Titel:
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Normenketten:
UNÜ Art. V Abs. 2 lit. b
ZPO § 1061 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Einhaltung des ordre public ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar von Amts wegen zu prüfen. Der Beibringungsgrundsatz gilt jedoch insoweit, als eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs verletzt den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Vollstreckbarerklärung, Beibringungsgrundsatz, Ordre public, Rechtliches Gehör
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25899
Tenor
I. Der in dem vor dem Dänischen Schiedsinstitut zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren … am 31. Oktober 2022 in K./Dänemark durch die Schiedsrichter …, … und … erlassene Schiedsspruch, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 45.000,00 an die Antragstellerin innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Erhalts dieses Schiedsspruchs verurteilt worden ist, wird für vollstreckbar erklärt.
II. Der in dem vor dem Dänischen Schiedsinstitut zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren … am 25. Oktober 2023 in K./Dänemark durch die Schiedsrichter …, … und … erlassene Schiedsspruch, durch den der Antragsgegner verurteilt worden ist,
1. an die Antragstellerin EUR 170.446,83 und USD 10.000,00 nebst gesetzlichen Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab dem 28. Juli 2021 bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen,
2. an die Antragstellerin EUR 23.287,50 nebst gesetzlichen Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab dem 8. November 2023 bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen,
3. an die Antragstellerin DKK 297.301,50 ohne Mehrwertsteuer nebst gesetzlichen Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab dem 8. November 2023 bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen, wird für vollstreckbar erklärt.
III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf bis zu EUR 185.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die in Dänemark ansässige Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung zweier ausländischer Schiedssprüche des Danish Institute of Arbitration (DIA; im Folgenden auch: Dänisches Schiedsinstitut oder Schiedsgericht), die sie gegen den in Bayern wohnhaften Antragsgegner erwirkt hat.
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Am 5. November 2019 schlossen die Antragstellerin als Käuferin und der Antragsgegner als Verkäufer einen vorläufigen Anteilskaufvertrag (Anlagen ASt 1 und ASt 21) über die Geschäftsanteile an der … GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Antragsgegner war. Am 18. Dezember 2019 vereinbarten sie zu diesem Vertrag einen Nachtrag (Anlagen ASt 2 und ASt 22).
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Der Vertrag vom 5. November 2019 enthält in Ziffer 11 eine Schiedsvereinbarung. Die Regelung lautet in deutscher Übersetzung (Anlage ASt 21):
11. GERICHTSSTAND UND SCHIEDSGERICHTSBARKEIT
11.1 Dieser VERTRAG unterliegt dänischem Recht unter Ausschluss des Kollisionsrechts und ist danach auszulegen.
11.2 Sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden VERTRAG oder dessen Verletzung, Kündigung oder Ungültigkeit sind ausschließlich und endgültig durch ein Schiedsverfahren nach den Schiedsregeln des Dänischen Schiedsinstituts (dänisches Schiedsverfahren) beizulegen. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Jede PARTEI benennt einen Schiedsrichter und das Dänische Schiedsinstitut benennt den Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Wenn eine PARTEI innerhalb von 30 WERKTAGEN, nachdem sie eine Schiedsklage erhoben oder erhalten hat, keinen Schiedsrichter benannt hat, wird dieser vom Dänischen Schiedsinstitut benannt. Der Ort des Schiedsverfahrens und aller eventuellen persönlichen Zusammenkünfte ist Kopenhagen und das Schiedsverfahren wird in englischer Sprache geführt.
11.3 Durch diese Schiedsklausel werden einstweilige rechtliche Maßnahmen wie eine einstweilige Verfügung, ein Arrestbeschluss, eine vorläufige Sicherung von Vermögenswerten, eine Beweisaufnahme gemäß § 343 des dänischen Rechtspflegegesetzes oder ähnliche rechtliche Schritte vor der Einleitung eines Schiedsverfahrens oder ähnliche rechtliche Schritte im Ausland nicht ausgeschlossen.
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Am 28. Juli 2021 reichte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner bei dem Dänischen Schiedsinstitut eine Schiedsklage ein.
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Nach der Darstellung in den streitgegenständlichen Schiedssprüchen zahlte die Antragstellerin am 11. August 2021 ihren Anteil an der Kaution nach Art. 10 Abs. 2 der Schiedsordnung des Dänischen Schiedsinstituts (im Folgenden: SchO-DIA) ein, während der Antragsgegner dem Schiedsgericht am 22. November 2021 mitteilte, er sei nicht in der Lage, seinen Anteil an der Kaution in Höhe von EUR 45.000,00 zu zahlen. Die Antragstellerin zahlte am 29. November 2021 den Anteil des Antragsgegners an der Kaution ein und beantragte, einen gesonderten Schiedsspruch über die Rückerstattung dieses Anteils an der Kaution zu erlassen.
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Nach den Feststellungen des Schiedsgerichts äußerte der Antragsgegner im Verfahren vor dem Dänischen Schiedsinstitut Zweifel an dessen Zuständigkeit und trug vor, er sehe sich physisch und psychisch nicht in der Lage, sich auch nur ansatzweise um die Ausübung seiner Rechte zu kümmern. Er legte eine ärztliche Bescheinigung vom 20. November 2021 über seinen Gesundheitszustand vor. Am 6. September 2022 reichte er seine Klageerwiderung ein, in der er die Einwände gegen die Zuständigkeit des Dänischen Schiedsinstituts wiederholt und eine Reihe von möglichen Ansprüchen gegen die Antragstellerin erwähnt habe. Am 7. Oktober 2022 teilte er mit, dass er mit dem dänischen Recht nicht vertraut sei und sich daher nicht zum Verfahren äußern könne. Die von ihm geltend gemachten Ansprüche sollten mit denen der Antragstellerin verrechnet werden. Ihm müsse Gelegenheit gegeben werden, sich zu verteidigen.
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Hilfsweise beantrage er, zu prüfen, ob ihm ein „Pflichtverteidiger“ zustehe.
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Nachdem das Schiedsgericht am 31. Oktober 2022 einen separaten Schiedsspruch über die Rückerstattung der Kaution erlassen hatte, bestätigte es – ausweislich der Darstellung im Schiedsspruch vom 25. Oktober 2023 – mit Verfahrensverfügung Nr. 1 insbesondere, dass die Sprache des Schiedsverfahrens Englisch sei. Am 9. Januar 2023 reichte der Antragsgegner eine Stellungnahme in deutscher Sprache zur Replik der Antragstellerin ein und kündigte an, dass er nicht in der Lage sein werde, sich im weiteren Verlauf des Verfahrens rechtzeitig zu äußern. Am 8. Februar 2023 beantragte der Antragsgegner, eine mündliche Verhandlung anzusetzen, und erklärte, er werde aktuell ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nachdem sich der Antragsgegner zur Möglichkeit einer Verhandlung per Fernkommunikation nicht geäußert hatte, beschloss das Schiedsgericht am 28. Februar 2023, die mündliche Verhandlung gemäß Art. 37 Abs. 2 SchO-DIA per Fernkommunikation abzuhalten. Das Schiedsgericht schlug zwei Termine vor und wies darauf hin, dass der Antragsgegner persönlich oder über einen Vertreter an dieser Verhandlung teilnehmen könne. Das Schiedsgericht beschloss, die mündliche Verhandlung am 30. Mai 2023 ab 10:00 Uhr per Fernkommunikation über M T abzuhalten. Nachdem die Parteien auf die Microsoft-Teams-Einladungen zur Verhandlung nicht reagiert hatten, stellte das Schiedsgericht fest, dass beide Parteien rechtzeitig über die Verhandlung und die Möglichkeit, alternative Termine dafür zu beantragen, informiert worden waren. Dementsprechend bestätigte das Schiedsgericht den Verhandlungstermin und kündigte an, gemäß Art. 31 SchO-DIA vorzugehen, falls eine Partei ohne Angabe von Gründen nicht zu der mündlichen Verhandlung erscheinen oder keine Beweise vorlegen sollte. Die Antragstellerin reichte am 25. Mai 2023 eine Prozessakte (Trial Bundle) mit Beweisen ein, auf die sie sich in der Verhandlung beziehen wollte. Mit – in deutscher Sprache abgefasstem – Schreiben vom 30. Mai 2023 übermittelte der Antragsgegner Argumente gegen die Ansprüche der Antragstellerin sowie eine Liste von Zeugen und anderen Beweisen. Am 30. Mai 2023 fand eine mündliche Verhandlung per Fernkommunikation über M T statt, bei der die Mitglieder des Schiedsgerichts und die Antragstellerin anwesend waren. Am 5. Juni 2023 stellte das Schiedsgericht den Parteien die Videoaufzeichnung der Verhandlung zur Verfügung, am 8. Juni 2023 wies es darauf hin, dass es alle Dokumente, die nicht in englischer Sprache eingereicht worden seien, nicht berücksichtigen werde, und setzte eine Frist bis zum 30. Juni 2023, um englische Übersetzungen vorzulegen. Nachdem die Antragstellerin am 30. Juni 2023 noch englische Übersetzungen vorgelegt und einen „Post-Hearing-Brief“ eingereicht hatte, wurde das Verfahren – wie am 8. Juni 2023 angekündigt – am 4. August 2023 geschlossen.
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Das Schiedsgericht hat am 31. Oktober 2022 einen separaten Schiedsspruch über die Rückerstattung der Kaution erlassen (Anlagen ASt 3 und ASt 23) und entschieden:
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1. Der Schiedsbeklagte hat innerhalb von 30 Tagen ab Erhalt dieses gesonderten Schiedsspruchs EUR 45.000,00 an die Schiedsklägerin zu zahlen.
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2. Eine eventuelle Entscheidung über die Kosten, die durch den Antrag der Schiedsklägerin auf Erlass eines gesonderten Schiedsspruchs über die Rückerstattung des Anteils von dem Schiedsbeklagten an der Kaution verursacht wurden, wird auf einen späteren Zeitpunkt des Verfahrens verschoben.
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Die Einwände des Antragsgegners gegen seine sich aus Ziffer 11.2 des Vertrags [Anmerkung des Senats: vom 5. November 2019] ergebende Zuständigkeit hat das Schiedsgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen: § 1031 ZPO finde nur Anwendung, wenn der Sitz des Schiedsgerichts in Deutschland liege; hier sehe Ziffer 11.2 des Vertrags jedoch vor, dass der Ort des Schiedsgerichts in K., Dänemark, liege. § 7 Abs. 2 des dänischen Schiedsgerichtsgesetzes, wonach eine vor Entstehung der Streitigkeit geschlossene Schiedsvereinbarung für den Verbraucher nicht bindend sei, stehe der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht entgegen. Der Antragsgegner sei Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der … GmbH gewesen, deren Unternehmenswert im Vertrag mit EUR 2.468.000,00 beziffert worden sei. Diese Merkmale deuteten darauf hin, dass der Antragsgegner in seinem Unternehmen oder Beruf gehandelt habe; obwohl er den Vertrag „in seiner privaten Eigenschaft“ unterzeichnet habe, erfülle er daher nicht die Kriterien eines Verbrauchers. Der Antragsgegner habe auch nicht nachgewiesen, dass die Unmöglichkeit, selbst einen Anwalt zu finanzieren, ihn nach geltendem dänischen Recht von der Schiedsvereinbarung entbinden würde. Er habe schon seine Vermögenslosigkeit nicht bewiesen. Bei Einleitung des Verfahrens sei er vielmehr noch in der Lage gewesen, einen externen Anwalt (wenn auch mit einem begrenzten Mandat) zu beauftragen. Im Übrigen wäre es unerheblich, wenn der Antragsgegner nicht über die Mittel verfügen würde, einen Anwalt zu bezahlen. Die vom Antragsgegner vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 20. November 2021 hindere das Schiedsgericht nicht daran, seine Zuständigkeit auszuüben. Nach dieser Bescheinigung leide der Antragsgegner an einer chronisch fortschreitenden Erkrankung, deren Auswirkungen seine körperliche Leistungsfähigkeit moderat und seine geistige Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten. Er sei derzeit nicht in der Lage, seine Interessen angemessen zu wahren und mögliche Verfahrenshandlungen vorzunehmen oder zu akzeptieren. Die Dauer der Beeinträchtigung sei nicht vorhersehbar und unbestimmt. Das Schiedsgericht führt aus, die ärztliche Bescheinigung beziehe sich lediglich auf Feststellungen, die am 2. November 2021 und am 19. November 2021 getroffen worden seien. Sie beweise nicht, dass der Antragsgegner auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage sei, seine Rechte zu verteidigen. Das Schiedsverfahren laufe seit mehr als einem Jahr. Seine Äußerungen und von ihm erhobenen Einwendungen zeigten, dass der Antragsgegner in der Lage gewesen sei, an dem Verfahren mitzuwirken. Nach den unbestrittenen Behauptungen der Antragstellerin sei der Antragsgegner in verschiedenen Geschäftstätigkeiten aktiv geblieben. Das Schiedsgericht könne nicht feststellen, dass der Gesundheitszustand des Antragsgegners das Schiedsgericht daran hindern würde, seine Zuständigkeit auszuüben. Im Gegenteil, der Antragstellerin würde der Zugang zur Schiedsgerichtsbarkeit zu Unrecht verweigert, wenn das Schiedsgericht auf unbestimmte Zeit von der Ausübung seiner Zuständigkeit absehen würde. Zum tenorierten Zahlungsanspruch führt das Schiedsgericht aus, er ergebe sich aus Art. 10 Abs. 3 i. V. m. Art. 42 SchO-DIA.
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Am 25. Oktober 2023 hat das Schiedsgericht der Schiedsklage zum Teil stattgegeben (Anlagen ASt 4 und ASt 24) und entschieden:
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1. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, der Schiedsklägerin EUR 170.446,83 und USD 10.000,00 nebst gesetzlichen Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab dem 28. Juli 2021 bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen.
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2. Der Schiedsbeklagte trägt 75% und die Schiedsklägerin trägt 25% der vom DIA festgesetzten Kosten des Schiedsverfahrens in Höhe von insgesamt EUR 91.050,00. Angesichts der Beiträge zur Kaution und des gesonderten Schiedsspruchs über die Erstattung der Kosten wird der Schiedsbeklagte verurteilt, der Schiedsklägerin EUR 23.287,50 nebst gesetzlichen Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab 14 Tagen nach dem Datum dieses Schiedsspruchs bis zur vollständigen Zahlung zu erstatten.
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3. Der Schiedsbeklagte trägt 75% der Kosten der Rechtsvertretung der Schiedsklägerin. Dementsprechend wird der Schiedsbeklagte verurteilt, an die Schiedsklägerin DKK 297.301,50 ohne Mehrwertsteuer nebst gesetzlichen Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem entsprechenden festen Referenzzinssatz der dänischen Nationalbank ab 14 Tagen nach dem Datum dieses Schiedsspruchs bis zur vollständigen Zahlung zu zahlen.
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4. Alle übrigen Klageanträge wurden abgewiesen.
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Das Schiedsgericht hat seine Zuständigkeit mit der oben wiedergegebenen Begründung bejaht und weiter ausgeführt, der Antragsgegner habe keinen hinreichenden Grund für sein Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung und für seine eingeschränkte Mitwirkung während des gesamten Verfahrens angegeben. Er habe zwar nach Erlass des gesonderten Schiedsspruchs über die Erstattung der Kaution weiterhin eingewandt, bei schlechter Gesundheit zu sein, er habe jedoch weder Beweise dafür angeboten (mit Ausnahme der Bescheinigung, deren Relevanz das Schiedsgericht in seinem gesonderten Schiedsspruch über die Erstattung der Kaution zurückgewiesen habe), noch habe er aufgezeigt, dass ihn dies daran gehindert habe, einen Schriftsatz einzureichen oder an der Verhandlung über Fernkommunikation teilzunehmen. Er habe vielmehr selbst am Verhandlungstag noch schriftliche Eingaben gemacht. Selbst wenn ihm eine persönliche Teilnahme an der Verhandlung über Fernkommunikation nicht möglich gewesen sein sollte, was er nicht bewiesen habe, so hätte er einen Vertreter entsenden können. Der Antragsgegner habe nicht nachgewiesen, dass ihm die Mittel dazu fehlten. Das Schiedsgericht habe festgestellt, dass eine E-Mail des Antragsgegners von einer Person namens „St. “ unterzeichnet worden sei. Dies deute darauf hin, dass er einen Vertreter um Hilfe hätte bitten können. Das Schiedsgericht habe zur Kenntnis genommen, dass der Antragsgegner um einen Pflichtverteidiger gebeten habe. Es scheine, dass dieser Antrag nur für den Fall gestellt worden sei, dass er, der Antragsgegner, nicht die Möglichkeit habe, selbst vorzutragen. Dem Antragsgegner sei jedoch Gelegenheit zu Äußerung gegeben worden, sodass über den Antrag nicht zu entscheiden gewesen sei. Die Schiedsregeln des Dänischen Schiedsinstituts sähen die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht vor, sie verlangten auch nicht, dass die beklagte Partei überhaupt durch einen externen Rechtsbeistand vertreten werde. Das Schiedsgericht stelle fest, dass es von beiden Parteien ausreichende Unterlagen erhalten habe, um einen Schiedsspruch zu erlassen, und dass das Nichterscheinen zu dem Recht der Parteien auf ein faires Verfahren nicht im Widerspruch stehe. Alle in deutscher Sprache zur Verfügung gestellten Dokumente, denen keine englische Übersetzung beigefügt gewesen sei, seien nicht berücksichtigt worden.
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Soweit das Schiedsgericht der Schiedsklage stattgegeben hat, hat es zur Begründung insbesondere festgestellt, der Verkäufer sei bei einem Verstoß gegen die von ihm abgegebenen Garantien in vollem Umfang haftbar. Gemäß Ziffern 7 und 8 des Vertrags hafte er in Höhe von EUR 86.088,85 sowie von USD 10.000,00 wegen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die bei der Due-Diligence-Prüfung nicht offengelegt worden seien, in Höhe von EUR 107.914,63 für Reparaturkosten, weil sich Maschinen der Gesellschaft nicht in funktionsfähigem Zustand befunden hätten, in Höhe von EUR 113.428,18 wegen der Verpflichtung der Gesellschaft zur Rückzahlung von Subventionen sowie in Höhe von EUR 113.015,17 wegen unrichtiger Angaben in der Bilanz. Die Antragstellerin selbst habe mit der gegen sie gerichteten Restkaufpreisforderung in Höhe von EUR 250.000,00 für die Übertragung der im Eigentum der … GmbH stehenden Immobilie in … aufgerechnet. Der Antragsgegner sei daher zur Zahlung von EUR 170.446,83 (EUR 420.446,83 abzüglich EUR 250.000,00) sowie von USD 10.000,00 verpflichtet. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 3 Abs. 4 und § 5 Abs. 1 des dänischen Zinsgesetzes. Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 40 Abs. 1 und 4, Art. 41 SchO-DIA sowie § 8a Abs. 1 des dänischen Zinsgesetzes.
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Die Antragstellerin hat am 5. Dezember 2023 bei dem Oberlandesgericht Stuttgart Antrag auf Vollstreckbarerklärung dieser Schiedssprüche nach § 1061 ZPO gestellt. Die Schiedssprüche seien zwischen den Parteien verbindlich geworden. Die Erfordernisse des UN-Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche seien erfüllt.
21
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
-
den Schiedsspruch des Dänischen Schiedsinstituts vom 31. Oktober 2022, erlassen in K./Dänemark durch die Schiedsrichter …, … und …, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 45.000,00 innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Erhalts dieses Schiedsspruchs verurteilt worden ist, für vollstreckbar zu erklären;
- 2.
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den Schiedsspruch des Dänischen Schiedsinstituts vom 25. Oktober 2023, erlassen in K./Dänemark durch die Schiedsrichter …, … und …, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 170.446,83 und USD 10.000,00 zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem jeweiligen festen Referenzzinssatz der Dänischen Nationalbank ab dem 28. Juli 2021 bis zur vollständigen Zahlung, zur Zahlung von EUR 23.287,50 zuzüglich gesetzlicher Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem jeweiligen festen Referenzzinssatz der Dänischen Nationalbank ab 14 Tagen nach dem Datum dieses Schiedsspruchs bis zur vollständigen Zahlung, und zur Zahlung von DKK 297.301,50 ohne Mehrwertsteuer zuzüglich gesetzlicher Zinsen nach dem dänischen Zinsgesetz in Höhe von 8 Prozentpunkten pro Jahr über dem jeweiligen festen Referenzzinssatz der Dänischen Nationalbank ab 14 Tagen nach dem Datum dieses Schiedsspruchs bis zur vollständigen Zahlung verurteilt worden ist, für vollstreckbar zu erklären.
22
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen bzw. die Schiedssprüche aufzuheben.
23
Gegen die Vollstreckbarerklärung wendet er insbesondere ein, das Schiedsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er habe sich nicht auf das Verfahren eingelassen, weil ihm die Schriftsätze „nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig“ zugestellt worden seien; er sei nicht einmal durch ordnungsgemäße Übersendung der Schiedsklage nebst Anlagen von dem Schiedsverfahren benachrichtigt worden. Er sei zur Zeit des Schiedsverfahrens schwer erkrankt und über weite Zeiträume aufgrund einer Krebserkrankung in stationärer Behandlung, mithin verhandlungsunfähig gewesen. Das Schiedsgericht hätte das Verfahren deshalb nicht weiterbetreiben und nicht ohne ihn verhandeln dürfen. Schiedsgerichte dürften die Verfahrensgrundrechte der Parteien auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit nicht dadurch verletzen, dass sie das Recht einer Partei, sich im Verhandlungstermin durch einen von ihnen selbst gewählten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen, in unzumutbarer Weise beschneiden. Seine Hinweise, dass er aufgrund seiner schweren Erkrankung nicht verhandlungsfähig sei und auch nicht vor Ort erscheinen könne, seien „schlicht ignoriert“ worden. Bei Zweifeln an seiner Verhandlungsunfähigkeit hätte das Schiedsgericht ihn zur Vorlage medizinischer Bescheinigungen auffordern müssen. Stattdessen habe das Schiedsgericht den dem Grunde und der Höhe nach gänzlich unsubstanziierten Ansprüchen des Antragstellers stattgegeben und seine Einwände nicht berücksichtigt. Wenn die Antragstellerin etwa angegeben habe, dass Maschinen für über EUR 100.000,00 repariert worden seien, obwohl die einwandfreie Funktion der Maschinen bei Übergabe festgestanden habe, mache dies deutlich, dass sich die Verfahrensfehler auch unmittelbar auf den Schiedsspruch auswirkten.
24
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich mit Beschluss vom 11. März 2024 nach Anhörung der Parteien für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Antragstellerin gemäß § 281 ZPO an das Bayerische Oberste Landesgericht verwiesen.
25
Gegen den richterlichen Hinweis vom 30. Juli 2024, die Anträge des Antragsgegners würden dahingehend verstanden, dass er die Ablehnung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche nach § 1061 ZPO begehre, hat der Antragsgegner keine Einwände erhoben.
26
Der zulässige Antrag ist begründet.
27
1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig.
28
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart zuständig (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Es besteht kein deutscher Schiedsort und der Antragsgegner hat seit 1. Mai 2022 seinen Wohnsitz in Bayern (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Var. 1 und Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu).
29
b) Die Anträge beziehen sich auf zwei ausländische Schiedssprüche, deren Existenz und Authentizität zwischen den Parteien unstreitig ist.
30
Die Regelungen in Art. IV Abs. 1 Buchst. a) und b), Abs. 2 des vorliegend jedenfalls ergänzend anwendbaren New Yorker Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) sind nicht als Zulässigkeitsvoraussetzungen, sondern als Beweisbestimmungen zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001, III ZB 71/99, WM 2001, 971 [972, juris Rn. 11]; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 67 m. w. N.). Im Übrigen sind die gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ zu berücksichtigenden anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 ZPO) vorliegend erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2003, III ZB 68/02, SchiedsVZ 2003, 281 [juris Rn. 9]). Ob für die Vollstreckbarerklärung der in Dänemark ergangenen Schiedssprüche in erster Linie das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 425, im Folgenden: EuÜ) maßgeblich ist, das dem UNÜ vorgeht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23 e, juris Rn. 11), kann daher hier offenbleiben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 12). Die Beteiligten haben ihren Sitz in unterschiedlichen Vertragsstaaten und es dürfte sich um eine Streitigkeit aus einem internationalen Handelsgeschäft handeln, bei dem zumindest eine der Parteien nicht nur privat beteiligt war. Ob vom Begriff des Handelsgeschäfts, der autonom und weit auszulegen ist (Magnus in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, IntVertrVerfR, Rn. 538), auch ein Anteilskauf erfasst ist, wird allerdings nicht einheitlich beurteilt (befürwortend: Nueber in Czernich/Geimer, Streitbeilegungsklauseln im internationalen Vertragsrecht, 1. Aufl. 2017, Teil 3. B. Schiedsvereinbarungen nach dem Europäischen Schiedsübereinkommen [EuÜ] Rn. 23, 60).
31
c) Auch ansonsten bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags.
32
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung nur insoweit als das Schiedsgericht zu ihren Gunsten entschieden hat.
33
2. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 31. Oktober 2022, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 45.000,00 innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Erhalts dieses Schiedsspruchs verurteilt wurde, für vollstreckbar zu erklären, ist begründet. Gründe, nach denen dem Schiedsspruch gemäß § 1061 ZPO die Anerkennung im Inland zu versagen wäre, liegen nicht vor. Eine Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1060 Abs. 2 Satz 1, § 1059 Abs. 2 ZPO kommt von vornherein nicht in Betracht, da es sich um einen ausländischen Schiedsspruch handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2023, I ZB 33/22, BGHZ 236, 277 Rn. 97).
34
a) Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung nicht nach § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 Buchst. a) UNÜ zu versagen.
35
Der Abschluss der Schiedsvereinbarung, den die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017, I ZB 115/15, juris Rn. 17), ist hier unstreitig. Sie genügt sowohl den Formanforderungen des Art. II UNÜ als auch des Art. I Abs. 2 Buchst. a) EuÜ.
36
Unwirksamkeitsgründe, für deren Vorliegen der Antragsgegner darlegungs- und beweispflichtig wäre (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, Anhang nach § 1061, Art. V UNÜ Rn. 1), hat der Antragsgegner nicht geltend gemacht. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren hat er weder eingewandt, die in Ziffer 11.2 des Vertrags vom 5. November 2019 getroffene Schiedsvereinbarung sei unwirksam, noch hat er sich mit der Begründung des Schiedsgerichts (Anlage ASt 23 Rn. 18 bis 33) auseinandergesetzt, insbesondere nicht mit der Annahme des Schiedsgerichts, es könne nicht feststellen, dass der Gesundheitszustand des Antragsgegners das Schiedsgericht daran hindern würde, seine Zuständigkeit auszuüben (Anlage ASt 23 Rn. 32).
37
b) Dem separaten Schiedsspruch über die Erstattung der Kaution ist die Anerkennung nicht nach Art. V Abs. 1 Buchst. b), Abs. 2 Buchst. b) UNÜ zu versagen.
38
aa) In einer Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt regelmäßig auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, I ZB 37/23, juris Rn. 12; Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, UNÜ Art. 5 Rn. 26). Die Einhaltung des ordre public ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar von Amts wegen zu prüfen. Der Beibringungsgrundsatz gilt jedoch insoweit, als eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 78; vgl. zu § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO: BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 14; Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, WM 2022, 576 Rn. 53). Darauf ist der Antragsgegner mit Verfügung vom 21. Juni 2024 hingewiesen worden.
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bb) Dass er von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist, hat der Antragsgegner nicht bewiesen.
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(1) Die Vorschrift des Art. V Abs. 1 Buchst. b) UNÜ will die Beteiligung der Partei an der Bildung des Schiedsgerichts und einen gewissen Mindeststandard bezüglich des rechtlichen Gehörs sichern. Es handelt sich dabei nicht um einen absoluten Anerkennungsversagungsgrund. Dem Schiedsspruch ist die Anerkennung gemäß Art. V Abs. 1 Buchst. b) UNÜ, Art. 103 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. V Abs. 2 Buchst. b] UNÜ) vielmehr nur dann zu versagen, wenn der Verstoß kausal war. Ausreichend ist allerdings, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Gehörsverletzung beruhen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009, III ZB 83/07, juris Rn. 7 m. w. N.).
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(2) Auch wenn dem Antragsgegner die Schiedsklage von dem Schiedsgericht nicht förmlich zugestellt worden sein sollte, ist er von dem Verfahren gehörig in Kenntnis gesetzt worden.
42
Nach der Darstellung im Schiedsspruch (Anlage ASt 23 Rn. 11) hat der Antragsgegner dem Schiedsgericht gegenüber mit E-Mail vom 22. November 2021 Einwände gegen das Schiedsverfahren erhoben und insbesondere ausgeführt, er sei mangels finanzieller Mittel, nicht in der Lage, seinen Anteil an der Kaution in Höhe von 45.000,00 € zu bezahlen. Diese Ausführungen, denen der Antragsgegner nicht entgegengetreten ist, belegen, dass er von dem Schiedsverfahren Kenntnis hatte. Auch dem Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. Juli 2024 (Bl. 23 d. A.), das Schiedsgericht habe die Schiedsklage per E-Mail Rechtsanwalt W. übersandt (Anlage ASt 9) und ihre Bevollmächtigten hätten dem neuen Bevollmächtigten des Antragsgegners, Rechtsanwalt H., die Schiedsklage nochmals übersandt (Anlagen ASt 10 und 11), ist der Antragsgegner im weiteren Verfahren nicht substanziiert entgegengetreten. Aus der als Anlage ASt 10 vorgelegten E-Mail ist ersichtlich, dass Rechtsanwalt H., der versichert von dem Antragsgegner bevollmächtigt worden zu sein, über das Schiedsverfahren unterrichtet ist. Er moniert lediglich, die Klageschrift nebst Anlagen läge ihm nicht vollständig vor, insbesondere nicht in gebotener deutscher Übersetzung. Ausweislich der als Anlage ASt 11 vorgelegten E-Mail vom 23. August 2021 wurde Rechtsanwalt H. nochmals die vollständige Schiedsklage („Statement of Claim including exhibit 1-57.“) übersandt. Dass die Schiedsklage in Englisch verfasst war, entspricht der von den Parteien in Ziffer 11.2 des Vertrags vom 5. November 2019 getroffenen Vereinbarung. Für seine anfängliche Behauptung im Schriftsatz vom 20. Juni 2024 (Seite 3 am Ende, Bl. 17 d. A.), die Schiedsklage liege ihm bis zum heutigen Tage nicht vor, hat der Antragsgegner keinen Beweis angeboten.
43
Eine förmliche Zustellung der Schiedsklage ist nach den Schiedsregeln des Dänischen Schiedsinstituts nicht erforderlich. Auf die Geltung dieser Schiedsregeln haben sich die Parteien dadurch verständigt, dass sie im Vertrag vom 5. November 2019 die Zuständigkeit des Dänischen Schiedsinstituts zur Entscheidung über Streitigkeiten aus dem Vertrag vereinbart haben.
44
cc) Dass das Schiedsgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus einem anderen Grund verletzt hätte, zeigt der Antragsgegner nicht auf.
45
Er hat insbesondere nicht ausgeführt, dass er wegen seiner Erkrankung oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, sich hinsichtlich der Erstattung des Anteils der Kaution, der von ihm zu tragen war, aber von der Antragstellerin eingezahlt worden ist, sachgerecht zu verteidigen. Einwände gegen die auf Art. 10 Abs. 3 SchO-DIA gestützte Entscheidung des Schiedsgerichts hat er im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht erhoben.
46
c) Ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 Buchst. e) UNÜ liegt nicht vor.
47
Ohne Erfolg wendet der Antragsgegner ein, der Schiedsspruch sei ihm – vor der vom Oberlandesgericht Stuttgart veranlassten und am 15. Dezember 2023 erfolgten Zustellung – nicht förmlich zugestellt worden. Denn die förmliche Zustellung ist nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht, d. h. der von den Parteien des Schiedsverfahrens in der Schiedsvereinbarung gewählten Schiedsordnung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juni 2016, 26 Sch 13/15, juris Rn. 19; Adolphsen in Münchener Kommentar zu ZPO, UNÜ Art. 5 Rn. 56), kein Wirksamkeitserfordernis. Nach Art. 45 Abs. 1 SchO-DIA übermittelt das Sekretariat den Parteien den unterschriebenen Schiedsspruch. Der Schiedsspruch ist nach Art. 45 Abs. 2 Satz 1 SchO-DIA für die Parteien bindend.
48
d) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs ist auch nicht deshalb zu versagen, weil er aus sonstigen Gründen dem ordre public widerspräche, Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ.
49
Der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs verletzt den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017, IX ZB 61/16, juris Rn. 14; Beschluss vom 6. Oktober 2016, I ZB 13/15, SchiedsVZ 2018, 53 Rn. 55). Dafür besteht vorliegend kein Anhaltspunkt. Der separate Schiedsspruch über die Erstattung der Kaution enthält keine endgültige Entscheidung darüber, welche Partei die Kosten zu tragen hat. Dass das Schiedsgericht die voraussichtlichen Gesamtkosten des Verfahrens per Kostenvorschuss zu gleichen Teilen von beiden Schiedsparteien einfordern kann, sehen im Übrigen die meisten Schiedsordnungen vor (vgl. Gottwald in Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 18.124).
50
3. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 25. Oktober 2023 für vollstreckbar zu erklären, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 170.446,83 und USD 10.000,00 zuzüglich Zinsen und Kosten verurteilt worden ist, ist begründet. Gründe, nach denen dem Schiedsspruch gemäß § 1061 ZPO die Anerkennung im Inland zu versagen wäre, liegen nicht vor.
51
a) Dass dem Schiedsspruch die Anerkennung nach § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 Buchst. a) UNÜ zu versagen wäre, hat der Antragsgegner nicht geltend gemacht. Er hat sich zwar auf seine Erkrankung berufen, aber keine Einwendungen gegen die Begründung des Schiedsgerichts erhoben, es könne trotz des Gesundheitszustands des Schiedsbeklagten seine Zuständigkeit ausüben (Anlage ASt 24 Rn. 70). Auf die Ausführungen unter 2. a) wird Bezug genommen.
52
b) Dem Schiedsspruch vom 25. Oktober 2023 ist die Anerkennung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs oder des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art. V Abs. 1 Buchst. b), Abs. 2 Buchst. b) UNÜ zu versagen.
53
aa) Wie bereits unter 2. b) aa) ausgeführt, liegt in einer Verletzung des rechtlichen Gehörs regelmäßig auch ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ. Die Einhaltung des ordre public ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar von Amts wegen zu prüfen. Der Beibringungsgrundsatz gilt jedoch insoweit, als eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 78 m. w. N.).
54
Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, NJW-RR 2022, 1425 Rn. 19 unter Verweis auf BVerfGE 65, 293, 295 [juris Rn. 11]; BVerfGE 70, 288, 293 [juris Rn. 16]; BVerfGE 86, 133, 145 f. [juris Rn. 39]). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2016, 2 BvR 1614/14, juris Rn. 12; Beschluss vom 19. Juni 2013, 2 BvR 1960/12, juris Rn. 9 m. w. N.). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll. Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, begründet aber der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht der Partei auf Äußerung in dieser Verhandlung (BGH NJW-RR 2022, 1425 Rn. 24 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 2126/11, BVerfGK 19, 377 [juris Rn. 20 f.]; BVerfGE 42, 364 [juris Rn. 17]). Führt die offensichtlich fehlerhafte Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags dazu, dass eine Partei in der mündlichen Verhandlung nicht anwaltlich vertreten ist und ihr Äußerungsrecht daher nicht sachgerecht wahrnehmen kann, verletzt dies das Gehörsrecht der betroffenen Partei (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. Februar 1992, 4 C 42/89, NJW 1992, 2042 [juris Rn. 15] m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 10. Dezember 2003, 2Z BR 254/03, NJW-RR 2004, 804 [juris Rn. 10]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2013, 5 UF 55/13, FamRZ 2013, 1831 [juris Rn. 7]). Dieser Fall kann nicht anders gesehen werden als der einer – ebenfalls gehörswidrigen – Nichtberücksichtigung von Vorbringen wegen offensichtlich fehlerhafter Anwendung von Präklusionsvorschriften. Zudem ist das Recht der betroffenen Partei auf prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) berührt (BGH NJW-RR 2022, 1425 Rn. 24; BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020, I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 19).
55
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen, an denen mit Blick auf den verfahrensrechtlichen ordre public auch der Schiedsentscheid zu messen ist (vgl. BGH SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 17 f.; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 62, jeweils m. w. N.), ist dem Schiedsspruch weder insgesamt noch teilweise (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2017, I ZB 42/16, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 22) die Anerkennung wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör oder gegen den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit zu versagen.
56
(1) Der Antragsgegner hat nicht nachgewiesen, vom Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Auf die Ausführungen unter 2. b) bb) wird Bezug genommen. Unerheblich ist, ob ihm die Schiedsklage vom Schiedsgericht förmlich zugestellt worden ist, da sich aus der Darstellung des Verfahrens im Schiedsspruch (Anlage ASt 24 Rn. 4, 7, 10) und dem von der Antragstellerin vorgelegten E-Mail-Verkehr (Anlagen ASt 9 und 10) ergibt, dass der Antragsgegner die Schiedsklage kannte und auf sie erwidert hat. Weder der Darstellung im Schiedsspruch noch dem Vorbingen der Antragstellerin zur Übermittlung der Schiedsklage ist der Antragsgegner substanziiert entgegengetreten.
57
(2) Ohne Erfolg rügt der Antragsgegner, er habe sich nicht ordnungsgemäß verteidigen können, weil ihm die Schriftsätze „nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig“ zugestellt worden seien.
58
(a) Dass er einen bestimmten Schriftsatz der Antragstellerin oder eine von ihr vorgelegte Anlage nicht erhalten hätte, behauptet er nicht. Den Ausführungen des Schiedsgerichts zur Verfahrenshistorie (Anlage ASt 24 Rn. 2 bis 55) lässt sich entnehmen, welche Unterlagen die Antragstellerin im Schiedsverfahren eingereicht und welche Stellungnahmefristen das Schiedsgericht eingeräumt hat. Konkrete Einwendungen gegen diese Darstellung hat der Antragsgegner nicht erhoben. Das pauschale Bestreiten, dass das Schiedsgericht ihn während des gesamten Schiedsverfahrens ordnungsgemäß über die jeweiligen Verfahrensschritte und die eingereichten Schriftsätze informiert habe (Bl. 53 d. A.), genügt für die Darlegung eines Gehörsverstoßes nicht. Dem Vorbringen des Antragsgegners lässt sich auch nicht entnehmen, zu welchem konkreten entscheidungserheblichen Vortrag der Antragstellerin er sich nicht habe äußern können und welche Einwendungen er erhoben hätte, wenn er einen bestimmten Schriftsatz erhalten bzw. früher erhalten hätte. Es fehlt somit an einer ordnungsgemäß ausgeführten Rüge, obwohl er explizit darauf hingewiesen worden war, dass im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Gehörsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (vgl. zu § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b] ZPO: BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 14; Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, WM 2022, 576 Rn. 53).
59
(b) Fehl geht die Ansicht des Antragsgegners, er sei nicht ordnungsgemäß informiert worden, weil das Schiedsgericht die Unterlagen nicht per Post, sondern per E-Mail versandt habe.
60
Der vom Schiedsgericht gewählte Weg der Kommunikation per E-Mail entspricht Art. 3 Abs. 1 SchO-DIA und ist nicht zu beanstanden.
61
Dem Vorbringen des Antragsgegners lässt sich nicht entnehmen, dass er sich bereits im Schiedsverfahren, in dem er sich selbst – jedenfalls vereinzelt – per E-Mail geäußert hat, Einwände gegen die Art und Weise der Übermittlung der Stellungnahmen und Verfügungen erhoben hätte.
62
Dass er unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, sich anhand der per E-Mail übersandten Unterlagen über den gesamten Prozessstoff zu informieren, hat der Antragsgegner auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht aufgezeigt. Mit seiner Rüge, er habe dem Schiedsgericht per Abwesenheitsassistenten mitgeteilt, die E-Mails würden nicht gelesen, und das Schiedsgericht sei verpflichtet gewesen, andere Kommunikationswege (postalischer Versand) zu wählen, erstreckt der Antragsteller seinen Einwand, er sei infolge seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen, sich sachgerecht zu verteidigen (dazu s. auch 3. [c] und [5]), auf die Art der Kommunikation. Dies überzeugt nicht. Die Frage, ob der Antragsgegner alle Mitteilungen des Schiedsgerichts und alle Schriftsätze der Gegenseite erhalten hat, ist von der Frage zu trennen, ob er aus anderen Gründen nicht in der Lage war, sich gegen die Schiedsklage zu verteidigen.
63
(3) Dass das Schiedsgericht gemäß Art. 31 SchO-DIA entschieden hat, weil der Antragsgegner an der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2023 nicht teilgenommen hat, ohne dafür einen triftigen Grund darzulegen, ist nicht zu beanstanden.
64
(a) Ohne Erfolg rügt der Antragsgegner, er sei über die geplante Verhandlung „nicht rechtzeitig“ informiert worden (Bl. 16. d. A.). Der Darstellung im Schiedsspruch (Anlage ASt 24 Rn. 41, 45), das Schiedsgericht habe am 20. März 2023 als mögliche Verhandlungstermine den 9. und den 30. Mai 2023 vorgeschlagen und es habe am 5. Mai 2023 festgestellt, dass beide Parteien rechtzeitig über die Verhandlung am 30. Mai 2023 und die Möglichkeit, alternative Termine dafür zu beantragen, informiert worden seien, ist er nicht substanziiert entgegengetreten. Dass er über den Termin nicht informiert worden sei, behauptet der Antragsgegner nicht, warum er die unstreitig erfolgte Ladung zur Online-Verhandlung nicht als „rechtzeitig“ ansieht, führt er nicht näher aus.
65
(b) Ein Gehörsverstoß wegen einer offensichtlich fehlerhaften Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags kommt schon mangels einer substanziierten Behauptung, er habe einen solchen Antrag gestellt, nicht in Betracht.
66
Ein Vertreter des Antragsgegners hat zwar am 8. Februar 2023 angeregt, eine Anhörung [erst dann] durchzuführen, wenn der Antragsgegner aus dem Krankenhaus entlassen und die notwendige Gesundheit wieder hergestellt sei (Anlagenkonvolut ASt 15), nachdem der Antragsgegner persönlich mit E-Mail vom 9. Januar 2023 – auf deutsch – nochmals auf seine schwere Erkrankung hingewiesen und um eine „angemessene Fristverlängerung“ zur Erwiderung gebeten hatte (Anlagenkonvolut ASt 15). Dem Vorbringen des Antragsgegners lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er nach dem Beschluss des Schiedsgerichts, die mündliche Verhandlung am 30. Mai 2023 – online über M T – durchzuführen, und der Ankündigung, dass es gemäß Art. 31 SchO-DIA verfahren werde, falls eine Partei ohne Angabe von Gründen nicht zur Sitzung erscheine oder keine Beweise vorlege (vgl. Anlage ASt 24 Rn. 40 bis 45), beantragt hätte, den Termin zu verlegen.
67
Am Tag der mündlichen Verhandlung ist vielmehr eine nur in deutscher Sprache verfasste inhaltliche Stellungnahme des Antragsgegners eingegangen (Anlage ASt 24 Rn. 49), in der einleitend ausgeführt wird, es sei in gewisser Weise nachvollziehbar, dass sich der Prozessverlauf nicht zwingend an seinem Gesundheitszustand orientieren könne (Anlage ASt 16). Er trägt in diesem Schreiben zwar weiter vor, dass eine – sicherlich zielführende – Anhörung wegen seines volatilen Gesundheitszustands auch in absehbarer Zeit nicht möglich wäre, wendet aber ferner ein, dass seine Englischkenntnisse völlig unzureichend seien, um einer Anhörung – auch bei bestem Gesundheitszustand – folgen zu können. Der letztgenannte Einwand ist wegen der in Ziffer 11.2 des Vertrags vom 5. November 2019 getroffenen Vereinbarung, dass das Schiedsverfahren in englischer Sprache geführt wird, unbehelflich. Mit seiner pauschalen Behauptung, es seien wichtige Gründe für eine Verschiebung vorgetragen worden, weshalb das Schiedsgericht nicht in seiner Abwesenheit hätte entscheiden dürfen (Bl. 16 d. A.), kann der Antragsgegner somit nicht durchdringen. Entsprechende Äußerungen gegenüber dem Schiedsgericht wurden von ihm auch nicht vorgelegt.
68
(c) Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner schließlich darauf, er habe das Schiedsgericht über seine Erkrankung informiert, es sei aber weder eine Aussetzung des Verfahrens noch ein schiedsgerichtlicher Hinweis erfolgt (Bl. 33 f. d. A.). Das Schiedsgericht hat den Antragsgegner – wie unter (b) ausgeführt – in der gebotenen Weise über den weiteren Verfahrensgang informiert. Ein Begehren des Antragsgegners, dass das Verfahren ausgesetzt werden sollte, lässt sich insbesondere der Stellungnahme des Antragsgegners vom 30. Mai 2023 gerade nicht entnehmen.
69
Im Übrigen sind bei der Verfahrensgestaltung die widerstreitenden Interessen beider Parteien nach Möglichkeit in Ausgleich zu bringen, d. h. der Anspruch der Klagepartei auf effektiven Rechtsschutz einerseits und der Anspruch der beklagten Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen ihrer Verteidigung andererseits. Hinsichtlich der Möglichkeiten des Antragsgegners, sich sachgerecht zu verteidigen, insbesondere durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung, wird auf die Ausführungen unter (d) Bezug genommen; dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verhandlung online durchgeführt wurde, um dem Antragsgegner eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu erleichtern (vgl. Anlage ASt 24 Rn. 38). Ein Verstoß gegen den ordre public, weil das Schiedsgericht das Verfahren trotz der – hier als bewiesen unterstellten – Erkrankung des Antragsgegners weiterbetrieben hat, ist nicht erkennbar.
70
(d) Der Antragsgegner hat an der online durchgeführten Verhandlung am 30. Mai 2023 weder persönlich noch durch einen (anwaltlichen) Vertreter teilgenommen, ohne einen triftigen Grund darzulegen. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass das Schiedsgericht nach Art. 31 SchO-DIA auf der Grundlage der ihm vorgelegten Unterlagen entschieden hat. Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen das Recht auf prozessuale Waffengleichheit vor (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 25. April 2022, 34 Sch 32/19, juris Rn. 40).
71
(aa) Der Antragsgegner hat nach den Feststellungen des Schiedsgerichts nicht nachgewiesen, dass es ihm infolge seiner Erkrankung nicht möglich war, an der Online-Verhandlung teilzunehmen. Das Schiedsgericht führt hierzu aus, der Antragsgegner habe zwar nach dem Erlass des gesonderten Schiedsspruchs über die Erstattung der Kaution weiterhin angegeben, bei schlechter Gesundheit zu ein, er habe dafür aber mit Ausnahme der Bescheinigung, deren Relevanz das Schiedsgericht in dem gesonderten Schiedsspruch bereits zurückgewiesen habe, keinen Beweis angeboten. Er habe auch nicht dargetan, dass ihn seine Erkrankung daran gehindert habe, an der Verhandlung per Fernkommunikation teilzunehmen (Anlage ASt 24 Rn. 81).
72
Dieser Argumentation ist der Antragsgegner nicht substanziiert entgegengetreten. Er hat insbesondere nicht behauptet, die als Anlage AG 2 vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14. März 2023, die nur bis zum 15. Mai 2023 gilt und keine spezifische Aussage über die Möglichkeit einer Teilnahme an einer Online-Verhandlung enthält, dem Schiedsgericht überhaupt vorgelegt zu haben. Weder dem Vorbringen des Antragsgegners noch den sonstigen Unterlagen lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner dem Schiedsgericht gegenüber substanziiert mitgeteilt hätte, an der Verhandlung auch unter Einsatz von Bild- und Tonübertragung nicht teilnehmen zu können. Am Tag der Verhandlung hat das Schiedsgericht vielmehr eine inhaltliche Stellungnahme erhalten (vgl. Anlagen ASt 17 und 16); insoweit wird auf die Ausführungen unter (b) verwiesen. Fehl geht die Argumentation des Antragstellers, das Schiedsgericht hätte ihn zur Vorlage weiterer medizinischer Bescheinigungen auffordern müssen. Denn nach den Ausführungen des Schiedsgerichts im Schiedsspruch vom 31. Oktober 2022 wusste er, dass das Schiedsgericht die vorgelegte Bestätigung als nicht ausreichend ansieht. Auf die Ausführungen unter (b) wird ergänzend Bezug genommen.
73
(bb) Dass ihm die Entsendung eines Vertreters nicht möglich gewesen wäre, hat der Antragsgegner weder gegenüber dem Schiedsgericht noch im streitgegenständlichen Verfahren dargelegt.
74
Zwar entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass auch Schiedsgerichte die Verfahrensgrundrechte der Parteien auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit nicht dadurch verletzen dürfen, dass sie das Recht einer Partei, sich im Verhandlungstermin durch einen von ihnen selbst gewählten Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen, in unzumutbarer Weise beschneiden (BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, juris Rn. 26).
75
Dafür bestehen hier jedoch nach dem Vorbringen des Antragsgegners keinerlei Anhaltspunkte. Das Schiedsgericht hatte den Antragsgegner vielmehr am 20. März 2023 ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Vertreter zu entsenden (Anlage ASt 24 Rn. 41). Es hat sich zudem im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 31 SchO-DIA (ASt 24 Rn. 82 f.) mit dem Antrag auf Bestellung eines „Pflichtverteidigers“ befasst und insbesondere ausgeführt, selbst wenn man annähme, dass der Antragsgegner persönlich an der Teilnahme an der Verhandlung über Fernkommunikation gehindert gewesen sei, was er nicht bewiesen habe, hätte er einen Vertreter entsenden können; er habe nicht nachgewiesen, dass ihm die Mittel dazu fehlten. Die Schiedsregeln sähen die Bestellung eines Pflichtverteidigers in keinem Fall vor. Dieser Begründung des Schiedsgerichts hat der Antragsgegner nichts entgegengesetzt. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, er sei im Vorfeld der mündlichen Verhandlung finanziell nicht in der Lage gewesen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, und hätte dies gegenüber dem Schiedsgericht dargelegt, wenn das Schiedsgericht auf seine im Schiedsspruch wiedergegebene Rechtsansicht vorher hingewiesen hätte. Er hat auch nicht dargelegt, welche Einwendungen gegen die Schiedsklage er bei einer anwaltlichen Vertretung erhoben hätte.
76
Ein Verstoß gegen den ordre public lässt sich nicht damit begründen, dass die SchO-DIA die Bestellung eines Anwalts im Fall der Armut einer Partei nicht vorsieht. Bei internationalen Schiedsvereinbarungen bestimmen sich die Rechtsfolgen der Armut nach dem Recht, dem die Schiedsvereinbarung unterliegt. Ist danach die Armut für die Schiedsvereinbarung und das Schiedsverfahren irrelevant, kann dieses Ergebnis nicht über den ordre public korrigiert werden (vgl. Schütze in Schütze/Thümmel, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 7. Aufl. 2021, § 5 Rn. 96 ff.).
77
(4) Dass das Schiedsgericht Vorbringen von ihm übergangen hätte, zeigt der Antragsgegner nicht konkret auf.
78
Seine pauschalen Rügen, er habe die „unsubstantiierten Punkte des gegnerischen Vortrags“ entkräftet und die vorgetragenen Einwendungen seien vom Schiedsgericht ignoriert worden (Bl. 34 d. A.), genügt für die Darlegung eines Gehörsverstoßes nicht.
79
Seine Ausführungen, die Antragstellerin habe angegeben, dass Maschinen für über EUR 100.000,00 repariert worden seien, obwohl die einwandfreie Funktion der Maschinen bei Übergabe festgestanden habe (Bl. 53 f. d. A.), beziehen sich auf die Randnummern 136 bis 151 des Schiedsspruchs (Anlage ASt 24). Das Schiedsgericht hat – aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Beweise (C-28 und CWS1) – festgestellt, dass die Maschinen nicht in einem guten Zustand oder funktionsfähig gewesen seien und dass der Antragsgegner dies nicht „entschieden“ bestritten habe, die bloße Ablehnung des Anspruchs reiche dafür nicht aus (Rn. 136, 146, 147, 151). Dass das Schiedsgericht insoweit Vortrag des Antragsgegners übergangen hätte, zeigt er nicht auf. Es ist nicht ersichtlich, womit sich das Schiedsgericht seiner Ansicht nach hätte auseinander setzen müssen. Die – pauschalen – Ausführungen, dies mache deutlich, dass sich die Verfahrensfehler unmittelbar auf den Schiedsspruch auswirkten, beziehen sich nur auf die potenzielle Entscheidungserheblichkeit eines nicht dargelegten Verfahrensverstoßes. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt sich daraus nicht.
80
(5) Ein Verstoß gegen den ordre public ergibt sich schließlich nicht aus einer Kumulation mehrerer Umstände, nämlich daraus, dass der Antragsgegner während des Schiedsverfahrens schwer erkrankt und anwaltlich nicht vertreten war.
81
Unterstellt, der Antragsgegner hätte gegenüber dem Schiedsgericht den Nachweis seiner Erkrankung erbracht und dargelegt, dass es ihm infolge dieser Erkrankung oder aus – nachgewiesenen – finanziellen Gründen nicht möglich war, einen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Rechte zu beauftragen, erscheint es zwar denkbar, dass ihm durch diese Kombination von Erschwernissen eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich war. Der – nun anwaltlich vertretene Antragsgegner – hat aber nicht vorgetragen, welche Einwände er im Schiedsverfahren erhoben hätte, wenn er bereits dort einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen hätte beauftragen können.
82
(a) Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass es einer beklagten Partei aus verschiedenen, sich gegenseitig verstärkenden Gründen nicht möglich ist, sich in einem Schiedsverfahren sachgerecht zu verteidigen.
83
Unerheblich ist insoweit, dass sich der Antragsgegner teilweise am Verfahren beteiligt hat, denn dies belegt allein noch nicht, dass ihm eine sachgerechte Verteidigung möglich war. Das Argument, der – hier unterstellt – schwer erkrankte Antragsteller hätte sich vertreten lassen können, setzt voraus, dass er finanziell und mental in der Lage war, seine Vertretung im Verfahren sicherzustellen. Die Argumentation, er habe sich nicht anwaltlich vertreten lassen müssen, greift dagegen nur durch, wenn er gesundheitlich in der Lage war, sich persönlich an dem Verfahren zu beteiligen.
84
(b) Ob sich aus dieser Kombination von Erschwernissen ein Grund ergeben könnte, dem Schiedsspruch die Anerkennung zu versagen, kann offenbleiben, da der Antragsgegner weder für beide Erschwernisse Beweis angetreten noch potenziell entscheidungserheblichen Vortrag gehalten hat (s. o.).
85
Zwar sind keine hohen Anforderungen an die Kausalität eines Verfahrensverstoßes zu stellen. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts auf der Gehörsverletzung oder einem sonstigen Verfahrensfehler beruhen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009, III ZB 83/07, juris Rn. 7). Dafür zeigt der Antragsteller, der sich lediglich pauschal darauf beruft, er habe sich nicht sachgerecht verteidigen können, aber keinerlei Anhaltspunkte auf.
86
c) Ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 Buchst. e) UNÜ liegt nicht vor. Denn die förmliche Zustellung ist nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht, d. h. der von den Parteien des Schiedsverfahrens in der Schiedsvereinbarung gewählten Schiedsordnung, kein Wirksamkeitserfordernis. Auf die Ausführungen unter 2. c) wird Bezug genommen.
87
d) Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs ist auch nicht deshalb zu versagen, weil er aus sonstigen Gründen dem ordre public widerspräche, Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ.
88
e) Ein ausländischer Schiedsspruch ist – sofern er auslegungsfähig ist – in der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Vollstreckungstitel äußern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2011, III ZB 19/11, SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6).
89
Der Schiedsspruch vom 25. Oktober 2023 war in den Ziffern 2. und 3. des Tenors dahin zu konkretisieren, dass die Zinsen jeweils ab dem 8. November 2023 (14 Tage nach dem Datum des Schiedsspruchs) zu zahlen sind.
90
4. Die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
91
§ 1063 ZPO erfasst in Verbindung mit § 1025 Abs. 4 ZPO auch den Fall, dass bei einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs über § 1061 Abs. 1 ZPO Versagungsgründe nach Art. V UNÜ in Betracht kommen. Bei den von Amts wegen zu berücksichtigenden Gründen (Art. V Abs. 2 UNÜ) bedarf es keiner begründeten Geltendmachung durch den Antragsgegner; vielmehr ist eine mündliche Verhandlung (bereits) dann anzuordnen, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgrund vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 33/22, WM 2023, 443 Rn. 21; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 53. Ed. Stand: 1. Juli 2024, § 1063 Rn. 8 f.).
92
Daran fehlt es hier aus den oben dargelegten Gründen.
93
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
94
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 und 3 ZPO anzuordnen.
95
Der Streitwert wird gemäß § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO mit dem Wert der zu vollstreckenden Hauptforderungen festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 4).
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Bezieht sich der Vollstreckbarerklärungsantrag – wie vorliegend – auf den Schiedsspruch in der Hauptsache und auf den vom Schiedsgericht zugesprochenen Kostenerstattungsanspruch, handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 1 GKG um eine Nebenforderung (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 9). Daraus, dass hier zunächst über die Erstattung der Kaution ein gesonderter Schiedsspruch ergangen ist, der im Schiedsspruch vom 25. Oktober 2023 berücksichtigt worden ist, ergibt sich nichts anderes.