Inhalt

AG München, Beschluss v. 29.01.2024 – 52722 F 11756/22
Titel:

Anforderungen an die Anerkennung einer Adoption in Nepal

Normenketten:
AdWirkG § 5
FamFG § 101, § 187 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
Leitsätze:
1. Selbst wenn das Gericht am Heimatort ein Auslandsadoptionsbedürfnis nicht erkennbar prüft, insbes. Unterbringungsmöglichkeiten vor Ort in Nepal nicht untersucht, kommt diesem Aspekt bei sehr jungem Alter des Kindes (zweieinhalb Jahre zum Zeitpunkt der Adoption) eine vergleichsweise geringere Bedeutung zu. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung setzt eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber voraus, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss und die regelmäßig nur durch eine Fachstelle am Lebensmittelpunkt der Bewerber bzw. am neuen Lebensmittelpunkt des Kindes geleistet werden kann. Dem kann ausnahmsweise durch einen virtuellen Rundgang durch die Wohnung der Annehmenden durch das Kinderhilfswerk in Nepal entsprochen werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn eine Adoptionspflegschaft nicht stattgefunden hat, kann der Eindruck gewonnen werden, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis erwartet werden konnte, wenn ein Elternteil mehrere Monate mit dem Kind in dessen Heimat lebt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Adoption, ordre public, Eltern-Kind-Verhältnis, Kindeswohlprüfung, Adoptionsbewerber, Nepal, Anhörung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2554

Tenor

1. Die durch Entscheidung des Distriktgerichts Kathmandu, Nepal, vom 07.06.2022 ausgesprochene Annahme des Kindes … durch die Eheleute Herrn … und … wird anerkannt.
2. Das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern ist durch die Annahme erloschen.
3. Das Annahmeverhältnis steht einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleich.
4. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.

Gründe

1
Das Distriktgericht Kathmandu, Nepal, hat mit Entscheidung vom 07.06.2022 die Adoption des Kindes … durch die Eheleute … ausgesprochen. Der Name des Kindes wurde kurz darauf mit gerichtlicher Genehmigung in … geändert.
2
Mit Antrag vom 27.09.2022 haben die Annehmenden die Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung dieser Adoption gemäß § 2 AdWirkG beantragt.
3
Das Amtsgericht München ist sowohl international als auch örtlich für die Entscheidung zuständig (§ 5 AdWirkG i.V.m. §§ 101, 187 Abs. 1, 2 und 4 FamFG), da die Antragsteller ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Amtsgerichts München haben.
4
Aufgrund der vom Amtsgericht München durchgeführten Ermittlungen, insbesondere der Prüfung der vorgelegten Dokumente sowie der von dem Bundesamt für Justiz – Bundeszentralstelle für Auslandsadoption – abgegebenen Stellungnahme vom 02.01.2024 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Adoptionsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.
5
Die durch die Deutsche Botschaft in Kathmandu in Auftrag gegebene Urkundenüberprüfung hat ergeben, dass die vorgelegten Urkunden inhaltlich und formal korrekt sind.
6
Aus der Gerichtsentscheidung ergeben sich keine Hinweise auf Verfahrensfehler oder eine Nichtbeachtung des anwendbaren materiellen Adoptionsrechts. Soweit ersichtlich waren die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Adoption des Kindes erfüllt.
7
Das Distriktgericht Kathmandu, Nepal, hat nach Prüfung der erforderlichen Unterlagen und Anhörung der Beteiligten dem Adoptionsantrag der Annehmenden stattgegeben und die entsprechende Urkunde erstellt.
8
Gründe, die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu versagen, sind nicht erkennbar.
9
Aus den vorgelegten Urkunden geht hervor, dass die leibliche Mutter das Kind nach der Geburt im Krankenhaus zurückgelassen hat, ohne ihren korrekten Namen oder sonstige Informationen zu hinterlassen. Eine polizeiliche Angehörigenermittlung und eine Suche über Zeitungsannoncen verliefen ergebnislos. Die Anzunehmende wurde daher in einem Waisenhaus in Obhut gegeben und zur Adoption freigegeben. Auch der von der Deutschen Botschaft in Kathmandu beauftragte Vertrauensanwalt konnte sich von diesen Umständen überzeugen.
10
Das nepalesische Adoptionsverfahren weist durchaus gewisse Mängel auf.
11
Dem Gericht war bekannt, dass die Annehmenden seit vielen Jahren in Deutschland leben und auch das Kind dorthin übersiedeln sollte. Ein Auslandsadoptionsbedürfnis wurde zumindest nicht erkennbar geprüft. Ob Unterbringungsmöglichkeiten in Nepal untersucht wurden, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Aufgrund des jungen Alters des Kindes von zweieinhalb Jahren zum Zeitpunkt der Adoption kommt dem Aspekt, dass ein Aufwachsen im gewohnten geographischen und kulturellen Umfeld dem Kindeswohl grundsätzlich am besten dient, aber eine vergleichsweise geringere Bedeutung zu.
12
Eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung setzt weiter voraus, dass der Adoptionsentscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss und die regelmäßig nur durch eine Fachstelle am Lebensmittelpunkt der Bewerber bzw. am neuen Lebensmittelpunkt des Kindes geleistet werden kann. Eine deutsche Fachstelle zur Überprüfung der Lebensverhältnisse der Annehmenden an ihrem Wohnort in Deutschland war vorliegend nicht eingebunden. Auch wurde kein Sozialbericht erstellt. Aus den Unterlagen geht aber hervor, dass durch das Kinderhilfswerk in Nepal ein virtueller Rundgang durch die Wohnung der Annehmenden durchgeführt wurde. Auch wurden umfangreiche Informationen über die Annehmenden eingeholt und diese vom nepalesischen Gericht persönlich angehört. Von den wesentlichen Lebensumständen der Annehmenden auch an ihrem deutschen Wohnort konnte sich das nepalesische Gericht somit jedenfalls in gewissem und noch ausreichendem Umfang überzeugen.
13
Auch wenn eine Adoptionspflegschaft nicht stattgefunden hat, ging das nepalesische Gericht aufgrund der Unterlagen und des in der Anhörung gewonnenen persönlichen Eindrucks davon aus, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis erwartet werden konnte. Tatsächlich lebte der Annehmende Herr … jedenfalls im Zeitpunkt des Anerkennungsantrags drei Monate später noch mit dem Kind in Nepal. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis zu ihm entstanden ist, und auch zu seiner Ehefrau schon eine Bindung entstanden ist.
14
Unter Berücksichtigung aller Umstände kann eine noch ausreichende Kindeswohlprüfung festgestellt werden. Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public liegt nicht vor.
15
Die Prüfung des nepalesischen Rechts hat ergeben, dass durch die anzuerkennende Adoption das Eltern-Kind-Verhältnis zu den bisherigen Eltern erloschen ist.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 30.01.2024.
Der Beschluss ist rechtswirksam seit 02.02.2024.