Titel:
Trennungsunterhalt: Quotenunterhalt bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen – Obliegenheit zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit bei Depression – Billigkeitsabwägung bei Härtegründen (§ 1579 BGB)
Normenkette:
BGB § 1361 Abs. 1 S. 1, § 1361 Abs. 2, § 1361 Abs. 3, § 1573 Abs. 1, § 1579 Nr. 3, § 1579 Nr. 4, § 1579 Nr. 7
Leitsätze:
1. Der Unterhaltsgläubiger kann die Vermutung, dass ein Familieneinkommen nur bis zur Höhe des Doppelten des höchsten Betrags der Düsseldorfer Tabelle vollständig für den Lebensbedarf verwendet wird, widerlegen und auch bei darüber hinaus gehendem Einkommen Quotenunterhalt beanspruchen, wenn er konkret darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass das gesamte Einkommen für den laufenden Lebensbedarf aufgebraucht wurde. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der krankheitsbedingt Erwerbsunfähige ist gehalten, selbst das in seiner Person Erforderliche für seine Genesung zu unternehmen, dh aktiv an seiner Genesung mitzuarbeiten. Maßstab für die Obliegenheit sind die im Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze über die Zumutbarkeit einer Behandlung. Unterlässt der Unterhaltsgläubiger die notwendigen und zumutbaren therapeutischen Maßnahmen zur Herstellung seiner Erwerbsfähigkeit, so kann darin ein Verhalten liegen, dass die Härteregelung des § 1579 Nr. 4 BGB erfüllt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen des § 1579 BGB ist beim Vorliegen von Härtegründen zur Beurteilung der Auswirkungen des Fehlverhaltens des Unterhaltsgläubigers eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen, bei der der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und dem Wohl eventuell noch zu betreuender Kinder Rechnung zu tragen ist. In die Abwägung einzubeziehen sind insbesondere die Schwere des Härtegrundes, insbesondere Dauer und Intensität der Auswirkungen, die Verwirklichung mehrerer Härtegründe; die Einbeziehung der Kinder, die Dauer der Ehe, die Höhe des Einkommens der Beteiligten und die damit verbundene Belastung mit dem Unterhaltsanspruch bzw. die Sicherung des Existenzminimums auf Seiten der Berechtigten, eigenes Fehlverhalten des Pflichtigen sowie Alter, Gesundheitszustand, besondere Leistungen für den Ehegatten bzw. für die Familie. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein weiterer, später verwirklichte Härtegrund, wie etwa eine unberechtigte Strafanzeige, kann für die Zeit ab Verwirklichung zu einer weiteren Minderung des Unterhaltsanspruchs führen. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Trennungsunterhalt, Quotenunterhalt, besonders günstige Einkommensverhältnisse, Einkommensverwendung, Darlegungs- und Beweislast, Obliegenheit zur Herstellung der Erwerbsfähigkeit, Depression, Härtegrund, Billigkeitsabwägung, Verhältnismäßigkeit
Vorinstanz:
AG München, Endbeschluss vom 02.02.2023 – 545 F 7167/16
Fundstellen:
NZFam 2025, 25
BeckRS 2024, 24998
Tenor
1. 1. Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 02.02.2023 in Ziffer 2 aufgehoben und in Ziffer 1 abgeändert wie folgt:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit vom 01.05.2016 bis 31.08.2023 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 84.801,00 € zu zahlen.
2. Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.
2. 2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 32% und der Antragsgegner 68%.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 66.793,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten haben am ... November 1998 geheiratet. Sie hatten sich bereits im Jahr 1988 kennen gelernt und kurze Zeit später zusammengezogen. Die Antragstellerin beendete im Jahre 1992, nachdem der Antragsgegner sein Studium beendet hatte und eine Tätigkeit bei der A. Versicherung in K. aufgenommen hatte, ihre Tätigkeit als Sekretärin und war seitdem nicht mehr berufstätig. Die Ehe blieb kinderlos. Im Jahr 2006 und Mitte September 2014 gab es bereits Trennungen zwischen den Beteiligten, nach denen sich diese wieder versöhnt hatten. Seit 06.01.2015 lebten die Beteiligten wieder zusammen. Im April 2016 erfolgte die endgültige Trennung der Beteiligten. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsgegner Sprecher des Vorstands einer großen Versicherungsgesellschaft in M., seit dem Jahr 2018 ist er deren Vorstandsvorsitzender.
2
Die Trennung erfolgte, nachdem die Antragstellerin den Antragsgegner im Anschluss an eine verbale Auseinandersetzung mit einer Schere im Halsbereich verletzte. Nach diesem Angriff begab sich der Antragsgegner in ärztliche Behandlung. Die Antragstellerin entwickelte im Jahr 2015 ein sogenanntes Mammakarzinom, das operativ entfernt wurde. In der Folge erlitt sie eine depressive Erkrankung.
3
Mit Antrag vom 23. Februar 2017 beantragte der Antragsgegner, die Ehe der Beteiligten zu scheiden. Der Antrag wurde der Antragstellerin am 10.03.2017 zugestellt. Im Scheidungsverfahren (Az. AG München 545 F 1890/17) erging am 2. Februar 2023 ein Endbeschluss, mit dem die am 26.11.1998 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten geschieden wurde, in Ziffer 2 der Versorgungsausgleich geregelt und in Ziffer 3 eine Regelung zum nachehelichen Ehegattenunterhalt getroffen wurde. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 (Scheidungsausspruch und Versorgungsausgleich) seit 07.08.2023 rechtskräftig.
4
Im Trennungsjahr 2016 erzielte der Antragsgegner ein Jahresbruttoeinkommen von 526.180,43 €, woraus sich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 26.089,06 € (zuzüglich Arbeitgeberzuschüssen/Leistungen zur PV in Höhe von 49,79 €, zur KV in Höhe von 309,34 € und Abzügen für die freiwillige KV in Höhe von 682,24 € sowie PV in Höhe von 110,18 €).
5
Die Antragstellerin stellte am 01.02.2016 den Antrag auf Bezahlung von Trennungsunterhalt.
6
Der Antragsgegner wurde mit Beschluss vom 24.09.2018 im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 2.400,00 € ab dem 01.07.2018 verpflichtet.
7
Er leistete in der Vergangenheit folgende monatliche Unterhaltszahlungen:
− Mai 2016 bis Dezember 2016: 5.820,00 €
− Januar 2017 bis Februar 2018: 4.320,00 €
− März 2018 bis Juni 2018: 1.500,00 €
− ab Juli 2018 2.400,00 €
8
Er leistete an den Vermieter der damaligen Wohnung der Antragstellerin am 06.02.2019 einen Betrag von 6.952,06 €, aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts München, in dem die Beteiligten gesamtschuldnerisch verurteilt wurden sowie am 01.07.2019 25.000,00 € und am 22.11.2019 weitere 11.660,00 € wegen Mietrückständen ab Mai 2018 bis Mai 2019 (13 x 2.820,00 €).
9
Mit Endbeschluss vom 02.02.2023 verpflichtete das Amtsgericht den Antragsgegner, an die Antragstellerin für die Zeit vom 01.05.2016 bis 28.02.2023 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 110.458,- € zu bezahlen (Ziffer 1 des Tenors) sowie in Ziffer 2 an die Antragstellerin ab 01.03.2023 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Trennungsunterhalt in Höhe von 5.150,- €, davon 1.387,- € Altersvorsorgeunterhalt, zu bezahlen. Im Übrigen wies es den Antrag der Antragstellerin, der auf einen höheren monatlichen Unterhalt (zwischen 10.813,- € und 14.448,- €) gerichtet war, ab.
10
Das Amtsgericht führt zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass die Antragstellerin außer Stande sei, ihren Bedarf durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit selbst zu decken und auch nicht in der Lage, sich mit sonstigen Einkünften und aus ihrem Vermögen selbst zu unterhalten. Der Antragsgegner hingegen sei wirtschaftlich leistungsfähig. Es führt aus, dass die Antragstellerin aufgrund objektiver Umstände nicht in der Lage sei, eine auch nur geringfügige Arbeitsstelle zu finden. Ausgehend von dem Sachverständigengutachten Dr. F. vom 28.05.2020 sei die Antragstellerin aufgrund ihrer Erkrankungen allenfalls in der Lage 3 Stunden täglich zu arbeiten. Auch könne sie allenfalls eine Tätigkeit auf 450,00 € Basis erlangen, nachdem sie seit dem Jahr 1992 keiner Tätigkeit mehr nachgegangen sei. Sie sei auf dem Arbeitsmarkt schlicht nicht mehr vermittelbar. Das Amtsgericht errechnet ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen des Antragsgegners von 21.935,68 €, das für den gesamten Zeitraum relevant sei. Es führt sodann aus, dass weiter davon auszugehen sei, dass dieses gesamte Einkommen für den Lebensbedarf verbraucht worden sei und somit eine Berechnung des Unterhalts nach Quote zu erfolgen habe. Bei der Antragstellerin seien weder eigenes Einkommen noch fiktive Einkünfte zuzurechnen, so dass sich nach dem Halbteilungsgrundsatz ein Unterhaltsanspruch von 10.967,50 € ergebe. Unter Berücksichtigung eines geltend gemachten Altersvorsorgeunterhalts errechnet es einen vollen Unterhaltsanspruch in Höhe von 12.875,00 €, wovon 3.468,00 € auf einen Altersvorsorgeunterhalt entfallen.
11
Das Amtsgericht kommt dazu, dass die Ansprüche der Antragstellerin gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 3 und Nr. 7 BGB in Höhe von 60% verwirkt seien. Dabei geht es davon aus,
- dass es in der Nacht vom 22.11.2015 auf den 23.11.2015 zu einem Angriff der Antragstellerin auf den Antragsgegner in der vormaligen gemeinsamen Ehewohnung mit Verletzungsfolgen kam.
- in der Nacht vom 13.04.2016 auf den 14.04.2016 die Antragstellerin auf den Antragsgegner in der vormaligen gemeinsamen Ehewohnung losgegangen sei mit Faustschlägen ins Gesicht und Einstechen einer Schere, in der Folge es erheblichen Schnittverletzungen kam.
- sich diverse „Szenen“ der Antragstellerin gegenüber ihrem Ehemann in Anwesenheit Dritter (zum Beispiel am 17.09.2014 in Anwesenheit der Sekretärin des Antragsgegners und in Hörweite anderer Mitarbeiter, am 22.10.2015 auf dem Tennisplatz bei einem Tennisspiel des Antragsgegners mit einem Mitglied des Aufsichtsrats zugetragen haben, hier auch Schlag durch die Antragstellerin mit den Händen ins Gesicht des Antragsgegners),
- zahlreiche Telefonate der Antragstellerin mit der Sekretärin des Antragsgegners, in denen sie diesen in „Fäkalsprache“ beschimpfte,
- zahlreiche E-Mails mit drohenden und beleidigenden Charakter an den Antragsgegner, wobei der Antragstellerin bewusst gewesen sei, dass die Sekretärin des Antragsgegners diese Nachrichten lesen könne,
- verbaler und körperlicher (Schlag ins Gesicht) Angriff der Antragstellerin auf den Antragsgegner am 15.04.2016 in der Eingangshalle von dessen Arbeitgeber in Anwesenheit der Sekretärin des Antragsgegners und weiterer Mitarbeiter,
- eine Herabwürdigung des Antragsgegners durch die Antragstellerin gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats des Arbeitgebers des Antragsgegners, auch mit möglichen Konsequenzen für die berufliche Tätigkeit des Antragsgegners,
- das Verschicken einer verleumderischen SMS durch die Antragstellerin an das Mitglied des Aufsichtsrats Dr. H. am 28.11.2015 auch mit strafrechtlich und damit für das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners relevanten Vorwürfen,
- die Beleidigung des Antragsgegners durch die Antragstellerin gegenüber dem weiteren Vorstandsmitglied Sch. am Telefon,
- die Beleidigung des Antragsgegners durch die Antragstellerin telefonisch gegenüber der Vorstandssekretärin G.,
- beleidigende Aussagen der Antragstellerin über den Antragsgegner am 23.10.2015 gegenüber Arbeitskollegen/Mitarbeitern des Antragsgegners,
- das Auslegen von vertraulichen Unterlagen mit persönlichen Angaben des Antragsgegners in einem Bistro nahe der Arbeitsstelle des Antragsgegners am 24. Mai 2017 in der Absicht, dass diese aufgefunden und die enthaltenen sensiblen Daten Dritten bekannt würden,
- das Senden weiterer zahlreicher E-Mails durch die Antragstellerin an den Antragsgegner gegen dessen erklärten Willen mit herabsetzendem Inhalt, Beschimpfungen und Bedrohungen in der Zeit von Juni 2018 bis 17.07.2018 und Verstoß gegen die hierauf erlassene Anordnung des Gerichts nach den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes vom 20.07.2018 am 30.07.2018.
12
Ausgehend von diesen festgestellten Tatsachen kam das Amtsgericht dazu, dass der Antragstellerin ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten gegen den Antragsgegner im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB zur Last liegt sowie, dass sie sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten schuldig gemacht habe, indem sie ihm am 14.04.2016 mit einer Schere zwei Stichverletzungen beibrachte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Antragstellerin schwer erkrankt war, die erste Krebsdiagnose zwar erfolgreich behandelt war, sie sich allerdings in einer massiven Verzweiflungssituation befunden habe, kam das Amtsgericht insgesamt dazu, dass eine Verwirkung in Höhe von 60% angemessen sei. Eine Verzeihung hat das Amtsgericht nur angenommen hinsichtlich Vorfällen, die vor dem 19.09.2015 lagen. Zu diesem Zeitpunkt zogen die Beteiligten wieder zusammen, der Antragsgegner schrieb ihr am 19.09.2015 einen Brief, der als Verzeihung ausgelegt wurde. Soweit sich die Beteiligten nach dem Angriff mit der Schere am 14.04.2016 wenige Tage danach noch zu einem Saunabesuch trafen, nahm das Amtsgericht keine Verzeihung diesbezüglich an.
13
Hinsichtlich der zusätzlichen Zahlungen in Höhe von 43.612,00 € lehnte das Amtsgericht eine Abrechnung Saldierung mit den Unterhaltsansprüchen der Antragstellerin ab. Das Amtsgericht berücksichtigte die oben aufgeführten Zahlungen des Antragsgegners und kam zu folgender konkreter Berechnung des rückständigen Trennungsunterhalts für die Zeit Mai 2016 bis Februar 2023
Zeitraum
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Monate
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Monatlich geschuldet
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Summe
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Monatlich bezahlt
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Summe
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01.05.2016 – 31.12.2016
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8
|
4.394,00 €
|
35.152,00 €
|
5.820,00 €
|
46.560,00 €
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01.01.2017 – 28.02.2017
|
2
|
4.394,00 €
|
8.788,00 €
|
4.320,00 €
|
8.640,00 €
|
01.03.2017 – 31.07.2017
|
10
|
5.150,00 €
|
51.500,00 €
|
4.320,00 €
|
43.200,00 €
|
2018
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
6X 4.320,00 €+ 6X
5.150,00 €
|
58.820,00 €
|
2019
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
5X 5.150,00 €+ 6X
2.400,00 € +
3.712,00 €
|
43.862,00 €
|
2020
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
2.400,00 €
|
28.800,00 €
|
2021
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
2.400,00 €
|
28.800,00 €
|
2022
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
2.400,00 €
|
28.800,00 €
|
01.01.2023 – 28.02.2023
|
2
|
5.150,00 €
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10.300,00 €
|
2.400,00 €
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28.800,00 € (2.880,00 Anm. d. Senats)
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Summe
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|
414.740,00 €
|
|
|
314.282,00 €
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Rückstand
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Differenz
|
414.740,00 €
- 314.282,00 €
|
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100.458,00 €
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14
Der Antragsgegner legte gegen die Entscheidung mit Schriftsatz vom 28.02.2023 Beschwerde ein, die innerhalb verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 19.05.2023 begründet wurde.
15
Der Antragsgegner begründet seine Beschwerde wie folgt:
Die Antragstellerin sei weder erwerbsunfähig noch könne sie für sich in Anspruch nehmen, dass für sie keine Arbeitsplatzchance bestehe. Eine vollständige Erwerbsunfähigkeit bleibe bestritten. Sie könne, entsprechende Erwerbsbemühungen vorausgesetzt, eine Arbeitstätigkeit finden. Ihr seien daher zumindest fiktive Einkünfte in Höhe von 12,00 € pro Stunde bei einer werktäglichen Arbeitszeit von sechs Stunden zuzurechnen. Daraus ergebe sich ein Einkommen von 1.728,00 € brutto, das bedarfsmindernd zu berücksichtigen sei. Das Amtsgericht habe richtigerweise beim Antragsgegner das zum Zeitpunkt der Trennung im April 2016 erzielte Einkommen zugrunde gelegt. Es werde in Höhe von 21.935,68 € unstreitig gestellt. Allerdings sei nicht nachgewiesen, dass dieses Einkommen vollständig verbraucht worden sei, so dass als Bedarf die Quote aus einem Einkommen von 11.000,00 €, mithin höchstens 4.950,00 € anzusetzen sei. Der Unterhaltsanspruch sei allerdings zur Gänze verwirkt. Das Amtsgericht habe die Verwirkungstatbestände nicht hinreichend gewürdigt. Es sei nicht ersichtlich, dass das Fehlverhalten der Antragsstellerin über einen ungewöhnlich langen Zeitraum angedauert habe und eine Einsicht oder gar Reue nicht zu erkennen sei. Eine Verzeihung habe nicht vorgelegen.
16
Der Antragsgegner beantragt zuletzt, den Endbeschluss des Amtsgerichts München vom 02.02.2023 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf rückständigen sowie laufenden Trennungsunterhalt abzuweisen.
17
Ferner beantragt der Antragsgegner die Zulassung der Rechtsbeschwerde, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere. Die Frage, ob der Anspruch auf Trennungsunterhalt und rückständigen Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 1579 Nr. 3 und 7 BGB aufgrund der während der Ehezeit begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB, Beleidigungen, Bedrohungen, Mobbing, Sachbeschädigung und der deshalb erforderlichen Einleitung von Verfahren nach Gewaltschutzgesetz zu versagen sei, habe grundsätzliche Bedeutung. Der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 12.11.2003 – XII ZR 109/01 – eine vollständige Verwirkung, sogar von rückständigen Trennungsunterhalt, angenommen.
18
Die Antragstellerin legte mit Schriftsatz vom 21.08.2023 eine Anschlussbeschwerde ein und beantragt rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 124.458,00 € sowie laufenden Trennungsunterhalt ab März 2023 in der vom Amtsgericht ausgewiesenen Höhe.
19
Der Antragsgegner beantragt die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.
20
Die Antragstellerin begehrt mit ihrer Anschlussbeschwerde insgesamt Trennungsunterhaltsrückstände in Höhe von 124.458,00 €. Sie führt dazu aus, dass das Amtsgericht offensichtlich einem Rechenfehler unterlag, indem es im Rahmen der konkreten Berechnung des rückständigen Unterhalts irrtümlich Zahlungen in Höhe von 28.800,00 € für die Monate Januar und Februar 2023 angesetzt habe, obwohl für diese beiden Monate lediglich 4.800,00 € bezahlt worden seien.
21
Im Übrigen macht sie noch umfangreiche Ausführungen zur einvernehmlichen Ausgestaltung der Ehe dahingehend, dass es der gemeinsame Entschluss der Ehegatten gewesen sei, wenn die Antragstellerin nach dem Umzug der Beteiligten nach Köln keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, vielmehr dem Antragsgegner den Haushalt führe und diesem in allen privaten Dingen den Rücken frei halte, damit der Antragsgegner sich vollständig auf sein berufliches Fortkommen und das Knüpfen von Kontakten und den Aufbau eines Netzwerkes konzentrieren könne.
22
Auch sei sie gesundheitlich nicht in der Lage einer Erwerbstätigkeit mehr als drei Stunden werktäglich nachzukommen. Sie verweist diesbezüglich auf die bereits vor dem Amtsgericht erholten Sachverständigengutachten und trägt weiter vor, dass sie sich seit April 2020 in regelmäßiger wöchentlicher psychotherapeutischer Behandlung befinde. Sie müsse sich zudem regelmäßiger Nachsorgeuntersuchungen unterziehen und es bestehe nach wie vor die latente Gefahr, dass sich neue Tumorzellen bilden und die Krebserkrankung wieder ausbreche. Es bestünde keine reelle Chance, dass sie eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt finde. Dies begründet sie zum einen wegen ihrer gesundheitlichen Situation und zum anderen mit der Tatsache, dass sie über mehrere Jahrzehnte nicht am Erwerbsleben teilgenommen habe.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Hinweisbeschlüsse des Senats und die Vermerke über die jeweiligen Verhandlungen Bezug genommen.
24
Die Beschwerden der Beteiligten sind jeweils zulässig (§§ 58 ff FamFG). In der Sache führen sie dazu, dass der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin im Ergebnis geringfügig herabzusetzen ist.
25
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Trennungsunterhalt im Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.08.2023 gemäß § 1361 BGB.
26
Die Beteiligten leben seit April 2016 getrennt im Sinne des § 1567 BGB. Rechtskraft der Scheidung trat ein am 07.08.2023, sodass letztmalig für den Monat August noch Trennungsunterhalt geschuldet ist. Nach Zustellung des Scheidungsantrags am 10.03.2017 hat die Antragstellerin auch Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt.
27
1. Nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt sich das Maß des eheangemessenen Unterhalts beim Trennungsunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen, insbesondere den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute. Die Lebensverhältnisse werden wie beim nachehelichen Unterhalt im Wesentlichen bestimmt durch das in der Ehe zur Deckung des Lebensbedarfs verfügbare Einkommen der Eheleute (BGH FamRZ 2008, 968; FamRZ 2007, 793). Der Unterhaltsbedarf wird regelmäßig als Quotenunterhalt nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus im Wege der Halbteilung ermittelt (BGH FamRZ 2010, 1637 Rn. 27). Diese Bedarfsberechnung beruht auf der Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wurde und wird. Bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen liegt hingegen die Vermutung nahe, dass nicht sämtliche Einnahmen für den Lebensunterhalt verbraucht werden, sondern ein Teil von ihnen auch der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Dem kann er dadurch nachkommen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen konkret vorträgt und beziffert (BGH FamRZ 2012, 947).
28
Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist der Bedarf des Unterhaltsberechtigten aber auch bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen, die das Doppelte des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle übersteigen, schlüssig dargelegt, wenn dieser nicht zur konkreten Verwendung des Familieneinkommens vorträgt.
29
a) Auch bei einem Unterhaltsbedarf von über 4.950,00 Euro (Hälfte des Doppelten des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle abzüglich 10% Erwerbsanreiz bis einschließlich 2023; seit 2024: 5.040,00 Euro) kann Quotenunterhalt geltend gemacht werden (BGH FamRZ 2018, 260 Rn. 18 ff.; BGH FamRZ 2020, 21 Rn. 28).
30
Ausgangspunkt dabei ist, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die Tatsachengerichte von einer tatsächlichen Vermutung für den vollständigen Verbrauch des Familieneinkommens ausgehen, wenn dieses das Doppelte des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle nicht übersteigt (BGH FamRZ 2018, 260 Rn. 21).
31
Soweit das Familieneinkommen über das Doppelte des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle (bis 2023: 11.000,00 € – seit 2024: 11.200,00 €) hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte mithin, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die vollständige Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (BGH FamRZ 2018, 260 Rn. 21).
32
Dass das Familieneinkommen insgesamt über der Grenze liegt, lässt nämlich nicht die tatsächliche Vermutung für den vollständigen Verbrauch des bis zur Grenze reichenden Familieneinkommens entfallen (BGH FamRZ 2020, 21 Rn. 29). Der Berechtigte kann aber durch den Nachweis, dass auch das darüber hinausgehende Einkommen mindestens teilweise verbraucht wurde, Quotenunterhalt aus einem höheren Einkommen fordern. Will umgekehrt der Pflichtige geltend machen, es sei weniger als die doppelte Obergrenze verbraucht worden, muss er insoweit substantiiert Bestreiten (BGH FamRZ 2020, 21 Rn. 30).
33
b) Die Antragstellerin hat, gestützt auf die Behauptungen des Antragsgegners im Scheidungsverfahren in der Folgesache Güterrecht, behauptet, dass das gesamte Einkommen zur Lebensführung verbraucht wurde. Dieser hatte dort vorgetragen, dass keine weitere Vermögensbildung erfolgte und dass das Einkommen immer vollständig ausgegeben worden sei. Eine Vermögensvorsorge sei nicht betrieben worden. Er habe ohne Berücksichtigung der schenkweise erhaltenen Immobilien keinen Zugewinn erwirtschaftet. Im Rahmen der Beschwerde trägt der Antragsgegner nunmehr vor, dass nicht das gesamte Einkommen für den Lebensunterhalt ausgegeben worden sei. Zum Nachweis dafür nimmt er Bezug auf die vorgelegte Anlage P63 (Anlage zu Bl. 694 TU). Diesbezüglich bleibt sein Vortrag jedoch unsubstantiiert. Die bloße Bezugnahme auf die Anlage reicht nicht aus. Insbesondere die Positionen Urlaub, Geschenke, etc. dürften entgegen der Ansicht des Antragsgegners der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen sein. Allenfalls hinsichtlich der Positionen Operation, Gesundheitsausgaben der Antragstellerin, ist es möglich, diese als Sonderausgaben, die nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt zuzuordnen sind, zu sehen. Diese sind jedoch entsprechend der vorgelegten Anlage von nur untergeordneter Bedeutung mit einer Summe von 29.832,00 €. Im Übrigen sind auch Ausgaben für die Behandlung der Antragstellerin nicht dem Bereich der Vermögensbildung zuzurechnen und des Weiteren verringerte sich im maßgeblichen Zeitraum ein Bankguthaben des Antragsgegners von über 73.000,00 € auf einen weitaus geringeren Betrag. Dies stellte bereits das Amtsgericht fest, im Rahmen der Beschwerde hat der Antragsgegner diese Feststellungen nicht angegriffen, bzw. widerlegt. Somit ist der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin entsprechend des sogenannten Quotenunterhalts, der sich aus der Halbteilung des Familieneinkommens ergibt, zu bemessen.
2. Einkommen Antragsgegner
34
Das Amtsgericht kommt in seiner Entscheidung vom 02.02.2023 zu einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 21.935,68 €. Dies wird weder von der Antragstellerin noch vom Antragsgegner angegriffen.
Einkommen Antragstellerin
35
Grundsätzlich ist die Antragstellerin, nach Ablauf des Trennungsjahres ab Mai 2017 verpflichtet ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten.
36
Anders als beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte, der während der Ehe und zum Zeitpunkt der Trennung nicht berufstätig war, nicht ohne weiteres auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn er nicht durch eine Erkrankung oder durch die Erziehung von gemeinsamen minderjährigen Kindern an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Nach § 1361 Abs. 2 BGB, der eine Schutzfunktion zu Gunsten des nicht erwerbstätigen Ehegatten hat, kann dem bei Trennung nicht berufstätigen Ehegatten nur dann angesonnen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Aus dem Normzweck des § 1361 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Zumutbarkeitsabwägung sukzessive zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit hingeführt werden soll. Die Obliegenheit zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ist im Interesse der Erhaltung der Ehe schwächer ausgeprägt als beim nachehelichen Unterhalt (vgl. § 1574 Abs. 2 BGB). Die Bestimmung, inwieweit von einem Ehegatten nach seinen persönlichen Verhältnissen eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, und die Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte ist weitgehend Sache tatrichterlicher Beurteilung. Dabei sind alle wesentlichen Umstände eingehend zu würdigen (Wendl/Dose/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage 2019, § 4 Rn. 32).
37
Nach dem vom Amtsgericht erholten Sachverständigengutachten des Dr. med. S. F. vom 28.05.2020 (Bl. 523/561 TU) sowie 24.08.2020 (Bl. 623/639 TU) steht fest, dass bei der Antragstellerin infolge ihrer depressiven Erkrankung unter Mitberücksichtigung der Krebserkrankung ab Beginn der Erkrankung im Jahr 2017 eine Erwerbsunfähigkeit vorlag, da die Antragstellerin nicht in der Lage war, krankheitsbedingt mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten. Eine unter dreistündige Erwerbsfähigkeit ist einer Erwerbsunfähigkeit gleichzusetzen. Weiter führt der Sachverständige, insbesondere im Zusatzgutachten aus, dass eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben war, da bei einer stationären Behandlung der depressiven Erkrankung prognostisch bis zum Ablauf von 6 Monaten ab stationärem Behandlungsbeginn eine Besserung mit Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit möglich ist. Zur psychiatrischen stationären und ambulanten Behandlung riet der Sachverständige dringend.
38
In der Folge hat die Antragstellerin keine stationäre Therapie entsprechend der Empfehlung des Sachverständigen angetreten. Sie befindet sich ausweislich der Stellungnahme vom 21.08.2023 seit April 2022 in regelmäßiger wöchentlicher psychotherapeutischer Behandlung, gegenwärtig bei Frau Dr. Z. P.
39
Der krankheitsbedingt Erwerbsunfähige ist gehalten, selbst das in seiner Person erforderliche für seine Genesung zu unternehmen, d.h. aktiv an seiner Genesung mitzuarbeiten. Maßstab für die Obliegenheit sind die im Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze über die Zumutbarkeit einer Behandlung. Unterlässt der Unterhaltsgläubiger die notwendigen und zumutbaren therapeutischen Maßnahmen zur Herstellung seiner Erwerbsfähigkeit, so kann darin ein Verhalten liegen, dass die Härteregelung des § 1579 Nr. 4 BGB erfüllt (Wendl/Dose/Bömelburg, a.a.O., § 4 Rn. 243; OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.12.2020, 13 UF 180/19, FamRZ 2021, 1024).
40
Unter Anwendung dieser Grundsätze, kann nicht festgestellt werden, dass im weiteren Verlauf von einer fortdauernden Erwerbsunfähigkeit der Antragsgegnerin auszugehen ist. Die Antragstellerin hat weder dargelegt, noch nachgewiesen, dass sie alles zumutbare zur Herstellung ihrer Erwerbsfähigkeit unternommen hat. Insbesondere eine vom Sachverständigen als notwendig angesehene stationäre Behandlung ihrer Depression wurde bisher nicht unternommen.
41
Nach den in erster Instanz erholten Gutachten kann davon ausgegangen werden, dass eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nach dem Ablauf von 6 Monaten ab stationärem Behandlungsbeginn eintritt. Die Antragstellerin hätte somit spätestens ab Ende des Jahres 2021, bei unterstellter Behandlung gemäß Sachverständigengutachten, die Möglichkeit gehabt, wieder am Erwerbsleben teilzunehmen. Ab diesem Zeitpunkt ist ihr grundsätzlich ein fiktives Einkommen zuzurechnen.
42
Ende des Jahres 2021, mit einem Alter von 53 Jahren, wäre es durchaus möglich gewesen, dass die Antragstellerin sich entsprechenden Schulungsmaßnahmen gestellt hätte, um sodann wieder am Erwerbsleben teilzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits vor Eheschließung über keine Berufsausbildung verfügte und eine zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Sekretariatsbereich bereits 1995, mithin über 2 Jahre vor Eheschließung aufgegeben hat und zum Zeitpunkt der Eheschließung im Jahr 1998 seit längerem nicht erwerbstätig war. Auch während der Ehe hat die Antragstellerin keinerlei Erwerbstätigkeit ausgeübt und verfügt damit über keinerlei beruflich verwertbares Können. Zwar mag die Antragstellerin über Fremdsprachenkenntnisse verfügen, feststeht, dass sie im Zeitraum von nunmehr 30 Jahren weder eine reguläre Arbeit noch eine caritative oder sonstige Tätigkeit ausgeübt hat und somit über keinerlei Erfahrung verfügt. Auch wenn sie bei einem Lebensalter von mittlerweile 55 Jahren noch ca. 12 Jahre am Erwerbsleben teilnehmen kann, ist festzustellen, dass auch Anstellungsaussichten unqualifizierter Tätigkeiten nur eingeschränkt gegeben sind, aber doch vorhanden sind.
43
Für den Trennungsunterhalt gelten zunächst großzügigere Anforderungen hinsichtlich einer Erwerbsobliegenheit, als sie in § 1574 BGB für den nachehelichen Unterhalt bestimmt sind. Denn die bestehenden Verhältnisse sollen geschützt werden, damit die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erschwert wird. Mit zunehmender Verfestigung der Trennung wird allerdings eine allmähliche Annäherung der unterschiedlichen Maßstäbe der Erwerbsobliegenheit bewirkt; wenn die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit ist, besteht für eine erheblich großzügigere Beurteilung in der Regel kein Grund mehr (BGH NJW 2012, 2190 Rn. 18).
44
Vorliegend kann somit spätestens mit Beginn des Jahres 2022, nachdem die Trennung der Beteiligten annähernd 6 Jahre andauerte und die Trennungszeit im Übrigen von erheblichen Nachstellungen und Angriffen der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner geprägt war, auch unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der Ehe und der zwischenzeitlich eingetretenen Erkrankung der Antragstellerin von einer Erwerbsobliegenheit ausgegangen werden. Nachdem die Antragstellerin jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits über 20 Jahre nicht mehr erwerbstätig war und noch gesundheitliche Einschränkungen aufwies, erscheint eine Halbtagstätigkeit im Umfang von 20 Stunden wöchentlich als angemessen, aber auch ausreichend.
45
Nachdem die Antragstellerin sich nicht ernsthaft um entsprechende Arbeitsstellen bemüht hat, kann gleichwohl jedoch bei der konkreten Situation am Arbeitsmarkt in der Region M. mit Beginn des Jahres 2022, nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen, davon ausgegangen werden, dass auch für die Antragstellerin eine reelle Beschäftigungschance bestanden hätte. Auch Aushilfstätigkeiten im Büro wären ihr zumutbar. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass sie anfangs nur den Mindestlohn von zunächst 10 €/h und ab Oktober 2022 12 €/h verdient hätte.
46
Ausgehend davon ist der Antragstellerin in den Monaten Januar 2022 bis einschließlich September 2022 ein fiktives Einkommen in Höhe von 636,00 € netto und ab Oktober 2022 in Höhe von 763,00 € monatlich netto zuzurechnen.
47
Nach der Halbteilung der Einkünfte ergibt sich für den Zeitraum Mai 2016 bis Februar 2017 ein Unterhaltsanspruch von 10.967,50 € (21.935,00 €/2).
48
Für den Zeitraum ab März 2017 wurde zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht, welcher vorab vom Einkommen des Antragsgegners in Abzug zu bringen ist. Das Amtsgericht errechnete einen Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 3.468,00 €, was von den Beteiligten nicht angegriffen wurde. Damit ergibt sich entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts für den Zeitraum März 2017 bis Dezember 2021 ein Unterhalt in Höhe von 12.875 € (davon Altersvorsorgeunterhalt 3468,00 €).
49
Für den Zeitraum ab Januar 2022 bis einschließlich September 2022 errechnet sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von (21.935,00 € + 543,78 €)/2 -543,78 = 10.695,51 €. Daraus errechnet sich ein Altersvorsorgeunterhalt von 3.343,00 €. Es ergibt sich somit ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von 12.534,00 €, wovon 3.343,00 € auf den Altersvorsorgeunterhalt entfallen.
50
Für den Zeitraum ab Oktober 2022 errechnet sich ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 12.471,00 €, wovon 3.326,00 € auf den Altersvorsorgeunterhalt entfallen.
51
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner wiederholt körperlich angegriffen als auch in seiner Firma und in der Öffentlichkeit diskreditiert, ihm mittels E-Mails nachgestellt und eine unberechtigte Strafanzeige gegen ihn erhoben.
52
Nachdem das Ausgangsgericht im Liebesbrief des Antragsgegners vom 19.09.2015 eine Verzeihung gesehen hat und dies auch vom Antragsgegner in der Beschwerdeinstanz nicht mehr angegriffen wird, stellt der Senat für die Frage der Verwirkung nur auf Vorfälle, die sich nach dem 19.09.2015 ereigneten, ab.
Körperverletzungen durch die Antragsgegnerin
53
In der Nacht vom 13.04.2016 auf den 14.04.2016 eskalierte zwischen 23:00 und 2:00 Uhr ein Ehestreit zwischen den Beteiligten. Die unter Alkoholeinfluss stehende Antragsstellerin verlor die Kontrolle und attackierte den Antragsgegner mit Schlägen und Faustschlägen ins Gesicht. Im weiteren Verlauf zog die Antragstellerin eine Schere und stach auf den Antragsgegner in dessen Schulter – und Armpartie ein. Der Antragsgegner erlitt dadurch Stichverletzungen, die er im Krankenhaus ärztlich versorgen ließ. Wenige Tage danach war der Antragsgegner in der Lage zusammen mit der Antragstellerin eine Sauna zu besuchen. Dies steht fest, aus der Anhörung der Beteiligten, aus dem ärztlichen Attest des Klinikums Sch. vom 14.04.2016 (Anlage SSW 4 zu Blatt 18) und aus der Aussage der Zeugin W., die den Antragsgegner behandelt hatte, im Termin vom 09.05.2018 (Blatt 313).
54
Zum Zeitpunkt des Angriffs der Antragstellerin auf den Antragsteller ergab sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass deren Schuldfähigkeit vermindert oder aufgehoben gewesen wäre, §§ 20, 21 StGB. Dies ergibt sich aus dem insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dr. med. S. F. vom 24.08.2020 (Blatt 623 ff.).
55
Ferner verletzte die Antragstellerin den Antragsgegner in der Nacht vom 22. auf den 23.11.2015, als sie ihn schubste, mit der Faust schlug und mit einer Flasche aus Hartplastik sowie einer Fernbedienung auf dessen Kopf, Gesicht und Nase einschlug. Dadurch erlitt der Antragsgegner eine Nasenbeinprellung, multiple Prellungen am Kopf und im Gesicht sowie multiple Schürfwunden an Kopf, Gesicht und Hals. Dies steht fest zum einen aufgrund der persönlichen Anhörung der Beteiligten vor dem Amtsgericht als auch der Zeugenaussage des damals behandelnden Arztes, Herrn Dr. S. im Termin vom 31.01.2018 sowie dem ärztlichen Attest des Klinikums Schwabing vom 23.11.2015 (Anlage SSW 3 zu Blatt 18).
56
In beiden Fällen hat die Antragstellerin sich einer Körperverletzung, in einem Fall sogar einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Dies erfüllt den Tatbestand der Verwirkung nach § 1579 Nr. 3 BGB.
Beleidigungen/Bedrohungen/Nachstellungen
57
Am 22.10.2015 spielte der Antragsgegner mit dem Mitglied des Aufsichtsrats Dr. D. im Tennisclub Tennis. Die Antragstellerin suchte den Antragsgegner auf und griff ihn an. Sie fügte ihm Schläge und Kratzer zu und schrie laut über den ganzen Tennisplatz in Anwesenheit des Aufsichtsrats und anderer Mitglieder: „R., du Nutten-Ficker.“
58
Am 23.10.2015 gegen 9:00 Uhr rief die Antragstellerin Vorstandskollegen des Antragsgegners sowie Sekretärinnen der LV … an und behauptete, der Antragsgegner gehe regelmäßig zu Prostituierten, besuche FKK – Clubs und habe sie alleine ohne Geld gelassen sowie sich in der Vergangenheit der Steuerhinterziehung schuldig gemacht.
59
Am 12.11.2015 lauerte die Antragstellerin dem Antragsgegner vor einer Sitzung bei der Bundesbank auf, attackierte ihn und warf rohe Eier auf sein Hemd und beschmiert dieses mit einem Filzstift. Während der Sitzung rief sie den Antragsgegner ca. 100 mal auf dessen Handy an.
60
Im Jahr 2016 sandte die Antragstellerin bis März an den Antragsgegner bzw. dessen Sekretärin über 100 – E-Mails.
61
Nach dem Angriff mit der Schere am 14.04.2016 und den darauffolgenden Tagen zerschnitt die Antragstellerin sämtliche Anzüge und Hemden des Antragsgegners.
62
Am 15.04.2016 erschien die Antragstellerin in der Eingangshalle des Arbeitgebers des Antragsgegners und bestand darauf, dass dieser sich ebenfalls dorthin begibt. Nach dem Erscheinen des Antragsgegners griff ihn die Antragstellerin laut an und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Teile der zerschnittenen Kleidung warf sie durch die Eingangshalle. Durch den Sicherheitsdienst wurde die Antragstellerin entfernt.
63
Nach Erlass eines Gewaltsschutzbeschlusses durch das Amtsgericht München vom 18.04.2016 lauerte die Antragstellerin dem Antragsgegner am 04.06.2016 auf dem Gehweg vor dem T.platz in der O.straße … gegen 20:00 Uhr auf. Auch am 06.06.2016 rief die Antragstellerin gegen 18:00 Uhr im Büro des Antragsgegners an. Es folgten noch weitere Verstöße gegen den Gewaltsschutzbeschluss im Juni, Juli sowie August 2016. Die Nachstellungen und Anrufe sowie Droh – E-Mails hielt die Antragstellerin auch im Jahr 2017 aufrecht.
64
Im Jahr 2018 übersandte die Antragstellerin dem Antragsgegner mehr als 600 E-Mails an seine Firmen E-Mail-Adresse. Diese beinhalteten teils wüste Beschimpfungen, teils Drohungen. Auch an den Treuhänder der LV …, Herrn Dr. K., übersandte die Antragstellerin eine E-Mail, in der sie den Antragsgegner herabwürdigt und Details aus dem Scheidungsverfahren preisgibt.
65
Sämtliche Sachverhalte ergeben sich aus der persönlichen Anhörung der Beteiligten sowie die Einvernahme der Vorstandssekretärin, Frau H., des Aufsichtsratsvorsitzenden Prof. W. Sch., des Aufsichtsratsmitglieds Dr. D., der Vorstandssekretärin Frau W. und der Aufsichtsratsmitglieder W. sowie Dr. H. im Termin vom 31.01.2018 sowie des ehemaligen Mitglieds des Vorstands Herrn Sch und der Vorstandssekretärin Frau G. im Termin vom 21.03.2018. Die E-Mails wurden teilweise vorgelegt, teilweise existiert ein Journal, das sämtliche eingegangenen E-Mails mit Absender zeigt.
66
Durch diese nachhaltige, andauernde und äußerst unangenehme Nachstellung/Verfolgung bzw. Beleidigung und Bedrohung des Antragsgegners ist sowohl der Verwirkungsgrund des nach § 1579 Nr. 3 BGB als auch des § 1579 Nr. 5 BGB erfüllt. Zum einen können die schwerwiegenden Beleidigungen und Nachstellungen, die gegenüber Mitarbeitern des Antragsgegners sowie Aufsichtsrats – und Vorstandsmitgliedern seines Arbeitgebers gefallen sind, durchaus nachteilige Auswirkungen auf seine persönliche berufliche Entfaltung haben als auch geeignet sein, seine Position als Mitglied des Vorstands bzw. später Vorstandsvorsitzender eines Versicherungsunternehmens zu gefährden.
Strafanzeige durch die Antragstellerin durch die Rechtsanwälte R1. vom 20.04.2020
67
Die Antragstellerin stellte, vertreten durch die Rechtsanwälte R., am 20.04.2020 eine Strafanzeige gegen den Antragsgegner. Sie behauptete, der Antragsgegner habe eine falsche Versicherung an Eides statt in Tateinheit mit einem versuchten Prozessbetrug begangen. Die Angaben des Antragsgegners im Scheidungsverfahren einerseits und dem Verfahren über Trennungsunterhalt andererseits sein widersprüchlich. Seine Angaben in der Vermögensauskunft in der Folgesache Güterrecht, wonach sein Endvermögen sich im wesentlichen aus den ererbten Immobilien zusammen setze widersprechen seinen Angaben im Unterhaltsverfahren, wonach er angegeben habe der Lebensstil in der Ehe sei bescheiden und die während der Ehe getätigten Ausgaben seien gering gewesen. Demnach hätten mehrere 1.000,00 €, zuletzt bis zu 20.000,00 € im Monat angespart werden müssen, was zu einem höheren Endvermögen hätte führen müssen.
68
Die Strafanzeige wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 26.11.2021 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
69
Der Antragstellerin war hierbei bewusst, dass der Antragsgegner als Vorstandsvorsitzender einer Versicherung höchsten Anforderungen an die geschäftliche Zuverlässigkeit und Integrität sowie regelmäßige Überprüfung durch die BaFin untersteht. Diese unberechtigte Strafanzeige war durchaus geeignet die Vermögensinteressen des Antragsgegners zu gefährden.
70
Dadurch hat die Antragstellerin den Härtegrund des § 1579 Nr. 5 BGB verwirklicht.
71
In der Gesamtschau wiegen die dargestellten, vielfältigen Übergriffe/Beleidigungen und Nachstellungen und Beeinträchtigungen der Vermögensinteressen des Antragsgegners durch die Antragstellerin derart schwer, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt bis März 2020 um 60% und ab April 2020 um 70% zu vermindern ist.
72
Dabei ist eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen, bei der der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und dem Wohl eventuell noch zu betreuender Kinder Rechnung zu tragen ist. In die Abwägung einzubeziehen sind insbesondere die Schwere des Härtegrundes, insb. Dauer und Intensität der Auswirkungen, die Verwirklichung mehrerer Härtegründe; die Einbeziehung der Kinder, die Dauer der Ehe, die Höhe des Einkommens der Beteiligten und die damit verbundene Belastung mit dem Unterhaltsanspruch bzw. die Sicherung des Existenzminimums auf Seiten der Berechtigten, eigenes Fehlverhalten des Pflichtigen sowie Alter, Gesundheitszustand, besondere Leistungen für den Ehegatten bzw. für die Familie (Wendl/Dose/Siebert, a.a.O. § 4 Rn. 1219).
73
Zu Gunsten der Antragstellerin ist deren psychische Ausnahmesituation nach ihrer Krebserkrankung im Jahr 2015 und ihre persönliche Gesamtsituation, geprägt durch die völlige wirtschaftliche Abhängigkeit vom Antragsgegner zu werten. Hinzu kommt, dass die Ehe bis zur Trennung annähernd 18 Jahre andauerte und die Antragstellerin weder über eigenes Einkommen noch Vermögen verfügt.
74
Auf Seiten des Antragsgegners ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ihn über Jahre hinweg belästigte, bedrohte und beleidigte. Dies auch, nachdem vom Amtsgericht eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz getroffen wurde. Darüber hinaus verletzte die Antragstellerin ihn mehrmals. Durch ihr Handeln gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern sowie Vorstandsmitgliedern gefährdete sie zudem das berufliche Fortkommen des Antragsgegners.
75
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände ist der Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt bis März 2020 um 60% zu vermindern. Für die Zeit ab April 2020 ist zu berücksichtigen, dass durch die Stellung der unberechtigten Strafanzeige ein weiterer Härtegrund verwirklicht wurde, sodass letztlich ab April 2020 eine Minderung des Anspruchs der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt um 70% vorzunehmen ist.
76
5. Ausgehend von den unter Ziffer 3 errechneten Unterhaltsbeträgen und der Minderungsquote wegen Verwirkung, wie unter Ziffer 4 dargestellt, ergibt sich folgende Rückstandsberechnung.
Zeitraum
|
Monate
|
Monatlich geschuldet
|
Summe
|
Monatlich bezahlt
|
Summe
|
01.05.2016 – 31.12.2016
|
8
|
4.394,00 €
|
35.152,00 €
|
5.820,00 €
|
46.560,00 €
|
01.01.2017 – 28.02.2017
|
2
|
4.394,00 €
|
8.788,00 €
|
4.320,00 €
|
8.640,00 €
|
01.03.2017 – 31.07.2017
|
10
|
5.150,00 €
|
51.500,00 €
|
4.320,00 €
|
43.200,00 €
|
2018
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
6X 4320 €+ 6X
5150 €
|
56.820,00 €
|
2019
|
12
|
5.150,00 €
|
61.800,00 €
|
5X 5.150 €+ 6X
2.400 € + 3.712
|
43.862,00 €
|
1.01.2020- 31.03.2020
|
3
|
5.150,00 €
|
15.450,00 €
|
2.400,00 €
|
7.200,00 €
|
01.04.2020 – 31.12.2020
|
9
|
3.862,00 €
|
34.758,00 €
|
2.400,00 €
|
21.600,00 €
|
2021
|
12
|
3.862,00 €
|
46.344,00 €
|
2.400,00 €
|
28.800,00 €
|
01.01.2022 – 30.09.2022
|
9
|
3.760,00 €
|
33.840,00 €
|
2.400,00 €
|
21.600,00 €
|
01.10.2022 – 31.12.2022
|
3
|
3.741,00 €
|
11.223,00 €
|
2.400,00 €
|
7.200,00 €
|
01.01.2023 – 31.08.2023
|
8
|
3.741,00 €
|
29.928,00 €
|
2.400,00 €
|
19.200,00 €
|
Summe
|
|
|
390.583,00 €
|
|
306.502,00 €
|
Rückstand
|
|
Differenz
|
84.081,00 €
|
|
|
77
Demnach hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.08.2023 unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlungen des Antragsgegners einen Anspruch auf Bezahlung eines Trennungsunterhalts in Höhe von noch 84.081,00 €. Der darüber hinausgehende Antrag der Antragstellerin war abzuweisen.
78
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beschwerde des Antragsgegners insoweit Erfolg hatte, als der Antragstellerin ab Januar 2022 ein fiktives Einkommen zuzurechnen war und in Abweichung von der Entscheidung des Amtsgerichts ab April 2020 von einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin in Höhe von 70% auszugehen war. Die Anschlussbeschwerde war dagegen ohne Erfolg. Ausgehend von den jeweiligen Anträgen ergibt sich eine Quote nach Obsiegen und Unterliegen in Höhe von 68% die der Beschwerdeführer trägt und in Höhe von 32%, die die Beschwerdegegnerin trägt.
79
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren war nach §§ 40, 51 FamGKG festzusetzen. Ausgehend vom, zum Zeitpunkt der Antragstellung im Juni 2016 rückständigen Unterhalt für Mai 2016 in Höhe von 4.993,00 €, sowie dem mit der Beschwerde noch geltend gemachten Unterhalt von monatlich 5.150,00 € ergibt sich folgende Rechnung: 4.993,00 € + [5.150,00 € × 12] = 66.793,00 €.
80
3. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, § 70 FamFG.
81
Der vorliegende Fall und die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage, ob der Trennung Unterhaltsanspruch der Antragstellerin vollständig verwirkt sei, hat keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung, § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 FamFG. Es handelt sich um einen Einzelfall, der geprägt ist zum einen von den außergewöhnlich hohen Einkünften des Antragsgegners und zum anderen von der langen Ehedauer sowie den rechtswidrigen Angriffen der Antragstellerin und deren Nachstellungen. Die vom Senat entschiedene Rechtsfrage hat über den konkreten Einzelfall hinaus nicht in einer unbestimmten, d. h. quantitativ nicht überschaubaren, Vielzahl von Fällen Bedeutung und berührt deshalb nicht das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.
82
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 FamFG erforderlich.
83
Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder zu anderen Oberlandesgerichten ist nicht gegeben. Die Entscheidung des Senats weicht nicht von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 12.11.2003 – XII ZR 109/01 –, ab. In diesem Fall wurde der Bundesgerichtshof mit der Rechtsfrage konfrontiert, ob auch eine rückwirkende Verwirkung von vor der Tat liegenden Unterhaltszeiträumen vorliegen könne. Der Bundesgerichtshof bejahte diese Frage. Verfahrensgegenständlich war ein Angriff des unterhaltsberechtigten Ehemannes mit einem Metallrohr auf die unterhaltspflichtige Ehefrau. Zeugen der Tat waren die 6 und 7-jährigen Kinder, die die Ehefrau zum begleiteten Umgang bringen wollte. Die Ehefrau erlitt eine Kopfplatzwunde sowie Schwellungen und Hämatomen an Kopf und Oberarm. Der Ehemann wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieser Sachverhalt ist weder von der Schwere der Verletzung, noch der kriminellen Energie der jeweils unterhaltsberechtigten Person, zu vergleichen mit dem vorliegenden Sachverhalt. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner zwar mit einer Schere verletzt, dieser war jedoch in der Lage nur wenige Tage nach dem Angriff zusammen mit der Antragstellerin wieder eine Sauna zu besuchen.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 22.08.2024.