Titel:
Verhängung einer Vorstellungs- und Therapieweisung
Normenkette:
StGB § 68b, § 68c
Leitsatz:
Eine Vorstellungs- und Therapieweisung im Rahmen der Führungsaufsicht kann dann nicht verhängt werden, wenn der Verurteilte diese nicht akzeptiert (aufgehoben durch OLG Nürnberg BeckRS 2024, 25222). (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Vorstellungsweisung, Suchtambulanz, Gewaltstraftäter, Therapieweisung, Therapiemotivation
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.09.2024 – Ws 648/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 25223
Tenor
1. Die Führungsaufsicht entfällt nicht. Ihre Höchstdauer (5 Jahre) wird nicht abgekürzt. Der Verurteilte beabsichtigt unter der Adresse W.straße 51c, 9...S.) Wohnung zu nehmen.
2. Der Verurteilte wird für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfe- und Führungsaufsichtsstelle unterstellt.
3. Der Verurteilte wird gemäß S 68b Absatz 1 StGB strafbewehrt angewiesen,
a) sich binnen 7 Tagen nach der Entlassung persönlich und sodann nach der Entlassung mindestens einmal und höchstens viermal pro Monat bei der für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshilfe nach konkreter Terminsbestimmung durch den/die zuständige/n Bewährungshelfer/in zu melden, wobei die Bewährungshilfe bestimmt, ob die Meldung persönlich oder telefonisch zu erfolgen hat (S 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 StGB),
b) während der Dauer der Führungsaufsicht jeden Wechsel der Wohnung oder Arbeitsplatzes unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche, gerechnet ab dem tatsächlichen Zeitpunkt des Wechsels, schriftlich der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen (S 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 8 StGB),
c) sich im Falle der Erwerbslosigkeit binnen 7 Tagen bei der für seinen Wohnort zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden (S 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 StGB),
d) jegliche Kontaktaufnahmen zu D. B. zu unterlassen, auch unter Verwendung technischer Hilfsmittel oder über dritte Personen (S 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 StGB),
e) sich nach näherer Weisung durch die Bewährungshilfe mindestens einmal, höchstens zweimal pro Quartal bei dem für den Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt, einer forensischen Ambulanz, im Landgerichtsarzt, dem rechtsmedizinischen Institut einer deutschen Universität, einem Krankenhaus oder einem niedergelassenen Arzt oder einem medizinischen Labor Alkoholkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, namentlich Atemalkohol- und sonstige Suchtmittelkontrollen und/oder Suchtmittelscreenings und die Ergebnisse sodann unverzüglich der Bewährungshilfe zuzuleiten oder zu leiten zu lassen. Die Untersuchungen erfassen Alkohol und Betäubungsmittel sowie cannabinoidhaltige Substanzen nach dem KCanG und dem NpSG . Die Kosten der Untersuchung trägt bis auf weiteres die Staatskasse (S 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 10 StGB).
4. Der Verurteilte wird gemäß S 68b Absatz 2 StGB nicht strafbewehrt angewiesen,
a) Anordnungen des Bewährungshelfers gewissenhaft zu befolgen,
b) jeden Wechsel des Wohnortes und/oder Arbeitsplatzes binnen einer Woche auch der Bewährungshilfe mitzuteilen,
5. Die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht wird der Justizvollzugsanstalt Amberg übertragen.
Gründe
1
Der Verurteilte verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Amberg eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die durch Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Amberg vom 02.03.2021, rechtskräftig seit dem 22.11.2021, Az. 20 LS 142 Js 90667/20, wegen gefährlicher Körperverletzung gegen ihn verhängt worden ist.
2
Das Strafende ist hier für den 28.09.2024 vorgemerkt.
3
Nach vollständiger Vollstreckung dieser Strafe tritt gemäß S 68f Absatz 1 StGB mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug von Gesetzes wegen Führungsaufsicht ein.
4
Eine Anordnung, dass die Führungsaufsicht nach S 68f Absatz 2 StGB entfällt, kam nicht in Betracht.
5
Der Verurteilte ist erheblich vorbestraft. Er saß bereits in Strafhaft, ohne sich dadurch von der Begehung neuer Straftaten abhalten zu lassen. Beim Verurteilten besteht eine ungelöste Drogenproblematik, die erneute Straftaten befürchten lässt. Bei dieser Sachlage kann eine positive Sozialprognose nicht mehr gestellt werden.
6
Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing vom 29.05.2024 und der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Amberg vom 23.05.2024 war deshalb nach mündlicher Anhörung des Verurteilten von einer Anordnung des Entfallens der Führungsaufsicht abzusehen.
7
Die jetzt von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht soll es ermöglichen, die weitere Entwicklung des Verurteilten zu beobachten und insbesondere durch die Beiordnung eines Bewährungshelfers in positiver Richtung zu stabilisieren.
8
Die Dauer der Führungsaufsicht folgt aus S 68c StGB. Die Unterstellung unter Bewährungshilfe und Führungsaufsicht beruht auf S 68a StGB. Die Weisungen stützen sich auf S 68b StGB.
9
Bei seiner Anhörung am 20.06.2024 erklärte der Verurteilte auszugsweise: „Mit der Therapie und der Vorstellung bei der Fachambulanz für Gewaltstraftäter bin ich keinesfalls einverstanden. Ich werde dort keinesfalls hingehen. Ich kann mit meinen Aggressionen selbst umgehen. Davon (Anm.: staatlich verordnete Weisung) bekomme ich Angstzustände! Mit der isolierten Kontrollweisung bin ich einverstanden, aber zur Caritas Suchtberatung möchte ich nicht, das ist nur Stress, so komme ich nicht auf die Beine, das blockiert mein tägliches Leben“.
10
Nur durch die angewiesene Kontakthaltung mit der Bewährungshilfe und der Führungsaufsichtsstelle ist eine Zusammenarbeit gewährleistet. Die Meldung beim Arbeitsamt soll dem Verurteilten eine Arbeitsstelle, hilfsweise Unterstützungsleistungen vermitteln. Das Verbot zum Umgang mit dem Tatopfer soll den Verurteilten von neuerlichen Tatanreizen bewahren. Die Abhängigkeit des Verurteilten im Ausmaß eines Hanges blieb bislang unbearbeitet. Demnach war – in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Staatsanwaltschaft – eine Abstinenzweisung unzulässig. Die Kontrollweisung soll es ermöglichen, einem Abgleiten in zügellosen Konsum rechtzeitig entgegenzuwirken. Die Sucht ist beim Verurteilten ein kriminogener Faktor. Um diese zu mindern erfolgte die Kontrollweisung. Eine Vorstellungsweisung bei der Suchtambulanz sowie die Anordnung einer Vorstellungs- und Behandlungsweisung bei der Fachambulanz für Gewaltstraftäter war dagegen mangels Kooperationsbereitschaft des Verurteilten nicht möglich. Es wurde aus der Anhörung und auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, wie eine solche Motivation „geweckt“ werden könnte. Der Verurteilte erklärt strikt und abschließend seine Verweigerungshaltung.
11
Für den Verurteilten sind die Bewährungshilfe bei dem Landgericht Regensburg und die Führungsaufsichtsstelle bei dem Landgericht Regensburg zuständig.
12
Die Übertragung der Belehrung über die Bedeutung und die Folgen der Führungsaufsicht auf die Justizvollzugsanstalt Amberg beruht auf §§ 463 Absatz 3, 454 Absatz 4 StPO.
13
Auf die Strafbestimmung des S 145a StGB wird ausdrücklich hingewiesen. Sie lautet:
„Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in S 68b Absatz 1 StGB bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (S 68a StGB) verfolgt.“