Titel:
Erfolglose Klage gegen die Androhung eines Zwangsgelds zur Beendigung einer Zweckentfremdung von Wohnraum
Normenkette:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3, Art. 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Art. 3 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine bloße Beherbergungsgemeinschaft und keine Wohngemeinschaft liegt vor, wenn nach der Art und Dichte der Belegung die – zum Begriff des Wohnens gehörende – Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nicht möglich ist (Fortführung von BeckRS 2015, 53152). (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn der Wohnraum möbliert überlassen wird, ist grundsätzlich auf die durch die Einrichtung vorgegebene Belegungsdichte und Nutzung abzustellen und nicht auf eine etwaige abweichende tatsächliche Belegung, die jederzeit wechseln kann (Fortführung von BeckRS 2015, 53152). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Zweckentfremdungsrecht gestattet weder eine Wohnraumbewirtschaftung noch darf es als Mittel eingesetzt werden, um "allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen" auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden (Anschluss an BayVGH BeckRS 2023, 37920). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Zweckentfremdung von Wohnraum, Anordnung der Beendigung der Nutzung einer Wohnung zur Fremdenbeherbergung, und Wiederbelegungsanordnung, Überlassung als Arbeiterunterkunft, Kein Wohnzweck bei fehlender Rückzugsmöglichkeit und übermäßiger Belegung, ratio legis des Zweckentfremdungsrechts, Zwangsgeldandrohung, Zwangsgeld, Begriff des Wohnens, Wohngemeinschaft, Beherbergungsgemeinschaft, möblierter Wohnraum, Heimstatt im Alltag, Zweck des Zweckentfremdungsrechts
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25717
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. März 2022, mit welchem sie unter Androhung eines Zwangsgeldes von jeweils 3.500,00 EUR zur Beendigung der Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken („Arbeiterunterkunft“) und zur Wiederzuführung zu Wohnzwecken aufgefordert wurde.
2
Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich im Erdgeschoss links des Gebäudes L. … … 55 („Wohnung Nr. 36“). Die rd. 45 m² großen Räumlichkeiten, bestehend aus Bad, Flur/Diele, einer als Durchgangszimmer ausgestalteten Wohnküche und einem ausschließlich über das Durchgangszimmer zugänglichen Schlafraum, wurden mit Baugenehmigung vom 12. November 1957 und Tekturgenehmigung vom 24. Februar 1960 zu Wohnzwecken genehmigt.
3
Am 26. Februar 2020 schlossen die … … GmbH (Vermieterin) und die Klägerin einen unbefristeten Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung im Erdgeschoss links („Nr. 36“), beginnend zum 1. Februar 2020. Dessen § 5 lautet:
4
„1. Die Mietsache wird ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet. Es ist nicht erlaubt die Mieträume gewerblich zu nutzen.
5
2. Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Vermieters ist der Mieter nicht zu einer Untervermietung der Mieträume oder zu einer sonstigen dauerhaften Gebrauchsüberlassung an Dritte berechtigt. Der Vermieter ist berechtigt, nach evtl. genehmigter Untervermietung einen Untermietzuschlag anzusetzen.
6
3. Der Mieter hat über die Anmeldung der Bewohner beim Kreisverwaltungsreferat nachzuweisen wie viele Personen sich dauerhaft innerhalb der Mietsache aufhalten. Aufgrund der Größe der Mietsache ist eine dauerhafte Belegung der Wohnung mit mehr als vier Personen untersagt. Verstöße gegen die Auflagen der dauerhaften Belegung sind als wichtiger Grund im Sinne des § 2 zur fristlosen Kündigung zu sehen.“
7
Im Rahmen einer Ortsermittlung stellte die Beklagte am 28. Oktober 2021 fest, dass die streitgegenständliche Wohnung sehr einfach eingerichtet und im ersten Zimmer (gemeint ist der Wohn-/Kochbereich bzw. die Wohnküche) eine Trockenbauwand eingezogen worden sei. Die Wohnung diene überwiegend als Übernachtungsmöglichkeit für die Köche des im Erdgeschoss des Anwesens L. … … 55 ebenfalls untergebrachten Restaurants und verfüge über zwei Stockbetten in dem (ausschließlich) über das Durchgangszimmer zu erreichenden Raum sowie ein weiteres Bett in dem Durchgangszimmer selbst. Der Chef des Restaurants habe angegeben, dass die Wohnung von seinen Köchen bewohnt werde. Es handele sich dabei immer um dieselben maximal vier Personen. Die Bewohner wechselten nicht. Sowohl an dem neben dem Hauseingang befindlichen Klingelbrett sowie dem zur Wohnung im Erdgeschoss links gehörenden Briefkasten als auch an der Klingel neben der Wohnungseingangstür zur streitgegenständlichen Wohnung sei der Name der Klägerin mit dem Zusatz „… …“ angegeben. Zum damaligen Zeitpunkt waren zwei Personen mit indischem Namen (Herr M. … und Herr P. …*) in dem Anwesen gemeldet (Einzugsdatum jeweils 23. August 2021).
8
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass das Nutzungskonzept der streitgegenständlichen Wohnung mit insgesamt fünf Schlafplätzen nicht den Ansprüchen entspreche, die an eine dauerhafte Wohnnutzung gestellt würden. Vielmehr handele es sich um eine beherbergungsmäßige Unterbringung von Arbeitskräften und damit um eine Zweckentfremdung. Die Klägerin werde um Stellungnahme, um Bekanntgabe der derzeitigen Wohnungsnutzer und Vorlage entsprechender Untermietverträge gebeten.
9
Mit Schreiben vom 11. Januar 2022 bestellte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte für die Klägerin und teilte mit, die streitgegenständliche Wohnung werde zu Wohnzwecken von Arbeitnehmern der Klägerin bewohnt. Diese beschäftige Spezialitätenköche aus Indien, die mit einem auf vier Jahre befristeten Arbeitsvisum eingereist seien. Die Köche besäßen eine Arbeitserlaubnis nur für die Klägerin. Das Bewohnen der streitgegenständlichen Wohnung sei auf lange Zeit angelegt. Einen anderweitigen Wohnsitz, z.B. als Wochenendpendler (Monteurunterkunft), besäßen die Mitarbeiter nicht. Es handele sich um eine Werkswohnung. Vorgelegt werde hierzu auch ein Arbeitsvertrag eines der Mitarbeiter (Herr V. …*), in dessen § 10 vereinbart worden sei, dass für Logis eine Pauschalmiete in Höhe von 300 € gezahlt werde. Einen schriftlichen Untermietvertrag gebe es bisher nicht. Gleiches gelte für die anderen Arbeitnehmer der Klägerin.
10
Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 wurde die Klägerin zum Sachverhalt und dem Erlass einer kostenpflichtigen Verfügung angehört.
11
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. März 2022 gab die Beklagte der Klägerin auf, die Nutzung des streitgegenständlichen Wohnraumes zu anderen als Wohnzwecken („Arbeiterunterkunft“) unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.) und diesen unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2.). Für den Fall, dass der Anordnung nach Ziffer 1. nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Zustellung und der Ziffer 2. nicht innerhalb von drei Monaten ab Zustellung nachgekommen wird, drohte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 3.500,00 EUR an (Ziffer 3. und 4. des Bescheids). Unter Ziffer 5. wurden die Kosten der Klägerin auferlegt und Gebühren in Höhe von 250,00 EUR und Auslagen von 2,19 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Wohnraum werde an bis zu fünf Einzelpersonen vermietet. Damit seien die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts München (U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154) erforderlichen persönlichen Rückzugsmöglichkeiten für die Bewohner nicht gegeben. Der streitgegenständliche Wohnraum werde anderen als den mit Bauplan vom 12. November 1957 genehmigten Wohnzwecken zugeführt. Die Zweckentfremdung sei vorliegend weder genehmigungsfähig noch könne sie geduldet werden. Eine Weiterführung des derzeitigen Nutzungskonzepts sei nicht mit der Zielsetzung der Zweckentfremdungssatzung vereinbar. Gründe, die eine Genehmigung rechtfertigten, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der angespannten Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt, werde von der gesetzlichen Befugnis Gebrauch gemacht und die Beendigung der zweckfremden, nicht genehmigungsfähigen Nutzung der betreffenden Wohnung verlangt. Das öffentliche Interesse am Erhalt des Wohnraumes zu Wohnzwecken sei erheblich. Damit der Wohnraum wieder dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehe, sei eine Anordnung zur unverzüglichen Rückführung zu Wohnzwecken erforderlich. Ein weniger beeinträchtigendes Mittel zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände stehe nicht zur Verfügung. Zur Durchsetzung der Ziffern 1. und 2. der Anordnung sei die Androhung von Zwangsgeldern geboten. Der Bescheid, auf dessen Begründung im Übrigen Bezug genommen wird, wurde dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Postzustellungsurkunde am 18. März 2022 zugestellt.
12
Mit Schriftsatz vom 18. April 2022, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am gleichen Tag, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben und beantragt,
13
Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2022 zu Gz.: … … dem Unterzeichner am 18. März 2022 mit PZU zugestellt, wird aufgehoben.
14
Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Es werde darin behauptet, dass die Nutzung des Wohnraumes anderen als Wohnzwecken diene. Tatsache sei, dass bis zu fünf Untermieter dort wohnten, die als Angestellte im Lokal der Klägerin arbeiteten, welches sich im Erdgeschoss des Hauses befinde. Die Spezialitätenköche hätten bislang keine Daueraufenthaltserlaubnis für die gesamten vier Jahre, sondern nur kurzfristige Aufenthaltserlaubnisse mit Verlängerungen erhalten. Damit könnten sie keine andere Wohnung finden, weil Vermieter nicht bereit seien, an Personen zu vermieten, bei denen nicht abschätzbar sei, ob diese nicht in kurzer Zeit aus Deutschland ausreisen müssten. Außerdem sei aufgrund der Arbeitszeiten eine Wohnung in der näheren Umgebung erforderlich. Eine Arbeiterunterkunft sei nicht gegeben. Komfortable Wohnverhältnisse befürworte auch die Klägerin – das sei allerdings eine Meinung, die hier nicht rechtserheblich sei, und eine nicht justiziable Frage sozialer Verantwortung.
15
Das angefochtene Verwaltungshandeln sei von den zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Zweckentfremdungsgesetzes und der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten sei nicht eröffnet. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Zweckentfremdungsgesetzes spreche von einem Zustand der Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum als Eingriffsschwelle bei Zweckentfremdung. Darauf abzustellen, es läge kein „Wohnen“ vor, weil kein Rückzugsraum gegeben sei, sei schon an sich keine Eingriffsschwelle. Tatsächlich sei die Frage, ob die Beklagte (gemeint ist wohl: die Klägerin) die Wohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen habe und dadurch zu einer Wohnraumverknappung beitrage. Wer als „Gastarbeiter“ aus Indien für vier Jahre in M. … arbeite, der wohne hier und sei kein Arbeitspendler, der in einer Arbeitsunterkunft übernachte. Eine Person wohne dort, wo ihr Lebensmittelpunkt sei – dies sei hier eindeutig die streitgegenständliche Wohnung. Eine andere Wohnung hätten die Personen nicht, dies sei auch der Unterschied zu einer Arbeiterwohnung, die auf kurzfristigen Aufenthalt angelegt sei. Zu einer Wohnraumverknappung trage die Klägerin gerade nicht bei. Vielmehr sei die aktuelle Situation ein Beitrag zur Entspannung des Wohnungsmarktes. Würden drei oder vier Personen ausziehen und sich eine größere Wohnung mit „Rückzugsraum“ mieten, würde tatsächlich Wohnraum für andere Wohnungssuchende knapper. Die Klägerin trage also nicht zur Wohnraumverknappung bei.
16
Das im Bescheid zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. Juli 2015 – M 9 K 15.1154 – sei rechtsirrig, verkenne die Ermächtigungsgrundlage für das Verwaltungshandeln und stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte dar. Das Zweckentfremdungsgesetz sei keine Rechtsgrundlage dafür, Personen obdachlos zu machen. Außerdem liege keine Zweckentfremdung vor, wenn die Wohnverhältnisse nicht komfortabel seien. Eine Mindestanforderung an die Wohnungsgröße bei Zusammenwohnen mehrerer Personen sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Das Bayerische Wohnungsaufsichtsgesetz sei außer Kraft getreten. Dies habe die Rechtsprechung als gesetzgeberischen Willen zu respektieren. Zweckentfremdungsgesetz und Zweckentfremdungssatzung seien keine sozialpolitischen Instrumente, um Mindeststandards in Wohnungen durchzusetzen. Im Ergebnis wirke der Bescheid der Wohnungsknappheit nicht entgegen, sondern fördere diese. Das habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Zudem stünden dem die Grundrechte der Untermieter auf Besitz an Wohnraum und letztlich auf freie Entfaltung der Persönlichkeit entgegen. Die Spezialitätenköche hätten eine Aufenthaltserlaubnis für vier Jahre, weil die Bundesagentur für Arbeite dies als Mangelberuf anerkenne. Fänden die Köche keine bezahlbare Wohnung in München, gingen sie anderswo hin, was zur Gefährdung der Gaststätte der Klägerin führte. Die Vernichtung selbständiger Existenzen sei aber nicht Sinn und Zweck des Gesetzes.
17
Mit Schriftsatz vom 3. März 2023 trug der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend vor, die Wohnsituation habe sich mittlerweile verbessert, nachdem im Januar 2023 zwei der Köche – Herr P. … und Herr R. … – aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen seien.
18
Die Beklagte beantragt
20
Die von der Klagepartei vorgetragenen Probleme im Rahmen der Wohnungssuche für ihre Angestellten entsprächen den Problemen eines jeden Arbeitgebers in der Landeshauptstadt München, der nach geeignetem Wohnraum für auswärtige Angestellte suche. Die Klägerin verkenne, dass nicht jede Form der Unterbringung unter den Begriff des Wohnens falle. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts, die von der Klägerin auch zitiert werde, liege in Fällen, in denen die durch die Möblierung und das Nutzungskonzept vorgegebene Belegungsdichte keine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie wegen fehlender Rückzugsmöglichkeiten keine auf Dauer angelegte selbstbestimmte Häuslichkeit mit Privatsphäre ermögliche, kein Wohnen vor. Dies sei hier der Fall. Die Kritik der Klagepartei an der Rechtsprechung das Verwaltungsgerichts sei nicht nachvollziehbar. Wenn im Rahmen einer Unterbringung – unter Missachtung der Erfordernisse an das Wohnen – eine größere Anzahl von Menschen auf engstem Raum untergebracht würde, werde dadurch der Wohnungsmarkt nicht entlastet, weil diese Menschen gerade nicht i.S.d. Zweckentfremdungssatzung wohnten. Anders verhalte es sich möglicherweise nur bei der – temporären und nicht dauerhaften – Unterbringung von Obdachlosen, welche mangels Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gerade kein dauerhaftes Wohnen darstelle.
21
Bei einer weiteren Ortsermittlung am 9. November 2023 wurde von der Beklagten festgestellt, dass in dem Raum, in welchem bei der Ortsbesichtigung am 17. November 2021 zwei Stockbetten vorhanden waren, neben den genannten Stockbetten nun noch ein Einzelbett aufgestellt worden sei. Ein weiterer Raum diene als Durchgangszimmer und Lagerraum. In einem dritten Raum ständen ein weiteres Einzelbett, ein Stuhl, ein Tisch, ein Kleiderständer, mehrere Umzugskartons und zahlreiche Aktenordner im Wandschrank. Eine Kochmöglichkeit habe in der Wohnung nicht festgestellt werden können. Im Flur befänden sich zwei Waschmaschinen sowie ein Spind. Das Bad verfüge über eine Badewanne, Toilette und Waschbecken. Nach den Angaben der angetroffenen Bewohner schliefen insgesamt drei Köche aus dem benachbarten Restaurant in den Räumlichkeiten.
22
Mit Schreiben/Bescheid vom 14. Dezember 2023, dem Bevollmächtigten der Klägerin per Postzustellungsurkunde zugestellt am 20. Dezember 2023, stellte die Beklagte die mit Bescheid vom 10. März 2022 angedrohten Zwangsgelder von jeweils 3.500,00 EUR, insgesamt also 7.000,00 EUR fällig (Ziffer I.) und drohte der Klägerin ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von jeweils 7.000,00 EUR für den Fall an, dass sie die zweckwidrige Nutzung nicht binnen sechs Wochen ab Zustellung des Bescheids beende (Ziffer II.1. des Bescheids) und den Wohnraum nicht innerhalb von drei Monaten ab Zustellung des Bescheids wieder Wohnzwecken zuführe. Auf das Schreiben/den Bescheid und seine Begründung wird verwiesen.
23
Die Klage auf Feststellung, dass das im Bescheid vom 10. März 2022 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 7.000,00 EUR (2 x 3.500,00 EUR) nicht fällig geworden ist (M 8 K 24.380), hat die Kammer mit Urteil vom 5. Februar 2024 abgewiesen.
24
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 8 K 24.380 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
25
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
26
1. Ziffer 1. und 2. des streitgegenständlichen Bescheids sind rechtlich nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin in Ansehung der Wohnung Nr. 36 (Erdgeschoss links) im Anwesen L. … … 55 getroffenen Anordnungen, die Nutzung des Wohnraumes zu anderen als Wohnzwecken („Arbeiterunterkunft“) unverzüglich zu beenden und die Wohnung wieder Wohnzwecken zuzuführen, nach Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG – vom 10.12.2007, zuletzt geändert durch Änderungsgesetz vom 19.6.2017, GVBl. S. 182) in Verbindung mit § 13 Abs. 1, 2 der Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS vom 1.9.2021, MüAbl. S. 495) vorliegen und Ermessensfehler nicht ersichtlich sind.
27
1.1. Die streitgegenständliche Wohnung stellt Wohnraum i.S.v. § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 ZeS dar. Es handelt sich um Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ZeS). Baurechtlich wurde eine Nutzung zu Wohnzwecken genehmigt. Es ist weder ersichtlich noch vorgebracht, dass Zweifel an der Eignung als Wohnraum bestehen. Zudem gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausnahme nach § 3 Abs. 3 ZeS vorliegt.
28
1.2. Die Klägerin hat die streitgegenständliche Wohnung zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Grundverfügung nach § 13 Abs. 2 ZeS maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 21; B.v. 28.10.2021 – 12 BV 20.1146 – juris Rn. 51, 55) im Sinne von Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS zweckentfremdet.
29
Nach den genannten Vorschriften liegt eine Zweckentfremdung von Wohnraum dann vor, wenn Wohnraum insgesamt mehr als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird. Maßgeblich dafür, ob eine Wohnung zweckentfremdungsrechtlich zur Fremdenbeherbergung genutzt wird oder ob sie Wohnzwecken dient, ist das zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses verfolgte Nutzungskonzept (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 21)
30
1.2.1. Eine Wohnnutzung setzt eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts voraus (BVerwG, B.v. 17.12.2007 – 4 B 54/07 – juris Rn. 3; B.v. 25.3.1996 – 4 B 302/95 – NVwZ 1996, 893/894; BayVGH, B.v. 4.9.2013 – 14 ZB 13.6 – juris Rn. 12). Auch Werks- und Dienstwohnungen sowie Wohnheime stellen Wohnraum i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 2 ZeS dar. Ob im Einzelfall eine Wohnnutzung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts vorliegt, ist nach einem objektivierten Maßstab und nicht nach subjektiven Vorstellungen etwa der Endnutzer oder des Überlassenden zu bestimmen (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1990 – 8 B 129/90 – juris Rn. 2; OVG Berlin, B.v. 28.5.1993 – 5 S 24.93 – NVwZ 1994, 799, juris Rn. 7).
31
Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts bezeichnet nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der erkennenden Kammer die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 18; B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 21.2188 – juris Rn. 24; B.v. 28.10.2021 – 12 BV 20.1144 – juris Rn. 52 ff.; B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. Ls. 1, Rn. 4; B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 -juris; VG München, B.v. 20.6.2023 – M 8 S 23.1308 – n.rk. – juris Rn. 26 ff.; U.v. 19.9.2022 – M 8 K 21.2670 – juris Rn. 36). Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer „auf Dauer“ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“ (BayVGH, Beschluss vom 7.12.2015, a.a.O., m.w.N.). Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zu Grunde liegende Nutzungskonzept; eine bestimmte Mindest- oder Höchstaufenthaltsdauer kann insoweit nicht festgelegt werden (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 18 m.w.N.).
32
Wohnnutzung, nicht hingegen eine (gewerbliche) Vermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung liegt nach obergerichtlicher Rechtsprechung, auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, und der Rechtsprechung der Kammer dann vor, wenn in einer Wohnung (weitere) Personen leben, die jeweils über ein eigenes Schlafzimmer verfügen, das eine hinreichende Rückzugsmöglichkeit ins Private gestattet, während Wohnraum, Küche, Bad und Flur gemeinsam genutzt werden. Wohnzwecken dient ein Gebäude/eine Wohnung dann nicht mehr, wenn es/sie aufgrund seiner/ihrer spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte dient und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedigt (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2269 – juris Rn. 11; OVG Lüneburg, B.v. 11.5.2015 – 1 ME 31/15 – juris Rn. 20). Eine Heimstatt im Alltag liegt nicht vor, wenn der Nutzer der Räumlichkeiten über eine weitere „Hauptwohnung“ als Heimstatt im Alltag verfügt und sich in der streitgegenständlichen „Wohnung“ nur übergangsweise, zum Beispiel als Bauarbeiter für die Abwicklung eines Bauprojekts, aufhält (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 25). Für den Fall der Unterbringung von Montagearbeitern in Zweibett-Zimmern hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass eine solche Unterbringung zumindest nicht den Regelfall des Wohnens im bauplanungsrechtlichen Sinne darstellt (BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43/89 – juris Rn. 16).
33
1.2.2. Dies zugrunde gelegt, wird die streitgegenständliche Wohnung zu anderen als Wohnzwecken überlassen. Das klägerische Nutzungskonzept ist darauf ausgerichtet, ausländische Fachkräfte für die Dauer ihres Arbeitseinsatzes im Betrieb der Klägerin in der streitgegenständlichen Wohnung unterzubringen. Vorliegend ist keine Wohngemeinschaft, sondern eine Beherbergungsgemeinschaft gegeben (vgl. zu diesen Begrifflichkeiten: BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 26).
34
Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass nach der Art und Dichte der Belegung die – zum Begriff des Wohnens gehörende – Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nicht möglich ist. Es fehlt an der nach der vorgenannten Rechtsprechung für das Wohnen erforderlichen Rückzugsmöglichkeit in das Private. Wenn der Wohnraum – wie hier – möbliert überlassen wird, ist dabei grundsätzlich auf die durch die Einrichtung vorgegebene Belegungsdichte und Nutzung abzustellen und nicht auf eine etwaige abweichende tatsächliche Belegung, die jederzeit wechseln kann (VG München, U.v. 29. 7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 28; VG Ansbach, B.v. 21.8.2023 – AN 3 S 23.1476 – juris Rn. 102).
35
Nach den Feststellungen der Beklagten am 17. November 2021 waren in einem der Schlafräume zwei Stockbetten aufgestellt. Der Raum ist nur über ein Durchgangszimmer zu erreichen, in welchem sich ein weiteres Bett befand. Die Bewohner stehen auch nicht in einem besonderen Näheverhältnis zueinander, das den fehlenden Rückzugsraum kompensieren könnte. Sie nutzen nur aufgrund des gemeinsamen Arbeitgebers dieselbe Unterkunft. Ein Rückzug ist dem Einzelnen nicht möglich. Auch der Umstand, dass den Bewohnern nur eine geringe, auf den Einzelnen entfallende Fläche verbleibt, spricht dafür, dass die Überlassung nicht zu Wohnzwecken erfolgt. Denn die wohnuntypisch dichte Belegungsmöglichkeit stellt jedenfalls dann ein erhebliches Indiz dafür dar, wenn kein anderer Vertrag mit den Endnutzern besteht, der einen rechtlichen Anspruch dieser auf eine geringere tatsächliche Belegung begründet, wofür es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt (vgl. dazu: VG München, B.v. 20.6.2023 – M 8 S 23.1308 – juris Rn. 31; U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 28; VG Berlin, B.v. 23.12018 – 6 L 756.17 – juris Rn. 27). Die Köche mögen zwar für die Dauer ihres Arbeitsauftrags vorübergehend ihren Lebensmittelpunkt in die Landeshauptstadt München verlegt haben, gleichwohl kommen sie lediglich provisorisch unter (vgl. BayVGH, B.v.20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 23) und begründen keine „Heimstatt im Alltag“.
36
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin vorbringt, die Belegungsdichte sei darin begründet, dass es in München für die ausländischen Spezialitätenköche aufgrund ihres Aufenthaltsstatus schwierig sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden, der zweckmäßigerweise noch in der Nähe ihres Arbeitsplatzes liege, und es die freie Entscheidung der Köche sei, so zu wohnen, vermag dies an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Auf die subjektiven Vorstellungen und Bedürfnisse der Nutzer kommt es nicht an, der Begriff des Wohnens bestimmt sich nach objektiven Kriterien (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1990 – 8 B 129/90 – juris Rn. 2; OVG Berlin, B.v. 28.5.1993 – 5 S 24.93 – NVwZ 1994, 799, juris Rn. 7). Zudem hängen Freiwilligkeit und Eigenverantwortung der Bewohner letztlich von der Zustimmung der Klägerin als Arbeitgeberin ab und sind jedenfalls von dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig. Deutlich wird die Fremdenbeherbergung auch daran, dass die Klägerin auf den Klingelschildern sowohl an Wohnungseingangstür als auch Haustür und auf dem Briefkasten angegeben ist (vgl. dazu: VG Berlin, B.v. 30.1.2018 – 6 L 784/17 – juris Rn. 33).
37
1.3. Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Eingriffsschwelle des Zweckentfremdungsrechts sei nicht erreicht bzw. dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet, teilt die Kammer nicht.
38
Nach Art. 1 Satz 1 ZwEWG können Gemeinden im Falle des Vorliegens von Wohnraummangel durch Satzung bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, wenn sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen können. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung hat die Beklagte ihre Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Nach deren § 1 Abs. 1 ist die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen in der Landeshauptstadt München besonderes gefährdet (Wohnraummangellage).
39
Ratio legis der zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften ist mithin die Bestandserhaltung von tatsächlich und rechtlich geeignetem Wohnraum (BayVGH, B.v. 30.6.2020 – 12 CS 20.1327 – juris Rn. 18). Das Zweckentfremdungsrecht zielt allein auf den „Bestandsschutz von Wohnraum“ ab und eröffnet der Beklagten daher keine Möglichkeit, bestimmte Wohnformen in ihrer „Wertigkeit“ zu definieren und gegenüber anderen, insbesondere solchen mit längerer Dauer zu diskriminieren oder gar als „sozialschädlich“ einzuordnen und deshalb für bekämpfungsbedürftig zu erachten (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 21.2190 – juris Rn. 18; B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Orientierungssatz 3, Rn. 24 m.w.N.). Es gestattet weder eine Wohnraumbewirtschaftung noch darf es als Mittel eingesetzt werden, um „allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen“ auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden (BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 21.2190, a.a.O., Rn. 18; B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 20.80 – Orientierungssatz 3, Rn. 24 m.w.N.)
40
Die streitgegenständlichen, auf § 3 Abs. 2 ZwEWG, § 13 Abs. 1, 2 ZeS gründenden Anordnungen dienen dem Ziel der Erhaltung von rechtlich und tatsächlich geeignetem Wohnraum. Die derzeitige Nutzungsform der streitgegenständlichen Räumlichkeiten stellt, wie oben dargestellt, objektiv kein Wohnen im rechtlichen Sinne dar, sondern eine provisorische Unterbringung und eine gewerbliche Vermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung mit der Folge, dass dem Wohnungsmarkt eine Wohnung entzogen wird.
41
1.4. Die Klägerin konnte auch als Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids in Anspruch genommen werden. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) sind die wegen des Verhaltens oder des Zustands einer Person erforderlichen Maßnahmen, um eine Gefahr zu beenden, gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Bei mehreren Störern ist das Gebot rascher und effektiver Gefahrenabwehr zu beachten. Die Klägerin hat die vorliegend durch Verwirklichung des zweckentfremdungsrechtlichen Tatbestands bereits eingetretene Gefahr verursacht, da sie die streitgegenständliche Wohnung ihren Arbeitnehmern überlässt.
42
1.5. Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen – soweit dies gerichtlich überprüfbar ist (§ 114 VwGO) – ordnungsgemäß ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens gewahrt. Die Anordnungen sind auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für die Zweckentfremdung von Wohnraum.
43
Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZwEWG, § 5 Abs. 2 ZeS ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Überwiegende schutzwürdige private Interesse sind insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ZeS), es sei denn, die Existenz beruht allein auf der mit der Zweckentfremdung verbundenen Nutzung (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ZeS). Rein wirtschaftliche Interessen an einer möglichst günstigen Verwertung, insbesondere an der Möglichkeit, jede sich bietende Chance zu einer günstigeren Verwertung sofort und maximal auszunutzen, sind dabei keine schutzwürdigen privaten Interessen (vgl. BVerfG, U.v. 4.2.1975 – 2 BvL 5/74 – BVerfGE 38, 348/371).
44
Vorrangige öffentliche Belange i.S. des § 6 Abs. 1 ZeS liegen hier nicht vor. Auch schutzwürdige private Interessen i.S. des § 6 Abs. 2 ZeS sind nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin lediglich pauschal geltend machen lässt, dass ihr Personal wegzöge, wenn es keine Wohnung hätte, was zur Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Existenz führe, ist bereits nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 22.4.1994 – 8 C 29.92 – BVerwGE 95, 341, juris Leitsatz 2 ff., Rn. 18 f.) substantiiert dargetan, dass die Versagung der Zweckentfremdungsgenehmigung ursächlich und unausweichlich zu einer ernsthaften Existenzgefährdung führen und für diese Existenzgefährdung aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls eine so überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ernstliche Zweifel an einem entsprechenden Kausalverlauf ausgeschlossen sind. Demgegenüber steht das Interesse der Beklagten, begrenzten Wohnraum zur Wohnnutzung zur Verfügung zu stellen.
45
2. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffern 3. und 4. des angefochtenen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig. Sie stützen sich auf Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere wurde der Klägerin für die ihr auferlegten Verpflichtungen in Ziffern 1. und 2. des streitgegenständlichen Bescheides jeweils ein bestimmtes Zwangsgeld angedroht. Die Höhe der Zwangsgelder bewegt sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG); die gesetzten Fristen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) sind jeweils angemessen.
46
3. Die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids enthaltene Kostenentscheidung ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf Art. 20 Abs. 1 des Kostengesetzes (KG) i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 4 der Satzung über die Erhebung von Verwaltungskosten für Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis der Landeshauptstadt München (Kostensatzung) v. 24. Juni 1971 (ABl S. 91) i.d.F. vom 2. Dezember 2021 (MüABl. 2021 S. 739), Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 und 2 KG i.V.m. Tarif-Nr. 63 des kommunalen Kostenverzeichnisses zur Kostensatzung. Nach Tarif-Nr. 631 nach des Kommunalen Kostenverzeichnisses in der insoweit maßgeblichen Fassung beträgt die Gebühr für alle positiven und belastenden Bescheide in Zweckentfremdungsangelegenheiten 2,00 EUR pro m² Wohnfläche. Dabei beträgt die Mindestgebühr in Zweckentfremdungsangelegenheiten 250,00 EUR, die Höchstgebühr 2.500,00 EUR (Tarif-Nr. 635).
47
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
48
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.