Titel:
Kapitalertragssteuer und Surrogate - Hin-und Rückgabe bei Wertpapier-Leihe
Normenketten:
KStG § 8b Abs. 2
EStG § 6b
GG Art. 3 Abs. 1
FGO § 68
Leitsatz:
Ein Surrogat ist begrifflich nur die Umschreibung für Ersatz. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG fordert die Identität des Abschreibungsguts. Gewinne unterfallen späterer Wertaufholungen oder Veräußerungen grundsätzlich § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG und frühere Wertberichtigungen kompensieren während des Leihzeitraums steuerlich nicht. (Rn. 71 – 72) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Abschreibung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – I R 10/24
Fundstellen:
EFG 2024, 2017
BB 2024, 2799
LSK 2024, 24697
DStRE 2025, 395
BeckRS 2024, 24697
Tenor
1. Unter Abänderung des Körperschaftsteuerbescheides 2007 und des Gewerbesteuermessbescheides für 2007, jeweils in der Fassung vom 09.08.2023, wird die Körperschaftsteuer für 2007 auf … € und der Gewerbesteuermessbetrag für 2007 auf … € festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist die Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG.
2
Zwischen der Klägerin als Organträgerin und der P als Organgesellschaft bestand im Streitjahr eine körperschaftsteuerliche Organschaft.
3
Auf Basis von Rahmenverträgen hatte P Wertpapier-Leihgeschäfte über in ihrem Bestand befindliche F Aktien mit dem Kreditinstitut X getätigt, die jeweils eine Laufzeit von wenigen Wochen hatten. Vereinbart war, dass das unbeschränkte Eigentum an den Entleiher übergeht. Diese Aktien waren vor der Wertpapier-Leihe dem Anlagevermögen zugeordnet worden, da sie dazu bestimmt waren, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu dienen. Der Entleiher war zur Rückgewähr von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.
4
P aktivierte eine Sachdarlehensforderung gegenüber X, die sie entsprechend des fallenden Aktienkurses der F-Aktien zum 31.12.2006 gewinnwirksam um … € auf den niedrigeren Teilwert (= niedrigerer Börsenkurs) abschrieb. Im Zeitpunkt der Rückgabe der F-Aktien an P wurden diese Aktien mit dem aktuellen Tageskurs bei P wieder eingebucht. Dieser Wert entsprach dem Teilwert der Sachdarlehensforderung dieses Tages, zu dem diese Sachdarlehensforderung wieder auszubuchen war. Letztendlich wurden somit im Rahmen eines Aktivtausches die vom Entleiher „zurückgegebenen“ F-Aktien der entfallenden Sachdarlehensforderung betragsgleich gegengebucht.
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Im Streitjahr 2007 veräußerte P die gegenständlichen F-Aktien und erzielte hieraus einen Veräußerungsgewinn, den die Klägerin der Besteuerung unterwarf.
6
Die Betriebsprüfung (vgl. den BP-Bericht vom 10.02.2010) teilte die Rechtsauffassung der Klägerin hinsichtlich der Gewinnauswirkung der Wertpapier-Leihe nicht und akzeptierte die gewinnmindernde Wertberichtigung der Sachdarlehensforderung unter Berufung auf § 8b Abs. 2 KStG nicht. U.a. diesen Feststellungen folgend, erließ das Finanzamt am 03.05.2012 einen geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheid für 2007. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.05.2012 fristgerecht Einspruch ein.
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Am 23.05.2014 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.
8
Mit Beschluss vom 18.11.2014 hat das Gericht die Steuerakten der P als Organgesellschaft der Klägerin zum Verfahren beigezogen.
9
Mit Beschluss vom 13.06.2016 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf ein wegen der steuerlichen Würdigung der Wertpapier-Leihe anhängiges BFH-Verfahren angeordnet. Nachdem der BFH die Rechtsauffassung der Klägerin hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Wertpapier-Leihe im Wesentlichen gebilligt hatte, nahm das Gericht das hier gegenständliche Verfahren mit Beschluss vom 20.06.2022 wieder auf.
10
Das Finanzamt erließ daraufhin am 09.08.2023 Änderungsbescheide, in denen es die BFH-Rechtsprechung umsetzte; diesbezüglich besteht auch kein Streit mehr.
11
Die Klägerin hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt, sondern im Rahmen einer Klageerweiterung beantragt, den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der F-Aktien im Streitjahr 2007 in Höhe des im Veräußerungsgewinn enthaltenen Teilbetrags von … € gemäß § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei zu stellen. Dieser Betrag entspricht der steuerwirksam vorgenommenen Teilwertabschreibung auf den Rückforderungsanspruch vor Berücksichtigung des § 8b Abs. 3 KStG.
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Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt:
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1. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Teilwertabschreibung auf den Rückforderungsanspruch verbunden mit der Erfolgsneutralität der Hingabe und – hier von Bedeutung – des Rückerhalts der im Rahmen der Wertpapier-Leihe als Sachdarlehen ausgereichten Aktien erhöhe den Gewinn aus einer Wertaufholung bzw. aus einer Veräußerung der betreffenden Wertpapiere. Die Teilwertabschreibung auf den Rückforderungsanspruch sei keine Abschreibung im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG; auch der insoweit ausgelöste Zuschreibungs- oder Veräußerungsgewinn sei demnach nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Im Streitjahr 2007 betreffe das den Gewinn der P aus der Veräußerung der Aktien der F in Höhe eines Teilbetrags von … €. Unter Berücksichtigung sämtlicher bedeutsamer Faktoren bewirke dies eine Minderung des zu versteuernde Einkommen um … €.
14
2. Eine Gesetzeslücke in Form einer Regelungslücke oder eines rechtspolitischen Fehlers, die zu Lasten der Klägerin zu füllen sei, bestehe nicht. Dies entspreche der einhelligen Literaturmeinung.
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2.1. Soweit das Finanzamt aufgrund des BFH-Urteils vom 13.03.1986 IV R 1/84 (BStBl II 1986, 711) die Auffassung vertrete, der Rückforderungsanspruch aus dem Sachdarlehensvertrag sei steuerlich so zu behandeln wie die Aktien selbst, verkenne es das BFH-Urteil vom 29.09.2021 (I R 40/17 (BStBl II 2023, 127), in dem die bisherige Rechtssauffassung der Finanzverwaltung höchstrichterlich abgelehnt worden sei.
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2.2. Auch aus § 8b Abs. 2 Satz 5 KStG ergebe sich nichts Anderes. Diese Vorschrift verhindere nur die Steuerbefreiung von einmaligen Beteiligungserträgen bei vorheriger steuerwirksamer Rücklage und sei kein Auffangtatbestand für alle Sachverhalte, die nicht unter Satz 4 der Vorschrift fallen würden.
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2.3. Die Wertberichtigung des Sachdarlehensrückforderungsanspruchs sei nicht Gegenstand des § 8b KStG, da die Leihgebühr und eventuelle Kompensationszahlungen für bezogene Dividenden keine Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 oder 10 Buchstabe a EStG darstellen würden.
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2.4. Soweit das Finanzamt mutmaße, dem Gesetzgeber seien bei Einfügung des § 8b KStG die Auswirkungen des Gesetzes auf Leerverkäufe nicht bekannt gewesen, handele es sich um reine Spekulation. Festzustellen sei jedoch, dass der Gesetzgeber insofern bis zum heutigen Tag keine Gesetzesänderung oder -Klarstellung getroffen habe.
19
2.5. § 8b KStG diene auch nicht dem Zweck, die Rechtsformneutralität der Besteuerung sicherzustellen.
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2.6. Es sei überdies nicht nachvollziehbar, weshalb nur eine Ergänzung des § 8b Abs. 2 KStG zur Schließung der – lediglich – vom Finanzamt erkannten Gesetzeslücke führen könne. Die vom Finanzamt vorgeschlagene Lückenfüllung würde zudem einen Verstoß gegen das Analogieverbot bei hoheitlichen Eingriffen darstellen.
21
Die Klägerin hat im Rahmen der Klageerweiterung beantragt,
die Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2007 vom 09.08.2023 dahingehend abzuändern, dass das zu versteuernde Einkommen um … € gemindert wird.
22
Das Finanzamt hat beantragt,
den Antrag aus der Klageerweiterung abzuweisen.
23
Eine Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns nach Beendigung der Wertpapier-Leihe sei nicht gegeben.
24
Bei der Leihe von Anteilen an Kapitalgesellschaften zwischen z.B. einem Versicherungsunternehmen und einem Kreditinstitut (nicht im Anwendungsbereich des § 8b Abs. 10 KStG), sei der Gegenstand der Leihe in der Regel dem Entleiher zuzurechnen, da das wirtschaftliche Eigentum übergehe (unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 29.09.2021, a.a.O.).
25
Der Verleiher habe anstelle der bisherigen Beteiligung eine Rückübertragungsforderung auf Anteile gleicher Art, Güte und Menge. Dieser Rückübertragungsanspruch sei ein eigenständiges Wirtschaftsgut und als Surrogat für die übertragenen Anteile mangels Realisationstatbestand mit dem Buchwert der Anteile zu bilanzieren.
26
Eine Teilwertabschreibung auf den Rückübertragungsanspruch unterliege nicht der Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG und die Teilwertabschreibung wirke sich damit auf die Höhe des Einkommens aus.
27
Die Erfüllung des Rückübertragungsanspruchs durch Rückgabe von Anteilen gleicher Art, Güte und Menge sei ebenfalls kein Realisationstatbestand und erfolge zum – ggf. durch eine Teilwertabschreibung geminderten – Buchwert des Rückübertragungsanspruchs.
28
Aus dem Surrogationsgedanke heraus sei eine erfolgswirksame Teilwertabschreibung auf den Rückübertragungsanspruch auch den erfüllungshalber übertragenen Anteilen zuzurechnen. Entsprechendes könne dem Urteil des BFH vom 13.03.1986 (a.a.O.) entnommen werden, wo dem Surrogat die Betriebsvermögenseigenschaft zugerechnet worden sei.
29
Entsprechendes gelte auch für die Besitzzeiten nach § 6b EStG und damit auch für erfolgswirksam vorgenommene Teilwertabschreibungen.
30
Diese Rechtsfolge sei zudem auch aus § 8b Abs. 2 Satz 5 KStG abzuleiten, wonach steuerwirksam vorgenommene Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge dem Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG zugewiesen würden.
31
Der Gesetzeswortlaut sei weit gefasst und beinhalte damit auch Abzüge auf Surrogate, da diese zwar ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellen würden, die Merkmalsübertragungen hinsichtlich des Buchwertes und darauf beruhender Teilwertabschreibungen jedoch zu berücksichtigen seien.
32
Im Ergebnis stehe der beantragten Steuerfreiheit von Veräußerungs- oder Wertaufholungsgewinnen nach Beendigung der Wertpapier-Leihe die Regelung des § 8b Abs. 2 Satz 5 KStG entgegen.
33
Sofern das Surrogat ursprünglich in vollem Umfang erfolgswirksam abgeschrieben worden sei, sei der Zurechnungsertrag ebenfalls in vollem Umfang steuerpflichtig. Die Abschreibung des Surrogats sei als ähnlicher Abzug anzusehen. Eine Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 Sätze 1 und 2 KStG komme somit nicht zur Anwendung.
34
Eine Freistellung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 KStG verbiete sich insoweit, als auf den Rückforderungsanspruch aus dem Wertpapierdarlehen zum 31.12.2006 (bzw. allgemein) eine Teilwertabschreibung vorgenommen worden sei, welche zum Zeitpunkt der Veräußerung der Wertpapiere noch nicht wieder aufgeholt worden sei.
35
Der BFH habe die nun zu klärende Streitfrage in seinem Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O.) in Rdnr. 51 (juris) ausdrücklich noch offengelassen. Die vorliegende Problematik, dass eine spätere Wertaufholung trotz vorheriger steuerwirksamer Teilwertabschreibung unberücksichtigt bliebe, sei vom BFH somit bislang lediglich angesprochen, jedoch nicht entschieden worden.
36
Es komme daher entscheidend darauf an, wie die gesetzliche Regelung in § 8b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 5 KStG auszulegen sei.
37
Die Klägerin stütze sich dabei vornehmlich auf den Gesetzeswortlaut. Danach gelte die Steuerfreiheit für Erträge aus einer Teilwertaufholung nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben worden sei. Nachdem im vorliegenden Fall aufgrund der Wertpapier-Leihe nicht „der Anteil“ als solcher, sondern nur dessen Platzhalter in Form des Rückgewähranspruchs steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben worden sei, könne der Ausschlusstatbestand in § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG schon gar nicht greifen. Diese Gesetzesauslegung führe jedoch bei Gewinnen aus Anteilsveräußerungen und Wertaufholungen, denen eine Wertpapier-Leihe wie im Streitfall zeitlich vorgelagert sei, zu einer planwidrigen Gesetzeslücke (vgl. hierzu die BFH-Urteile vom 24.05.1991 III R 82/89, juris, und vom 22.06.2017 VI R 97/13, BStBl II 2017, 1181), die durch eine teleologische Extension des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG bzw. durch eine analoge Anwendung des § 8b Abs. 2 Satz 5 KStG zu schließen sei.
38
Eine Auslegung „gegen den Wortlaut“ sei im Streitfall geboten. Eine solche komme zwar nur in Betracht, wenn die am Wortlaut haftende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe (unter Verweis auf die BFH-Urteile vom 03.07.1987 III R 7/86, BStBl II 1987, 728, sowie vom 03.02.2000 III R 30/98, BStBl II 2000, 438) oder wenn sonst anerkannte Auslegungsmethoden dies verlangen würden (vgl. BFH-Urteile vom 20.11.2019 XI R 46/17, BStBl II 2020, 195, und vom 22.04.2020 III R 61/18, BStBl II 2022, 43).
39
Die (Doppel-)Begünstigung der Klägerin in Form der steuerwirksamen Teilwertberichtigung des Rückforderungsanspruchs anstelle des Anteils einerseits und der späteren steuerfreien Veräußerung bzw. Teilwertaufholung beim Anteil selbst andererseits sei planwidrig und rechtfertige eine solche Ausnahme.
40
Dies lasse sich bereits aus folgenden historisch-teleologischen Überlegungen ableiten:
41
Die Einführung des § 8b KStG durch das Standortsicherungsgesetz (StandOG) vom 13.09.1993 habe mit der Gewährung der darin für Körperschaften enthaltenen Steuerbefreiung primär darauf abgezielt, steuerliche Hemmnisse zu beseitigen, die bisher der Gründung sogenannter joint ventures in der Form inländischer Holdinggesellschaften entgegengestanden hätten. Damit hätten Nachteile des Standorts Deutschland abgebaut und die Absatzchancen deutscher Unternehmen verbessert werden sollen (Deutscher Bundestag, Drucksacke 12/4487, 38). Im Rahmen der Strukturreform der Unternehmensbesteuerung, samt Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und der damit einhergehenden Neufassung des § 8b KStG, sei der Sinn und Zweck dieser Vorschrift erneut unterstrichen worden. Durch § 8b Abs. 2 KStG würden Veräußerungsgewinne ohne Mindesthaltefrist und ohne Mindestumfang der Beteiligung steuerfrei gestellt, und somit eine Doppelbesteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuer vermieden, um die Steuerbelastung für die Unternehmen zurückzuführen und somit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2683, 124).
42
Gleichwohl habe der Gesetzgeber erkannt, dass „diese Steuerbefreiung für die Veräußerungsgewinne […] aber Regelungen [erfordert], die mögliche Missbräuche verhindern“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 12/4487, 38).
43
Eine Ausnahme von der Steuerbefreiung sei daher insoweit vorgesehen, als von dem Gewinn aus der Veräußerung der Anteile ein Betrag zu versteuern sei, der der in früheren Jahren steuerlich anerkannten Gewinnminderung aus einer Teilwertabschreibung auf diese Anteile abzüglich einer im Zeitpunkt der Veräußerung bereits wieder vorgenommenen Erhöhung des Buchwerts entspreche (Deutscher Bundestag, Drucksacke 12/4487, 39).
44
Während des Gesetzgebungsprozesses im Jahre 1993 (und früher) sei dem Gesetzgeber das Finanzinstrument der Wertpapier-Leihe möglicherweise zwar bereits bekannt gewesen, jedoch habe die Bedeutung dieser Geschäfte erst in jüngerer Vergangenheit zugenommen.
45
Wertpapier-Leihen seien bis zur Einführung der Deutschen Terminbörse (heute: Eurex) im Jahr 1990 nämlich kaum verbreitet gewesen und hierzulande erst im Rahmen der eingeführten Terminbörse und der damit einhergehenden neuen Möglichkeit der sogenannten Leerverkäufe als Finanzinstrument eingesetzt worden.
46
Es sei davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber weder damals, noch in den Jahren danach im Rahmen der zahlreichen Änderungen der Vorschriften bewusst gewesen sei, dass die Wertpapier-Leihe in den wie vorliegend gelagerten Sachverhalten den Körperschaften einen steuerlichen Vorteil dergestalt ermögliche, dass dadurch vorgenommene steuerwirksame Abschreibungen bei der späteren Wertaufholung bzw. im Rahmen der Realisierung von stillen Reserven durch Veräußerung nicht mehr berücksichtigt würden. Wäre dieses Problem dem Gesetzgeber zu irgendeinem Zeitpunkt bewusst gewesen, hätte er vermutlich reagiert und den Wortlaut der Vorschrift angepasst bzw. ergänzt.
47
Von etwas Anderem könne nicht ausgegangen werden, da dies impliziere, dass dieser steuerliche Vorteil auf irgendeine Art und Weise gesetzgeberisch geduldet oder sogar gewollt gewesen sei, wovon jedoch in den Gesetzesbegründungen keine Rede sei und wofür es auch anderweitig keinerlei Anhaltspunkte gebe.
48
Vielmehr zeige das Beispiel der Einführung des § 8b Abs. 10 KStG im Jahre 2007, dass der Gesetzgeber eine neue gesetzliche Lage zur Vermeidung bestimmter steuerlicher Vorteile durch die Wertpapier-Leihe geschaffen habe, als ihm diese bekannt geworden sei.
49
Die Gesetzesauslegung könne und dürfe sich nicht mit der reinen Wortlaut-Interpretation des Gesetzes zufriedengeben. Vielmehr sei bei der Urteilsfindung auch auf die aus der Verfassung abgeleiteten Grundsätze, insbesondere auf den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, abzustellen. Im Steuerrecht seien Abschreibungen sonst immer an die Möglichkeit der damit einhergehenden Entstehung stiller Reserven geknüpft, welche bei einem Realisierungstatbestand schließlich auch vollumfänglich aufgedeckt werden müssten.
50
Durch die Nichtanwendung der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 4 KStG und der damit vollumfänglichen Steuerfreistellung der Veräußerungsgewinne nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KStG würde im vorliegenden Fall, sowie in sämtlichen gleichlaufenden Fällen, gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
51
So erfordere die Steuergerechtigkeit, dass vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte unabhängig davon, welche Rechtsform für ein Unternehmen gewählt werde, eine gleiche steuerliche Belastung erzeugen würden. Eine solche Rechtsformneutralität sei vorliegend nicht gegeben, da die Möglichkeit einer gewinnmindernden Teilwertabschreibung des Rückforderungsanspruchs im Rahmen einer Wertpapier-Leihe zwar grundsätzlich für alle Unternehmensformen bestehe, jedoch komme es im Zuschreibungs- bzw. Veräußerungsfall nur bei Körperschaften zu einer Anwendung des § 8b Abs. 2 Satz. 1 i.V.m. Satz 3 KStG.
52
Bei allen anderen Unternehmensformen sorge die vorgenommene Teilwertabschreibung dazu, dass bei der späteren Veräußerung des Wirtschaftsguts der Veräußerungsgewinn sich um diese Teilwertabschreibung erhöhe, da der niedrigere Teilwert, auf den abgeschrieben worden sei, auf die Steuerbemessung durchschlage.
53
Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich oder denkbar, der diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Während das Halbeinkünfteverfahren und die damit verbundenen Neuregelungen noch dazu gedient hätten, die Besteuerung einer Körperschaft an die Besteuerung einer natürlichen Person anzunähern, insbesondere die doppelte Körperschaftsbesteuerung bei Veräußerungsgewinnen von Körperschaften zu vermeiden und somit für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen, führe hingegen die vorliegende Situation samt Nichtanwendung des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG zweckwidrig dazu, dass Körperschaften anderen Unternehmensformen gegenüber bevorteilt würden und somit der Grundsatz der Steuergerechtigkeit erschüttert und umgangen werde.
54
Aber auch zwischen Körperschaften selbst ergäbe sich durch die seitens der Klägerin begehrte Steuerfreistellung des Veräußerungs- bzw. Wertaufholungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
55
Hätte eine andere Körperschaft Anteile an anderen Körperschaften – unabhängig der jeweiligen Gründe – wie im vorliegenden Fall in vollem Umfang steuerwirksam abgeschrieben (ohne Korrektur nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG), wäre der Gewinn aus der Anteilsveräußerung bzw. Wertaufholung zwingend in vollem Umfang steuerpflichtig und gemäß § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nicht steuerfrei zu stellen.
56
Auch gesetzessystematische Überlegungen ließen somit die Planwidrigkeit der von der Klägerin begehrten (Doppel-)Begünstigung erkennen:
57
§ 8b KStG liege der systematische Gedanke zugrunde, dass Gewinne und Verluste korrespondierend zu behandeln seien. Besonders deutlich zeige sich diese Wechselwirkung anhand der Regelungen in § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG und § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG. Danach hätten sich bei Anteilen weder eine Teilwertabschreibung noch eine daran anschließende Wertaufholung steuerlich auswirken sollen. Wenn diese Wechselwirkung durch eine Teilwertabschreibung mit steuerlicher Wirkung durchbrochen sei, solle auch die entsprechende Wertaufholung nicht steuerbefreit sein. Im Streitfall würde diese gesetzesimmanente Wechselwirkung dagegen durch einen kleinen „Umweg“ außer Kraft gesetzt, indem für einen kurzen Zeitraum ein steuerneutraler Tausch zwischen Anteil und Rückübertragungsanspruch stattfinde. Selbst der BFH spreche hier in diesem Zusammenhang von einem „Surrogat in bilanzieller Sicht“ (BFH-Urteil vom 29.09.2021, a.a.O., Rdnr. 49, juris). Aus dem Surrogationsgedanken heraus und in Aufrechterhaltung der Wechselwirkung zwischen § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG und § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG könne das nur bedeuten, dass der gesetzlich verankerte Gleichlauf auch auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen sei.
58
Der ertragsteuerlichen Behandlung von Teilwertabschreibungen sei bekanntlich der Grundsatz immanent, dass steuerpflichtige Teilwertabschreibungen eine steuerpflichtige Wertaufholung nach sich ziehen sollen, während bei steuerlich nicht abziehbaren Teilwertabschreibungen die Erträge aus der Wertaufholung ebenfalls steuerlich neutral sein sollen. Die Einhaltung dieses Grundprinzips ließe sich im vorliegenden Fall nur durch eine sachgerechte gegen den Gesetzeswortlaut gerichtete Auslegung des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG erreichen.
59
Wegen der Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakte, die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamts und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 09.01.2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
60
Die Klage ist begründet.
61
Die Änderungsbescheide für 2007 vom 09.08.2023 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, in denen das Finanzamt dem ursprünglichen Klageantrag entsprochen hat, sind gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
62
Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.05.2023 erklärte Klageerweiterung stellt eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 67 Abs. 1 FGO dar, da das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
63
Mit Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O.) hatte der BFH eine Grundsatzentscheidung gefällt, wie Wertverluste, die zeitlich zwischen der Hingabe und der Rückgabe von Wertpapieren im Rahmen einer Wertpapier-Leihe eingetreten sind, steuerlich zu behandeln sind. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung hat das Finanzamt bei Erlass der Änderungsbescheide vom 09.08.2023 zutreffend berücksichtigt.
64
Die hier zu entscheidende Rechtsfrage, wie der Veräußerungsgewinn, der bei einer späteren Veräußerung dieser Wertpapiere zu einem wieder gestiegenen Aktienkurs im Lichte des § 8b Abs. 2 KStG steuerlich zu behandeln ist, schließt thematisch an die vorgenannte BFH-Rechtsprechung an und kann nur unter Würdigung dieser BFH-Rechtsprechung getroffen werden.
65
Da die beiden Themenkomplexe einen engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang aufweisen, ist die Klageerweiterung sachdienlich.
66
Der hier streitrelevante Absatz 2 des § 8b KStG (Beteiligung an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen) hatte im Streitjahr 2007 folgenden Wortlaut:
„Bei der Ermittlung des Einkommens bleiben Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, oder an einer Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG außer Ansatz. Veräußerungsgewinn im Sinne des Satzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert übersteigt, der sich nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung im Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (Buchwert). Satz 1 gilt entsprechend für Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Nennkapitals oder aus dem Ansatz des in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bezeichneten Werts. [Satz 4:] Die Sätze 1 und 3 gelten nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben und die Gewinnminderung nicht durch den Ansatz eines höheren Werts ausgeglichen worden ist. Satz 4 gilt außer für Gewinne aus dem Ansatz mit dem Wert, der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG ergibt, auch für steuerwirksam vorgenommene Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge. Veräußerung im vorstehenden Sinne ist auch die verdeckte Einlage.“
67
Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG greift die Steuerbefreiung mithin insofern nicht, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurde.
68
Diese aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift entnommenen Voraussetzungen sind nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten nicht erfüllt. Die Klägerin hat den Wertverlust der gegenständlichen F-Aktie, die zwischen der Verleihung der Aktien an das Kreditinstitut X und dem Bilanzstichtag 31.12.2006 eingetreten ist, nicht beim Wirtschaftsgut „Aktien der F“ abgeschrieben. Es erfolgte lediglich eine Wertberichtigung der Sachdarlehensforderung, die auf die Rückbeschaffung entsprechender Aktien durch X gerichtet war. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 29.09.2021 (a.a.O.) eine Entkoppelung dieser Sachdarlehensforderung von den im Rahmen der Wertpapier-Leihe hingegebenen Aktien anerkannt; es handelt sich mithin um zwei verschiedene Bilanzpositionen.
69
In seinem Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O., Rz 51) hat der BFH jedoch die Frage, „ob eine Unterscheidung zwischen Teilwertabschreibungen auf den Anteil selbst und solchen auf die Rückübertragungsforderung im Falle einer nach der Rückübertragung eintretenden Wertaufholung des Anteils und anschließenden Veräußerung des Anteils auf den Tatbestand des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG durchschlägt – was dazu führen würde, dass trotz steuerwirksamer Teilwertabschreibung auf die Rückübertragungsforderung die spätere Wertaufholung steuerlich nicht berücksichtigt werden könnte -“ offen gelassen, jedoch in diesem Zusammenhang auf die Aufsätze von Rau in DStR 2009, 21, 24 und Häuselmann/Wagner in FR 2003, 330, 332, verwiesen.
70
Häuselmann/Wagner (FR 2003, 330, 332) vertreten die Auffassung, dass im Fall der Aktien-Leihe nach Rückgabe der Aktien in gleicher Art, Güte und Menge eine ursprünglich abgeschriebene Aktienposition bei einer Werterholung bis zu den historischen Anschaffungskosten zuzuschreiben ist (§ 280 Abs. 1 HGB; § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG). Zumindest nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 2 KStG sei der Zuschreibungsertrag jedoch steuerfrei, wenn zuvor nicht der Anteil, sondern die Sachforderung auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben worden sei. Zur Begründung führt diese Kommentierung aus, dass die Wiedererlangung des wirtschaftlichen Eigentums infolge der Rückübertragung bei Ende des Leihgeschäfts kein Anschaffungsvorgang und kein Erwerb im steuerlichen Sinne sei. Die Aktien würden in ihren ursprünglichen Status einrücken; die wieder erlangten Aktien seien mit den fortgeführten Anschaffungskosten einzubuchen.
71
Diese Kommentarmeinung zitiert Rau in DStR 2009, 21, [24 rechts unten] zustimmend, indem er ausführt:
„[…] Surrogat ist begrifflich nur die Umschreibung für Ersatz. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG aber fordert die Identität des Abschreibungsguts und diese ist nicht gegeben. Insoweit schließt sich der Autor der Auffassung von Häuselmann/Wagner an, dass Gewinne späterer Wertaufholungen oder Veräußerungen grundsätzlich § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG unterfallen und frühere Wertberichtigungen während des Leihzeitraums steuerlich nicht kompensieren.“
72
Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat vollumfänglich an.
73
Dementsprechend erfolgte nunmehr auch im Wirtschaftsjahr 2007 im Rahmen der Veräußerung keine Wertaufholung bzgl. der F-Aktien, die dem gesetzlichen Tatbestand des § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG unterliegt. Es verbleibt mithin bei der Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG.
74
Der Senat folgt mit dieser Rechtsauffassung der vom BFH im Urteil vom 29.09.2021 (a.a.O.) getroffenen Grundsatzentscheidung, dass das im Rahmen der Wertpapier-Leihe begründete Sachdarlehen und die Kursentwicklung der vormals hingegebenen Aktien in Bezug auf § 8b KStG in steuerlicher Hinsicht völlig entkoppelt und damit getrennt zu beurteilen sind.
75
Soweit das Finanzamt darin eine Regelungslücke sieht, die durch eine weitreichende Auslegung entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu schließen sei, folgt dem das Gericht nicht.
76
Bereits im Jahr 2003 wurde die Wertpapier-Leihe und eine entsprechende § 8b KStG-Problematik in der Literatur erörtert. Der Gesetzgeber hat hierauf anhaltend nicht reagiert; hieraus ist zu schließen, dass er keinen gesetzlichen Anpassungsbedarf gesehen hat.
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Die Vorschrift des § 8b KStG ist mit ihrem Wortlaut auch ohne Ergänzungen anwendbar, ohne dass sich hierdurch nicht hinnehmbare steuerliche Konsequenzen ergeben.
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Aber auch im Übrigen überzeugen die vom Finanzamt vorgebrachten Argumente nicht:
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Mit seiner Entscheidung vom 29.09.2021 (a.a.O.) hat der BFH klargestellt, dass bei Vorliegen einer Wertpapier-Leihe im Rahmen einer steuerlichen Betrachtung strikt zwischen der Sachdarlehensforderung und der buchhalterischen Erfassung der verliehenen und zurückgewährten Wertpapiere zu unterscheiden ist. Obgleich der Bewertung dieser beiden Wirtschaftsgüter noch einheitliche Grundsätze zu Grunde liegen, teilen sie im Übrigen in steuerlicher Hinsicht kein gemeinsames Schicksal. Insbesondere finden auf die Sachdarlehensforderung die Regelungen des § 8b KStG keine Anwendung, da insofern die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Die gegenteilige Auffassung des Finanzamts ist weder vom Gesetzeswortlaut des § 8b KStG noch vom BFH-Urteil vom 29.09.2001 (a.a.O.) gedeckt.
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Soweit das Finanzamt argumentiert, der historische Gesetzgeber hätte die Vorschrift des § 8b KStG in Bezug auf die Steuerfreiheit von Wertaufholungen anders gefasst, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass die Wertpapier-Leihe in späteren Jahren große Verbreitung finden würde, ist dem nicht zu folgen. Gegen dieses Argument spricht insbesondere, dass der Gesetzgeber bis jetzt keine Veranlassung gesehen hat, den Wortlaut des § 8b KStG in der vom Finanzamt angestrebten Form zu ändern. Offenbar geht auch der Gesetzgeber insofern von keiner planwidrigen Gesetzeslücke aus.
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Die zahlreichen Änderungen des § 8b KStG, die der Gesetzgeber inzwischen im Hinblick auf die Wertpapier-Leihe vorgenommen hat, betreffen nicht die vorliegende Konstellation. Angesichts der detaillierten Bestimmungen ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um abschließende Regelungen handelt, die in nur äußerst eingeschränktem Umfang einer dem Wortlaut entgegenstehenden Gesetzesauslegung zugänglich sind.
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Der persönliche Anwendungsbereich des § 8b KStG ist beschränkt auf die Gesellschaften, die dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen. Bereits daraus ergibt sich, dass § 8b KStG nicht das Ziel der Rechtsformneutralität verfolgt.
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Soweit das Finanzamt in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 GG geregelten Gleichheitsgebotes sieht, ist dem entgegenzuhalten, dass die Methodik der Besteuerung von Körperschaften und Personengesellschaften sowie natürlichen Personen erhebliche Unterschiede aufweist. Ob die teilweise abweichende Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen tatsächlich zu einem Verstoß des Art. 3 Abs. 1 GG führt, kann nicht an einer einzelnen Gesetzesvorschrift festgemacht werden. Der erkennende Senat sieht keine Anhaltspunkte, dass alleine aufgrund des § 8b KStG die steuerliche Leistungsfähigkeit der Klägerin in nicht mehr hinzunehmender Weise gegenüber einer Privatperson beeinträchtigt / bevorzugt würde. Gleiches gilt auch in Bezug auf das vom Finanzamt gebildete Beispiel, in dem die Anteile an der Gesellschaft, die die steuerfreie Wertaufholung ihrer Wertpapiere vornimmt, von einer anderen Körperschaft gehalten werden und die den Gewinn aus einer Anteilsveräußerung bzw. aus einer Wertaufholung zwingend in vollem Umfang zu versteuern habe.
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Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen, da dem Klageantrag unter Berücksichtigung des ursprünglichen Antrags sowie des im Rahmen der Klageänderung vorgebrachten Antrags nahezu vollumfänglich zu entsprechen war (§ 135 Abs. 1 FGO).
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Die Tätigkeit eines Bevollmächtigten im Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Klägerin sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob § 8b Abs. 2 KStG auf gestiegene Aktienwerte Anwendung findet, wenn die vorhergehende Minderung des Aktienkurses zu einer Zeit erfolgt war, als sich die gegenständlichen Aktien wegen einer „Wertpapier-Leihe“ nicht im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen befanden, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.