Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 29.08.2024 – Au 5 S 24.2034
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen sofort vollziehbare Nutzungsuntersagungen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, Art. 76 S. 2
Leitsätze:
1. Die Begründung der behördlichen Sofortvollzugsanordnung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst war, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen, wofür grundsätzlich die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden müssen, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO normiert nur eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, sodass es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung des Sofortvollzugs nicht ankommt. ( (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet, es sei denn, sie ist offensichtlich genehmigungsfähig. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Beruft sich ein betroffener Eigentümer gegenüber einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsmaßnahme auf Bestandsschutz – etwa aufgrund einer ursprünglich erteilten, aber nicht auffindbaren, legalisierenden Baugenehmigung –, so trägt er hierfür die materielle Beweislast und damit auch das Risiko der Nichterweislichkeit. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Befugnis, die Nutzung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzten Anlagen zu untersagen, kann nicht verwirkt werden, weil nur Rechte, nicht aber Pflichten, hier die behördliche Pflicht, für rechtmäßige Zustände zu sorgen, verwirkt werden können. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (bejaht), Nutzungsuntersagung von Zimmern/Nutzungseinheiten im Dachgeschoss zum Zwecke der Nutzung als Aufenthaltsraum gegenüber der Eigentümerin als Vermieterin, Bestandsschutz (verneint), Vorliegen von Brandschutzmängeln (bejaht), erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit (bejaht), Duldungsanordnung gegenüber Mietern, Zwangsgeldandrohung, Streitwertfestsetzung bei Nutzungsuntersagung von vermietetem Objekt, Eilverfahren, Sofortvollzug, Interessenabwägung, öffentliches Interesse, Nutzungsuntersagung, Ermessensentscheidung, Gefahr, Leben und Gesundheit, Brandschutz, Bestandsschutz, Störerauswahl, Handlungsstörer, Zustandsstörer, Verwirkung, Mieter, Duldungsverfügung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.12.2024 – 15 CS 24.1568
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26284

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 17.220,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen sofort vollziehbare Nutzungsuntersagungen ihr und ihren Mietern gegenüber, gegen die sofort vollziehbare Duldungsanordnung ihren Mietern gegenüber sowie die damit jeweils verbundenen Zwangsgeldandrohungen.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (nachfolgende Fl.Nrn.-Angaben beziehen sich auf dieselbe Gemarkung). Auf dem Grundstück befindet sich das Gebäude der ehemaligen Gaststätte „... ... “ (im Folgenden: Anwesen).
3
Im Nachgang zu einem Feuerwehreinsatz im Anwesen am 10. Dezember 2022 stellte das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) im Rahmen einer Ortseinsicht am 3. Januar 2023 fest, dass das Anwesen im 1. OG und im Dachgeschoss zu Aufenthaltszwecken genutzt werde. Nach den Erkenntnissen des Landratsamts seien erhebliche brandschutztechnische und -rechtliche Mängel festgestellt worden, die eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit insbesondere der dort untergebrachten Personen begründeten. Die baulichen Veränderungen im 1. OG und dem Dachgeschoss würden keinen nachgewiesenen, vollständigen baurechtlichen Bestandsschutz genießen.
4
Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 5. Januar 2023 (Az. ... ) wurde der Antragstellerin die Nutzung der Zimmer Nrn. B und D im Dachgeschoss des Anwesens im Rahmen und für die Zwecke eines Beherbergungs- und Wohnheimbetriebs mit Zugang des Bescheids untersagt (Ziff. 1). Diesbezüglich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. 3) und es wurden Zwangsgelder angedroht (Ziff. 4).
5
Mit Bescheid vom 16. Februar 2023 wurde der Antragstellerin die Nutzung der Zimmer Nrn. 23 und 25 im Dachgeschoss des Anwesens im Rahmen und für die Zwecke eines Beherbergungs- und Wohnheimbetriebs mit Zugang des Bescheids untersagt (Ziff. 1). Diesbezüglich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. 2) und es wurden Zwangsgelder angedroht (Ziff. 3).
6
Mit Schreiben vom 19. Juli 2023 wurden wegen Nichterfüllung der Verpflichtungen aus den Bescheiden vom 5. Januar 2023 und 16. Februar 2023 Zwangsgelder i.H.v. jeweils 2.000,00 EUR fällig gestellt.
7
Mit Bescheiden vom 20. Juli 2023 wurden hinsichtlich der Bescheide vom 5. Januar 2023 und 16. Februar 2023 erneute Zwangsgeldandrohungen erlassen.
8
Derzeit sind folgende Verfahren im Hinblick auf die vorgenannten Bescheide und Fälligkeitsmitteilungen anhängig:
9
Az. Au 5 K 23.470: Klage gegen den Bescheid vom 16. Februar 2023
10
Az. Au 5 K 23.1336: Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 20. Juli 2023 hinsichtlich des Bescheids vom 16. Februar 2023
11
Az. Au 5 K 23.1344: Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 20. Juli 2023 hinsichtlich des Bescheids vom 5. Januar 2023
12
Az. Au 5 K 23.1352: Klage gegen die Fälligkeitsmitteilung vom 19. Juli 2023 hinsichtlich des Bescheids vom 5. Januar 2023
13
Az. Au 5 K 23.1353: Klage gegen die Fälligkeitsmitteilung vom 19. Juli 2023 hinsichtlich des Bescheids vom 16. Februar 2023
14
Zur Klagebegründung wurde in den vorbezeichneten Verfahren im Wesentlichen vorgetragen, dass das Anwesen der Antragstellerin Bestandsschutz genieße. Zwar könne keine Baugenehmigung für die Nutzung des Dachgeschosses als Wohnraum vorgelegt werden. Das Anwesen werde seit mehreren Jahrhunderten als Gasthof mit Gasträumen, Fremdenzimmern und Wohnungen betrieben, d.h. es finde schon immer eine gemischte Nutzung statt. Die Räume im Dachgeschoss würden dabei seit jeher als Wohnraum genutzt. Die in der Behördenakte befindlichen Gaststättenerlaubnisse böten einen weiteren Anhaltspunkt für einen genehmigten Zustand. Mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis an die Antragstellerin im Jahr 1997 müsse davon ausgegangen werden, dass die brandschutzrechtlichen Anforderungen zu diesem Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. Auch der Bestand im Übrigen habe zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig gewesen sein müssen, da ansonsten die gaststättenrechtliche Erlaubnis nicht erteilt worden wäre. In den 1980er und 1990er Jahren seien alle Räume an die Regierung von ... vermietet gewesen und mit Genehmigung des Landratsamts seien im Anwesen bis zu 60 Aussiedler untergebracht gewesen. Der Grundriss entspreche im Wesentlichen den Bestandsplänen von 1985, es seien lediglich Bäder und Kleinküchen in die Appartements eingebaut worden. Früher habe es eine Gemeinschaftsküche sowie Gemeinschaftsbäder und Etagentoiletten gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die Nutzung sowohl als Beherbergungsstätte als auch zu Wohnzwecken zu irgendeinem Zeitpunkt habe genehmigt worden sein müssen. Die ursprüngliche Baugenehmigung für das Anwesen stamme aus dem vorherigen Jahrhundert. Nach Auskunft des Staatsarchivs ... würden dort nur Baupläne aus den Jahren 1944 bis 1961 verwahrt. Frühere Akten gälten als Kriegsverlust. Akten bezüglich des Anwesens der Antragstellerin dürften also verschollen gegangen sein. Der Bestandsschutz könne nur aus den genannten Indizien hergeleitet werden. Jedenfalls sei die Nutzung seit Jahrzehnten nicht beanstandet worden, wahrscheinlich, weil sie genehmigt sei. Abgesehen davon betreibe die Antragstellerin in dem Anwesen keinen Beherbergungs- oder Wohnheimbetrieb. Es handle sich um die private Vermietung von Wohnraum. Zudem bestehe keine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen. Nach der von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen brandschutztechnischen Stellungnahme sei bei Umsetzung der von ihr geplanten Maßnahmen nicht länger von einer Gefahr auszugehen. Ebenso sei ein Brandschutzkonzept für das Anwesen erstellt worden. Dort sei festgestellt worden, dass das Gefährdungsrisiko als normal einzustufen sei. Die Antragstellerin habe zwischenzeitlich zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes vorgenommen. Eine Nutzung des Dachgeschosses als Wohnraum sei bauplanungsrechtlich zulässig. Die Nutzungsuntersagungen seien auch im Übrigen ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig, die Zwangsgeldandrohungen ebenfalls rechtswidrig.
15
In den vorbezeichneten Verfahren fand am 30. April 2024 ein nichtöffentlicher Augenscheinstermin durch die Berichterstatterin statt.
16
Mit Schreiben vom 10. Mai 2024 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass aufgrund der bestehenden erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit der Bewohner, Nutzer und aufhältigen Personen zu deren Abwehr auf Grundlage des Art. 54 Abs. 4 Bayerische Bauordnung (BayBO) die Nutzung der Aufenthaltsräume Nrn. A bis E im Dachgeschoss unverzüglich, jedoch bis spätestens 17. Mai 2024, aufzugeben sei. Sollte dem nicht Folge geleistet werden, werde eine entsprechende Nutzungsuntersagung erlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt werde der Antragstellerin auf Grundlage des Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) die Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
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Mit Bescheid vom 1. August 2024 (Az. ... ) hat das Landratsamt die Bescheide vom 16. Februar 2023 und 20. Juli 2023 sowie die Fälligstellungen von Zwangsgeldern vom 19. Juli 2023 mit Wirkung ab dem 1. September 2024 aufgehoben (Ziff. 1). Der Antragstellerin wurde die Nutzung und Vermietung bzw. Überlassung an Dritte der Zimmer/Nutzungseinheiten Nrn. A bis E im Dachgeschoss des bestehenden Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ... zum Zwecke als Aufenthaltsräume ab dem 1. September 2024 untersagt (Ziff. 2). Den namentlich genannten Mietern der jeweiligen Zimmer/Nutzungseinheiten wurde die Nutzung zum Zwecke als Aufenthaltsraum ab dem 1. September 2024 untersagt (Ziff. 3). Die namentlich genannten Mieter der jeweiligen Zimmer/Nutzungseinheiten wurden verpflichtet, die unter Ziff. 2 des Bescheids gegenüber der Antragstellerin angeordnete Nutzungsuntersagung sowie deren Vollzug durch die Eigentümerin oder deren Beauftragte zu dulden (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ziff. 2 bis 4 wurde angeordnet (Ziff. 5). Für den Fall der Nichterfüllung der in Ziff. 2 geregelten Verpflichtung durch die Antragstellerin innerhalb der dort genannten Frist wurde ein Zwangsgeld je Zimmer/Nutzungseinheit i.H.v. 5.000,00 EUR angedroht (Ziff. 6). Für den Fall der Nichterfüllung der in Ziff. 3 geregelten Verpflichtung durch den jeweiligen Mieter innerhalb der genannten Frist wurde ein Zwangsgeld je Verpflichtetem i.H.v. 2.000,00 EUR angedroht (Ziff. 7). Für den Fall der Nichterfüllung der Ziff. 4 des Bescheids durch den jeweiligen Mieter wurde ein Zwangsgeld i.H.v. je 2.000,00 EUR angedroht (Ziff. 8). Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragstellerin auferlegt (Ziff. 9). Es wurden eine Gebühr i.H.v. 1.000,00 EUR (Ziff. 10) und Auslagen i.H.v. 24,84 EUR (Ziff. 11) festgesetzt.
18
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziff. 2 bis 4 des Bescheids wurde vorgetragen, dass die sofortige Durchsetzbarkeit der Nutzungsuntersagung im öffentlichen Interesse notwendig sei. Die sofortige Vollziehung einer Nutzungsuntersagung liege regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse, wenn dezidierte und im vorliegenden Fall festgestellte Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr von Leben und Gesundheit insbesondere durch erhebliche brandschutzrechtliche Mängel bestünden. Nur mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung lasse sich eine wirksame sofortige Gefahrenabwehr sicherstellen und der Eintritt irreparabler Schäden an der Gesundheit oder sogar dem Leben von Personen durch die hier fehlenden bzw. mangelhaften Flucht- und Rettungswege im Brandfall verhindern. Weitere, schon aufgrund der bisherigen Klageverfahren insbesondere verfahrensrechtlich eingetretene Verzögerungen der unverändert unmittelbar notwendigen Umsetzung der Nutzungsaufgabe könnten aufgrund der weiterhin im Raum stehenden konkreten Sicherheitsrisiken nicht mehr hingenommen werden. Die bisherigen Vollzugsverzögerungen stünden der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht entgegen. Die eingetretenen Verzögerungen bedingten vielmehr die zukünftig unverzögerte weitere Umsetzung der angeordneten Nutzungsuntersagungen zur Gewährleistung der sicherheitsrechtlichen Anforderungen.
19
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids wird ergänzend verwiesen.
20
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 21. August 2024 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Landratsamts vom 1. August 2024, Az., in Ziff. 2 bis 11 aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden (Az. Au 5 K 24.2033).
21
Zugleich hat die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes (zuletzt) beantragt,
22
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 1. August 2024, Az., hinsichtlich Ziff. 2 bis 4 wiederherzustellen und hinsichtlich Ziff. 6 bis 8 anzuordnen.
23
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde vorgetragen, dass Ziff. 2 bis 11 des Bescheids rechtswidrig seien. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf den Vortrag in den bereits anhängigen Verfahren verwiesen. Insbesondere sei davon auszugehen, dass das Anwesen der Antragstellerin Bestandsschutz genieße und keine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen bestehe. Die Äußerung der Antragstellerin vom 24. Juni 2024 habe bei der Ermessensausübung des Landratsamts keine Beachtung gefunden. Vorrangig zur Nutzungsuntersagung hätte verlangt werden müssen, dass ein Bauantrag gestellt werde. Durch die brandschutztechnische Stellungnahme der ... ... GmbH vom 31. Januar 2023 und das Brandschutzkonzept vom 28./30. März 2023 sei belegt, dass im Gebäude keine erheblichen Brandschutzgefahren bestünden. Die Aufgabe der Nutzung des Dachgeschosses ab dem 1. September 2024 sei für die Antragstellerin tatsächlich unmöglich. Sie könne die rechtzeitige Räumung der Appartements nicht ohne die Mitwirkung der Mieter durchführen. Aufgrund der Mietverträge sei sie verpflichtet, den jeweiligen Mietern das jeweilige Appartement zur Verfügung zu stellen. Selbst bei einer außerordentlichen Kündigung durch die Antragstellerin könne keine Räumung bis 1. September 2024 verlangt werden. Die Verfahrensdauer einer Räumungsklage betrage mindestens mehrere Monate. Die Anordnung in Ziff. 2 des Bescheids sei daher nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig. Daran ändere auch die Duldungsanordnung in Ziff. 4 nichts. Diese Anordnung sei schon zu unbestimmt. Damit sei auch die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 6 des Bescheids rechtswidrig, zumal auch diese zu unbestimmt sei. Es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Nutzung – sofern dies überhaupt notwendig sei – nicht nachträglich genehmigt werden könnte. Das Anwesen befinde sich nicht im Außenbereich. Der Erfolg des Eilantrags ergebe sich schon daraus, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge. Ihr fehle der Bezug zum konkreten Sachverhalt. Aus der Begründung sei auch nicht ersichtlich, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung getroffen habe. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das Interesse der Antragstellerin. Die sofortige Vollziehung des Bescheids würde einen massiven Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Antragstellerin darstellen. Dieser würden erhebliche Mieteinnahmen entgehen. Durch die sofortige Vollziehung würden vollendete Tatsachen geschaffen. Zudem habe die Antragstellerin in den letzten Jahren unter hohem finanziellen Aufwand die brandschutzrechtliche Situation am Anwesen verbessert. Außerdem sei dem Landratsamt der Sachverhalt spätestens seit Januar 2023 bekannt. Eine Nutzungsuntersagung werde erst mit Bescheid vom 1. August 2024 ausgesprochen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb mit der Nutzungsuntersagung derart lange zugewartet worden sei, dann jedoch eine sofortige Vollziehung unvermeidlich sein solle.
24
Mit Schriftsatz vom 22. August 2024 hat das Landratsamt für den Beklagten beantragt,
25
den Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzulehnen.
26
Zur Antragserwiderung wurde auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen. In der Antrags- und Klagebegründung seien keine neuen Ausführungen enthalten, die nicht bereits im Bescheid Berücksichtigung gefunden hätten. Die Ausführungen führten auch zu keiner Änderung oder Aufhebung der zwingend vor allem aus sicherheitsrechtlichen Brandschutzgründen erforderlichen Untersagung der Nutzung des Dachgeschosses. Die geltend gemachten zivilrechtlichen Gründe stünden der Anordnung und deren Vollzug nicht entgegen. Durch die Duldungsanordnung gegenüber den Mietern seien diese überwunden. Die Äußerung der Antragstellerin vom 24. Juni 2024 sei bei Bescheiderlass berücksichtigt worden. Die teilweise vorgenommenen, vereinzelten Verbesserungen oder Ertüchtigungen beim Brandschutz seien fachlich nicht ausreichend.
27
Mit Schriftsatz vom 26. August 2024 wurde weiter klage- und antragsbegründend ausgeführt, dass die Antragstellerin zahlreiche Maßnahmen in die Wege geleitet habe, um den Brandschutz stetig zu verbessern. Im Aktenvermerk des Landratsamts zur Anfahrts- und Anleiterprobe am 15. Mai 2024 sei dokumentiert, dass ein Anleitern am Gebäude möglich sei. Zudem habe die Antragstellerin fehlende Austritte an den Dachflächenfenstern ergänzt. Im Zimmer Nr. A sei das zweite, breitere Fenster durch ein als zweiter Rettungsweg zugelassenes Fluchtwegfenster (lichte Breite 60 cm) mit entsprechendem Ausstiegswinkel getauscht worden. Es sei ein zweiter Dachaustritt unter dem Fenster angebracht worden. Bei Zimmer Nr. B sei der Balkon ertüchtigt worden; das Blechdach sei bei jeder Witterung begehbar. Aufgrund der Breite des Dachs von über zehn Metern an dieser Stelle sei eine Absturzsicherung nicht notwendig. Bei Zimmer Nr. D sei die Größe des Kriechgangs des Fluchtwegfensters durch Verkleinerung der Rigipseinfassung auf 70 x 100 cm vergrößert worden. Vor dem Fenster sei eine Absperrung (Holzgitter) hergestellt worden. All diese Maßnahmen habe das Landratsamt im Bescheid nicht ausreichend gewürdigt und in seine Ermessenerwägungen einbezogen. Die Anbringung der Austritte sei eine entscheidende Maßnahme zur Verbesserung der Möglichkeit der Rettung von Personen gewesen. Es sei unverhältnismäßig, eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung auszusprechen, nachdem die Antragstellerin die Brandschutzmaßnahmen mit hohem finanziellem Aufwand entscheidend verbessert habe. Es sei unverständlich, wie das Landratsamt dazu komme, dass es sich beim Schlafbereich im Dachspitz des Zimmers Nr. A nicht mehr um eine Galerie, sondern ein Geschoss handle. Diese Behauptung werde in Abrede gestellt.
28
Mit Schriftsatz vom 27. August 2024 nahm das Landratsamt zum antragsbegründenden Schriftsatz vom 26. August 2024 dahingehend Stellung, dass, soweit tatsächlich einzelne Verbesserungen des zweiten Rettungswegs umgesetzt worden sein sollten, gravierende Mängel im Verlauf des zwingend notwendigen ersten Rettungswegs bestehen blieben, die selbst bei einem mängelfreiem zweiten Rettungsweg in Verbindung mit den Mängeln hinsichtlich Tragfähigkeit und/oder Raumabschluss von Wänden, Decken und Türen einzeln sowie erst recht in Kombination für eine konkrete, erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit ausreichend seien. Selbst bei fachmännische Umsetzung der von der Antragstellerin beschriebenen Maßnahmen, die nicht nachgewiesen sei, habe dies für die Gesamtbewertung im Ergebnis keine Auswirkung. Es sei weiterhin vom Vorliegen erheblicher Gefahren für Leben und Gesundheit auszugehen.
29
Die Kammer hat die Gerichtsakten der Verfahren mit den Az. Au 5 K 23.470, Au 5 K 23.1336, Au 5 K 23.1344, Au 5 K 23.1352 und Au 5 K 23.1353 sowie die in diesen Verfahren vorgelegten Behördenakten beigezogen. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten wird vollumgänglich verwiesen.
30
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
31
Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.
32
1. Der Antrag ist zulässig, soweit er sich gegen Ziff. 2 und 6 des Bescheids richtet. Hinsichtlich Ziff. 3, 4, 7 und 8 des Bescheids ist der Antrag hingegen unzulässig.
33
Die Klage der Antragstellerin gegen den sie belastenden, streitgegenständlichen Bescheid stellt im Hinblick auf Ziff. 2 und 6 des Bescheids eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO dar. Diese Klage entfaltet hinsichtlich der Anordnung der Nutzungsuntersagung gegenüber der Antragstellerin (Ziff. 2) gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung, da in Ziff. 5 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Insofern ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Soweit der Antrag sich gegen die in Ziff. 6 gegenüber der Antragstellerin verfügte Zwangsgeldandrohung richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) entfällt. Die Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog ist gegeben, da die Antragstellerin im Hinblick auf vorgenannten Ziffern inhaltliche Adressatin belastender Verwaltungsakte und mithin beschwert ist.
34
Die Unzulässigkeit des Antrags hinsichtlich Ziff. 3, 4, 7 und 8 des Bescheids ergibt sich aus der fehlenden Antragsbefugnis der Antragstellerin (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Hinsichtlich der in Ziff. 3 verfügten Nutzungsuntersagung, der in Ziff. 4 verfügten Duldungsanordnung sowie der in Ziff. 7 und 8 verfügten Zwangsgeldandrohungen ist die Antragstellerin nicht inhaltliche Adressatin der belastenden Verwaltungsakte. Diese Ziffern richten sich allesamt gegen die jeweiligen Mieter der einzelnen Zimmer/Nutzungseinheiten; diese sind durch die Verwaltungsakte beschwert und nicht die Antragstellerin.
35
2. Der im Hinblick auf Ziff. 2 und 6 des Bescheids zulässige Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet.
36
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 29.2.2024 – 15 CS 24.168 – juris Rn. 17 m.w.N.).
37
Dies vorausgeschickt, hat der Antrag keinen Erfolg.
38
a) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 2 des Bescheids verfügte Nutzungsuntersagung gegenüber der Antragstellerin ist unbegründet.
39
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig (nachfolgend unter aa)) und die Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das gegenläufige Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt (nachfolgend unter bb)).
40
aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziff. 5 des Bescheids ist formell rechtmäßig.
41
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst war, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Hierzu müssen grundsätzlich die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen. An dieses Begründungserfordernis sind jedoch inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (BayVGH, B.v. 29.2.2024 – 15 CS 24.168 – juris Rn. 14 m.w.N.).
42
Eine darüberhinausgehende Begründung des Sofortvollzugs ist allenfalls dann erforderlich, wenn die Behörde den illegalen Zustand mit Wissen und Wollen über einen längeren Zeitraum geduldet hat (BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – juris Rn. 21 m.w.N.).
43
Unter Anwendung dieser Grundsätze trägt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem formalen Begründungserfordernis ausreichend Rechnung. Das Landratsamt hat in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse liege, wenn dezidierte und im vorliegenden Fall festgestellte Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr von Leben und Gesundheit insbesondere durch erhebliche brandschutzrechtliche Mängel bestünden. Das Landratsamt hat weiter ausgeführt, dass sich nur mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine wirksame sofortige Gefahrenabwehr sicherstellen lasse und der Eintritt irreparabler Schäden an der Gesundheit oder sogar dem Leben von Personen durch die hier fehlenden bzw. mangelhaften Flucht- und Rettungswege im Brandfall verhindert werden könne. Des Weiteren hat das Landratsamt auch auf die durch die bisherigen Klageverfahren eingetretenen Verzögerungen und die aus Sicht des Landratsamts weiterhin im Raum stehenden, konkreten Sicherheitsrisiken abgestellt, die eine sofortige Umsetzung der Nutzungsuntersagung erforderlich machten. Weitere Verzögerungen könnten nicht mehr hingenommen werden. Diese im Bescheid angeführten Aspekte zeigen, dass sich das Landratsamt der Ausnahmesituation bewusst war und Gründe angeführt hat, die über das bloße Vollzugsinteresse hinausgehen. Es hat erkennbar auf den Einzelfall und die konkret vorliegenden, im Bescheid ausführlich dargestellten Gefährdungen abgestellt. Das Landratsamt hat den Zustand auch nicht mit Wissen und Wollen über einen längeren Zeitraum geduldet, sodass nicht aus diesem Grund eine umfangreichere Begründung zu fordern wäre. Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, dass dem Landratsamt der Sachverhalt spätestens seit Januar 2023 bekannt gewesen, eine Nutzungsuntersagung jedoch erst mit Bescheid vom 1. August 2024 ausgesprochen worden sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Landratsamt bereits mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 5. Januar 2023 die Nutzung zweier Zimmer/Nutzungseinheiten mit sofortiger Wirkung untersagt hat. Mit Bescheid vom 16. Februar 2023 wurde die Nutzung zweier weiterer Zimmer/Nutzungseinheiten untersagt. Beide Nutzungsuntersagungen wurden für sofort vollziehbar erklärt. Nur weil das Landratsamt aufgrund der damals bestehenden Anhaltspunkte seinerzeit von einer Nutzung der Räumlichkeit im Rahmen und für die Zwecke eines Beherbergungs- bzw. Wohnheimbetriebs und nicht zum – allgemeiner gehaltenen – Zwecke als Aufenthaltsräume ausgegangen ist, kann nicht von einer irgendwie gearteten, zwischenzeitlichen Duldung seitens des Landratsamts gesprochen werden. Vielmehr lässt sich den vorgelegten Behördenakten entnehmen, dass das Landratsamt ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der brandschutztechnischen und -rechtlichen Mängel im Anwesen der Antragstellerin sowie der Kenntnis, dass dort seit längerem eine dem Landratsamt nicht bekannte Nutzung ohne entsprechende Baugenehmigung ausgeübt werde, konsequent gegen die Nutzung des Dachgeschosses vorgegangen ist. Das Landratsamt hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass es sich mit der Nutzung abfindet oder gar einverstanden erklärt.
44
Ob die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zutreffend ist, ist an dieser Stelle nicht entscheidend. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert nur eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, sodass es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung des Sofortvollzugs nicht ankommt (BayVGH, B.v. 4.1.2023 – 1 CS 22.1971 – juris Rn. 14; B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – juris Rn. 21).
45
bb) Unter Anwendung der oben unter 2. geschilderten Grundsätze geht die vorzunehmende Interessensabwägung hinsichtlich der in Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Nutzungsuntersagung zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber ausreichenden summarischen Prüfung wird ihre Klage hiergegen voraussichtlich erfolglos bleiben, weil sich die Nutzungsuntersagung als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
46
(1) Die in Ziff. 2 verfügte Nutzungsuntersagung kann nach summarischer Prüfung auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden.
47
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 29.2.2024 – 15 CS 24.168 – juris Rn. 18 m.w.N.).
48
(a) Die Zimmer/Nutzungseinheiten im Dachgeschoss des Anwesens werden im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt.
49
Nach der Rechtsauffassung der Kammer erfolgt die streitgegenständliche Nutzung und Vermietung bzw. Überlassung an Dritte der Zimmer/Nutzungseinheiten Nrn. A bis E im Dachgeschoss zum Zwecke als Aufenthaltsräume formell illegal. Dass eine solche Nutzung stattfindet, ergibt sich aus den Erkenntnissen aus dem Augenscheinstermin sowie aus dem Vorbringen der Antragstellerin, welche angegeben hat, die Räumlichkeiten im Rahmen einer privaten Vermietung zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Mietverträge vorgelegt hat.
50
Nach der Rechtsauffassung der Kammer konnte die Antragstellerin bislang nicht ausreichend belegen, dass vorstehende Nutzung jemals bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Sie kann sich gegen die Nutzungsuntersagung nicht erfolgreich mit dem Argument zur Wehr setzen, dass sie sich auf Bestandsschutz berufen könne. Mit Schriftsatz vom 8. April 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470 hat die Antragstellerin vorgetragen, dass eine Baugenehmigung für die Nutzung des Dachgeschosses als Wohnraum nicht vorgelegt werden könne. Sie habe sich aktiv bemüht, eine entsprechende Genehmigung beizubringen. Nach der Mitteilung des Staatsarchivs ... seien Baugenehmigungsakten aus der Zeit vor 1944 nicht mehr existent. Nach Mitteilung des Amts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung ... vom 1. Februar 2024 sei bereits um das Jahr 1840 Gebäudebestand vorhanden gewesen. Seitdem habe sich die Art der Nutzung nicht wesentlich geändert. Die Räume im Dachgeschoss seien seit jeher als Wohnraum genutzt worden. Die Zulässigkeit der Wohnnutzung könne und müsse aus den im Schriftsatz vom 5. Dezember 2023 (wiederum im Verfahren Au 5 K 23.470) genannten Indizien hergeleitet werden. Im Schriftsatz vom 5. Dezember 2023 hat die Antragstellerin darauf abgestellt, dass sich aus den in der Behördenakte befindlichen Gaststättenerlaubnissen Anhaltspunkte für einen genehmigten Zustand ergäben. Außerdem seien in der Behördenakte Bestandspläne aus dem Jahr 1985 enthalten, die der vormalige Eigentümer des Anwesens, der Vater der Antragstellerin, habe anfertigen lassen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich demnach zahlreiche Fremdenzimmer im Anwesen befunden. Die vorliegenden Grundrisse entsprächen im Wesentlichen denen der Bestandspläne von 1985. Lediglich Bäder und Kleinküchen seien damals noch nicht in den Appartements gewesen. Nach alldem sei davon auszugehen, dass die Nutzung als Wohnraum zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden sei, weshalb das Anwesen entsprechenden Bestandsschutz genieße.
51
Diese Ansicht teilt die Kammer nach summarischer Prüfung nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und anderer Oberverwaltungsgerichte ist derjenige für das Vorliegen einer Baugenehmigung beweispflichtig, der sich darauf beruft, dass eine bestimmte bauliche Anlage in einer bestimmten Nutzung genehmigt ist (OVG Lüneburg, B.v. 16.5.2022 – 1 LA 102/21 – juris Rn. 7 m.w.N.). Das ist in diesem Fall die Antragstellerin. Beruft sich diese also als betroffene Eigentümerin gegenüber einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsmaßnahme als ihr zugutekommende Einwendung auf Bestandsschutz – etwa aufgrund einer ursprünglich erteilten, aber nicht auffindbaren, legalisierenden Baugenehmigung –, so trägt sie hierfür die materielle Beweislast und damit auch das Risiko der Nichterweislichkeit (BayVGH, B.v. 10.11.2021 – 15 ZB 21.1329 – juris Rn. 10; B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 29). Dies gilt auch trotz des Umstands, dass es sich bei dem Anwesen um eine langjährig bestehende und genutzte bauliche Anlage handelt (Sächsisches OVG, B.v. 18.4.2023 – 1 A 333/22 – juris Rn. 9; OVG Lüneburg, B.v. 16.5.2022 – 1 LA 102/21 – juris Rn. 9). Für eine Beweislastumkehr bei langjährig bestehenden und genutzten baulichen Anlagen sieht die Kammer keinen Raum. Zum einen entspricht es nicht der Lebenswirklichkeit, anzunehmen, dass eine vor langer Zeit errichtete und genutzte bauliche Anlage kein Schwarzbau ist. Gerade im Außenbereich gibt es eine Vielzahl baulicher Anlagen, die ohne Genehmigung errichtet wurden. Zum anderen würde eine Beweislastverteilung dazu führen, dass in der Praxis bei (nahezu) allen alten baulichen Anlagen, für die keine Bauakte vorliegt, vom Vorliegen einer Baugenehmigung auszugehen wäre. Denn eine Bauaufsichtsbehörde, die nicht über Akten verfügt, ist regelmäßig nicht in der Lage, das Nichtbestehen einer Genehmigung nachzuweisen. In einer Beweislastumkehr läge demzufolge eine der Lebenswirklichkeit nicht entsprechende und in der Sache nicht gerechtfertigte Begünstigung langjährig bestehender baulicher Anlagen (OVG Lüneburg, B.v. 16.5.2022 – 1 LA 102/21 – juris Rn. 8).
52
Vorliegend bestehen keine Zweifel daran, dass das Anwesen bereits seit dem 19. Jahrhundert vorhanden ist. Nach Auffassung der Kammer bestehen allerdings keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine genehmigte Wohnnutzung bzw. Nutzung als Aufenthaltsräume im Dachgeschoss. Es ist mitnichten so, dass sich aus der als Anlage K 1 zum Schriftsatz vom 8. April 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470 vorgelegten E-Mail des Staatsarchivs ... ergibt, dass die Antragstellerin eine Baugenehmigung oder dergleichen nur deshalb nicht vorlegen kann, weil die Baugenehmigungsakte betreffend das Anwesen infolge von Kriegsereignissen nachweislich verloren gegangen ist (Bl. 83 d. Gerichtsakte Au 5 K 23.470). Aus der E-Mail ergibt sich lediglich, dass eine solche – hätte sie es überhaupt gegeben – nicht (mehr) im Staatsarchiv zu finden wäre. Selbst wenn es jemals eine Baugenehmigungsakte gegeben hätte, könnte man daraus nicht schließen, dass im Dachgeschoss eine Nutzung zu Aufenthaltsräumen genehmigt worden ist. Über den Inhalt einer nicht vorliegenden Baugenehmigung könnte nur gemutmaßt werden. Zu den im Schriftsatz vom 5. Dezember 2023 genannten Indizien ist anzumerken, dass sich aus der bloßen Tatsache, dass in den 80er und 90er Jahren alle Räume an die Regierung von ... vermietet gewesen seien, keine Aussage dazu treffen lässt, ob es sich dabei um eine legale Nutzung gehandelt hat. Auch aus dem Abschluss zivilrechtlicher Mietverträge durch die Antragstellerin kann kein Schluss auf die bauaufsichtliche Genehmigungslage gezogen werden. Abgesehen davon, dass sich eine baurechtliche Genehmigung ebenfalls nicht aus der von der Antragstellerin angesprochenen gaststättenrechtlichen Erlaubnis ableiten lässt, findet das Dachgeschoss im „Raumverzeichnis“ der Gaststättenerlaubnis (Bl. 400 ff. d. Behördenakte ... ) keinerlei Erwähnung, sodass die Heranziehung der Gaststättenerlaubnis als Anhaltspunkt für einen Bestandsschutz von vornherein unbehelflich ist. Die Bestandspläne aus dem Jahr 1985 sind nicht mit einem Genehmigungsstempel der Baugenehmigungsbehörde versehen, sodass diesen keine Legalisierungswirkung zukommen kann. Sie entfalten rechtlich keine andere Wirkung, als – wie der Name schon sagt – die bloße Darstellung dessen, was seinerzeit an Räumlichkeiten und Nutzungen im Anwesen (ggf.) als Bestand vorzufinden war. In der vorliegenden Behördenakte (rote Mappe) ist eine Nutzflächenberechnung des Planungsbüros, das die Bestandspläne aus dem Jahr 1985 angefertigt hat, enthalten. Hierin sind unter „a) Nutzflächenberechnung für das Dachgeschoss der Gaststätte „... “ folgende Räume aufgelistet:
53
- Wasch- und Trockenraum der Gaststätte (bzw. des Pächters)
54
- Nordostgiebelzimmer der Gaststätte (Kammer 2)
55
- Südl. Ostgiebelzimmer der Gaststätte (Kammer 1)
56
- Abstellraum des Eigentümers S. A. (Südgiebel Abstellraum)
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Daraus folgt, dass sich selbst aus den aus dem Jahr 1985 stammenden Unterlagen eine Wohnnutzung bzw. Nutzung als Aufenthaltsräume im Dachgeschoss nicht ergibt. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin selbst vorgebracht hat, dass im Anwesen bauliche Veränderungen vorgenommen worden seien, etwa durch den Einbau von Küchen und Bädern. Die Bewohner seien damals über die Gemeinschaftsküche verpflegt worden und hätten nur über Gemeinschaftsbäder und Etagentoiletten verfügt. Diese baulichen Änderungen sind etwa bei einem Vergleich des Bestandsplans aus dem Jahr 1985 und dem von der Antragstellerin vorgelegten Bestandsplan aus November 2023 (Bl. 482 d. Behördenakte ... ) ersichtlich. Insofern spricht einiges dafür, dass jedenfalls die aktuell stattfindende Nutzung in dieser Form aufgrund der baulichen Veränderungen und einer zu vermutenden Nutzungsänderung – zu einer Zeit deutlich nach 1943 und in der bereits eine Genehmigungspflicht bestand – von einem Beherbergungs- oder Wohnheimbetrieb hin zu einer Wohnnutzung nicht mehr von einem ggf. früher bestehenden Bestandsschutz abgedeckt ist. Zu den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ist weiter anzumerken, dass diese widersprüchliche Aussagen zur Nutzung im Dachgeschoss enthalten. So heißt es in der Bestätigung der Steuerberaterin vom 9. August 2023 (Bl. 334 d. Behördenakte ... ), dass die Räume im Dachgeschoss und im 1. OG seit Jahrzehnten im Rahmen einer privaten, langfristigen Wohnungsvermietung in der Einkommenssteuererklärung geführt würden. In der von der Antragstellerin als Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 8. April 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470 vorgelegten Stellungnahme des Dr.-Ing. ... . ... . vom 3. Februar 2024 (Bl. 92 f. der Gerichtsakte Au 5 K 23.470) heißt es hingegen, dass das Anwesen als „Beherbergungs- und Gastwirtschaftsbetrieb geführt“ werde, dass das „Dachgeschoss für vier weitere Gästezimmer ausgebaut werden“ solle und das Gebäude „bisher bereits in EG und 1. OG gastgewerblich genutzt“ werde. Von einer privaten Vermietung der Räumlichkeiten im Anwesen ist hier keine Rede. Hinsichtlich der Nutzung des 1. OG hat die Antragstellerin mithin einerseits vorgebracht, dass dieses seit Jahrzehnten privat vermietet werde, andererseits aber eine von ihr in Auftrag gegebene Stellungnahme vorgelegt, wonach das 1. OG gastgewerblich genutzt werde. Hinsichtlich der Nutzung des Dachgeschosses hat sie einerseits vorgebracht, dass dieses seit Jahrzehnten privat vermietet werde, anderseits wird in der Stellungnahme vom 3. Februar 2024 zu einem beabsichtigten „Ausbau“ des Dachgeschosses zur Erweiterung der Betriebsfläche ausgeführt. Nach alldem ergibt sich nicht einmal aus den von der Antragstellerin vorgebrachten „Indizien“ in sich stimmig und widerspruchsfrei eine langjährige – geschweige denn genehmigte – Nutzung der Räumlichkeiten im Dachgeschoss als Aufenthaltsräume. Die Antragstellerin trägt dafür, dass für die bisher ausgeübte Nutzung eine Baugenehmigung erteilt worden ist bzw., dass für diese Bestandsschutz besteht, jedoch die materielle Beweislast und damit das Risiko der Nichterweislichkeit. Mithin ist nach summarischer Prüfung von einer Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften auszugehen. Soweit die Antragstellerin vorgetragen hat, dass das Landratsamt trotz der langjährigen Nutzung bislang nicht bauaufsichtlich eingeschritten sei, wird darauf hingewiesen, dass allein durch ein Nichteinschreiten trotz behördlicher Kenntnis der Nutzung, selbst wenn diese über längere Zeit erfolgt ist, eine illegale bauliche Anlage nicht legal werden bzw. ein bestehender Widerspruch einer Nutzung zum öffentlichen Recht nicht aufgelöst werden kann (BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 33).
58
(b) Die angegriffene Nutzungsuntersagung ist voraussichtlich auch ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig.
59
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vor, so ist der Bauaufsichtsbehörde auf Rechtsfolgenseite Ermessen eingeräumt, das sie gemäß Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und in den gesetzlichen Grenzen des Ermessen auszuüben hat. Die gerichtliche Kontrolle behördlicher Ermessensausübung wird indes durch § 114 Satz 1 VwGO dahingehend beschränkt, dass das Gericht nur die Rechtmäßigkeit, nicht aber die Zweckmäßigkeit der behördlichen Ermessensentscheidung zu prüfen hat.
60
Im Rahmen bauaufsichtlicher Eingriffsbefugnisse – zu denen auch die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO zählt – ist dabei zu beachten, dass diese der Herstellung rechtmäßiger Zustände dienen und die Bauaufsichtsbehörden entsprechend der Aufgabenzuweisung in Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO möglichst effektiv dafür zu sorgen haben, dass bei der Nutzung von Anlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet (BayVGH, B.v. 18.8.2023 – 15 CS 23.1288 – juris Rn. 12). Deshalb muss bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO im Regelfall nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (BayVGH, B.v. 26.4.2023 – 1 ZB 22.1869 – juris Rn. 14). Dies vorausgeschickt, sind die im Bescheid angestellten Ermessenserwägungen rechtlich nicht zu beanstanden.
61
Die Nutzungsuntersagung ist voraussichtlich auch verhältnismäßig. Wie eingangs bereits erwähnt, ist für den Ausspruch einer Nutzungsuntersagung keine materielle Illegalität notwendig. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 29.2.2024 – 15 CS 24.168 – juris Rn. 18 m.w.N.). Von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ist nur dann auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung beurteilt werden kann, ob die Nutzung zulässig ist. Die baurechtliche Prüfung in einem Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich nicht vorwegzunehmen (BayVGH, B.v. 4.1.2023 – 1 CS 22.1971 – juris Rn. 9). Nach der Rechtsauffassung der Kammer ist für die streitgegenständliche Nutzung des Dachgeschosses nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit auszugehen. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz eingehalten werden (siehe hierzu vertiefend unten unter (2)). Abgesehen davon ist die streitgegenständliche Nutzung nach der Rechtsauffassung der Kammer (auch) bauplanungsrechtlich unzulässig, mithin materiell illegal. Nach den Erkenntnissen aus dem Augenscheinstermin und den einschlägigen Luftbildaufnahmen (Google Earth und BayernAtlas) geht die Kammer von einer Lage des Anwesens im Außenbereich aus, sodass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB richtet. Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass auf dem Nachbargrundstück Wohnhäuser vorhanden sind. Die weitläufig von Wald- und Landwirtschaftsflächen umgebene Bebauung auf Fl.Nrn., ... und ... stellt jedoch keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil dar. Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BayVGH, U.v. 3.7.2023 – 2 B 22.1722 – juris Rn. 13). Dies ist vorliegend im Umgriff des Anwesens nicht der Fall. Der Bebauungskomplex ist nach seinem Gewicht (nur) als Splittersiedlung anzusehen. Diesbezüglich wird lediglich der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin bislang selbst von einer Lage im Außenbereich ausgegangen ist, bspw. in der als Anlage K 5 zum Schriftsatz vom 8. April 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470 vorgelegten Stellungnahme des Dr.-Ing. ... . ... . vom 3. Februar 2024 (Bl. 92 f. der Gerichtsakte im Verfahren Au 5 K 23.470). Da kein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben vorliegt, kann es als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall (nur) zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist. Die Kammer teilt nach summarischer Prüfung die Rechtsauffassung des Landratsamts, dass vorliegend eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange in der Form eines Widerspruchs gegen die Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der im Bereich des Anwesens Flächen für Landwirtschaft darstellt, sowie der Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BauGB) vorliegt. Diesbezüglich folgt die Kammer den zutreffenden Ausführungen im Bescheid, auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird. Für eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB besteht vorliegend kein Raum. Wegen der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit geht die Kammer im Übrigen davon aus, dass die streitgegenständliche Nutzung seit ihrem Bestehen nicht in irgendeinem – namhaften – Zeitraum dem maßgebenden materiellen Recht entsprochen hat, weshalb ein (passiver) Bestandsschutz – selbst wenn im früheren Zeitraum der Nutzung eine förmliche Genehmigung nicht erforderlich gewesen sein sollte – ausscheiden muss.
62
Die Nutzungsuntersagung ist zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zweckdienlich und damit geeignet. Die Maßnahme ist erforderlich, weil dem Landratsamt kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht. Abgesehen davon, dass eine nachträgliche Genehmigung der streitgegenständlichen Nutzung voraussichtlich nicht in Betracht kommt, ist v.a. auch angesichts der bestehenden, erheblichen Brandschutzmängel (siehe hierzu nachfolgend unter (2) (a)) nicht erkennbar, dass die Gefährdung für die sich in den Zimmern/Nutzungseinheiten aufhaltenden Personen bzw. etwaige Rettungs- und Einsatzkräfte bei einem Brandfall auf andere Weise beseitigt werden könnte. Dieser Gefährdung kann nach der Auffassung der Kammer nur mit einer umgehenden Aufgabe der Nutzung begegnet werden. Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an einer Weiternutzungsmöglichkeit der Räume müssen hinter dem weit überwiegenden öffentlichen Interesse an der Einhaltung brandschutzrechtlicher Vorschriften sowie dem Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit zurücktreten.
63
Die Kammer verkennt nicht, dass es sich hier – gegenüber den Mietern – letztlich um die Untersagung der Nutzung von Wohnraum handelt. Durch die Nutzung der Wohnung werden elementare Lebensbedürfnisse der Bewohner befriedigt. Die Wohnung ist eine wichtige Grundlage für die Sicherung der persönlichen Freiheit und die Entfaltung der Persönlichkeit der Bewohner. Eine erzwungene Aufgabe der Wohnung hat regelmäßig auch dann weitreichende Folgen für die persönliche Lebensführung, wenn die Wohnung nur vorübergehend verlassen werden muss. Wegen dieser Bedeutung wird die Untersagung der Nutzung von Wohnraum, der für die Bewohner den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bildet, ohne vorangegangene vergebliche Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, in der Regel nicht schon dann verhältnismäßig sein, wenn die Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist, sondern nur dann, wenn sie materiell rechtswidrig ist (BayVGH, U.v. 5.12.2005 -1 B 03.2608 – juris Rn. 24). Nach den vorstehenden Ausführungen ist die streitgegenständliche Nutzung schon aufgrund der Außenbereichslage materiell rechtswidrig. Insofern kam die von der Antragstellerin geforderte Verweisung auf die Stellung eines Bauantrags (Art. 76 Satz 3 BayBO) hier als milderes, gleich effektives Mittel von vornherein nicht in Betracht. Auch wenn durch die Nutzung der Wohnung elementare Bedürfnisse der Bewohner befriedigt werden, ist der Schutz der überragend wichtigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG)) hier als höherrangig zu bewerten.
64
Auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin getätigten Verbesserungen im Bereich des Brandschutzes erweist sich die Nutzungsuntersagung nicht als unverhältnismäßig. Abgesehen davon, dass nach summarischer Prüfung nach wie vor erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit bestehen (siehe hierzu nachfolgend unter (2) (a)), konnte damit die Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht beseitigt werden. Mithin ist die Nutzungsuntersagung trotz der getätigten finanziellen Aufwendungen der Antragstellerin zur Herstellung rechtmäßiger Zustände weiterhin erforderlich und die finanziellen Interessen der Antragstellerin nachrangig zu dem mit der Nutzungsuntersagung verfolgten öffentlichen Interesse.
65
Nach der Rechtsauffassung der Kammer ist auch die der Antragstellerin gesetzte Frist zur Untersagung der Nutzung nicht unverhältnismäßig. Insofern schließt sich die Kammer den zutreffenden Ausführungen im Bescheid (dort S. 23 unter Ziff. 5) an. Insbesondere war der Antragstellerin bereits seit spätestens Januar 2023 bekannt, dass das Landratsamt die Untersagung der Nutzung beabsichtigt. Nachdem zunächst – aufgrund entsprechender Anhaltspunkte – die Nutzung der Räumlichkeiten im Rahmen und für die Zwecke eines Beherbergungs- bzw. Wohnheimbetriebs untersagt wurde, wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Mai 2024 dazu aufgefordert, die Nutzung der Zimmer/Nutzungseinheiten im Dachgeschoss – diesmal zum Zwecke als Aufenthaltsräume – freiwillig aufzugeben. Sie hatte seit der Anhörung bis zum 1. September 2024 folglich nochmals drei Monate Zeit, um entsprechende Dispositionen zu treffen. Der Bescheid vom 1. August 2024 wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin seitens des Gerichts u.a. im Verfahren Au 5 K 23.470 nachweislich am 7. August 2024 übersandt, sodass die Antragstellerin seit Kenntnis vom Inhalt des Bescheids bis zum 1. September 2024 wiederum drei Wochen Zeit hatte, um die streitgegenständliche Nutzung aufzugeben. Im Hinblick auf den von der Antragstellerin vorgebrachten Einwand, dass ihr die Aufgabe der Nutzung des Dachgeschosses ab 1. September 2024 unmöglich sei, weil sie aufgrund der zivilrechtlichen Mietverträge die Mieter nicht dazu zwingen könne, die Appartements zu räumen, wird darauf hingewiesen, dass die Frage von notwendigen Duldungsanordnungen nicht die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung betrifft, sondern allein die Frage ihrer Durchsetzbarkeit im Wege des Verwaltungszwangs (BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 – juris Rn. 14; siehe nachfolgend unter b)). Insofern ist auch nicht ersichtlich, dass die Nutzungsuntersagung gemäß Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG wegen tatsächlicher Unmöglichkeit nichtig sein könnte, zumal es für eine tatsächliche Unmöglichkeit darauf ankommt, dass niemand den Verwaltungsakt ausführen kann (Schemmer in BeckOK VwVfG, Stand: 1.7.2024, § 44 Rn. 51).
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(c) Das Landratsamt hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Antragstellerin als Störerin herangezogen.
67
Mangels spezialgesetzlicher Regelungen in der Bayerischen Bauordnung ist für die Störerauswahl auf die allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere auf Art. 9 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG), zurückzugreifen. Art. 9 LStVG unterscheidet zwischen dem Handlungsstörer, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG, und dem Zustandsstörer, Art. 9 Abs. 2 LStVG. Handlungsstörer ist derjenige, dessen Verhalten die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache oder Immobilie, deren Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist. Die Antragstellerin ist vorliegend Eigentümerin des Anwesens und damit Zustandsstörerin.
68
Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Diese Entscheidung ist durch das Gericht nur auf Ermessensfehler überprüfbar, Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO. Die Störerauswahl hat sich in erster Linie daran zu orientieren, wie der baurechtswidrige Zustand möglichst effektiv abzuwehren ist (BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 – juris Rn. 12). Anlass des Verwaltungsverfahrens waren vom Landratsamt v.a. festgestellte brandschutztechnische und -rechtliche Mängel sowie die Tatsache, dass das Landratsamt von einer fehlenden Legalität der Nutzung ausgegangen ist. Für die Herstellung baurechtmäßiger Zustände, wie Brandschutzmaßnahmen, ist in der Regel nur der Grundstückeigentümer verantwortlich, da der Mieter einer Wohnung oder der Nutzer einer Gemeinschaftsunterkunft, selbst wenn er zu einer baulichen Veränderung der genutzten Räume bereit wäre, im Verhältnis zu seinem Vermieter dazu regelmäßig nicht berechtigt ist (BayVGH, B.v. 10.1.2024 – 15 CS 23.1929 – juris Rn. 15 zu Art. 54 Abs. 4 BayBO). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr daher sachgerecht, dass die Antragstellerin als Eigentümerin des Anwesens als Adressatin der Nutzungsuntersagung herangezogen wurde.
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(d) Das Landratsamt hat das bauaufsichtliche Einschreiten nicht verwirkt.
70
Die Befugnis, die Nutzung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzten Anlagen zu untersagen, kann nicht verwirkt werden. Das folgt schon daraus, dass nur Rechte, nicht aber Pflichten, hier die behördliche Pflicht, für rechtmäßige Zustände zu sorgen, verwirkt werden können (BayVGH, B.v. 15.9.2006 – 15 ZB 06.2065 – juris Rn. 5 m.w.N.). Den vorgelegten Behördenakten lässt sich entnehmen, dass das Landratsamt erst aufgrund des Feuerwehreinsatzes am 10. Dezember 2022 festgestellt hat, dass bereits seit längerem eine Nutzung ohne entsprechende Baugenehmigung ausgeübt werde und dass erhebliche brandschutztechnische und - rechtliche Mängel vorlägen (vgl. etwa Bl. 43 d. Behördenakte 1-4223-TB-420). Von diesem Zeitpunkt an ist das Landratsamt konsequent gegen die Nutzung vorgegangen. Vor diesem Hintergrund ist schon nicht ersichtlich, dass das Landratsamt einen irgendwie gearteten Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen haben könnte, dass die baurechtswidrigen Verhältnisse geduldet würden.
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(e) Folglich ist die auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützte Nutzungsuntersagung in Ziff. 2 des Bescheids voraussichtlich rechtmäßig.
72
(2) Nach der Rechtsauffassung der Kammer kann die Nutzungsuntersagung nach summarischer Prüfung darüber hinaus – selbständig tragend – auch auf Art. 54 Abs. 4 BayBO gestützt werden.
73
Die Bauaufsichtsbehörden können gemäß Art. 54 Abs. 4 BayBO auch bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist. Eine derartige Anforderung kann auch eine Nutzungsuntersagung sein (BayVGH, B.v. 10.1.2024 – 15 CS 23.1929 – juris Rn. 11). Eine Anordnung, die nach dieser Vorschrift gegen eine in ihrem Bestand geschützte Anlage gerichtet werden kann, darf jedenfalls in entsprechender Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO auch und erst recht gegen eine nicht in ihrem Bestand geschützte Anlage ergehen (BayVGH, B.v. 25.3.2019 – 15 C 18.2324 – juris Rn. 28). Letztlich kann es für die Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO also offen bleiben, ob bzw. in welchem Umfang die Nutzung des Dachgeschosses des Anwesens formell und/oder materiell bestandsgeschützt ist.
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(a) Nach summarischer Prüfung geht die Kammer vom Vorliegen einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit i.S.d. Art. 54 Abs. 4 BayBO aus.
75
Bei der nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilenden Frage, ob die Eingriffsschwelle des Art. 54 Abs. 4 BayBO erreicht ist, ist eine konkrete Gefahr in dem Sinne zu fordern, dass bei einer Betrachtungsweise ex-ante bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden droht. Dabei ist der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz anzuwenden, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Angesichts des hohen Stellenwerts der Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind daher im Anwendungsbereich des Art. 54 Abs. 4 BayBO an die Feststellungen der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sowie an den Maßstab der Erheblichkeit der Gefahr keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt grundsätzlich, wenn ein Schadenseintritt zu Lasten der durch Art. 2 Abs. 2 GG unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung stehenden Schutzgüter aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht ganz unwahrscheinlich ist (zum Ganzen BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 15 CS 17.1055 – juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 18.9.2018 – 15 CS 18.1563 – juris Rn. 20 m.w.N.).
76
Eine erhebliche Gefahr i.S.d. Art. 54 Abs. 4 BayBO entsteht zwar nicht bereits allein dadurch, dass sich gesetzliche Vorschriften im Laufe der Zeit ändern und eine bestehende Anlage in der Folge nicht mehr in allen Details mit neueren, etwa bauordnungsrechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Besonderheiten gelten jedoch bei der Gefahr- und Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Zusammenhang mit brandschutzrechtlichen Anforderungen, weil mit der Entstehung eines Brands praktisch jederzeit gerechnet werden und ein Gebäudebrand regelmäßig mit erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Personen einhergeht. Personen, die sich in dem Gebäude aufhalten, müssen sich darauf verlassen können, dass die vorgesehenen Rettungswege im Brandfall hinreichend gefahrfrei und sicher benutzbar sind. Mängel innerhalb der Rettungswege indizieren daher eine erhebliche Gefahr i.S.d. Art. 54 Abs. 4 BayBO (BayVGH, B.v. 11.10.2017 – 15 CS 17.1055 – juris Rn. 23 m.w.N.). Von einer erheblichen Gefahr in Bezug auf den Brandschutz ist u.a. dann auszugehen, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 BayBO für Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen regelmäßig geforderten zwei unabhängigen Rettungswege überhaupt nicht vorhanden sind oder wenn nur ein Rettungsweg vorhanden und mit Mängeln behaftet ist, die im Brandfall mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zur vorzeitigen Unbenutzbarkeit führen (BayVGH, B.v. 10.1.2024 – 15 CS 23.1929 – juris Rn. 12).
77
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend nach der Rechtsauffassung der Kammer davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 4 BayBO vorliegen. Unstreitig werden die Räume im Dachgeschoss zu Aufenthaltszwecken genutzt. Nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayBO muss jede selbständige Nutzungseinheit mit mindestens einem Aufenthaltsraum in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie haben. Für jede Nutzungseinheit, die nicht zu ebener Erde liegt, muss nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBO der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayBO kann der zweite Rettungsweg eine weitere notwendige Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein. Nach den Erkenntnissen aus der Behördenakte und dem Augenscheinstermin sowie nach dem Vortrag der Beteiligten in den gerichtlichen Verfahren ist davon auszugehen, dass die Rettungswege hier mit Mängeln behaftet sind. Darüber hinaus ist vom Vorliegen weiterer Brandschutzmängel auszugehen, die einen brandbeschleunigenden Effekt haben und zu einem schlagartigen Bauteilversagen führen können. Das Landratsamt hat ausführlich, widerspruchsfrei und für die Kammer nachvollziehbar zu den erheblichen brandschutztechnischen und -rechtlichen Mängeln Stellung genommen, insbesondere im Rahmen des Augenscheinstermin (Bl. 124 ff. d. Gerichtsakte Au 5 K 23.470), in der Stellungnahme vom 7. Mai 2024 (Bl. 148 ff. d. Gerichtsakte Au 5 K 23.470), im streitgegenständlichen Bescheid sowie in der Stellungnahme vom 27. August 2024. Die Antragstellerin vermochte die schlüssigen Darlegungen des Landratsamts zum Vorliegen einer erheblichen Gefahr durch ihr Vorbringen nicht zu entkräften. Hierzu im Einzelnen:
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Im Augenscheinstermin hat sich gezeigt und dies ist auch auf den Fotos dokumentiert, dass die Zimmer/Nutzungseinheiten im Dachgeschoss jeweils über eine interne Treppe erschlossen sind, die die notwendige Treppe im Sinne eines ersten Rettungswegs darstellt (vgl. Fotos 6 und 9 d. Augenscheinstermins). Weiter konnte im Augenscheinstermin festgestellt werden, dass im Treppenraum verwendete Baustoffe brennbar sind (vgl bspw. Foto 48 d. Augenscheinstermins). Konkret geht es um den Bodenbelag, die Treppe selbst, die Decken sowie Einbauten im Treppenraum. Nach den schlüssigen Ausführungen des fachkundigen Sachbearbeiters des Landratsamts und allgemeinen Erfahrungssätzen begünstigen diese Baustoffe eine Brandausbreitung innerhalb des ersten Rettungswegs. Es hat sich weiter gezeigt, dass innerhalb der Flure und Treppenräume keine baulichen Abtrennungen vorhanden sind, die eine Brandausbreitung behindern könnten (vgl. bspw. Fotos 21, 22 und 37 d. Augenscheinstermins). Im Augenscheinstermin waren – so die Erläuterungen des fachkundigen Sachbearbeiters des Landratsamts – unqualifizierte obere Abschlüsse von Öffnungen und unqualifizierte Wandausbildungen vorzufinden. Die Öffnungen zur Rauchableitung sind – was die Berichterstatterin selbst getestet hat – aufgrund der Schmalheit des Zugangs und einer fehlenden Absturzsicherung nicht verkehrssicher erreichbar und somit im Brandfall durch die Feuerwehr nicht nutzbar (vgl. Fotos 51 und 53 d. Augenscheinstermins). Die Türen zu den Zimmern/Nutzungseinheiten im Dachgeschoss weisen nach den Feststellungen des fachkundigen Sachbearbeiters des Landratsamts keinen Feuerwiderstand auf und sind nicht dichtschließend, weshalb es im Brandfall frühzeitig zu einem Eindringen von Rauch und Feuer in die jeweiligen Zimmer/Nutzungseinheiten kommen kann (vgl. Fotos 7, 8, 10, 54 und 55 d. Augenscheinstermins). Da sich im Brandfall der Rauch und die Hitze im obersten Bereich anstauen, sei hiervon v.a. der Bereich der beiden Treppen zum Dachgeschoss betroffen. Seitens des Landratsamts wurden weitere Mängel wie Deckenöffnungen in den Fehlböden oder Öffnungen von den Treppenräumen in den Dachraum festgestellt, die im Rahmen des Augenscheinstermins durch die Berichterstatterin auf den Fotos festgehalten wurden (vgl. bspw. Foto 49 d. Augenscheinstermins). Nach alldem ist durch die baulichen Gegebenheiten mit einer zügigen Brand- und Rauchausbreitung zu rechnen, was aufgrund der fehlenden baulichen Abtrennungen dazu führen kann, dass der erste Rettungsweg über notwendige Treppen für alle Zimmer im Dachgeschoss nicht mehr nutzbar ist. Mithin steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der erste Rettungsweg über die jeweils notwendige Treppe hier nicht den Brandschutzanforderungen entspricht. Im Übrigen wird auch im von der Antragstellerin vorgelegten Brandschutzkonzept vom 28. März 2023 ausgeführt, dass bei den Holzbalkendecken ein Feuerwiderstand augenscheinlich nicht angenommen werden könne (Ziff. 2.2), dass hinsichtlich der Wände keine Unterlagen zum Feuerwiderstand vorlägen und dass eine Abtrennung des notwendigen Treppenraums nicht gegeben sei (Ziff. 2.3), dass nur die Treppe vom EG zum OG im Westen massiv sei und die restlichen Treppen, bei denen kein Feuerwiderstand nachgewiesen sei, aus Holz seien (Ziff. 2.4), und dass keine qualifizierten Abtrennungen in brandschutztechnisch getrennte Abschnitte nachgewiesen seien (Ziff. 2.5). Insofern werden die Feststellungen des Landratsamts zu den Mängeln innerhalb des ersten Rettungswegs durch das Brandschutzkonzept eher gestützt. Dass die Antragstellerin signifikante Verbesserungen betreffend den ersten Rettungsweg vorgenommen hat, hat sie selbst nicht vorgetragen. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes betreffen im Wesentlichen den zweiten Rettungsweg, konkret die Frage einer (verkehrssicher) mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheiten.
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Das Landratsamt hat ferner mehrfach und eingehend zu den darüber hinaus bestehenden Mängeln innerhalb des zweiten Rettungswegs vorgetragen. Die Kammer verkennt nicht, dass die Antragstellerin seit dem Beginn des Verwaltungsverfahrens im Dezember 2022 unter entsprechendem finanziellen Aufwand fortlaufend Maßnahmen in die Wege geleitet hat, um den Brandschutz zu verbessern. Gleichwohl geht die Kammer, die sich diesbezüglich den überzeugenden, von der Antragstellerin nicht substantiiert widerlegten, Ausführungen des Landratsamts anschließt, davon aus, dass trotz der von der Antragstellerin vorgenommenen Verbesserungen nicht sichergestellt ist, dass im Brandfall, mit dem jederzeit zu rechnen ist, der zweite Rettungsweg jedes Zimmers/jeder Nutzungseinheit – sofern überhaupt vorhanden – hinreichend gefahrfrei und sicher benutzbar ist bzw. dass die aufhältigen Personen ausreichend lange sicher bis zu ihrer Rettung warten können. Im Hinblick auf Zimmer/Nutzungseinheit Nr. A wurde im Bescheid ausgeführt, dass die lichte Breite des Dachflächenfensters nicht ausreichend sei. Die weiteren Fenster seien zwar breiter, müssten als zweiter Rettungsweg aber aufgrund der zu geringen lichten Höhe ausscheiden. Zudem sei ein erforderlicher Rettungsweg im Dachspitz, der ein eigenes Geschoss darstelle, nicht vorhanden. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 26. August 2024 vorgetragen, dass das zweite, breitere Fenster durch ein als zweiter Rettungsweg zugelassenes Fluchtwegfenster mit entsprechendem Ausstiegswinkel getauscht worden sei und dass ein zweiter Dachaustritt unter dem Fenster angebracht worden sei. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin hierzu keinerlei Nachweise erbracht hat, hat das Landratsamt bereits im Bescheid ausgeführt, dass eine Aufstellfläche für die Drehleiter nicht ausgewiesen worden sei und deren Freihaltung nicht gesichert worden sei. Zudem sei eine Anleiterung mehrerer Zimmer über die Drehleiter zeitaufwändig. Nach dem vom Landratsamt mit Schriftsatz vom 27. August 2024 vorgelegten Foto vom Dachspitz des Zimmers/der Nutzungseinheit Nr. A teilt die Kammer die Auffassung des Landratsamts, dass viel dafür spricht, dass es sich um ein „Geschoss“ mit Aufenthaltsraum i.S.d. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 BayBO handelt, mit der Folge, dass auch der Dachspitz über zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie verfügen müsste. Nach Art. 2 Abs. 7 Satz 1 BayBO sind Geschosse oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen. Nach Art. 2 Abs. 7 Satz 2 BayBO sind Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, keine Geschosse. Vorliegend handelt es sich zwar um den Raum zwischen der obersten Decke und der Bedachung. Dass hier aber ein Aufenthaltsraum möglich ist, zeigt sich anhand der Tatsache, dass der Dachspitz augenscheinlich als Schlafraum genutzt wird. Ein solcher stellt einen Aufenthaltsraum nach Art. 2 Abs. 5 BayBO dar. Mithin spricht viel dafür, dass hinsichtlich des Dachspitzes die erforderlichen zwei voneinander unabhängigen Rettungswege nicht vorhanden sind. Im Hinblick auf Zimmer/Nutzungseinheit Nr. B hat sich im Augenscheinstermin gezeigt, dass vom Balkon über eine Notleiter das aus glattem Blech bestehende Flachdach des erdgeschossigen Anbaus erreicht werden kann, das wiederum über eine Notleiter verlassen werden kann (vgl. Fotos 43 und 44 d. Augenscheinstermins). Der Balkon wies im Augenscheinstermin morsche Stellen auf (vgl. Foto 46 d. Augenscheinstermins). Nach den Erkenntnissen aus dem Augenschein teilt die Kammer die Auffassung des Landratsamts, dass diese „Konstruktion“ keinen mängelfreien zweiten Rettungsweg darstellen kann, da sie nicht hinreichend gefahrfrei und sicher benutzbar ist. Hierzu hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 26. August 2024 zwar vorgebracht, dass der Balkon zwischenzeitlich ertüchtigt worden und das Blechdach bei jeder Witterung begehbar sei. Nachweise zur Ertüchtigung des Balkons wurden nicht vorgelegt und im Hinblick auf die nicht gefahrfreie Begehbarkeit des Blechdachs bei schlechter Witterung, die sich schon denklogisch aus der Beschaffenheit des Dachs ergibt, scheinen bislang keine Verbesserungen vorgenommen worden zu sein, sodass nach wie vor von einer Mangelhaftigkeit dieses Rettungswegs auszugehen ist. Zu den Zimmern/Nutzungseinheiten Nrn. C bis E wurde im Bescheid ausgeführt, dass diese zur Nordseite über Dachflächenfenster verfügten, die grundsätzlich mittels Hubrettungsgerät der Feuerwehr erreichbar seien. Eine Anleiterung mehrerer Zimmer über das Hubrettungsgerät sei jedoch zeitaufwändig. Dieses sei im Gegensatz zu tragbaren Leitern nicht mehrfach an der Einsatzstelle vorhanden, um parallel Rettungen vornehmen und sicherstellen zu können. Aufgrund der Mängel hinsichtlich des Feuerwiderstands von tragenden und raumabschließenden Bauteilen sei nicht damit zu rechnen, dass Personen ausreichend lange bis zu ihrer Rettung in ihrer Nutzungseinheit warten könnten. Der letztgenannten Einschätzung des Landratsamts stimmt die Kammer vorbehaltlos zu, vor allem auch aufgrund des im Augenscheinstermin feststellten Zustands des Anwesens. Wie oben bereits ausgeführt, führen die Mängel im Bereich des ersten Rettungswegs (bspw. verwendete Baustoffe, keine baulichen Abtrennungen vorhanden, die eine Brandausbreitung behindern, unqualifizierte obere Abschlüsse von Öffnungen und unqualifizierte Wandausbildungen, kein Feuerwiderstand der Türen sowie der Umstand, dass diese nicht dichtschließend sind) unausweichlich zu einer raschen Brand- und Rauchausbreitung. Seitens des Landratsamts wurden aber auch im Übrigen erhebliche Brandschutzmängel festgestellt, die im Rahmen des Augenscheinstermins dokumentiert wurden. Dabei handelt es sich etwa um Deckenöffnungen in den Fehlböden. Diese Mängel können nach den plausiblen Angaben des fachkundigen Sachbearbeiters des Landratsamts ebenfalls zu einer beschleunigten Brandausbreitung und zudem zu einem schlagartigen Bauteilversagen insbesondere der Decken führen, was sowohl Bewohner als auch Einsatzkräfte gefährdet. Zudem wurde seitens des Landratsamts ausgeführt, dass die derzeitigen baulichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht ausreichen würden, um sowohl eine Aufstellungsfläche für das Hubrettungsgerät als auch das Löschfahrzeug zu gewährleisten. Diesen Argumenten ist die Antragstellerin nicht ausreichend entgegengetreten.
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Bei einer Gesamtschau der vom Landratsamt festgestellten Brandschutzmängel steht nach summarischer Prüfung zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit i.S.d. Art. 54 Abs. 4 BayBO gegeben ist. Sowohl der erste als auch der zweite Rettungsweg – sofern vorhanden – sind mit erheblichen Mängeln behaftet, die dazu führen, dass Personen, die sich im Anwesen aufhalten, sich nicht darauf verlassen können, dass die vorgesehenen Rettungswege im Brandfall hinreichend gefahrfrei und sicher benutzbar sind. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten und der damit einhergehenden Gefahr der beschleunigten Brand- und Rauchausbreitung sowie der Gefahr eines schlagartigen Bauteilversagens und den baulichen sowie rechtlichen Hindernissen bei einer Rettung durch die Feuerwehr ist nicht damit zu rechnen, dass Personen ausreichend lange ohne Gefährdung bis zu ihrer Rettung warten können.
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Zu den von der Antragstellerin beigebrachten brandschutztechnischen Stellungnahmen – die aufgrund des zu Unrecht angenommenen Bestandsschutzes ohnehin vom falschen Ausgangspunkt ausgehen – wird abschließend darauf hingewiesen, dass mit E-Mail vom 13. Juli 2023 (Bl. 252 d. Behördenakte ... ) vom vormaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin angekündigt worden war, dass das bereits weitgehend umgesetzte Brandschutzkonzept einem Prüfsachverständigen für Brandschutz zur abschließenden Prüfung und Bewertung weitergeleitet werde. Eine solche Prüfung durch einen Prüfsachverständigen ist bislang jedoch offensichtlich noch nicht erfolgt, jedenfalls wurden im Verfahren keine entsprechenden Bescheinigungen – etwa ein prüffähiger Nachweis i.S.d. Art. 62, 62b BayBO – vorgelegt. Eine vollständige Mängelbeseitigung und Abnahme durch den Brandschutz ist hier nicht nachgewiesen. Die Antragstellerin tritt den vom Landratsamt nachvollziehbar dargelegten Mängeln allein mit der Behauptung, zahlreiche Maßnahmen durchgeführt zu haben, nicht substantiiert entgegen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 15 CS 24.757 – juris Rn. 14).
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(b) Das vom Landratsamt ausgeübte Ermessen ist rechtlich nicht zu beanstanden und die Maßnahme erweist sich nach summarischer Prüfung als verhältnismäßig.
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Bei Anwendung des Art. 54 Abs. 4 BayBO ist das Handlungsermessen regelmäßig auf Null reduziert, d.h. dass die Behörde in der Regel tätig werden muss, soweit – wie hier – Anordnungen zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig sind (BayVGH, B.v. 10.1.2024 – 15 CS 23.1929 – juris Rn. 12; B.v. 13.8.2020 – 15 CS 20.1746 – juris Rn. 8). Hinsichtlich des verbleibenden Auswahlermessens sind keine Ermessenfehler erkennbar. Insbesondere hält sich die Anordnung im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Diesbezüglich wird auf obige Ausführungen unter (1) (b) verwiesen. Im Übrigen ist eine Anordnung gem. Art. 54 Abs. 4 BayBO nicht allein deswegen ermessensfehlerhaft, weil sie erhebliche finanzielle Auswirkungen hat. Die Antragstellerin ist als Eigentümerin vielmehr ohne Rücksicht auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit für den ordnungsgemäßen Zustand ihres Gebäudes verantwortlich (BayVGH, B.v. 25.3.2019 – 15 C 18.2324 – juris Rn. 38).
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(c) Auch im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 BayBO ist die Antragstellerin die richtige Adressatin der verfügten Nutzungsuntersagung. Insofern wird auf obige Ausführungen unter (1) (c) verwiesen.
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(d) Für eine Verwirkung ist im Rahmen des Art. 54 Abs. 4 BayBO kein Raum. Ergänzend wird auf obige Ausführungen unter (1) (d) verwiesen.
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(e) Folglich kann die Nutzungsuntersagung in Ziff. 2 des Bescheids vor-raussichtlich auch in rechtmäßiger Weise auf Art. 54 Abs. 4 BayBO gestützt werden.
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(3) Nach alldem ist die in Ziff. 2 des Bescheids verfügte Nutzungsuntersagung nach summarischer Prüfung rechtmäßig und die Anfechtungsklage in der Hauptsache hat voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Dies stellt nach den unter 2. dargestellten Grundsätzen ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags dar. Insbesondere angesichts der hier angenommenen erheblichen Gefahr für die überragend wichtigen Schutzgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) fällt die Interessenabwägung auch im Übrigen zulasten des Suspensivinteresses der Antragstellerin aus, weshalb dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung Vorrang einzuräumen ist.
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a) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 6 des Bescheids verfügte Zwangsgeldandrohung gegenüber der Antragstellerin ist ebenfalls unbegründet.
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Auch diesbezüglich überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung das gegenläufige Suspensivinteresse der Antragstellerin. Nach summarischer Prüfung ist die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, weshalb die Anfechtungsklage in der Hauptsache voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Formelle Mängel sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere war gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG keine gesonderte Anhörung erforderlich. Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, 36 VwZVG. Da in Ziff. 5 des Bescheids die sofortige Vollziehung u.a. der Nutzungsuntersagung in Ziff. 2 des Bescheids angeordnet wurde, liegt nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vor. Darüber hinaus liegt inhaltliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) der Zwangsgeldandrohung vor, da jeweils ein gesondertes Zwangsgeld für die jeweiligen Zimmer/Nutzungseinheiten unter Ziff. 2 lit. a) bis e) angedroht wurde. Das jeweils angedrohte Zwangsgeld i.H.v. 5.000,00 EUR bewegt sich in dem durch Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG vorgegebenen Rahmen und ist seiner Höhe nach nicht zu beanstanden. In Anbetracht der – wie unter a) bb) (2) (a) ausgeführt – bestehenden erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit ist auch die der Antragstellerin gesetzte Frist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) zur Nutzungsaufgabe ab 1. September 2024 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer ist der Auffassung, dass ihr angesichts der bestehenden Gefährdungslage der Vollzug bis dahin billigerweise zugemutet werden kann. Der Vollstreckung der Nutzungsuntersagung steht insbesondere auch kein Vollzugshindernis entgegen. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung ist, dass der durch den zugrundeliegenden Verwaltungsakt als Störer Verpflichtete in der Lage ist, die ihm auferlegten Pflichten innerhalb der ihm gesetzten Frist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu erfüllen. Muss ein zu bauordnungsrechtlichen Maßnahmen herangezogener Verantwortlicher zur Erfüllung seiner Verpflichtungen in Rechte Dritter eingreifen und ist der Dritte nicht bereit, den Eingriff in seine Rechte zu dulden, so besteht ein Vollzugshindernis. Es bedarf dann einer Duldungsanordnung gegenüber dem Dritten zur Durchsetzung des bauordnungsrechtlichen Vollzugs (BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 – juris Rn. 14). Hier wären die Mieter aus rechtlichen Gründen grundsätzlich in der Lage, die Vollstreckung zu hindern. Die Mieter haben gegen die Antragstellerin als Vermieterin und Adressatin der Nutzungsuntersagungsverfügung einen Anspruch auf Überlassung der Mietsache (§ 535 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Dem kann sich die Antragstellerin auch nicht etwa durch Kündigung des Mietverhältnisses entziehen, da hierfür regelmäßig eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten ist (§ 573c Abs. 1 Satz 1 BGB), die bei der hier ab 1. September 2024 zu unterlassenden Nutzung nicht eingehalten werden kann. Dass die Mieter mit der Nutzungsuntersagung einverstanden sind oder sich dem nicht entgegensetzen werden, ist nicht ersichtlich, sodass die Kammer von der Erforderlichkeit einer Duldungsanordnung ausgeht (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 – juris Rn. 14). Insofern hat die Antragstellerin vorgetragen, dass es ihr tatsächlich unmöglich sei, die Nutzung des Dachgeschosses ab 1. September 2024 aufzugeben. Allerdings enthält der streitgegenständliche Bescheid in Ziff. 4 gerade besagte Duldungsanordnung gegenüber den Mietern, die in Ziff. 5 des Bescheids ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde. Nach der Rechtsauffassung der Kammer ist die Duldungsanordnung hinreichend bestimmt. Mit der wirksamen (Art. 43 Abs. 1 und 2 BayVwVfG) Duldungsanordnung gegenüber den Mietern kann das Hindernis für die Vollstreckung der Nutzungsuntersagung im Hinblick auf etwa entgegenstehende private Rechte der Mieter ausgeräumt werden. Den Mietern wird als Adressaten der Duldungsanordnung kraft öffentlichen Rechts die Pflicht auferlegt, die zwangsweise Durchsetzung des Gebots hinzunehmen; ihre nach Privatrecht erforderliche Einwilligung in die Handlung der Antragstellerin als Pflichtige wird durch die Duldungsanordnung ersetzt (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 153. EL Januar 2024, Art. 76 Rn. 406, 426). Darüber hinaus enthält Ziff. 3 des Bescheids auch eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung gegenüber den Mietern. Das führt dazu, dass die Mieter sowohl aufgrund der sofort vollziehbaren Duldungsanordnung als auch aufgrund der sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung ihnen gegenüber kraft öffentlichen Rechts dazu verpflichtet sind, die Nutzung aufzugeben.
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Auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziff. 6 des Bescheids stellen die fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags dar. Da auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen könnten, ist das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Zwangsgeldandrohung gegenüber dem kraft Gesetzes zugrunde gelegten Interesse an der sofortigen Vollziehung nachrangig.
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3. Demzufolge war der Antrag vollumfänglich abzulehnen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9.4 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs sieht für Streitigkeiten über Nutzungsverbote eine Orientierung an der „Höhe des Schadens oder der Aufwendungen (geschätzt)“ vor. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei einem vermieteten Objekt von den jährlichen Mieteinnahmen ausgegangen werden (BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 15 C 18.2268 – juris Rn. 10; B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 – juris Rn. 15). Aus den mit Schriftsatz vom 8. Mai 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470 übersandten Mietverträgen ergeben sich für die Zimmer/Nutzungseinheiten Nrn. A bis E mit der Bruttokaltmiete monatliche Einnahmen i.H.v. insgesamt 2.870,00 EUR, mithin 34.440,00 EUR jährlich (im Einzelnen: Zimmer A = 620,00 EUR, Zimmer B = 500,00 EUR, Zimmer C = 500,00 EUR, Zimmer D = 650,00 EUR, Zimmer E = 600,00 EUR; vgl. zur Zuordnung der vorgelegten Mietverträge zu den jeweiligen Zimmern den Schriftsatz der Antragstellerin vom 25. April 2024 und das gerichtliche Schreiben vom 3. Mai 2024 im Verfahren Au 5 K 23.470). Dieser Jahresbetrag wurde im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs halbiert.