Titel:
Vergütungsanspruch aus einem Kooperationsvertrag zur Ausstrahlung von Hörfunkprogrammen
Normenketten:
BGB § 123 Abs. 1, § 133, § 138 Abs. 2, § 142 Abs. 1, § 143, § 157
ZPO § 529
Leitsätze:
1. Der subjektive Tatbestand des Wuchers setzt die bewusste Ausnutzung einer – auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden – besonderen Schwächesituation beim Bewucherten durch den Wucherer voraus. Eine Ausbeutungsabsicht des Wucherers ist hierfür nicht erforderlich; wohl aber ist es notwendig, dass dieser Kenntnis von dem auffälligen Missverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dabei kann eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale sprechen, wenn objektiv nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festzustellen ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar wird die Vermutung grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Bewucherte selbst das auffällige Missverhältnis verkannt hat. Dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zu einem Vollkaufmann. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Auslegung einer Individualvereinbarung – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütungsanspruch, Kooperationsvertrag, Hörfunkprogramm, Wucher, Zwangslage, Frequenzzuweisung, Zahlungsverzug, subjektiver Tatbestand, Ausbeutungsabsicht, Vollkaufmann, Drohung, Auslegung, Vertragsvereinbarung, Berufungsgericht
Weiterführende Hinweise:
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist bislang nicht bekannt geworden.
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24730
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts […] vom 18.03.2022, Az. […], teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.931,39 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 13.05.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 472,82 € seit 13.05.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 17.06.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 15.07.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 14.830,79 € seit 29.07.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 13.711,98 € seit 29.07.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.08.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.09.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.10.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.11.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.12.2021 und
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.01.2022 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 672,60 € zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der am 15.12.2015 geschlossene Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Kooperation im drahtlosen Hörfunk […] jedenfalls bis 31.12.2023 wirksam war und fortbestand.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/10 und die Beklagte zu 8/10.
III. Dieses und das angefochtene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin beansprucht Vergütung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kooperationsvertrag im Rahmen der Ausstrahlung von Hörfunkprogrammen.
2
Die Beklagte ist lokaler Rundfunkanbieter für den Hörfunk im Bereich […]. Die Klägerin ist ein sogenannter Spartenanbieter. Die Parteien kooperieren bereits langjährig durch Ausstrahlung auf derselben – von der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) zugewiesenen – Frequenz.
3
Die Parteien schlossen am 15.12.2015 einen Kooperationsvertrag; zum Inhalt wird Anlage K 1 in Bezug genommen. Die BLM verlängerte mit Bescheid vom 23.12.2015 die seinerzeit bestehende Genehmigung zugunsten der Parteien zur Verbreitung ihrer Programme; die Verlängerung war bis 31.05.2023 befristet. In Ziff. 7 des Bescheids wurde den Parteien aufgegeben, zur Sicherstellung der Einbringung der Spartenangebote Kooperationsvereinbarungen abzuschließen und der BLM vorzulegen. Zu den weiteren Einzelheiten wird Anlage K 21 in Bezug genommen.
4
Mit Bescheid vom 07.02.2019 hat die BLM die Frequenzzuweisung (u. a.) an die Klägerin und die Beklagte bis zum 30.06.2025 verlängert (Anlagen B4 und A2).
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Auf Antrag der Beklagten erließ die BLM am 03.08.2020 einen Bescheid, in dem sie die Verpflichtung der Beklagten zur Verbreitung des Spartenangebots der Klägerin und zur monatlichen Vergütung vorübergehend bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten durch die BLM aufhob (Anlage K 2). Im weiteren Verlauf ordnete die BLM die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids an.
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Die Klägerin legte gegen den Bescheid Rechtsbehelf ein und erwirkte eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellte (Anlage K 3). Am 22.07.2021 hob die BLM ihren Bescheid vom 03.08.2020 auf, wodurch sich das Hauptsacheverfahren zu Gunsten der Klägerin erledigte (Anlage K 4).
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Seit Erlass des Bescheids vom 03.08.2020 und trotz dessen Aufhebung bezahlte die Beklagte seitdem die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht; teilweise strahlte sie die Sendungen der Klägerin nicht aus. Die Klägerin übermittelte die Sendungen jeweils an die Beklagte und bot sie ihr tatsächlich an. Die Klägerin vermarktete zu keiner Zeit die Sendezeiten selbst und trat nicht als Konkurrentin am Werbemarkt auf.
8
Zweitinstanzlich wurde – unstreitig – vorgetragen, dass die Klägerin mit Schriftsatz zum LG […] vom 31.10.2024 neue Klage gegen die Beklagte erhoben hat (Az. […]). Darin fordert sie Vergütung aus dem Kooperationsvertrag für die Monate Januar bis März 2024 und beantragt weiter die Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kooperationsvertrag vom 15.12.2015 bis zum 30.06.2025 fortbesteht. Eine abschließende Entscheidung hat das LG […] bislang nicht getroffen.
9
Die Klägerin ist der Auffassung, die geltend gemachte Vergütung, die der Höhe nach unstreitig ist, stehe ihr aufgrund des Kooperationsvertrages zu. Sie hat erstinstanzlich die Vergütungen bis einschließlich Januar 2022 geltend gemacht und zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.931,39 € zuzüglich der jeweils geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 13.05.2021
aus einem Betrag in Höhe von 472,82 € seit 13.05.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 17.06.2021,
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 15.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 14.830,79 € seit 29.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 13.711,98 € seit 29.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.08.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.09.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.10.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.11.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.12.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 € seit 16.01.2022
2. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39 € zu erstatten.
3. Es wird festgestellt, dass der am 15.12.2015 geschlossene Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Kooperation im drahtlosen Hörfunk […] nicht nichtig ist und fortbesteht.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie meint, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag wegen Wuchers nichtig sei und sie deshalb auch das eingeklagte Entgelt nicht schulde. Hierzu hat sie erstinstanzlich umfangreich – auch in nicht nachgelassenem Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung – vorgetragen. Sie macht geltend, es sei nicht Aufgabe der BLM, die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung eines Vertrages zu prüfen. Auch sei nicht einzusehen, dass die Beklagte überhaupt irgendwelche Beträge an die Klägerin zahlen solle; die Klägerin müsse sich wie die Beklagte selbst finanzieren. Im Übrigen werde die Vergütung laut Vertrag ausschließlich für die Werbezeit bezahlt. Die Beklagte behauptet, das Programm der Klägerin sei so unattraktiv, dass keine Werbekunden gefunden werden könnten. Jedenfalls sei die vereinbarte Vergütung stark überhöht und stehe in einem auffälligen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung. Die Beklagte trägt weiter vor, sie habe sich bei Vertragsabschluss in einer Zwangslage befunden, da ihr von der BLM mitgeteilt worden sei, dass sie, wenn sie einen Vergütungsbetrag von rund 3.000 € nicht akzeptieren würde, bei der Neuausschreibungen bezüglich der Frequenzzuteilung nicht berücksichtigt und ihr möglicherweise keine UKW-Frequenz mehr zugeteilt werden würde. Die Klägerin habe die Zwangslage der Beklagten auch subjektiv ausgenutzt und diese ausgebeutet, weil sie Kenntnis von dem Missverhältnis und der Zwangslage der Beklagten gehabt habe. Die früheren, eine konkrete Vergütungszahlungsverpflichtung beinhaltenden Bescheide der BLM seien rechtswidrig gewesen.
11
Das Landgericht hat am 16.02.2022 mündlich verhandelt und den Zeugen […] uneidlich vernommen.
12
Das Landgericht hat der Klage mit dem Endurteil vom 18.03.2022, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, vollumfänglich stattgegeben. Der Klägerin stehe die geltend gemachte Vergütung aus dem Kooperationsvertrag zu, der nicht wegen Wuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig sei. Es fehle bereits am objektiven Wuchertatbestand. Bei dem hierzu gebotenen Vergleich von Leistung und Gegenleistung sei nicht nur auf die seitens der Klägerin pro Monat zu Verfügung gestellte vermarktbare Werbezeit abzustellen, sondern in Rechnung zu stellen, dass die Beklagte aus medienrechtlichen Gründen auf die Zulieferung des Spartenprogramms der Klägerin angewiesen sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte auch in der Vergangenheit bereits Vergütung in ähnlicher, teilweise sogar größerer Höhe geleistet habe und beide Parteien von der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung profitiert hätten. Der Prozessvortrag der Beklagten zur Unangemessenheit der Vergütung sei unbeachtlich, zumal die Beklagte die in der Vergangenheit durch die BLM festgesetzten Beträge nicht mit Rechtsmittel angegriffen oder sonst zur Überprüfung gestellt hat; damit habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Beträge angemessen sind. Der Vortrag der Beklagten zum Gesamtpaket der wechselseitigen Leistungen sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und damit verspätet erfolgt. Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten zu den vermarktbaren Werbezeiten zugrunde legen würde, ergebe dies kein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung von über 100%. Schließlich liege eine Zwangslage fern; die Parteien hätten sich entschieden, gemeinsam positive Umstände für die zu treffende hoheitliche Ermessensentscheidung über die Verlängerung zu schaffen; das sei nicht vom Regelungsgehalt des § 138 BGB umfasst.
13
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen einschließlich des Vortrags im nicht nachgelassenen Schriftsatz. Insbesondere rügt sie die landgerichtliche Würdigung der Voraussetzungen des Wuchertatbestands. Die Vergütung sei lediglich Gegenleistung für die Überlassung von Werbezeiten und stehe in einem besonders auffälligen Missverhältnis zu der von der Klägerin geschuldeten Leistung. Die Erwägungen des Landgerichts zu einer Pflicht des Hauptanbieters zur Finanzierung des Spartenanbieters und zum objektiven Missverhältnis seien nicht haltbar. Der Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz sei nicht verspätet gewesen, weil die Vorsitzende die Berücksichtigung telefonisch zugesagt habe. Die BLM habe die Beklagte durch Androhung einer Neuausschreibung in eine Zwangslage gesetzt. Eine Neuausschreibung hätte nur für die Beklagte, nicht aber für die Klägerin ein Risiko dargestellt.
14
Hinsichtlich des Feststellungsantrags bestehe mit Blick auf das Verfahren beim LG […] mit Az. […] doppelte Rechtshängigkeit. Die hiesige Klage seit zumindest hinsichtlich des Feststellungsantrags über den 31.12.2023 hinaus unbegründet, weil der Kooperationsvertrag, wenn er nicht nichtig sei, gem. Nr. 8 des Kooperationsvertrags jedenfalls zu diesem Datum geendet habe.
15
Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts […], Az. […], verkündet am 18.03.2022, wird dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
16
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Nach teilweiser Rücknahme des Klageantrags zu Ziff. 1 und Umformulierung des Antrags in Ziff. 2 verfolgt sie zuletzt folgende Klageanträge:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.931,39 Euro inklusive der jeweils geltenden Mehrwertsteuer nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 13.05.2021
aus einem Betrag in Höhe von 472,82 Euro seit 13.05.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 17.06.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 15.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 14.830,79 Euro seit 29.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 13.711,98 Euro seit 29.07.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.08.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.09.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.10.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.11.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.12.2021
aus einem Betrag in Höhe von 3.546,20 Euro seit 16.01.2022
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 800,39 Euro zu erstatten.
3. Es wird festgestellt, dass der am 15.12.2015 geschlossene Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Kooperation im drahtlosen Hörfunk […] nicht nichtig ist und zumindest bis 31.12.2023 fortbestand.
17
Sie wiederholt und vertieft zur Verteidigung des Ersturteils ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Kooperationsvertrag bis 30.06.2025 laufe.
18
Der Senat hat am 02.05.2024 mündlich verhandelt. Den Parteien sind in der Ladungsverfügung vom 21.02.2024 (Bl. 264/270 d. A.), in der mündlichen Verhandlung und mit Beschlüssen vom 12.06.2024 (Bl. 291/293 d. A.) sowie vom 03.07.2024 (Bl. 298/301 d. A.) Hinweise erteilt worden. Mit Zustimmung der Parteien hat der Senat am 18.07.2024 den Übergang in das schriftliche Verfahren beschlossen (Bl. 305/307 d. A.).
19
Ergänzend werden sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle in Bezug genommen.
20
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
21
1. Zu entscheiden ist über die zuletzt gestellten Anträge (Schriftsatz vom 26.06.2024, Bl. 296/297 d. A.). Die darin liegenden Klagebeschränkungen sind gem. § 264 Nr. 2 jederzeit auch in der Berufungsinstanz zulässig. Dies entspricht für die Neufassung des Feststellungsantrags zu Ziff. 3 der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Punktualisierung der allgemeinen Feststellungsklage im Arbeitsrecht (BAG NJW 2022, 2428 Rn. 17, 19). Die ggf. entsprechend § 269 Abs. 1 ZPO erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt ausdrücklich in Gestalt der Schriftsätze vom 05.06.2024 und vom 08.07.2024 vor; die Zustimmung kann auch vor der Erklärung der Klagerücknahme erteilt werden (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 269 Rn. 15).
22
2. Soweit die Klage nicht beschränkt wurde, hat das Landgericht die Beklagte hinsichtlich des Zahlungsantrags zu Ziff. 1 zu Recht verurteilt.
23
2.1. Der Zahlungsanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus Nr. 7 des Kooperationsvertrags.
24
2.1.1. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Kooperationsvertrag vom 15.12.2015 (Anlage K 1) wirksam ist und im Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils fortbestand.
25
2.1.1.1. Der von Amts wegen zu berücksichtigende Wuchereinwand (§ 138 Abs. 2 BGB) greift nicht durch.
26
Offenbleiben kann insofern, ob das von Beklagtenseite behauptete auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Eine Beweisaufnahme war hierzu nicht geboten.
27
Denn jedenfalls ist der subjektive Tatbestand des Wuchers nicht erfüllt. Voraussetzung ist die bewusste Ausnutzung einer – auf einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, dem Mangel im Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche beruhenden – besonderen Schwächesituation beim Bewucherten durch den Wucherer. Eine Ausbeutungsabsicht des Wucherers ist hierfür nicht erforderlich; wohl aber ist es notwendig, dass dieser Kenntnis von dem auffälligen Missverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (vgl. BGH NJW 2017, 2403 Rn. 13; NJW-RR 2011, 880 Rn. 9 f. m. w. N.). Wie bei § 138 Abs. 1 BGB kann eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale sprechen, wenn objektiv nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festzustellen ist (BGH NJW-RR 1990, 1199; NJW 1994, 1475; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, § 138 Rn. 215). Diese tatsächliche Vermutung kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (BGH NJW 2001, 1127 [1129]; NJW 2007, 2841 [2842]).
28
Nach diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend, selbst wenn man den Vortrag der Beklagten zu einem besonders auffälligen Missverhältnis als zutreffend unterstellt, an der Basis für die tatsächliche Vermutung und damit an einem Nachweis für den subjektiven Tatbestand. Der Beklagten ist der Nachweis der subjektiven Voraussetzungen insbesondere betreffend ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung angesichts der Eigenbekundung in Anlage K5 nicht gelungen.
29
Denn bei Vertragsschluss ging auch die Beklagte selbst nicht von einem auffälligen – geschweige denn von einem besonders auffälligen – Missverhältnis aus. Insofern erschüttert das eigene Handeln der Beklagten die Grundlagen für die tatsächliche Vermutung. Der Geschäftsführer der Beklagten selbst hat in seinem Schreiben vom 13.05.2021 (Anlage K5) festgehalten, dass aus seiner Sicht beide Vertragsparteien bei Abschluss des Kooperationsvertrags von der Ausgewogenheit der getroffenen Vereinbarung ausgegangen seien. Auch wenn die Beklagte nunmehr geltend macht, die Äußerung sei seinerzeit „unter der Motivation“ geäußert worden, das damals verfolgte Ziel einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu stützen, fehlt es mit Blick auf das Schreiben vom 13.05.2021 gleichwohl an einer sicheren Anknüpfungsbasis für ein Ausnutzen der Zwangslage. Der Senat kann sich nicht überzeugen, dass die seinerzeitige Einschätzung der Beklagten tatsächlich bewusst falsch dargestellt wurde. Jedenfalls ist damit die Basis für die tatsächliche Vermutung erschüttert im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung. Es gibt keinen validen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin oder die für die BLM Handelnden klüger sein mussten als die Beklagte selbst. Die beste Erkenntnisquelle zu den erzielbaren Werbeeinnahmen steht der Beklagten selbst zur Verfügung.
30
Zwar wird die Vermutung grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Bewucherte selbst das auffällige Missverhältnis verkannt hat. Dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zu einem Vollkaufmann. Zur parallelen Fragestellung der Vermutung einer verwerflichen Gesinnung im Rahmen eines wucherähnlichen Geschäfts im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB hat der BGH entschieden, dass bei einem Geschäft zum Nachteil eines Vollkaufmanns umgekehrt in aller Regel eine widerlegliche Vermutung gegen ein verwerfliches Ausnutzen bestehe (BGH NJW 2003, 2230 [2231]; siehe auch BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 38). Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte gem. § 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG Vollkaufmann (BeckOK HGB/Schwartze, 40. Ed. 01.07.2023, HGB § 6 Rn. 4) und überdies seit vielen Jahren – im Austausch mit der Klägerin – im Geschäft ist, fehlt hier jeglicher Anknüpfungspunkt für eine tatsächliche Vermutung, dass eine geschäftliche Unerfahrenheit, die zu einer Fehleinschätzung geführt hätte, ausgenutzt worden sein könnte.
31
2.1.1.2. Der Vertrag ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig. Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv besonders grob, kann dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten rechtfertigen (vgl. BGH NJW 2017, 2403 Rn. 15; NJW-RR 2017, 377 Rn. 18; NJW-RR 2016, 692 Rn. 6; NJW 2013, 1950 Rn. 21 je m. w. N.). Auch insoweit fehlt es indes aus den vorgenannten Gründen an der Grundlage für diese tatsächliche Vermutung. Die Voraussetzungen für ein wucherähnliches Geschäft sind damit nicht nachgewiesen.
32
2.1.1.3. Der Vertrag ist schließlich nicht aufgrund einer Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nichtig gem. §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB.
33
2.1.1.3.1. Dabei kann offenbleiben, ob eine wirksame Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 BGB vorliegt, obwohl die Beklagte sich im Rechtsstreit nicht explizit darauf beruft. Immerhin macht sie in der Klageerwiderung geltend, sie sei vor Vertragsschluss durch die BLM unter Druck gesetzt worden.
34
2.1.1.3.2. Jedenfalls ist eine widerrechtliche Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB nicht nachgewiesen.
35
Eine Drohung ist das vorsätzliche Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Verwirklichung der Drohende Einfluss zu haben vorgibt, um damit auf die Willensentscheidung des Bedrohten einzuwirken. Dabei kann auch eine Drohung eines Dritten zur Anfechtbarkeit einer Willenserklärung führen, selbst wenn der Erklärungsgegner von der Drohung nichts wusste oder wissen konnte (argumentum e contrario aus § 123 Abs. 2 BGB; Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 123 Rn. 18). Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus dem eingesetzten Drohmittel, aus dem erstrebten Zweck oder einer Zweck-Mittel-Relation ergeben, wenn zwar Mittel und Zweck für sich betrachtet nicht anstößig sind, aber die Benutzung dieses Mittels zu diesem Zweck gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden oder gegen Treu und Glauben verstößt (BGH NJW 2005, 2766 [2772]; Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 123 Rn. 15, 21).
36
2.1.1.3.2.1. Vor diesem Maßstab wäre es als widerrechtliche Drohung zu begreifen, wenn der Beklagten vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung mit der Klägerin durch BLM-Repräsentanten mitgeteilt worden wäre, dass sie, wenn sie den Kooperationsvertrag mit der Klägerin unter Einschluss der letztlich vereinbarten Vergütungskonditionen und insbesondere mit dem „Betrag von ca. 3.000, – € monatlich“ nicht abschließe oder sich verwaltungsgerichtlich zur Wehr setze, in einer anschließenden Ausschreibung nicht zum Zuge kommen werde. Denn damit würde grob ermessenswidriges Verwaltungshandeln in Aussicht gestellt.
37
Diese Tatsachen sind indes nicht nachgewiesen im Sinne des § 286 ZPO. Der Zeuge […] hat eine solche Aussage nicht bestätigt. Vielmehr hat er als maßgebliche Äußerung des BLM-Mitarbeiters […] (lediglich) berichtet: „Bei diesen Gesprächen sagte Herr […] zu mir, dass wenn sich Radio Regenbogen nicht mit der Bayernwelle einigen würde, es zu Neuausschreibungen kommen würde, bei denen unter Umständen die Bayernwelle nicht mehr berücksichtigt werden könnte.“ (Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 16.02.2022, S. 3 – Bl. 101 d. A.). Die vom Zeugen berichtete Äußerung des BLM-Mitarbeiters ist keineswegs zwingend oder auch nur naheliegenderweise so zu verstehen, dass die Beklagte in einer Ausschreibung chancenlos sein werde. Näher liegt, dass der BLM-Mitarbeiter auf die üblichen Chancen und Risiken einer öffentlichen Ausschreibung hingewiesen hat.
38
Ein Nachweis ergibt sich auch nicht aus objektiven Beweismitteln und namentlich nicht aus dem Vortrag zu den Anlagen K 19a, K 19b, K 21 und B 9, der wegen § 296a ZPO erstinstanzlich nicht Verfahrensstoff war, aber einer Berufungsentscheidung – weil unstreitig – zugrundezulegen ist. Aus den Anlagen K 19a, K19b und K 21 ergibt sich, dass die BLM einen „Vorschlag“ für eine Vereinbarung der Parteien gemacht hat, der offenbar auch Vergütungskonditionen enthielt, die aber einer privatautonomen Verhandlung und Vereinbarung der Parteien, insbesondere auch zur Frage der Vergütungshöhe vorbehalten waren. Ein Diktat der BLM hinsichtlich der Vergütungshöhe ist diesen Unterlagen gerade nicht zu entnehmen.
39
Das Zitat aus dem Protokoll zur 30. Sitzung des Medienrats der BLM am 15.07.2021 (Anlage B 9; Schriftsatz vom 04.03.2022, S. 13 – Bl. 134 d. A.) ist geeignet als Beweisanzeichen, dass die BLM es seinerzeit als ihre Aufgabe begriffen hat, sich im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung für die finanziellen Interessen der Klägerin einzusetzen, erbringt aber keinen Nachweis für die konkrete Behauptung, die BLM habe der Beklagten angedroht, dass letztere in einer Ausschreibung keinesfalls zum Zuge zu kommen werde, wenn nicht eine Vergütung in Höhe von ca. 3.000 € vereinbart werde.
40
Der Antrag auf Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten (Klageerwiderung, S. 7/Bl. 36 d. A.) ist nicht auf die konkreten Tatsachenbehauptungen (Vorgaben der BLM zur Vergütung; Ankündigung, dass jedenfalls kein Erfolg im Falle der Ausschreibung) bezogen. Jedenfalls liegen ohne Zustimmung des Gegners die Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme nicht vor (§§ 447, 448 ZPO).
41
2.1.1.3.2.2. Der Senat ist zwar überzeugt, dass die BLM sich im Vorfeld der Kooperationsvereinbarung von 15.12.2015 aktiv für den Abschluss der Kooperationsvereinbarung zwischen den Parteien eingesetzt und insoweit jedenfalls in Aussicht gestellt hat, dass bei rechtzeitigem Abschluss einer Vereinbarung eine Verlängerung der Frequenzzuteilung ohne Ausschreibung erfolgen kann und ohne Einigung eine Ausschreibung erfolgen wird, bei der nicht sicher prognostiziert werden kann, ob die Beklagte zum Zuge kommen wird.
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Dieses Verhalten erfüllt indes nicht den Tatbestand einer widerrechtlichen Drohung.
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Es ist bereits fraglich, ob mit der Ankündigung, dass eine Verlängerung bei Einvernehmen zwischen den Parteien erfolgen kann und dass ansonsten eine Ausschreibung erfolgen wird, überhaupt ein Übel in Aussicht gestellt wird. Denkbar wäre auch die Interpretation, dass damit lediglich der rechtliche Rahmen dargelegt wird, innerhalb dessen sich die Beteiligten bewegten (siehe insbesondere Art. 25 Abs. 4, 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BayMG in der Fassung von Dezember 2015 in Verbindung mit § 10 Abs. 3 und 4 der Hörfunksatzung).
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Jedenfalls aber erweist sich diese Aussage nicht als widerrechtliche Drohung. Sowohl das eingesetzte Mittel (Ankündigung, dass eine Ausschreibung durchgeführt wird) als auch der verfolgte Zweck (Einigung der Parteien, um die Voraussetzungen für die Verlängerung zu schaffen) sind legal. Auch hinsichtlich der Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation ergeben sich keine grundsätzlichen Bedenken.
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Nichts anderes folgt daraus, dass sich die BLM in diesem Zusammenhang für die Vereinbarung einer Vergütung zwischen den Parteien eingesetzt hat. Auch wenn die BLM von einem zu weit gefassten Aufgabenbereich ausgegangen sein sollte und – was hier dahinstehen kann – die Frage der Vergütung zwischen den Anbietern nicht in ihren Kompetenzbereich fiel, liegt fern, dass ihr Tätigwerden im konkreten Fall gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hätte. Insofern ist maßgeblich, dass die BLM lediglich einen Vorschlag gemacht hat, über den die Parteien sodann – wie die Anlagen K 19a, K 19b und K 21 aufzeigen – privatautonom verhandelt haben. Es ist – auch unter Berücksichtigung von Anlage B9 – nicht erkennbar, dass die BLM eine Einigung der Parteien auf eine (wesentlich) geringere Vergütung oder ohne Vergütung nicht akzeptiert hätte. Soweit sich freilich aus ungünstigeren Konditionen Bedenken der BLM gegen die finanzielle Tragfähigkeit des Angebots der Klägerin ergeben haben würden und deshalb eine Verlängerung des damaligen Status quo nicht in Betracht gekommen wäre, wäre das eine Folge der gesetzlichen Vorgaben und damit Teil des allgemeinen Lebensrisikos der Beklagten gewesen.
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2.1.2. Wie das Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Zahlungsanspruch auch insoweit geschuldet wird, als die Beklagte Beiträge der Klägerin nicht gesendet hat, und dass der Bescheid der BLM vom 03.08.2020 keine Auswirkung auf den Vergütungsanspruch hatte.
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Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Kooperationsvereinbarung. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Auslegung einer Individualvereinbarung – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt (BGH NJW 2004, 2751; FamRZ 2010, 459). Erachtet das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für vertretbar, aber nicht für sachlich überzeugend, kann es selbst die Auslegung vornehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten erachtet.
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Nach §§ 133, 157 BGB sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH GRUR 2021, 721 Rn. 19). Auszugehen hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung; überdies sind die Begleitumstände und insbesondere die bestehende Interessenlage in den Blick zu nehmen. Dabei ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (BGH NJW-RR 1996, 1458). Sind sich die Beteiligten trotz anders lautender oder gar falscher Ausdrucksweise über den von ihnen gewollten Sinn einig, geht das von ihnen übereinstimmend Gewollte jeder anderweitigen Interpretation und sogar einem eindeutig anderen Wortlaut der Erklärung vor (ebenda).
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Hiernach ist die vertraglich vereinbarte Vergütung nach dem klaren Wortlaut von Nr. 7 und mit Blick auf Nr. 2 des Kooperationsvertrags als Gegenleistung für die Überlassung der Werbezeiten geschuldet, nicht für die Überlassung oder Ausstrahlung der klägerischen Programmsendungen oder andere Aspekte. Diese Überlassung erfolgte während der gesamten Zeit. Dass die Vergütung auch für das Zurverfügungstellen von Hörfunkprogrammen und für unterlassene Konkurrenz bei der Frequenzzuteilung gewährt werden sollte, findet keinen Anhaltspunkt im Vertragstext. Ohnehin ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Klägerin überhaupt in der Lage wäre, als Vollanbieter aufzutreten. Selbst wenn sich die Aussichten beider Parteien durch eine Kooperation verbessert haben mögen (siehe zu den Auswahlgrundsätzen bei einer Ausschreibung § 8 Abs. 2 Nr. 7 der Hörfunksatzung), so lässt sich dem abweichenden Wortlaut der Vereinbarung nicht der Wille zu einer stillschweigenden Vergütung der Klägerin für ihr Wohlverhalten in der Bewerbungsphase entnehmen.
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Der Beklagten war es unstreitig während der gesamten Zeit möglich, die Werbezeit in den der Klägerin zustehenden Sendezeiten zu vermarkten.
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2.2. Der Zinsanspruch war wie beantragt zuzusprechen. Er ergibt sich aus den § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 und 2 BGB und steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
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3. Die Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht weitgehend zu Recht unter dem rechtlichen Aspekt des Verzugsschadens zugesprochen. Allerdings geht der Senat davon aus, dass die Klägerin, die auf ihren Rechnungen gegenüber der Beklagten die Umsatzsteuer gesondert ausweist, vorsteuerabzugsberechtigt ist. Diese Vorsteuerabzugsberechtigung (127,79 €) muss sie sich schadensmindernd anrechnen lassen. Die Klage war insoweit abzuweisen.
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4. Der Feststellungsantrag ist in der zuletzt gestellten Form (siehe oben Nr. 1) zulässig und begründet.
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4.1. Dem Antrag steht nicht die Rechtshängigkeit im Verfahren vor dem LG Traunstein Az. 2 HK O 2429/23 entgegen gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Es ergibt sich nach der Antragsumstellung schon keine Überschneidung der Streitgegenstände mehr, sodass es auf die Reihenfolge der Rechtshängigkeit nicht mehr ankommt. Der Streitgegenstand im o. g. Verfahren vor dem LG Traunstein Az. 2 HK O 2429/23 ist von der Klagepartei auf den Fortbestand des Kooperationsvertrages über den 31.12.2023 hinaus bestimmt worden, wie eine Auslegung des dortigen Klageantrags im Lichte der Klagebegründung (siehe hierzu S. 34 der Klageschrift vom 31.10.2023, Anlage zum Schriftsatz vom 18.04.2024) ergibt.
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4.2. Die Klägerin hat aufgrund des fortwährenden Streits zwischen den Parteien über die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der rechtskräftigen Feststellung der Vertragswirksamkeit. Sie war im Zeitpunkt der Klageerhebung für zukünftige Zeiträume nicht auf eine Klage auf zukünftige Leistung zu verweisen. Die Voraussetzungen für die §§ 257 f. ZPO liegen nicht vor. Dass im Zeitpunkt der Klageerhebung womöglich eine Klage auf künftige Leistung gem. § 259 ZPO hätte erhoben werden können, steht nach zutreffender h. M. einer Feststellungsklage nicht entgegen (NJW 2015, 873 Rn. 34 m. w. N.). Schließlich ist in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass eine ursprünglich in zulässiger Weise erhobene Feststellungsklage nicht dadurch unzulässig wird, dass im Verlauf des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten und es der Klagepartei nachträglich möglich wird, zu einer Leistungsklage überzugehen (BGH NVwZ 2014, 962 Rn. 15 m. w. N.).
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4.3. Nach dem Vorstehenden ist der Antrag auch begründet, weil der Vertrag nicht von Anfang an nichtig und bis 31.12.2023 wirksam war.
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5. Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren aus § 92 Abs. 1, 97, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO und für die erste Instanz aus § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
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6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO (hinsichtlich der Vollstreckung durch die Klägerin) bzw. mit § 713 ZPO (hinsichtlich der Vollstreckung durch die Beklagte). [… zu einem nicht veröffentlichten Beschluss betreffend die Art der Sicherheitsleistung gem. § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO]
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7. Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.