Inhalt

FG München, Urteil v. 03.07.2024 – 4 K 2034/16
Titel:

Schenkungssteuer auf Ausschüttungen eines US-Trusts

Normenketten:
ErbStG § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 8 S. 2, Nr. 9 S. 2, § 14, § 15 Abs. 2 S. 2, § 19 Abs. 1
AEUV Art. 63 Abs. 1
AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FGO § 44 Abs. 1, § 76 Abs. 1 S. 4, § 100 Abs. 1 S. 1, § 105 Abs. 3 S. 2
ZPO § 293
FGO § 155 S. 1
Leitsätze:
Die Einordnung von Ausschüttungen eines US-Trusts als Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG verstößt nicht gegen die in Art. 63 Abs. 1 AEUV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit.
Unterliegt der Trust-Vertrag Regelungen eines ausländischen Staates und wird unwiderruflich eine selbständige Vermögensmasse gebildet, handelte es sich mithin um eine Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2012 II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, BeckRS 2012, 96531)   (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Schenkungsteuer
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2025, 274
LSK 2024, 24995
BeckRS 2024, 24995

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof (Az.: II R 32/19).
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist die schenkungsteuerliche Behandlung von Ausschüttungen eines US-amerikanischen Trusts.
2
Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, war mit dem am … verstorbenen – ausschließlich in den USA wohnhaften – XY verheiratet. Seit 2011 hat die Klägerin wieder einen Wohnsitz im Inland.
3
XY errichtete zum Zwecke der Nachfolgeplanung diverse Trusts nach US-amerikanischem Recht, u.a. den hier streitgegenständlichen Trust, für den das Recht des Staates Delaware gilt. Begünstigter des Trust ist u.a. die Klägerin. Der aufgrund des Vertrags vom … (in der Version vom …) zu Gunsten der Klägerin errichtete Trust („Ehelicher Trust für …“) ist nach dem Tod des XY unwiderruflich (vgl. Artikel …) und bildet eine selbständige Vermögensmasse. So sind die Verwalter des Trusts (Trustees) in ihren Anlageentscheidungen frei und können uneingeschränkt über das Trustvermögen verfügen (Art. …). Weder XY, der Errichter des Trusts, noch die Klägerin als Begünstigte konnten bzw. können Einfluss auf Anlageentscheidungen des Trusts nehmen. Beginnend mit dem Tod von XY hat die Klägerin folgende Zahlungsansprüche: So sollen die Nettoeinnahmen des Trusts gemäß den Verfügungen der Verwalter des Trusts an die Klägerin in vierteljährlichen Raten ausbezahlt werden (Art. …). Durch Auszahlungen aus dem Grundkapital des Trusts waren diese Leistungen sowie weitere Leistungen aus einem anderen noch zu gründenden Trust so aufzustocken, dass die Klägerin insgesamt jährlich … $ erhält (Art. …). Die Zahlungen stehen weder dem Grunde noch der Höhe nach im Ermessen der Verwalter. Beendet wird der Trust mit dem Tod der Klägerin. Das Vermögen des Trusts soll nach dem Ableben der Klägerin an (von den Verwaltern festgelegte) Wohltätigkeitsorganisationen ausgeschüttet werden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Errichtungsvertrag des streitgegenständlichen Trusts vom … (in der Version vom …) verwiesen.
4
Die Klägerin erhielt aus dem Trust im Jahr 2011 mit insgesamt vier Ausschüttungen einen Gesamtbetrag von … € (bestehend aus Zinsen und Dividenden) ausbezahlt.
5
Mit bestandskräftigem Einkommensteuer(ESt) bescheid 2011 vom 7. Februar 2017 setzte das Finanzamt Z gegenüber der Klägerin ESt i.H.v. … € fest, hierbei legte es u.a. einen Hinzurechnungsbetrag i.H.v. 400.032 € nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen (AStG) zu Grunde, der sämtliche zu Gunsten der Klägerin als Begünstigte errichtete US-Trusts erfasst. Auf den streitgegenständlichen Trust entfällt nach Angaben der Klägerin ein ertragsteuerlicher Hinzurechnungsbetrag (nach § 15 AStG) i.H.v. 384.091,50 €.
6
In der Anlage zu der (am 27. Januar 2015 beim beklagten Finanzamt -FAeingegangenen) Schenkungsteuererklärung wurden von der Klägerin für das Jahr 2011 u.a. folgende Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts erklärt:

11. Februar 2011

… €

16. Mai 2011

… €

7
Darüber hinaus erklärte die Klägerin weitere – hier nicht streitgegenständliche – Ausschüttungen des Trusts in 2011 (vom 19. Mai 2011 i.H.v. … € und vom 15. August 2011 i.H.v. … €) sowie (im Einzeln in der Schenkungsteuererklärung aufgeführte) weitere Ausschüttungen in den Jahren 2012 (… €), 2013 (… €) und 2014 (… €), die im Einzelnen durch das FA der Schenkungsteuer unterworfen wurden.
8
Am 14. Dezember 2015 erließ das FA Schenkungsteuerbescheide, die die Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts im Jahr 2011 an die Klägerin betreffen. In den jeweiligen Steuerbescheiden war ein „Erwerb der Frau … in … Privatstiftung“ zugrunde gelegt. So wurde im Schenkungsteuerbescheid vom 14. Dezember 2015 (Steuernummer …), der den „Erwerb der Frau … in … Privatstiftung“ zum 11. Februar 2011 erfasste, eine Steuer von 0 € festgesetzt. Im Schenkungsteuerbescheid vom 14. Dezember 2015 (Steuernummer …), der den „Erwerb der Frau … in … Privatstiftung“ zum 16. Mai 2011 erfasste, wurde erstmals eine Steuer von … € festgesetzt. Gegen diese Schenkungsteuerbescheide vom 14. Dezember 2015 legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 Einspruch ein. Ausgehend hiervon erließ das FA am 21. Januar 2016 Schenkungsteuerbescheide, mit denen – unter Berufung auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) – die Schenkungsteuerbescheide vom 14. Dezember 2015 geändert werden sollten und die die Erwerbe der Klägerin aus den Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts (u.a. im Jahr 2011) betreffen. So wurde im Schenkungsteuerbescheid (Steuernummer …), der den Erwerb zum 11. Februar 2011 erfasste, eine Steuer von 0 € festgesetzt. Im – in diesem Klageverfahren allein – streitgegenständlichen Schenkungsteuerbescheid vom 21. Januar 2016 (Steuernummer …) setzte das FA Schenkungsteuer i.H.v. … € fest. Diesem Bescheid legte das FA einen – zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitigen – Erwerb zum 16. Mai 2011 i.H.v. … € sowie – ebenfalls zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitige – Vorerwerbe i.H.v. … € zu Grunde und brachte hiervon den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.H.v. 500.000 € zum Abzug. Auf den sich hieraus ergebenden steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 220.000 € wendete das FA (nach § 19 Abs. 1 ErbStG) den Steuersatz von 11% an. Den gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 21. Januar 2016 (Steuernummer …) mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2016 als unbegründet zurück. Die Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts an die Klägerin erfüllten nach Auffassung des FA hinsichtlich der ausgezahlten Vermögenserträge den Tatbestand § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG. Auch liege keine verfassungswidrige Doppelbelastung der Klägerin mit Schenkungs- und Einkommensteuer vor. Insbesondere könne durch die Errichtung mehrerer Trusts durch denselben Trusterrichter, unter Begünstigung derselben Destinäre (Begünstigten), mehrfach (korrespondierend zur Anzahl der Trusts) der aufgrund des Steuerklassenprivilegs nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG deutlich günstigere, persönliche Freibetrag nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum Trusterrichter in Anspruch genommen werden. Schenker bleibe der jeweilige Trust. Daher entfalle auch eine Zusammenrechnung der jeweiligen Erwerbe aus den einzelnen Trusts und aus den direkten Zuwendungen des Trusterrichters im Rahmen des § 14 ErbStG.
9
Die hiergegen gerichtete Klage hat der Senat mit Urteil vom 15. Mai 2019 abgewiesen und die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Mit BFH-Urteil vom 25. Juni 2021 II R 32/19, BFH/NV 2022, 595-598, eingegangen beim Finanzgericht (FG) München am 6. April 2022, hat der BFH das Urteil des FG München vom 15. Mai 2019 (Az. 4 K 2034/16) aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nach Auffassung des BFH ist Zwischenberechtigter einer ausländischen Vermögensmasse i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über dingliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche in Bezug auf Vermögen oder Erträge der Vermögensmasse verfügt. Die Ermittlung ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, sei Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. In welchem Umfang das FG das ausländische Recht ermittele, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen und sei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig; der Vortrag der Beteiligten sei zu berücksichtigen. Bei Ausschüttungen aus einer ausländischen Vermögensmasse obliege es dem Empfänger, die Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls die erforderlichen Beweismittel dafür zu beschaffen, dass ihm nach Maßgabe des einschlägigen Rechts kein Anspruch auf die Ausschüttung zugestanden habe (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2022, 595-598).
10
Die Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Nach dem Trust-Vertrag habe die Klägerin einen Zahlungsanspruch. Die Zahlung stehe auch nicht im Ermessen der Trustees (Verwalter), so dass daher eine Zwischenberechtigung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG vorliege. Die doppelte steuerliche Erfassung der Trust-Erträge mit Einkommen- und Schenkungsteuer sei jedoch rechtswidrig. So erfasse § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach der Gesetzesbegründung die Ausschüttung von Erträgen eines Trusts. Der ertragsteuerlichen Zurechnung von ausgeschütteten Erträgen nach § 15 AStG und der gleichzeitigen schenkungsteuerlichen Erfassung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG liege derselbe Lebenssachverhalt (Einkünfte aus einem Trust) zugrunde. Selbst wenn die Doppelbesteuerung zeitlich auseinanderfalle, sei sie dadurch nicht gerechtfertigt. Unter Heranziehung des BFH-Beschlusses vom 21. Juli 2014 II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554 könnten Einkünfte nicht gleichzeitig der ESt und der Schenkungsteuer unterliegen. Im Streitfall sei der Betrag i.H.v. 384.091,50 € jeweils bei der ESt und bei der Schenkungsteuer (mithin doppelt) erfasst worden. Schließlich verstoße die Besteuerung von Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
11
Die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
12
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
13
Es verweist zur Klageerwiderung auf die streitgegenständliche Einspruchsentscheidung und führt ergänzend hierzu aus, dass es für die Besteuerung der Schenkungen ohne Belang sei, inwieweit laufende Erträge in den der Schenkung unterworfenen Auskehrungen enthalten seien. Auch sei die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses (Erhaltung des Steuersubstrats) gerechtfertigt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird nach § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Schenkungsteuerakte des FA sowie die Gerichtsakte nebst Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 03. Juli 2024 Bezug genommen.
II.
15
Die Klage hat keinen Erfolg.
16
1. Die Klage ist zulässig, da sie insbesondere fristgerecht erhoben worden ist. Auch hat die Klägerin ein erfolgloses Vorverfahren durchgeführt (vgl. § 44 Abs. 1 FGO), da das FA in der streitgegenständlichen Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2016 über den Einspruch der Klägerin vom 27. Januar 2016 gegen den Schenkungsteuerbescheid vom 21. Januar 2016 (Steuernummer …) entschieden hat. Der als Änderungsbescheid ergangene Schenkungsteuerbescheid vom 21. Januar 2016 hat im Wege der Umdeutung als Erstbescheid Bestand, da er als Erstbescheid vom FA hätte erlassen werden können. Sowohl die Klägerin als auch das beklagte FA haben daher zu Recht den als Änderungsbescheid erlassenen Bescheid als Erstbescheid betrachtet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2022, 595-598).
17
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Schenkungsteuerbescheid vom 21. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2016 (Steuernummer …) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat die Schenkungsteuer wegen der von der Klägerin zum 16. Mai 2011 aus dem streitgegenständlichen Trust erhaltenen Zahlungen zu Recht gegen sie festgesetzt; dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den nachfolgenden Erwägungen.
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a) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was u.a. bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steht dem gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse.
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b) Die Regelungen über Vermögensmassen ausländischen Rechts in §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG wurden durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) eingeführt. Sie sollten vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen des sog. common law trust erfassen (BFH-Urteil vom 03. Juli 2019 II R 6/16, BFHE 265, 421, BStBl II 2020, 61, Rz 40, m.w.N.). Es handelte sich um eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH, derzufolge die bloße Errichtung sog. Testamentstrusts, die nicht auf alsbaldige Verteilung des Trustvermögens gerichtet waren, grundsätzlich weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb führte, während die grundsätzlich mögliche Besteuerung der (kapitalisierten) zukünftigen Erträge unter Vollzugsdefiziten litt (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2012 II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 13, 24, m.w.N. zur früheren Rechtsprechung; s.a. BFH-Urteil vom 15. Juli 2014 X R 41/12, BFHE 246, 442, Rz 42). Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber einen Systemwechsel vollzogen, indem er beim Zwischenberechtigten die (schrittweise) Auskehrung von Vermögen und Erträgen der Besteuerung unterworfen hat (BFH-Urteil in BFHE 238, 540; BTDrucks 14/443, S. 41).
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c) Für ausländische Stiftungen hat der BFH die nachfolgenden Grundsätze aufgestellt:
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aa) Das Vermögen einer wirksam gegründeten, rechtlich selbständigen und damit intransparenten Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen. Ist einer solchen Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist dieses nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 05. Dezember 2018 II R 9/15, BFHE 263, 283, BStBl II 2020, 655, Rz 21). Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, sodass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen. Herrschaftsbefugnisse in diesem Sinne ergeben sich z.B. durch den Vorbehalt des Stifters in Bezug auf die Entscheidungen über die Anlage und Verwendung des Vermögens, durch die Möglichkeit, ganz oder teilweise die Rückübertragung des Vermögens zu verlangen und durch die Weisungsunterworfenheit der Stiftung und ihrer Organe gegenüber dem Stifter. Der Stifter kann in solchen Fällen aufgrund seiner Befugnisse über das Vermögen der Stiftung wie über ein eigenes Bankguthaben verfügen. Dies gilt vorbehaltlich von Änderungen der getroffenen Vereinbarungen und Regelungen oder anderweitiger Zwischenverfügungen bis zum Todeszeitpunkt (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 2007 II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, unter II.2.b, und in BFHE 263, 283, Rz 22).
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bb) Zwischenberechtigter einer ausländischen Stiftung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG ist, wer unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über eine Rechtszuständigkeit an dem in der Vermögensmasse gebundenen Vermögen und/oder an den durch die Vermögensmasse erzielten Erträgen verfügt, sei es – nach deutschem Rechtsverständnis – in Gestalt dinglichen Rechts oder in Gestalt schuldrechtlicher Ansprüche. Nicht zwischenberechtigt ist, wer über keine Rechte an der Vermögensmasse oder Ansprüche gegenüber der Vermögensmasse verfügt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 421, Rz 35).
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cc) Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG erstreckt sich auf Ausschüttungen aus der Vermögenssubstanz wie auch aus den Erträgen. Es besteht kein Anlass, insoweit eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Die Vorschrift stellt allein auf den Erwerb während des Bestehens der Vermögensmasse ab. Sie differenziert nicht danach, ob der Erwerb aus dem Vermögen oder den Erträgen erfolgt (BFH-Urteil vom 25. Juni 2021 II R 31/19, BFHE 275, 240, BStBl II 2022, 497).
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d) Diese für ausländische Stiftungen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen auch für andere Vermögensmassen ausländischen Rechts, einschließlich anglo-amerikanischer Trusts (BFH-Urteil in BFHE 275, 240). Ausländische Stiftungen sind lediglich ein Unterfall der in § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG genannten Vermögensmassen ausländischen Rechts. Es gibt keinen Grund, zwischen verschiedenen Arten ausländischer Vermögensmassen zu differenzieren, zumal auch „Stiftungen“ unter unterschiedlichen Rechtsordnungen unterschiedlichen Rechtscharakter haben können.
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e) Die Ermittlung des ausländischen Rechts, dem die Vermögensmasse unterliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des FG als Tatsacheninstanz. Hierbei ist das maßgebende ausländische Recht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 275, 240 m.w.N.). Wie das FG das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Geleitet wird die Ermessensausübung des FG durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der nach § 90 Abs. 2 AO erhöhten Mitwirkungspflicht der Klägerin, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen, aber auch den Vortrag der Beteiligten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 275, 240 m.w.N.).
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f) Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen ist der erkennende Senat davon überzeugt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Trust um eine Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG handelt und die Klägerin Zwischenberechtigte i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Regelungen des von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. März 2024 (im Original und in Übersetzung) vorgelegten Trustvertrags, wonach der Klägerin als Begünstigter des streitgegenständlichen Trust eine nicht ohne weiteres entziehbare Rechtszuständigkeit – und damit ein Zahlungsanspruch – an der Vermögenssubstanz und/oder -erträgen des streitgegenständlichen Trusts zusteht.
27
aa) So sind nach den Bestimmungen des Trustvertrags (vgl. Art. …) die Nettoeinnahmen des Trusts während der gesamten Lebenszeit der Klägerin in vierteljährlichen Raten auszuzahlen. Durch Auszahlungen aus dem Grundkapital des Trusts waren diese Leistungen so aufzustocken, dass die Klägerin insgesamt jährlich mindestens … $ erhält. Die Zahlungen stehen weder dem Grunde noch der Höhe nach im Ermessen der Verwalter. So ist ein Ermessen der Trustees im Hinblick auf die Pflicht zur vierteljährlichen Ratenzahlung und die Höhe der Raten im Trustvertrag nicht vorgesehen. Das Vermögen des streitgegenständlichen Trusts war mithin nach dem Errichtungsvertrag für einen bestimmten Zweck (Versorgung der Klägerin) und bis zum Ableben der Klägerin gebunden. Nach den Bestimmungen des Trust-Vertrags hat die Klägerin mithin einen Anspruch auf die Zahlung der genannten Beträge.
28
bb) Aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten, die nunmehr im zweiten Rechtsgang einvernehmlich von einer Zwischenberechtigung der Klägerin im Sinne der oben dargelegten BFH-Rechtsprechung ausgehen (vgl. insbesondere den Schriftsatz der Klägerin vom 11. März 2024) und der nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO erhöhten Mitwirkungspflicht der Klägerin, ist der erkennende Senat davon überzeugt, dass einerseits die Regelungen im streitgegenständlichen Trust-Vertrag dem Recht des Staates Delaware entsprechen (vgl. Art. .. des Trustvertrags) und dass andererseits die Ausschüttungen durch die Ansprüche der Klägerin aus dem Trust-Vertrag gedeckt waren.
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(1) Dass die Regelungen im streitgegenständlichen Trust-Vertrag dem Recht des Staates Delaware (in irgendeiner Weise) nicht entsprechen (vgl. Art. .. des Trustvertrags), ist weder von den Beteiligten (insbesondere von der Klägerin, die nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht trifft) vorgetragen worden, noch sind hierfür nach Aktenlage irgendwelche Anhaltspunkte für den erkennenden Senat ersichtlich, so dass der Senat (unter besonderer Berücksichtigung des BFH-Urteils in BFHE 275, 240 Rz. 21) von weiteren – diesbezüglichen – Ermittlungen absieht.
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(2) Der erkennende Senat kann insbesondere in Ausübung pflichtgemäßem Ermessens nach den Umständen des Einzelfalls und bei umfassender Würdigung des Trustvertrags und des Vortrags der Beteiligten von einer weiteren Ermittlung des ausländischen Rechts absehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 275, 240 Rz. 21, 24, 25), da – nach Aktenlage und dem Vortrag der Beteiligten – für den erkennenden Senat offensichtlich ist, dass die Klägerin aufgrund des Trust-Vertrags einen Anspruch auf die Zahlung der oben genannten Beträge hat und (in Durchführung des Trust-Vertrags) diese Zahlungen seitens des Trusts auch tatsächlich (zwischenzeitlich seit Jahren) an die Klägerin erfolgt sind (vgl. hierzu auch die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 03. Juli 2024).
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cc) Bei dem streitgegenständlichen Trust handelte es sich mithin um eine Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG, da er unwiderruflich ist und eine selbständige Vermögensmasse bildet (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2012 II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84). Weder XY noch die Klägerin als Begünstigte konnten bzw. können Einfluss auf Anlageentscheidungen des Trusts nehmen. Der streitgegenständliche Trust ist mithin Zuwendender i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 2009 II R 6/07, BFHE 227, 374, BStBl II 2010, 237 und in BFHE 275, 240, Rz. 24; von Oertzen/Stein, ZEV 2010, 500, 502 m.w.N.).
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dd) Mithin ist die (nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG unbeschränkt steuerpflichtige) Klägerin Zwischenberechtigte i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG im Hinblick auf die streitgegenständlichen Auszahlungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG, da sie unabhängig von einem konkreten Ausschüttungsbeschluss über eine Rechtszuständigkeit an dem in der Vermögensmasse gebundenen Vermögen und/oder an den durch die Vermögensmasse erzielten Erträgen verfügt und mithin einen Zahlungsanspruch gegen den streitgegenständlichen Trust hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 275, 240, Rz. 16 m.w.N.).
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ee) Die Ausschüttungen im Streitfall erfüllen auch hinsichtlich der vom streitgegenständlichen Trust ausgezahlten Vermögenserträge (bestehend aus Zinsen und Dividenden) den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG. So ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG steuerbarer Erwerb der Zwischenberechtigten alles, was die berechtigten Personen nach dem Ermessen der Treuhänder oder aufgrund eigenen Rechtsanspruchs vor der Auflösung des Trusts aus dessen Vermögen oder Erträgen erhalten. Der Besteuerung unterliegen damit auch die ausgeschütteten Vermögenserträge und nicht nur die ausgeschüttete Vermögenssubstanz (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rz. 142). Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bei einer Schenkung unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (im Streitfall: mit der Ausschüttung an die Klägerin).
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g) Mithin hat das FA zu Recht vom Wert des Erwerbs i.H.v. … € und den Vorerwerben i.H.v. … € den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.H.v. 500.000 € (nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG; vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2009 II R 6/07, BFHE 227, 374, BStBl. II 2010, 237; Wolf Wassermeyer, FR 2015, 149; Jülicher a.a.O. § 15 Rz. 130 f.) in Abzug gebracht und auf den sich hieraus ergebenden steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. … € den Steuersatz von 11% angewendet (nach § 19 Abs. 1 ErbStG). Hierbei konnte der Senat die Frage dahingestellt lassen, ob durch Errichtung einer Vielzahl von Trusts durch ein und denselben Errichter mit dem jeweils selben Begünstigten (wie im Streitfall in Bezug auf den Sachverhalt des Klageverfahrens 4 K 2033/16) der Freibetrag (nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG) beliebig oft vervielfältigt werden kann. So hat im Streitfall das FA (unabhängig von der Anzahl der durch XY zugunsten der Klägerin errichteten Trusts) den Freibetrag in Abzug gebracht. Im Übrigen darf das Gericht durch seine Entscheidung die Rechtsposition der Klägerin im Vergleich zum Zustand vor Klageerhebung nicht verschlechtern (sog. Verbot der reformatio in peius, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 60/05, BFHE 217, 485, BStBl II 2008, 303).
35
h) Der mit Bescheid vom 21. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2016 erfolgten Schenkungsteuerfestsetzung steht im Streitfall auch insoweit nicht der Umstand entgegen, dass ein Betrag i.H. von 384.091,50 € auch der ESt-Festsetzung 2011 zugrunde gelegen hat. Zwar ist aus dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. September 2018 eingereichten – nach Angaben der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 14. September 2018) bestandskräftigen – ESt-Bescheid 2011 vom 7. Februar 2017 sowie den weiteren Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 14. September 2018 ersichtlich, dass ein Betrag von 384.091,50 € sowohl der Schenkungsteuer (im Bescheid vom 21. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2016, Steuernummer 125/829/52025) als auch der ESt-Besteuerung zu Grunde gelegen hat. So entfällt von dem Hinzurechnungsbetrag i.H.v. insgesamt 400.032 €, den das FA Z dem ESt-Bescheid 2011 vom 7. Februar 2017 nach § 15 Abs. 1 AStG zu Grunde gelegt hat, – nach Angaben der Klägerin – ein Teilbetrag i.H.v. 384.091,50 € auf den streitgegenständlichen Trust. Hierin liegt jedoch keine unzulässige Doppelbesteuerung; die vom Senat im ersten Rechtsgang diesbezüglich angestellten Erwägungen hat der BFH ausdrücklich bestätigt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2022, 595, 598), so dass der Senat daher von weiteren Ausführungen absieht. Der hier streitgegenständliche doppelte Steuerzugriff auf die Trust-Ausschüttung beruht letztlich auf der Grundentscheidung des Gesetzgebers, eine Schenkungsteuer neben der Einkommensteuer zu erheben, wobei die ertragsteuerliche Erfassung ausländischer Einkünfte beim Bezugsberechtigten (vgl. § 15 Abs. 1 AStG) und die schenkungssteuerrechtliche Bemessung der Bereicherung zum Bewertungsstichtag (Stichtagsprinzip) jeweils folgerichtig der Systematik der Einzelsteuergesetze entsprechen (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 275, 240 Rz. 31 m.w.N.).
36
i) Schließlich verstößt die Belastung der streitgegenständlichen Trustausschüttung mit Schenkungsteuer und ESt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil sie zu keiner verfassungswidrigen, übermäßigen, d.h. konfiskatorischen Besteuerung führt. Da aus Art. 14 GG keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze im Sinne eines „Halbteilungsgrundsatzes“ abzuleiten ist, verstößt selbst eine Gesamtbelastung von (rund) 60% des erworbenen Vermögens nicht gegen das Übermaßverbot (BFH-Beschluss vom 22. August 2017 II B 93/16, BFH/NV 2018, 40). Im Streitfall ist eine verfassungswidrige konfiskatorische Besteuerung im Streitfall offensichtlich ausgeschlossen: So wurde vom FA für die streitgegenständlichen Trustausschüttungen i.H.v. insgesamt … € (11. Februar 2011: … € und 16. Mai 2011: … €) Schenkungsteuer i.H.v. … € festgesetzt. Das FA Z hat (unter Anrechnung ausländischer Steuern i.H.v. … €) die ESt 2011 i.H.v. … € festgesetzt und hierbei einen Hinzurechnungsbetrag nach § 15 Abs. 1 AStG i.H.v. 384.091,55 €, der sämtliche Ausschüttungen des streitgegenständlichen Trusts im Jahr 2011 i.H.v. insgesamt … € betrifft, zugrunde gelegt. Mithin liegt die (auf die i.H.v. insgesamt … € erfolgten Trustausschüttungen entfallende) Gesamtsteuerbelastung (bestehend aus Schenkungsteuer und ESt) allenfalls im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
37
j) Darüber hinaus verstößt nach Ansicht des erkennenden Senats § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG nicht gegen die in Art. 63 Abs. 1 AEUV geregelte Kapitalverkehrsfreiheit.
38
aa) Zwar ist der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Art. 63 AEUV eröffnet.
39
(1) So werden neben natürlichen Personen (Unionsbürger i.S.v. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 AEUV), wie im Streitfall die Klägerin, auch Personengesellschaften oder juristische Personen des Privatrechts (wie der streitgegenständliche Trust) durch die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV bei grenzüberschreitenden Kapitaltransaktionen von Beschränkungen geschützt (Sedlaczek/Züger in Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 63 AEUV Rn. 26).
40
(2) Ferner verbürgt Art. 63 AEUV die Freiheit des Kapitalverkehrs sowohl innerhalb der Union als auch gegenüber Drittstaaten (vgl. Glaesner in Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 63 AEUV Rn. 1). Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch grenzüberschreitende Schenkungen oder Erbschaften erfasst (Urteile des Europäischen Gerichtshofs -EuGHvom 27. Januar 2009 C-318/07 und vom 31. März 2011, C-450/09, DStR 2011, 664; sowie Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Auflage 2022, Art. 63 AEUV Rn. 12), stellen im Streitfall die Zahlungen des US-Trusts an die Klägerin einen grenzüberschreitenden Sachverhalt i. S. des Art. 63 AEUV dar (vgl. Glaesner in Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, a.a.O., Art. 63 AEUV Rn. 10).
41
bb) Auch liegt im Streitfall eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vor: § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG erfasst die hier streitgegenständlichen Ausschüttung des US-Trusts, jedoch nicht Zuwendungen einer deutschen Stiftung an einen im Inland ansässigen Destinatär (Begünstigten). So unterliegen satzungsgemäße Zuwendungen inländischer Stiftungen mangels Freigebigkeit weder nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 noch nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG der Schenkungsteuer. In der Rechtsfolge, dass § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG Zuwendungen einer deutschen Stiftung nicht erfasst, liegt unzweifelhaft eine auf innerstaatliche Sachverhalte begrenzte Steuerbegünstigung (und damit Ungleichbehandlung) gegenüber einer entsprechenden Konstellation unter Beteiligung einer Auslandsstiftung, sofern § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG Zuwendungen von Auslandsstiftungen erfasst (Küster, DStR 2018, 2613, 2618). Damit besteht grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung zwischen in- und ausländischen Familienstiftungen bzw. ähnlichen Vermögensmassen wie auch Trusts (vgl. auch Schienke-Ohletz/Kühn DStR 2022, 1413, 1415). Insbesondere liegt eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 Abs. 1 AEUV unabhängig von der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen (hier: Klägerin) immer vor, wenn ein im Ausland belegener (Nachlass-)Gegenstand höher besteuert wird als ein im Inland belegener (vgl. Suabedissen, ZEV 2022, 321, 323).
42
cc) Diese Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist jedoch nach Auffassung des Senats aus den nachfolgenden Erwägungen gerechtfertigt.
43
(1) Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Diese Bestimmung, wonach (vor dem Hintergrund der fehlenden Harmonisierung direkter Steuern) Ungleichbehandlungen im Bereich des Steuerrechts grundsätzlich erlaubt sind und Eingriffe in Art. 63 AEUV rechtfertigen, ist nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen (so auch Korte in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 6. Auflage 2022, Art. 65 AEUV Rn. 6; Glaesner in Schwarze, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, Art. 65 AEUV Rn. 1, 3), da sie eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs darstellt. Sie kann nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Staat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre (EuGH-Urteile vom 17. Januar 2008, C-256/06 – Jäger, Slg. 2008, I-123, BFH/NV Beilage 2 2008, 120 Rn. 40; vom 11. September 2008, C-11/07 – Eckelkamp, Slg. 2008, I-6845, DStRE 2009, 560 Rn. 57; vom 11. September 2008, C-43/07 – Arens-Sikken, Slg. 2008, I-6887, DStRE 2009, 731 Rn. 51; vom 22. April 2010, C-510/08 – Mattern, Slg 2010, I-3553, BFH/NV 2010, 1212 Rn. 32).
44
(2) Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird ihrerseits durch das Übermaßverbot des Art. 65 Abs. 3 AEUV eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 AEUV genannten nationalen Vorschriften weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S. des Art. 63 AEUV darstellen dürfen (EuGH-Urteile vom 17. Januar 2008, C-256/06 – Jäger, Slg 2008, I-123, BFH/NV Beilage 2 2008, 120 Rn. 41; vom 11. September 2008, C-11/07 – Eckelkamp, Slg. 2008, I-6845, DStRE 2009, 560 Rn. 58; vom 22. April 2010, C-510/08 – Mattern, Slg 2010, I-3553, BFH/NV 2010, 1212 Rn. 33; vom 4. September 2014, C 211/13 – Kommission ./. Deutschland – ABl EU 2014, Nr C 395, 15-16). Die in Art. 65 Abs. 3 AEUV genannte willkürliche Diskriminierung liegt vor, wenn es an einem sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung fehlt (vgl. Korte a.a.O., Art. 65 AEUV Rn. 29; Glaesner a.a.O, Art. 65 AEUV Rn. 13). So kann nach der EuGH-Rechtsprechung eine nationale Steuerregelung aber nur dann als mit Art. 63 AEUV vereinbar angesehen werden, wenn die sich aus ihr ergebende Ungleichbehandlung entweder Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt ist (vgl. EuGH-Urteil vom 30. April 2020, C-565/18 – Société Générale – ABl EU 2020, Nr C 240, 5, DStRE 2020, 833 Rn. 24; vgl. auch Khan/Eisenheut a.a.O. Art. 65 AEUV Rn. 6). Im Prinzip kann grundsätzlich jeder beliebige Gemeinwohlbelang ein legitimes Allgemeininteresse begründen (Sedlaczek/Züger in Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 65 AEUV Rn. 31 m.w.N.).
45
(3) Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen gilt im Streitfall Folgendes: Zwar werden – wie die Klägerin zu Recht ausführt – durch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG ausländische Vermögensmassen (wie der streitgegenständliche Trust als Auslandsstiftung) gegenüber inländischen Stiftungen benachteiligt (s.o.). Die in § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG vorgesehene Steuerbarkeit von Zuwendungen durch eine Auslandsstiftung ist jedoch eine nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubte Ungleichbehandlung und keine Diskriminierung i.S.d. Art. 65 Abs. 3 AEUV. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats aus den nachfolgenden Erwägungen: Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist im Streitfall die Kohärenz des nationalen – deutschen – Steuersystems. So korrespondiert innerhalb des Steuersystems mit einer Begünstigung auch eine innerstaatliche Belastung; mithin besteht eine untrennbare Verknüpfung zwischen einer Belastung in steuerlicher Hinsicht und einer Entlastung, die eine Begünstigung nur des Inlandsfalls erforderlich macht (vgl. Schienke-Ohletz/Kühn DStR 2022, 1413, 1415). Der Vorteil einer schenkungsteuerfreien Ausschüttung aus einer inländischen Stiftung wird nämlich mit dem steuerlichen Nachteil kompensiert, dass die inländische Familienstiftung im Gegensatz zur ausländischen Familienstiftung und einem ausländischen Trust auch der deutschen Erbersatzsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Argumentation der Klägerin, wonach der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz nicht in Betracht kommen würde, da verschiedene Steuersubjekte vorliegen, greift nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht. Zwar betrifft die Erbersatzsteuer die (inländische) Stiftung selbst, während § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG die Steuerbarkeit einer Zuwendung an den empfangenden Zwischenberechtigten betrifft und dieser auch steuerpflichtig ist (vgl. Küster, DStR 2018, 2613, 2619). Gleichwohl ist nach Auffassung des Senats die vom EuGH (in seiner Entscheidung v. 23.10.2008 – C-157/07, Slg. 2008, I-8061, DStRE 2009, 556 Rn. 42 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee) hervorgehobene „spiegelbildliche Logik“ im Rahmen der Prüfung der Wahrung einer Kohärenz des deutschen Steuersystems gewahrt. Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen der oben dargelegten Prüfung einer Spiegelbildlichkeit als Rechtfertigungsgrund der Kohärenz die ausländische Vermögensmasse schon nicht als Steuersubjekt heranzuziehen. So ist nach Überzeugung des Senats kaum ein Inlandsbezug hinsichtlich der ausländische Vermögensmasse vorstellbar, ohne auf den Ausschüttungsempfänger abzustellen. Darüber hinaus ist die ausländische Vermögensmasse zumindest subsidiär auch Steuerschuldner (vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG), so dass nach Auffassung des Senats unter Gesamtwürdigung aller Umstände im Streitfall der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz erfüllt ist. Jedenfalls kann die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten (vgl. Suabedissen, ZEV 2022, 321, 325). Denn Sinn und Zweck der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG ist es im Kontext mit den Vorschriften der § 3 Abs. 2 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 und 9 ErbStG (eingeführt durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 – BGBl I 1999,402) nach der Gesetzesbegründung, der Erbschaft- und Schenkungsteuerersparnis durch steuerliche Gestaltungen unter Verwendung sog. „Trusts“ entgegenzuwirken. Bei entsprechenden Konstruktionen wurde vor der Gesetzesänderung keine Steuerpflicht oder eine Steuerpflicht erst mit zeitlicher Verzögerung ausgelöst. Insofern wurde daher durch den Gesetzgeber offensichtlich das Ziel verfolgt, durch Beseitigung von Vollzugsdefiziten Steuernachteile für Inländer auszugleichen, die Vermögen im Inland vererben oder auf eine inländische Familienstiftung übertragen und damit der Erbersatzsteuer unterliegen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 275, 240 Rn. 13). Nach Ansicht des Senats stellt daher – auch unter Heranziehung der Schranken-Schranke des Art. 65 Abs. 3 AEUV – die kohärente Steuerregelung in § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG und die Beschränkung der Steuerbarkeit auf Ausschüttungen von Auslandsstiftungen eine erlaubte Ungleichbehandlung und keine die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV verletzende Diskriminierung dar (so auch Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. April 2015 7 K 2471/12, juris, Orientierungssatz 4 und Rn. 64 f.; a.A. offensichtlich: Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 10. Februar 2014 1 V 2602/13, juris Rn. 25; offen gelassen von Suabedissen, ZEV 2022, 321, 325; kritisch, wenn auch ohne Bezug auf Art. 63 AEUV: Curdt in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 99. Lieferung, 1/2024, § 7 Rn. 150).
46
k) Anhaltspunkte dafür, dass im Streitfall andere Grundfreiheiten als die Kapitalverkehrsfreiheit betroffen sind, sind weder von den Beteiligten vorgetragen noch für den Senat in irgendeiner Art und Weise ersichtlich.
47
l) Da der Senat der Auffassung ist, dass die Anwendung der Norm des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG im Streitfall europarechtlich nicht zu beanstanden ist, besteht auch keine Verpflichtung, das Klageverfahren auszusetzen und dem EuGH (nach Art. 267 AEUV) zur Entscheidung vorzulegen. Die Vereinbarkeit der Norm des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG mit den europäischen Grundfreiheiten (insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit) ist unter Berücksichtigung der dargestellten Auslegung für den Senat nicht zweifelhaft.
48
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO i.V.m. § 143 Abs. 2 FGO. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind ebenfalls von der Klägerin zu tragen. Die auf § 143 Abs. 2 FGO gestützte Übertragung der Entscheidung über die Kosten auf das Finanzgericht hat zur Folge, dass diese einheitlich durch den erkennenden Senat im Urteil zu treffen ist (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, vgl. BFH-Urteil vom 26. September 2006 X R 3/05, BStBl. II 2007, 452). Dabei sind die gesamten Kosten des Verfahrens von dem Beteiligten zu tragen, der in dem finanzgerichtlichen Verfahren (im zweiten Rechtszug) unterliegt. Dies gilt auch dann, wenn dieser – wie vorliegend – zunächst im Rechtsmittelverfahren obsiegt und eine Zurückweisung an das Finanzgericht erreicht hat (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1996 IX R 47/95, BFHE 182, 178, BStBl. II 1997, 348; Ratschow in Gräber, FGO-Kommentar, 9. Auflage 2019, § 135, Rn. 3; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO-Kommentar, § 135 AO, Rn. 9).
49
4. Die Revision zum BFH wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfragen zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Besteuerung von Ausschüttungen ausländischer Vermögensmassen beim Zwischenberechtigten mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV vereinbar ist.