Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen eine Abschiebungsandrohung nach Griechenland (Sicherer-Drittstaat-Verfahren)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
VerfahrensRL Art. 33 Abs. 2 lit. a
Leitsatz:
Für die Personengruppe der anerkannten Schutzberechtigten, die allein nach Griechenland zurückkehren und jung, gesund und arbeitsfähig sind, ist - vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls - nicht (mehr) generell von einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK aufgrund systemischer Schwachstellen auszugehen (Anschluss an VGH Kassel BeckRS 2024, 22466). (Rn. 20 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Drittstaatenbescheid, Griechenland, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (verneint), Unzulässigkeitsentscheidung, Abschiebungsandrohnung, sicherer Drittstaat, systemische Mängel, junge, gesunde und arbeitsfähige international Schutzberechtigte
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25900
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die angedrohte Abschiebung nach Griechenland.
2
Beim Antragsteller handelt es sich nach eigenen Angaben um einen syrischen Staatsangehörigen mit arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens. Er stellte am 22.03.2024 einen förmlichen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. Der EURODAC-Abfrage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) kann entnommen werden, dass dem Antragsteller in Griechenland mit Entscheidung der griechischen Behörden vom 26.10.2023 internationaler Schutz gewährt wurde.
3
Im Rahmen der persönlichen Anhörung zur Klärung des zuständigen Mitgliedstaates und zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages am gleichen Tag gab der Antragsteller an, sein Heimatland bereits am 20.09.2016 verlassen zu haben. In der Folge habe er sich ca. 7 ½ Jahre in der Türkei aufgehalten, wo er gearbeitet habe. Am 13.07.2023 sei er sodann nach Griechenland eingereist, wo er am 11.09.2023 internationalen Schutz beantragt habe. Er habe dort auf … gelebt. In die Bundesrepublik Deutschland sei er am 30.12.2023 eingereist.
4
Bei seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG am 27.03.2024 gab der Antragsteller an, die Schule bis zur 2. Klasse besucht und sodann abgebrochen zu haben. Er habe in der Türkei als Schneider und Automechaniker gearbeitet. Syrien habe er wegen dem Krieg verlassen. Er sei auch zum Wehrdienst verpflichtet gewesen. Ihr Haus sei bombardiert worden. Bei Rückkehr nach Syrien habe er Angst vor dem Wehrdienst und dem Krieg. In Deutschland lebe eine Schwester, die seit 9 Monaten hier sei. Im Heimatland lebe noch seine Großfamilie; er habe dort 7 Geschwister.
5
In seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags, die ebenfalls am 27.03.2024 stattfand, wurde dem Antragsteller vorgehalten, dass er sich nach den Erkenntnissen des Bundesamtes in Griechenland aufgehalten, dort einen Asylantrag gestellt und internationalen Schutz erhalten habe. Hierzu gab der Antragsteller an, dass dies zutreffe, er aber gezwungen worden sei. Er habe nach Deutschland zu seiner Schwester gewollt. Es sei ihm nicht erlaubt worden, die Insel zu verlassen. In Griechenland habe er auf … und dann auf der Insel … gelebt. Auf Nachfrage, wie er seinen Aufenthalt in Griechenland finanziert habe, gab der Antragsteller an, dass er dort in einem Camp gelebt habe. Er habe dort keinen Asylantrag stellen wollen, weil er der Meinung gewesen sei, dass Griechenland nicht das richtige Land für ihn sei. Er sei dort zu seinen Fluchtgründen angehört worden. Nach Griechenland wolle er nicht zurück. Seine Schwester und er seien zusammen ausgereist und wollten zusammenbleiben. Er habe dort niemanden.
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Mit Bescheid vom 03.09.2024, der laut Empfangsbestätigung dem Antragsteller am 09.09.2024 ausgehändigt wurde, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, widrigenfalls wurde eine Abschiebung nach Griechenland angedroht (Ziff. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 4). Zur Begründung stützte sich die Antragsgegnerin im Wesentlichen darauf, dass der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei, weil dem Antragsteller bereits in Griechenland internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden sei. Der Asylantrag werde daher in Deutschland nicht materiell geprüft. Der Entscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stehe im Falle des Antragstellers auch nicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinem Urteil vom 19.03.2019 (C-297/17) entgegen, wonach eine entsprechende Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nur dann möglich sei, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK (Art. 4 GRCh) zu erfahren. Die derzeit schwierigen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Griechenland würden nicht verkannt, von einer allgemeinen Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Griechenland könne deswegen aber nicht ausgegangen werden. Weder sei eine Verletzung des in Art. 26 ff. der RL 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebots erkennbar, noch herrschten in Griechenland derart eklatante Missstände, welche die Annahme rechtfertigten, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden. Die Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Griechenland mögen zwar sehr schwierig sein, zumal sie – anders als die griechische Bevölkerung – in der Regel nicht über ein familiäres Netzwerk verfügten. Es herrschten allerdings nicht derart eklatante Missstände, die den Schluss zuließen, international Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Es liege keine Versorgungsverweigerung des griechischen Staates vor. Eventuelle Defizite genügten nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Situation für international Schutzberechtigte in Griechenland anzunehmen. Die Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland habe sich insgesamt im Vergleich zu vorherigen Jahren verbessert. Es sei dem Antragsteller somit möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative zu vermeiden, dass er in eine Situation extremer materieller Not gerate, die es ihm nicht erlauben würde, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers sei insbesondere die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 34, 35 AsylG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Im Übrigen und bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheides vom 03.09.2024 verwiesen.
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Am 11.09.2024 erhob der Antragsteller zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage (Az. B 3 K 24.32609) und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Zur Begründung gab er an, dass er nicht zurück nach Griechenland wolle, da er dort nicht leben möchte. Er habe von Anfang an vorgehabt, in Deutschland Asyl zu erhalten. Die Gründe für sein Asylersuchen in Deutschland habe er bei den zwei bisherigen Anhörungen beim Bundesamt in … bereits vorgetragen; er bitte um entsprechende Berücksichtigung.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 12.09.2024, den Antrag abzulehnen.
10
Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übermittelten Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag, über den gem. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, da die Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Er wurde auch innerhalb der Wochenfrist gemäß § 74 Abs. 1 Hs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 Satz 1 AsylG gestellt.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Dabei darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der Abschiebung jedoch nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris; VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 – Au 7 S 17.30519 – juris).
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Bei Anlegung dieses Maßstabs begegnet die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Das Bundesamt stützte seine Abschiebungsandrohung auf § 35 AsylG, wonach es in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 dem Ausländer die Abschiebung in den Staat androht, in dem er vor Verfolgung sicher war. Vorliegend hat das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu Recht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt. Demnach ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
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a. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor:
19
aa. Dem Antragsteller ist bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden. Die EURODAC-Datenabfrage (EURODAC-IFM-Meldung) des Bundesamtes ergab eindeutig, dass dem Antragsteller am 26.10.2023 in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den Angaben des Antragstellers, insbesondere im Rahmen seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 27.03.2024. Hier bestätigte der Antragsteller auf Nachfrage des Bundesamtes, in Griechenland (gezwungenermaßen) einen Asylantrag gestellt und – nach Anhörung zu seinen Fluchtgründen – dort internationalen Schutz erhalten zu haben. Dies wurde auch im weiteren Verfahren vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Im Ergebnis bestehen daher keinerlei Zweifel, dass dem Antragsteller in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden ist.
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bb. Die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist im Falle des Antragstellers auch nicht aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
21
Liegen die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausnahmsweise ausgeschlossen sein. Denn bei Erlass einer Unzulässigkeitsentscheidung führen die Mitgliedstaaten das Recht der Europäischen Union aus. Sie müssen daher gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh die Grundrechtecharta und die zu ihrer Auslegung ergangene Rechtsprechung des EuGHs sowie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die zu ihrer Auslegung ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beachten. Daher darf ein Mitgliedstaat nicht von der Befugnis in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Verfahrens-RL Gebrauch machen, wenn der Ausländer in dem Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, der ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn dort erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu erfahren (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540.17 – juris; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297-17 – juris; BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris; BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris). In zeitlicher Hinsicht muss die menschenrechtswidrige Behandlung infolge der festgestellten Funktionsstörung in einem absehbaren Zeitraum zu befürchten sein (vgl. BayVGH, U.v. 04.03.2024 – 24 B 22.30376 – juris).
22
Insgesamt gilt, dass Verstöße gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK (vgl. SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris) im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris).
23
Dem hiesigen Antragsteller droht jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“, vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2020 – 1 C 35/19 – juris; EuGH, U.v. 22.2.2022 – C-483/20 – juris), eine derartige Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh in Griechenland zu erfahren.
24
Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh kommt dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Bedeutung zu. Er verlangt von jedem Mitgliedstaat grundsätzlich, davon auszugehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – juris). Diese Vermutung beansprucht nur dann keine Geltung, wenn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass die betreffende Person im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris). Folglich gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die widerlegliche Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen damit nach der Rechtsprechung des EuGHs nur dann unter Art. 4 GRCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris; U.v. 19.3.2019 – C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 – juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris; vgl. auch: BayVGH, B.v. 27.9.2023 – 24 B 22.30953 – juris). Bei der für Art. 4 GRCh maßgeblichen Bewertung der Lebensverhältnisse, die einen Antragsteller im Falle seiner Rückkehr erwarten, sind zunächst seine Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern, zu berücksichtigen. Insoweit ist es den Betroffenen gegebenenfalls auch zumutbar, eine wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden kann (BVerwG, B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris). Auch reicht der Umstand, dass die betreffende Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, regelmäßig nicht für das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21- juris). Bei der Bewertung sind ferner die staatlichen Unterstützungsleistungen und auch die – alleinigen oder ergänzenden – dauerhaften Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris). Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris).
25
Gemessen an den oben genannten Anforderungen geht das Gericht auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Auskunftsmittel nicht davon aus, dass dem Antragsteller als anerkannt Schutzberechtigten im Fall einer Rückkehr nach Griechenland dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Verelendung droht.
26
Dabei wird nicht verkannt, dass das griechische Aufnahmesystem in Bezug auf international anerkannte Schutzberechtigte, die nach Anerkennung das Land verlassen und nach längerem Auslandsaufenthalt nach Griechenland zurückkehren, in mehreren Bereichen erhebliche Defizite aufweist. Für diese Personengruppe ist zumindest in den ersten sechs Monaten nach Rückkehr der Zugang zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen unabhängig von ihren Bemühungen mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden (vgl. insofern ausführlich HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 489/23.A – juris Rn. 41 ff. m.w.N.). So sind die Ankömmlinge, die nicht im Besitz von gültigen Dokumenten sind, zunächst weitgehend sich selbst überlassen. Sie erhalten insbesondere keine klaren und genauen Informationen über die Behörden, an die sie sich wenden sollten, um notwendige Dokumente zu erhalten (vgl. AIDA: Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 249). Darüber hinaus bestehen erhebliche bürokratische Hindernisse, um an wichtige amtliche Dokumente zu gelangen, die wiederum für den Zugang zum regulären Wohnungsmarkt, zur Sozialhilfe, zur Gesundheitsversorgung und zum offiziellen Arbeitsmarkt Voraussetzung sind. So begründet ein positiver Asylbescheid für sich allein noch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (RPC/ADET; ProAsyl/RSA, Beneficiaries of international protection in Greece, 01.04.2024, S. 6). Hierzu wird ein entsprechender Bescheid der zuständigen regionalen Asylbehörde (RAO) oder der Autonomous Asylum Unit (AAU) benötigt, der nicht älter als sechs Monate sein darf (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 23). Bei der Ausstellung oder Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen, deren Gültigkeit für anerkannte Flüchtlinge drei Jahre und für subsidiär Schutzberechtigte ein Jahr (um zwei weitere Jahre verlängerbar) beträgt, kommt es zu großen Verzögerungen, teilweise von über einem Jahr (hierzu näher BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 23 f. m.w.N.; vgl auch AIDA: Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 248). Für die Dauer der Verlängerung erhalten die betroffenen Personen kein Dokument, das ihren Status belegen könnte (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 23 f.). Die Aufenthaltserlaubnis ist Voraussetzung für den Erhalt weiterer wichtiger Dokumente und für den Zugang zu Sozialleistungen, für die Anmietung von Wohnraum, für eine legale Beschäftigung, für die Teilnahme an Integrationskursen und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten – oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 24). Zu den Dokumenten, die eine Aufenthaltserlaubnis voraussetzen, gehört unter anderem die Steueridentifikationsnummer (AFM). Diese ist wiederum Bedingung für die Eröffnung eines Bankkontos, die Anmietung von Wohnraum, den Erhalt der Sozialversicherungsnummer (AMKA) und den Zugang zum Arbeitsmarkt (AIDA: Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 249). In der Praxis ist die Ausstellung der AFM mit erheblichen Verzögerungen verbunden (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 25). Um die AFM erhalten zu können, muss insbesondere der Wohnsitz durch eine vom Aufnahmezentrum ausgestellte Bestätigung, eine Stromrechnung oder eine Kopie eines auf den Namen abgeschlossenen Mietvertrags nachgewiesen werden (BFA, a.a.O.). Die Aufenthaltserlaubnis ist – neben der Angabe einer Korrespondenzadresse sowie der AFM – auch erforderlich für die Ausstellung einer Sozialversicherungsnummer (AMKA), die ihrerseits Voraussetzung für den Zugang zur Gesundheitsversorgung, zum regulären Arbeitsmarkt sowie zu Sozialleistungen ist. Die bürokratischen Hürden und langen Wartezeiten für die Erlangung der ADET wirken sich damit auch auf die Ausstellung der AMKA aus (RPC/ADET; ProAsyl/RSA, Beneficiaries of international protection in Greece, 01.04.2024, S. 19). Da die Aufenthaltserlaubnis in Griechenland zudem von zahlreichen Stellen nicht als gültiges Ausweisdokument anerkannt wird, ist auch ein gültiges Reisedokument erforderlich, insbesondere für die Eröffnung eines Bankkontos (vgl. RPC/ADET; ProAsyl/RSA, Beneficiaries of international protection in Greece, 01.04.2024, S. 16). Reisedokumente werden von der zuständigen Passdirektion der griechischen Polizei ausgestellt, wobei eine Gebühr in Höhe von ca. 84 EUR zu entrichten ist. Dabei müssen Schutzberechtigte unter anderem eine Bestätigung der diplomatischen Behörde ihres Herkunftslandes vorlegen, dass sie keinen nationalen Pass erhalten können, wobei die Ausstellung einer solchen Bescheinigung im Ermessen der jeweiligen Behörde liegt (AIDA, Country Report: Greece Update 2023, 10.06.2024, S. 267). Auch wenn alle erforderlichen Schritte abgeschlossen wurden, ist regelmäßig noch mit einer längeren Wartezeit von drei bis zu acht Monaten bis zur eigentlichen Ausstellung des Dokuments zu rechnen (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 25). Die genannten bürokratischen Hürden bringen es mit sich, dass es für anerkannte Schutzberechtigte nahezu unmöglich ist, auf dem griechischen Wohnungsmarkt kurzfristig eine reguläre Unterkunft zu finden. Hinzu kommt, dass eine Wohnung in der Praxis nur der findet, der einer festen Erwerbstätigkeit nachgeht, wobei zu berücksichtigen ist, dass Griechenland die zweithöchste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union verzeichnet (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 26). Weitere Schwierigkeiten bilden die Sprachbarriere bei der Kommunikation mit Vermietern, Vorbehalte gegenüber ausländischen Wohnungssuchenden und der Mangel an günstigem Wohnraum (BFA, a.a.O.). Nachdem anerkannte Schutzberechtigte rechtlich den griechischen Staatsangehörigen gleichgestellt sind, gibt es zudem keine spezifischen Wohnungsangebote für diese Personengruppe von staatlicher Seite (AA: Auskunft an das VG Berlin vom 04.12.2019). Sie können sich insbesondere grundsätzlich nicht an eine Flüchtlingsunterkunft wenden und dort Obdach finden (SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, S. 7; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 26). Soweit finanzielle Unterstützungsangebote speziell für anerkannt Schutzberechtigte von staatlicher Seite ins Leben gerufen wurden, sind diese für Personen, die nach längerem Auslandsaufenthalt nach Griechenland zurückkehren, regelmäßig schwer erreichbar (vgl. näher BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 26 f.). Die allgemeine staatliche Wohnbeihilfe in Höhe von 70,00 EUR für Einzelpersonen kann erfolgreich erst nach Nachweis eines Wohnsitzes in Griechenland von mehr als 5 Jahren beantragt werden (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 26; AIDA: Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 277). Zwar betreiben auch einige Nichtregierungsorganisationen Unterkünfte für anerkannte Schutzberechtigte; insgesamt stehen hier aber nur wenige Plätze zur Verfügung, die überdies teilweise nur bestimmten vulnerablen Zielgruppen offenstehen (vgl. hierzu BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 29 f.). Schließlich existieren als offizielle Anlaufstellen für anerkannt Schutzberechtigte nur noch die Obdachlosenunterkünfte. Diese stehen zwar allen Obdachlosen gleichermaßen offen, weshalb anerkannte Schutzberechtigte sich hier um eine Unterkunft bewerben können. Es herrscht hier jedoch eine große Nachfrage; zudem werden mangels Dolmetscherdienste in manchen Unterkünften auch nur griechisch- oder englischsprachige Personen aufgenommen (AIDA: Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 271). Im Ergebnis ist angesichts der bisherigen Auskunftslage davon auszugehen, dass es für anerkannte Schutzberechtigte mit großen Schwierigkeiten verbunden sein wird, in einer der Obdachlosenunterkünfte aufgenommen zu werden (vgl. VGH Kassel, U.v. 06.08.2024 – 2 A 489/23.A – juris Rn. 92). Unabhängig davon werden Obdachlose vor allem durch Tageszentren und mobilen Teams auf der Straße unterstützt, welche die Versorgung von elementaren Grundbedürfnissen (Kleidung, Hygiene, leichte Mahlzeiten, Kurzaufenthalte) sicherstellen sowie bei Bedarf den Kontakt zu weiteren Sozialdiensten herstellen (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, 01.02.2023, S. 9). Die meisten Tageszentren befinden sich in der Region Attika (Deutsche Botschaft Athen, a.a.O.). Neben den allgemeinen, ebenfalls auf Erfüllung von Grundbedürfnissen ausgerichteten mobilen Teams gibt es auch spezialisierte Teams, die sich etwa um Gesundheitsversorgung oder die Lebensmittelversorgung kümmern (Deutsche Botschaft, a.a.O.). Zudem gibt es Migrantenorganisationen, die eine wichtige Rolle als Anlaufstellen für ihre Landsleute erfüllen und zudem Hilfestellungen anbieten (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 30). Auch was den Lebensunterhalt anbelangt, sind anerkannt Schutzberechtigte weitgehend auf sich selbst gestellt. So setzen öffentliche Sozialleistungen das Vorhandensein diverser behördlicher Bescheinigungen voraus und knüpfen überdies an einen nachgewiesenen ununterbrochenen legalen Aufenthalt in Griechenland über einen jeweils näher bestimmten, längeren Zeitraum hinweg an (vgl. hierzu ausführlich AIDA, Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 276 ff.). Vor diesem Hintergrund stellt die tägliche Lebenshaltung viele anerkannte Schutzberechtigte vor große Probleme (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 32). Sie sind auf finanzielle Unterstützung sowie auf die Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Gütern angewiesen (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 31.01.2024, S. 32). Hier sind es vor allem Nichtregierungsorganisationen, die Hilfestellungen gewähren (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 32). Vorgenanntes erhellt, dass anerkannte Schutzberechtigte zur dauerhaften Sicherung ihres Lebensunterhalts letztlich auf ein Einkommen durch eigene Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Insofern gilt, dass sie zwar rechtlich den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt wie griechische Staatsangehörige haben, insbesondere benötigen sie keine gesonderte Arbeitserlaubnis. Gleichwohl gestaltet sich der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt für zurückgekehrte anerkannte Schutzberechtigte schwierig. Insofern sei zum einen auf die oben skizzierten notwendigen behördlichen Registrierungen und Bescheinigungen verwiesen, die für diesen Personenkreis schwer kurzfristig zu erhalten sind. Zum anderen verhindern die im europäischen Vergleich hohe Arbeitslosenquote und der Wettbewerb mit griechisch-sprachigen Arbeitnehmern weiterhin die Integration der anerkannten Schutzberechtigten in den offiziellen Arbeitsmarkt (AIDA, Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 273). Drittstaatsangehörige sind in den relevanten statistischen Daten nach wie vor überrepräsentiert (AIDA, a.a.O.). Staatliche Programme zur Arbeitsintegration oder Sprachkurse sind kaum vorhanden (SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, S. 8). Eine Reihe von Organisationen bieten zwar Sprach- und Integrationskurse im Rahmen des HELIOS-Programms an, welches aber für anerkannte Schutzberechtigte nur schwer zugänglich ist (s.o.). Beratungen in diesem Zusammenhang können Personen mit internationalem Schutzstatus allerdings bei einem vom Ministerium für Migration und Asyl angebotenen sog. „Helpdesk für soziale Integration“ erhalten (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 32). Insgesamt geben laut einer Studie des UNHCR lediglich 45% der befragten Flüchtlinge an, über eigene Erwerbstätigkeit (legal und informal) an finanziellen Mittel gekommen zu sein; die anderen Befragten kamen in 4% der Fälle über das HELIOS-Programm und in 10% über Nichtregierungsorganisationen an Geld; Unterstützung von Verwandten außerhalb Griechenlands erhielten 9%, Unterstützung von anderen Flüchtlingen 12% (UNHCR, Protection Monitoring of Refugees in Greece, August 2023, S. 2). Von Ernährungsunsicherheiten betroffen waren laut einer Studie 70% der weiblichen und 62% der männlichen befragten Personen (UNHCE/ETHzürich, Home for good, 01.12.2023, S. 31). Auch der freie Zugang zur Gesundheitsversorgung steht anerkannten Schutzberechtigten zwar rechtlich unter den gleichen Bedingungen zu, wie sie für Inländer gelten. Allerdings ist der tatsächliche Zugang zu Gesundheitsdiensten in der Praxis aufgrund der bestehenden Sparpolitik in diesem Bereich durch einen Mangel an Ressourcen und Kapazitäten sowohl für Ausländer als auch für die einheimische Bevölkerung behindert (SFH, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, S. 10). Für anerkannte Schutzberechtigte erschweren zudem die erwähnten administrativen Hindernisse bei der Ausstellung einer Sozialversicherungsnummer (AMKA) den Zugang zur Gesundheitsversorgung (vgl. AIDA, Country Report Greece Update 2023, 01.06.2024, S. 278). Wer über keine Sozialversicherungsnummer verfügt, hat – abgesehen von Notfällen – im Krankheitsfall keinen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen müssen privat bezahlt werden (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 32 f.). Auch stellt die Sprachbarriere eine große Herausforderung bei der medizinischen Versorgung dar. Teilweise betreiben allerdings auch Nichtregierungsorganisationen medizinische Zentren und Polikliniken, die unter anderem für Schutzberechtigte medizinische Leistungen anbieten (BFA, a.a.O.).
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Trotz der beschriebenen Defizite des griechischen Aufnahmesystems geht das erkennende Gericht – vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls – jedenfalls für die Personengruppe der anerkannten Schutzberechtigten, die allein nach Griechenland zurückkehren und jung, gesund und arbeitsfähig sind, nicht (mehr) generell von einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK aufgrund systemischer Schwachstellen aus (ebenso HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 489/23.A – juris; VG Bayreuth, B.v. 2.8.2024 – B 7 S 24.31985 – juris; VG Ansbach, B.v. 7.8.2024 – AN 17 S 24.50438 – juris; VG Hamburg, U.v. 28.06.2024 – 12 A 4023/22 – juris; a.A. VG München, U.v. 29.8.2024 – M 17 K 23.30508 – juris). Insofern sind insbesondere folgende Gesichtspunkte maßgebend: Die Wirtschaftslage in Griechenland hat sich insgesamt entspannt. Die Konjunktur wuchs im Jahr 2022 um mehr als 5% (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Volkswirtschaftliche Daten zu Griechenland, Italien, Portugal und Spanien vom 03.08.2023, S. 6). Der Wirtschaftsaufschwung macht sich dabei auch positiv auf den Arbeitsmarkt bemerkbar. Die Arbeitslosenquote ist zwar in Griechenland nach wie vor hoch, mittlerweile ging sie jedoch auf unter 10% zurück (Statistisches Bundesamt, unter https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit-Soziales/Arbeitsmarkt/EUArbeitsmarktMonat.html, zuletzt abgerufen am 26.09.2024). Zudem handelt es sich bei den als arbeitslos gemeldeten Personen überwiegend um schwer zu vermittelnde Langzeitarbeitslose (Handelsblatt, Griechenland sucht Gastarbeiter für sein Wirtschaftswunder, 27.03.2024). Insgesamt ist festzustellen, dass der Bedarf an Arbeitskräften in Griechenland stark gestiegen ist (vgl. Handelsblatt, a.a.O.). Insbesondere im Bausektor sowie in Regionen, in denen die lokale Wirtschaft auf dem Tourismus oder der Landwirtschaft basiert, herrscht Arbeitskräftemangel. Zunehmend suchen daher Arbeitgeber aktiv nach Arbeitskräften, auch unter den anerkannten Schutzberechtigten (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, 01.02.2023, S. 7). Auch wirbt die griechische Regierung gezielt Arbeitskräfte aus Drittstaaten, wie etwa Ägypten, an (Reuters, Greece to bring in Egyptian farm workers amid labour shortage, 10.05.2024). Die heutige Situation ist damit nicht vergleichbar mit der Situation Anfang der 2020er Jahre, die noch maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt war, von der Migranten besonders hart betroffen waren, insbesondere wegen ihrer zumeist prekären Beschäftigungssituation und fehlenden sozialen Sicherheitsnetzen (VG Hamburg, U.v. 28.06.2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 69 m.w.N.). Vor allem im Bereich der Schattenwirtschaft hat die Personengruppe der anerkannt Schutzberechtigten die größten Chancen, eine Arbeit zu finden (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 36). Der Anteil der informellen Wirtschaftstätigkeit in Griechenland ist in den letzten Jahren zwar deutlich gesunken, jedoch nach wie vor hoch (vgl. IMF, Recent Trends of Informality in Greece: Evidence from Subnational Data, Februar 2024). In diesem Bereich finden anerkannte Schutzberechtigte in der Regel über ihre sozialen Netzwerke Arbeit (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 36). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist es auch nicht unzumutbar, anerkannte Schutzberechtigte nach Rückkehr für eine Übergangszeit auf eine Arbeit im Bereich der Schattenwirtschaft zu verweisen, bis sie eine offizielle Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt gefunden haben. Insofern ist höchstrichterlich geklärt, dass auch solche Tätigkeiten zumutbar sind, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Tourismussaison, ausgeübt werden, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind (BVerwG, B.v. 27.01.2022 – 1 B 93/21 – juris Rn. 25). Zudem gilt, dass sich etwaige staatliche Sanktionen im Zusammenhang mit Schwarzarbeit in Griechenland in erster Linie gegen die verantwortlichen Arbeitgeber, nicht jedoch gegen die Beschäftigten richten, sofern sich diese nicht illegal im Land aufhalten (vgl. VG Hamburg, U.v. 28.06.2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 75 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der bestehenden Auskunftslage derzeit Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen kein augenscheinliches Massenphänomen in Griechenland ist. Dies ist vor allem auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzungen innerhalb der jeweiligen Landsleute zurückzuführen, über die auf informelle Unterkunftsmöglichkeiten zurückgegriffen werden kann (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 27). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Gruppe der Syrer – neben Somali und Afghanen – noch bis 2020 die höchste Anerkennungsquote in Griechenland hatte (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation: Griechenland, 21.06.2024, S. 15). Sie zählt zudem zu den drei größten Flüchtlingsgruppen in Griechenland (vgl. UNHCE/ETHzürich, Home for good, 01.12.2023, S. 6). Dass die über soziale Netzwerke gefundenen Unterkünfte dabei generell menschenunwürdig und damit unzumutbar sind, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden (vgl. hierzu ausführlich HessVGH, U.v. 6.8.2024 – 2 A 489/23.A – juris Rn. 155 ff.).
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Unter Zugrundelegung der vorgenannten Ausführungen ist nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“) von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Antragstellers bei einer Rückkehr nach Griechenland auszugehen. Die Prognose einer „Verelendung“ kann für ihn nicht gestellt werden. Der Antragsteller ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er gehört als syrischer Staatsangehöriger zudem einer stark repräsentierten Bevölkerungsgruppe innerhalb der Einwanderer in Griechenland an. Es ist bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten, dass er hier bei seinen Landsleuten einen gewissen Anschluss finden wird. Hinzu kommt, dass der Antragsteller unabhängig von familiären Verpflichtungen ist und sich daher vollständig der Deckung seines Lebensunterhaltes widmen kann. Auch hat er sich bereits einige Zeit in Griechenland aufgehalten; die dortigen Verhältnisse dürften ihm mithin nicht völlig unvertraut sein. Insofern hat er auch nicht dargetan, sich dort aufgrund der Gesamtumstände in einer besonders prekären Situation befunden zu haben. Er verwies lediglich darauf, dass er dort niemanden habe. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben vor seiner Einreise in Griechenland bereits 7 ½ Jahre in der Türkei gelebt hat. Hier vermochte er seinen Lebensunterhalt ebenfalls zu bestreiten, konkret war er als Schneider und Automechaniker tätig. Angesichts der aufgezeigten wirtschaftlichen Verhältnisse in Griechenland steht zu erwarten, dass der Antragsteller die gewonnenen Fertigkeiten auch dort wird nutzbar machen können. In jedem Fall belegt dies aber, dass er über die erforderliche Flexibilität verfügt, sich in den Arbeitsmarkt einzufügen. Auch hat der Antragsteller einen großen Verwandtenkreis, wobei insbesondere eine Schwester in Deutschland lebt. Man kann also davon ausgehen, dass der Antragsteller zumindest in dringenden Notfällen auch aus der Ferne eine gewisse Unterstützung erhalten könnte.
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b. An der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 3 Alt. 1 AsylG), denen sich das Gericht vollumfänglich anschließt. Mit den Erwägungen im Bescheid geht das Gericht insbesondere davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung – auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers – nicht beachtlich ist. Insoweit kann auch auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Bezüglich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist – in Übereinstimmung mit den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid – anzumerken, dass der Antragsteller keinerlei Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht hat.
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c. Die Abschiebungsandrohung erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig. Insbesondere steht sie mit der Neuregelung des § 34 AsylG (Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21.02.2024, BGBl I Nr. 54) in Einklang. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt nunmehr nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG n.F. auch voraus, dass der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen. Zwar verweist der Antragsteller auf eine ebenfalls in Deutschland lebende Schwester. Nähere Umstände, aus denen sich ergibt, dass eine mit der Abschiebung verbundene Trennung für ihn unzumutbar wäre, sind jedoch weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Auch insofern verweist das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 3 Alt. 1 AsylG), denen es sich anschließt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).