Titel:
Teilrücknahme, Asylklage, Uganda, Kind, Kein Abschiebungsverbot, Sprachentwicklungsstörung
Normenketten:
AufenthG § 60
VwGO § 92
Schlagworte:
Teilrücknahme, Asylklage, Uganda, Kind, Kein Abschiebungsverbot, Sprachentwicklungsstörung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25724
Tenor
I.Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wurde am … März 2021 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Er ist ugandischer Staatsangehöriger. Für den Kläger wurde am *. April 2021 ein Asylantrag gestellt. Der Asyl- und Schutzantrag der Mutter der Klägerin wurde mit Bescheid vom … Juli 2021 abgelehnt, die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom … Juni 2024 (M 5 K 21.31722) abgewiesen. Die Asylklage des Vaters der Klägerin gegen den Bescheid des Bundesamtes vom … Februar 2021, mit dem dessen Asyl- und Schutzantrag abgelehnt wurde, wurde in der mündlichen Verhandlung am 16. Oktober 2023 zurückgenommen (M 5 K 21.30507).
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Eigene Asylgründe wurden für den Kläger nicht vorgetragen.
3
Mit Bescheid vom … September 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 28. September 2021 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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dass der Bescheid vom … September 2021 in Nr. 4 aufgehoben wird und entsprechend Nr. 4 der Klageschrift gestellt wird. Im Übrigen wird die Klage zurückgenommen.
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Nr. 4 der Klageschrift vom 28. September 2021 lautet:
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Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 – 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
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Nach einem Arztbrief einer Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom … April 2024 liege ein unklares Hörvermögen beidseits sowie eine schwere rezeptiv-expressive Sprachentwicklungsstörung mit bislang ausbleibendem Spracherwerb, eine zweisprachige Erziehung (Englisch/Deutsch), V.a. Störung des Sozial- und Kontaktverhaltens und Z.n. Neugeborenen-Infektion mit Intensivstationsaufenthalt und Sauerstoffpflichtigkeit vor. Aufgrund der starken körperlichen Abwehr sei keine zuverlässige Aussage über das Hörvermögen des Klägers möglich gewesen. Es kein Ausschluss einer therapiebedürftigen Schwerhörigkeit auch auf der rechten Seite möglich.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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Am 24. Juni 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Protokoll vom 24. Juni 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG unter Aufhebung der entgegenstehenden Nr. 4 des Bescheids vom 17. September 2021. Das Bundesamt hat zu Recht das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt.
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a) Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Die Gefahr muss zudem konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – BVerwGE 142, 179, juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt nicht schon dann vor, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist (OVG NRW, B.v. 15.9.2003 – 13 A 3253/03.A – juris). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat gleichwertig ist mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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b) Eine solche Erkrankung ist aus dem Arztbrief vom … April 2024 nicht zu entnehmen. Soweit dort ein unklares Hörvermögen beidseits sowie eine schwere rezeptiv-expressive Sprachentwicklungsstörung mit bislang ausbleibendem Spracherwerb, eine zweisprachige Erziehung (Englisch/Deutsch), V.a. (wohl: Verdacht auf) Störung des Sozial- und Kontaktverhaltens und Z.n. (wohl: Zustand nach) Neugeborenen-Infektion mit Intensivstationsaufenthalt und Sauerstoffpflichtigkeit angegeben werden, folgen daraus keine akut behandlungsbedürftigen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen. Insbesondere die Therapie einer Sprachentwicklungsstörungen erfüllt nicht den Maßstab des § 60 Abs. 7 AufenthG.
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Es liegen auch keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Die Mutter des Klägers konnte ihren Lebensunterhalt ohne weiteres in Uganda bestreiten. Ebenso war ihr die Aufbringung der nicht unerheblichen Mittel für ihre Ausreise nach Deutschland möglich. Daher ist zu erwarten, dass sie den lebensnotwendigen Unterhalt auch für den Kläger bei einer Rückkehr nach Uganda bestreiten kann. Zudem kann sie entsprechend den örtlichen Gewohnheiten auf die Unterstützung ihrer (Groß-) Familie unterstützt werden.
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3. Der Kläger hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, folgt die Kostentragung der Klagepartei aus § 155 Abs. 2 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
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Soweit das Verfahren in Nr. I. des Tenors eingestellt wurde, ist dieser Ausspruch unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Im Übrigen ergeht folgende