaspuren des Angeklagten feststellbar waren (Ziff. D. II. 19.3.3.3.).
1500
5.2. Aber insoweit strafbefreiender Rücktritt aus selbstgesetzten Motiven
1501
Nachdem H. W. als Folge des Übergriffes handlungsunfähig geworden war, gab der Angeklagte T. seinen ursprünglichen Vorsatz des sexuellen Missbrauchs spontan auf.
1502
Es ist nicht vom Vorliegen eines fehlgeschlagenen Versuchs – der einen strafbefreienden Rücktritt ausschließen würde – auszugehen. Ein solcher liegt dann vor, wenn es dem Täter tatsächlich unmöglich ist, in unmittelbarem Fortgang des Geschehens den Erfolg herbeizuführen und er dies weiß (s. MüKo/Hoffmann-Holland, StGB, 4. Aufl. 2020, § 24 Rn. 53 ff.).
1503
Der Angeklagte T. hat sich zwar nicht zu seiner subjektiven Einstellung zum fraglichen Zeitpunkt geäußert, sich insoweit auch nicht gegenüber Dritten offenbart, sodass objektive Anknüpfungstatsachen zu seiner Vorstellungswelt fehlen. Aus den äußeren Umständen ist aber zu schlussfolgern, dass er den tatbestandlichen Erfolg noch hätte herbeiführen können, er hätte sich auch an der bewusstseinseingetrübten/bewusstlosen H. W. sexuell vergehen können.
1504
Für die Klärung, ob ein strafbefreiender, freiwilliger Rücktritt vorliegt, kommt es zunächst darauf an, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt.
1505
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auf der Basis der jeweiligen Tätersicht, dem sog. Rücktrittshorizont vor. Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter noch nicht alles getan zu haben glaubt, was zur Erfolgsherbeiführung erforderlich ist, ein beendeter Versuch, wenn der Täter aus seiner Sicht bereits so viel bewirkt hat, dass es ohne weitere Ausführungshandlungen zum Erfolgseintritt kommen kann (s. MüKo/Hoffmann-Holland, a.a.O., § 24 Rn. 72 ff.).
1506
Liegt ein unbeendeter Versuch vor, kann der Täter bereits dadurch Strafbefreiung erlangen, dass er „freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt“ (Abs. 1 S. 1 Alt. 1). Im Fall des beendeten Versuchs muss er demgegenüber freiwillig die Vollendung der Tat verhindern (Abs. 1 S. 1 Alt. 2) oder sich zumindest ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemühen (Abs. 1 S. 2).
1507
Da der Angeklagte sich zu seinem inneren Vorstellungsbild nicht geäußert hat, auch nicht gegenüber …, und sonstige objektivierbare Anknüpfungstatsachen insoweit fehlen, war der Grund, warum der Angeklagte seine sexuellen Motive nicht weiter durchsetzte und was er sich zu diesem Zeitpunkt vorstellte, nicht aufzuklären.
1508
Deshalb ist die Kammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass der Versuch unbeendet war, d.h. er nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan zu haben glaubte, was zur Erfolgsherbeiführung erforderlich ist (Ausziehen des Stringtangas, Penetration o.ä.).
1509
Weil zugunsten des Angeklagten vom Vorliegen eines unbeendeten Versuchs auszugehen ist, konnte er insoweit bereits dadurch Strafbefreiung erlangen, dass er „freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt“ (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB).
1510
Ein Rücktritt ist freiwillig, wenn der Täter autonom, d.h. aufgrund einer freien Entscheidung die weitere Ausführung der Tat aufgibt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges verhindert bzw. sich in denjenigen Konstellationen, in denen der Erfolg unabhängig von seinen Verhinderungsanstrengungen nicht eintritt, ernsthaft darum bemüht. Autonome Motive sind für den Täter typischerweise dann handlungsleitend, wenn er beschließt, von der Tat zurückzutreten, obwohl er davon ausgeht, dass er diese ohne erhebliches eigenes Risiko erfolgreich zu Ende führen könnte, er sich also nicht gezwungenermaßen aufgrund innerer oder äußerer Umstände dazu entschließt, zurückzutreten. Die Motive, die den Täter zum Rücktritt bewegen, müssen dabei nicht sittlich billigenswert sein. Grundsätzlich kann anerkanntermaßen auch die Angst vor Entdeckung oder Bestrafung ein freiwilliger Grund sein. Vorausgesetzt ist, dass dem Täter noch eine Abwägungsmöglichkeit zwischen Tatvollendung und Rücktritt bleibt.
1511
Ein objektives Rücktrittsverhalten ist demgegenüber als unfreiwillig zu bewerten, wenn es nicht auf einer freien Entscheidung des Täters beruht, sondern vorrangig durch heteronome Umstände bedingt bzw. motiviert ist. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten des Täters in erster Linie von einem (äußeren bzw. inneren) Beweggrund bestimmt wird, auf welchen er selbst keinen Einfluss hat, also typischerweise dann, wenn der Täter mit unvorhergesehenen praktischen Ausführungsschwierigkeiten oder Entdeckungsrisiken konfrontiert und hierdurch der Rücktritt durch vom Willen des Täters unabhängige Motive erzwungen wird (s. MüKo/Hoffmann-Holland, a.a.O., § 24 Rn. 104, 117 f.).
1512
Auch betreffend die Bewertung, ob der Angeklagte T. die weitere Ausführung sexueller Handlungen an H. W. aus selbstgesetzten, freiwilligen Motiven aufgegeben hat, fehlten der Kammer objektivierbare Anknüpfungstatsachen zu seiner Vorstellungswelt (s.o.), weshalb auch insoweit zu seinen Gunsten von selbst gesetzten freiwilligen Motiven ausgegangen wird.
1513
Ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch ist damit anzunehmen.
II. Handlungen des Angeklagten, um sich der H. W. zu entledigen:
Tatmehrheitliche Verwirklichung des Tatbestandes des Mordes
1. Zäsur – Tötungsvorsatz
1514
Nachdem der Angeklagte die Geschädigte zunächst, wie dargelegt, aus sexuellen Motiven mit Körperverletzungsvorsatz bewusstlos geschlagen hatte, kam es – aus nicht bekannten Gründen – zu einer Änderung des ursprünglichen Ziels des Angeklagten. Er nahm Abstand vom ursprünglichen Motiv, dem sexuellen Übergriff und fasste letztlich den Entschluss, H. W. zu töten. D.h. S. T. kehrte sich von seinem Ursprungsziel, sich des Körpers der jungen Frau zu bemächtigen, ab und fasste den neuen Entschluss, sich der Frau/des Opfers zu entledigen.
1515
Zu diesem Zweck verbrachte er den durch den zuvor erfolgten, mit Körperverletzungsvorsatz geführten Angriff vorgeschädigten Körper der H. W. in den wenige Meter neben dem Gehweg an der K.-Straße befindlichen, aufgrund der Hochwassersituation reißenden Bärbach.
1516
T. der in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit in keiner Weise auch nur eingeschränkt war (Ziff. D. II. 18.4.2.), wusste und wollte nun, dass sein bewusstseinseingetrübtes bzw. bewusstloses Opfer dort ertrinkt – was es auch max. 4-5 Minuten nach Einbringen in das Gewässer tat – damit er und seine Tat unentdeckt bleiben.
1517
Die Handlung des Verbringens in das Gewässer ist rechtlich eine neue Ausführungshandlung:
1518
Zwar liegt zwischen der mit Körperverletzungsvorsatz geführten Handlung und der nun mit Tötungsvorsatz geführten Handlung weder eine relevante räumliche noch zeitliche Zäsur.
1519
Jedoch ist zum einen ein Wechsel im Vorsatz bezogen auf das Opfer (Körperverletzungsvorsatz → dann Tötungsvorsatz) festzustellen.
1520
Des Weiteren ist ein Wechsel der Motivation gegeben (sexuell motivierter Übergriff → dann „Wegwerfen“/Werfen ins Gewässer, womit der Körper weggeschwemmt und ein weiteres Verfolgen des sexuellen Motivs definitiv ausscheidet und womit auch für einen objektiven Betrachter der Wechsel des Motivs erkennbar ist) und damit verbunden ein Wechsel der Handlungsausführung (erst ein sich Bemächtigen des Körpers von H. W. → dann ein sich Entledigen des Körpers).
1521
Schließlich ist auch das Mittel des Übergriffes nun ein anderes (zunächst Draufknien/Draufschlagen → dann Verbringen ins Gewässer).
1522
Diese Aspekte bilden einen qualitativ bedeutsamen Einschnitt.
1523
Es ist dabei für die Ausführungshandlungen keine Teilidentität festzustellen, d.h. die Taten beruhen nicht auf einem Entschluss und es ist keine Überschneidung in mindestens einem Ausführungsakt erkennbar.
1524
Mangels Teilidentität ist nicht von Tateinheit auszugehen, vielmehr ist nach der mit Körperverletzungsvorsatz geführten Handlung eine Zäsur und dann folgend tatmehrheitlich die Verwirklichung des Tötungsdeliktes festzustellen.
1525
Der Umstand; dass der Angeklagte die durch die vorangegangene Tat geschaffene Gelegenheit (bewusstlos Schlagen von H. W.) zur Tötung „ausnutzt“, ändert daran nichts, da diese Ausführungshandlung, wie dargelegt, auf einem neuen Entschluss beruht und sich bei der Tatbestandsverwirklichung keine Teilüberschneidungen ergeben.
1526
Er ging auch nicht davon aus, dass sie bereits zuvor tot war (Ziff. D. II. 19.8.8.): Er wollte sie bewusstlos schlagen, damit sie sich nicht wehren kann. Er präsentierte selbst als Zeuge einvernommen (Ziff. D. II.12.) ein Dosieren der Schläge mit Differenzierung der Folgen (bewusstlos Schlagen – töten) als seine Vorstellungswelt, eine Vorstellungswelt die dann auch deckungsgleich von ihm gegenüber … offenbart wurde (Ziff. D. II. 15.1.1.) und die im Übrigen mit den objektiven Feststellungen der Rechtsmedizin in Einklang steht (Ziff. D. II. 18.3.3.2. + 3.3.3.).
2. Handeln in Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2, 3. Merkmalsgruppe)
1527
Bei Verbringen des Körpers in den Bärbach handelte der Angeklagte T. mit Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2 3. Merkmalsgruppe StGB).
1528
Verdeckungsabsicht liegt vor, wenn die Tötung eines Opfers/Tatzeugen, von dessen/deren belastenden Angaben der Täter die Aufdeckung seiner Tatbeteiligung fürchtet, erfolgt, um eine andere Straftat zu verdecken, also um eine vorausgegangene Straftat als solche oder Spuren einer solchen zu verdecken, die bei näherer Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (BGH, Urteil vom 17.05.2011 – 1 StR 50/11; MüKo/Schneider, a.a.O., § 211 Rn. 218).
1529
Erforderlich ist ein zweiaktiges Geschehen. Tatbestandlich erfasst sind nur solche Sachverhalte, bei denen sich die Vortat und die daran anknüpfende Anschlusshandlung derart voneinander unterscheiden lassen, dass die Verdeckungstötung in Relation zum Bezugsgeschehen rechtlich als eigenständiger Akt erscheint (MüKo/Schneider, a.a.O., § 211 Rn. 233).
1530
Die Kammer war sich bewusst, dass nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 10.05.2000 – 1 StR 617/99; Beschluss vom 24.04.2018 – 1 StR 160/18) der Annahme eines Verdeckungsmordes zwar nicht entgegensteht, dass die zu verdeckende Vortat unmittelbar in die Tötung zur Verdeckung des vorangegangenen Geschehens übergeht. Insbesondere bei dynamischen Geschehensabläufen, die ohne zeitliche oder räumliche Zäsur in einem Tötungsdelikt kulminieren, ist aber besonderes Augenmerk auf die Beurteilung zu legen, ob der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelte und sodann zur Tötung überging oder, ob er bereits zu Beginn der Auseinandersetzung mit (bedingtem) Tötungsvorsatz agierte und mit dem abschließend finalen Tötungsakt lediglich die bereits begonnene Tat zu Ende führen wollte. Es kommt auf die Abgrenzung eines einaktigen von einem zweiaktigen Geschehen an.
1531
Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die innere Vorstellung des Täters.
1532
Das Gericht konnte mangels einer entsprechenden Einlassung des Angeklagten zu seiner inneren Vorstellungswelt nur Schlussfolgerungen hinsichtlich seiner Motivation ziehen. Relevant waren insoweit neben der „Offenbarung“ des Angeklagten gegenüber … M… aber auch die äußeren Gegebenheiten, die Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen (BGH, Urteil vom 17.05.2011 – 1 StR 50/11 Rn. 17 ff.):
1533
Festzustellen war dementsprechend unter Zugrundelegung der glaubhaften und glaubwürdigen Aussage des Zeugen … dass der Angeklagte aufgrund sexuellen Interesses H. bewusstlos schlug, damit sie sich nicht wehren kann und sie dann in den „Fluss“ warf, sie „entsorgte“.
1534
Trotz der nur minimalen zeitlichen und räumlichen Zäsur ist aus den dargelegten drei Aspekten (Vorsatzwechsel – Motivwechsel – Wechsel des Mittels des Übergriffs) und der fehlenden Überschneidung in mindestens einem Ausführungsakt von einem zweiaktigen Geschehen auszugehen, wie soeben unter 1. ausgeführt.
1535
Die Verdeckungsabsicht kann insbesondere auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss – wie beim Angeklagten T.
(unter Berücksichtigung seiner Eigenschaft, unter Druck zu Sprunghaftigkeit und offensichtlich unüberlegtem Handeln zu neigen (Dr. H., Ziff. D. II. 18.4.2.)
zu seinen Gunsten anzunehmen – gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele (BGH, Urteil vom 17.05.2011 – 1 StR 50/11 Rn. 16).
1536
Durch das Verbringen des Körpers von H. W. den Bärbach wollte der Angeklagte die zwei vorangegangenen Taten (Körperverletzung und versuchter sexueller Übergriff) verdecken. Zu betonen ist, dass es nach der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich ist, dass die vom Verdeckungstäter begangene Handlung objektiv eine Straftat war. Es reicht aus, dass er sich dies vorstellt (BGH, Urteil vom 17.05.2011 – 1 StR 50/11; Fischer, a.a.O., § 211 Rn. 83 a); BeckOK zu § 211 Rn. 88). Ob dies auf falscher Tatsachenannahme oder falscher rechtlicher Wertung beruht, ist unerheblich, d.h., es ist bedeutungslos, ob die Vortat verfolgbar ist oder nicht. Daher ist es betreffend den versuchten sexuellen Übergriff auch irrelevant, dass der Angeklagte – zu seinen Gunsten angenommen – strafbefreiend zurückgetreten ist.
1537
Mit dem Verbringen ins Wasser war das Opfer „weg“. Nur dadurch, dass H. W. stirbt, kann sie den Angeklagten nicht identifizieren. Diese Gefahr war naheliegend. So äußerte T. gegenüber … auch, dass er sie vom Sehen her kennt (Ziff. D. II. 15.1.1.). Die Angst, dass er und der zuvor erfolgte Übergriff entdeckt werden, untermauert den bereits festgestellten Tötungsvorsatz. Durch das „Wegspülen“ des Opfers wurde die Aufdeckung seiner Täterschaft, die T. fürchtete, erschwert, der Tatort wurde verschleiert, Spuren am Opfer (und dem Tatort) wurden vernichtet, was der Angeklagte beabsichtigte.
3. Keine Verwirklichung des Mordmerkmals der „Heimtücke“ (§ 211 Abs. 2 2. Merkmalsgruppe StGB) – oder weiterer Merkmerkmale
1538
Das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 2. Merkmalsgruppe StGB) – wie von der Staatsanwaltschaft in der Anklage angenommen – ist nach Überzeugung der Kammer demgegenüber nicht erfüllt.
1539
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein.
1540
Weitere Voraussetzung ist, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt, wobei es auf die Lage zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs ankommt (st. Rspr. des BGH, so z.B. Beschluss vom 29.04.2014 – 3 StR 21/14). Dieses Ausnutzungsbewusstsein kann sich bereits aus dem objektiven Tatbild ergeben, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (BGH, Urteil vom 04.07.2018 – 5 StR 580/17; BGH, Beschluss vom 16.08.2018 – 1 StR 370/18), es sei denn, es handelte sich um eine „Augenblickstat“ aufgrund eines affektiven Durchbruchs oder sonstiger heftiger Gemütsregungen (BGH, Beschluss vom 30.07.2013 – 2 StR 5/13; BGH, Urteil vom 11.06.2014 – 2 StR 117/14; BGH, Urteil vom 31.07.2014 – 4 StR 147/14; BGH, Urteil vom 29.01.2015 – 4 StR 433/14).
1541
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben:
1542
Mit dem Angriff des Angeklagten T. auf H. W. in Form der gefährlichen Körperverletzung war diese nicht mehr arglos, weshalb bereits die Annahme des Vorliegens des Mordmerkmals der Heimtücke
zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, also des Verbringens des Körpers in den Bärbach
1543
Bereits ehe sie in den Zustand der Bewusstseinseintrübung bzw. Bewusstlosigkeit kam, fehlte ihr die Arglosigkeit. Als sie angegriffen wurde – noch ausschließlich mit Körperverletzungsvorsatz (s.o.) –, schrie sie auf (s. Ziff. D. II. 19.7.7.). Auch wählte sie noch um 02:32:09 Uhr aktiv und bewusst den Notrufkontakt „home“ (s. Ziff. D. II. 19.7.3.). H. W. rechnete also bei Gesamtwürdigung der Tatumstände mit einem lebensbedrohlichen oder zumindest weiteren, gegen ihre körperliche Unversehrheit gerichteten schweren bzw. erheblichen Angriff, weshalb sie den Notrufkontakt „home“ wählte.
1544
Damit ist die Annahme eines heimtückischen Handelns des Angeklagten rechtlich ausgeschlossen.
1545
Dieser Überzeugung der Kammer steht schließlich nicht die anerkannte Rechtsprechung entgegen, dass Arglosigkeit auch vorliegen kann, wenn der Täter dem Opfer zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff aber so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit der Abwehr bleibt (vgl. (BGH, Urteil vom 19.10.2011 – 1 StR 273/11; BGH, Urteil vom 16.02.2012 – 3 StR 346/11; Fischer, a.a.O., 211 Rn 35 c). Ein solcher „Überraschungseffekt“ ist bereits widerlegt durch den von H. W. unternommenen Anrufversuch und den Aspekt, dass ihr noch ein Schrei möglich war, der ja auch gehört (vgl. Zeugin S. K., Ziff. D. II. 14.4.) wurde, wenn daraus auch keine Rückschlüsse gezogen wurden.
1546
Anknüpfungstatsachen, die die Annahme des Vorliegens eines anderen weiteren Mordmerkmales rechtfertigen könnten, waren nicht ersichtlich.
F. Rechtsfolgenausspruch:
I. Anwendung von Jugendstrafrecht, § 105 Abs. 1 JGG
1547
Vorauszuschicken ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis von Regel und Ausnahme zueinander steht, sondern es sich um gleichrangige Alternativen handelt, zwischen denen zu entscheiden ist; nur wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel nicht beheben kann, ist Jugendrecht anzuwenden (BGH, Urteil vom 23.10.1958, BGHSt. 12, 116 (119); BGH, Urteil vom 06.12.1988, BGHSt. 36, 37 (40)).
1548
§ 105 Abs. 1 JGG sieht für die Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende wiederum zwei selbständige Voraussetzungen vor, nämlich den Entwicklungsgleichstand mit einem Jugendlichen (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) und die „Jugendverfehlung“ (§ 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG); während die erste Betrachtung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG persönlichkeitsorientiert ist, erfolgt die zweite Bewertung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG tatorientiert.
1549
Im vorliegenden Fall ergibt sich hieraus:
1550
Der am 16.12.2001 geborene Angeklagte T. war zur Tatzeit am 03.10.2022 20 Jahre 10 Monat alt und mithin Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG.
1551
Nach Überzeugung der Kammer – in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Sachverständigen L. und Dr. …, der Jugendgerichtshilfe, Fr. … und der Staatsanwaltschaft – ist auf ihn jedoch Jugendstrafrecht anzuwenden, da sich bei Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit unter Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen bei einer persönlichkeitsorientierten Gesamtbetrachtung ergibt, dass er zum Tatzeitpunkt nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand (vgl. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG).
1552
Bei dieser Gesamtwürdigung, einem Querschnittsbefund, bezogen auf die Tatzeit und orientiert am Maßstab des psychischen Entwicklungsstandes des Täters, kommt es maßgeblich darauf an, ob der Heranwachsende sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet, d.h. bei ihm also noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind. Maßstab für die Reifebeurteilung ist nicht das Zurückbleiben hinter einem imaginären Durchschnitt Gleichaltriger, weil es keinen bestimmten, sicher abgrenzbaren Typ von Jugendlichen und Heranwachsenden gibt; auch das äußere Erscheinungsbild ist nicht ausschlaggebend, sondern eben die Tatsache, ob noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam sind (vgl. etwa BGHSt. 36, 37 (39/40); BGH, NStZ-RR 2011, 218; StV 2013, 762).
1553
Beim Angeklagten T. der zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und 10 Monate alt war, liegen in Bezug auf die Reifebeurteilung Entwicklungsauffälligkeiten in allen relevanten Entwicklungsbausteinen (Sprache, Motorik, Sauberkeit, psychosoziale Entwicklung) vor. Sein lebensgeschichtlicher Entwicklungsverlauf ist von multiplen Belastungen gekennzeichnet, sowohl kognitiv auch als auch psychosoziale Kompetenzen betreffend (vgl. Ziff. B. I. und II.; 18.4.2.).
1554
Im Kindesalter wurde bei S. T. u.a. eine einfache Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörung (ADHS, ICD-10: F 90.0) sowie eine nicht organische Enuresis (Einnässen), eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, eine Lese- und Rechtsschreibstörung sowie eine Sprachstörung diagnostiziert. Diese Entwicklungsproblematik wurde erstmals im Sommer 2007 diagnostiziert.
1555
Er hat sich zweimal in der K. H. Klinik Rosenheim (Februar – Mai 2011 und 27.02.2012 – 31.07.2012) stationär befunden.
1556
Auch befand er sich mehrmals ambulant und teilstationär im Sozialpädiatrischen Zentrum V., wo ein kombinierter Entwicklungsrückstand, Kleinwuchs und ADHS diagnostiziert wurden. S. T. litt bereits in der Kindheit und Jugend darunter, dass er oft Außenseiter war, wegen seiner geringen Größe/seines geringen Gewichtes gehänselt wurde. Er empfand die Benachteiligungen früh als ungerecht.
1557
Aufgrund der Entwicklungsauffälligkeiten wurde S. T. in eine sog. Diagnose- und Förderklasse eingeschult. Auch im Verlauf der Grundschuljahre setzten sich die Entwicklungsschwierigkeiten fort, sowohl, was die psychosoziale Orientierung im Gleichaltrigenkreis betraf, als auch betreffend Akzeptanz der Schulregeln und Lerntempo. Es war eine zusätzliche Betreuung von S. T. erforderlich, welche zwar zu einer Verbesserung der bestehenden Problemkreise führte, auch zum Erlangen eines qualifizierenden Hauptschulabschlusses im Jahr 2019. S. T. litt aber weiterhin unter Schikanen wie Mobbing und Ausgrenzungserfahrungen und war nicht in der Lage, sich bei der Familie und/oder Lehrkräften Hilfe zu holen.
1558
Nach dem Schulabschluss begann er zwar eine Berufsausbildung, benötigte hierzu aber externe Unterstützung und hat z.T. mit Schwierigkeiten wie Überforderung (s. Führung des Berichtsheftes) zu kämpfen. Neben eindeutigen Reifeverzögerungen (soziale Beziehungen, nicht zuletzt psychosexuelle Entwicklung, Integration in den Gleichaltrigenkreis) sind auch reifere Persönlichkeitsanteile hinsichtlich der Einstellung zur Arbeit und lebensplanerischen Vorstellungen im Ansatz erkennbar geworden. Problematisch imponiert aber Vermeidungsverhalten
(vgl. etwa auch Angaben des Zeugen K… Ziff. D. II. 6.5.: T. nicht so ein wirklich offener Typ, Probleme frisste er eher in sich hinein anstatt darüber zu reden. T. will einfach Sachen verdrängen, will nur das Positive sehen und das Negative alles hinten dran stehen lassen; s. dazu auch Dr. H., Ziff D. II. 18.4.2.),
Ausweichen von Schwierigkeiten, unkritische Selbsteinschätzung, mäßige Toleranz gegenüber ich-dyston empfundenen Belastungen, Verhalten bei Abmahnung (betreffend das Berichtsheft, vgl. Ausbilder) sowie die Notwendigkeit der Wiederholung des 1. Lehrjahrs.
1559
Bis zu seiner Inhaftierung am 18.11.2022 war der Angeklagte T. in seine Familie eingebunden. Mutter und Tante begleiteten den Angeklagten etwa bis zuletzt auch zur Hausärztin und sprachen dort für ihn (vgl. Ziff. D. II. 6.4.), was eine Unselbständigkeit dokumentiert.
1560
Selbst während der Untersuchungshaft zeigte er z.T. kindliches, unreifes Verhalten (vgl. etwa das Koten in die Dusche, Ziff. D. II, 6.14.), ohne Einschätzung der Konsequenzen z.B. durch Mithäftlinge.
1561
In finanziellen Angelegenheiten war der Beginn einer gewissen Eigenständigkeit erkennbar.
1562
Auch zum Zeitpunkt der Tat stand S. T. also trotz seines kurz bevorstehenden 21. Geburtstags bei Berücksichtigung seiner Persönlichkeit nach seiner sittlichen und geistigen Reife noch einem Jugendlichen gleich. Es zeigte sich – so die Sachverständigen … nd Dr. … (Ziff. D. II. 18.4.) – insgesamt ein inhomogenes Entwicklungs- und Reifeprofil bei Einschätzung seines Reifestatus unter Heranziehung der Merkmalsliste (jedes Merkmal kann 4-stufig nach „kindlich – jugendlich – heranwachsend – erwachsen“ eingeordnet werden) nach Esser:
(1) Realistische Lebensplanung
a) Berufswahl – Einstufung: heranwachsend
1563
Angeklagter T. hat nach dem Schulabschluss seine Berufsausbildung einigermaßen konsistent mit externe Unterstützung verfolgt; neben Überforderungsmomenten waren Fleiß, eine gewisse Arbeitsmoral und Disziplin zu erkennen, im Ansatz auch lebensplanerische Einstellungen
b) Planung von Partnerschaft/Familie, Erfahrung mit Partnerschaften – Einstufung: jugendlich
1564
Angeklagter T. hatte in seinem bisherigen Leben keine Beziehung zu einem in etwa gleichaltrigen Mädcher bzw. einer jungen Frau; er hat sich betreffend die psychosexuelle Entwicklung bisher als ungeschickt, gehemmt und unrealistisch gezeigt
(2) Eigenständigkeiten im Verhältnis zu den Eltern – Einstufung: jugendlich
1565
Insoweit war bei dem Angeklagten T. noch keine Ablösung erkennbar (wohnte zu Hause; Mutter/Tante sprachen bei Arztbesuchen für ihn), eine sozial sich andeutende Eigenständigkeit fehlte noch
(3) Eigenständigkeit im Verhältnis zu Gleichaltrigen/Partnern – Einstufung: heranwachsend
1566
Freundschaftsbeziehungen zu Gleichaltrigen hat der Angeklagte unterhalten, gemeinsame Unternehmungen fan den statt, er war in einen kleinen Freundeskreis integriert
(4) Äußerer Eindruck – Einstufung: heranwachsend
äußerlich einem jungen Mann Anfang 20 entsprechend
(5) Realistische Alltagsbewältigung – Einstufung: heranwachsend
1567
Alltagsanforderungen hat S. T. altersangemessen gestaltet
(6) Alter der Freunde – Einstufung: heranwachsend
1568
Freunde und Hauptkontaktpersonen sind weitgehend gleichaltrig
(7) Bindungsfähigkeit/Aufrechterhaltung von Beziehungen über einen längeren Zeitraum – Einstufung: heranwachsend
einige wenige, aber längere Freundschaftsbeziehungen
(8) Integration von Eros und Sex – Einstufung: kindlich (pubertär)
keine Erfahrungen in der Aufnahme intimer Beziehungen
(9) Konsistente, berechenbare Stimmungslage – Einstufung: jugendlich
1569
S. T. ist geduldig und ausgeglichen, allerdings fanden sich auch Hinweise auf emotionale Labilität und unerwartete Impulsdurchbrüche (vgl. Verletzung der Hand, 20.01.2023)
1570
Im Summenwert kommen die Sachverständige … und Dr. … damit dazu, dass der Angeklagte T. zum Tatzeitpunkt überwiegend einen jugendlichen bis heranwachsenden Reifestatus aufgewiesen hat, eine Einschätzung, die die Kammer nach eigener Überprüfung teilt.
1571
Der Angeklagte T. war bezüglich der Sozialisationsstufen durch die seit dem Kindergartenalter und damit länger andauernde sozialphobische Symptomatik und die dargelegten Entwicklungsproblematiken im Aufbau altersentsprechender sozialer Kompetenzen beeinträchtigt. Eine altersgemäße Verselbständigung und Perspektivenübernahme im Heranwachsendenalter und mithin im Tatzeitraum zeigte sich noch nicht.
1572
All diese Aspekte führen nach Überzeugung der Kammer im Rahmen der nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG erforderlichen und gebotenen persönlichkeitsorientierten Betrachtung in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Sachverständigen … und Dr. …, der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, Fr. …, und der Staatsanwaltschaft zur Annahme, dass der Angeklagte T. zum Tatzeitpunkt nach seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand und auf ihn daher Jugendstrafrecht Anwendung findet.
1573
Darauf, ob die Anwendung von Jugendstrafrecht auch bei einer tatorientierten Betrachtung („jugendtypische Verfehlung“, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG), die grundsätzlich nicht auf gewisse Deliktstypen beschränkt ist, sondern stets – auch bei schweren Gewaltdelikten – in Betracht kommt, geboten ist, kommt es daher vorliegend nicht mehr an.
1574
2. Keine Entwicklungsunfähigkeit des Angeklagten T.
1575
Eine Entwicklungsunfähigkeit des Angeklagten T. war nicht festzustellen.
* Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass in der seit 01.01.1975 geltenden gesetzlichen Regelung gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG nach deren Wortlaut („noch einem Jugendlichen gleichstand“) eher eine statische Bewertung im Sinne eines Querschnittsbefundes betreffend die Persönlichkeitsentwicklung eines Angeklagten zur Tatzeit gefordert wird; von einer Möglichkeit oder gar Unmöglichkeit der Nachreifung eines Angeklagten ist im Gesetz nicht die Rede.
* Die obergerichtliche Rechtsprechung hat allerdings in einigen wenigen Entscheidungen hierzu ergänzend festgestellt, dass das allgemeine Strafrecht anzuwenden sei, wenn die sittliche und geistige Entwicklung eines Heranwachsenden auf der Stufe eines Jugendlichen wegen Schwachsinns abgeschlossen sei (BGH, Urteil vom 16.06.1959, MDR 1959, 772, Nr. 109 = NJW 1959, 1500; BGH, Urteil vom 16.01.1968, BGHSt 22, 41/43). In beiden Fällen handelte es sich jeweils um Angeklagte, die wegen Schwachsinns (und Willensschwäche) zu keiner weiteren sittlichen und geistigen Entwicklung in der Lage gewesen seien. Dabei ging der Bundesgerichtshof von seiner bereits im Urteil vom 23.10.1958 (BGHSt 12, 116/119) entwickelten Definition aus, wonach es für die Entscheidung über die Anwendung von Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG maßgeblich darauf ankomme, ob bei dem Heranwachsenden noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam waren; von dieser eher dynamischen als statischen Betrachtung ausgehend kommt der Bundesgerichtshof zu der in der Literatur überwiegend abgelehnten Schlussfolgerung, dass dann, wenn keine weitere Entwicklung mehr stattfinde, die auf den noch unfertigen, formbaren jungen Menschen zugeschnittenen Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes nicht mehr anwendbar seien, sondern die des allgemeinen Strafrechts.
1576
Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof fortgeführt im Fall des sog. „Westpark-Mörders“ (Urteil vom 09.08.2001, 1 StR 211/01): Ähnlich dem Schwachsinn könne es auch im Fall einer schweren dissozialen und emotionalen Persönlichkeitsstörung, welche die Entwicklung des Täters bereits in der Kindheit früh gehemmt und schwere Schäden verursacht habe, ausnahmsweise zu der Feststellung unbehebbarer Entwicklungsrückstände und damit zur Negativprognose völliger Entwicklungsunfähigkeit kommen, wobei eine solche, die Chancen jeder Nachreifung gering achtende, pessimistische Prognose nur aufgrund einer Zusammenschau aller für die Entwicklung maßgeblichen tatsächlichen Umstände und nur ausnahmsweise mit Sicherheit zu stellen sein werde; ähnlich zurückhaltend äußerte sich der Bundesgerichtshof in späteren Entscheidungen (Urteil vom 06.03.2003, 4 StR 493/02, NStZ 2004, 294; Urteil vom 11.03.2003, 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186; Beschluss vom 15.03.2011, 5 StR 35/11, NStZ-RR 2011, 218/219).
1577
Entwicklungskräfte eines Menschen sind zuvorderst unter Kenntnis der lebensgeschichtlichen Entwicklung und fachlich unter Auswertung der Entwicklungsanamnese, auch ggf. unter Einbezug des postdeliktischen Verlaufes, einzuschätzen.
1578
Im Rahmen der Beweisaufnahme haben sich trotz der Entwicklungsschwierigkeiten seit dem Kindesalter und trotz der Reifeverzögerungen, die betreffend die Person des Angeklagten S. T. mit 20 Jahren 10 Monaten noch festzustellen waren, Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er entwicklungsfähig ist. So hat er etwa im Rahmen der Arbeitstätigkeit während der Untersuchungshaft sich nicht nur bemüht gezeigt, sondern nach einiger Zeit etwa dem Zeugen … (vgl. Ziff. D. II. 15.4.) die vorzunehmenden Tätigkeiten zeigen und erklären können. Auch hat er sich im Rahmen der Untersuchungshaft zunehmend öffnen können, seinen Platz in der Gemeinschaft gefunden, eine gewisse Selbstsicherheit erlangt. Es hat ihn mit Freude und Stolz erfüllt, dass er seine Arbeitstätigkeit zunehmend besser erledigen konnte, auch, dass er beim Schachspielen erfolgreich war (vgl. Ziff. D. II. 6.14. – R. G. –). Zudem waren bei dem Angeklagten S. T. keinerlei Diagnosen zu eruieren (vgl. Dr. … Ziff. D. II. 18.4.2.), die von ihrem Schweregrad denjenigen der obergerichtlichen Rechtsprechung in Fällen, in denen Entwicklungsunfähigkeit angenommen wurde, entsprechen würden.
1579
Der jugendpsychiatrische Sachverständige Dr. … hat betreffend die bestehenden Reifeverzögerungen Entwicklungsoptionen gesehen, so dass eine Nachreifung nicht ausgeschlossen ist.
II. Verhängung von Jugendstrafe („Schwere der Schuld“, § 17 Abs. 2 JGG):
1580
Im konkreten Fall macht nach Überzeugung des Gerichts zweifelsohne die „Schwere der Schuld“ die Verhängung von Jugendstrafe gegen den Angeklagten T. erforderlich (vgl. § 17 Abs. 2 JGG).
1581
Die Voraussetzungen der „Schwere der Schuld“ bestimmen sich nicht primär nach dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat, dem keine selbständige, sondern nur indizielle Bedeutung zukommt, sondern maßgeblich nach der inneren Tatseite (Persönlichkeit, Tatmotivation, Bezug zur Tat, Grad der Schuldfähigkeit). Dabei sind zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld auch die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts einschließlich etwaiger gesetzlich vertypter Milderungsgründe als Maßstab heranzuziehen, weil darin die gesetzgeberische Einstufung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist dann noch insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit, die charakterliche Haltung und die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden gezogen werden können (BGH, Beschluss vom 17.12.2014, 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 1551/56, und Beschluss vom 22.01.2014, 5 StR 555/13, NStZ-RR 2014, 119/120; BGH, Urteil vom 09.01.2018 – 1 StR 239/17, NStZ 2018, 659; Urteil vom 18.07.2018 – 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728 f.). Von dem zunächst bejahten zusätzlichen Erfordernis einer noch bestehenden Notwendigkeit und Möglichkeit der besonderen erzieherischen Einwirkung (s. z.B. BGH, Urteil vom 29.09.1961, 4 StR 301/61, BGHSt. 16, 261/263; KG Berlin, Beschluss vom 17.02.2012, StV 2013, 35/36; BGH, Beschluss vom 22.01.2014) hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.05.2013, 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658/659) inzwischen Abstand genommen, weil weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 2 JGG eine Stütze für die o.g. Auffassung ergäben.
1582
Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse ist von der „Schwere der Schuld“ im Konkreten zum einen deshalb auszugehen, weil der Angeklagte T. sich hier u.a. eines Tötungsdeliktes schuldig gemacht hat und gegen das Leben gerichtete Taten nach der Rechtsordnung Delikte mit dem höchsten Unrechtsgehalt darstellen.
1583
Zum anderen ist die Einordnung der Schuld als schwer aufgrund der Tatmodalitäten und des Tatmotives gerechtfertigt, da der Angeklagte, H. W. zunächst sexuell motiviert angriff, um sie zu vergewaltigen bzw. sexuell zu missbrauchen. Nachdem er sie bewusstlos geschlagen hatte, damit sie sich nicht wehrt, warf er ihren vorgeschädigten Körper in den reißenden Bärbach, entledigte sich ihrer. Er verwirklichte zwei Delikte tatmehrheitlich, wobei bezüglich der gefährlichen Körperverletzung die Annahme eines minder schweren Falles verwehrt war (vgl. Nachfolgend Ziff. F. IV.). Der Angeklagte T. handelte bei Tatbegehung bei voll erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Insgesamt liegen damit Umstände vor, die unzweifelhaft die Bewertung der Schuld als schwer rechtfertigen. Ein Verzicht auf die Verhängung einer Jugendstrafe wäre für das Rechtsempfinden schlechthin unverständlich.
1584
Ob beim Angeklagten T. schädliche Neigungen in der Tat erkennbar wurden, also Anlage- oder Erziehungsmängel, die bereits vor Tatbegehung bestanden und darauf Einfluss hatten, zum Urteilszeitpunkt noch vorhanden sind und ohne längere Gesamterziehung die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten in sich bergen (st. Rspr. des BGH, z.B. im Beschluss vom 08.01.2015, 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154/155; Beschluss vom 06.02.2018, 3 StR 532/17, NStZ 2018, 658/659) und die Verhängung einer Jugendstrafe auch deshalb geboten ist, konnte demgegenüber damit dahinstehen.
1585
Gemäß §§ 18 Abs. 1 S. 2; 105 Abs. 3 S. 1 JGG beträgt der reguläre Strafrahmen für Heranwachsende, auf die Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt, Jugendstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
2. Ausschluss des Strafrahmens von § 105 Abs. 3 S. 2 JGG
1586
Die Anwendung des § 105 Abs. 3 S. 2 JGG, wonach das Höchstmaß der Jugendstrafe 15 Jahre beträgt, wenn es sich bei der Tat um Mord handelt und wegen der „besonderen Schwere der Schuld“ das Höchstmaß von 10 Jahren nicht ausreicht, schied aus.
1587
Zwar hat es sich bei der Tat, hinsichtlich derer der Angeklagte T. (u.a.) zu verurteilen war, um Mord gehandelt (vgl. Ziff. E. III. 1.-3.).
1588
Jedoch war die „besondere Schwere der Schuld“ im Sinne von § 105 Abs. 3 S. 2 JGG nicht festzustellen:
1589
Die Entscheidung der Frage, ob die „besondere Schwere der Schuld“ zu bejahen ist, hat das Tatgericht unter Abwägung aller im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen Beschluss vom 22.11.1994 – GSSt. 2/94, BGHSt. 40, 360, 370; Urteil vom 02.03.1995 – 1 StR 595/94, BGHSt. 41, 57, 62; vom 18.6.2014 – 5 StR 60/14, BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 29).
1590
Die von der Rechtsprechung zu § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB entwickelten Maßstäbe sind gleichermaßen auf § 105 Abs. 3 S. 2 JGG anzuwenden (vgl. BeckOK-JGG/Schlehofer Stand: 15.03.2016, § 105 Rn. 23 ff.). Hierfür spricht bereits der insoweit identische Wortlaut der beiden Vorschriften. Darüber hinaus steht diese Auslegung im Einklang mit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Die Begründung des Koalitionsentwurfs führt hierzu aus: „Auch wenn das Jugendstrafrecht vom Erziehungsgedanken geleitet wird und insbesondere bei seiner Anwendung im Einzelfall erzieherische und spezialpräventiv behandlungsorientierte Aspekte im Vordergrund stehen, bleibt es vom Ausgangspunkt her Strafrecht und muss deshalb angemessene Reaktionsmöglichkeiten auf strafrechtlich vorwerfbares Unrecht bereitstellen“ (BT-Dr. 17/9389, 8).
1591
Durch § 105 Abs. 3 S. 2 JGG soll demnach in Fällen des Mordes einer „besonders schweren Schuld“ Rechnung getragen werden können, wenn das allgemeine Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende von 10 Jahren dafür im Einzelfall auch unter Berücksichtigung des das Jugendstrafrecht leitenden Erziehungsgedankens nicht ausreicht (vgl. BT-Dr. a.a.O., 8 f., 20).
1592
Aufgrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung kommt hier dem Gebot gerechten Schuldausgleichs gegenüber dem Erziehungsgedanken Vorrang zu. Dieser ist im Übrigen Grund dafür, dass im Unterschied zum allgemeinen Strafrecht das Höchstmaß der Jugendstrafe zeitlich begrenzt ist (vgl. i.E. BGH, Urteil vom 22.06.2016 – 5 StR 524/16).
1593
Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Schuld im konkreten Fall in einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit dahingehend zu bewerten, ob sie nach Auffassung der Kammer besonders schwer ist, d.h. Umstände erkennbar und feststellbar sind, die von besonderem Gewicht sind, so dass sich das Tatbild als besonders stark abweichend von erfahrungsgemäß vorkommenden Mordfällen darstellt. Eine solche schulderhöhende Kumulation kann auf tatbezogenen Aspekten (z.B. Tatplanung und -begehungsweise, Tatfolgen usw.) beruhen und ist z.B. anerkannt bei der Ermordung mehrerer Menschen oder dem Vorliegen einer Mehrheit von Mordmerkmalen, aber auch bei Vorliegen täterbezogener Aspekte wie erheblicher, verfahrensfremder Vortaten (vgl. MüKo/Groß/Ketz-Strauß, StGB, 4. Aufl. 2020, § 57 a Rn. 17 ff; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, Stand: 01.02.2024, § 57 a Rn. 7 f.).
1594
Für das Tatgericht war für die Verneinung des Vorliegens einer „besonderen Schwere der Schuld“ in diesem Sinne ausschlaggebend, dass S. T. nicht vorbestraft ist, die Tat von ihm spontan begangen und nicht mehr als ein Mordmerkmal verwirklicht wurde.
IV. Dauer der zu verhängenden Jugendstrafe/Zumessung im engeren Sinne
1595
Bei der Bemessung der Dauer der Jugendstrafe (§ 18 JGG) ist zunächst der soeben benannte rechtliche Strafrahmen (6 Monate-10 Jahre) zu betrachten; daneben sind indiziell die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts, insbesondere wegen etwaiger gesetzlich vertypter Milderungsgründe zu berücksichtigen und dann die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen sowie der Erziehungsbedarf zu gewichten; denn dem Erziehungsgedanken muss die ihm zukommende Beachtung geschenkt und das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafverbüßung für die Weiterentwicklung des Täters abgewogen werden (BGH, Beschluss vom 28.02.2012, StV 2013, 37; Beschluss vom 15.05.2012, StV 2013, 38; Beschluss vom 09.01.2014, StV 2014, 724/743; Beschluss vom 09.02.2014, NStZ 2014, 407/408).
1596
Daneben sind – gerade bei schwerwiegenden Taten – aber auch andere Strafzwecke wie Sühne und Schuldausgleich zu beachten; alle Aspekte sind miteinander in Einklang zu bringen (BGH, Urteil vom 16.11.1993, 4 StR 591/93, StV 1994, 598/599; Urteil vom 04.08.2016, 4 StR 142/16, NStZ 2017, Heft 4, S. VI; HansOLG, Beschluss vom 21.07.2017, 1 Ws 73/17, NStZ 2017, 544). Erziehungsgedanke und gerechter Schuldausgleich stehen grundsätzlich miteinander in Einklang. Bei schweren Gewalt- oder Gefährdungsdelikten kann die Schwere der Schuld auch eigenständige Bedeutung erlangen; der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs darf dann – gerade bei einem Heranwachsenden, der zur Tatzeit schon deutlich über 18 Jahre alt war – nicht völlig hinter dem Erziehungsgedanken zurücktreten (BGH, Urteil vom 18.07.2018 – 2 StR 150/18, NStZ 2018, 728 f.).
1597
Zugunsten des Angeklagten T. war aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung dieser allgemein gültigen Aspekte zu berücksichtigen:
- S. … ist nicht vorbestraft;
- es gab keine konkrete Tatplanung von langer Hand, der Angeklagte T. hat die Taten zum Nachteil der H. W. spontan begangen;
- bei dem Angeklagten T. waren in der lebens- und psychosozialen Entwicklung Belastungsfaktoren und Probleme festzustellen (u.a. Mobbing und Ausgrenzungserfahrungen), welche sein strafrechtlich relevantes Verhalten nicht ausschließbar begünstigt haben;
- auch die Dauer der durch den Angeklagten T. verbüßten Untersuchungshaft von nunmehr 16 Monaten war strafmildernd zu berücksichtigen, da unter Heranziehung der von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätze (vgl. BGH StV 2009, 80; NJW 2006, 2645) eine erhöhte Haftempfindlichkeit, die sich als über das üblicherweise mit der Untersuchungshaft einhergehende Maß besonders belastend darstellt, festzustellen war: S. T. ist noch sehr jung, ist erstmals in Haft. Aufgrund des gegen ihn bestehenden Vorwurfes, aber auch aufgrund seiner lebensgeschichtlichen Entwicklung und des Umstandes, dass er zum Einzelgängertum neigt, war er in die Gemeinschaft der Mitgefangenen während der Untersuchungshaft erst mit der Zeit integriert; er hatte nur einzelne Mithäftlinge, die mit ihm sprachen bzw. Schach spielten (die Zeugen … und …); die Haft hat ihm „zugesetzt“ (vgl. …, Ziff. D. II. 15.1.1.1.)
- die lange Dauer des Verfahrens und damit einhergehende Ungewissheit über den Verfahrensausgang war für den Angeklagten T. zusätzlich belastend, auch wenn insbesondere im Hinblick auf den Verfahrensumfang und die im Rahmen der Hauptverhandlung notwendigen weiteren Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung sowie zu einem möglichen Alibi keine rechtsstaatswidrige Verzögerung vorliegt;
- neben der langen Dauer des Verfahrens als solcher war für den Angeklagten T. aber zudem besonders belastend, dass er durch die Medienberichterstattung stigmatisiert wurde (was auch seine Angehörigen betraf, was ihn wiederum belastete), insbesondere, da der Angeklagte oft mit Bild (trotz Pixeln erkennbar) in der Berichterstattung zu sehen war und in seinem Heimatdorf A. im C. die Mehrzahl der Menschen sicher wusste, „um wen es geht“, teilweise wurde der Angeklagte während des laufenden Prozesses in den Medien als „Killer von A.“ betitelt;
- nicht zugunsten des Angeklagten war die Annahme eines sog. „minder schweren Falles“ betreffend die von T. verwirklichte gefährliche Körperverletzung anzunehmen:
1598
Denn ein „minder schwerer Fall“ kommt nur in Betracht, wenn eine solche Tat aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter bedeutsam sein können – wobei alle wesentlichen entlastenden und belastenden Faktoren gegeneinander abzuwägen sind – sich in einem solchen Grad vom „Normalfall“ einer gefährlichen Körperverletzung abhebt, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens – käme Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung – unangemessen wäre. Zudem ist es gleichgültig, ob die für die Abwägung heranzuziehenden Gesichtspunkte der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Gesetzlich vertypte Milderungsgründe bleiben in dieser Prüfungsstufe noch außer Betracht, werden erst in einer zweiten Stufe relevant.
1599
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hat die Kammer zwar eingepreist, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, die bereits erwähnte lebens- und psychosoziale Entwicklung Belastungsfaktoren und Probleme für ihn hervorgebracht hat, die sein strafrechtlich relevantes Verhalten nicht ausschließbar begünstigt haben, es sich um eine spontane Tat handelte und er bereits eine lange Zeit Untersuchungshaft verbüßt hat sowie die lange Verfahrensdauer für ihn belastend war. Dem steht jedoch gegenüber, dass er bezüglich der Verletzung der körperlichen Integrität von H. W. vielfache Beeinträchtigungen herbeiführte (beidseitige Schulterdachbrüche, 5 QuetschRissWunden und (mindestens) 2 Hämatome am Kopf, erhebliche großflächige und massive Einblutungen im Rückenbereich (vom Nacken bis zum Steiß) und Oberarmbereich bis auf den Knochen, Bewusstlosigkeit) und zwei Varianten des § 224 Abs. 1 StGB erfüllt hat. Neben der gefährlichen Körperverletzung hat T. durch das Verbringen des vorgeschädigten Körpers von H. W. ins Gewässer den Tatbestand des Mordes verwirklicht. Zudem waren bei den Eltern von H. über den Verlust der Tochter hinausgehend Tatfolgen festzustellen: Sie sind auch zur Zeit des Hauptverhandlungstermins (bis Anfang 2024) nach wie vor in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, die Mutter ist bis heute arbeitsunfähig, der Vater in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt (Ziff. D. II. 19.10.).
1600
Insgesamt weicht daher die von S. T. zum Nachteil der H. W. begangene gefährliche Körperverletzung bei wertender Gesamtbetrachtung nicht in einem solchen Maße vom Normalfall einer gefährlichen Körperverletzung ab, dass der Regelstrafrahmen – käme Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung – unangemessen erschiene.
1601
Etwas anderes ergibt sich nach Überzeugung der Kammer auch nicht bei/nach Prüfung, ob gesetzlich vertypte Milderungsgründe vorliegen, die bei der Frage, ob unter Berücksichtigung solcher Gründe die Annahme eines „minder schweren Falles“ gerechtfertigt wäre, Bedeutung haben könnten:
1602
Denn unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses ist die Annahme eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes verwehrt: S. T. hat bei erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit täterschaftlich gehandelt, eine Aufklärungshilfe im Sinne von § 46 b StGB ist nicht ersichtlich, ebenso wenig ein Täter-Opfer-Ausgleich.
1603
Zulasten des Angeklagten T. fiel aus Sicht der Kammer demgegenüber Folgendes ins Gewicht:
- die gefährliche Körperverletzung hat zu mehrfachen und erheblichen Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität von H. W. geführt (beidseitige Schulterdachbrüche, 5 QuetschRissWunden und (mindestens) 2 Hämatome am Kopf, erhebliche großflächige und massive Einblutungen im Rücken und Oberarmbereich rechts bis auf den Knochen, Bewusstlosigkeit); auch wurden zwei Varianten des § 224 Abs. 1 StGB (Nr. 2 und Nr. 5) verwirklicht;
- der Angeklagte hat zwei Delikte tatmehrheitlich (gefährliche Körperverletzung und Mord) in kürzester Zeit begangen;
- die Kammer ist sich bewusst, dass Trauer und seelisches Leid für dem Opfer nahestehende Personen zum regelmäßigen Erscheinungsbild eines vollendeten Tötungsdeliktes gehört und hat diesen Aspekt nicht strafschärfend herangezogen;
allerdings ist ebenso anerkannt, dass außergewöhnliche Tatauswirkungen, sofern sie die Angehörigen eines Opfers in schwerwiegender Weise getroffen haben, strafschärfend herangezogen werden können (MüKo/Schneider, StGB, 4. Aufl. 2021, § 212 Rn. 105); im konkreten Fall war als solcher, über den Verlust der Tochter hinausgehenden Umstand zu werten, dass die Mutter von H. W., nicht mehr als selbständige Schneiderin arbeiten konnte und kann; der Vater, A. W., war zunächst krankgeschrieben bis zu Allerheiligen 2022; ein dann unternommener Arbeitsversuch scheiterte nach 1 1/2 Wochen; bis Februar 2023 konnte er nicht arbeiten, bis heute macht er zu 100 % homeoffice, da er nicht unter Leute kann; bis heute schläft er nur mit Medikamenten (vgl. Ziff. D. II. 19.10.); die Auswirkungen der Geschehnisse auf die Arbeitsfähigkeit der Eltern von H. W. sind also durchgehend sowie permanent bis heute andauernd (Anfang 2024) und damit als äußergewöhnlich einzuordnen.
1604
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten T. sprechenden Umstände, nach Abwägung zwischen Tatunrecht und Folgen der Strafverbüßung für die Entwicklung des Angeklagten und unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens war die Verhängung einer
Einheitsjugendstrafe von 9 Jahren
tat- und schuldangemessen, erzieherisch geboten und verhältnismäßig (§ 18 Abs. 2 JGG).
1605
Dabei war sich das Gericht bewusst, dass es bei Festsetzung dieser Einheitsjugendstrafe nahe an die Höchstgrenze kommt, was jedoch im Hinblick auf den Umstand, dass bei dem Angeklagten aufgrund der seit frühester Kindheit bereits verfestigten psychosozialen Entwicklungsproblematik ein erheblicher zeitlicher Bedarf an Nacherziehung und Nachreifung sowie Verarbeitung der Geschehnisse mit sozialtherapeutischer Hilfe erforderlich sein wird, gerechtfertigt war.
1606
Die Kammer hat damit insbesondere auch dem der Vorschrift des § 106 JGG
- die direkte Anwendung und Prüfung war entbehrlich, da es betreffend den Angeklagten nicht zur Anwendung des allgemeinen Strafrechts/Erwachsenenstrafrechts kam und daher trotz der Verwirklichung des Tatbestandes des Mordes auch nicht die Rechtsfolge der lebenslangen Freiheitsstrafe im Raum stand -
zugrundeliegenden Rechtsgedanken bei der Bemessung der verhängten Einheitsjugendstrafe Rechnung getragen, d.h., die Wirkungen in den Blick genommen, die von der verhängten Einheitsjugendstrafe für das zukünftige Leben des Angeklagten S. T. in der Gesellschaft zu erwarten sind. Auch unter Berücksichtigung dieses Resozialisierungsgedankens – ist lebenslange Strafe nicht verwirkt, geht die Rechtsprechung ohnehin von der Möglichkeit einer späteren Wiedereingliederung aus (vgl. BGH, Beschluss vom 01.09.2004 – 2 StR 268/04) – ist die Verhängung der Einheitsjugendstrafe von 9 Jahren gerechtfertigt, da eine Wiedereingliederung des Angeklagten erst bei erfolgreicher Nacherziehung und Nachreife sowie Verarbeitung der verfahrensgegenständlichen Geschehnisse mit sozialtherapeutischer Hilfe adäquat möglich ist.
V. Keine Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung:
1607
Der Angeklagte T. hat – wie oben dargelegt – die ihm zur Last liegende Tat bei erhaltener Einsichts- und Steuerungsfähigkeit begangen, so dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB, der das sichere Vorliegen einer zumindest erheblich verminderten Schuldfähigkeit und deren nicht ausschließbare Aufhebung erfordert, nicht vorliegen.
1608
Im Ergebnis liegen mangels Konsums psychotroper Substanzen im Sinne eines „Hanges im Übermaß“ auch bereits die medizinischen Voraussetzungen des § 64 StGB (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) nicht vor.
VI. Kein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung:
1609
Die Kammer hat zudem nicht gemäß § 7 Abs. 2 S. 1, Ziff. 1 a und Ziff. 2 JGG den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ausgesprochen.
1. Formelle Voraussetzungen
1610
Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a JGG muss dafür ein Heranwachsender, auf den Jugendrecht angewendet wird, zu einer Jugendstrafe von mindestens 7 Jahren oder auch wegen eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt worden sein, durch die das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist.
1611
Der Angeklagte T. wurde zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Jahren verurteilt wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord, so dass die formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a JGG zwar erfüllt sind.
2. Materielle Voraussetzungen
1612
Die Gesamtwürdigung des Angeklagten T. und seiner Tat ergibt jedoch nicht, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 (a/b) JGG begehen wird.
1613
Diese negative Gefährlichkeitsprognose ist für die Kammer aufgrund eigener Überzeugungsbildung, sachverständig beraten durch die plausiblen Ausführungen des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. … und der Dipl. Psychologin … (Ziff. D. II. 18.4.), nicht zu stellen:
1614
Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Lebensgeschichte des Angeklagten T., der bei ihm zu diagnostizierenden vielschichtigen Entwicklungsauffälligkeiten und Persönlichkeitsakzentuierungen, aber auch des Umstandes, dass er trotz der wiederholten Integrationsprobleme in den Gleichaltrigenkreis, den Ausgrenzungserfahrungen und festgestellten Schikanesituationen im Schulalter außer verfahrensgegenständlich nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und auch keine länger dauernden Sozialverhaltensauffälligkeiten mit aggressiv-expansivem Gepräge eruierbar waren, nicht von einem erhöhten Rückfallrisiko auszugehen. Vielmehr zog sich S. T. etwa bei Ärger- und Enttäuschungssituationen grundsätzlich zurück. Bei ihm wurde auch eine ausgeprägte Aggressionshemmung festgestellt, wenn es auch zu einzelnen, unerwarteten impulsiven Durchbrüchen kam, wie etwa während der Untersuchungshaft, als S. T. am 20.01.2023 mit seiner Hand so fest gegen die Wand schlug, dass er sich den Mittelhandstrahl brach.
1615
Mangels Vorliegens der entsprechenden materiellen Voraussetzungen schied daher eine Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung aus.
1616
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO und § 472 StPO.
1617
Ein Absehen von der Kostentragung gemäß § 74 JGG war nicht angezeigt.
1618
Im Rahmen der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung hat die Kammer nicht verkannt, dass die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklage hoch sind.
1619
S. T. hat aber bis zu seiner Inhaftierung über ein Einkommen verfügt. Finanzielle Engpässe sind nicht erkennbar und auch nicht dargelegt. Stundungsmöglichkeiten bestünden, soweit eine Zahlung infolge Inhaftierung aktuell nicht möglich erscheint. Mit der Auferlegung der Kosten ist auch die Wahrung von Schutz, Förderung und Integration als vorrangigem Element des Erziehungsauftrages nicht gefährdet. Der Angeklagte ist bereits beruflich gefestigt und integriert. Eine Haltlosigkeit oder Schutzbedürftigkeit des Angeklagten ist nicht gegeben. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte T. zum Zeitpunkt des Urteilserlasses das Heranwachsendenalter deutlich überschritten hat und damit erzieherische Aspekte in der Abwägungsentscheidung deutlich an Gewicht verlieren (BGH BeckRS 2021; 5492; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 74 Rn. 9).