Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 08.10.2024 – 206 StRR 328/24
Titel:

Voraussetzungen der "Abgabe" von Cannabis

Normenkette:
KCanG § 34 Abs. 1 Nr. 7
Leitsatz:
„Abgabe“ von Cannabis ist wie in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann. Vollendet ist die Abgabe (erst) mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt; die Vollendung setzt damit – wie die Veräußerung und das Inverkehrbringen – einen Besitzwechsel voraus. (Rn. 5 – 8) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Abgabe, Abgabe von Cannabis, tatsächliche Verfügungsgewalt, Besitzwechsel
Vorinstanz:
LG Traunstein, Urteil vom 25.04.2024 – 3 NBs 110 Js 34234/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26642

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 25. April 2024 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte schuldig ist der versuchten Abgabe von Cannabis in zwei tatmehrheitlichen Fällen und die Liste der angewandten Vorschriften lautet: § 34 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 KCanG, §§ 22, 23, 53, 55 StGB.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
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1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte schuldig ist der unerlaubten Abgabe von Cannabis in 2 Fällen und unter Einbeziehung einer zwischenzeitlichen weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 7 Monaten verurteilt wird. Den Verurteilungen lag zugrunde, dass der Angeklagte am 21. August 2021 und am 7. September 2021 jeweils ein mit einer 50-Cent-Münze beschwertes Päckchen mit 8,65 g Haschisch und 2,7 g Marihuana bzw. mit 5,9 g Haschisch und 0,1 g Marihuana über die Mauer der Justizvollzugsanstalt A. in den dortigen Innenhof geworfen hatte, wo es ein unbekannter Insasse der Justizvollzugsanstalt aufsammeln und zum Eigenkonsum verwenden sollte. Die Päckchen wurden jedoch von dortigen Bediensteten gefunden und sichergestellt.
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2. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die er mit der nicht ausgeführten Rüge materiellen Rechts begründet hat.
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3. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt mit ihrer Antragsschrift vom 30. August 2024, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
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1. Die Nachprüfung des Urteils hat im Ergebnis keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO); allerdings bedarf der Schuldspruch der Korrektur.
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a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts (das diese Frage nicht näher geprüft hat) ist der Tatbestand der Abgabe von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG) auf der Grundlage der Feststellungen nicht erfüllt.
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Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BGH, Beschluss vom 10.07.2024, 3 StR 98/24, zitiert nach juris, dort Rdn. 9, m. w. N.). „Abgabe“ ist danach wie in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann. Vollendet ist die Abgabe (erst) mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt; die Vollendung setzt damit – wie die Veräußerung und das Inverkehrbringen – einen Besitzwechsel voraus (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020, 2 StR 317/19, BeckRS 2020, 41115, dort Rdn. 27; Weber in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Rdn. 1119; Oglakcioglu in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 29 BtMG Rdn. 841; Patzak in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rdn. 830 – je m. w. N.).
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Da der unbekannte Dritte die Verfügungsgewalt über die Pakete mit Cannabisprodukten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erlangt hat, kommt eine Verurteilung wegen vollendeter Abgabe von Cannabis nicht in Betracht.
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b) Allerdings hat sich der Angeklagte danach wegen versuchter Abgabe von Cannabis strafbar gemacht (vgl. § 34 Abs. 2 KCanG). Er hatte die eigene Verfügungsgewalt über das Cannabis bereits aufgegeben und aus seiner Sicht alles Notwendige getan, um dem unbekannten Dritten den Besitz hieran zu verschaffen (vgl. auch BGH, Urteil vom 18.11.2020 aaO Rdn. 29). Der Senat ändert somit den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO), da er ausschließen kann, dass sich der geständige Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können. Dabei hatte auch die überflüssige Bezeichnung als „unerlaubt“ zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.06.2024, 3 StR 40/24, zitiert nach juris, dort Rdn. 16).
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c) Der Strafausspruch kann trotz der Schuldspruchänderung bestehen bleiben. Angesichts der Tatsache, dass sich aufgrund der fakultativen Strafmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB lediglich die Strafobergrenze verschiebt, sich die beiden Einzelstrafen mit 4 Monaten im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen und das Landgericht bei der Strafzumessung bereits zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hatte, dass der Empfänger das Cannabis nicht erhalten hat (UA S. 14), vermag der Senat auszuschließen, dass die beiden Einzelstrafen bei einer Verurteilung lediglich wegen versuchter Abgabe geringer ausgefallen wären. Der Rechtsfolgenausspruch weist auch im Übrigen keine Rechtsfehler auf; insoweit wird zur Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 30. August 2024 Bezug genommen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 S. 1 StPO. Der nur sehr geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.