Titel:
Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis wegen Strafvereitlung im Amt
Normenketten:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 1, § 47 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 6 Abs. 1, Art. 11, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2, Art. 25 Abs. 1, Art. 55
StGB § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1
Leitsätze:
1. Nach Art. 55 Hs. 2 BayDG sind die Disziplinargerichte nur an offenkundig unrichtige Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil nicht gebunden. Solches käme zB in Betracht, wenn das Strafgericht gegen allgemeine Denkgesetze verstoßen hätte, wenn Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen wären oder wenn neue Beweismittel benannt werden könnten, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen und nach denen Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen würden. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Polizeibeamte, der im Dienst Strafvereitelung begeht, missbraucht die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Befugnisse und erschüttert in hohem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Polizeibeamter, Strafvereitelung im Amt, Entfernung, Beamtenverhältnis, Strafbefehl, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Arbeitsüberlastung, Abweichen, tatsächliche Feststellungen, Persönlichkeitsbild, Kernpflicht, Milderung, Vertrauensverhältnis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26305
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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Der 1966 geborene Beklagte ist seit dem … … 1985 Landespolizeibeamter, seit … … 1993 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Im Jahr 2008 hat er die Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst bestanden. Am … … 2015 wurde er zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) ernannt. Vom 1. Februar 2014 bis zum Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 18. März 2019 war er im Kommissariat K 5, Staatsschutz der Kriminalpolizeiinspektion Tr. tätig. Seit dem 10. September 2018 war der Beklagte mit der stellvertretenden Kommissariatsleitung betraut. In der letzten periodischen Beurteilung im Jahr 2018 erhielt er elf Punkte. Er ist verheiratet und Vater von zwei volljährigen Kindern.
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Das Amtsgericht Traunstein verurteilte den Beklagten mit Urteil vom 19. Oktober 2020 wegen Strafvereitelung im Amt (§§ 258 Abs. 1, 258a Abs. 1 StGB) sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Beklagten erging am 26. April 2021 das Urteil des Landgerichts Traunstein. Der Beklagte wurde wegen Strafvereitelung im Amt zu einer Feierstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil wurde mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts München vom 19. Oktober 2021 rechtskräftig. Der Beklagte ist abgesehen hiervon strafrechtlich nicht vorbelastet. Er ist bisher auch nicht disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
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Mit Verfügung vom 7. März 2019 leitete das Polizeipräsidium O. S. im Hinblick auf die der Verurteilung des Beklagten vorgehenden strafrechtlichen Ermittlungen ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses aus.
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Am 18. März 2019 wurde gegenüber dem Beklagten nach persönlicher Anhörung zunächst mündlich, sodann schriftlich bestätigt, das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Am selben Tag wurde ihm die Einleitung des Disziplinarverfahrens eröffnet und Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Zum 27. November 2020 wurde ein Persönlichkeitsbild bezüglich des Beklagten erstellt.
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Mit Schreiben vom 21. Januar 2021 bestätigte das Polizeipräsidium M. als Disziplinarbehörde die Übernahme des Disziplinarverfahrens.
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Mit Schreiben vom 12. Februar 2021 wurde das weiterhin ausgesetzte Disziplinarverfahren ausgedehnt. Der Beklagte wurde zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen angehört.
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Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 wurde die Dienstenthebung des Beklagten und die Einbehaltung von 50% der Bezüge verfügt.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2022 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt und der Beklagte zum konkretisierten Sachverhalt angehört. Dieser äußerte sich im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 2. März 2022.
11
Mit Schreiben vom 6. Juli 2022 wurde dem Beklagten das Ermittlungsergebnis und die beabsichtigte Entfernung aus dem Dienst bekannt gegeben. Er erhielt Gelegenheit, sich abschließend zu äußern.
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Der Personalrat des Polizeipräsidiums O. wurde auf Antrag des Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2022 beteiligt und erhob keine Einwände gegen die vorgesehene Maßnahme.
13
Am 25. November 2022 erhob das Polizeipräsidium M. Disziplinarklage. Dem Beklagten wurden die Begehung einer Strafvereitelung im Amt und damit verbundene Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die Disziplinarklageschrift vom 21. Dezember 2021 Bezug genommen.
14
Der Kläger beantragte,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte beantragte,
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die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Er verwies auf seine Angaben während seiner persönlichen Anhörung, insbesondere auf die Arbeits- und Überlastungssituation im K 5 der Kriminalpolizeiinspektion Tr. . Er sei zu Unrecht strafrechtlich verurteilt worden. Ihm sei unbewusst ein folgenschwerer Ermittlungsfehler unterlaufen.
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Mit Schreiben vom 26. August 2024 ergänzte der Beklagte seine Ausführungen. Ihm sei bewusst, dass seine Verurteilung wegen Strafvereitelung im Amt über drei Instanzen für dieses Disziplinarverfahren die Grundlage sei. Das Strafverfahren sei für ihn und seine Familie eine große Herausforderung gewesen. Er und seine Familie seien der in den Medien falschen Darstellung über seine Person ausgeliefert gewesen. Dies habe zu einer schweren Belastungssituation, bei ihm vor allem auch in gesundheitlicher Hinsicht, geführt. Er sei lange in ärztlicher Behandlung wegen schwerer Depressionen gewesen. Psychosomatische Probleme, wie Tinnitus und Konzentrationsschwächen, hätten zu zwei längeren stationären Aufenthalten in einer psychosomatischen Klinik geführt. Der mit dem Tinnitus einhergehenden Schwerhörigkeit sei mittels Hörgerät abgeholfen worden. Der Beklagte habe jedoch den Glauben an Gerechtigkeit vor Gericht nicht verloren, werde auch im Disziplinarverfahren alle Kräfte bündeln und nichts unversucht lassen. An ihm habe das Exempel statuiert werden sollen, dass die Polizeibehörde und das Innenministerium bei „rechtsgesinnten“ Beamten hart durchgreifen. Grundsätzlich begrüße er das, aber er sei weder rechtsgerichtet noch habe er vorsätzlich eine Strafvereitelung begangen. Ihm sei 2018 bei Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten, in denen es um das Versenden eines fremdenfeindlichen Textes mittels Wh.A. gegangen sei, ein grober Verwechslungsfehler unterlaufen. Ihm sei unterstellt worden, aus Kollegenschutz und Mitleid gehandelt zu haben, obwohl er die beiden Polizeibeamten aus dem Raum … nicht bzw. nur vom Namen her kenne. Für die betreffenden internen Ermittlungen sei er weder originär zuständig noch speziell (insbesondere im IT-Auswertesystem) geschult gewesen. Trotzdem habe er die Ermittlungen neben seinen vielen Aufgaben (in einem durch Krankheit beider Vorgesetzter personell extrem reduzierten Kommissariat) zusätzlich erledigen müssen, was letztendlich zu einer Überforderung und seinem Fehler geführt habe. Seine Kollegin, die u.a. wegen seiner Ernennung zum kommissarischen Leiter des Kommissariats und über seine bessere Beurteilung sehr verärgert gewesen sei, habe dem Dienststellenleiter gegenüber geäußert, er habe mit Absicht gehandelt. Weder die persönliche Missgunst der Kollegin noch seine ausführlichen Erklärungen, wie es zum Verwechslungsfehler gekommen sei, seien in den Strafinstanzen berücksichtigt worden. Seine berufliche Belastungssituation sei nicht richtig eingeschätzt worden. Die Gerichte hätten zudem nicht über die erforderlichen EDV-Kenntnisse verfügt. Bei der Darstellung des Programms für die Auswertung der Wh.A.-Chats sei im Rahmen des Strafverfahrens zudem eine deutlich übersichtlichere Programmoberfläche gezeigt worden, als es bei dem von ihm benutzten Programm der Fall gewesen sei.
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Im Verlauf der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sei ihm eine Schautafel im Büro mit Symbolen verschiedener politisch extremistischer Organisationen zu Dokumentationszwecken als rechte Gesinnung im Sinne des § 86a StGB ausgelegt worden. Ohne diese Gesinnung je zu überprüfen, sei ein passendes Motiv für den Vorwurf der Strafvereitelung angenommen worden. Die Verurteilung nach § 86a StGB sei im Berufungsverfahren zwar aufgehoben worden. Dennoch sei es in der Presse bei dem Polizeibeamten mit rechter Gesinnung geblieben und so habe es durch den großen medialen Wirbel wohl zu dem Urteil im Berufungsverfahren kommen müssen.
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Mit einem Strafmaß unter zwölf Monaten müsse der Beklagte nicht zwingend aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Er bitte um eine gerechte Entscheidung unter Berücksichtigung aller Folgen für seine Familie und seine Person. Seine Vorgesetzten hätten ihm über 35 Dienstjahre durch mehrere schriftliche Belobigungen und gute Beurteilungen fehlerfreies und tadelloses Arbeiten bestätigt. Er habe immer sehr gern und engagiert gearbeitet. Er habe großes Interesse, seinen Dienst endlich wieder fortzusetzen – in welcher Form auch immer. Es bestünden seinerseits große Bedenken, im Alter von 58 Jahren noch einer vollwertigen Arbeit nachgehen zu können. Der 23-jährige Sohn stehe als Polizeibeamter zwar finanziell auf eigenen Beinen, die 21-jährige Tochter studiere jedoch noch und die Ehefrau könne nach 36 Jahren als Krankenschwester nur noch in Teilzeit in ihrem Beruf tätig sein. Vom Gehalt der Frau und seinen geringfügigen Einkünften seien der Lebensunterhalt und das Studium der Tochter nicht zu bewältigen. Ein Großteil der Rücklagen sei in Anwalts- und Gerichtskosten investiert worden. Der Beklagte sei seit über fünf Jahren – bei 50% reduzierten Bezügen – vom Dienst suspendiert. Er arbeite nebenbei als Ausfahrer und unterstütze gelegentlich als Guide eine Outdoor-Event-Firma.
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Mit Schreiben vom 26. August 2024 gab Herr …, vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied beim Polizeipräsidium … …, eine schriftliche Erklärung ab.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 3. September 2024 sowie die von der Disziplinarbehörde vorgelegten Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.
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2. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt, wie er dem Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. April 2021 zugrunde liegt (s. Disziplinarklage S. 2 bis 7), steht nach Art. 55 Halbs. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayDG für das Verwaltungsgericht bindend fest. Sämtliche tatsächlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das den selben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, sind für das Verwaltungsgericht als Disziplinargericht bindend (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2024 – 16a D 21.2138 – juris Rn. 38, 43).
27
a) Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt als erwiesen angesehen:
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„Am Samstag, den 24.02.2020, um 16:45:40 Uhr sandte der Polizeibeamte … J. von seinem privaten Mobiltelefon mit der Nummer … über Wh.A. eine Nachricht an den Polizeibeamten … E. auf dessen privates Mobiltelefon mit der Nummer …, die folgenden Inhalt hatte:
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„Bitte Teilen!*(Symbol ‚“Daumen hoch“)
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Nicht ein einziger Kulturkreis geht uns so auf die Nerven, plündert uns so aus, terrorisiert ganze Stadtviertel wie diese fanatische Primatenkultur mit ihren mittelalterlichen Unsitten und Gebräuchen. Mit keinem einzigen Zuwanderer, der zum Arbeiten!!! nach Deutschland kam, musste man je über Integration, Eingliederungsmaßnahmen, Sicherheitsrisiko… sprechen. Kein GRIECHE brauchte Schilder, dass man unsere Frauen nicht vergewaltigen darf, kein JAPANER musste darauf hingewiesen werden, dass man Frauen nicht ans Auto bindet und durch die Straßen schleift, kein SPANIER musste darauf aufmerksam gemacht werden, dass man Frauen nicht auflauert, nicht antanzt, kein BRITE, IRLÄNDER, NIEDERLÄNDER benötigte überteuerte Flirtkurse oder man musste ihnen zeigen, wie man richtig Frauen anbaggert und poppt. Keinem THAILÄNDER wurde je erklärt, dass man Frauen nicht angrapschen darf. Wir brauchten wegen ITALIENERN keine Armeslänge Abstand und für CHINESEN kein Pfefferspray oder eine Waffe.
31
Im Zug konnte man vollkommen Axtfrei fahren. Integration war und ist für Griechen, Italiener, Vietnamesen, Russen und viele andere Nationalitäten eine Selbstverständlichkeit. Diese Menschen sind ein Teil unserer Kultur geworden und haben unseren Alltag wirklich bereichert.
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ABER NICHT DAS VOLK AUS DEM MORGENLAND MIT IHREN ENDLOSFORDERUNGEN…
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„Ich will hier eine Moschee, ich will nur HALAL Essen, ich will islamische Feiertage, ich will abgetrennte Bereiche in Schwimmbädern, ich habe 4 Frauen und 25 Kinder und habe keine Zeit zum Arbeiten, ich will ein Haus, ein Auto und Geld sonst mache ich Rabatz, meine Kinder fahren nicht mit zur Klassenfahrt, alle Ungläubigen müssen getötet werden u.s.w. u.s.w.“
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KOSTE ES WAS ES WOLLE!!!
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Es wird geraubt, überfallen, verprügelt, vergewaltigt und gemordet, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt!
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Wir wollen hier keine Idioten, die unser Leben nach ihren Vorstellungen gestalten wollen!
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Klemmt euch eure Wunderlampe unter den Arm, setzt euch auf euren Teppich und fliegt zurück hinter den Bosporus oder nach Afrika!
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Die Mehrheit der Europäer wird euch dankbar sein.
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*!Bitte Teile!* (Symbol „Daumen hoch“)“
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… J. war als PHK stellvertretender Dienststellenleiter der Polizeiinspektion P. am Ch.. … E. war als POK bei der „OED …“ der Polizeiinspektion … als Einstellungsberater tätig. Beide sind miteinander befreundet und tauschten über Wh.A. (im folgenden abgekürzt „WA“) im Tatzeitraum eine Vielzahl von Nachrichten aus, die teilweise auch satirischen oder politischen Inhalt hatten und sich hauptsächlich mit dem Verhalten und Äußerungen von Politikern im Zusammenhang mit der „Flüchtlingskrise“ befassten.
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Dem Polizeibeamten J. war der Inhalt der genannten Nachricht bekannt. Er sandte sie bewusst weiter und forderte sein Umfeld auf, die Nachricht zu verbreiten und zu teilen. Ihm war auch bekannt, dass er die Nachricht an einen von ihm nicht mehr überschaubaren oder gar kontrollierbaren Teilnehmerkreis weitergeleitet werden konnte. Es war ihm auch bewusst, dass derartige Äußerungen die im Bundesgebiet lebende Bevölkerungsgruppe der zugezogenen Mohammedaner böswillig verächtlich machten und insbesondere auf eine Stufe mit Menschenaffen stellten.
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Am 24.02.2018 um 16:58:57 antwortete … E. an … J. : „ich teile gerne“.
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Am selben Tag um 16:53:27 Uhr teilte der Zeuge E. die Nachricht tatsächlich, indem er sie an 4 Einzelpersonen und eine WA-Gruppe weiterleitete. Bei den einzelnen Personen handelte es sich um … W. , … H. , einen Nachbarn des E. namens … und … H. Bei der WA-Gruppe handelte es sich um eine als „… Gang“ bezeichnete WA-Gruppe von Polizeibeschäftigten des PP … …, der zeitweise bis zu 17 Teilnehmern angehörten, wobei nur 11 von Ihnen diese Nachricht tatsächlich erhalten haben. Auch bei den Einzelempfängern handelte es sich abgesehen von dem „Nachbarn …“ um Polizeibeamte. Nur einer von ihnen, … H. , empfand die Nachricht als volksverhetzend und zeigte gegenüber seinem Dienstvorgesetzten beim Polizeipräsidium am 26.02.2018 den Erhalt dieser Nachricht an. Dieser schaltete die Staatsanwaltschaft Tr. ein, die unter dem Az. 510 … … noch am selben Tag ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen E. wegen des Verdachts der Volksverhetzung einleitete.
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Am 27.02.2018 erließ das Amtsgericht Traunstein einen Durchsuchungsbeschluss für die Büro- und Wohnräume des Zeugen E. Das PP. - … betraute die KPI Tr. mit den Ermittlungen, da das zunächst eingeschaltete Kommissariat ... der KPÖ … sich nicht weiter mit dem Fall befassen sollte, um den Schein der Befangenheit zu vermeiden. Das Sachgebiet 131 des Bayerischen Landeskriminalamtes („Interne Ermittlungen“) sah sich nicht zuständig für die Ermittlungen, da der Austausch der WA-Nachrichten über private Mobiltelefone außerhalb der Dienstzeiten erfolgt war.
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Der Leiter der KPI … beauftragte den Angeklagten mit der Sachbearbeitung und ordnete an, dass KHK E. aus dem Kommissariat 10 den Angeklagten unterstützen sollte. KHK E. war bereits früher im Staatsschutz tätig gewesen und verfügte über entsprechende Erfahrung. Der Angeklagte und der Zeuge fuhren am …2018 zum Polizeipräsidium …, wo sie bereits vom Leitenden Kriminaldirektor Dr. B. erwartet wurden, der das weitere Vorgehen aus dienstrechtlicher Sicht mit den beiden Kriminalbeamten erörterte. Der Zeuge E. rechnete an diesem Tag mit seiner Ernennung zum Kriminalhauptkommissar und wurde von den folgenden Geschehnissen völlig überrascht. Ihm wurde der Tatvorwurf eröffnet und er wurde als Beschuldigter belehrt. Gleichzeitig wurde ihm die vorläufige Dienstenthebung verkündet und er musste die Dienstwaffe abgeben. Man brachte ihn in ein Dienstzimmer der KPI …, wobei der Angeklagte zunächst vermeiden wollte, dass der Zeuge E. als Beschuldigter Angaben macht. Aufgrund der besonderen Situation hatte der Zeuge jedoch ein großes Bedürfnis, sich zu rechtfertigen und äußerte sofort, dass derartiges ihm völlig fremd sei und er keine rechte Einstellung habe. Da der Zeuge in seinem Redefluss nicht zu bremsen war, wurde ihm noch einmal die Belehrung als Beschuldigter erteilt und dann das, was er äußerte, auf einem Diktiergerät aufgezeichnet. Schon dabei gab der Zeuge an, dass er die Nachricht an H. und J. weitergeleitet habe. Von wem er sie habe, wisse er nicht mehr. Die Kammer konnte nicht aufklären, ob der Angeklagte schon zu diesem Zeitpunkt erkannte, dass dies eine unzutreffende Behauptung des Zeugen E. war, der den mit ihm befreundeten J. schützen wollte.
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Im weiteren Verlauf begaben sich der Angeklagte und der Zeuge E. mit dem Beschuldigten E. zu dessen Wohnhaus in … … …, wo die Wohnungsdurchsuchung durchgeführt wurde. Das Mobiltelefon war schon in den Räumen der KPI … beschlagnahmt worden. Weitere Datenträger, insbesondere Notebook und Tablet, PC wurden in der Wohnung sichergestellt.
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Den von E. in der Beschuldigtenvernehmung genannten Zeugen J. kannte der Angeklagte zumindest namentlich. Der Zeuge war vom 01.12.2007 bis 31.05.2008 Leiter der PI … Er war auf diesem Posten abgeordnet, um sich für eine spätere dauerhafte Verwendung im höheren Polizeidienst zu qualifizieren. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls teilweise bei der KPI … eingesetzt. Als Angehörigem der KPI … war ihm die Person des im selben Dienstgebäude befindlichen Leiters der PI … bekannt.
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Der Angeklagte und der Zeuge E. empfanden Mitgefühl mit dem Polizeibeamten E. , der von den Geschehnissen anlässlich der vermeintlichen Beförderung und der anschließenden Vernehmung als Beschuldigten und Wohnungsdurchsuchung im Beisein der Ehefrau sichtlich erschüttert war.
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Alle sichergestellten Datenträger anlässlich der privaten und dienstlichen Mobiltelefone des Zeugen E. wurden nun der RBA (Regionale EDVBeweismittelsicherung und Auswertung) der KPI …, namentlich dem Zeugen … O. übergeben*
50
Der Angeklagte machte Druck auf die Mitarbeiter der RBA, weil er wusste, dass sein Vorgesetzter, Kriminaldirektor B. , dem Polizeipräsidium über den Fall und die laufenden Ermittlungen ständig berichten musste. Es war ihm bewusst, dass die Ermittlungen gegen einen Kollegen von überragender Wichtigkeit sind und besonders sorgfältig durchzuführen waren. Es war sein erster Fall, in dem er mit derartigen Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten betraut war.
51
Noch in der gleichen Woche, wahrscheinlich Donnerstag oder Freitag, war der Zeuge O. mit der sog. logischen Sicherung der Handydaten fertig. Diese beinhaltete aber nicht die über WA ausgetauschten Nachrichten. Eine solche Auswertung ist nur mit der zweiten sog. physikalischen Sicherung möglich, bei der jedoch die Gefahr besteht, dass Daten auf dem Handy zerstört oder gelöscht werden. Wegen dieser Besonderheit führt die RBA eine derartige Sicherung nur aus, wenn sie zuvor dafür vom Sachbearbeiter das grüne Licht bekommen hat. Aufgrund der vom Angeklagten vorgegebenen Eilbedürftigkeit wollte der Zeuge O. den Angeklagten selbst informieren und gleichzeitig das Plazet für die physikalische Sicherung einholen. Im Dienstzimmer traf er jedoch nur die Zeugin A. an, die von dem Fall nur am Rande etwas mitgekommen hatte und nur wusste, dass es um Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten wegen volksverhetzender Nachrichten ging. Sie teilte dem Zeugen O. mit, dass der Angeklagte nicht da sei und der Zeuge berichtete ihr, dass er mit der Auswertung fertig sei und ärgerte sich gegenüber der Zeugin, dass der Angeklagte nun nicht da sei, wo es doch so eilig sei. Da er von der Zeugin A. nicht die Erlaubnis erwarten konnte, auf die Daten im WA zuzugreifen, informierte er sie auch nicht über weitere Details.
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Als der Angeklagte Tage später wieder im Dienst war, informierte die Zeugin ihn über den Besuch des RBA-Mitarbeiters und dessen Mitteilung. Kurze Zeit danach fragte der Zeuge B. den Angeklagten im Beisein der Zeugin A. , ob es schon Neues gebe. Daraufhin berichtete der Angeklagte dem Zeugen B. , dass die RBA noch nicht fertig sei. Die Zeugin A. verstand dies wiederum so, dass der Angeklagte den Vorgesetzten anlügen würde und die Schuld für noch nicht vorliegender Ermittlungsergebnisse bei der RBA abladen wollte. Als der Zeuge das Zimmer verlassen hatte, machte sie dem Angeklagten deshalb Vorhaltungen, worauf dieser jedoch nicht reagierte. Er klärte sie auch nicht darüber auf, dass ihm noch die Auswertung der Chat-Verläufe fehlte.
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Am 07.03.2018 hatte der Zeuge O. mit eingeholter Zustimmung des Angeklagten auch die physikalische Sicherung durchgeführt und der Angeklagte konnte auf die WA-Nachrichten zugreifen. Dazu benutzte er den sog. UFED-Reader, ein Programm, dass die Aufbereitung von Wh.A. ermöglicht. Der Angeklagte benutzte dieses Programm als einer der ersten im Kommissariat schon seit 2015. Er hatte auch an einen Unterricht des Zeugen O. teilgenommen. Naturgemäß war er nicht mit derselben Routine ausgestattet, wie sie Fachleute von der RBA aufwiesen. Jedoch wäre es ihm jederzeit möglich gewesen, die Mitarbeiter der RBA um Rat zu fragen.
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Der Angeklagte konnte an seinem sog. abgeschirmten Rechner der RBA ab … 2018 auf die Chats zugreifen und tat dies nachweislich spätestens am …2018. Er durchsuchte den Datenträger des Mobiltelefons mit Hilfe einer Stichwortsuche und gab als Suchbegriff das Wort „Kulturkreis“ zur Auswertung der Nachrichten des Zeugen E. an.
55
Der Angeklagte stieß dabei auf die Nachrichten, die diesen Begriff enthielten. Neben den vom Zeugen E. um 16:53 Uhr weitergeleiteten Nachrichten zeigte sich, dass der Zeuge J. um 16:45 Uhr Absender der Nachricht war. Dies erkannte der Angeklagte schon deshalb, weil die Nachricht in Form von Sprechblasen des Zeugen J. wie bei allen Absendern im WA-Chat blau und die des Zeugen E. als Empfänger grün unterlegt war.
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Der Angeklagte hatte von der Staatsanwaltschaft und seines Dienstvorgesetzten den Auftrag bekommen, die Weiterverbreitung der gegenständlichen WA-Nachricht zu ermitteln, sowie deren Herkunft festzustellen. Nach der Auswertung der Nachrichten erkannte er dies und berichtete der Zeugin A. , als er in das gemeinsame Büro zurückkam: „Scheiße, der J. hat das geliked“. Die Zeugin sprach ihn darauf an, dass man doch bei Wh.A. nicht „liken“ könne. Das Gericht konnte nicht mehr genau feststellen, was der Angeklagte der Zeugin daraufhin antwortete. Jedenfalls hatte er bemerkt, dass der Zeuge J. die Nachricht selber geschrieben hatte und aufgefordert hatte, sie zu teilen. Die Zeugin forderte den Angeklagten auf, dies genau so darzustellen und auch alle Ausdrucke beizugeben, da es sich um ein hochsensibles Verfahren handle.
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Der Angeklagte entschloss sich jedoch, dies zu ignorieren und für sich zu behalten. Schon kurze Zeit später kam der Vorgesetzte B. ins Dienstzimmer und fragte den Angeklagten, ob es denn Neuigkeiten gebe und ob insbesondere weitere Polizeibeamte an dem Ganzen beteiligt seien. Der Angeklagte verneinte dies jedoch ausdrücklich, um den Zeugen J. nicht zu belasten und um zu vermeiden, dass dieser in die gleiche Situation wie der Zeuge E. geriet. Dem Angeklagten war dabei sehr wohl bewusst, dass der Absender J. in gleicher Weise strafrechtlich verantwortlich war wie der Zeuge E.
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Als der Vorgesetzte das Zimmer verlassen hatte, machte die Zeugin A. dem Angeklagten nunmehr schwere Vorwürfe und wies ihn darauf hin, dass sich der Absender der Nachricht genauso strafbar gemacht habe. Sie äußerte, dass es um Volksverhetzung gehe und wer wen was geschickt habe. Der Angeklagte versuchte sich herauszureden und erwiderte, dass er nur beweisen müsse, dass der Zeuge E. keine rechte Gesinnung habe („nicht rechts sei“).
59
Auch im weiteren Verlauf zeigte der Angeklagte viel Verständnis für die Situation des Zeugen E. und telefonierte mit ihm längere Zeit, obwohl ihn die Zeugin A. ermahnte, doch die nötige Distanz zu wahren in einem solch bedeutenden Verfahren. Der Angeklagte erwiderte, dass der Zeuge E. halt Gesprächsbedarf habe.
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Der Angeklagte druckte die Chat-Verläufe dann für die Staatsanwaltschaft mithilfe des UFED-Readers aus, wobei er jedoch keine Screenshots anfertigte, die gezeigt hätten, dass die Nachricht von J. blau unterlegt war. Er fertigte vielmehr zu den einzelnen Gesprächsteilnehmern und der „…gang“ nur sog. Extraktionsberichte, zu denen er aber in den Programmabläufen nur gelangte, nachdem er die Chatverläufe in der beschriebenen farblichen Darstellung mit blauem Absender und grünem Empfänger gesehen hatte.
61
Die Extraktionsberichte weisen nur die Teilnehmer auf, wobei jeweils der Name … E. und dessen Telefonnummer oben stehen und die Gesprächspartner unabhängig von der Stellung als Empfänger oder Absender darunter.
62
Dann folgt die Überschrift „Gespräch-Instant-Messages (1)“
63
Darunter erscheint ein Symbol für eine Person und die WA-Adresse des Absenders folgt, in diesem Fall … J. In der gleichen Zeile rechts ist ein Zeitstempel vermerkt, aus dem zu ersehen ist, dass die Nachricht um 16:45:40 Sekunden am 24.02.2018 versandt wurde.
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Dann wird der Text der Nachricht wiedergegeben, wie er oben beschrieben ist.
65
Zur Veranschaulichung der grafischen Darstellung wird auf die im Sonderband „Screenshots/Auswertung Handy und PC“ befindlichen Extraktionsberichte mit dem Datum „24.02.2018“ Bezug genommen.
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Es folgen weitere Extraktionsberichte über die Versendung der Nachricht am selben Tag um 16:53:27 Uhr an die oben genannten Empfänger einschließlich der …gang. Hier ist über dem Text der Nachricht jeweils die WA-Adresse des … E. -hagen angegeben.
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Weitere Details zu diesen Chat-Verläufen am 24.02.2018 enthielten die Unterlagen im vom Angeklagten der Staatsanwaltschaft übergebenen Band „Screenshots/Auswertung Handy und PC“ nicht. Dafür waren Screenshots von früheren Chats des Zeugen E. mit dem Zeugen H. beigefügt, die jeweils die farbliche Darstellung grün und blau enthielten. Dadurch konnte ein Betrachter diese Chat-Verläufe vollständig nachvollziehen. Weiter fügte der Angeklagte diesen Auswertungsunterlagen ein Bild der Landtagspräsidentin Aigner bei, das zeigen sollte, dass es sich bei dem Beschuldigten E. um einen überzeugten CSU-Anhänger und nicht einen „Rechten“ handelte.
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Der Angeklagte fertigte sodann einen Ermittlungsbericht vom 14.03.2018 und stellte diesen anschließend persönlich dem ermittelten Staatsanwalt als Gruppenleiter Dr. V. und dessen Abteilungsleiter OStA S. vor. In dem Bericht verschwieg er nicht nur, dass der Zeuge J. Absender der Nachricht war, sondern legte vielmehr dar, dass der Absender der tatgegenständlichen Nachricht aufgrund „gelöschter/überschriebener Daten nicht mehr festgestellt werden könne“, was, wie er wusste, nicht der Wahrheit entsprach. Der Angeklagte führte den Zeugen J. in täuschender Absicht lediglich als Empfänger der Nachricht des E. auf. Hiermit wollte er – wie schon gegenüber seinen Vorgesetzten – den Zeugen J. vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und der zu erwartenden Bestrafung bewahren. Auch von der Staatsanwaltschaft war ihm verdeutlicht worden, dass hier aufgrund der Aufforderung zum Teilen durch den Zeugen E. bereits beim Versand der Nachricht an einen weiteren WA-Empfänger vom Vorliegen des Tatbestands der Volksverhetzung auszugehen sei. Trotz dieses ausdrücklichen Hinweises erwähnte der Angeklagte nicht, dass der Zeuge J. der gleichen Handlung verdächtig war. Vom Zeugen Dr. V. erhielt er den Auftrag, noch weitere Zeugen aus dem Empfängerkreis zu vernehmen. Der Zeuge Dr. V. vertraute dem Angeklagten und dessen Darstellung und ging davon aus, dass der Absender der Nachricht nicht festzustellen ist und begnügte sich deshalb mit der Vernehmung einiger der Empfänger der Nachricht, um den Sachverhalt abschließend aufzuklären.
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Der Angeklagte vernahm in der Folgezeit den J. auch als Zeugen. Er hinterfragte dessen Rolle nicht, machte ihm keine Vorhalte und bat ihn auch nicht, die Nachrichten auf dessen Mobiltelefon zu suchen. J. war sich seiner Rolle als Absender der Nachricht durchaus bewusst, spielte aber weiterhin die Rolle des Zeugen und ging nicht auf die näheren Umstände ein.
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Auch in seinem Schlussbericht vom 19.03.2020 führte der Angeklagte den Zeugen J. weiterhin wahrheitswidrig lediglich als Empfänger der Nachricht auf. Hinweise auf eine möglicherweise anderweitige Verbreitung der Nachricht durch J. finden sich in keinem der Ermittlungsberichte.
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Wie vom Angeklagten beabsichtigt, wurde daraufhin gegen J. zunächst kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Verfahren gegen den Zeugen E. wurde nach § 153 a I StPO gegen Zahlung von 3000,- € eingestellt. Der Zeuge Dr. V. hatte anlässlich des Ermittlungsverfahrens die Akten und den vorgenannten Sonderband noch einmal geprüft, wobei ihm die beiden Zeitstempel in den Nachrichten auffielen. Letztlich vertraute er jedoch den Vorgaben des von ihm als erfahren und kompetent eingeschätzten Angeklagten und erkannte nicht, dass der Zeuge J. ebenfalls ein Verbreiter der Nachricht war.“
72
Das Landgericht hat nach alledem – wie im Übrigen auch schon das Amtsgericht Traunstein – insbesondere auch festgestellt, dass der Beklagte wissentlich und somit vorsätzlich vereitelt hat, dass gegen den Polizeibeamten J. ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet wird (vgl. LG Traunstein, U.v. 26.4.2021, S. 18 ff.; vgl. auch Amtsgericht Traunstein, U.v. 6.11.2020, S. 20 ff.).
73
Zu den Geschehnissen nach den angeklagten Taten hat das Landgericht entsprechend der auch für das erkennende Gericht aus den Akten ergebenden Sachlage in seinem Urteil noch ausgeführt, dass sich im Zuge disziplinarischer Maßnahmen des Polizeipräsidiums O. Süd gegen alle Teilnehmer der Wh.A.-Gruppe „…-Gang“ mehrere von ihnen meldeten und mitteilten, dass sie in der Wh.A.-Gruppe nicht mehr aktiv gewesen seien und die betreffende Nachricht nicht erhalten hätten. Die zuständige Abteilung des Polizeipräsidiums forderte daraufhin den Leiter der KPI …, KD B. , Ende Februar 2019 auf, diesen Unstimmigkeiten nachzugehen. Weil sich der Beklagte zu diesem Zeitpunkt im Krankenstand befand, konnte ihn der Zeuge B. nicht mit den Nachermittlungen beauftragen, sondern wandte sich an die stellvertretende Kommissariatsleiterin G. , die wiederum die Zeugin A. beauftragte. Diese teilte dem Zeugen B. daraufhin mit, dass sie die Übernahme der Ermittlungen ablehne, weil sie von einer nicht ordnungsgemäßen Sachaufklärung durch den Beklagten ausgehe. Vorgangsüberprüfungen durch die Zeugin G. und den Zeugen O. ergaben die Absendereigenschaft des Zeugen J.
74
Nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen diesen erging schließlich ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim vom 23. März 2020. Es wurde darin gegen … J. wegen Volksverhetzung eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 80 Euro verhängt.
75
b) Das erkennende Gericht hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten oder sonstiger Erkenntnisse von den strafgerichtlichen Feststellungen im rechtskräftig gewordenen Urteil zu lösen. Nach Art. 55 Halbs. 2 BayDG sind die Disziplinargerichte nur an offenkundig unrichtige Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil nicht gebunden. Solches käme z.B. in Betracht, wenn das Strafgericht gegen allgemeine Denkgesetze verstoßen hätte, wenn Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen wären oder wenn neue Beweismittel benannt werden könnten, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen und nach denen Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen würden (vgl. BVerwG, B.v. 27.12.2017 – 2 B 18.17 – juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 53; B.v. 10.12.2007 – 16a D 07.1337 – juris Rn. 55). Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs reicht für die Lösung von den strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus (vgl. BayVGH, U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris Rn. 104).
76
aa) Der Beklagte hielt zwar auch in der mündlichen Verhandlung des Gerichts daran fest, dass er nicht vorsätzlich gehandelt habe, sondern ihm unbewusst der grobe Fehler unterlaufen sei, den Polizeibeamten J. nicht als ursprünglichen Absender der betreffenden Wh.A.-Nachricht zu erkennen. Seine Kollegin, die Zeugin A. , die ihm gegenüber missgünstig gewesen sei und wegen ihrer Nebentätigkeit als Dolmetscherin bei den Strafgerichten einen guten Ruf gehabt habe, habe alles ins Rollen gebracht und ihn falsch beschuldigt. Diese bereits vor den Strafgerichten vorgebrachten Einwände wurden vom Beklagten im disziplinarrechtlichen Verfahren aber nicht mit Hinweisen auf erhebliche Mängel der Tatsachenfeststellungen durch das Strafgericht oder mit neuen Beweismitteln untermauert.
77
Das Landgericht Traunstein hat sich mit der vom Beklagten auch schon im Strafverfahren dargelegten Personal- und Arbeitsüberlastungssituation, mit der dieser einen groben, aber unbewussten Fehler zu erklären versucht, auseinandergesetzt (vgl. U.v. 7.6.2021, S. 4, 16 ff.). Es hat ausführlich begründet, warum dies in Anbetracht der tatsächlichen Feststellungen nicht plausibel und gleichwohl von Vorsatz auszugehen sei. Es hat sich dabei intensiv mit der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. befasst, die es trotz der erheblichen Spannungen zwischen ihr und dem Beklagten nicht als erschüttert angesehen hat (s. S. 18 ff.). Das Landgericht hat nachvollziehbar aus den Äußerungen des Beklagten gegenüber dieser Kollegin geschlossen, dass er die Chat-Verläufe und damit die Absendereigenschaft des J. korrekt nachvollzogen hat (s. S. 22 f.). Der Erläuterung des Zeugen O. , der dem Strafgericht die Vorgehensweise und die grundsätzlichen Möglichkeiten der Auswertung mittels UFED-Reader demonstrierte, hat es entnehmen können, dass die farbliche Darstellung und die Anordnung der Chat-Verläufe auf dem Bildschirm leicht erkennbar war – was das erkennende Gericht anhand der Aktenlage nachvollziehen kann. Dem gegenüber hat es den zweiten Fehler bezüglich der Identifizierung der Empfänger der Nachricht innerhalb der Chat-Gruppe „…-Gang“ aufgrund der vorgeführten Abläufe für erklärbar gehalten (s. S. 21). Außerdem hat das Landgericht deutlich herausgestellt, dass der Beklagte im Ermittlungsvermerk an die Staatsanwaltschaft behauptete, der Absender sei aufgrund gelöschter/überschriebener Daten nicht zu ermitteln. Hierfür hätten die Ermittlungen und Erkenntnisse aus dem Chat-Verlauf jedoch nichts ergeben (S. 21 f.). Die vom Beklagten hervorgehobene große Datenmenge habe mittels dem Auswerteprogramm und Stichwortsuche ohne großen Aufwand bewältigt werden können. Zudem habe der Beklagte seinen Berichtsunterlagen für den Tatvorwurf irrelevante Ausdrucke, auch solche von Chat-Verläufen mit der farblichen Differenzierung blau/grün beigegeben, während er letzteres ausgerechnet bei dem strafbar verbreiteten Inhalt unterlassen habe. Schließlich hat das Landgericht plausibel begründet, warum es wegen des vom Beklagten gezeigten Mitleids mit dem Zeugen E. und seinem entgegenkommenden Verhalten in Bezug auf einen anderen Fall (M. ...), bei dem er die Sicherstellung eines Handys eigenmächtig unterlassen hatte, als Motiv für die Tat die falsch verstandene Solidarität mit dem Kollegen J. festgestellt hat (s. S. 23 ff.).
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bb) Der Beklagte hat im Hinblick auf die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts im Disziplinarverfahren nichts Durchgreifendes vorgebracht. Soweit er auch noch in der mündlichen Verhandlung behauptete, die vom Zeugen O. gegenüber dem Landgericht demonstrierte Version des UFED-Readers sei in der Darstellung wesentlich übersichtlicher gewesen als die von ihm verwendete, und die Strafgerichte hätten nur geringes technisches Verständnis gezeigt, ist sein Vortrag unsubstantiiert geblieben. Abgesehen davon, dass das Landgericht Traunstein den Vorsatz des Beklagten nicht nur aufgrund der farbigen Darstellungen der Chat-Verläufe im UFED-Reader, sondern aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung festgestellt hat, hat das Disziplinargericht bezüglich der Frage der „Benutzerfreundlichkeit“ des vom Beklagten nur selten benutzen UFED-Readers keine Anhaltspunkte für offensichtliche erhebliche Unrichtigkeiten bei dessen Tatsachenfeststellungen. Zwar hat der Personalrat … in seinem Schreiben vom 27. August 2024 ausgeführt, dass die Arbeit mit dem UFED-Reader „ganz erheblich schwieriger“ sei, als Herr O. geschildert habe. Der Beklagte hat jedoch auch in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Disziplinargericht eingeräumt, dass er nach der Stichwortsuche im UFED-Reader in den farbig dargestellten Chat-Verlauf der angezeigten Chats eingestiegen ist, diesen durchgeschaut hat und von dort aus in einem zweiten Verfahrensschritt Extraktionsberichte erstellte. Letztlich musste er sich nach der Stichwortsuche nur mit den Chats zu vier Einzelteilnehmern und der Weiterleitung der Textnachricht an die Wh.A.-Gruppe „…-Gang“ näher befassen. Warum ihm trotz dieser Eingrenzung und seines klaren Ermittlungsauftrags, auch den Erstversender der Nachricht festzustellen, anhand der unterschiedlichen Darstellung der Nachrichten eines Chats mittels Sprechblasen, je nachdem, ob sie auf das Handy des Zeugen E. geschickt oder von diesem gesendet wurden, nicht aufgefallen sein könnte, dass POK E. die Textnachricht nicht an PHK J. weitergeleitet, sondern von ihm erhalten hatte, vermochte er nicht nachvollziehbar zu erklären (vgl. hierzu auch AG Traunstein, U.v. 19.10.2020, S. 15 f., 20 f.). Dies gilt im Übrigen umso mehr, als nach dem aus der Strafermittlungsakte (Bl. 28, 172 f.) ersichtlichen Chat-Verlauf eine zweite Nachricht des J. nur eine Minute nach der Nachricht mit dem ausländerfeindlichen Text an POK E. gesendet wurde (16:46:26 Uhr: „und der mit Jungen oben ist“ mit Symbol eines erhobenen Daumens und einem Smiley). Abgesehen davon ließen auch die vom Beklagten gefertigten Extraktionsberichte ohne Schwierigkeit erkennen, dass die Nachricht von PHK J. um 16:45:40 Uhr geschickt wurde, während POK E. sie um 16:51:57 Uhr beantwortete und um 16:53:27 Uhr weiterleitete.
79
Schließlich ist das Vorbringen des Beklagten, ihm sei in Anbetracht des Vorwurfs der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) wegen einer in seinem Büro an der Wand angebrachten Collage, eine rechte Gesinnung unterstellt worden, nicht geeignet, die umfassenden Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zur vorsätzlichen Tatbegehung in Frage zu stellen. Unabhängig davon, dass ihn das Landgericht mangels Öffentlichkeitsbezug insoweit freisprach, ist diese Behauptung an nichts festzumachen. Soweit der Beklagte noch auf die fehlende Qualitätskontrolle hinsichtlich seiner Ermittlungsarbeit durch seine Vorgesetzten oder die Staatsanwaltschaft verweist, hätte dies selbst bei Wahrunterstellung keine Bedeutung für die vom Landgericht festgestellte vorsätzliche Tatbegehung durch den Beklagten.
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3. Der Beklagte hat durch sein vorsätzliches und zudem schuldhaftes Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Vergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
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Er hat gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 StGB) verstoßen. Das erkennende Gericht hat keinen Anlass, von der rechtlichen Würdigung der Tat des Beklagten durch das Landgericht Traunstein in seinem Urteil vom 26. April 2021 (s. S. 26 ff.) abzuweichen. Der Beklagte hat mit seiner Tat außerdem gegen seine Pflichten zum vollen Einsatz im Beruf, die übertragenen Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, verstoßen (vgl. § 34 Abs. 1 BeamtStG). Indem er die Weisung seines Dienstvorgesetzten und der Staatsanwaltschaft, die Weiterverbreitung der gegenständlichen Wh.A.-Nachricht sowie auch deren Herkunft zu ermitteln, nicht befolgt hat, hat der Beklagte zudem seiner Pflicht, dienstliche Anordnungen auszuführen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), zu wider gehandelt.
82
4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls derart schwer, dass seine Entfernung aus dem Dienst die angemessene Disziplinarmaßnahme ist.
83
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.1.2024 – 16a D 21.2138 – juris Rn. 51).
84
a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16; BayVGH, U.v. 6.3.2024 – 16a D 22.1589 – juris Rn. 30).
85
Bei innerwie bei außerdienstlich von einem Beamten begangenen Straftaten ist die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung des Dienstvergehens zu einer gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahme am jeweils gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Mit der jeweiligen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet dabei die nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 17, 19). Dagegen kommt der konkret vom Strafgericht ausgesprochenen strafrechtlichen Sanktion für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme keine Bedeutung zu (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 2 B 43.21 – juris Rn. 13 m.w.N.).
86
Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht – hier sind es sechs Monate bis zu fünf Jahre (§ 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 StGB), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme grundsätzlich bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.172 – juris Rn. 21). Die Höchstmaßnahme nach Art. 11 BayDG bildet folglich den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Ahndung des durch den Beklagten begangenen Dienstvergehens.
87
b) Die Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies unter Würdigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls dem Schweregehalt des konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarische Höchstmaßnahme ist deshalb nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Dienstpflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nur gerechtfertigt, wenn die Abwägung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, das Dienstverhältnis mit dem Beamten fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind hierfür die persönlichen Verhältnisse und das Verhalten des Beamten vor, bei und nach der Tat zu berücksichtigen. Ergibt die vorzunehmende Gesamtabwägung, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Beamten ein endgültiger Vertrauensverlust in die ordnungsgemäße Diensterfüllung eingetreten ist, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (vgl. BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.172 – juris Rn. 22 m.w.N.).
88
So liegt der Fall hier. Die Disziplinarkammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Schwere des Fehlverhaltens des Beklagten zu einem endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit geführt hat; die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist wegen der hier vorliegenden Umstände geboten.
89
aa) Es gehört zu den leicht einsehbaren und selbstverständlichen Kernpflichten des Beklagten als Polizeibeamten, Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Der Verstoß des Beklagten betrifft somit gerade den Pflichtenkreis, der im Mittelpunkt seines konkreten Amts im funktionellen Sinne steht (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -BVerwGE 124, 252 = juris Rn. 27). Der Polizeibeamte, der im Dienst Strafvereitelung begeht, missbraucht die ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben verliehenen Befugnisse und erschüttert in hohem Maße das Ansehen der Polizei als staatlicher Institution der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der Dienstherr und die Allgemeinheit sind auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit eines Polizeibeamten bei seiner Ermittlungsarbeit angewiesen. Dies gilt erst Recht, wenn es um Ermittlungen gegen andere Polizeibeamte geht, die entgegen deren Kernpflicht, Straftaten zu verhindern, solche begangen haben. Schon die einmalige Tatbegehung ist geeignet, einen eklatanten Ansehensverlust zu verursachen, der auf die Polizei als Ganzes ausstrahlt, wenn bekannt wird oder der Eindruck entsteht, dass die Begehung von Straftaten innerhalb der Polizei von Kollegen verheimlicht bzw. gedeckt wird.
90
bb) Die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls, insbesondere seines Persönlichkeitsbildes und bisherigen dienstlichen Verhaltens, die geeignete und erforderliche Maßnahme. Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht durchgreifend zugute. Die im Rahmen der Gesamtschau für den Beamten sprechenden Entlastungsgründe haben kein derartiges Gewicht, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
91
Der Beklagte macht nicht geltend bzw. ist auch unabhängig davon nichts dafür ersichtlich, dass er in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB gehandelt hat oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung unterlag, die die Tat begünstigt haben könnte.
92
Der Beklagte kann sich weder auf den Milderungsgrund der Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase, wegen der er aus der Bahn geworfen gewesen wäre, noch auf eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat berufen. Insoweit fehlt es bereits an einem substantiierten Vortrag des Beklagten. Es ist darüber hinaus auch sonst nicht erkennbar, dass er zum Tatzeitpunkt nicht in der Lage war, seinen dienstlichen Pflichten nachzukommen. Die Ermittlungen und den Ermittlungsbericht bewusst so zu gestalten, dass der Polizeibeamte J. – jedenfalls nicht ohne nähere Überprüfung der von ihm erstellten Berichtsunterlagen – nicht als Absender, sondern nur als Empfänger und Zeuge der gegenständlichen Textnachricht aufscheint, zeugt nicht von kopflosem und unüberlegtem Verhalten des Beklagten. Die geschilderte Überforderungssituation im Zeitpunkt der Tatbegehung ist nicht geeignet, die hier zugrunde zu legende Vorsatztat in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen.
93
Im positiven Sinne ist zwar zu sehen, dass der Beklagte ein im Wesentlichen günstiges Persönlichkeitsbild vorzuweisen hat. Er wird als engagiert, motiviert, beliebt und selbst in Phasen hoher Arbeitsbelastung stets zuverlässig, mit durchweg positiver Berufseinstellung, beschrieben. Zudem sei der Beklagte außerdienstlich überdurchschnittlich sozial engagiert. Eine Wiederholungsgefahr sei mit Blick auf die Belastungen durch die Suspendierung und das öffentliche, medial ausgebreitete Gerichtsverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass mit dem Persönlichkeitsbild auch der bereits vom Landgericht Traunstein berücksichtigte Fall M. , der Anlass zur Überprüfung und Beanstandung als fehlerhaft verlaufener kriminalpolizeilicher Ermittlungsvorgang gegeben habe, aufgegriffen wird, können die vorgenannten Gesichtspunkte in Anbetracht der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat und sich als Beamter untragbar gemacht hat, nicht zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße milder erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27; (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 57).
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Dass der Beklagte strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet ist, kommt ihm ebenfalls nicht durchgreifend zugute. Die Würdigung aller Umstände führt bei prognostischer Beurteilung entgegen der Ansicht des Beklagten zu der Bewertung, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit ihm nach dem von ihm begangenen schwerwiegenden Dienstvergehen kein Vertrauen mehr in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können; die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums ist nicht wiedergutzumachen. Es bestehen im Übrigen auch keine durch ein Verhalten des Beklagten (z.B. Einsicht, Reue und/oder positives Nachtatverhalten) geprägte Grundlage, um von wieder aufgebautem Vertrauen ausgehen zu können.
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Eine Milderung kommt vorliegend auch nicht im Hinblick auf eine unangemessene Dauer des Verfahrens und die damit verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile, die zu einer positiven Entwicklung des Beamten geführt haben könnten, in Betracht. Unabhängig davon, dass schon nicht naheliegt, dass das vom Ausgang eines Strafverfahrens über drei gerichtliche Instanzen abhängige Disziplinarverfahren als unangemessen lang zu bewerten wäre, ließe sich der Verbleib im Beamtenverhältnis nicht allein mit den Belastungen eines überlangen Verfahrens rechtfertigen. Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände – wie hier, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, wäre solches mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht zu vereinbaren (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 7).
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5. Angesichts des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens und der vorstehend aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Er hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn aufgrund eines schweren Dienstvergehens endgültig zerstört ist, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der wissen musste, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (vgl. BayVGH, U.v 20.3.2024 – 16a D 22.2572 – juris Rn. 57). Soweit der Beklagte befürchtet, erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu erleiden, ist er ggf. auf staatliche Hilfesysteme zu verweisen (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2023 – 16a D 20.1958 – juris Rn. 40 m.w.N.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.