Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 11.09.2024 – Au 2 S 24.2184
Titel:

Entlassung eines Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 5
BeamtStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 26, § 32
BayBG Art. 65
BayBeamtVG Art. 11
Leitsätze:
1. Dienstunfähigkeit setzt voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gutachten eines vom Dienstherrn ausgewählten und beauftragten Arztes kann der Stellungnahme eines Amtsarztes nicht gleichgestellt werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bestätigt fortbestehende Dienstunfähigkeit die Prognose des Amtsarztes, so kann diese auch nach einem Jahr nicht als überholt gewertet werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Umstände der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden gesundheitlichen Beeinträchtigung sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn den Dienstherrn daran eine Mitverantwortung treffen sollte. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es besteht keine Verpflichtung anderer Behörden, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine anderweitige Weiterverwendung eines gesundheitlich beeinträchtigten Beamten zu ermöglichen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Entlassung eines Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit, Krankenpfleger an einer Justizvollzugsanstalt, Beamter, Erkrankung, Arbeitsbedingungen, anderweitige Weiterverwendung, Gutachten, Amtsarzt, Prognose, dauernde Dienstunfähigkeit, Wartezeit, Versetzung in den Ruhestand, Entlassung
Fundstellen:
FDArbR 2025, 926280
BeckRS 2024, 26280

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 17.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs, mit dem er sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wendet.
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Er wurde am 1. November 2019 als Krankenpfleger bei der Justizvollzugsanstalt *-* zum Beamten auf Probe ernannt. Mit Wirkung vom 1. November 2020 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Seit 25. November 2021 ist er durchgehend dienstunfähig erkrankt.
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Am 14. November 2022 wurde der Antragsteller an der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von * auf seine Dienstfähigkeit untersucht. Diese Dienststelle gab anschließend eine fachpsychiatrische Zusatzbegutachtung in Auftrag. Das entsprechende Gutachten (PD Dr. A.) wurde mit Datum 23. Juni 2023 erstattet, wobei sich die Erstellung aufgrund eines stationären Aufenthalts des Antragstellers in einer Akutklinik verzögert hatte. Mit Datum 17. Juli 2023 nahm die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von * (Amtsarzt Dr. B.) zur Dienstfähigkeit des Antragstellers Stellung.
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Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Antragsgegners vom 2. April 2024 zu beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG angehört. Hierauf äußerten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 22. April 2024, vom 8. Mai 2024 und vom 4. Juni 2024.
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Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 30. Juli 2024 – den Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 7. August 2024 – wurde der Antragsteller mit Ablauf des 30. September 2024 gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 32 BeamtStG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 1 BayBeamtVG aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen (I.). Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet (II.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller sei gemäß § 26 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG dauernd dienstunfähig. Im Gesundheitszeugnis der Regierung von * vom 17. Juli 2023 sei festgestellt worden, dass beim Antragsteller für seine bisherige Tätigkeit im Krankenpflegedienst einer Justizvollzugsanstalt Dienstunfähigkeit bestehe. Bei einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit bestünde nach Ansicht des vom Amtsarzt hinzugezogenen externen psychiatrischen Gutachters grundsätzlich die Aussicht auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit. Entgegen den Einwänden der Bevollmächtigten des Antragstellers im Anhörungsverfahren bestünden keinerlei Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Feststellung der Dienstunfähigkeit. Das Gesundheitszeugnis des zuständigen Amtsarztes, der sogar ein externes fachpsychiatrisches Zusatzgutachten eingeholt habe, sei nicht zu beanstanden. Nach einer vom Staatsministerium der Justiz mit Schreiben vom 15. Februar 2024 durchgeführten Ressortumfrage stehe in der Staatsverwaltung aktuell und auf absehbare Zeit keine anderweitige Verwendungsmöglichkeit für den Antragsteller zur Verfügung. Damit sei die Suchpflicht gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 u. 3 BeamtStG erfüllt worden. Da der Antragsteller die versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfülle, könne er nicht in den Ruhestand versetzt werden, sondern sei aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu entlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
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Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 5. September 2024 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juli 2024 ein. Zugleich beantragte er beim Verwaltungsgericht Augsburg,
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unter Aufhebung der Vollzugsanordnung der Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der vom Amtsarzt beauftragte externe Gutachter komme in seinem sehr ausführlichen, schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Pflichten gemäß der bisherigen Tätigkeit nicht bestehe. Abweichend hiervon sei der Amtsarzt ohne Begründung davon ausgegangen, dass dauerhafte Dienstunfähigkeit gegeben sei. Beide Gutachten seien zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses zudem bereits über ein Jahr alt gewesen. Es liegt nur eine Momentaufnahme vor. Entscheidend sei jedoch eine Zukunftsprognose. Der Genesungsprozess des Antragstellers habe abgewartet werden müssen. Am 18. Oktober 2023 sei der Antragsteller aus der stationären psychotherapeutischen Behandlung entlassen worden. Nach dem Entlassbericht sei im stationären Verlauf eine Reduktion der depressiven Symptomatik erreicht worden. Im Ergebnis sei es zu einer ersten erfreulichen Stabilisierung bzw. Aktivierung des Antragstellers gekommen, insbesondere hätten sich seine Entspannungsfähigkeit und das Selbstvertrauen hinsichtlich der sozialen Kontakt- und Begegnungsfähigkeit verbessert. Die Prognose sei langfristig als günstig anzusehen. Dies sei allerdings auch von äußeren situativen Umständen abhängig sowie vom Gelingen des Transfers in den Alltag. Die Fortsetzung der Behandlung im Rahmen einer ambulanten Psychotherapie zur weiteren Stabilisierung der bearbeiteten und angestoßenen Prozesse sei daher dringend zu empfehlen. Der Antragsteller setze seitdem die ambulante Psychotherapie mit gutem Erfolg fort.
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Bloße Zweifel an der Dienstunfähigkeit genügten für eine Entlassung nicht. Auch habe der Zusatzgutachter explizit eine Nachuntersuchung im Anschluss an das Ende der tagesklinischen Behandlung angeregt. Diese sei nicht erfolgt. Der Antragsteller sei nicht aufgrund seiner Tätigkeit an sich erkrankt, sondern aufgrund der Situation am konkreten Tätigkeitsort. Aufgrund der massiven anhaltenden Arbeitsbelastung und - überlastung, bedingt insbesondere durch Personalmangel, habe sich nach und nach das psychische Krankheitsbild entwickelt. Es sei nicht einmal der Versuch unternommen worden, den Antragsteller, wie von ihm gewünscht, probeweise – im Rahmen einer mehrmonatigen Abordnung – in die JVA * zu versetzen. Er führe in * eine Beziehung, welche ihm auch ausweislich der ärztlichen Unterlagen starken Halt gebe. Eine (erneute) Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sei nicht zu erwarten gewesen. Soweit in den ärztlichen Gutachten aufgeführt worden sei, dass der Antragsteller Angst davor habe, an seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren, beziehe sich dies lediglich auf den Arbeitsort, jedoch nicht auf die Tätigkeit als *.
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Rechtswidrig und daher aufzuheben sei auch die Anordnung des sofortigen Vollzugs. Soweit sie auf die Notwendigkeit einer alsbaldigen Nachbesetzung der Stelle verweise, sei dem entgegenzuhalten, dass am bisherigen Arbeitsplatz des Antragstellers eine extrem angespannte Personalsituation herrsche. Bezüglich der befürchteten besoldungsrechtlichen Folgen sei darauf zu verweisen, dass dem Antragsteller nur ein einziger Monat fehle, um die fünfjährige Wartezeit zu erfüllen. Bei Erfüllung der Wartezeit wäre er – bei Vorliegen der Voraussetzungen – in den Ruhestand zu versetzen gewesen. Hieraus wäre ihm grundsätzlich ein lebenslanger Anspruch auf Ruhegehalt erwachsen. Die wirtschaftlichen Interessen des Freistaats Bayern könnten die wirtschaftlichen, existenziellen Interessen des Antragstellers nicht überwiegen. In der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entlassungsverfügung allein wegen fiskalischer Gründe liege auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht.
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Der Antragsgegner äußerte sich bislang nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
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Über den Antrag konnte auch ohne Erwiderung des Antragsgegners entschieden werden. Die Antragstellerseite hat ihrem Antrag bereits die erforderlichen entscheidungserheblichen Unterlagen beigefügt (insbes. Bescheid; amtsärztliche Beurteilung; externes Zusatzgutachten) und sich mit diesen auseinandergesetzt. Ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids (S. 5 ff.) hatten die Bevollmächtigten des Antragstellers bereits vor mehreren Monaten (ab April 2024) Akteneinsicht erhalten, so dass auch sonst nicht erkennbar ist, dass der Antragstellerseite zur Begründung des Antrags erforderliche Unterlagen des Antragsgegners nicht zur Verfügung standen oder nicht bekannt waren.
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Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Anordnung des Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) im streitgegenständlichen Bescheid vom 30. Juli 2024 war nicht aufzuheben, weil sie den (formalen) Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht (1.). Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO besteht nicht, weil die mit dem Bescheid vom 30. Juli 2024 ausgesprochene Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; 2.).
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1. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Umsetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes Vollzugsinteresse treten, dass das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen vermag. Diesem Erfordernis trägt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung. Die Behörde muss sich der Ausnahmesituation bewusst werden und das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet. Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt es indes nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und sachlich geeignet ist, ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Nicht ausreichend für das formale Begründungserfordernis ist aber eine formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung, aus der nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2023 – 22 CS 23.1265 – juris Rn. 26).
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Die Begründung des Sofortvollzugs in dem streitgegenständlichen Bescheid (S. 14 f.) entspricht den vorgenannten Anforderungen. Sie ist nicht formelhaft, sondern hinreichend einzelfallbezogen, was sich insbesondere aus der Anführung von Nachteilen ergibt, die sich aus der langen krankheitsbedingten Abwesenheit des Antragstellers für das öffentliche Interesse an einem geordneten Justizvollzug ergeben, namentlich mit Blick auf die angespannte Personalausstattung im bayerischen Justizvollzug. Inwieweit sich das vom Dienstherrn geltend gemachte Vollzugsinteresse in einer Abwägung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs durchzusetzen vermag, ist für die Erfüllung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 VwGO – wie bereits erwähnt – nicht von Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.2018 – 22 CS 18.566 – juris Rn. 13).
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2. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweist sich der mit Widerspruch angegriffene Entlassungsbescheid des Antragsgegners vom 30. Juli 2024 als rechtmäßig, so dass kein überwiegendes Außervollzugssetzungsinteresse des Antragstellers besteht.
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Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG sind Beamte zu entlassen, wenn sie dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet. Vorliegend ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller i.S.d. § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG dauernd dienstunfähig ist (2.1). Er ist nicht anderweitig verwendbar i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 BeamtStG (2.2). Seine Versetzung in den Ruhestand konnte nicht erfolgen, weil er die versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt hat (§ 32 BeamtStG; 2.3).
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2.1 Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG können Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden. Diese Voraussetzungen für eine Dienstunfähigkeit des Antragstellers dürften vorliegen.
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2.1.1 Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Beamten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu. Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies setzt in der Regel medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein Arzt verfügt (BVerwG, U.v. 16.11.2017 – 2 A 5.16 – juris Rn. 20, Rn. 22). Entsprechend sieht Abschnitt 8 Nr. 1.3.1 VV-BeamtR spätestens nach einem – hier deutlich überschrittenen – zusammenhängenden Zeitraum krankheitsbedingter Fehlzeiten von drei Monaten die Einholung eines Zeugnisses der Gesundheitsverwaltung (sogenanntes amtsärztliches Zeugnis) über die Dienstfähigkeit der Beamtin oder des Beamten vor; ggfs. sind ergänzende fachärztliche Gutachten einzuholen (Abschnitt 8 Nr. 1.5 VV-BeamtR; zu weiteren Einzelheiten betreffend das amtsärztliche Zeugnis Abschnitt 8 Nr. 1.4, Nr. 1.7 VV-BeamtR nebst Anlage 6). Der amtsärztlichen Stellungnahme kommt als neutrale, unabhängige, in Distanz zu beiden Beteiligten stehende Einschätzung und weil der Amtsarzt bei der Dienstfähigkeit eines Beamten sowie bei den Belangen der öffentlichen Verwaltung gegenüber spezialisierten Fachärzten besondere Sachkunde besitzt, im Verhältnis zu privatärztlichen Attesten eine vorrangige Bedeutung zu (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 3 ZB 20.2241 – juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 16.11.2017 – 2 A 5.16 – juris Rn. 24). Das amtsärztliche Gesundheitszeugnis muss allerdings den Befund und seine Schlussfolgerungen so plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass der Dienstherr auf dieser Grundlage entscheiden kann, ob der Beamte zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist (vgl. BayVGH, a.a.O., juris Rn. 7).
21
Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit des Beamten sind nicht die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten), sondern das ihm zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2017 – 2 A 5.16 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 4.8.2022 – 6 ZB 22.17 – juris Rn. 4, jeweils m.w.N.)
22
2.1.2 Dies zugrunde gelegt, ist für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 21.2.2014 – 2 B 24.12 – juris Rn. 12 m.w.N.) von einer Dienstunfähigkeit des Antragstellers auszugehen.
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2.1.2.1 Die vom Antragsgegner herangezogene amtsärztliche Stellungnahme vom 17. Juli 2023 entspricht den an sie zu stellenden Anforderungen. Befund und Schlussfolgerungen wurden plausibel und nachvollziehbar darlegt, so dass auf dieser Grundlage entscheiden werden konnte, ob der Antragsteller zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Der mit der Stellungnahme beantwortete Fragenkatalog entspricht auch Anlage 6 zur VV-BeamtR (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 3 ZB 20.2241 – juris Rn. 6 f.).
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Der Amtsarzt hat in dieser Stellungnahme (namentlich unter Nr. 3) dargelegt, dass in Zusammenschau unter eingehender Berücksichtigung der Einschätzungen und Empfehlungen des externen psychiatrischen Gutachters, der eigenen ärztlichen Untersuchung sowie aufgrund der Aussagen des Antragstellers selbst dessen Dienstfähigkeit für seine jetzige Tätigkeit als * im Beamtenverhältnis an einer Justizvollzugsanstalt innerhalb von sechs Monaten nicht erzielbar sei. Selbst ein Wiederantritt zu einem späteren Zeitpunkt würde voraussichtlich zu einer neuerlichen Verschlechterung der Symptomatik führen, so dass abermalig mit längerfristigen Ausfällen oder einem erneuten Verlust der Dienstfähigkeit gerechnet werden müsse. Eine Rückkehr als * an eine Justizvollzugsanstalt wäre dem Antragsteller auch aus Gründen der Fürsorgepflicht nicht zumutbar (drohende psychische Verschlechterung des Krankheitsbilds; Risiko der Eigen- und Fremdgefährdung). Diese Beurteilung der fehlenden Dienstfähigkeit bezieht sich (zutreffend, s.o.) nicht auf den letzten konkreten Dienstposten des Antragstellers bei der Justizvollzugsanstalt *-*, sondern auf sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinn (* im Beamtenverhältnis bei einer Justizvollzugsanstalt bzw. Rückkehr an eine solche; vgl. § 1 Nr. 4 FachV-J).
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2.1.2.2 Entgegen den Einwänden des Antragstellers wird die Beurteilung des Amtsarztes nicht durch einen Widerspruch zu dem von ihm beauftragten fachärztlichen Zusatzgutachten vom 23. Juni 2023 in Frage gestellt.
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Zwar beantwortet der Zusatzgutachter eine der an ihn gerichteten Fragen damit, dass beim Antragsteller „durchaus Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungen innerhalb der nächsten sechs Monate bestehe“ (Nr. 3, S. 32); in diesem Zusammenhang ist auch seine Angabe zu sehen, dass „eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Pflichten gemäß der bisherigen Tätigkeit unter Bezugnahme auf die Definition im Gesetzestext insoweit nicht“ bestehe (Nr. 5, a.a.O.). Jedoch hat der Amtsarzt (Nr. 2, S. 2 f seiner Stellungnahme) nachvollziehbar auf mehrere weitere Feststellungen und Beurteilungen in dem Zusatzgutachten verwiesen, aus denen sich ergibt, dass eine Rückkehr des Antragstellers in seine bisherige Tätigkeit (also das Amt im abstrakt-funktionellen Sinn) problematisch sei. Unter Berücksichtigung dessen lässt sich dem Zusatzgutachten keine – der Auffassung des Amtsarztes widersprechende – Angabe entnehmen, es sei zu erwarten, dass der Antragsteller gesundheitlich in der Lage sein werde, die Aufgaben seines Amtes (im abstrakt-funktionellen Sinn) wahrzunehmen. Zudem wird in dem Zusatzgutachten bei Beantwortung der Fragen zur Dienstunfähigkeit auch die Bedeutung einer Umschulung und einer alternativen Verwendung für den Genesungsprozess genannt (Nr. 3, Nr. 4, S. 32); eine positive Prognose der Dienstfähigkeit für fragliches Amt lässt sich dem Zusatzgutachten auch insoweit nicht entnehmen.
27
Zudem handelt es sich bei dem vom Amtsarzt beauftragten Gutachten eines Facharztes vom 23. Juni 2023 – wie dort auch ausgewiesen – um ein Zusatzgutachten zur Dienstfähigkeit des Antragstellers; eine abschließende (ärztliche) Aussage in dieser Hinsicht kommt diesem Gutachten daher (schon nach Auftrag und Eigenbezeichnung) nicht zu. Auch Nr. 1.5 des Abschnitts 8 zur VV-BeamtR – hierauf beruht offenkundig die Beauftragung durch den Amtsarzt – spricht von der Einholung „ergänzender“ Gutachten. Ferner ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Gutachten (auch) eines vom Dienstherrn ausgewählten und beauftragten Arztes der Stellungnahme eines Amtsarztes nicht gleichgestellt werden kann; die Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes, der Beamten und Dienststelle gleichermaßen fernsteht, kann (selbst) für Gutachten eines von der Beklagten ausgewählten und bezahlten Gutachters nicht angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – juris Rn. 20; vgl. auch BayVGH, B.v. 9.8.2024 – 3 ZB 23.3 – juris Rn. 16; B.v. 28.11.2019 – 6 B 19.1570 – juris Rn. 33). Ausweislich der Beurteilung des Amtsarztes vom 17. Juli 2023 hat er die Einschätzungen und Empfehlungen des Zusatzgutachtens berücksichtigt, aber letztlich in Zusammenschau eine eigenständige amtsärztliche Einschätzung, auch aufgrund eigener ärztlicher Untersuchung und der Aussagen des Antragstellers, vorgenommen. Dabei hat er (wie erwähnt) u.a. auf Ausführungen im Zusatzgutachten abgestellt, unter Berücksichtigung derer sich – was nachvollziehbar ist – nicht ergibt, dass eine Dienstfähigkeit des Antragstellers in Bezug auf sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinn zu erwarten ist.
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Angesichts dessen ergibt sich für den Antragsteller auch nichts aus seinem Hinweis darauf, dass nach dem Zusatzgutachten eine Nachuntersuchung im Anschluss an das Ende der tageklinischen Behandlung sollte (Nr. 9, S. 32), zumal der Antragsteller bei Bescheiderlass – also über ein Jahr nach Erstellung des Zusatzgutachtens – weiterhin dienstunfähig erkrankt war.
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2.1.2.3 Ebenso wenig ist erkennbar, dass die amtsärztliche Beurteilung vom 17. Juli 2023 bei Bescheiderlass nicht (mehr) aussagekräftig war, weil sie überholt gewesen wäre oder es sich lediglich um eine, wie der Antragsteller geltend macht, Momentaufnahme gehandelt hätte. Dem steht entgegen, dass der Antragsteller weiterhin – d.h. seit deutlich mehr als einem Jahr seit der amtsärztlichen Beurteilung – dienstunfähig ist. Für eine (zumal grundlegende) Änderung seines Gesundheitszustands hat er auch keine ärztlichen Belege vorgelegt, obwohl sich seine Bevollmächtigten seit April 2024 mehrfach im Rahmen der Anhörung mehrfach geäußert hatten (Bescheid S. 3 ff.). Insbesondere sind keine Unterlagen vorgelegt worden, aus denen sich ergeben könnte, dass der Antragsteller trotz seiner im Zeitpunkt des Bescheiderlasses über zweieinhalbjährigen Erkrankung voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten wieder voll dienstfähig wäre (vgl. Art. 65 Abs. 1 BayBG).
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Insbesondere aus dem antragstellerseits zitierten Entlassbericht der *klinik * vom Oktober 2023 ergibt sich dies nicht. Vielmehr ist dort ohne zeitliche Konkretisierung von einer „langfristig“ günstigen Prognose für den Antragsteller die Rede, zudem wird einschränkend eine Abhängigkeit von den „äußeren situativen Umständen“ sowie „vom Gelingen des Transfers in den Alltag“ angeführt. Eine Absehbarkeit, dass der Antragsteller hinsichtlich seiner bisherigen Tätigkeit Arbeit als * in einer Justizvollzugsanstalt wieder voll dienstfähig würde, lässt sich dem nicht entnehmen. Vielmehr sprechen die soeben genannten Einschränkungen für die Beurteilung des Amtsarztes, dass eine Rückkehr in die bisher ausgeübte Tätigkeit (Amt im abstrakt-funktionellen Sinn) nicht zu erwarten ist.
31
2.1.2.4 Der Antragsteller wendet auch ohne Erfolg ein, eine (zumindest probeweise) Versetzung an die Justizvollzugsanstalt * sei unterblieben. Der amtsärztlichen Beurteilung lässt sich – wie ausgeführt – nicht entnehmen, dass Dienstunfähigkeit des Antragstellers nur in Bezug auf seinen konkreten Dienstposten bei der Justizvollzugsanstalt * besteht. Auch das (vom Amtsarzt ohnehin berücksichtigte) Zusatzgutachten enthält eine solche Aussage nicht. Gleiches gilt für den vom Antragsteller zitierten Entlassbericht vom Oktober 2023. Ohne Erfolg macht der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend, seine Erkrankung sei auf die Situation am bisherigen Arbeitsort zurückzuführen. Denn die Umstände der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden gesundheitlichen Beeinträchtigung sind weder auf Tatbestands- noch Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen, selbst wenn den Dienstherrn daran eine (Mit-) Verantwortung treffen sollte (vgl. BVerwG, B.v. 16.4.2020 – 2 B 5.19 – juris Rn. 9 f.).
32
2.1.2.5 Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass sich vorliegend im Sinne der antragstellerseits angeführten Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 28) im Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit oder krankheitsbedingte erhebliche und regelmäßige Ausfallzeiten weder feststellen noch ausschließen ließen („non liquet“). Vielmehr wurden mit der Einholung einer amtsärztlichen Beurteilung sowie eines Zusatzgutachtens die erforderlichen zugänglichen Beweisquellen mit dem Ergebnis ausgeschöpft, dass von einer dauernden Dienstunfähigkeit des Antragstellers auszugehen ist. Wie ausgeführt, ist nicht erkennbar, dass sich im Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine wesentliche Änderung des Zustands des Antragstellers ergeben hatte; vielmehr war er weiterhin dienstunfähig erkrankt.
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2.2 Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG wird nicht in den Ruhestand versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (hierzu näher § 26 Abs. 2, Abs. 3 BeamtStG). Hiervon ist beim Antragsteller nicht auszugehen.
34
Soweit der Antragsteller das Unterbleiben einer Versetzung an die Justizvollzugsanstalt * gerügt hat, handelt es sich nicht um eine andere Verwendung i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG, weil es insofern um das gleiche Amt im abstrakt-funktionellen Sinne gehen würde, welches aber – wie ausgeführt – bereits Prüfungsmaßstab für die Dienstunfähigkeit ist (vgl. Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Februar 2023, § 26 BeamtStG Rn. 34; dazu schon 2.1.2.4).
35
Jenseits dessen hat ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids (S. 11) eine vom Beklagten als Dienstherr ab Februar 2024 durchgeführte Ressortumfrage ergeben, dass in sämtlichen Geschäftsbereichen aktuell und in absehbarer Zeit keine Umschulungs- und Übernahmemöglichkeiten im Sinne einer anderweitigen Verwendung für den Antragsteller zur Verfügung stehen. Damit wurde die Suche nach einer anderweitigen Verwendung – wie erforderlich – auf den gesamten Bereich des Dienstherrn erstreckt, dabei auf Dienstposten, die frei sind oder in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Dagegen bestand keine Verpflichtung anderer Behörden, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung des Antragstellers zu ermöglichen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2017 – 2 A 5.16 – juris Rn. 33 m.w.N.). Einwände diesbezüglich wurden vom Antragsteller im vorliegenden gerichtlichen Verfahren im Übrigen auch nicht vorgetragen.
36
3. Der Antragsteller konnte nicht aufgrund seiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden, sondern war zu entlassen, weil er die versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt hatte (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 32 BeamtStG). Diese beträgt vorliegend gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG fünf Jahre (vgl. auch Brinktrine in BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand Juli 2023, § 32 BeamtStG Rn. 11 f.) und wurde vom Antragsteller ausweislich der von ihm nicht in Zweifel gezogenen, sondern der Sache nach in der Antragsbegründung (S. 5) bestätigten Berechnungen im streitgegenständlichen Bescheid (S. 12) nicht erfüllt.
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4. Der Antrag war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und Satz 3 GKG, Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei von der Besoldungsgruppe A7 (vgl. Anlage 1 Besoldungsordnungen zum BayBesG) und, um den (mangels näherer Erkenntnisse nicht genau bezifferbaren) Streitwert zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden nicht überhöht anzusetzen, lediglich von der Besoldungsstufe 2 ausgegangen wurde.