Titel:
Disziplinarmaß bei nicht genehmigter Nebentätigkeit
Normenketten:
BayDG Art. 10, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 50 Abs. 1 S. 2, Art. 51
BayBG Art. 81 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 3
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 1 S. 1, S. 3, § 35 Abs. 1 S. 2, § 47
Leitsätze:
1. Der im gerichtlichen Disziplinarverfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz führt nicht dazu, dass das Gericht hinsichtlich weiterer Handlungen und Tatsachen ermitteln muss, die nicht in der Disziplinarklage enthalten sind. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Maßnahmebemessung bei unerlaubter Nebentätigkeit kommt es wesentlich auf den Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit ankommt; daher muss dieser in der Disziplinarklage entsprechend dargestellt sein. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei dienstpflichtwidriger Ausübung einer Nebentätigkeit steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtenverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt und diese bei fortgesetztem Verhalten stufenweise steigert; das Ausbleiben einer stufenweisen Steigerung ist nur dann nicht mildernd zu berücksichtigen, wenn sich der Beamte eine niederschwellige disziplinare Sanktionierung nicht zur Mahnung und Warnung hätte dienen lassen. (Rn. 66 – 67) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Ausübung nicht genehmigter Nebentätigkeit, Minusstunden über langen Zeitraum, Gegenstand der Disziplinarklage, Zurückstufung, Beamter, Dienstpflichtverletzung, Disziplinarklage, gerichtliches Disziplinarverfahren, Nebentätigkeit, Genehmigung, Widerruf, Umfang, Attestpflicht, gleitende Arbeitszeit, Minusstunden, Elternzeit, Fernbleiben vom Dienst, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, stufenweise Steigerung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25720
Tenor
I.Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt als Vermessungsoberwart (A5) erkannt.
II.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, da dieser fortgesetzt einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch Gerüstverleih und Zimmerertätigkeit nachgehe und dabei in großem Umfang Minusstunden entgegen der Dienstvereinbarung aufgebaut und weitere Gehorsamspflichtverstöße im Zusammenhang mit Krankmeldungen, Nutzung der Arbeitsmittel etc. begangen habe.
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I. Der am 31. Oktober 1984 geborene Kläger ist als Vermessungssekretär Beamter auf Lebenszeit beim Freistaat Bayern. Nach bestandener Gesellenprüfung zum Landwirt im Jahre 2004 und Zimmerer im Jahre 2006 war der Beklagte zunächst als Zimmerer tätig, bevor er ab dem Jahr 2010 zunächst als Vermessungsgehilfe, zwischenzeitlich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und ab 1. Juli 2013 als Beamter in der 1. Qualifikationsebene im Bereich Naturwissenschaft und Technik – Vermessung und Geoinformation tätig wurde. Nach der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit zum 27. Juli 2014 wurde der Beklagte zum 1. November 2018 zum Vermessungssekretär in A6 befördert. Eigenen Angaben zufolge hat der Beklagte in den letzten 2 Jahren die Meisterschule besucht und den Meister im Gerüstverleih abgeschlossen, den Meister als Zimmerer mache er derzeit. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten seines Werdegangs wird auf die Darstellungen in der Disziplinarklage sowie die beigezogene Personalakte Bezug genommen. Verwiesen wird auch hinsichtlich der Beurteilungen, zuletzt im Jahre 2017 mit 10 Punkten und 2020 mit 8 Punkten. Zudem liegt ein Persönlichkeitsbild vom 14. Juni 2022 vor, auf das Bezug genommen wird. Seit 25. Juli 2021 ist der Vater dreier Kinder von 3 Jahren bzw. acht Wochen in Elternzeit, die bis zum 24. Juli 2025 verlängert wurde. Der Beklagte ist disziplinarisch und strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
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Hinsichtlich der Nebentätigkeiten des Beklagten und zwischenzeitlicher Genehmigungen bzw. Widerrufs der Genehmigung etc. wird auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen sowie die Personalakte Bezug genommen. Dies gilt auch hinsichtlich der bestehenden Attestpflicht seit 17. Dezember 2018 ab dem ersten Krankheitstag und 26. September 2019 zur Erforderlichkeit eines amtsärztlichen Attests.
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II. Nach umfangreichen Vorermittlungen durch den Dienstvorgesetzten leitete das Bayerische Landesamt für Steuern (LfSt) als Disziplinarbehörde am 16. Januar 2020 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten gemäß Art. 19 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) ein und gab dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beklagte nahm daraufhin zunächst schriftlich am 27. Januar 2020 Stellung und wurde zudem am 10. Februar 2020 mündlich angehört. Auf die Niederschrift hierüber wird Bezug genommen. Am 25. Oktober 2021 wurde das Disziplinarverfahren – insbesondere nach weiteren Ermittlungen durch den Dienstvorgesetzten – ausgedehnt und die Ausdehnung dem Beklagten bekannt gegeben. Auf einen Vermerk des Ergebnisses der Ermittlungen zur abschließenden Anhörung vom 17. Mai 2022 reagierte der Beklagte zwar nicht, das Verfahren wurde jedoch aufgrund neuer Sachverhaltserkenntnisse nochmals ausgedehnt und der Beklagte erhielt unter dem 11. November 2022 erneut Gelegenheit zur Äußerung i.S.v. Art. 32 BayDG. Im Rahmen dessen wurde dargelegt, dass und welche im Disziplinarverfahren zunächst zur Last gelegten Handlungen nicht weiterverfolgt würden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen.
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III. Mit am 4. August 2023 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz des LfSt vom 1. August 2023 hat der Kläger Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen, vgl. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 3 BayDG. Mit Schriftsatz vom 14. August 2024 nach Erhalt der Ladung am 6. August 2024 teilte das LfSt mit, der Beklagte gehe der Nebentätigkeit als Gerüstbauer weiter nach und habe diese sogar intensiviert. Hierzu wird näher ausgeführt. In der mündlichen Verhandlung am 24. September 2024 führte der Klägervertreter insbesondere aus, es handle sich um ein zeitlich gestrecktes dienstpflichtwidriges Verhalten des Beklagten. Insoweit habe es keiner Nachtragsdisziplinarklage bedurft und sei das fortgesetzte Verhalten im Rahmen der vorliegenden Disziplinarklage zu berücksichtigen. Ebenso sei eine Berücksichtigung der in der abschließenden Anhörung nicht weiterverfolgten Handlungen möglich. Schließlich gehe es um die Ausübung der Nebentätigkeit und sei der Vorwurf in der Disziplinarklage weit gefasst. Trotz ausdrücklichen Hinweises habe sich der Beklagte nicht beirren lassen, auch nicht durch Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens, und sein dienstpflichtwidriges Verhalten fortgesetzt. Die weiteren Dienstpflichtverletzungen untermauerten die Grundeinstellung des Beklagten; das gestörte Betriebsklima sei ebenso wie die erhebliche Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums zu berücksichtigen.
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Der Vertreter des Klägers beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich auch nicht im Verfahren eingelassen. In der mündlichen Verhandlung nahm er zu den ihm jeweils in der Disziplinarklage zur Last gelegten Baustellentätigkeiten Stellung. Auf die Niederschrift wird insoweit Bezug genommen.
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In der mündlichen Verhandlung am 24. September 2024, hinsichtlich deren Einzelheiten auch im Übrigen auf die Niederschrift Bezug genommen wird, wurden ein Geschäftspartner des Beklagten sowie der Dienstvorgesetzte des Beklagten zum Umfang der Tätigkeiten des Beklagten auf den benannten Baustellen als Zeugen befragt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Disziplinarakte des LfSt sowie die beigezogene Personalakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
10
Auf die Disziplinarklage des Klägers hin ist der Beklagte in das Eingangsamt als Vermessungsoberwart (A5) zurückzustufen, da er ein schweres Dienstvergehen durch die Ausübung einer nicht angezeigten und aufgrund der Einzelfallumstände nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit als Gerüstverleiher und Zimmerer durch die ihm in der Disziplinarklage zur Last gelegten Handlungen begangen hat. Mangels Nachweises des genauen Umfangs der Nebentätigkeiten des Beklagten mit Ausnahme der in der Disziplinarklage benannten Baustellen und unter Berücksichtigung der (nur) verfahrensgegenständlich dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen ist jedoch noch nicht von der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszugehen. Die Zurückstufung ist jedoch in Verbindung mit der erheblichen Dienstpflichtverletzung durch den massiven Aufbau von Minusstunden und damit verbundenen Verstoß gegen die Arbeitszeitregelungen erforderlich und auch angemessen.
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I. Mängel des Disziplinarverfahrens nach Art. 53 Abs. 1 BayDG, die einer Disziplinarmaßnahme entgegenstehen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
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Der Einleitung des Disziplinarverfahrens gingen jedoch sehr umfangreiche Vorermittlungen voraus, die nach Auffassung des Gerichts durchaus zu einem bereits früheren Zeitpunkt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens hätten mit sich bringen können und müssen. Dieser Aspekt führt jedoch nicht zu einem durchgreifenden Mangel für eine disziplinarische Ahndung (vgl. BVerwG, B.v. 18.11.2008 – 2 B 63/08) – beck-online Rn. 15; BVerwG, U.v. 28.7.2010 – 2 A 4.09 – beck-online Rn. 102), soweit sich dadurch nicht ein Maßnahmeverbot gemäß Art. 16 BayDG wegen Zeitablaufs ergibt. Er kann jedoch nach den Umständen des Einzelfalls bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden, etwa wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war; dies ist dann der Fall, wenn der Beamte mit der Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens das beanstandete Verhalten unterlässt oder danach liegende Vorfälle lediglich von untergeordneter Bedeutung sind; bei dieser Sachlage liegt die Annahme nahe, dass sich der Beamte bei einer früheren Verfahrenseinleitung ebenso verhalten und keine weiteren Pflichtenverstöße begangen hätte (BVerwG, B.v. 28.3.2023 – 2 C 20.21 – beck-online Rn. 32 m.w.N.).
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II. Dem Beklagten wird in der Disziplinarklage folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
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Seit dem Jahr 2015 übte der Beamte eine Nebentätigkeit mit Zimmerer- und Bautätigkeiten aus, die er sich von seinem Dienstherrn genehmigen ließ. Die Genehmigung wurde einmal verlängert, bis sie schließlich zum 31.07.2019 auslief. Ein Antrag auf Verlängerung der Genehmigung wurde von Seiten des Beamten nicht gestellt, obwohl er seitens der Amtsleitung auf das Auslaufen der Genehmigung hingewiesen wurde (DA BI. 17). Obwohl er nicht im Besitz einer Genehmigung war, führte er seine Nebentätigkeit auch nach dem 31.07.2019 weiterhin aus. So wurde der Beamte am 17.12.2019 von seinem Amtsleiter auf einer Baustelle in Ostermünchen gesehen (DA BI. 217). Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beamte im Urlaub.
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Mit Schreiben vom 20.02.2020 wurde dem Beamten erneut eine Genehmigung seiner Nebentätigkeit als Zimmerer und Gerüstverleiher erteilt (PA Akte Nebentätigkeit). Die Genehmigung wurde mit Schreiben des Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Regionalabteilung Süd, vom 06.07.2021 mit sofortiger Wirkung widerrufen (PA Teil III). Gleichzeitig wurde ihm eine Übergangsfrist zur Abwicklung seiner Aufträge bis 15.08.2021 gewährt. Seit 25.07.2021 befindet sich der Beamte in Elternzeit. Das Schreiben wurde ihm mittels Postzustellungsurkunde zugestellt (PA Teil III).
17
Am 23.09.2021 wurden durch den Dienststellenleiter des Beamten im Kollegenkreis bekannte mögliche Baustellen von diesem besichtigt (DA BI. 32 ff.).
18
Im Gewerbegebiet in A* … war an einem Gerüst an einem neu gebauten Haus ein Plakat mit Werbung für seinen Gerüstverleih angebracht (DA BI. 33). Es ist daher davon auszugehen, dass der Beamte das Gerüst zumindest verliehen, vermutlich aber auch aufgebaut hat.
19
Am gleichen Tag traf der Dienststellenleiter den Beamten auf der Baustelle einer Halle der Firma … … in R* … an (DA BI. 33). Der Beamte stand zu dem Zeitpunkt auf einer Hebebühne und montierte eine Blechverkleidung. Auf die Frage, was der Beamte dort arbeiten würde, gab dieser an, die Seitenverschalung der Hallen zu bauen. Auf den Widerruf der Genehmigung der Nebentätigkeit angesprochen, gab dieser an, seine Briefe in letzter Zeit nicht genau angesehen zu haben.
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Aufgrund einer Meldung des Leiters des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Süd vom 19.05.2022 (DA BI. 135) wurden der Disziplinarbehörde Hinweise auf weitere gewerbliche Tätigkeiten eröffnet. Diese fanden sich in einer Aufstellung eines Bauherrn, welcher die Kosten für sein Bauvorhaben anhand Leistungsrechnungen nachweisen wollte. Hierunter befanden sich gestellte Rechnungen des Beamten (DA BI. 133). Auf schriftliche Nachfrage bei dem Zeugen, Herrn … …, wurden zwei Rechnungen des Beamten adressiert an den Zeugen vom 28.1 1.2021 mit einem Leistungszeitraum vom 03.09.-08.10.2021 und vom 08.10.- 26.112021 vorgelegt (DA BI. 145 f.). Die Rechnungsbeträge lauten über 5.114,46 € und 2.864,40 €. Es handelt sich dabei um einen Gerüstverleih an Herrn … … Die Rechnungen beziehen sich beide auf das Projekt „… … 18“ und werden betitelt mit „Gerüst für Betriebsgebäude mit Betriebsleiterwohnung von 03.09.2021 – 08.10.2021“ bzw. „Gerüst für Betriebsgebäude mit Betriebsleiterwohnung von 08.10.2021 – 26.1 1.2021“. Darin enthalten ist neben dem Verleih des Gerüstes auch die Überprüfung der fachgerechten Montage. Diese wurde laut Zeugenaussage an einem nicht näher bekannten Tag zu Beginn des Zeitraums des Verleihs durch den Beamten persönlich mit einem Zeitaufwand von ein bis zwei Stunden durchgeführt. Die dem Beamten gewährte Übergangsfrist lief bereits am 15.08.2021 ab.
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Die in der abschließenden Anhörung auf S. 3 abgebildeten Rechnungen vom 28.11.2021 (DA BI. 149), die einen Verleihzeitraum von 03.08.2021 bis 08.10.2021 sowie 08.10.2021 bis 26.1 1.2021 ausweisen, machen ferner deutlich, dass der Beamte der Nebentätigkeit nach Ablauf der ihm gewährten Übergangsfrist bis zum 15.08.2021 weiterhin nachgegangen ist, obwohl er keine Genehmigung dafür hatte.
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Darüber hinaus reichte der Beamte mit Schriftstück vom 31.01.2023 (DA BI, 169) einen Antrag auf Elternzeit ein. Es handelt sich dabei um eine Verlängerung der bereits seit 25.07.2021 laufenden Elternzeit um weitere zwei Jahre bis zum 25.07.2025. Dieser Antrag enthielt einen freien Vermerk, dass der Beamte während seiner Elternzeit einer Teilzeitbeschäftigung im Gerüstverleih nachgehen werde. Ein weiterer Antrag auf Ausübung einer Nebentätigkeit war dem nicht beigefügt. Der Antrag auf Elternzeit wurde dem Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Ebersberg am 01.02.2023 zugeleitet (DA BI. 169). Mit Schreiben vom 20.02.2023 (DA BI. 173) wurde die Elternzeit genehmigt. Gleichzeitig wurde in diesem Schriftstück auf den Widerruf der Genehmigung der Nebentätigkeit vom 06.07.2021 verwiesen.
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2. Unberechtigte Nutzung dienstlich zur Verfügung gestellter Arbeitsmittel
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In der Dienststelle des Beamten wurde auffällig, dass der Beamte die dienstlich zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel wie PC und Drucker für seine Nebentätigkeit nutzte. Die Vereinbarung zur privaten Nutzung von dienstlich zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln in geringem Umfang hat er nicht unterzeichnet, so dass ihm die Nutzung von PC und Drucker für seine Nebentätigkeit nicht erlaubt war. Daraufhin wurde der Beamte in einem Gespräch am 31.07.2019 zwischen dem Beamten, seinem Amtsleiter und dem Leiter der Regionalabteilung Süd, Herrn …, darauf hingewiesen, dass es nicht erlaubt ist, dienstliche Geräte privat zu nutzen (DA BI. 36). Der Beamte räumte die private Nutzung in diesem Gespräch ein, wollte die Vereinbarung zur privaten Nutzung aber nicht unterzeichnen, weil er keine weitere private Nutzung mehr beabsichtigte. Dennoch wurde auch in den folgenden Wochen im August 2019 die Nutzung der dienstlichen Arbeitsmittel für seine Nebentätigkeit festgestellt. Es wurden Dokumente mit dem Betreff „Angebot“, „… Dach“, „Anfrage“ oder „Rechnung“ gedruckt (DA BI. 18). Am 08. Oktober 2019 wurde erneut ein Druckauftrag für private gewerbliche Zwecke festgestellt (DA BI. 21). Hinzukommt, dass am 01.10.2019 (DA BI. 20), am 04.10.2019 (DA BI. 20) und am 13.11.2019 (DA BI. 23) Unterlagen der Fa … im Büro des Beamten aufgefunden wurden, nämlich ein Ordner „Angebote 2018“, weitere einzelne Angebote sowie weitere Postlts am Arbeitsplatz, welche die Nebentätigkeit des Beamten betreffen.
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3. Verstoß gegen Attestpflicht
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Mit Schreiben des Amtsleiters vom 17.122018 wurde der Beamte angewiesen, ab dem ersten Tag seiner Erkrankung ein privatärztliches Attest vorzulegen. Ab dem dritten Krankheitstag sollte er ein amtsärztliches Attest vorlegen. Diese Weisung hat er am 17.12.2018 (DA BI. 11) erhalten, was er mit seiner Unterschrift bestätigte. Aufgrund erneut deutlich angestiegener Krankheitstage wurde er mit Schreiben vom 26.09.2019 dazu verpflichtet, ab dem ersten Krankheitstag ein amtsärztliches Attest bei seinem Amtsleiter vorzulegen (PA Teil Il).
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Vom 11.11.2019 bis 13.11.2019 erschien der Beamte krankheitsbedingt unter Vorlage eines privatärztlichen Attests nicht zum Dienst. Das Attest eines Amtsarztes legte der Beamte entgegen der ausdrücklichen Weisung nicht vor.
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4. Verstoß gegen die Vereinbarung über die Arbeitszeit
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In der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit (DA BI. 47) ist unter Nummer 13 Absatz 1 geregelt, dass die Arbeitszeitrückstände an keinem Tag 40 Stunden überschreiten dürfen.
30
In einem Gespräch mit dem Amtsleiter am 17.12.2018 (siehe PA und DA BI. 11) wurde der Beamte auf die Einhaltung der Grenze hingewiesen. Laut dem Arbeitszeitkonto des Beamten überschreiten seine Rückstände ununterbrochen seit mindestens 19.07.2019 den Wert von 40 Stunden, teilweise sogar erheblich (DA BI.37- 40 für den Zeitraum 19.07.-13.11.). Den restlichen Zeitraum im November war der Beamte erkrankt.
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Auch während des bereits laufenden Disziplinarverfahrens hat der Beamte weiterhin Minusstunden aufgebaut.
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Im Jahr 2020 überschritt der Beamte in jedem Monat, in dem er im Dienst war (ausgenommen ist der Sonderurlaub von März bis August 2020), die Grenze von 40 Minusstunden teils erheblich (DA BI. 95).
33
Ebenso verhält es sich in 2021 (DA BI. 106) bis zum Beginn seiner Elternzeit am 25.07.2021.
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Am 02.03.2021 betrugen die Minusstunden 1 18 (DA BI. 30). Daraufhin wurden in Absprache mit dem Beamten vom 02.03.2021 fünf Urlaubstage in Arbeitszeitguthaben umgewandelt und vereinbart, dass aufgrund des Corona bedingten Zwangsurlaubs über Weihnachten 90 Minusstunden noch akzeptabel seien. Die Einbuchung der Urlaubstage erfolgte am 03.03.2021 systembedingt für den 27.02.2021 (ein Samstag). Am 31 .05.2021 waren die Minusstunden des Beamten trotz Anrechnung der Urlaubstage wieder auf 97,03 angewachsen (DA BI. 106). Im gesamten Jahr 2021 betrugen die Minusstunden stets über 90 (DA BI. 106).
35
Insgesamt hat der Beamte im Zeitraum 19.07.2019 bis 25.07.2021 (Beginn Elternzeit) seine Arbeitszeitrückstände um 115 Stunden und 14 Minuten erhöht (DA BI. 110).
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5. Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst
37
Am Donnerstag, den 26.09.2019 wurde der Beamte im Staatlichen Gesundheitsamt … amtsärztlich untersucht und dabei als für den Innendienst dienstfähig eingestuft. Dennoch ist der Beamte an diesem Tag nicht mehr im Dienst erschienen (DA BI. 19).
38
Am Freitag, den 18.10.2019 wurde der Beamte erneut amtsärztlich untersucht. Er wurde für diesen Tag ebenfalls für dienstfähig befunden, erschien jedoch nach der amtsärztlichen Untersuchung nicht zum Dienst. Am Nachmittag dieses Tages wurde der Beamte von Kollegen auf dem Gerüst einer Baustelle in Unterrain gesehen (DA BI. 21).“
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(Auszug aus der Disziplinarklage)
40
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts ausgehend aus der Disziplinarakte, Personalakte und dem gerichtlichen Verfahren fest.
41
Insbesondere ist der Beklagte den tatsächlichen Ausführungen in der Disziplinarklage weitgehend nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr hat der Beklagte bereits im Disziplinarverfahren eingestanden, einen Gewerbebetrieb mit Gerüstverleih zu betreiben und 2 Firmenwägen zu haben. In der Anhörung im Disziplinarverfahren hat er zu seiner gewerblichen Tätigkeit ausgeführt. In der mündlichen Verhandlung gab er ergänzend an, das Gerüst wieder verkaufen zu wollen, falls es für die Arbeiten am Bauernhof nicht mehr benötigt würde. Hinsichtlich der in der Disziplinarklage zur Last gelegten Handlungen bei der Ausübung seiner Nebentätigkeit auf den genannten Baustellen hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt, in R* … am 23. September 2021 eine Blechverkleidung verbaut zu haben. Für die Baustelle „Am … 18“ habe er das Gerüst geliefert, zwischenzeitlich beim Aufbau mitgeholfen, als der Bauherr nicht weitergewusst habe, und das vom Bauherrn abgebaute Gerüst mit seinem Anhänger abgebaut. Der Zeitaufwand für diese Arbeiten habe bei ca. anderthalb Tagen gelegen. Die Baustelle am 18. Oktober 2019 in O* …U* … habe er nur besucht, weil dort sein Bruder bei Freunden mitgeholfen habe. Es könne sein, dass er dort auf dem Gerüst für Tipps zu den Arbeiten an der Fassade gestanden sei. Zur Zusammenarbeit mit dem Zeugen G* … führte der Beklagte aus, dieser sei der Meister, so dass er ihm nur geholfen habe. Für seine Tätigkeit schreibe er ihm dann eine Rechnung.
42
Die Beweisaufnahme hat durch die Aussagen des Zeugen G* … ergeben, dass der Beklagte dem Zeugen mit seinem Ein-Mann-Betrieb hin und wieder aushilft. Dies erfolge gegenseitig. Bezüglich des sog. Prinzessinnenhaus in V* … habe der Umfang der Arbeiten des Beklagten wohl nicht nur einen Nachmittag, sondern schon mehrere Tage ausgemacht. Auf der Baustelle in O* … beim Bauherrn … im Dezember 2019 habe der Zeuge dem Beklagten bei Dacharbeiten an wohl ca. drei Tagen geholfen. Der Beklagte konnte sich aber an den Zeitumfang nicht mehr erinnern.
43
Der Zeuge R* … konnte aus eigenen Beobachtung heraus mit Ausnahme der Arbeit an der Blechverschalung im R* … die genauen Tätigkeiten und insbesondere deren Umfang durch den Beklagten nicht beobachten. Er hat jedoch das Plakat des Gerüstverleihs auf Baustellen im Landkreis, wie auch in seinem schriftlichen „Blog“ dargestellt, beobachtet, den Firmenwagen auf Baustellen gesehen und den Beklagten in O* … an der Baustelle am 17. Dezember 2019, ob im Auto sitzend – wie vom Beklagten vorgehalten –, konnte sich der Zeuge nicht mehr erinnern. Der Beklagte hatte insoweit im Disziplinarverfahren vorgetragen, nur eine Baustellentüre auf die Baustelle gefahren zu haben.
44
IV. Gegenstand des sich hieraus ergebenden Dienstvergehens i.S.v. § 47 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind entgegen der klägerischen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung nur die Handlungen, die dem Beklagten auch in der Disziplinarklage zur Last gelegt werden. Darüber hinaus eröffnet Art. 51 BayDG (nur) über den Weg einer Nachtragsdisziplinarklage, weitere Handlungen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Nach Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayDG sind in der Klageschrift neben den Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, auch die anderen Tatsachen und Beweismittel geordnet darzustellen, die für die Entscheidung bedeutsam sind. Daraus folgt auch, dass der im gerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz nicht dazu führt, dass das Gericht hinsichtlich weiterer Handlungen und Tatsachen ermitteln muss, die nicht in der Disziplinarklage enthalten sind.
45
Soweit der Klägervertreter auf ein fortgesetzt dienstpflichtwidriges Verhalten des Beklagten abstellt, so verfängt dies nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt: „Die vom BerGer. angewandte Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung oder des Fortsetzungszusammenhangs, die im Übrigen im Strafrecht aufgegeben worden ist (vgl. BGHSt 40, 138 = NJW 1994, 1663 = NStZ 1994, 383), ist dem Disziplinarrecht fremd (vgl. BVerwG 26.3.2003 – 1 D 23.02, BeckRS 2003, 31352168). Dies gilt gleichermaßen für den strafrechtlichen Begriff des sogenannten Dauerdelikts. Im Fall einer Vielzahl gleichartiger Dienstpflichtverletzungen wie bei Kernzeitverstößen stellen die einzelnen Verstöße auch nicht unselbständige Teilakte oder nur einen Beitrag zu einer einzigen Handlung im Rechtssinne dar, die keine Zäsur erlauben würden. Bei wiederholt verspäteten Dienstantritt muss für jede Wiederholung neu ein (Tat-)Entschluss gefasst werden. Der Pflichtenverstoß ist mit dem jeweiligen Zuspätkommen vollendet“ (BVerwG, B.v. 28.3.2023 – 2 C 20.21 – beck-online Rn. 30).
46
Zwar ist dem Beklagten alleine durch das Anmelden eines entsprechenden Gewerbebetriebs und nachgewiesener Tätigkeiten diesbezüglich der Vorwurf der Ausübung einer nicht angezeigten, aber genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit zu machen. Da es aber für die Maßnahmebemessung wesentlich auf den Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit ankommt, muss dieser in der Disziplinarklage entsprechend dargestellt werden sein, vgl. Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayDG.
47
Auch inwieweit der Beklagte sich nunmehr in der Elternzeit (weiterhin) dienstpflichtwidrig verhält, ist folglich nicht Gegenstand des Verfahrens und kann allenfalls im Rahmen des sog. Nachtatverhaltens oder bei der Betrachtung der Persönlichkeit des Beklagten Berücksichtigung finden.
48
Hinsichtlich der ursprünglich dem Beklagten zur Last gelegten weiteren Tätigkeiten am 8. April 2019, 17. Mai 2019, 20.-24. Mai 2019, 25. Juni 2019 und 27. November 2019, wurde in der abschließenden Anhörung vom 11. November 2022 dargestellt, dass der diesbezügliche Vorwurf „nicht weiterverfolgt“ würde. Hierzu wird jeweils dargelegt, warum der Vorwurf als nicht bewiesen angesehen wird. Damit ist nicht von einer Beschränkung i.S.v. Art. 21 Abs. 2 BayDG auszugehen, der eröffnet, dass Handlungen vorläufig ausgeschieden werden können, sofern sie für Art und Höhe nicht ins Gewicht fallen, sondern von einer Freistellung aus Mangel an Beweisen. Mit Ausnahme des sog. Prinzessinnenhaus in V* … haben sich auch im weiteren Verfahren im Übrigen keine neuen Beweise ergeben, die rechtfertigen würden, diese ursprünglich zur Last gelegten Handlung an diesen Tagen wieder zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Jedenfalls sind diese Handlungen nicht Gegenstand des vorliegenden Disziplinarklageverfahrens.
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Selbst bei Berücksichtigung der neueren Erkenntnisse zum Prinzessinnenhaus mit der Annahme einer Nebentätigkeit des Beklagten in Umfang von mehreren Tagen fiele dies i.S.v. Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Art. 54 BayDG im Übrigen voraussichtlich nicht ins Gewicht.
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V. Der Beklagte hat durch das ihm im zuvor skizzierten Umfang verfahrensgegenständliche Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
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1. Durch die Nichtanzeige und fehlende Antragstellung zur Genehmigung seiner Nebentätigkeit als Gerüstverleiher mit entsprechend angemeldetem Gewerbebetrieb sowie Tätigkeiten als Zimmerer handelte der Beklagte nicht nur den gesetzlichen Vorgaben i.S.v. Art. 81 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) zuwider und verstieß damit gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze, vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, sondern auch ansehens- und vertrauensschädigend nach Art. 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Zudem war der Beklagte ausdrücklich hinsichtlich seiner Nebentätigkeit von seinem Dienstvorgesetzten belehrt worden. Damit handelte er zudem entgegen seiner Gehorsamspflicht nach Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Der Beklagte handelte schuldhaft und ohne Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe.
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2. Die Nutzung dienstlich bereitgestellter Mittel ohne entsprechende Abgabe einer dafür vorgesehenen Erklärung stellt ebenso einen Verstoß gegen die Gehorsamspflicht dar. Es ist ansehens- und vertrauensschädigend, auf Kosten des Dienstherrn Drucker etc. für private, hier sogar geldeinbringende gewerbliche, Zwecke zu nutzen. Der Beklagte handelte schuldhaft und vermag mit seiner Einlassung, er habe dies nicht gewusst, nicht zu überzeugen. Insofern hat die Disziplinarbehörde zutreffend darauf verwiesen, dass der Beklagte spätestens seit dem Hinweis am 31. Juli 2019 durch seinen Vorgesetzten gewusst habe, dass ihm eine private Nutzung ohne vorherige Unterschrift der Nutzungsvereinbarung nicht erlaubt sei. Auf mögliche disziplinarrechtliche Konsequenzen sei er hingewiesen worden.
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3. Indem der Beklagten im Zeitraum 11. November 2019 bis 13. November 2019 der Pflicht zur Beibringung eines amtsärztlichen Attests nicht nachkam, verstieß er wiederum gegen die Pflicht zur Beachtung dienstlicher Anordnungen. Schließlich war ihm seit dem 17. Dezember 2018 die Pflicht zur Beibringung eines ärztlichen Attests bereits ab dem ersten Krankheitstag auferlegt worden und seit dem 26. September 2019 durch ein amtsärztliches Attest. Der Beklagte handelte schuldhaft. Auch wenn er vorgetragen hat, dass an diesen Tagen seine Schwester ihn nicht zum Amtsarzt hätte fahren können, befreite dies ihn nicht von der amtsärztlichen Attestpflicht.
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4. Durch den Aufbau der Minusstunden im dargestellten Umfang verstieß der Beklagte über den dargestellten Zeitraum gegen die § 13 Abs. 1 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit sowie die zusätzlich erfolgte Weisung am 17. Dezember 2018 bzw. Erinnerungen im Januar 2019 und damit gegen Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zur Pflicht, dienstlichen Anordnungen und allgemeinen Richtlinien Folge zu leisten. Die Minusstunden in dem erheblichen Umfang sind zudem die Folge einer fehlenden Hingabe an den Beruf und damit dienstpflichtwidrigen Verhaltens i.S.v. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Die beklagtenseitig vorgetragene Betreuung seiner Eltern und Nichtbewilligung von beantragter Teilzeit lässt die Pflichtwidrigkeit nicht entfallen und stellt auch keinen durchgreifenden Rechtfertigungsgrund für das dienstpflichtwidrige, eigenmächtige Verhalten des Beklagten dar.
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5. Auch das zeitweilige unerlaubte Fernbleiben vom Dienst am 26. September 2019 und 18. Oktober 2019, nachdem der Beklagte vom Amtsarzt für diensttauglich befunden wurde, stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze, die Gehorsamspflicht und die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf dar und war ansehens- und vertrauensschädigend. Auch insoweit handelte der Beklagte schuldhaft. Das dienstpflichtwidrige Handeln ist nicht dadurch entfallen, dass er die Fehlstunden auf Gleitzeit habe abziehen lassen.
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VI. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens mit Würdigung der Umstände des Einzelfalls, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG stellt die Zurückstufung um eine Stufe in das Eingangsamt i.S.v. Art. 10 BayDG die angemessene, aber auch erforderliche Disziplinarmaßnahme dar. Die klägerseitig beantragte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hingegen (noch) nicht in Betracht. Dem liegt Folgendes zugrunde:
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1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens und im Rahmen dessen die schwerste Dienstpflichtverletzung.
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a) Bei dienstpflichtwidrigem Verhalten durch die Ausübung einer Nebentätigkeit steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtenverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung (BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 4/18 – beck-online Rn. 20). Es kommt auf Dauer, Häufigkeit, Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeit gesetzliche Versagungsgründe entgegenstanden, das heißt ob die Betätigungen auch materiell rechtswidrig waren und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Dabei kann der Rechtsprechung nicht entnommen werden, dass nur in letztgenanntem Fall die Höchstmaßnahme verhängt werden darf. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrgenommen hat (BVerwG, a.a.O. m.w.N.).
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Vorliegend ist dem Beklagten die Nichtanzeige und Ausübung einer genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit über einen längeren Zeitraum, nämlich vom 1. August 2019 bis zur Erhebung der Disziplinarklage, mit Ausnahme des Zeitraums vom 20. Februar 2020 durch die zeitweilige Genehmigung der Nebentätigkeit bis zu deren Widerruf vom bis 6. Juli 2021 mit Abwicklungsfrist für Aufträge bis 15. August 2021 vorzuwerfen. Weder die klaren Ansprachen seines Dienstvorgesetzten, der Widerruf der zwischenzeitlichen Genehmigung, der Hinweis in der Elternzeitbewilligung oder Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens vermochten insoweit pflichtenmahnend auf den Beklagten einzuwirken. Dies wirkt bei der gebotenen Betrachtung der Einzelfallumstände schwer. Die Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit des dienstpflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten tragen durchaus zu einem erheblichen Vertrauensverlust bei.
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Allerdings wäre die Ausübung eines Gerüstverleihs bzw. aushilfsweise Zimmerertätigkeit in gewissem, (zeitlich) eingeschränkten Umfang (vgl. Art. 81 Abs. 3 Satz 3 BayBG) durchaus an sich genehmigungsfähig. Sie beeinträchtigt nicht per se dienstliche Interessen und kann in gewissem zeitlichen Umfang durchaus mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der dienstlichen Interessen in Einklang gebracht werden. In Bezug auf den Beklagten war jedoch eine Genehmigungsfähigkeit durch die hohen Minusstunden und die in der Vergangenheit eingetretenen Auswirkungen der Nebentätigkeit auf den Dienstbetrieb zu verneinen, vgl. Art. 81 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayDG.
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Die genaue Ausprägung der Nebentätigkeit mit ihrer insbesondere zeitlichen Beanspruchung vermochte die Disziplinarbehörde jedoch nicht in einem Umfang nachzuweisen, dass das Gericht die Höchstmaßnahme für eröffnet erachtet. Hierzu hätte es umfangreicher Ermittlungen der Disziplinarbehörde, ggf. durch Zeugeneinvernahme von Bauherrn auf den durch den Dienstvorgesetzten bekannten Baustellen des Beklagten bedurft. Die wenigen verfahrensgegenständlichen Baustellen mit der nachgewiesenen Tätigkeit, nämlich im Dezember 2019 in Ostermünchen, im September 2021 in A* … und R* … sowie auf der Baustelle „… … 18“ und ggf. noch im Oktober 2019 in Ostermünchen/Unterrain nehmen, wenngleich im Einzelfall ein Umfang von mehreren Tagen nachgewiesen werden konnte, aus disziplinarrechtliche Sicht kein vollkommen unvertretbares Ausmaß für eine Nebentätigkeit an. Hierbei kommt insbesondere keine Übertragung der zeitlichen Grenze des Art. 81 Abs. 3 Satz 3 BayDG auf die disziplinare Maßnahmebemessung in Betracht (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 24 a.E.). Auch die Berücksichtigung, dass die weiteren Dienstpflichtverletzungen, wie die Nutzung der dienstlich bereitgestellten Arbeitsmittel, gerade im Zusammenhang mit der Nebentätigkeit stehen, hebt die Schwere des dienstpflichtwidrigen Verhaltens durch die Ausübung der Nebentätigkeit noch nicht in die Höchstmaßnahme.
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Das dienstpflichtwidrige Verhalten durch die Nebentätigkeitsausübung im vorliegend zu berücksichtigenden Umfang und Zeitraum bewegt sich somit noch im Grenzbereich zwischen Kürzung und Zurückstufung.
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b) Unter Einbeziehung des pflichtwidrigen Verhaltens durch die erheblichen Minusstunden, die für sich genommen bereits im Kürzungsbereich zu verorten wären, ergibt sich folglich aus der Schwere des Dienstvergehens eine Zurückstufung, ggf. bis ins Eingangsamt um mehrere Stufen.
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Die weiteren Dienstpflichtverletzungen fallen nicht derart erschwerend ins Gewicht, als dass sie den Rahmen bis zur Höchstmaßnahme erhöhen würden.
65
2. Dass das Disziplinarverfahren durchaus zu einem früheren Zeitpunkt hätte eingeleitet werden können, fällt vorliegend nach der bereits oben dargestellten Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, B.v. 28.3.2023 – 2 C 20.21 – beck-online Rn. 32 m.w.N.) nicht ins Gewicht, da weder die Einleitung noch die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens den Beklagten von der weiteren Begehung seines Dienstvergehens abhielten. Die Annahme, eine frühere Verfahrenseinleitung hätte den Beklagten zur Beendigung seines dienstpflichtwidrigen Verhaltens gebracht, ist somit widerlegt.
66
3. Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass die Disziplinarbehörde keine stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahmen vorgenommen hat. So verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt und diese bei fortgesetztem Verhalten stufenweise steigert (BVerwG, B.v. 28.3.2023 – 2 C 20.21 – beck-online Rn. 34 m.w.N.). Dies gilt nach Ansicht der Kammer auch bei den vorliegenden Arbeitszeitverstößen durch Anhäufung von Minusstunden und ebenso bei den nicht genehmigten Nebentätigkeiten.
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Nur dann, wenn sich der Beamte eine niederschwellige disziplinare Sanktionierung nicht zur Mahnung und Warnung hätte dienen lassen, ist das Ausbleiben einer stufenweisen Steigerung nicht mildernd zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 36). Ob eine solche Annahme naheliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen; es müssen hinreichende Anhaltpunkte vorliegen, aus denen diese negative Folgerung abgeleitet werden kann (BVerwG, a.a.O.).
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Während feststeht, dass dem Beklagten die Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens keine hinreichende Pflichtenmahnung war (siehe zuvor), so liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, dass eine niederschwellige Disziplinarmaßnahme den Beklagten nicht dazu angehalten hätte, seine Minusstunden abzubauen oder zumindest nicht weiter aufzubauen und er seine Nebentätigkeit zumindest angezeigt und vom Umfang beschränkt her dessen Genehmigung beantragt hätte. Zwar hat das Gericht aufgrund des Persönlichkeitsbildes, bisherigen Verhaltens und des Eindrucks aus der mündlichen Verhandlung durchaus insoweit Zweifel. Für die Annahme hinreichender Anhaltspunkte und damit ein Absehen von einer stufenweisen Steigerung reicht dies nicht.
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Der mildernde Umstand ist vorliegend jedoch nicht derart schwerwiegend, dass eine Zurückstufung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. hierzu auch BVerwG, a.a.O. Rn. 49). Der allgemeine Grundsatz, dass ein Milderungsgrund umso schwerer wiegen muss, je schwerer das Dienstvergehen ist, gilt auch vorliegend.
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3. Im Rahmen der weiteren Maßnahmebemessung verkennt das Gericht nicht, dass der Beklagte weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorbelastet ist. Dies stellt an sich eine Selbstverständlichkeit und ein sozial zu erwartendes Verhalten dar und kann sich damit nicht entlastend zu ihren Gunsten auswirken (BayVGH, U.v. 12.2.2020 – 16a D 18.1038 – juris Rn. 46).
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4. Auch das Persönlichkeitsbild und die – vom Dienstvorgesetzten sowie Klägervertreten herausgestellte – Grundhaltung der Gehorsamspflicht gegenüber streiten nicht zugunsten des Beklagten. Der Beklagte hat sich bisher unbelehrbar und gleichgültig gezeigt. Auch in der mündlichen Verhandlung vermochte das Gericht keine Einsicht beim Beklagten in die enorme Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zu erkennen.
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VII. Wenngleich bei der gebotenen Gesamtwürdigung durchaus anzunehmen ist, dass nur noch ein geringes Maß an Vertrauen an den Beklagten vorhanden ist, so wäre die Höchstmaßnahme noch nicht verhältnismäßig, insbesondere angesichts der fehlenden stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen.
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Vielmehr ist die Zurückstufung geeignet, aber auch erforderlich, dem Beklagten vor Augen zu führen, dass sein Verhalten nicht mit dem Berufsbeamtentum und den diesbezüglichen Anforderungen, insbesondere zur Gehorsamspflicht, in Übereinstimmung zu bringen ist. Durch sein Verhalten hat der Beklagte nicht nur das Vertrauen seines Dienstherrn und Dienstvorgesetzen massiv und nachhaltig beeinträchtigt, sondern auch den Dienstbetrieb und das Betriebsklima zulasten der Kollegen gestört und eine enorme Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit verursacht. Schließlich vermittelt der Beklagte durch seine Nebentätigkeit mit öffentlichkeitswirksamen Plakaten des Gerüstverleihs den Eindruck, neben der Tätigkeit als Beamter sei noch ein umfangreicher eigener Gewerbebetrieb möglich. Augenscheinlich baut sich der Beklagte durch den in der Elternzeit erworbenen Meister im Gerüstverleih und den aktuellen Besuch der Meisterschule mit dem Ziel des Zimmerermeisters ein zumindest zweites Standbein neben seinem Beamtenstatus auf – dass dies nur dem „Ego“ des Beklagten diene, so seine Einlassung, erscheint nicht glaubhaft -. Dies ist mit dem Berufsbeamtentum so nicht in Übereinstimmung zu bringen.
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Die Zurückstufung in das Eingangsamt ist insgesamt angemessen, dem Beamten eine letztmalige Rückkehr zu dienstpflichtgemäßen Verhalten und Wiedergewinnung erforderlichen Vertrauens zu ermöglichen.
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VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.