Inhalt

OLG München, Beschluss v. 30.01.2024 – 33 Wx 152/23 e
Titel:

Zur Vergütung des Nachlasspflegers bei fehlender Feststellung der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft

Normenketten:
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 (idF bis zum 1.1.2023)
BGB § 1875, § 1960
VBVG § 3
Leitsätze:
1. Eine nachträgliche Feststellung dahingehend, dass der Nachlasspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, ist jedenfalls im Vergütungsverfahren nicht möglich (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13). (Rn. 10)
2. Ist die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Nachlasspflegschaft unterblieben, ist die Vergütung des Nachlasspflegers nach Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit sowie des – gegebenenfalls nur geschätzten – angefallenen Zeitaufwands zu bemessen (Anschluss an OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 19.05.2022, 20 W 271/18). (Rn. 15)
3. Als Anhaltspunkt für eine angemessene Bemessung des Stundensatzes können in diesen Fällen die Sätze des § 3 VBVG dienen. (Rn. 15)
Bei fehlender Feststellung der berufsmäßigen Führung der Nachlasspflegschaft kann nach § 1836 Abs. 2 BGB abweichend vom gesetzlichen Normalfall der unentgeltlichen Führung eine Vergütung gewährt werden, wenn der Umfang oder die Schwierigkeit des Geschäfts solches rechtfertigen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachlasspflegervergütung, berufsmäßige Führung, Stundensatz, ehrenamtliche Führung, angemessene Vergütung, Feststellung der berufsmäßigen Führung
Vorinstanz:
AG Altötting, Beschluss vom 13.04.2023 – VI 000633/06
Fundstellen:
ErbR 2024, 487
RPfleger 2024, 399
FGPrax 2024, 82
JurBüro 2024, 261
FamRZ 2024, 1321
ZEV 2024, 409
LSK 2024, 2618
ZErb 2024, 189
BeckRS 2024, 2618
NJW-RR 2024, 562

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Altötting – Nachlassgericht – vom 13.04.2023, Az. VI 000633/06, abgeändert:
Für die Tätigkeit des Nachlasspflegers (Beteiligter zu 2) wird eine Vergütung in Höhe von 4.579,00 € nebst Auslagen in Höhe von 30,00 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 1/3.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.979,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Erblasserin ist am ....2006 verstorben. Mit Beschluss vom ....2006 bestellte das Nachlassgericht den Beteiligten zu 2 zum Nachlasspfleger, dem die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und die Ermittlung der Erben übertragen wurde. Die Feststellung der berufsmäßigen Führung des Nachlasspflegschaft unterblieb.
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Am 17.03.2022 beantragte der Nachlasspfleger die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 14.979,00 € und legte zugleich eine Stundenliste für seine Tätigkeit vor, nach der insgesamt 132,50 Stunden angefallen sind. Das Nachlassgericht setzte mit Beschluss vom 13.04.2023 die Vergütung antragsgemäß fest.
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Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 22.05.2023. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die vorgelegte Abrechnung des Nachlasspflegers nicht prüffähig und einige abgerechnete Tätigkeiten nicht plausibel seien. Das Nachlassgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 31.05.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.
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Mit Beschluss vom 16.10.2023 wies der Senat darauf hin, dass eine Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers als berufsmäßiger Nachlasspfleger nicht in Betracht kommen dürfte, weil eine entsprechende Feststellung im Bestellungsverfahren unterblieben ist. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Hinweisbeschluss vom 19.10.2023 Bezug.
II.
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Das weitere Vorbringen im Beschwerdeverfahren führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Beschwerde hat deshalb in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.
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1. Soweit der Nachlasspfleger in der Sache weiter vorträgt, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung im Hinblick auf die Frage, in welcher Höhe vorliegend seine Vergütung festzusetzen ist.
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a) § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB a. F., der vorliegend gemäß § 18 des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 (BGBl. 2021 Teil I Nr. 21) zur Anwendung kommt, knüpft die Vergütung eines Berufsvormunds an die vom Nachlassgericht zu treffende Feststellung an, dass der Vormund die Vormundschaft berufsmäßig führt. Damit soll „Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit“ für den Vormund wie das M. erreicht werden. Die Feststellung wirkt daher positiv wie negativ konstitutiv (MüKoBGB/Fröschle, 8. Aufl. 2020, BGB, § 1836 Rn. 10).
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Eine spätere Feststellung der Berufsmäßigkeit ist auch ohne Änderung der Verhältnisse als neue Erstentscheidung möglich, da sie letztlich der Entlassung des Betreuers bei sofortiger Neubestellung mit der Feststellung der Berufsmäßigkeit entspricht. Auch die nachträgliche Feststellung muss deshalb aber im Bestellungsverfahren und nicht im Vergütungsverfahren getroffen werden (BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13, BeckRS 2014, 5634).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt eine Festsetzung der Vergütung des Beteiligten zu 2 als berufsmäßiger Nachlasspfleger vorliegend nicht in Betracht:
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aa) Selbst dann, wenn die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Pflegschaft nachträglich möglich sein sollte und der Nachlasspfleger – wie dem Senat bekannt – über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt, käme diese nachträgliche Feststellung im hier anhängigen Vergütungsverfahren nicht in Betracht. Insoweit teilt der Senat die Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12.02.2014, XII ZB 46/13, BeckRS 2014, 5634; OLG Frankfurt, 20 W 271/18, ErbR 2023, 954). Die vor dieser Entscheidung ergangene entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung ist durch das vorgenannte höchstrichterliche Urteil überholt.
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bb) Ob eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Tätigkeit des Nachlasspflegers im Bestellungsverfahren vorliegend noch möglich ist, weil die Bestellung bereits im Jahre 2006 und insoweit unter Geltung von § 19 FGG (in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung) mit der Möglichkeit der unbefristeten Beschwerde erfolgte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da eine solche nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
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2. Damit kann eine Vergütung des Beteiligten zu 2 nur nach § 1836 Abs. 2 BGB a. F. festgesetzt werden.
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a) Scheidet in Ermangelung der Feststellung der berufsmäßigen Führung der Nachlasspflegschaft eine Festsetzung der Vergütung nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. aus, kann dennoch nach § 1836 Abs. 2 BGB a. F. abweichend vom gesetzlichen Normalfall der unentgeltlichen Führung (§ 1836 Abs. 1 S. 1 BGB a. F.) eine angemessene Vergütung gewährt werden, wenn der Umfang oder die Schwierigkeit des Geschäfts solches rechtfertigen (OLG Frankfurt/M., 20 W 271/18, ErbR 2023, 954). Sowohl die Entscheidung über das Ob der Bewilligung einer solchen Vergütung als auch deren Höhe liegen im Ermessen des Gerichts. Im Falle der Nachlasspflegschaft kommt es für die Bewilligung einer solchen Vergütung dem Grunde nach folglich darauf an, ob die Führung des Amts vom Umfang und von der Schwierigkeit über die Grenzen dessen hinausgeht, was im Rahmen eines Ehrenamtes erwartet werden kann (vgl. OLG Hamm, 15 W 197/18, FGPrax 2020, 136).
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Das ist hier der Fall. Dies seitens des Nachlasspflegers im vorliegenden Verfahren entfalteten Tätigkeiten, insbesondere Erbenermittlungen in Russland und Polen, stellen Anforderungen dar, welche die Zumutbarkeitsgrenze einer ehrenamtlichen Führung der Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ und „Ermittlung der Erben“ im Ehrenamt überschreiten.
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b) Für die Ermittlung der Höhe einer angemessenen Vergütung im Sinne des § 1836 Abs. 2 BGB a. F. sind die Vorschriften des VBVG nicht anwendbar; die Vergütung ist vielmehr nach Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit sowie des – gegebenenfalls nur geschätzten – jeweils angefallenen Zeitaufwands zu bemessen (vgl. OLG Frankfurt/M., 20 W 271/18, ErbR 2023, 954; Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl. 2022, § 1836 Rn. 10). Gleichwohl können als Anhaltspunkt für eine angemessene Bemessung des Stundensatzes die Sätze des § 3 VBVG herangezogen werden (BeckOGK/Heinemann, 15.12.2022, BGB, § 1960 Rn. 238).
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aa) Der Senat erachtet es im vorliegenden Einzelfall für angemessen, sich hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung an den jeweiligen Sätzen des § 3 VBVG zu orientieren. Als Stundensatz angemessen sind nach Ansicht des Senats mithin 33,50 € für Tätigkeiten bis zum 27.07.2019 und ab dem 27.07.2019 ein solcher von 39 €.
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bb) Höhere Stundensätze konnten nicht festgesetzt werden. Auch wenn der Nachlasspfleger berufsmäßig tätig ist, handelt es sich vorliegend – wie bereits ausgeführt – wegen der bei Bestellung unterbliebenen diesbezüglichen Feststellung nicht um eine berufsmäßig geführte Pflegschaft. Ein an sich berufsmäßig tätiger Nachlasspfleger muss sich in einem solchen Fall aber auch im Hinblick auf die Höhe einer festzusetzenden Vergütung so behandeln lassen, als wäre er ehrenamtlich tätig geworden, da anderenfalls die Unterschiede zwischen der ehrenamtlichen und der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft eingeebnet würden. Demzufolge sind insbesondere die berufliche Qualifikation, die Notwendigkeit eines entsprechend eingerichteten Büros, aber auch die Verpflichtung, Umsatzsteuer zu entrichten, nicht zu berücksichtigen (a. A. für die Umsatzsteuer: Staudinger/Mešina (2017), BGB, § 1960 Rn. 34j ohne Begründung).
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c) Hinsichtlich des Umfangs der zu vergütenden Tätigkeit kann nach Ansicht des Senats auf die vom Nachlasspfleger vorgelegten Stundenaufstellungen zurückgegriffen werden. Zwar gilt im Rahmen der Ermessensschätzung nicht die Notwendigkeit eines Nachweises des angefallenen Zeitaufwands seitens des Nachlasspflegers. Da vorliegend aber eine entsprechende Aufstellung vorliegt, kann diese zur Grundlage der Vergütungsfestsetzung gemacht werden und eine Vergütung nach Stundensätzen erfolgen. Vergütungsfähig sind die Tätigkeiten im Zeitraum von der Bestellung des Nachlasspflegers bis zur Beendigung der Nachlasspflegschaft (vgl. für die Betreuung: BGH, Beschluss vom 06.04.2016, Az. XII ZB 83/14, juris Rn. 5).
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d) Damit ergibt sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 4.579,00 €.
20
Angesichts der vom Nachlasspfleger vorgelegten Stundenliste sind für die Führung der Pflegschaft insgesamt 132,50 Stunden aufgewendet worden, d.h. jährlich ca. 7,8 Stunden aufgewendet worden. Für die ca. 107 Stunden in den Jahren 2006 bis 27.07.2019 ergibt sich ein Vergütungsanspruch von 3.584,50 €, für die restlichen 25,5 Stunden bis 2022 ein solcher in Höhe von 994,50 €.
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3. Die Einwände des Beschwerdeführers führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seinen Beschluss vom 19.10.2023.
III.
22
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Soweit die Beschwerde erfolgreich ist, erlischt die Kostenhaftung des Beschwerdeführers gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG. Soweit die Beschwerde erfolglos bleibt, trägt der Beschwerdeführer die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens anteilig (vgl. dazu Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG, § 81 Rn. 9). Die Anordnung einer – auch anteiligen – Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hält der Senat für nicht angezeigt.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus dem Umfang der Anfechtung der nachlassgerichtlichen Entscheidung.
24
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.