Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 13.08.2024 – AN 16 S 24.936
Titel:

Mangelnde Zuverlässigkeit einer waffenberechtigten Person bei Überlassung des Zugangscodes zum Waffenschrank an Ehepartner

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2c, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 S. 1
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Für die formelle Anforderung des § 80 Abs. 3 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bei § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BJagdG sowohl waffen- als auch jagdrechtlich vorzunehmende Zuverlässigkeitsprognose hat sich an dem Zweck der Gesetze zu orientieren, wonach Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen sind, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Angesichts des mit dem privaten Waffenbesitz verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, dieses Risiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf Waffenbesitzkarten, Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins, vorläufiger Rechtsschutz, Interessenabwägung, Zuverlässigkeitsprognose
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26057

Tenor

1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Anträge werden abgelehnt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten der Verfahren.
4. Der Streitwert wird bis zur Verbindung der Verfahren für das Verfahren AN 16 S 24.936 auf 7.750,- Euro und für das Verfahren AN 16 S 24.954 auf 4.000,-Euro, ab der Verfahrensverbindung auf einen Gesamtstreitwert von 11.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist Inhaberin von zwei Waffenbesitzkarten, auf die insgesamt 15 Waffen bzw. Waffenteile eingetragen sind, außerdem ist sie Inhaberin eines Jagdscheins. Sie begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von ihr erhobenen Klagen gegen den Widerruf der Erteilung der Waffenbesitzkarten sowie gegen die Ungültigkeitserklärung ihres Jagdscheins nebst Nebenentscheidungen.
2
Der Ehemann der Antragstellerin war ursprünglich ebenfalls im Besitz einer Waffenbesitzkarte und eines Jagdscheins, zudem war er Inhaber einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis. Nachdem das Landratsamt hinsichtlich dieser Erlaubnisse ein Widerrufsverfahren gegen ihn eingeleitet hatte, da er seit 12. April 2023 rechtskräftig wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen strafrechtlich verurteilt worden war, gab er diese im Juni 2023 freiwillig zurück. Die Antragstellerin übernahm zum größten Teil die Waffen und die Munition ihres Mannes. Mit Schreiben vom 19. Juni 2023 bestätigte sie, dass ihr Ehemann keinen Zugriff auf die erlaubnispflichtigen Waffen und die Munition in ihrem Haus habe.
3
Am 4. Februar 2024 ging bei der Einsatzzentrale der Polizei um 12.23 Uhr ein Notruf der Antragstellerin ein, in dem sie mitteilte, ihr Ehemann habe ihr angedroht, ihr etwas anzutun. Weiter gab sie an, bereits in der Nacht vom 3. zum 4. Februar 2024 bei der Notrufzentrale angerufen zu haben, ohne ihren Namen anzugeben. Ihr Mann sei ihr gegenüber verbal aggressiv gewesen und habe damit gedroht, sie zu erwürgen, weshalb sie die Nacht aus Angst mit einem Messer bewaffnet auf dem Sofa verbracht habe. Momentan sei ihr Ehemann mit dem Hund außer Haus und sie habe versucht, den Code des Waffenschrankes zu ändern, was ihr jedoch nicht gelungen sei, so dass dieser jetzt offenstehe. Sie bitte daher um ein rasches Eintreffen einer Streifenbesatzung.
4
Bei Eintreffen der Streifenbesatzung im Anwesen der Antragstellerin war deren Ehemann bereits wieder anwesend und verweigerte der Polizei den Zutritt. Die ebenfalls anwesende Antragstellerin gab gegenüber den Polizeibeamten an, dass „alles nicht so gewesen sei“ wie in ihrer Meldung. Auch die befragten Kinder des Ehepaares gaben an, nichts mitbekommen zu haben und dass noch am Vormittag „ein lustiges Kartenspiel“ mit den Eltern stattgefunden habe. In der polizeilichen Ereignismeldung der Polizeiinspektion … bei … vom 4. Februar 2024 ist festgehalten, dass die Antragstellerin und die Kinder auf die Polizeibeamten eingeschüchtert gewirkt hätten. Gesprächs- und Hilfsangebote seien abgelehnt worden. In der Behördenakte befinden sich jeweils eine Abschrift eines Notfallprotokolls der Polizeiinspektion … bei … vom 4. Februar 2024 (Nacht) und von dem Anruf der Antragstellerin am Mittag, worauf Bezug genommen wird.
5
Nach Anhörung der Antragstellerin zum beabsichtigen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 12. April 2024 die der Antragstellerin erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse (Ziffer 1) und erklärte die ihr erteilte jagdrechtliche Erlaubnis für ungültig und eingezogen (Ziffer 2). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, die genannten Erlaubnisse spätestens vier Wochen nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt zu übergeben (Ziffer 3) sowie ihre Feuerwaffen und Munition binnen vier Wochen nach Bescheidszustellung einem Berechtigten zu übergeben oder durch einen Berechtigten unbrauchbar zu machen (Ziffer 4). Für den Fall der Nichterfüllung der unter Ziffern 3 und 4 genannten Verpflichtungen wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € pro Erlaubnis und in Höhe von 500,- € pro Waffe angedroht. Für die Ziffern 2, 3, und 4 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 5) und eine kostenrechtliche Entscheidung getroffen (Ziffer 6). Die Entscheidung wurde im Wesentlichen mit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit der Antragstellerin begründet, die unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG und § 17 BJagdG darauf zurückgeführt wurde, dass aufgrund der bei dem Notruf der Antragstellerin am 4. Februar 2024 getroffenen Aussagen davon ausgegangen werden müsse, dass diese jedenfalls bis 4. Februar 2024 ihrem verurteilten und waffenrechtlich unzuverlässigen Ehemann den Zugriff auf ihren Waffenschrank gewährt habe. Auf die weitere Begründung wird verwiesen.
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Die Antragstellerin hat hiergegen mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 6. Mai 2024 Klagen erheben lassen und zugleich, hier streitgegenständlich, vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Sie rügt, dass die behördliche Anhörung die jagdrechtliche Erlaubnis nicht erfasst habe. Sie greift außerdem an, der Sofortvollzug sei nur mit allgemeinen Erwägungen begründet und die Rückgabefrist zu kurz bemessen worden. Außerdem sei der Bescheid zu unbestimmt, weil er die konkreten Waffen nicht benenne. Unabhängig davon sei der Lebenssachverhalt, auf den sich der Bescheid stütze, nicht ausreichend aufgeklärt. Die Akten machten deutlich, dass der sachbearbeitende Beamte das Geschehen nicht neutral geführt habe. Die kurzfristige Kontaktaufnahme der Antragstellerin mit der Polizei zeige nur, dass diese kurzfristig in Panik gefallen sei. Es sei auf der Tonaufnahme nicht zu hören, dass der Ehemann Zugang zu den Waffen gehabt habe. Die Staatsanwaltschaft habe das aufgrund dieses Sachverhalts gegen die Antragstellerin und deren Ehemann eingeleitete Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, was ein starkes Indiz für die Einlassung der Antragstellerin darstelle. Diese habe sich bislang waffenrechtlich untadelig verhalten.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 12. April 2024 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Der Antragsgegner hat keinen nach § 55 d Satz 1 VwGO wirksamen Antrag gestellt.
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Die zunächst unterbliebene Anhörung hinsichtlich der Einziehung der jagdrechtlichen Erlaubnis hat das Landratsamt nachgeholt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der in den gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze in den Haupt- und Eilverfahren verwiesen.
II.
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Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
12
Die Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen sind unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nrn. 2 bis 4 des Bescheids vom 12. April 2024 formell rechtmäßig ist und das (bezüglich Nr. 1 des Bescheids kraft Gesetzes bestehende – vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache erhobenen Klagen überwiegt.
13
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
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Es spricht einiges dafür, dass der unter Ziffern 1 und 2 des Bescheids verfügte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse bzw. die Ungültigkeitserklärung der jagdrechtlichen Erlaubnis voraussichtlich trotz der bestehenden, im Hauptsacheverfahren ggf. noch zu klärenden Unklarheiten über den tatsächlichen Geschehensablauf rechtlich nicht zu beanstanden ist. Unabhängig davon ergibt jedenfalls die im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten hinsichtlich der Hauptsacheverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung, dass hier das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids den Interessen der Antragstellerin vorgeht.
15
1. Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. 2 bis 4 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die vom Landratsamt vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts handelt. Es reicht dabei jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs ohnehin gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456 – juris Rn. 12). Vorliegend hat das Landratsamt hinreichend konkret und unter Bezugnahme auf die vorliegende Situation die für diese Fallgruppe typische Interessenlage aufgezeigt und deutlich gemacht, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt.
16
2. Auch die zunächst fehlerhaft unterbliebene Anhörung hinsichtlich des beabsichtigten Entzugs der jagdrechtlichen Erlaubnis wurde vom Landratsamt nachgeholt und damit geheilt.
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3. Die Antragstellerin hat nach Abwägung ihres privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. 1 des Bescheids) und der Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins (Nr. 2 des Bescheids) sowie der in den Nrn. 3, 4 und 6 hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen.
18
Entgegen der Einlassung der Antragstellerin kann nicht von einer fehlenden Bestimmtheit des Bescheids ausgegangen werden, da das Landratsamt die Waffenbesitzkarten und den Jagdschein konkret benannt hat. Aufgrund der darin vorhandenen Eintragungen ist bestimmbar, worauf sich die in Ziffer 4 des Bescheids ausgesprochene Verpflichtung bezieht. Zudem greift die Rüge der zu kurz bemessenen Rückgabepflicht nicht durch. Auch im Übrigen vermögen die Einwendungen der Antragstellerin gegen den Bescheid bei summarischer Betrachtung nicht zu überzeugen.
19
Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – hier die im Bescheid aufgeführten Waffenbesitzkarten der Antragstellerin (§ 10 Abs. 1 WaffG) – zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung einer Erlaubnis hätten führen müssen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht (mehr) gegeben sind, unter anderem gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann, wenn die Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers im Sinne von § 5 WaffG entfallen ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Des Weiteren ist die zuständige Behörde nach § 18 Satz 1 BJagdG in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, einen Jagdschein für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach dessen Erteilung eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Die danach sowohl waffen- als auch jagdrechtlich vorzunehmende Zuverlässigkeitsprognose hat sich an dem Zweck der Gesetze zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – BayVBl 2015, 463 = juris Rn. 17 m.w.N.). Es ist kein Nachweis erforderlich, dass der bzw. die Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht (BVerwG a.a.O.).
20
Danach spricht viel dafür, dass das Landratsamt zu Recht die waffen- und jagdrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin bejaht hat, die zwingend den Widerruf bzw. die Ungültigkeitserklärung ihrer waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse nach sich zieht. Denn aufgrund der Erkenntnisse aus den Notrufen am 4. Februar 2024 spricht viel dafür, dass dem Ehemann der Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt der Code zu dem Waffenschrank entgegen ihrer Erklärung vom 19. Juni 2023 bekannt war und er damit auf die darin befindlichen Waffen und Munition zugreifen konnte. Denn anderenfalls ist es kaum nachvollziehbar, warum die Antragstellerin versucht haben will, diesen in der ehelichen Krisensituation, in der sie sich zum Zeitpunkt der getätigten Notrufe befand und die auch von ihr selbst in ihrer Stellungnahme zum Anhörungsschreiben und im gerichtlichen Verfahren eingeräumt wurde, zu ändern. Der Ehemann der Antragstellerin war jedoch seit Juni 2023 unstreitig zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht (mehr) berechtigt.
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Danach dürfte bereits die summarische Prüfung des Bescheids vom 12. April 2024 ergeben, dass der Bescheid rechtmäßig sein und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Aus dem Umstand, dass das Strafverfahren gegen die Antragstellerin und deren Ehemann eingestellt worden ist, ergibt sich für die behördliche Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit schon wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs im Straf- und Ordnungsrecht keine Bindungswirkung (BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 24f.)
22
Ungeachtet dessen ergibt jedenfalls die im Falle offener Erfolgsaussichten vorzunehmende reine Interessenabwägung, dass den Anträgen nicht stattgegeben werden kann. Hinsichtlich der waffenrechtlichen Erlaubnisse ergibt sich das bereits daraus, dass das Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit durch das einschlägige materielle Recht bereits vorgeprägt ist. Angesichts des mit dem privaten Waffenbesitz verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, dieses Risiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (stRspr, vgl. schon BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 27). Ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt, überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse, die Gefahr eines vorschriftswidrigen Umgangs mit Schusswaffen mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden, das private Interesse des Betroffenen, von den Wirkungen des Widerrufs bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben. In Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG angeordnet – haben die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchzuführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2024 – 24 CS 23.2264 u.a – juris Rn. 24 m.w.N.). Vorliegend hat die Antragstellerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sie in besonderer Weise auf ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse angewiesen ist und hier ausnahmsweise Gründe vorliegen, um von der gesetzlichen Wertung Abstand zu nehmen. Das bloße private Interesse an der Betätigung als Jägerin reicht dafür nicht aus (BayVGH a.a.O.). Im Hinblick auf diese Überlegungen überwiegt auch das Interesse an dem von der Behörde angeordneten Sofortvollzug der Ungültigkeitserklärung und des Einzugs des Jagdscheins die Interessen der Antragstellerin an der Suspensivwirkung der von ihr eingereichten Klagen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist in Verfahren wegen des Entzugs des Jagdscheins 8.000,- Euro, für den Widerruf der Waffenbesitzkarten unabhängig von deren Anzahl (BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 24) einschließlich einer Waffe der Auffangstreitwert (5.000,- EUR) zuzüglich 750,- Euro für jede weitere Waffe bzw. eingetragene Waffenteile anzusetzen. Die sich daraus ergebenden Streitwerte sind in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit).