Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 31.07.2024 – B 8 E 24.604
Titel:

Keine vorläufige Wohngeldbewilligung mangels ausreichender Mitwirkung

Normenketten:
SGB I § 66 Abs. 1, § 67
WoGG § 1 Abs. 2, Abs. 3, § 19
VwGO § 123
Leitsatz:
Kontoauszüge sind für die Einkommensermittlung bei einem Wohngeldantrag erforderlich und können eingefordert werden; die Vorlage unvollständiger Detail-Druckansichten oder Umsatzanzeigen eines Kontos genügt dafür nicht. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mitwirkungspflichten, Gewährung von Wohngeld, Wohngeld, Mitwirkung, Kontoauszug, Umsatzanzeige
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24695

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige Leistung von Wohngeld in Form eines Mietzuschusses für die Monate ab Oktober 2023.
2
Mit am 19.10.2023 unterschriebenem Formblatt beantragte die Antragstellerin Wohngeld für eine von ihr als Hauptmieterin bewohnte Wohnung in der Größe von ca. 97 qm und einer Warmmiete von 600,00 EUR. Der Mietvertrag (Beginn 01.12.2018, unterschrieben am 20.12.2018) wurde vorgelegt. Die Antragstellerin ist nicht erwerbstätig und bewohnt die Wohnung mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem Lebensgefährten (arbeitslos gemeldet).
3
Mit Schreiben vom 23.01.2024 (Bl. 85) bat der Antragsgegner nach Prüfung der Unterlagen die Antragstellerin unter Hinweis auf Ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) noch fehlende Angaben zu machen bzw. weitere Unterlagen einzureichen (vom Vermieter ausgefüllte Mietbescheinigung, Arbeitslosengeldbescheid des Lebensgefährten, falls über den Antrag bereits entschieden ist, Bewilligungs- oder Ablehnungsbescheid bezgl. des Kinderzuschlags Kindergeldnachweis (= aktueller Bewilligungsbescheid), Information, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt wird, ggf. diesbezügliche Einkommensnachweise).
4
Die Antragstellerin legte daraufhin Umsatzdetails eines Sparkassenkontos vor (gestempeltes Eingangsdatum beim Landratsamt … 27.03.2024); es handelte sich dabei um Ausdrucke der erhaltenen Zahlungen des Arbeitsamtes für den Lebensgefährten der Antragstellerin für die Monate Dezember 2023 bis Februar 2024, die Bescheide über Arbeitslosengeld I und Kinderzuschlag sowie Quittungen über die Barzahlung der Kalt-Miete (450,00 EUR) von September 2023 bis Februar 2024 (Bl. 75 – 80). Letztere waren alle nachträglich am 15. März 2024 ausgestellt worden. Nach dem Mietvertrag (Bl. 63) ist die Miete monatlich zu zahlen. Ferner ergibt sich aus dem Arbeitslosengeld I-Bescheid, dass gegen den Lebensgefährten der Antragstellerin, Herrn …, eine dreimonatige Sperrzeit verhängt wurde (Bl. 60 – 62).
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Mit Schreiben vom 22.02.2024 wurde die Antragstellerin unter Fristsetzung bis zum 27.03.2024 und erneutem Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 SGB I aufgefordert, noch fehlende Angaben zu machen bzw. noch weitere Unterlagen einzureichen. Es fehle die Angabe, ob der Lebensgefährte der Antragstellerin in der Vergangenheit schon einmal Arbeitslosengeld/-hilfe bezogen hat und ggf. die Zusendung des Bescheides. Es würden weiter die Kontoauszüge von allen Konten und allen Haushaltsmitgliedern der Monate Oktober bis Dezember 2023 fehlen.
6
Mit Schreiben vom 27.03.2024 wurde die Antragstellerin unter Hinweis auf Ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 60 Abs. 1 SGB I nochmals aufgefordert, die bereits angeforderten Angaben und Unterlagen vollständig bis spätestens 15.04.2024 einzureichen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die vorlegten Mietzahlungsnachweise für die Monate September 2023 bis Februar 2024 allesamt am 15.03.2024 nachträglich erstellt worden seien; diese könnten somit nicht anerkannt werden. Es sei von der Antragstellerin darzulegen, wann die Mietzahlung bei ihrem Vermieter eingegangen sei. Es fehle auch die Angabe, ob die Antragstellerin noch weitere Einnahmen (z.B. Unterstützung durch Verwandte, Bekannte oder Freunde, Zinseinkünfte, Nebenjob o.ä.) habe.
7
Mit Bescheid vom 19.04.2024, zur Post gegeben am 20.04.2024, wurde der Antrag vom 23.10.2023 auf Gewährung von Mietzuschuss für die Zeit ab 01.10.2023 versagt.
8
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 60 SGB I derjenige, welcher Sozialleistungen beantragt, alle Tatsachen anzugeben habe, die für die Leistung erheblich seien, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen sowie Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, unverzüglich mitzuteilen habe. Er habe Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
9
Trotz der Aufforderung, die für die Bearbeitung des Antrags auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz erforderlichen Unterlagen bis spätestens 15.04.2024 vorzulegen und dem Hinweis auf die Folgen unterbliebener Mitwirkung, stünden für die Bemessung des Wohngeldanspruchs notwendige Unterlagen und Angaben noch immer aus. Nicht beantwortet sei die Frage, ob der Lebensgefährte der Antragstellerin in der Vergangenheit schon einmal Arbeitslosengeld/-hilfe bezogen habe. Auch die Kontoauszüge von allen Konten und allen Haushaltsmitgliedern der Monate Oktober bis Dezember 2023 würden noch fehlen. Druckansichten oder Umsatzanzeigen seien nicht ausreichend. Auch sei ersichtlich, dass die vorgelegten Mietzahlungsnachweise für die Monate September 2023 bis Februar 2024 allesamt am 15.03.2024 nachträglich erstellt worden seien. Diese könnten somit nicht anerkannt werden. Es sei darzulegen, wann die Mietzahlung bei dem Vermieter eingegangen sei. Auch fehle die Angabe, ob es noch weitere Einnahmen gebe (z.B. Unterstützung durch Verwandte, Bekannte oder Freunde, Zinseinkünfte, Nebenjob o.ä.). In gleichgelagerten Fällen versage die Wohngeldbehörde ganz oder teilweise das Wohngeld, wenn die notwendigen, angeforderten Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorgelegt würden und die Sachverhalte damit nicht in der Weise aufgeklärt werden können, dass eine rechtmäßige Entscheidung möglich sei. Der sorgsame Umgang mit Steuergeldern verbiete darüber hinaus die Ausreichung von nicht zustehenden Wohngeldleistungen.
10
Mit Schreiben vom 15.05.2024 bat die Antragstellerin beim Antragsgegner um eine vorläufige Leistungsbewilligung von Wohngeld bzgl. des im Oktober 2023 gestellten Wohngeldantrags, falls der endgültige Bescheid noch länger dauern sollte.
11
Mit Schreiben vom 17.05.2024 setzte der Antragsgegner unter Hinweis auf seine mit Schreiben vom 22.02. und 27.03.2024 angeforderten Angaben und Unterlagen sowie auf den Bescheid vom 19.04.2024 eine weitere Frist bis spätestens 10.06.2024, um erneut über den Antrag entscheiden zu können.
12
Mit Schreiben vom 05.06.2024 bat die Antragstellerin den Antragsgegner um Übersendung des Bescheids vom 19.04.2024, da sie diesen nicht bekommen habe. Ihr Lebensgefährte habe von Oktober bis Dezember 2023 keine Einnahmen gehabt, da er vom Arbeitsamt gesperrt gewesen sei. Von ihrem Vater erhalte die Antragstellerin Kleinstbeträge als Unterstützung (120,00 bis 130,00 EUR im Monat). Sie bat darum, die Paragraphen mitzuteilen, aus denen sich ergebe, dass im Nachhinein ausgestellte Quittungen über die Mietzahlungen nicht anzuerkennen seien. Sie habe ein jahrelanges Vertrauensverhältnis zu ihrem Vermieter und behellige ihn nicht jeden Monat mit Quittungen. Es verstehe sich von selbst, dass sie nicht mietfrei wohne, sondern ihre monatlichen Wohnkosten decken müsse. Das sei schwierig, wenn der Antrag seit Oktober 2023 in Bearbeitung sei.
13
Zeitgleich reichte die Antragstellerin das Schreiben vom 05.06.2024 gemeinsam mit einer unterschriebenen Begründung ihres Eilantrags am 14.06.2024 beim Sozialgericht … ein. Ihren Wohngeldantrag begründete die Antragstellerin damit, dass sie diesen am 23.10.2023 gestellt habe und dann monatelang nichts gehört habe, bis sie aufgefordert worden sei, Kontoauszüge einzureichen, was sie auch unverzüglich getan habe. Dann habe sie längere Zeit nichts gehört. Sie habe im Mai an die Antragsgegnerin geschrieben, um schnelle Bearbeitung und einen vorläufigen Bescheid mit einem Vorschuss gebeten, da der Anspruch anscheinend bestehe, nur die Bearbeitung sich noch etwas hinzöge. Sie habe danach ein Schreiben bekommen, in dem mitgeteilt worden sei, dass noch mehr Kontoauszüge nötig seien und die Quittungen des Vermieters nicht anerkannt würden, weil diese alle an einem Tag ausgestellt seien. Sie habe ein Vertrauensverhältnis mit dem Vermieter und wohne nicht mietfrei. Einen Bescheid habe sie nie erhalten. Jetzt habe sie das Problem, dass im Juni der Kinderzuschlag auslaufe, bei dem sie für die Weiterbewilligung auf einen positiven Bescheid der Wohngeldbehörde angewiesen sei. Mit Wohngeld und Kinderzuschlag könnten sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und seien nicht auf Bürgergeld angewiesen.
14
Mit Beschluss des Sozialgerichts vom 25.06.2024 wurde das Verfahren an das Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen, wo die Streitsache am 09.07.2024 eingegangen ist.
15
Das Verwaltungsgericht legte das Schreiben vom 05.06.2024 und das Schreiben an das Sozialgericht als Antrag nach § 123 VwGO aus.
16
Mit Schreiben vom 12.07.2024 nahm der Antragsgegner zu dem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Wohngeldgesetz Stellung und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
17
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Wenn, wie hier, die Hauptsache vorweggenommen werde, würden hinsichtlich des Anordnungsgrunds gesteigerte Anforderungen gelten. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei danach nur dann geboten, wenn andernfalls die soziale, berufliche oder wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin gefährdet sei. Einen drohenden Wohnungsverlust trage die Antragstellerin aber nicht vor. Das Ende der Bewilligung des Kinderzuschlags im Juni führe zu keinem Anordnungsgrund. Nach § 6a BKGG sei ein Wohngeldbescheid für eine Weiterbewilligung des Kinderzuschlags nicht erforderlich.
18
Die Antragstellerin habe auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache müsse im Hinblick auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der Anspruch auf Leistungen nach dem WoGG begründet ist.
19
Die Antragstellerin habe jedenfalls derzeit keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem WoGG. Der Antragsgegner sei vielmehr wegen fehlender Mitwirkung der Antragstellerin gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I an der Aufklärung des Sachverhalts bzw. der Anspruchsvoraussetzungen nicht in der Lage, Wohngeld zu bewilligen. Solange die Antragstellerin dem nicht nachkomme, habe sie keinen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld (vgl. § 66 Abs. 1 SGB I). Die Antragstellerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weil sie keine aussagekräftigen Quittungen über die Barzahlung der Miete vorgelegt habe und deshalb nicht abschließend überprüft werden könne, ob es sich um ein ernsthaftes Mietverhältnis handele; es fehle, für welche Monate Miete gezahlt worden sei. Auch die Frage, ob ihr Lebensgefährte schon einmal Arbeitslosengeld I bezogen habe, habe die Antragstellerin nicht beantwortet; der Antragsgegner müsse aber prüfen, ob der Lebensgefährte bereits zum zweiten Mal eine Sperrzeit erhalten habe und somit eine Teilversagung von Wohngeld in Betracht käme (vgl. Nr. 21.34 WoGVwV). Auch habe die Antragstellerin erst im Schreiben vom 05.06.2024 mitgeteilt, Unterstützung von ihrem Vater zu erhalten; diese Zahlungen seien jedoch nach § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG als wiederkehrende Leistungen zu berücksichtigen.
20
Mit Schreiben vom 16.07.2024 ergänzte die Antragstellerin ihre Angaben. Sie habe auf das Anforderungsschreiben vom 23.01.2024 hin die fehlenden Unterlagen eingereicht, könne jedoch nur Umsatzanzeigen ausdrucken (worauf alles ersichtlich sei). Sie sei am Kontoauszugsdrucker gewesen. Sie sei auf ihr reines Online-Konto verwiesen worden. Auch zahle sie monatlich ihre Miete. Die Quittungen des Vermieters seien zu akzeptieren. Der Vermieter habe die Mietbescheinigung ausgefüllt, die Quittungen erstellt und der Wohngeldstelle übersandt.
21
Ihr Lebensgefährte beziehe zum ersten Mal Arbeitslosengeld. Somit sei er vorher auch nie gesperrt gewesen. Den Versagungsbescheid erbitte sie nochmals, da sie diesen nicht bekommen habe. Ihr Vermieter und sie würden sich gut kennen; er sei aber keine Wohlfahrt. Natürlich wolle er seine Mieteinnahmen. Es würde mit Arbeitslosengeld I und einem Minijob schwierig, die Miete jeden Monat pünktlich und in voller Höhe zu stemmen.
22
Kinderzuschlag werde dann gewährt, wenn ein Mindesteinkommen (genauso wie Wohngeld auch) vorhanden sei und mit diesen zusätzlichen Hilfen ein Bürgergeldbezug verhindert werden könne. Dies sei der Fall, wenn die Wohngeldstelle den Antrag bewilligen würde.
23
Mit Schreiben vom 25.07.2024 nahm der Antragsgegner nochmals ausführlich Stellung. Die Antragstellerin habe nach wie vor keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da kein drohender Wohnungsverlust ersichtlich sei.
24
Nach wie vor habe sie keine aussagekräftigen Quittungen über die Barzahlung der Miete vorgelegt und damit ein ernsthaftes Mietverhältnis nicht glaubhaft dargelegt, was Voraussetzung für einen Anspruch auf Wohngeld sei. Laut Mietvertrag soll die Miete monatlich auf das Konto des Vermieters überwiesen werden. Der Antragsgegner ist bereit, auch nachträgliche Quittungen über die Barzahlung anzuerkennen, wenn sie die Höhe der Mietzahlung, den Monat, für den die Miete gezahlt wurde, das Datum der Barzahlung angeben und vom Vermieter unterschrieben sind. Voraussetzung für die Anerkennung der Quittungen sei, dass die Antragstellerin plausibel darlege, dass sie die Miete aus den vorhandenen finanziellen Mitteln zahlen konnte. Dazu sei die Vorlage der Kontoauszüge Oktober bis Dezember 2023 für das Online-Konto bei der Sparkasse … erforderlich. Wenn die Antragstellerin erkläre, dass sie und ihre Haushaltsmitglieder keine weiteren Konten haben, würde der Antragsgegner diese Angabe akzeptieren, wenn sich aus den Kontoauszügen des Sparkassen-Online-Kontos nichts Gegenteiliges ergebe. Die Vorlage der Kontoauszüge sei auch zur Einkommensermittlung gemäß §§ 19, 13ff WoGG erforderlich und könne im Rahmen des § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I eingefordert werden. Nach Auskunft der Sparkasse … sei auch bei Online-Kontos immer auch der Kontoauszug (Monatsübersicht) online einsehbar und könne heruntergeladen und ausgedruckt werden. Die Antragstellerin könne, wenn sie die Funktionen nicht kenne, sich von der Sparkasse beraten lassen. Zudem könnten bei der Sparkasse Kontoauszüge (immer Monatsumsätze) individuell angefordert werden. Die Sparkasse schicke sie per Post zu. Die Angabe der Antragstellerin, dass sie finanzielle Unterstützung von ihrem Vater in Höhe von 120,00 € bis 130,00 € monatlich erhalte, werde der Antragsgegner ohne die Anforderung weiterer Belege bei der Einkommensberechnung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG berücksichtigen, es sei denn, aus den o.g. Kontoauszügen ergebe sich Gegenteiliges.
25
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie das Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
26
Das Schreiben der Antragstellerin vom 05.06.2024 inklusive der anhängenden unterschriebenen Begründung des Eilantrags ist bei gebotener sachdienlicher Auslegung (§ 88 i.V.m. § 122 VwGO) dahin zu verstehen, dass die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung begehrt, dass der Antragsgegner zur Zahlung von Wohngeld gemäß § 26 WoGG bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den Wohngeldanspruch verpflichtet wird.
27
1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
28
Wohngeld wird gemäß § 1 Abs. 2 Wohngeldgesetz (WoGG) zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens als Mietzuschuss oder Lastenzuschuss für den selbst genutzten Wohnraum geleistet.
29
a) Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechtes, den sog. Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
30
Das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll nicht die Hauptsache vorwegnehmen, d.h. der Antragsteller soll nicht bereits das erhalten, was er im Hauptsacheverfahren erhalten kann, wenn seinem Rechtsbehelf entsprochen wird. Dies gilt insbesondere bei Gewährung von Geldleistungen (Sozialleistungen), bei denen eine Rückforderung zumindest faktisch ausgeschlossen erscheint.
31
Streng genommen handelt es sich im vorliegenden Verfahren sogar um eine Überschreitung der Hauptsache, da gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung – wie hier – grundsätzlich nur die (reine) Anfechtungsklage gegeben ist (vgl. Spellbring in: Rolfs//Körner/Krasney/Mutschler, Kasseler Kommentar, SGB I, Stand: 1.8.2019, § 66 Rn. 46 m.w.N.).
32
Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist von dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache (und erst recht bei einer Überschreitung der Hauptsache) nur dann abzusehen, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, wenn also ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Hauptsache spricht. Im Bereich von Geldleistungen kann eine vorläufige Regelung angezeigt sein, wenn der Antragsteller infolge unterbliebener Leistungen in wirtschaftliche Not gerät oder seine Unterkunft zu verlieren droht, z.B. dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges eintreten werden und dass eine Kündigung sowie eine Räumungsklage des Vermieters zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 123 Rn. 14; BVerfG, B.v. 30.4.2008 – 2 BVR 338/08 – juris. BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 7 VR 6/11 – juris Rn. 6; 12; BayVGH, B.v. 14.11.2017 – 12 CE 17.2012 – juris Rn. 3 m.w.N.; OVG Lüneburg, B.v. 18.4.2024 – 14 ME 66/24 – juris).
33
Für vergangene Zeiträume ist der Unterkunftsbedarf stets als gedeckt anzusehen, weshalb die Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung regelmäßig nur für die Gegenwart und die nahe Zukunft bestehen kann. Hinsichtlich nicht gewährter Wohngeldleistungen für die Vergangenheit ist es daher in der Regel zumutbar, diese in einem Hauptsacheverfahren zu erstreiten (vgl. VG München, B.v.6.5.2014 – M 22 E 14.509, M 22 K 14.508 -juris).
34
b) Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihr begehrte vorläufige Regelung (Gewährung von Wohngeld für den vergangenen Zeitraum ab 01.10.2023 und bis zum Ende des Bewilligungszeitraums am 30.09.2024) dringend notwendig ist. Es fehlt somit bereits an einem Anordnungsgrund.
35
Ein Anordnungsgrund für Leistungen von Wohngeld für einen vergangenen Zeitraum ist nur bei Vortrag eines besonderen Ausnahmefalls gegeben. Ein solcher Ausnahmefall wird angenommen, wenn die Nichtleistung in der Vergangenheit bis in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage zur Folge hat (s.o.). Eine vorläufige Gewährung von Wohngeld im Wege der einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ohne dessen Leistung der Teilbetrag der Miete oder der Belastung, der andernfalls durch Wohngeld finanziert würde, vom Antragsteller nicht mehr aufgebracht werden könnte und deshalb zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht entscheidet, mit dem Verlust der Wohnung zu rechnen wäre (vgl. OVG Lüneburg B.v. 18.4.2024 – 14 ME 66/24 – juris Rn. 6).
36
Diese Voraussetzungen liegen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vor. Vorliegend wurde nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verlust der Wohnung drohen wird. Die Antragstellerin trägt diesbezüglich nichts vor. Ein drohender Verlust der Wohnung ist aus dem Sachverhalt auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass sie mit ihren Mieten in einer eine Kündigung rechtfertigenden Weise im Rückstand ist (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 549 Abs. 1, § 569 Abs. 3 BGB), so dass auch nichts dafür steht, dass mit einer baldigen Räumungsklage zu rechnen wäre (vgl. OVG NRW, B.v. 7.5.2021 – 12 B 520/21 – juris Rn. 19 m.w.N.). Im Schreiben vom 16.07.2024 führte die Antragstellerin lediglich aus, dass ihr Vermieter keine „Wohlfahrt“ sei.
37
Die Antragstellerin führte zudem aus, dass das Ende der Bewilligung des Kinderzuschlags im Juni 2024 zu einem Anordnungsgrund führe. Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ist ein Wohngeldbescheid jedoch für die Weiterbewilligung des Kinderzuschlags nicht erforderlich.
38
Eine wirtschaftliche Notlage ist somit nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen.
39
c) Auch ein Anordnungsanspruch wurde nach summarischer Prüfung bislang nicht glaubhaft gemacht.
40
Wegen der begehrten Vorwegnahme (bzw. Überschreitung, s.o.) der Hauptsache muss im Hinblick auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der mit einer Hauptsache verfolgte Anspruch auf Gewährung von Wohngeld gemäß § 1 Abs. 2, 3 WoGG i.V.m. § 19 WoGG begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris Rn. 24 f.).
41
Die Bestandskraft des Bescheids vom 19.04.2024 hindert den Anspruch der Antragstellerin grundsätzlich nicht. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Sozialleistungsträger (hier der Antragsgegner, der Träger der Wohngeldstelle ist) eine Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt hat, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird. Gegenstand eines Rechtsstreites, der sich gegen einen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I erlassenen Bescheid richtet, ist nicht die Sozialleistung als solche, sondern die Frage, ob die Behörde die Leistung zu Recht wegen fehlender Mitwirkung versagt hat. Folge der Bestandskraft eines auf § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I gestützten Bescheides ist somit nicht der endgültige Verlust der Leistung, vielmehr kann diese nach Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung nachträglich gewährt werden (§ 67 SGB I) (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.9.2011 – AN 14 K 11.00952 – BeckRS 2011, 31105).
42
Die Frage, ob der Bescheid vom 19.04.2024 in Bestandskraft erwachsen ist, ist hier mangels Nachweises in den Akten zwar nicht zu klären, da lediglich der Hinweis in den Akten enthalten ist, „zur Post gegeben am 20.04.2024“; darauf kommt es jedoch für die beantragte vorübergehende Leistungsgewährung nicht an, wenn die Antragstellerin nachträglich die erforderlichen Mitwirkungshandlungen nachgeholt hat. Das hat der Antragsgegner auch durch das Schreiben vom 17.05.2024 zu erkennen gegeben, da er wieder in die Prüfung einsteigt und nochmals Unterlagen nachgefordert hat.
43
Ein Anspruch auf Wohngeld besteht derzeit jedoch nicht, da der Antragsgegner zu Recht den Mietzuschuss wegen fehlender Mitwirkung der Antragstellerin nach § 66 Abs. 1 SGB I versagt hat und auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine neuen Gründe vorliegen, die zu einer anderen Beurteilung führen.
44
Nach § 66 Abs. 1 SGB I kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind und nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen.
45
Da die angeforderten Unterlagen von der Antragstellerin nicht oder nicht vollständig vorgelegt, bzw. die vorgelegten Fragen nicht oder nicht vollständig innerhalb der Frist beantwortet wurden, ist dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes, ohne hinreichende Gründe zu nennen, erheblich erschwert worden. Sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen ist die Antragstellerin nicht gehindert gewesen, die von ihr verlangten, zumutbaren Mitwirkungshandlungen durchzuführen. Die Wohngeldbehörde kann die benötigten Daten auch nicht mit geringerem Aufwand als die Antragstellerin selbst beschaffen.
46
Die Antragstellerin hatte trotz mehrfacher Aufforderungen mit angemessener Fristsetzung und trotz des Hinweises auf die Rechtsfolge der Versagungsmöglichkeit (§ 66 Abs. 3 SGB I) bis zum Bescheidserlass nicht mitgeteilt, ob ihr Lebensgefährte in der Vergangenheit schon einmal Arbeitslosengeld bezogen hat. Dies ist für die Prüfung, ob eine Teilversagung von Wohngeld in Betracht kommt, relevant (vgl. Nr. 21.34 Wohngeld-Verwaltungsvorschrift – WoGVwV); danach ist die Inanspruchnahme des Wohngeldes als missbräuchlich ganz oder zum Teil abzulehnen, wenn zu berücksichtigenden Haushaltsmitgliedern zuzumuten ist oder war, durch Aufnahme einer Arbeit zur Erhöhung des Gesamteinkommens so weit beizutragen, dass die Miete oder Belastung ganz oder zu einem höheren Anteil tragbar wird.
47
Das eingeräumte Ermessen wurde von der Antragsgegnerin bei Erlass des Bescheids gemäß § 66 Abs. 1 SGB I rechtmäßig dahingehend ausgeübt, den Wohngeldantrag versagen.
48
Es liegen auch nach Erlass des Versagungsbescheids keine ausreichenden Gründe vor, um zu einer anderen Beurteilung zu gelangen.
49
Nach Erlass des Versagungsbescheids erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.06.2024, dass sie von ihrem Vater finanzielle Unterstützung (120,00 bis 130,00 EUR im Monat) erhalte. Beim gemäß § 14 WoGG für die Bemessung des Wohngeldes maßgeblichen Jahreseinkommen werden gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 19 Hs. 1 WoGG auch die Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1 EStG, die der wohngeldberechtigten Person von einer natürlichen oder juristischen Person gewährt werden, die nicht Haushaltsmitglied ist, eingerechnet.
50
Nach Erlass des Versagungsbescheids erklärte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.07.2024 auch, dass ihr Lebensgefährte zum ersten Mal Arbeitslosengeld bezieht. Hinsichtlich dieser Aspekte kam die Antragstellerin nachträglich ihrer Mitwirkungspflicht nach. Die Kontoauszüge von allen Konten und allen Haushaltsmitgliedern der Monate Oktober bis Dezember 2023 fehlen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nach wie vor. Vorgelegt wurden nur einzelne Umsatzdetail-Druckansichten eines Kontos, wohl des Lebensgefährten der Antragstellerin, nicht aber die vollständigen Kontoauszüge von allen Konten von allen Haushaltsmitgliedern. Unvollständige Detail-Druckansichten oder Umsatzanzeigen sind nicht ausreichend, um die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vollumfänglich prüfen zu können (vgl. § 24 Abs. 2 WoGG). Da es möglich ist, sich auch bei Online-Konten die Kontoauszüge zu beschaffen und diese für die Einkommensermittlung gemäß § 19, 12 ff. WoGG erforderlich sind und somit gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1, 3 SGB I eingefordert werden können (vgl. BSG, U.v. 19.9.2008 – B 14 AS 45/07 R), fehlt es nach wie vor an einer Mitwirkungshandlung, die für die Bewilligung von Wohngeld notwendig ist.
51
Auch bleibt zweifelhaft, ob die vorlegten Mietzahlungsnachweise für die Monate September 2023 bis Februar 2024, allesamt am 15. März 2024 nachträglich erstellt, als Nachweise für die monatlichen Mietzahlungen anerkannt werden können. Im Zusammenhang mit den fehlenden Kontoauszügen der Antragstellerin ist schon deshalb nicht nachzuvollziehen, ob es Kontobewegungen gegeben hat, die z.B. mit den Mietzahlungen an den Vermieter im Zusammenhang stehen. Die Antragstellerin muss plausibel darlegen, ob sie die Miete aus den vorhandenen finanziellen Mitteln zahlen konnte.
52
Trotz der jetzt zusätzlich vorliegenden Informationen, dass die Antragstellerin Unterstützung von ihrem Vater bekommt und dass der Lebensgefährte der Antragstellerin zum ersten Mal Arbeitslosengeld bezieht, besteht daher auf Grund der weiterhin fehlenden Kontoauszüge aller Haushaltsmitglieder keine gesicherte Tatsachengrundlage, um die Wohngeldberechtigung und ggf. die Höhe des Wohngeldes ordnungsgemäß zu prüfen. Die Mitwirkungspflicht wurde auch nachträglich noch nicht erfüllt (§ 67 SGB I).
53
Damit sind die Grenzen der Ermittlungsverpflichtungen, die der Wohngeldbehörde in Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag einer zeitnahen Sicherstellung des Wohngeldes zumutbar sind, erreicht. Durch die objektiv fehlende Mitwirkung im Verfahren kann nicht festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung bei der Antragstellerin vorliegen.
54
Da die Versagung des Wohngeldes nach summarischer Prüfung rechtmäßig erscheint, hat die Antragstellerin auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
55
Der Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist abzulehnen.
56
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei (BVerwG, U.v. 23.4.2019 – 5 C/18 – juris).