Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 23.07.2024 – Au 8 S 24.1362
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Schließung eines Verkaufsraums nach mehrfachen Verstößen gegen die Ladenschlusszeiten

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LadSchlG § 1 Abs. 1, § 3 S. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 2 lit. a
BayFTG Art. 2 Abs. 1, Art. 7 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Bei einem "Automatenladen", in dem von Warenautomaten aus Waren zum allgemeinen Verkauf angeboten werden, handelt es sich um eine Verkaufsstelle iSd § 1 Abs. 1 LadSchlG. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anordnungen zum Schließen eines Verkaufsraums, in dem von Warenautomaten aus Waren zum allgemeinen Verkauf angeboten werden;, Einhaltung der allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG;, Übernahme der Ausführungen aus VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23 – juris und HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22 – juris, Ladenschluss, Automatenladen, Warenautomat, Verkaufsstelle
Fundstellen:
BeckRS 2024, 26288
LSK 2024, 26288
LMuR 2025, 120

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ihr gegenüber verfügte Schließungsanordnungen für ein von ihr betriebenes Geschäft u.a. wegen vielfacher Verstöße gegen die Ladenschlusszeiten.
2
1. Die Antragstellerin ist Inhaberin des Gewerbebetriebs „D.“, B-straße ... im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. In der Gewerbeanmeldung für diese Betriebsstätte vom 28. Juli 2023 ist als angemeldete Tätigkeit angegeben: „Betrieb eines Automatenladens: Verkauf von verpackten Lebensmitteln und Getränken; Verkauf von Reise- und Pendlerbedarf“.
3
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort am Sitz der Betriebsstätte sind auf der etwa 10 qm großen Verkaufsfläche vier Getränke- und Snackautomaten sowie vier kleinere Drehautomaten aufgestellt, aus denen heraus der Verkauf von Waren aus dem Bereich verschiedener Trendprodukte, insbesondere Süßwaren und Importsüßwaren aus Asien und den USA, alkoholische und auch brandweinhaltige Getränke, die nicht für den Automatenbetrieb zulässig waren, sowie alkoholfreie Getränke und zahlreiche Energy-Drinks erfolgt. Nach Angaben der Antragstellerin ist des Weiteren der Verkauf von verschiedenen Tabakwaren geplant.
4
Ein Schild im Schaufenster der Betriebsstätte zeigte nach den Feststellungen der Antragsgegnerin im Mai 2023 folgende Öffnungszeiten an: Montag – Samstag von 6 bis 22 Uhr sowie Sonn- und Feiertag von 8 bis 20 Uhr. Am 5. Juni 2023 teilte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin mit, dass die Betriebsstätte seit dem 1. April 2023 geöffnet habe und gab (abweichend zum vorgenannten Schild) an, dass freitags bis sonntags sowie an Feiertagen durchgehend geöffnet sei. Geplant sei zudem, die durchgehende Öffnung des Ladengeschäfts auf die ganze Woche auszuweiten.
5
Im Zuge der Bestätigung der Gewerbeanmeldung übersandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ein Merkblatt, das sie über die gesetzlichen Öffnungszeiten für den Betrieb ihres Automatenkioskes informierte.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2024 wurde die Antragstellerin zu den beabsichtigten Anordnungen durch die Antragsgegnerin angehört.
7
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin wies mit Schreiben vom 26. März 2024 darauf hin, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit „Betrieb eines Automatenladens“ um keine Verkaufsstelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 LadSchlG handle. Zudem gebe es keine Unterscheidung zwischen einem einzelnen Warenautomaten und einem Automatenladen, der im Gesetz keine Grundlage habe. Es bestehe eine Bereichsausnahme von Ladenschlussgesetzen, wenn kein menschliches Gegenüber den Verkauf vornehme.
8
Mit Bescheid vom 16. Mai 2024 verpflichtete die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 5) und Androhung von Zwangsgeldern (Ziffern 6 bis 9) die Antragstellerin dazu, die von ihr betriebene Verkaufsstelle „D.“ ab dem dritten Tag nach Bekanntgabe dieses Bescheids montags bis samstags (an Werktagen) bis 6 Uhr und ab 20 Uhr und am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, bis 6 Uhr und ab 14 Uhr (Ziffer 1) respektive an Sonn- und Feiertagen (Ziffer 2) für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen zu halten. Der Aufenthalt von Kunden wurde montags bis samstags (an Werktagen) bis 6 Uhr und ab 20:10 Uhr sowie am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, bis 6 Uhr und ab 14:10 Uhr (Ziffer 3) respektive an Sonn- und Feiertagen ganztägig (Ziffer 4) untersagt. Daneben enthält der Bescheid in Ziffer 10 eine Kostenentscheidung und -festsetzung.
9
Die Anordnungsbefugnis ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Die Antragstellerin betreibe eine Verkaufsstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 LadSchlG. Es würden von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten. Maßgeblich sei zunächst das Vorhandensein eines von Kunden betretbaren Raumes. Der Erwerb der Waren erfolge vollautomatisch durch die Warenautomaten ohne persönlichen Kontakt, nur die Auffüllung der Waren und die Geldentnahme aus den Automaten werde durch Personal erledigt. Dies falle nicht aus dem Geltungsbereich des LadSchlG. Die Art und Weise der Warenauswahl und Bezahlung nehme den Automaten nicht ihre Qualität als Verkaufsstelle und qualifiziere sie nicht zu Verkaufsautomaten (VG Kassel, B.v. 4.1.2022 – 3 L 1734/21.KS). Es bedürfe keines persönlichen Kontakts zwischen Verkäufer und Käufer. Es lägen keine Gründe für die Öffnung des Betriebs außerhalb der Ladenöffnungszeiten sowie an Sonn- und Feiertagen vor (§ 3 Satz 1 LadSchlG). Der ehemalige § 7 LadSchlG sei im Jahr 2003 ersatzlos gestrichen worden, sodass es im LadSchlG keine explizite Regelung über den Umgang mit Warenautomaten gebe. Der Betrieb werde auch nicht mittels eines einzelnen, freistehenden Warenautomaten betrieben, vielmehr entspreche dieser äußerlich und nach dem Warenangebot wesentlich einem kleinen Ladengeschäft und qualifiziere diesen zur Verkaufsstelle. Der Betriebsraum sei ausschließlich für die Benutzung der Warenautomaten bestimmt und vermittle bereits von außen den Eindruck eines zum Betreten durch eine Mehrzahl von Kunden geeigneten Geschäftsraumes (VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23). Subsidiär kämen für den Betrieb an Sonn- und Feiertagen die Regelungen des FTG zur Anwendung. Der von der Antragstellerin betriebene Automatenkiosk sei alleine durch das umfangreiche und vielfache Sortiment geeignet, eine deutlich größere Anzahl an Kunden anzuziehen, als dies an einem einzelnen Warenautomaten möglich wäre. Des Weiteren sei an Sonn- und Feiertagen der Erwerb von Waren aufgrund des Ladenschlusses in einem ähnlichen Geschäft nicht möglich. Die Antragstellerin erhalte einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und mache den dem werktäglichen Geschehen gleichen Kaufvorgang auch für Dritte besonders erkennbar (VG Hamburg, a.a.O.). Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch in der Zukunft eine Verwirklichung der Tatbestände einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) i.V.m. § 3 Satz 1 LadSchlG bzw. Art. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 FTG erfüllt werde. Die Anordnungen seien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verfügt worden und entsprächen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Als Handlungsstörerin sei die Antragstellerin richtige Adressatin (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO und läge im besonderen öffentlichen Interesse.
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Auf die Begründung des Bescheides wird im Einzelnen verwiesen.
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2. Dagegen ließ die Antragstellerin am 6. Juni 2024 Klage erheben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids vom 16. Mai 2024, über die noch nicht entschieden ist (Au 8 K 24.1360).
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Zugleich begehrt die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutz.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Es handele sich bei der von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit „Betrieb eines Automatenladens“ um keine Verkaufsstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 LadSchlG. Unabhängig von der Frage, ob der Betrieb als digitaler Kleinstsupermarkt oder als Warenautomat/Automatenladen anzusehen sei, scheide eine solche aus: Gemäß der Vollzugshinweise zum „Gesetz über den Ladenschluss“ im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 27. August 2021 werde festgestellt, dass §§ 1, 3 LadSchlG dahingehend auszulegen seien, dass digitale Kleinstsupermärkte keine Verkaufsstellen seien. Hinsichtlich der Definition digitaler Kleinstsupermärkte benenne das Schreiben lediglich, dass ein Vollsortiment im Sinne der Nr. 2 zu führen sei und die in Nr. 3 genannte Verkaufsfläche von 100 qm nicht überschritten werde. Es spreche viel dafür, dass vorliegend von einem digitalen Kleinstsupermarkt auszugehen sei. Sofern davon im Hinblick auf das angebotene Sortiment nicht auszugehen wäre, wäre von einem Warenautomaten bzw. einem Automatenladen auszugehen, was eine Verkaufsstelle ebenfalls ausschließe. Die im angegriffenen Bescheid angeführten Entscheidungen des VG Kassel und des VG Hamburg seien nicht ohne Weiteres auf Bayern übertragbar. In einer schriftlichen Anfrage an den Bayerischen Landtag (Drs. 18/24887) finde sich in der Antwort des Ministeriums keinerlei Hinweis darauf, dass Warenautomaten bzw. Automatenläden als Verkaufsstellen anzusehen seien. Das Ministerium definiere insoweit den Begriff des Automatenladens nicht bzw. beantworte nicht die Frage, wie die Abgrenzung von digitalen Kleinstsupermarkt und Automatenladen erfolge. Der Warenautomat/ mehrere Warenautomaten bzw. ein Automatenladen würden keine Verkaufsstelle im Sinne des LadSchlG darstellen. Dies ergebe sich aus dem tradierten Begriff der Verkaufsstelle, wonach seit jeher erforderlich sei, dass ein unmittelbarer Kundenkontakt bestehe. Für diese Auslegung spreche auch die Gesetzeshistorie. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liege das besondere öffentliche Interesse im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor. Der Bescheid stelle insoweit nur einseitig auf die Interessen der Antragsgegnerin ab – die Rechtswidrigkeit des Handelns der Antragstellerin immer als selbstverständlich unterstellt –, die Interessen der Antragstellerin würden in keinster Weise berücksichtigt bzw. überhaupt erst ermittelt. Die erfolgte Interessenabwägung genüge nicht Anforderungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
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Auf die Klage- und Antragsbegründung wird im Einzelnen verwiesen.
15
Die Antragstellerin lässt beantragen,
16
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ziffern 1 bis 4 des Bescheids vom 16. Mai 2024 wiederherzustellen.
17
Die Antragsgegnerin beantragt,
18
den Antrag abzulehnen.
19
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid insbesondere ausgeführt: Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Die Anordnungen seien rechtmäßig. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei gemäß § 80 Abs. 3 VwGO begründet worden. Die Begründung sei nicht nur lediglich formelhaft. Rechtsgrundlage der Anordnungen sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Entsprechend § 3 LadSchlG müssten Verkaufsstellen zu den dort genannten Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein. Beim Ladengeschäft der Antragstellerin handele es sich um eine Verkaufsstelle i.S.d. LadSchlG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Satz 1 LadSchlG). Dieses weiche deutlich von einem einzelnen Warenautomaten ab bzw. entspreche äußerlich einem typischen Ladengeschäft und führe ein deutlich umfangreicheres Warenangebot als dies mit einem einzelnen Warenautomaten möglich wäre. Es handele sich um einen für den Verkauf von Waren angemieteten Geschäftsraum, mithin um ein Ladengeschäft bzw. um eine ähnliche Einrichtung, von der von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten würden. Es handele sich bei sog. Automatenkiosken gerade nicht um (einen) Warenautomaten, der vom Anwendungsbereich des LadSchlG nicht erfasst wäre. Die zitierte Rechtsprechung (HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22; VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23) bzw. die insofern zugrundeliegende Gesetzeslage sei vergleichbar und könne herangezogen werden. Die Vollzugshinweise zum Gesetz über den Ladenschluss zu „digitalen Kleinstsupermärkten“ würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Änderung des Gesetzes über den Ladenschluss, welches ein Bundesgesetz darstelle, oder aber eine sonstige bayerische Regelung mit Gesetzescharakter sei in der Folge nicht ergangen. An den Tatbestandsmerkmalen (für einen digitalen Kleinstsupermarkt aus der Pressemitteilung des Kabinettsbeschlusses) werde der Unterschied zum Ladengeschäft der Antragstellerin deutlich. Aus einer Anfrage der Antragsgegnerin an das Bayerische Staatsministerium für, ... und ... folge, dass das Ladengeschäft der Antragstellerin die Voraussetzungen eines digitalen Kleinstsupermarkts nicht erfülle. Die Antragstellerin habe sich fortlaufend nicht an die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG gehalten und demgemäß Ordnungswidrigkeiten als Inhaberin einer Verkaufsstelle begangen (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) LadSchlG). Um die weitere Begehung der Ordnungswidrigkeiten zu verhüten bzw. zu unterbinden hätten deshalb Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG getroffen werden können; es bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass die Antragstellerin die Verkaufsstelle auch künftig auch außerhalb der Ladenschlusszeiten offenhalten wolle. Die Antragsgegnerin habe – unter Verweis auf den streitgegenständlichen Bescheid – das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei eingehalten. Es sei auf die Einhaltung der Regelungen des LadSchlG sowie des FTG hinzuwirken gewesen. Auch die Regelungen des Art. 2 Abs. 1 FTG seien durch das Ladengeschäft einzuhalten. Mit der Öffnung der Verkaufsstelle werde ein typisch werktäglicher Lebensvorgang ermöglicht. Das Ladengeschäft der Antragstellerin sei (im Vergleich zu einem freistehenden einzelnen Warenautomaten) durch das größere Sortiment geeignet, eine größere Anzahl von (gleichzeitig anwesenden) Kunden anzuziehen und dadurch eine öffentlich bemerkbare Beeinträchtigung der Sonn- und Feiertagsruhe zu bewirken. Im Hinblick auf die Ordnungswidrigkeiten nach Art. 7 Nr. 1 FTG sei es (auch insoweit) möglich, auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorliegend Anordnungen zu stützen. Die angedrohten Zwangsmittel beruhten auf Art. 18, 19, 20, 29, 30, 31 und Art. 36 VwZVG.
20
Auf die Antragserwiderung wird im Einzelnen Bezug genommen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in dem Verfahren Au 8 K 24.1360, sowie der vorgelegten Behördenakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
22
Der zulässig erhobene Antrag bleibt erfolglos.
23
Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht vorzunehmende eigenständige Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweisen sich die Ziffern 1 mit 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 16. Mai 2024 zum derzeitigen Sach- und Streitstand als rechtmäßig, so dass die Antragstellerin durch diese Anordnungen nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, welche dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern lediglich tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 136 ff.).
25
1. Soweit die Behörde – wie hier zu den Ziffern 1 mit 4 – die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat (Ziffer 5 des angefochtenen Bescheids), d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., 98).
26
Die in Ziffer 5 des Bescheids für die Anordnungen in den Ziffern 1 mit 4 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt.
27
An die Begründung der Vollziehungsanordnung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede Begründung, welche zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, welche die Behörde bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit nicht an (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 ff.).
28
Die unter Ziffer 4 der Begründung des Bescheids (S. 10 f. des BA) von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe genügen den vorstehenden Anforderungen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die unterschiedlichen Interessen erkannt und im Einzelnen ausführlich abgewogen. Ob diese Abwägung rechtlich zutreffend ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung.
29
2. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die in den Ziffern 1 mit 4 angeordnete Schließung der Verkaufsstelle der Antragstellerin zu den durch das Ladenschlussgesetz bzw. das Feiertagsgesetz vorgegebenen Zeiten, d.h. die insoweit erfolgten Anordnungen zur Einhaltung der Ladenschlusszeiten für den Betrieb der Antragstellerin, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Die Anordnungen sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
30
Zur Begründung kann zunächst auf die ausführlichen Darlegungen zur Rechtslage unter Ziffer 3 der Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen werden, denen sich die Kammer anschließt (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
31
Ergänzend wird zum Klage- und Antragsvorbringen ausgeführt:
32
Entgegen der in der Klage- und Antragsbegründung vorgetragenen Rechtsauffassung handelt es sich bei dem Automatenladen der Antragstellerin um eine Verkaufsstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Ladenschlussgesetz (LadSchlG).
33
Die gesetzliche Definition der Verkaufsstelle in § 1 Abs. 1 LadSchlG entspricht – überwiegend wörtlich – der in den Regelungen der Bundesländer Hamburg und Hessen verwendeten Definition (§ 2 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten – Ladenöffnungsgesetz – vom 22.12.2006; Hessisches Ladenöffnungsgesetz – HLöG – vom 23.11.2006; jeweils veröffentlicht in juris). Die von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogenen Entscheidungen des VG Hamburg (VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23 – juris) und des VG Kassel bzw. nachfolgend des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VG Kassel, B.v. 4.1.2022 – 3 L 1734/21.KS – openJur 2024, 498 bzw. HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22 – juris) können somit entgegen der Auffassung der Antragstellerseite ohne weiteres zur Auslegung des Begriffs der Verkaufsstelle auch im vorliegenden Verfahren Anwendung finden. Die Kammer folgt den dort getroffenen Ausführungen und macht sie sich insoweit vollumfänglich zu Eigen. Danach ist es zur Frage der Anwendbarkeit der Regelungen des LadSchlG für den von der Antragstellerin betriebenen Verkaufsraum insbesondere ohne Bedeutung, ob Ladenpersonal im Verkaufsraum während des Verkaufsvorgangs anwesend ist (jeweils LS 2 in VG Hamburg, a.a.O., und HessVGH, a.a.O.). Durch ministerielle Vollzugshinweise, Antworten auf parlamentarische Anfragen oder Hinweise einer Handelskammer ist insoweit eine andere Auslegung nicht veranlasst, die gesetzliche Systematik des LadSchlG wird dadurch nicht geändert.
34
Der Begriff des „digitalen Kleinstsupermarkts“ ist dem Gesetz unbekannt, eine Änderung der gesetzlichen Regelung in § 1 LadSchlG ist insoweit – wie auch nach der oben dargestellten Rechtslage etwa in Hamburg oder Hessen – nicht erfolgt. Insbesondere ist die Frage der Art der verkauften Produkte für die Auslegung der gesetzlichen Regelung ohne Bedeutung. Maßgeblich ist der in einem „allgemein zugänglichen Ladenlokal“ erfolgende Verkauf von Waren an einen unbestimmten Käuferkreis (vgl. im Einzelnen VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23 – juris LS 1 und Rn. 16 f.; HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22 – juris Rn. 12 ff.). Dies ist nach den Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort an der Betriebsstätte der Antragstellerin ohne weiteres der Fall. Ob de lege ferenda eine von der Antragstellerseite bereits als eingetreten angesehene Neuregelung für einen sog. „digitalen Kleinstsupermarkt“ erfolgt, begründet derzeit keinen Anspruch der Antragstellerin, dass ihr gegenüber die Regelungen des LadSchlG keine Anwendung finden.
35
Die Antragstellerin betreibt in ihrem Verkaufsraum keinen Warenautomaten, vielmehr handelt es sich um eine Verkaufsstelle, auf die die Regelungen des LadSchlG Anwendung finden. Aufgrund der wiederholten – im Ergebnis beim Vorliegen einer Verkaufsstelle unstrittigen – Verstöße gegen die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG konnte die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Verfügungen erlassen.
36
3. Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens.
37
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht hat bei der Höhe des Streitwertes die Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit berücksichtigt.