Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 09.04.2024 – 23 U 6280/21
Titel:

Außerordentliche Kündigung eines Handesvertretervertrages wegen Änderung der Vertriebsorganisation

Normenkette:
BGB § 280
Leitsätze:
1. Selbständig ist nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit einteilen kann. Hingegen unterliegt der Arbeitnehmer, der in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden ist, einem umfassenden Weisungsrecht (Direktionsrecht) seines Arbeitgebers, was die äußeren Umstände als auch den Gegenstand und Inhalt seiner Arbeitstätigkeit betrifft (s. auch § 611a BGB). Welchem der Vertragstypen ein konkretes Beschäftigungsverhältnis zuzuordnen ist, ergibt sich aus dessen rechtlicher Ausgestaltung wie auch seiner tatsächlichen Durchführung; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist dem Unternehmer grundsätzlich unbenommen, selbständig zu disponieren und sein Vertriebssystem zu ändern, wenn er das für zweckmäßig und erforderlich hält. Wenn er einen unrentablen Geschäftszweig einstellt, berechtigt ihn dies grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages. Eine Grenze ist aber dort anzuerkennen, wo sich der Unternehmer willkürlich und ohne vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange seiner Handelsvertreter hinwegsetzt. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zulässig, eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist auszusprechen. Zwar ist eine solche Fristsetzung in § 86a HGB nicht vorgesehen. Gleichwohl bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine gleichwohl vom Kündigenden ausgesprochene Befristung, solange sich dadurch nicht erweist, dass es für den Kündigenden zumutbar wäre, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anspruch aus Handeslvertreterausgleich nach § 89a HGB scheidet aus, wenn der Unternehmer, der aufgrund einer Geschäftsaufgabe keine Kundenbeziehungen mehr unterhält, hieraus keinen Vorteil mehr zieht. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Handelsvertreterausgleich, Außerordentliche Kündigung, Abgrenzung Arbeitnehmer, Handelsvertreter, Auslauffrist, Kündigung aus wichtigem Grund, selbständige Tätigkeit, Vetriebsorganisationsänderung, Vorteilsziehung, Kundenbeziehung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 12.05.2022 – 29 O 10186/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24981

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.05.2022, Az. 29 O 10186/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Tatbestand

1
Der Kläger war für die Beklagte, ein Universalkreditinstitut, auf dem Gebiet der Vermittlung von Finanzinstrumenten, Versicherungen, Finanzierungen und sonstigen Vertragsprodukten tätig. Die Beklagte teilte dem Kläger am 23./24.06.20.. mit, dass die alleinige Aktionärin beschlossen habe, das Bankgeschäft in Deutschland gänzlich einzustellen. Mit Schreiben vom 28.07.20.. erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertragsverhältnisses zum Kläger außerordentlich mit Wirkung zum 31.12.20.., hilfsweise ordentlich fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
2
Der Kläger hat in der zum Landgericht erhobenen Klage die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und Schadensersatz sowie einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gefordert. Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Es liege ein Handelsvertreterverhältnis vor, dass durch die ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam zum 31.12.2020 beendet worden sei. Auch die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien unbegründet.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und verfolgt seine ursprünglichen Klageanträge weiter:
1. Es wird festgestellt, dass das Dienstvertragsverhältnis des Klägers zur Beklagten nicht durch die Kündigung vom 28.07.20.. zum 31.12.20.. aufgelöst wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 731.585,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.09.20.. zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5.999,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung und begehrt im Wege der Anschlussberufung hilfsweise das Ziel der Feststellung, dass die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis zum 31.01.20.. aufgelöst hat.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
1. …
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2. Der Senat ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel in der Sache zuständig, auch wenn der Kläger geltend gemacht hat, er sei Arbeitnehmer. Die Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten ist nämlich in zweiter Instanz gem. § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu prüfen. Die Rechtsmittelgerichte haben die ausdrücklich oder – wie vorliegend – stillschweigend getroffene Entscheidung der Instanzgerichte über die eigene Rechtswegzuständigkeit als bindend hinzunehmen (BeckOK GVG/Gerhold, 21. Ed. 15.11.2023, GVG § 17a Rn. 17).
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3. Der Berufung bleibt der Erfolg in der Sache versagt. Die gegen die klagabweisende Entscheidung des Landgerichts erhobenen Rügen greifen nicht durch.
3.1. Klageantrag 1
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Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die Kündigung vom 28.07.2020 zum 31.12.2020 aufgelöst wurde.
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3.1.1. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger ein berechtigtes rechtliches Interesse für die begehrte Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO hat oder der Antrag als Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Die Klage kann nämlich auch bei Fehlen des erforderlichen Feststellungsinteresses als unbegründet abgewiesen werden, wenn wie vorliegend die sachlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen (BGH NJW 2020, 683 Rn. 44).
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3.1.2. Der Feststellungsantrag war abzuweisen. Seit dem Vertragsschluss am … galt der als Anlage … vorgelegte … Vertrag (im Folgenden: FBV) … Der FBV wurde durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.07.20.. zum 31.12.2020 gemäß § 89a HGB beendet.
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3.1.2.1. Die Kündigungserklärung vom 28.07.20.. … erfüllt die formalen Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung. Angesichts des klaren Wortlauts verwundert der klägerische Vortrag in der Klageschrift, wonach nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden sein sollte.
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3.1.2.2. Der Beklagten steht ein wichtiger Grund im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB zur Seite.
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3.1.2.2.1. Anwendbar ist § 89a HGB, weil es sich bei dem FBV, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, um einen Handelsvertretervertrag im Sinne des § 84 HGB handelt. Der Kläger kann mit seiner Rüge, in Wahrheit liege ein Arbeitsverhältnis vor, nicht durchdringen.
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Hinsichtlich dieser Fragestellung ist der Senat freilich nicht an die landgerichtliche Einschätzung gebunden. Wie bei einer Rechtswegverweisung nach § 17a Abs. 2 GVG (dazu Schoch/Schneider/Ehlers, 44. EL März 2023, GVG § 17a Rn. 20 m. w. N.) ergibt sich aus der Rechtswegentscheidung des Erstgerichts in Verbindung mit § 17a Abs. 5 GVG keine Bindungswirkung für die Frage, welches materielle Recht anzuwenden ist. Der Senat wäre gem. § 17 Satz 1 GVG nicht gehindert, auf Basis der ZPO über ein Arbeitsverhältnis zu entscheiden.
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Dem Landgericht ist allerdings zuzustimmen, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer, sondern als Handelsvertreter tätig war.
16
3.1.2.2.1.1. Der Handelsvertreter ist gem. § 84 Abs. 1 HGB als selbstständiger Gewerbetreibender tätig. Selbständig ist nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit einteilen kann. Hingegen unterliegt der Arbeitnehmer, der in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden ist, einem umfassenden Weisungsrecht (Direktionsrecht) seines Arbeitgebers, was die äußeren Umstände als auch den Gegenstand und Inhalt seiner Arbeitstätigkeit betrifft (siehe auch § 611a BGB). Welchem der Vertragstypen ein konkretes Beschäftigungsverhältnis zuzuordnen ist, ergibt sich aus dessen rechtlicher Ausgestaltung wie auch seiner tatsächlichen Durchführung; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen (MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 84 Rn. 31; MüKoBGB/Spinner, 9. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 88 f.).
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Hinsichtlich der die Arbeitnehmereigenschaft begründenden Tatsachen außerhalb des Vertragstextes trifft den Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich hat nämlich jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen. Als Arbeitnehmer könnte sich der Kläger auf die kurze Kündigungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB und auf eine für Arbeitnehmer günstigere Bewertung der beiderseitigen Interessen im Rahmen der Qualifizierung des wichtigen Grundes berufen.
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3.1.2.2.1.2. Die Anwendung dieser Maßstäbe führt zu der Bewertung der klägerischen Tätigkeit als selbständig.
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Die Parteien haben in dem streitgegenständlichen FBV für den Kläger ersichtlich die Rechtsstellung eines selbstständigen Handelsvertreters vorgesehen (vgl. …). Der gemeinsame Regelungswille war somit auf einen Vertrag im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB gerichtet.
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Die weitere rechtliche Ausgestaltung und die tatsächliche Umsetzung dieser Vereinbarung deuten ebenfalls auf eine Handelsvertretertätigkeit des Klägers hin. Der Kläger war in einem in eigenem Namen angemieteten (siehe Anlage …) Büro in St. tätig und somit bei der Anmietung nachweislich in eigenem Namen und auf eigene Rechnung im Außenverhältnis tätig.
21
Er trug das Unternehmerrisiko. Der wesentliche Vergütungsteil war während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit (siehe auch Anlagen …) variabel und erfolgsabhängig. Soweit der Kläger auf angeblich feste Vergütungsbestandteile hinweist, beruhen diese auf Zusatzvereinbarungen, namentlich der Schulungsvereinbarung vom … (Anlage …) und dem Zusatzvertrag … vom … (Anlage …) und nehmen schon deshalb dem Grunddienstverhältnis nicht das Gepräge der Selbständigkeit. Ohnehin wurde auch insoweit nicht ein Festgehalt zur Entlohnung von Arbeitszeit vereinbart; hinzu kommen gem. § … der Coachingvereinbarung weitere variable Vergütungsbestandteile.
22
Nicht nachvollziehbar ist der bestrittene Vortrag des Klägers, er sei weisungsgebunden und zur höchst persönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen. Diese abstrakten Behauptungen negieren die ausdrückliche gegenteilige Regelung in … FBV und werden in keinster Weise durch konkrete Tatsachenbehauptungen, die dem Beweis zugänglich wären, gestützt. Beweisangebote fehlen. Überdies passt die angebliche Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistung nicht zum klägerischen Vortrag betreffend frustrierte Fixkosten. Diese sollen ausdrücklich – allerdings nicht bezifferte – „Personalkosten“ umfassen (Klageschrift vom …, S. 8). Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass gegen die Plausibilität des Vortrags spricht, dass der Kläger – ausschließlich für seine Tätigkeit für die Beklagte dienende (Klageschrift vom …, S. 8) – Gewerberäume mit einer Fläche von 172,60 qm und mit 13 Haus-/Büro-/ Aufzugschlüsseln angemietet haben will. Dies ist ein aussagekräftiges Indiz dafür, dass Erfüllungsgehilfen beschäftigt wurden.
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Vor diesem Hintergrund fällt es nicht ins Gewicht und kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger nach eigenem Parteivortrag von der Beklagten „sozial abhängig“ gewesen und nur für die Beklagte tätig gewesen sei (Schriftsatz vom …). Ersteres hat für die Abgrenzung von Selbständigen und Unselbständigen zumindest kein wesentliches Gewicht (MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 84 Rn. 58 m. w. N.: „nicht entscheidend“). Auch wenn der Kläger faktisch nur für die Beklagte tätig gewesen sein sollte, nimmt dies dem Vertragsverhältnis bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht das selbständige Gepräge. Dass der Beklagte regelmäßig wöchentlich mehr als 50 Stunden für die Beklagte tätig war, kann daher als wahr unterstellt werden. Ein Verbot, für andere Unternehmer tätig zu werden, vermag der Senat dem FBV nicht zu entnehmen. Ohnehin geht das Gesetz selbst in § 92a HGB davon aus, dass es sogar selbständige Handelsvertreter gibt, die nur für einen Prinzipal tätig werden dürfen.
24
Die weiteren – wenig substantiierten – Behauptungen des Klägers (Berufungsbegründung, S. 3 f.), die die Arbeitnehmereigenschaft belegen sollen, führen nicht zu einer abweichenden Bewertung. Dass der Kläger „ausschließlich als Mitarbeiter der Beklagten“ aufgetreten sein will, ist vor dem Hintergrund der o. g. Anmietung der Büroräume im eigenen Namen schon durch den eigenen Vortrag des Klägers zumindest teilweise widerlegt. Gleiches gilt für die angebliche Nutzung von Betriebsmitteln der Beklagten. Ohnehin kommt es in der Gesamtabwägung hierauf nicht entscheidend an. Die Einbindung in die Vertriebsstruktur der Beklagten ist der (selbständigen) Handelsvertretertätigkeit wesensimmanent.
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Schließlich kommt der Senat nicht umhin, an dieser Stelle ausdrücklich die Widersprüchlichkeit des klägerischen Vortrags zu benennen: Der Kläger selbst ging vorgerichtlich sowie die längste Zeit in erster Instanz von einer Handelsvertretertätigkeit aus – während er durchgängig rechtlich beraten war. Selbst, nachdem er im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens die abweichende Haltung eingenommen hat, er sei Arbeitnehmer, verlangt er gleichwohl Handelsvertreterausgleich, obwohl dieser einem Arbeitnehmer nicht zusteht. Hieran hält er in der Berufungsinstanz auch nach dem klaren Hinweis des Erstgerichts im angefochtenen Urteil weiter fest.
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3.1.2.3. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 89a HGB liegt vor, wenn es dem Kündigenden nicht zumutbar ist, das Handelsvertreterverhältnis bis zu seinem Ablauf oder auch nur bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, zu welchem es durch ordentliche Kündigung beendet werden kann (BGH NJW 1999, 946). Im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls muss das Interesse des Kündigenden an einem sofortigen Vertragsende das Interesse des Vertragspartners an der Vertragsfortsetzung überwiegen (Ebenroth/Boujong/Semmler, 5. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 17). In die Prüfung der der Gesamtwürdigung zugrunde liegenden Umstände und deren Abwägung sind insbesondere die Art und Dauer des Vertragsverhältnisses, die Ausgestaltung der Vertragsbeziehung im Einzelnen sowie das Verhalten des Kündigenden und auch seines Vertragspartners einzubeziehen (OLG München, Grundurteil v. 18.07.2007 – 7 U 2055/06, BeckRS 2008, 1692 Rn. 43).
27
3.1.2.3.1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im aktuell geltenden …-Vertrag vom … anders als in den Vorvereinbarungen (Anlagen …) nicht näher bestimmt haben, unter welchen Voraussetzungen eine fristlose Kündigung möglich sein soll und was sie als wichtigen Grund hierfür ansehen.
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3.1.2.3.2. Das Landgericht hat weiter sorgfältig herausgearbeitet, dass dem Unternehmer im Verhältnis zum Handelsvertreter kaufmännische Dispositionsfreiheit zuzubilligen ist. Es ist dem Unternehmer grundsätzlich unbenommen, selbständig zu disponieren und sein Vertriebssystem zu ändern, wenn er das für zweckmäßig und erforderlich hält. Wenn er einen unrentablen Geschäftszweig einstellt, berechtigt ihn dies grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung (zu § 89a HGB: BGH VersR 1958, 243 juris Rn. 7; zu § 89b HGB: BGH NJW 1968, 394; NJW 1959, 1964 [1964 f.]; siehe auch – allerdings auf der aus hiesiger Sicht unzutreffenden Rechtsgrundlage einer außerordentlichen Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage – OLG Hamm NJW-RR 1988, 550 [551]). Dass der Handelsvertreter grundsätzlich eine Einstellung des Geschäftsbetriebs bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinzunehmen hat, ergibt sich aus dem über gewöhnliche Austauschverträge hinausgehenden, regelmäßig besonders engen Vertrauensverhältnis zwischen einem Unternehmen und dem in seinen Vertrieb eingebundenen Handelsvertreter sowie aus dessen besonders enger Bindung an den wirtschaftlichen Erfolg und eben auch den Misserfolg des Unternehmens. Der fehlende wirtschaftliche Erfolg liegt daher nicht nur in der Risikosphäre des Unternehmens, sondern auch in der des mit ihm vertraglich verbundenen Handelsvertreters (BGH NJW 2005, 1360 [1362]). Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu einem Arbeitnehmer (BGH VersR 1958, 243 juris Rn. 7).
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Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, Umstrukturierungen des Prinzipals nur anzuerkennen, soweit sie wirtschaftlich notwendig sind; damit würde die wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit des Unternehmers unzulässig eingeschränkt (BGH NJW 1968, 394). Wie der Kläger selbst zutreffend einräumt, kann es nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts sein, die unternehmerischen Entscheidungen der Beklagten zu überprüfen (vgl. DIS-Schiedsgericht, Schiedsspruch vom 17.01.1997, Az. DIS-SV-B 627/96, BB-Beilage 1999, Nr. 11, 13 [15]). Es ist nicht notwendig, dass der Unternehmer schon „rote Zahlen schreibt“ (Hopt/Hopt, 43. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 21) oder gar bereits zahlungsunfähig ist (Oetker/Busche, 8. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 21).
30
Eine Grenze ist freilich dort anzuerkennen, wo sich der Unternehmer willkürlich und ohne vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange seiner Handelsvertreter hinwegsetzt (BGH NJW 1968, 394; NJW 1959, 1964 [1964 f.]). Davon kann allerdings mit Blick auf die anhaltenden Verluste der Beklagten keine Rede sein. Der Kläger hat dies zwar bestritten. Die Tatsache, dass Verluste in den geprüften Jahresabschlüssen für das Geschäftsjahr vom 01.07.20… – 30.06.20… (Anlage …) sowie die Geschäftsjahre 20.. bis 20.. festgestellt sind, hält der Senat indes für offenkundig im Sinne des § 291 ZPO (die Abschlüsse sind über den Bundesanzeiger abrufbar unter https://www.bundesanzeiger.de). Das Bestreiten ist vor diesem Hintergrund ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt und damit prozessual unbeachtlich. Beweisbedürftigkeit würde sich nur ergeben, wenn der Kläger darlegen würde, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte er davon ausgeht, dass die publizierten Jahresabschlüsse inhaltlich falsch sind.
31
Soweit im Rumpfgeschäftsjahr 01.01.-30.06.20.. ausnahmsweise ein Jahresüberschuss in Höhe von ca. 86,7 Mio. EUR festgestellt wurde, geht dieser laut geprüftem Jahresabschluss auf einen „außerordentlichen Ertrag aus der Veräußerung der Anteile an verbundenen Unternehmen zurück“ und belegt folglich nicht die Rentabilität des Geschäftsmodells. Auch dieser Jahresabschluss ist öffentlich abrufbar und somit gerichtsbekannt (§ 291 ZPO); auch insoweit führt das einfache klägerische Bestreiten nicht zur Beweisbedürftigkeit.
32
3.1.2.3.3. Der von der Bank gewählte Beendigungszeitpunkt ist sachgerecht.
33
Es ist zulässig, eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist auszusprechen. Zwar ist eine solche Fristsetzung in § 86a HGB nicht vorgesehen. Gleichwohl bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine gleichwohl vom Kündigenden ausgesprochene Befristung (BGH NJW 1999, 946), solange sich dadurch nicht erweist, dass es für den Kündigenden zumutbar wäre, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten. Teilweise wird postuliert, dass eine Auslauffrist erforderlich sein könne, um je nach Fallgestaltung einen verhältnismäßigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu ermöglichen, indem das Interesse des Handelsvertreters, sich binnen angemessener Zeit am Markt neu zu orientieren, angemessen zur Geltung gebracht wird (vgl. DIS-Schiedsgericht Schiedsspruch vom 17.01.1997, Az. DIS-SV-B 627/96, BB-Beilage 1999, Nr. 11, 13 [16 f.]; siehe allgemein Ebenroth/Boujong/Semmler, 5. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 49). Das OLG Hamm hat in einem vergleichbaren Fall – allerdings auf der vom Senat nicht geteilten Basis eines außerordentlichen Kündigungsrechts wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – eine Auslauffrist von sechs Monaten für angemessen erachtet (NJW-RR 1988, 550 [551]).
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Es kann offenbleiben, ob eine Auslauffrist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten war. Vorliegend ist dem Landgericht nämlich beizupflichten, dass die von der Beklagten gewählte Auslauffrist von fünf Monaten jedenfalls ausreicht. Hierzu ist ergänzend anzumerken, dass die Beklagte einen einheitlichen Endtermin für das einzustellende Geschäftsfeld insgesamt und unabhängig von den ordentlichen Kündigungsrechten in 38 …-Verträgen zu bestimmen hatte und der Jahreswechsel, der mit dem Ende des Geschäftsjahres zusammenfiel, schon aus buchhalterischen Gründen ein überaus geeigneter Zeitpunkt hierfür war. Die Interessen der Handelsvertreter wurden nicht zuletzt dadurch gewahrt, dass die Beklagte die Handelsvertreter unstreitig frühzeitig noch im Juni 2020 und damit mehr als sechs Monate vor dem Endtermin informiert hatte und damit ihrer Informationspflicht gem. § 86a Abs. 2 Satz 3 HGB nachgekommen ist.
35
Es war der Bank vor diesem Hintergrund auch nicht zuzumuten, auf den Beendigungstermin einer ordentlichen Kündigung am 31.01.20.. zu warten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die fehlende Zumutbarkeit besonders betrachtet werden muss, wenn das Handelsvertreterverhältnis ohnehin zeitnah ordentlich gekündigt werden könnte (Ebenroth/Boujong/Semmler, 5. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 19). Vorliegend ermöglichte allerdings nur die außerordentliche Kündigung einen Endtermin mit Ablauf des Geschäftsjahres. Die Beklagte für einen längeren Zeitraum als sechs Monate ab der frühzeitigen Information der Handelsvertreter im Juni 20.. an dem unrentablen Geschäftsfeld festzuhalten, war ihr jedoch nicht zumutbar (siehe auch DIS-Schiedsgericht Schiedsspruch vom 17.01.1997, Az. DIS-SV-B 627/96, BB-Beilage 1999, Nr. 11, 13 [17]).
36
3.1.2.4. Die Kündigung wurde auch rechtzeitig erklärt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass insofern § 626 Abs. 2 BGB nicht maßgeblich ist (BGH NJW 1982, 2433). Vielmehr ist nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 314 Abs. 3 BGB eine angemessene Frist zu wahren (Hopt/Hopt, 43. Aufl. 2024, HGB § 89a Rn. 30). Anzustellen ist im Übrigen eine Einzelfallbetrachtung. Dabei fällt auf, dass die Beklagte seit dem Hauptversammlungsbeschluss am 19.06.20.., auf den es, wie das Landgericht erkannt hat, maßgeblich ankommt, bis zum Ausspruch der Kündigung am 28.07.20.. etwas mehr als fünf Wochen hat verstreichen lassen. Diese Frist liegt indes nach Auffassung des Senats wie des Erstgerichts noch im Rahmen einer der Beklagten zuzubilligenden angemessenen Überlegungsfrist, auf welche Weise die Abwicklung des Geschäftsbereichs und der Handelsvertreterverhältnisse rechtlich sachgerecht zu bewältigen sind. Entscheidend ist, dass in der Zwischenzeit keine Unsicherheit über das von der Beklagten ins Auge gefasste Ende des …-Geschäfts entstanden ist. Vielmehr hat die Beklagte die Zeit nach der frühzeitigen Information der … [Handelsvertreter] für das Ausloten von Lösungen zur einvernehmlichen Trennung genutzt. Es wäre nicht sachgerecht, wenn der Kündigende sein Recht zur Kündigung infolge von Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung verlieren würde (vgl. MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 89a Rn. 70). Auch die Klageseite macht nicht geltend, dass sie aufgrund der Zeitdauer zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Kündigungsausspruch davon ausgegangen sei, die Beklagte sei von ihrem Ziel, das Geschäftsfeld zum 31.12.20.. einzustellen, abgerückt.
3.2. Klageantrag 2
37
Zu Recht hat das Landgericht auch den Leistungsantrag (Zahlung von 731.585,46 €) abgewiesen.
38
3.2.1. Ansprüche aus den vertraglichen Vereinbarungen (Anlagen …) sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
39
3.2.2. Ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB besteht nicht.
40
Insofern ist die Klage bereits nicht schlüssig. Denn der Kläger hat (zuletzt) nicht vorgetragen, er sei Handelsvertreter gewesen. Unselbständigen Vermittlern steht dieser Anspruch jedoch nicht zu (Hopt/Hopt, 43. Aufl. 2024, HGB § 89b Rn. 4 m. w. N.).
41
Im Übrigen fehlt es, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, an ausgleichspflichtigen erheblichen Unternehmervorteilen auf Seiten der Beklagten. Der Unternehmer, der aufgrund einer Geschäftsaufgabe keine Kundenbeziehungen mehr unterhält, zieht hieraus keinen Vorteil (BGH NJW 1968, 394; NJW 1959, 1964 [1964 f.]). Dass die Klägerin nicht mit dem Vorwurf gehört werden kann, die Einstellung des Geschäftsbetriebs habe nicht erfolgen dürfen und sei deshalb nicht beachtlich, wurde bereits erörtert (oben Nr. 3.1.2.3.2).
42
Schließlich ergeben sich aus dem vom Kläger für die Beklagte geworbenen Kundenstamm keine Vorteile für der Beklagten verbundene Unternehmen, die mittelbar der Beklagten zuzurechnen wären. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Vorteile von Konzernunternehmen grundsätzlich nicht zur Begründung des Ausgleichanspruchs ausreichen (EuGH, Urt. v. 26.03.2009 – C-348/07, EuZW 2009, 304 Rn. 26 ff.; BGH 1986, 1931 [1932]). Hinzu kommt, dass die Vorteile der Schwestergesellschaften ihrer Eigentätigkeit als Emittentinnen von Anlageprodukten/Versicherungen entspringen. Dies sind qualitativ andere Vorteile als diejenigen, die der Beklagten als vermittelndes/verwahrendes Bankhaus durch die Tätigkeit ihres Vertriebsmittlers bis zur Geschäftseinstellung entstanden sind.
43
3.2.3. Zutreffend hat das Landgericht auch einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten abgelehnt.
44
3.2.3.1. Es ist keine Pflichtverletzung der Beklagten ersichtlich, die zu einem kausalen Schaden geführt hat.
45
3.2.3.1.1. Die Beklagte hat den Kläger entsprechend § 86a Abs. 2 Satz 3 HGB unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, über die beabsichtigte Betriebseinstellung unterrichtet.
46
3.2.3.1.2. Die außerordentliche Kündigung ist rechtmäßig erfolgt. Die Beklagte durfte ihr Geschäft einstellen, ohne gegen ihre Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers zu verstoßen (oben Nr. 3.1.2.3.2).
47
3.2.3.1.3. In diesem Zusammenhang dürften auch die Drosselung des Neugeschäfts und die Einstellung des Geschäftsbetriebs überhaupt im Dezember 20.. zu rechtfertigen sein. Jedenfalls hat es der Kläger unterlassen, in nachprüfbarer Weise einen durch die jeweiligen Schritte verursachten kausalen Schaden vorzutragen.
48
3.2.3.2. Zu den einzelnen vorgetragenen Schadensposten ist ergänzend Folgendes zu bemerken:
49
3.2.3.2.1. Der Kläger benennt unter der Rubrik „Aufwände, Schäden, Risiken“ die extreme Verärgerung und Verunsicherung von Kunden durch die Beendigung des Privatkundengeschäfts sowie namentlich aufgrund einzelner „kundenschädlicher“ Handlungen der Beklagten. Der Kläger trägt insofern schon keinen konkreten Schaden vor (“es ist zu befürchten“) und macht überdies das benannte Volumen 60.597,61 € nicht nachvollziehbar, obwohl das Landgericht dies bereits in dem Hinweis vom … (…) bemängelt hat. Ohnehin lässt der Kläger außer Acht, dass er aufgrund der erfolgten Kündigung ab 01.01.20.. (und nach eigenem Vortrag jedenfalls ab 01.02.20..) keinen Anspruch „auf künftige Bestandsprovisionen“ hat (Nr. 15.7 der Anlage 1 zum FBV).
50
3.2.3.2.2. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten frustrierten Aufwendungen für Werbemittel in Höhe von 5.000 € hat das Landgericht bereits auf die unternehmerische Risikotragung durch den Kläger als Handelsvertreter hingewiesen. Nach dem qualifizierten Bestreiten durch die Beklagte unter Vorlage einer Aufstellung der Werbemitteleinkäufe durch den Kläger (Anlage …) hätte es überdies substantiierten weiteren Vortrages zu den einzelnen betroffenen Werbemitteln bedurft; darauf war der Kläger durch das Landgericht bereits mit Hinweis vom … (…) hingewiesen worden. Hinzu kommt, dass der Kläger ohnehin damit rechnen musste, dass die Beklagte ihn jedenfalls ordentlich mit einer Frist von sechs Monaten kündigen konnte. Deshalb wäre außerdem Vortrag erforderlich, wieso der Kläger das jeweilige noch vorhandene Produkt gerade aufgrund der nur um ca. 1 Monat kürzeren Auslauffrist und der schrittweisen Beendigung der Geschäftstätigkeit der Beklagten im 2. Halbjahr 20.. nicht mehr einsetzen konnte.
51
3.2.3.2.3. Dem Landgericht ist auch zu folgen, soweit es befunden hat, dass der Kläger hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigung des Neugeschäfts nicht hinreichend vorgetragen hat. Es fehlt konkreter Tatsachenvortrag, der dem Beweis zugänglich ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die geltend gemachte Höhe (100.996,02 €) nicht nachvollziehbar dargelegt. Hinzu kommt, dass jedenfalls die notwendigerweise mit der – rechtmäßigen – außerordentlichen Kündigung verbundenen negativen Auswirkungen auf den Abschluss von Neugeschäft hinzunehmen sind.
52
3.2.3.2.4. Den ablehnenden Erwägungen des Landgerichts zu dem geltend gemachten Ersatz für entgangene Dozenten- und Coachingtätigkeit in Höhe von 111.093 € wird beigetreten. Es fehlt an einer vertraglichen Grundlage, nachdem die Zusatzvereinbarung zum Coaching jedenfalls am 01.08.20.. endete (…) und eine Pflicht der Beklagten zur Beauftragung von Schulungen nicht dargetan ist. Hinzu kommt, worauf das Erstgericht am … (…) hingewiesen hatte, dass der Kläger für den Zeitraum August bis Dezember 20.. monatlich 5.000 € auf die Coaching-Vereinbarung erhalten hat.
53
3.2.3.2.5. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Anmietung der Büroräume in St. wären selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn eine Pflichtverletzung der Beklagten vorläge. Bis Dezember 2020 folgt das daraus, dass der Kläger seinerzeit noch für die Beklagte tätig war.
54
Die Tragung der Mietaufwendungen für Januar 2021 unterliegt dem unternehmerischen Risiko des Klägers, nachdem die Kündigung rechtmäßig zum 31.12.20.. erfolgt ist. Überdies dürfte insoweit – wenn man eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach unterstellen wollte – spätestens ab Januar 20.. Kompensation eingetreten sein, nachdem die Räume nach unbestrittenem Beklagtenvortrag durch die [u. a. vom Kläger gegründete] … GmbH genutzt werden.
55
Schließlich fehlt es jedenfalls für die Kosten ab 01.02.20.. an kausaler Verursachung durch die außerordentliche Kündigung, nachdem der Kläger eine ordentliche Kündigung zum 31.01.20.. hätte hinnehmen müssen.
56
3.2.3.2.6. Die geltend gemachten Gründungskosten sind der Höhe nach nicht konkret vorgetragen. Ohnedies unterfallen sie der eigenen unternehmerischen Dispositionsfreiheit des Klägers zur zukünftigen Marktteilnahme und bilden damit, wie das Landgericht erkannt hat, keinen kausalen Schadensposten, selbst wenn man eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach anerkennen wollte.
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3.2.3.2.7. Eine Haftung für einen „Portfoliowert“ in Höhe von 234.304,34 € aus § 280 Abs. 1 BGB ist abwegig.
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3.2.3.2.8. Soweit der Kläger aus den durchschnittlichen Provisionseinnahmen der letzten 12 Monate vor Vetragsbeendigung unter Zuhilfenahme eines in keiner Weise nachvollziehbaren Faktors von 1,50 „wegen Kundenausfallrisiko bzw. entgangene[m] Neugeschäft“ eine Ersatzsumme von 302.988,12 € errechnet, kann dies nach dem Vorstehenden nicht nachvollzogen werden. Überdies sticht die versuchte doppelte Inanspruchnahme der Beklagten bei Addition mit dem behaupteten „Portfoliowert“ ins Auge.
3.3. Klageantrag 3
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Mangels Hauptforderung kann der Kläger auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht beanspruchen.
4. Anschlussberufung
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Nach dem Vorstehenden ist die Bedingung für die hilfsweise eingelegte Anschlussberufung der Beklagten (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 524 Rn. 17) nicht eingetreten.
61
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).