Titel:
Kein Unterhaltsbeitrag in Höhe des vollen Witwengeldes als freiwillige Leistung nach § 51 Abs. 2 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung für Zeiten, die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs berücksichtigt sind
Normenketten:
Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung § 46
Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung § 51
Schlagwort:
Kein Unterhaltsbeitrag in Höhe des vollen Witwengeldes als freiwillige Leistung nach § 51 Abs. 2 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung für Zeiten, die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs berücksichtigt sind
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24703
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des vollen Witwengeldes für die Zukunft und für die Vergangenheit.
2
Die Klägerin ist die Witwe des Herrn …, verstorben am … 2012. Dieser war Mitglied der bayerischen Ärzteversorgung seit 1976 und bezog seit … 2009 ein Ruhegeld bei dauernder Berufsunfähigkeit (Eintritt der dauernden Berufsunfähigkeit am … 2008). Die Klägerin und Herr … führten im Zeitraum von 1993 – 2000 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und heirateten am … 2000. Die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – … vom … Oktober 2006 geschieden. Es wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, in dem zu Lasten der Versorgung von Herrn … bei der Bayerischen Ärzteversorgung auf dem Versichertenkonto der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften von monatlich 95,67 EUR, bezogen auf den … Mai 2006 begründet wurden. Am … November 2011 heirateten die Klägerin und … erneut.
3
Mit am 4. Mai 2012 unterschriebenem Formblatt stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Hinterbliebenenversorgung.
4
Laut Bestätigung der Meldebehörde der Stadt … vom 14. Mai 2012 bestand zwischen der Klägerin und … seit 16. Juli 2008 eine häusliche Gemeinschaft. … versicherte vor dem Notar … am 1. März 2012 an Eides Statt, dass die Klägerin dessen Haushalt seit Frühjahr 2007 geführt habe. Handschriftlich ist auf der Urkunde noch Folgendes vermerkt: „Ich habe mit meiner Ehefrau … bereits von 1993 bis einschließlich Sommer 2006 einen gemeinsamen Haushalt geführt.“ Laut ergänzendem Schreiben des Notars … vom 14. Mai 2022 habe er diese Ergänzung in die Urkunde auf Wunsch von … vorgenommen, der die Urkunde anschließend unterschrieben habe (Blatt 405 der Behördenakte).
5
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Mai 2012 mit, dass sich aus der Meldebescheinigung nur eine Haushaltsführung seit 16. Juli 2008 ergebe und somit weniger als 5 Jahre. Um zu prüfen, ob freiwillige Leistungen in Höhe des halben Witwengeldes gewährt werden können, müsse die Haushaltsführung durch eidesstattliche Versicherungen Dritter nachgewiesen werden. Die von … am 1. März 2012 in eigener Sache abgegebene eidesstattliche Versicherung sei als Nachweis nicht ausreichend.
6
Die Klägerin legte daraufhin eine Bestätigung der A.-Versicherung vor, dass sie seit dem 1. März 2001 durchgehend bei ihrem Ehemann krankenversichert gewesen sei. Zudem überreichte die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung von …, dass sie seit dem Frühjahr 2007 den gemeinsamen Haushalt ununterbrochen geführt habe. Dieses Datum wurde an Eides Statt auch von Frau … versichert. Mit weiteren eidesstattlichen Versicherungen wurde das Datum 16. Februar 2007 versichert.
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Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin freiwillige Unterhaltszahlungen in Höhe des halben Witwengeldes (549,20 EUR).
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Mit Schreiben vom 25. April 2022 ließ die Klägerin über ihren Bevollmächtigten nachfragen, ob es sich bei den Zahlungen um den freiwilligen Unterhaltsbetrag in Höhe des vollen Witwengeldes nach § 51 Abs. 2 der Satzung der Beklagten handele. Die Klägerin ließ mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 9. Mai 2022 beantragen, die „volle Witwenrente“ zu zahlen. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass im Zeitraum von 1993 bis 2000 … und die Klägerin eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt hätten und die Klägerin den Haushalt des … geführt habe. Die Tochter … (aus einer früheren Beziehung der Klägerin) habe zusammen mit ihrer Mutter bei … gelebt.
9
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2022 mit, dass mit bestandskräftigem Bescheid nur ein freiwilliger Unterhaltsbetrag in Höhe des halben Witwengeldes gewährt worden sei. Die Bestandskraft des Bescheids stehe entgegen, Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozessordnung (ZPO) lägen nicht vor. Zudem liege eine ununterbrochene Haushaltsführung von 15 Jahren nicht vor. Ausweislich des Endurteils endete die Ehezeit am 31. Mai 2006, weswegen die häusliche Gemeinschaft ein Jahr vorher im Mai 2005 aufgehoben worden sei (§ 1566 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Die häusliche Gemeinschaft sei daher für fast zwei Jahre unterbrochen gewesen. Die Klägerin beziehe aus der ersten Ehezeit Rentenanwartschaften, weshalb diese Zeiten nicht erneut im Rahmen des Unterhaltsbeitrags berücksichtigt werden könnten. Zudem berief sich die Beklagte für die Zeiten vom 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2016 auf Verjährung.
10
Mit Schreiben vom 8. Juni 2022 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin abermals Zahlung von freiwilligen Unterhaltsleistungen in Höhe des vollen Witwengeldes ab dem 1. Januar 2017.
11
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 15. Juni 2022. Auf beide Schreiben wird Bezug genommen.
12
Mit Bescheid vom 16. August 2022 (zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 18. August 2022) lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines freiwilligen Unterhaltsbeitrags in Höhe des vollen Witwengeldes ab. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sowohl nach der alten Fassung als auch nach der neuen Fassung des § 51 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung ein Anspruch auf einen freiwilligen Unterhaltsbeitrag in Höhe des vollen Witwengeldes nicht bestehe. Die Haushaltsführung sei bereits nach dem eigenen Vortrag des Bevollmächtigten für mindestens 3,5 Monate unterbrochen gewesen. Nach Ansicht der Beklagten liege eine Unterbrechung von fast 2 Jahren vor (vgl. Argumentation des Schreibens vom 1. Juni 2022). Das Tatbestandsmerkmal ununterbrochen stünde nicht im Ermessen der Beklagten. Zudem seien Rentenanwartschaften für die erste Ehezeit begründet worden. Diese Zeiten könnten somit nicht erneut berücksichtigt werden. Ein Nachweis der 15 Jahre durch Melderegisterauskunft sei nicht erfolgt. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
13
Die Klägerin ließ mit Schreiben vom 30. August 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 31. August 2022, Klage erheben mit dem Antrag:
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 5. Juli 2012 ab dem 1. Januar 2017*und ihres Bescheids vom 16. August 2022 verurteilt, an die Klägerin ab September 2022 einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe des vollen Witwengeldes in Höhe von jeweils 1.231,42 EUR zu zahlen, dies unter Einbeziehung des aktuellen Unterhaltsbetrags in Höhe des halben Witwengeldes in Höhe von jeweils 615,73 EUR.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 5. Juli 2012 ab dem 1. Januar 2017 und ihres Bescheids vom 16. August 2022 verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2017 bis einschließlich 31. August 2022 an Rückstand an freiwilligen Unterhaltszahlungen in Höhe des vollen Witwengeldes abzüglich von freiwilligen Unterhaltszahlungen in Höhe des halben Witwengeldes in Höhe von 40.576,68 EUR zu zahlen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin Herrn … durch die Trennung nur einen „Denkzettel“ habe verpassen wollen. Die Beziehung sei zu diesem Zeitpunkt nicht gescheitert gewesen. Die tatsächliche Beziehungspause habe nur wenige Wochen, geschätzt sechs, betragen. Sie sei während dieser Zeit ständig mit ihm in Kontakt gewesen, habe mit ihm viel unternommen und den Haushalt fortgeführt; es habe sich um eine „Wiederfindungsphase“ gehandelt. Die Klägerin sei trotz der Scheidung am 16. Februar 2007 wieder bei Herrn … eingezogen und habe dessen Haushalt geführt. Zwischen der Ehescheidung und der vollständigen Wiederaufnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und Haushaltswiederführung seien somit nur 3,5 Monate vergangen. Als bei … im Frühjahr 2007 eine Krebserkrankung festgestellt worden sei, habe die Klägerin ihn durch diese Krankheit begleitet, ihn zu sämtlichen Arztterminen, Untersuchungen und Behandlungen mitgenommen, sei immer für ihn da gewesen, auch wenn es ihm schlecht gegangen sei und habe ihn, als sein Gesundheitszustand sich verschlechterte, auch gepflegt.
15
Den Bescheid vom 5. Juli 2012 habe die Klägerin nicht erhalten. Die Klägerin habe zwar monatliche Zahlungen in Höhe von zunächst 577,21 EUR und dann in Höhe von 615,73 EUR registriert, habe aber gedacht, dass es sich um das volle Witwengeld gehandelt habe. Erst zu Beginn des Jahres 2022 hätten Dritte ihr mitgeteilt, dass es sich nicht um das volle Witwengeld handeln könne, weswegen sie sich mit Schreiben vom 25. April 2022 an die Beklagte gewandt habe. Den Bescheid vom 5. Juli 2012 habe die Beklagte bis heute nicht vorgelegt. Der Bescheid sei auch nicht bestandskräftig, da sie ihn nicht erhalten habe. Gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) gelte somit die Bekanntgabefiktion des Art. 41 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG nicht. Die Beklagte habe weder Zugang noch Zugangszeitpunkt des Bescheids nachgewiesen. Für den Antrag vom 4. April 2012 sei die Satzung der Beklagten in der damaligen Fassung anzuwenden. § 51 Abs. 2 der damaligen Satzung habe wie folgt gelautet:
„(1) Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbeitrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes zahlen, wenn er dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod 5 Jahre ununterbrochen den Haushalt geführt hat.
(2) Im Falle des Abs. 1 kann der Unterhaltsbeitrag bis zur vollen Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewährt werden, wenn die Führung des Haushaltes 15 Jahre gedauert hat.“
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§ 51 Abs. 2 der Satzung fordere keine Ununterbrochenheit der Haushaltsführung. Da die Klägerin problemlos eine Haushaltsführungszeit von 15 Jahren erreiche, stehe ihr der Anspruch zu. Dies gelte aber auch im Fall, dass eine ununterbrochene Haushaltsführung gefordert werde. Die Vorschrift sei dann teleologisch auszulegen. Auch bei einem etwaigen geringfügigen Unterschreiten des Zeitraums seien somit sonstige Billigkeitsgründe zu berücksichtigen wie zum Beispiel engere Solidarität oder Pflege des anderen oder Verhältnis von Einzahlungszeit zur Leistungszeit beim verstorbenen Ehegatten. Derartige kompensierende Umstände lägen vorliegend vor. Die Klägerin und ihr Ehegatte seien fast 19 Jahre ein Paar gewesen mit nur einer 3,5-monatigen Unterbrechung. Während dieser Zeit habe die Klägerin den Haushalt des … geführt. Das Trennungsjahr könne nicht berücksichtigt werden, da auch in diesem die ehelichen Lebensverhältnisse aufrechtzuerhalten seien (§ 1361 BGB). … habe 33 Jahre eingezahlt, aber nur drei Jahre lang Rente erhalten. Dies sei ein krasses Missverhältnis von Beitragseinzahlungsdauer und Beitragszeit. Die Klägerin habe … während seiner fünfjährigen Krankheit gepflegt; in den letzten Monaten sei er bettlägerig gewesen. Sie sei dann 24 Stunden am Tag für ihn da gewesen. Die Klägerin sei dringend auf Zahlung des vollen Unterhaltsbeitrags angewiesen, da sie nur auf eine Altersversorgung in Höhe von 1.174 EUR monatlich zurückgreifen könne. Eine Meldebestätigung sage nichts über die Haushaltsführung aus. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 14. Juni 2012 auch eidesstattliche Versicherungen gelten lassen.
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Selbst wenn man auf den Wortlaut des § 51 Abs. 2 der Satzung vom 1. Januar 2017 abstelle, gelte nichts anderes: Hiernach gelte folgendes:
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(1) Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten, kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbetrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewähren, wenn mit dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod 5 Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Zeiten einer gleichzeitig bestehenden anderweitigen Ehe bleiben außer Ansatz.
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(2) Im Falle des Abs. 1 kann der Unterhaltsbeitrag bis zur vollen Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewährt werden, wenn die häusliche Gemeinschaft 15 Jahre bestanden hat.
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Abs. 2 erfordere somit keine ununterbrochene häusliche Gemeinschaft. Unstreitig erreiche die Klägerin eine häusliche Gemeinschaft von 15 Jahren. Die eidesstattlichen Versicherungen hätten auch höheren Beweiswert als eine Melderegisterauskunft. Das Ermessen der Beklagten sei bereits bei der Tatbestandsvoraussetzung der Haushaltsführung auszuüben. Dieses schließe die Ununterbrochenheit mit ein. Es liege ein Ermessensausfall vor. Es folgt eine Berechnung des Gesamtrückstandes in Höhe von 40.576,68 EUR (Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2022), worauf Bezug genommen wird.
21
Mit Schreiben vom 29. September 2022 beantragte die Beklagte,
22
Die Anknüpfung an das Melderecht sei nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 21 ZB 16.552). § 51 Abs. 1 der Satzung (Stand 1. Januar 2012 im Folgenden Satzung a.F.) setze voraus, dass der Haushalt 5 Jahre ununterbrochen geführt werde. § 15 Abs. 2 Satzung a.F. stelle auf die Führung des Haushalts von 15 Jahren ab. Mittels der Bestätigung der Meldebehörde sei ein Zeitraum von 3 Jahren und 9 Monaten nachgewiesen worden. Sinn und Zweck des Tatbestandsmerkmals Haushaltsführung sei gewesen, die voreheliche Haushaltsführung der nachgeheirateten Witwe „als Ehefrau“ zu perpetuieren. Eine Haushaltsführung könne aber nicht während einer Zeit erfolgen, in der keine häusliche Gemeinschaft bestehe. Die Verwaltungspraxis des Nachweises durch Meldebescheinigung sei nun in die neue Satzung eingeflossen. Es habe der Verwaltungspraxis entsprochen, neben der Meldebescheinigung auch eidesstattliche Versicherungen Dritter anzuerkennen. Als Nachweis sei deshalb der Einzug der Klägerin in die Wohnung am 16. Februar 2007 anerkannt worden. Deswegen sei die ununterbrochene Haushaltsführung bis zum … April 2012 – somit 5 Jahre und 2 Monate anerkannt worden, weswegen ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag in Höhe des hälftigen Witwengeldes eingewiesen worden sei. Zeiten einer früheren Ehe könnten nicht berücksichtigt werden, da diese bereits mit dem Versorgungsausgleich abgegolten worden seien. Würden diese Zeiten mitberücksichtigt, würde die Klägerin für dieselben Zeiten Leistungen erhalten, die beide von der Bayerischen Ärzteversorgung zu tragen wären. Dies werde dem Charakter einer Ausnahmeregelung nicht gerecht. Zudem sei das Tatbestandsmerkmal der ununterbrochenen Führung des Haushalts nicht der Auslegung zugänglich. Erst wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen vorlägen, sei ein Ermessen eröffnet. Die Klägerin habe sich bewusst für die Scheidung entschieden und müsse sich nunmehr an ihren in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen festhalten lassen. Nicht entscheidungserheblich sei, welche Leistungen die Klägerin beantragt habe und ob der Bescheid vom 5. Juli 2012 der Klägerin zugegangen sei.
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Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 12. Oktober 2022 erwidern, dass sich aus dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21.1.2019 – 21 ZB 16.552 zur Melderegisterauskunft nicht entnehmen lasse, dass der Nachweis nicht auch durch eidesstattliche Versicherungen möglich sei. Das Ermessen bezüglich der Haushaltsführung sei auf der Tatbestandsseite auszuüben, was die Beklagte in gewissem Umfange auch ausgeübt habe. Somit könne auch bezüglich des Begriffs der Ununterbrochenheit eine Ermessensausübung erfolgen. Es wäre in diesem Rahmen das ca. neunzehnjährige Zusammenleben, die Pflege des Ehegatten, die kurze Unterbrechung des Zusammenseins, das krasse Missverhältnis von Beitragseinzahlungszeit und Bezügezeit des verstorbenen Ehegatten zu berücksichtigen gewesen. Beim Versorgungsausgleich würden Anwartschaften übertragen und befänden sich dann beim Übertragungsempfänger, dem anderen (vormaligen) Ehegatten. Die Aufwendungen der Beklagten gem. § 225 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien bei der Berechnung der freiwilligen Unterhaltszahlungen in Höhe des halben Witwengeldes bereits berücksichtigt/abgezogen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Januar 2023 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. In einem weiteren gerichtlichen Schreiben vom 24. Oktober 2023 wurde die vorläufige Rechtsauffassung der berufsmäßigen Mitglieder der Kammer erläutert. Die Zeiten der ersten Ehe der Klägerin mit dem Verstorbenen seien nicht berücksichtigungsfähig, da für diese Zeiten bereits ein Versorgungsausgleich gewährt wurde. Für die Argumentation wurde auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2011 – 21 BV 09.647 zurückgegriffen, wonach ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag nur in Betracht komme, wenn das verstorbene Mitglied keine Versorgungsberechtigten hinterlasse, da freiwillige Unterhaltsbeiträge begrenzt werden sollen und ein Nebeneinander von Pflichtleistungen (z.B. Witwengeld) und freiwilligen Leistungen ausgeschlossen sein soll. Demzufolge könnten Ehezeiten für die Ansprüche auf Witwengeld des Ehepartners bestanden haben, nicht gleichzeitig von einem nichtehelichen Partner als freiwillige Leistungen wegen langjähriger Haushaltsführung beansprucht werden. Dieser Rechtsgedanke wurde von der Kammer herangezogen, da für die Zeiten der ersten Ehe mit dem Verstorbenen bereits Versorgungsausgleich gewährt wurde – und es somit zu einer doppelten Berücksichtigung der Zeiten komme, wenn diese sowohl im Rahmen des Versorgungsausgleichs als auch im Rahmen der freiwilligen Leistungen berücksichtigt würden. Zudem stelle § 51 Abs. 2 der Satzung auf eine ununterbrochene Haushaltsführung von 15 Jahren ab (BayVGH, B.v. 28.9.2020 – 21 C 20.1403). Ein Härtefall könne nicht gesehen werden, da sich die Klägerin für die Ehescheidung und somit für den Ausgleich im Rahmen des Versorgungsausgleichs entschieden habe. Die Pflege des Verstorbenen sei bereits dadurch berücksichtigt worden, dass Leistungen in Höhe des halben Witwengeldes gewährt worden seien.
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Die Klägerin ließ durch Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2023 ausführen, dass eine Anwendung der aktuellen Fassung der Satzung der Beklagten eine echte Rückwirkung darstelle. Der durchgeführte Versorgungsausgleich stehe dem Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag in Höhe des vollen Witwengeldes nicht entgegen. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2011 – 21 BV 09.647 grenze lediglich die Vorschriften des § 46 und § 51 der Satzung voneinander ab. Keine Aussage treffe das Urteil zu einem möglicherweise durchgeführten Versorgungsausgleich. Der Wortlaut von § 55 Abs. 1 der Satzung enthalte lediglich Regelungen wie der Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Er enthalte jedoch keinen Anspruch, welcher in Konkurrenz zu § 46 oder § 51 der Satzung stehen könnte. Deswegen komme es nicht zur doppelten Berücksichtigung der Zeiten der früheren Ehe, wofür bereits Versorgungsausgleich gewährt worden sei. Aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs sei der Anspruch aus § 51 der Satzung zwangsläufig geringer als derjenige, welcher dem Anspruchsberechtigten ohne einen jemals durchgeführten Versorgungsausgleich zugestanden hätte. Denn durch den durchgeführten Versorgungsausgleich werde das Ruhegeld geringer, als es ohne den durchgeführten Versorgungsausgleich ausgefallen wäre, da der Verstorbene entsprechende Entgeltpunkte bereits bei der Scheidung übertragen hatte. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Januar 2019 – 21 ZB 16.552 seien die Ehezeiten zu berücksichtigen, da Sinn und Zweck der Regelung darin liege, die voreheliche Pflichtengemeinschaft zu perpetuieren und im Rahmen dieser Vorschriften zugunsten des überlebenden Ehegatten anspruchsbegründend zu berücksichtigen. Zwar werde in der Entscheidung auch berücksichtigt, dass es dem Satzungsgeber freistehe, die Versorgungsansprüche der „nachgeheirateten“ Witwe nur in engen Grenzen zuzulassen. Hier habe die Rechtsprechung vor allem die Heirat mit einem wesentlich jüngeren Ehegatten in den Blick genommen, welcher die Solidargemeinschaft für einen sehr langen Zeitraum belasten könnte, ohne dass dafür ein angemessenes Korrelat an Einzahlungen in dieses Versorgungssystem bestehen würde. Vorliegend handele es sich aber um die Wiederheirat mit der Ehefrau, die beschriebene Gefahr der Belastung der Solidargemeinschaft bestehe auf Grund des Alters der Klägerin nicht. Wenn der Satzungsgeber schon das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausreichen lasse, so wäre es unverständlich, wenn Zeiten einer tatsächlich bestehenden Ehe keine Berücksichtigung fänden. Die Zeiten der ersten Ehe müssten demnach berücksichtigt werden. Aber selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgen würde, so würde eine besondere Härte im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 der Satzung vorliegen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin über einen Zeitraum von 19 Jahren mit dem Verstorbenen zusammengelebt habe. Lediglich auf Grund der Scheidung, sei es dazu gekommen, dass kein volles Witwengeld nach § 46 der Satzung habe gewährt werden können. Die Klägerin habe den Ehemann 5 Jahre gepflegt, was eine enorme Belastung für die Klägerin dargestellt habe.
26
Der Beklagte wies mit Schreiben vom 8. Februar 2024 abermals darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal der ununterbrochenen Haushaltsführung schon in § 51 der Satzung a.F. vorgelegen sei. Die Frage der Rückwirkung stelle sich nicht. Diese ununterbrochene Haushaltsführung sei auch nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten nicht vorgelegen (Unterbrechung von Oktober 2006 bis Februar 2007 – für 3,5 Monate). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1.3.2010 – 1 BvR 2584/06) sei sogar der völlige Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung für verwitwete Ehepartner aus einer Spätehe, die das Versorgungswerkmitglied nach Beginn der Ruhezahlung geschlossen habe, mit dem Grundgesetz vereinbar. Umso größer sei der Ermessenspielraum des Versorgungswerks, wenn es dennoch in solchen Fällen in einer Satzung freiwillige Leistungen in Form eines Unterhaltsbeitrags vorsehe. Da es sich bei der Regelung von § 51 der Satzung um eine Ausnahmeregelung zu Lasten der Solidargemeinschaft handele, seien hohe Anforderungen an den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen zu stellen. Eine besondere Härte liege nicht vor. Die Klägerin und der Verstorbene hätten sich aus persönlichen Gründen für eine Scheidung entschieden, sie müsse sich an den Rechtsfolgen festhalten lassen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
28
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
29
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
30
Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2022 und die Prüfung des Anspruchs auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags in Höhe des vollen Witwengeldes sowie eines rückständigen Unterhaltsbeitrags in Höhe von 40.576,68 EUR.
31
Der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder Anspruch auf einen laufenden Unterhaltsbeitrag in Höhe des vollen Witwengeldes noch auf Gewährung eines rückständigen Unterhaltsanspruchs in Höhe des vollen Witwengeldes, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
32
Es wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen und von einer gesonderten Darstellung der Gründe abgesehen (§ 81 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend hierzu ist zum Klagevorbringen sowie zur Sache noch das Folgende auszuführen:
33
1. § 6 Abs. 3 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung (Stand 1. Januar 2022) regelt: Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten Satzungsänderungen auch für bestehende Mitgliedschafts- und Versorgungsverhältnisse, insbesondere für vor einer Satzungsänderung eingetretene Versorgungsfälle und für künftig Fällig wiederkehrende Versorgungsleistungen, die bereits eingewiesen sind. Soweit man hierin einen Fall der Rückwirkung sehen wollte, da der Antrag auf Hinterbliebenenversorgung von der Klägerin bereits am 4. Mai 2012 gestellt wurde (zur Frage der Rückwirkung BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 21 ZB 16.552 – juris Rn. 22), ist auf den vorliegenden Fall die Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung (Stand 1. Januar 2012) (in Folgendem Satzung a.F.) anwendbar. Die Frage muss vorliegend nicht abschließend geklärt werden, da nach beiden Fassungen der Satzung ein Anspruch nicht besteht.
34
2. Ein Anspruch auf Witwengeld aus § 46 Abs. 1 der Satzung bzw. aus § 46 der Satzung a.F. besteht unstreitig nicht, da die zweite Ehe erst nach Eintritt der dauernden Berufsunfähigkeit geschlossen wurde (§ 46 Abs. 2 der Satzung bzw. der Satzung a.F.).
35
Für Zeiten der ersten Ehe der Klägerin besteht ebenfalls kein Anspruch aus § 46 der Satzung (auch a.F.), da diese durch rechtskräftiges Urteil seit … Oktober 2006 geschieden wurde. Ein Anspruch aus § 46 Abs. 1 der Satzung besteht für diese Ehezeit nicht, da im Rahmen der Scheidung der Versorgungsausgleich geregelt wurde. Dementsprechend regelt § 55 Abs. 1 der Satzung: Soweit ein Mitglied auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts in einem Versorgungsausgleichsverfahren ausgleichspflichtig ist, findet zwischen den geschiedenen Ehegatten die interne Teilung nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes und der ergänzenden Vorschriften dieser Satzung statt.
36
Der Versorgungsausgleich für die Ehezeit wurde durchgeführt und für die Zeit der ersten Ehe vom *. September 2000 bis zum 31. Mai 2006 Versorgungsanwartschaften für die Klägerin begründet.
37
3. In § 51 der Satzung sind die freiwilligen Leistungen geregelt. § 51 Abs. 1: Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten, kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbeitrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewähren, wenn mit dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen eine durch Melderegisterauskunft nachgewiesene häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Zeiten einer gleichzeitig bestehenden anderweitigen Ehe bleiben außer Ansatz. Abs. 2: Im Falle des Abs. 1 kann der Unterhaltsbeitrag bis zur vollen Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewährt werden, wenn die häusliche Gemeinschaft fünfzehn Jahre bestanden hat.
38
§ 51 der Satzung a.F: regelt: Abs. 1 Hinterlässt ein Mitglied keine Versorgungsberechtigten, kann die Bayerische Ärzteversorgung dem überlebenden Eheteil, der nach § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwen- oder Witwergeld hat, einen Unterhaltsbeitrag bis zur halben Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewähren, wenn er dem verstorbenen Eheteil bis zu seinem Tod fünf Jahre ununterbrochen den Haushalt geführt hat. Abs. 2: Im Falle des Abs. 1 kann der Unterhaltsbeitrag bis zur vollen Höhe des Witwen- oder Witwergeldes gewährt werden, wenn die Führung des Haushaltes fünfzehn Jahre gedauert hat.
39
Der Unterschied der beiden Fassungen besteht im Nachweis der Haushaltsführung/der häuslichen Gemeinschaft. Diese muss nach der neuen Fassung der Vorschrift durch Melderegisterauskunft nachgewiesen sein. Die Beklagte hat vorliegend die eidesstattlichen Versicherungen betreffend den Einzug der Klägerin in die eheliche Wohnung am 16. Februar 2007 als Nachweis anerkannt, weshalb bis zum … April 2012 für 5 Jahre und 2 Monate eine ununterbrochene Haushaltsführung vorlag und ihr ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag in Höhe des halben Witwengeldes gewährt wurde.
40
Die Klägerin argumentiert damit, dass dabei unberücksichtigt geblieben sei, dass sie mit dem Verstorbenen von 1993 bis 2000 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt habe, am ... September 2000 die erste Ehe mit dem Verstorbenen geschlossen habe und den Haushalt bis zum Versterben ihres Mannes (unterbrochen durch 3,5 Monate) geführt habe.
41
Zwar findet sich in § 51 Abs. 2 der Satzung (ebenfalls der a.F.) kein Hinweis darauf, dass die häusliche Gemeinschaft ununterbrochen 15 Jahre gedauert haben muss. Abs. 2 nimmt aber durch die Worte: „im Falle des Abs. 1“ auf diesen Absatz Bezug, der eine ununterbrochene häusliche Gemeinschaft bzw. Haushaltsführung von 5 Jahren verlangt. Auch wenn das Wort ununterbrochen im Abs. 2 nicht mehr ausdrücklich wiederholt wird, so wird durch die Bezugnahme auf Abs. 1 deutlich, dass auch für Abs. 2 eine ununterbrochene häusliche Gemeinschaft/Haushaltsführung vorliegen muss (vgl. ebenso BayVGH, B.v. 28.9.2020 – 21 C 20.1403 – juris Rn. 11). Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen ebenso für diese Auslegung, da Versorgungsansprüche aus Ehen, die erst nach Beendigung des Berufslebens geschlossen wurden, in engen Grenzen gehalten werden sollen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre in einem solchen Fall auch der völlige Ausschluss der Hinterbliebenenversorgung möglich (BVerfG, B.v. 1.3. 2010 – 1 BvR 2584/06 – juris: Versicherte heiratete nach Beginn seiner Altersrente seine frühere geschiedene Ehefrau erneut). Schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin war die häusliche Gemeinschaft unterbrochen. Der Ehemann versicherte vor dem Notar … am 1. März 2012, er habe mit der Klägerin von 1993 bis Sommer 2006 und ab Frühjahr 2007 einen gemeinsamen Haushalt geführt. In diese Zeit der unterbrochenen häuslichen Gemeinschaft fällt auch die Scheidung der Ehe am … Oktober 2006.
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Die Systematik der Satzung spricht zudem dafür, dass im Fall einer Scheidung und der Gewährung eines Versorgungsausgleichs eine zeitliche Zäsur eintritt und die Versorgung für diese Zeit allein über § 55 der Satzung und das Versorgungsausgleichsgesetz zu erfolgen hat.
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§ 46 der Satzung regelt Ansprüche der Witwe, deren Ehe bis zum Tod des Mitglieds bestanden hat. § 55 der Satzung die Ansprüche im Rahmen des Versorgungsausgleichs und § 51 der Satzung freiwillige Leistungen für Ehegatten, die auf Grund von § 46 Abs. 2 keinen Anspruch auf Witwengeld haben. Die einzelnen Regelungen der Satzung stehen in einem Ausschlussverhältnis zueinander. Schon aus der Systematik ist zu erkennen, dass nicht Ansprüche aus § 46 neben § 51 oder § 55 geltend gemacht werden können. Aus diesem Grund ist für die Zeit der ersten Ehe der Klägerin mit Herrn … allein der Versorgungsausgleich einschlägig und kann nicht auch im Rahmen des § 51 Abs. 2 der Satzung Berücksichtigung finden. Diese Auslegung der Systematik der Satzung entspricht der Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu Nichtberücksichtigung von Haushaltsführungszeiten während Zeiten einer anderen Ehe. Für den Fall des Nebeneinanders von Pflichtleistung und freiwilliger Leistung führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 29.3.2011 – 21 BV 09.647 – juris Rn. 22 ff. Folgendes aus: „Schließlich kommt ein freiwilliger Unterhaltsbeitrag nur in Betracht, wenn das verstorbene Mitglied keine Versorgungsberechtigen hinterlässt. Nach dem unzweifelhaften Willen des Satzungsgebers sollen also freiwillige Unterhaltsbeiträge begrenzt und ein Nebeneinander von Pflichtleistungen (z.B. Witwengeld) und freiwilligen Leistungen (z.B. ein Unterhaltsbeitrag nach § 51 Abs. 1 der Satzung) ausdrücklich ausgeschlossen sein. Demzufolge können aus Ehezeiten, für die jedenfalls dem Grunde nach Versorgungsanwartschaften auf Witwen- oder Witwergeld des Ehepartners bestanden, von einem nichtehelichen Lebenspartner nicht gleichzeitig freiwillige Leistungen wegen langjähriger Haushaltsführung beansprucht werden. Andernfalls würde der offensichtliche Wille des Satzungsgebers, Versorgungsansprüche aus Ehen, die erst nach Beendigung des Berufslebens geschlossen werden, generell in engen Grenzen zu halten, ins Gegenteil verkehrt.“
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Zwar trifft es zu, wie der Klägerbevollmächtigte der Klägerin im Schriftsatz vom 16. Dezember 2023 ausgeführt hat, dass durch den Versorgungsausgleich das Ruhegeld geringer ausfällt, weshalb eine doppelte Belastung der Beklagten nicht anzunehmen wäre. Allerdings zeigt die Systematik der Satzung, dass ein Nebeneinander der unterschiedlichen Ansprüche nicht gewollt ist. Auch nach Sinn und Zweck erscheint eine Berücksichtigung der Zeiten, während derer ein Versorgungsausgleich gewährt wird, nicht notwendig: Zweck der Hinterbliebenenversorgung soll der Ersatz des Unterhalts sein, der auf Grund des Todes des Mitglieds und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann (BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 21 ZB 16.552 – juris Rn. 29). Da sich die Klägerin durch die Scheidung für eine Regelung der Ansprüche auf dieser Basis entschieden hatte (Versorgungsausgleich bzw. Scheidungsunterhalt oder Verzicht auf denselben) ist ein zusätzlicher Ausgleich im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung nach § 51 Abs. 2 der Satzung für diese Zeiten nicht angezeigt.
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4. Auch besteht kein Anspruch aus § 34 Abs. 2 der Satzung. Hiernach kann die Bayerische Ärzteversorgung, sofern sich in einzelnen Fällen aus der Vorschrift des § 51 besondere Härten ergeben, freiwillige Leistungen gewähren. Ein solcher Härtefall liegt aber nicht bereits dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 51 der Satzung nicht erfüllt sind. Hinzutreten müssen vielmehr außergewöhnliche Umstände, die eine Leistungsverweigerung im konkreten Fall als unbillig und ungerecht erscheinen lassen (VG München, U.v. 8.10.2015 – M 12 K 15.3332 – juris Rn. 73). Ein solcher Härtefall kann vorliegend nicht gesehen werden. Die Klägerin hat sich bewusst für die Ehescheidung und den Ausgleich im Rahmen des Versorgungsausgleichs entschieden. Sie erhält über diesen und im Rahmen der freiwilligen Leistungen nach § 51 Abs. 1 der Satzung Leistungen in Höhe des halben Witwengeldes. Ein Härtefall stellt auch nicht die Pflege des … dar – dieser Umstand wurde bereits bei der Gewährung des halben Witwengeldes berücksichtigt. Kein Grund ist die lange Beitragszahlung des Verstorbenen im Gegensatz zu der erhaltenen Rente. Die Hinterbliebenenrente hat nur Versorgungscharakter und ist eine fürsorgerisch motivierte Leistung, die ohne eine erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird*(BVerfG, B.v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06 – BVerfGK 17, 120-125, Rn. 16).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.