Titel:
Sekundärmigration Griechenland, junger, arbeitsfähiger Mann, realistische Beschäftigungsmöglichkeiten, Arbeitskräftemangel in Griechenland
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AsylG § 36 Abs. 4 Satz 1
EMRK Art. 3
GrCh Art. 4
GG Art. 19 Abs. 4
Schlagworte:
Sekundärmigration Griechenland, junger, arbeitsfähiger Mann, realistische Beschäftigungsmöglichkeiten, Arbeitskräftemangel in Griechenland
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24685
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18.07.2024 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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Der Antragsteller ist syrischer Staatangehöriger mit arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 23.01.2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16.04.2024 einen Asylantrag.
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Das Bundesamt brachte im Verwaltungsverfahren in Erfahrung, dass dem Antragsteller in Griechenland am 19.09.2023 internationaler Schutz gewährt wurde (vgl. Bl. 4 d.A.).
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Im Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gab der Antragsteller u.a. an, er habe sein Herkunftsland Anfang Juni 2021 erstmalig verlassen, die Reise bis nach Deutschland habe ihn durch die Länder Türkei, Griechenland und Belgien geführt und die Reise habe ca. 3,5 Jahre gedauert. An Verkehrsmitteln habe er das Flugzeug sowie Bus und Pkw benutzt, sei auch zu Fuß unterwegs gewesen. Nach Griechenland sei er am 20.07.2023 eingereist und habe sich dort ca. drei Monate auf der Insel Kos aufgehalten. Er habe in Griechenland am 07.08.2023 internationalen Schutz beantragt. Dort seien ihm auch zweimal Fingerabdrücke abgenommen worden. Während seines 1,5-jährigen Aufenthalts in der Türkei, der nicht legal gewesen sei, habe der Antragsteller gearbeitet.
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Im Rahmen einer schriftlichen Befragung hinsichtlich der Gründe, die einer Rückkehr in sein Herkunftsland entgegenstünden, gab der Antragsteller sinngemäß an, es sei, seitdem er klein gewesen sei, sein Traum gewesen, nach Deutschland zu kommen und seine Zukunft aufzubauen. Er habe sein Land wegen des Krieges verlassen und sein Ziel sei Deutschland gewesen, aber leider sei er gezwungen worden, in Griechenland zu bleiben. Es sei ein schrecklicher Aufenthalt gewesen, er habe außerdem nicht arbeiten können. Er würde gerne hier die Sprache lernen und arbeiten und alles tun, um die Gelegenheit zu bekommen, seine Zukunft aufzubauen. Außerdem kümmere sich in Griechenland keiner um den Antragsteller. Hier gefielen dem Antragsteller die Menschenrechte und die Freiheit, die man in anderen Ländern nicht habe. Er habe sehr oft auf der Straße geschlafen und habe sehr viele drogenabhängige Leute getroffen.
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In der am 28.05.2024 durchgeführten Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrages gab der Antragsteller u.a. an, es sei richtig, dass er in Griechenland internationalen Schutz erhalten habe. Sie hätten ihn dazu gezwungen, Fingerabdrücke abzugeben. Er glaube, er sei am 20.07.2023 nach Griechenland eingereist und habe das Land vor ca. vier Monaten verlassen. Auf Frage, wo genau er in Griechenland gelebt habe, gab er an, erst in einem Camp, danach sei er dort rausgeworfen worden und sei zwei Nächte auf der Straße gewesen. Dann sei er weiter, weil ihm keiner geholfen habe. Auf Frage, wie er seinen Aufenthalt in Griechenland finanziert habe, gab er an, sie hätten jeden Tag Essen bekommen, manchmal auch nicht. Das sei Essen gewesen, das man nicht habe essen können. Sonst habe er nichts bekommen. Auf weitere Frage, ob er bereits in Griechenland persönlich zu seinen Fluchtgründen angehört worden sei, gab er an, ja, zwangsweise, er habe gesagt, er wolle das nicht. Auf Frage, welche Gründe es gebe, aus denen er nicht zurück nach Griechenland wolle, führt er aus, es gebe dort keine Sicherheit, keine Rechte, man bekomme keine Hilfe und Unterstützung. Er habe auf der Straße schlafen müssen. Alle hätten auf der Straße Drogen konsumiert. Er sei geschlagen worden. Er sei hier, um in Frieden und Sicherheit zu leben. Der Antragsteller verneinte die Frage, ob er Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder eine Behinderung habe. Auf Frage, ob es weitere Staaten gebe, in die er nicht überstellt werden wolle, gab er an, nein, er wolle hierbleiben. Seitdem er jung sei, habe er schon immer hierhin gewollt. Über schutzwürdige Belange, die im Rahmen der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots zu berücksichtigen seien, verfüge der Antragsteller nicht.
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Im Rahmen der vorsorglich durchgeführten Anhörung nach § 25 AsylG führte der Antragsteller u.a. aus, seine beiden Elternteile lebten in …, an weiteren Verwandten im Heimatland habe er die Großfamilie. Er habe die Schule bis zur 9. Klasse besucht und habe in der Gastronomie gearbeitet. Wehrdienst habe er in Syrien nicht geleistet, er habe das Land deswegen verlassen.
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Mit Bescheid vom 18.07.2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1). Es stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Griechenland abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Antragsteller dürfe nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbots wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei unzulässig. Ein Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt habe. Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes sei dem Antragsteller in Griechenland im Rahmen des Asylverfahrens am 19.09.2023 internationaler Schutz gewährt worden.
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Da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt werde, werde er nicht materiell geprüft. Der Entscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stehe im Falle des Antragstellers nicht entgegen, dass der EuGH im Urteil vom 19.03.2019 entschieden habe, dass eine Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, weil dem Antragsteller in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz gewährt wurde, nur dann möglich sei, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt werde, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem Mitgliedstaat erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK/Art. 4 GrCh zu erfahren. Der EuGH habe im Beschluss vom 13.11.2019 klargestellt, dass auch der Umkehrschluss gelte, dass ein Antrag bei Vorliegen solcher Voraussetzungen als zulässig anzusehen sei. Ungeachtet dessen sei im vorliegenden Fall die Ablehnung als unzulässig jedoch deshalb angezeigt, weil eine solche Menschenrechtsverletzung nicht drohe.
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Die derzeit schwierigen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Griechenland würden nicht verkannt, von einer allgemeinen Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Griechenland könne deswegen aber nicht ausgegangen werden. Weder sei eine Verletzung der in Art. 26 ff. der RL 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar, noch herrschten in Griechenland derart eklatante Missstände, welche die Annahme rechtfertigten, anerkannte Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK ausgesetzt. Dies werde auch von Teilen der deutschen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (wurde näher belegt) sowie im europäischen Kontext durch im einzelnen benannte Entscheidungen aus Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Norwegen so gesehen.
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Jede erniedrigende Behandlung müsse, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, ein Mindestmaß an Schwere erreichen. Es komme weder darauf an, ob die Lebensbedingungen in Griechenland mit denen in Deutschland vergleichbar seien, noch gebe Art. 3 EMRK dem Antragsteller einen Anspruch auf spezielle Leistungen. Von einem Verstoß sei für international Schutzberechtigte in Griechenland nicht auszugehen. Die Lebensbedingungen für diesen Personenkreis mögen in Griechenland zwar sehr schwierig sein, zumal die Personen - anders als die griechische Bevölkerung - in der Regel nicht über ein familiäres Netzwerk verfügten. Es herrschten allerdings nicht derart eklatante Missstände, die den Schluss zuließen, international Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Es liege keine Versorgungsverweigerung des griechischen Staates vor. Eventuelle Defizite genügten nicht, um eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Situation für international Schutzberechtigte in Griechenland anzunehmen.
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Als Maßstab für die Gefahrenprognose zur Feststellung eines Abschiebungsverbots müsse unter dieser Prämisse somit eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit zu Grunde gelegt werden, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Die besondere Höhe sei nach den Ausführungen des EuGH selbst dann noch nicht erreicht, wenn die Person große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse im Zielland erfahre. Diese besondere Höhe erreiche erst extreme materielle Not, durch welche die physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt werde oder eine so starke Verelendung eintrete, dass sie mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. In extremer materieller Not könnten die elementarsten Bedürfnisse, wie Ernährung, Hygiene und Unterkunft, unabhängig vom Willen und den persönlichen Entscheidungen der Person nicht mehr befriedigt werden. Der bloße Umstand, dass in einem anderen Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder Lebensverhältnisse günstiger seien als im Schutz gewährendem Mitgliedstaat, reiche hingegen nicht aus, um die besonderes hohe Schwelle der Erheblichkeit zu erreichen. Ebenso wenig sei das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat im Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gelte für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen.
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Das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinem Urteil vom 07.09.2021 im rechtlichen Ansatz mit der Berücksichtigungsfähigkeit nichtstaatlicher Hilfe oder Unterstützungsleistungen bei der Bewertung einer drohenden Verletzung von Art. 4 GrCh in dem zurück zu überstellenden Mitgliedstaat befasst und unter Verweis auf die Subsidiarität (mit-)staatlicher Erfüllungs- und Unterstützungsverantwortung sogar eine Berücksichtigungspflicht bejaht. In diesem Sinne lasse sich bereits der „Jawo-/Ibrahim-Rechtsprechung“ des Europäischen Gerichtshofes entnehmen, dass eine Art. 4 GrCh auslösende Schutzpflichtverletzung nicht unmittelbar an fehlende oder unzureichende, staatliche Leistungen geknüpft sei, sondern an die tatsächliche menschenwürdige Lage der Schutzberechtigten bei einer Rückkehr. Ebenso verpflichte Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten nicht, jeder ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Person ein Recht auf Unterkunft zu garantieren, und bärge auch keine allgemeine Verpflichtung, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, damit sie ein bestimmtes Lebensniveau behalten könnten. Demgemäß und in Anwendung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens könne eine drohende Schutzpflichtverletzung bei der vorzunehmenden Gefahrenprognose nur dann festgestellt werden, wenn gerade die zu erwartende Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaates zur Folge habe, dass die betroffenen Personen in eine Situation extremer materieller Not gerieten. Eine solche Ursächlichkeit könne aber bereits dann nicht angenommen werden, wenn der Situation extremer materieller Not durch eigene Handlungen (z. B. den Einsatz der eigenen Arbeitskraft) oder die Inanspruchnahme der Hilfs- oder Unterstützungsleistungen Dritter (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfe- oder Unterstützungsorganisationen) hinreichend begegnet oder diese abgewendet werden könne.
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Insoweit habe das VG Schwerin in seinem Urteil vom 14.09.2021 festgestellt, dass nach Griechenland zurückkehrende Schutzberechtigte auch nicht anders zu beurteilen seien wie in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte, die auf jegliche Sozialleistungen aus eigenem Antrieb verzichteten und in Griechenland verblieben. Mithin sei es zurückkehrenden Schutzberechtigten - welche die Angebote des griechischen Staates aus eigenem Antrieb nicht mehr angenommen hätten - zumutbar, einen erhöhten Aufwand betreiben zu müssen, um wieder in Griechenland Fuß zu fassen. Dies umfasse die Erlangung einer Unterkunft ebenso wie die Überwindung materieller Not durch die Erlangung sozialer Hilfen bis hin zur Erlangung einer bezahlten Tätigkeit. Ein längerer Voraufenthalt stehe der Annahme, dass eine Rückkehr nach Griechenland unmöglich sei, entgegen. Es sei anzunehmen, dass ein längerer Aufenthalt in Griechenland und damit einhergehende Kenntnisse über die Verhältnisse vor Ort eine Rückkehr nach Griechenland begünstigten.
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Zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten stünden Handreichungen und Online-Hilfsangebote, welche einen Überblick u.a. über vorhandene karitative Hilfsangebote geben, zur Verfügung. Caritas Hellas habe eine Broschüre herausgegeben, die wichtige Informationen und praktische Hinweise für Flüchtlinge und Schutzberechtigte in Griechenland in vier Sprachen enthalte. Der UNHCR stelle regelmäßig aktualisierte Handreichungen zu regionalen Hilfsangeboten in Athen und Thessaloniki zur Verfügung. Auf der Seite https://www.refugee.info/greece stünden aktuelle Informationen zu Unterkünften, Integrationsangeboten, Arbeitsgenehmigungen oder medizinischer Versorgung in Englisch, Arabisch und Farsi zur Verfügung. Neben ausführlichen Informationen gebe es weiterhin die Möglichkeit, individuelle Fragen über einen Chat zu stellen. Weiterhin stehe eine Datenbank mit Kontaktdaten zu in Griechenland tätigen NGOs, die nach Ort und Bereich (u.a. Versorgung mit Lebensmitteln, Notunterkünften, Ärzten und Krankenhäusern, Integrationsangeboten, Freizeitmöglichkeiten, Rechtsberatung, psychosoziale Unterstützung oder auch Sprachkurse und Sportangebote) gefiltert werden könnten, zur Verfügung.
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Die Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland habe sich insgesamt im Vergleich zu vorherigen Jahren verbessert. Es bestehe keine Verpflichtung durch europäisches Recht, einen Mindestversorgungsstandard sicherzustellen. Vielmehr habe sich der europäische Gesetzgeber bei Erlass der RL 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin entschieden, international Schutzberechtigte formal den Angehörigen des schutzgewährenden Staats gleich zu stellen.
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In Kenntnis des Umstands, dass international Schutzberechtigte - anders als die Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaats - regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügten noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen könnten, habe der europäische Gesetzgeber die Mitgliedstaaten nur dazu verpflichtet, international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie), medizinischer Versorgung (Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie) und Wohnung (Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie) nicht anders als die eigenen Staatsangehörigen (bzw. hinsichtlich des Zugangs zu Wohnraum nicht anders als andere sich rechtmäßig aufhaltende Drittstaatsangehörige) zu behandeln. Griechenland gewähre international Schutzberechtigten prinzipiell Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung und stelle sie damit der einheimischen Bevölkerung gleich. Vergewisserung bzgl. des Zugangs zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Anlagen im Mitgliedstaat nach Rückkehr werde durch die vorliegende Zusicherung Griechenlands erfüllt. Das griechische Migrationsministerium habe mit einem Schreiben vom 08.01.2018 explizit versichert, dass eine Aufnahme von Schutzberechtigten gemäß der europäischen Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) und unter Berücksichtigung des Art. 3 EMRK in jedem Einzelfall gewährleistet sei. Das Einhalten dieser Zusicherung sei im Jahr 2020 durch die griechischen Behörden gegenüber dem Bundesamt bekräftigt worden. International Schutzberechtigte in Griechenland hätten Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten unter den gleichen Voraussetzungen wie legal aufhältige Drittstaatsangehörige. Zum 01.01.2019 seien erstmals wohnungsbezogene Sozialleistungen eingeführt worden, seit dem 13.03.2019 könnten auf entsprechenden Online-Plattformen Anträge gestellt werden (wurde näher erläutert). Die Mehrheit der anerkannten Schutzberechtigten lebe weiter in Lagern (Container und Zelt) sowie Sammelunterkünften (z.B. angemieteten bzw. umfunktionierten Hotels und ehemaligen Krankenhäusern oder Schulgebäuden). Im Allgemeinen habe sich aufgrund abnehmender Zugangszahlen in 2021 die Situation in nahezu allen Flüchtlingsunterkünften in Griechenland deutlich verbessert (wurde zahlenmäßig näher erläutert). Weiter wird der Einfluss von ukrainischen Geflüchteten auf das griechische Aufnahmesystem erläutert wie auch verschiedene Hilfsprogramme (z.B. Helios II, ESTIA).
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Trotz näher erläuterter Schwierigkeiten sei Wohnraum grundsätzlich auf dem freien Wohnungsmarkt zu beschaffen. Eine staatliche Unterstützung oder Beratung sei hierbei zwar nicht vorhanden, allerdings unterstützten zahlreiche Vereine und Nichtregierungsorganisationen bei der Wohnungsfindung, der Überwindung von Sprachbarrieren und der Orientierung im griechischen System. Ein Verweis der anerkannten Schutzberechtigten in ländlichere Gegenden könne weiterhin zur Vermeidung von Obdachlosigkeit beitragen. So habe etwa die kirchliche Organisation Perichoresis in Katerini zahlreiche Wohnungen mit Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe und des UNHCR angemietet, die sie Flüchtlingen zur Verfügung stelle. Derzeit verfüge allein dieses Projekt über 124 Wohnungen, die 600 Personen Unterkunft bieten könnten. In Athen und Thessaloniki biete „Solidarity Now“ ergänzend Unterstützung bei einer temporären Unterbringung in Hotels und Privatunterkünften. Soziale Dienste, psychologische Unterstützung, Rechtsberatung und -vertretung, Familien-, Kinder- und Erwachsenenberatung sowie medizinische Dienste, würden von der gleichnamigen NGO ebenfalls angeboten.
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Obdachlosigkeit stelle nach allen bekannten Informationen kein Massenphänomen dar. Vereinzelte Obdachlose seien, insbesondere in Athen, zwar ein üblicher Anblick im Straßenbild, allerdings treffe dies nicht gehäuft auf. Zudem seien hiervon, soweit bekannt, zwar auch vereinzelt anerkannt Schutzberechtigte betroffen, aber ebenso seien hier u.a. illegale Migranten, abgelehnte Schutzsuchende, Griechen aus verschiedenen sozialen Milieus oder Angehörige der Sinti und Roma zu finden. Von Personen, die nach ihrer Anerkennung als Schutzberechtigte ihre bisherigen Unterkünfte hätten verlassen müssen, sei bekannt, dass diese nach kurzfristiger Obdachlosigkeit nach Kontrollen durch die Ordnungsbehörden wieder in staatliche Unterkünfte (u.a. Flüchtlingslager oder übergangsweise gemietete Hotels) gebracht worden seien. Die Stadt Athen habe zuletzt im Jahr 2018 Daten zur obdachlosen Bevölkerung veröffentlicht und angegeben, dass es 793 Obdachlose, von denen 353 auf den Straßen Athens lebten, gebe. Am 23.01.2022 habe die Stadt Athen gemeldet, dass aktuell in allen städtischen Obdachlosenunterkünften freie Kapazitäten verfügbar seien. In der größten Unterkunft nahe des Vathy-Platzes könnten ca. 400 Personen leben; dauerhaft seien hier aber nur ca. 175 Personen zu finden. Aufgrund eines starken Kälteeinbruchs seien zwar ca. 35 zusätzliche Personen hier lebend, aber man könne, auch mit den weiteren Unterkünften (in Patissia und Neos Kosmos, ca. 200 Plätze), allen Bedürftigen eine winterfeste Schlafstätte bieten. Auch der vor Ort agierende UNHCR sei weit davon entfernt, bezüglich der Rückführung von Schutzberechtigten nach Griechenland eine Warnung auszusprechen. Ferner böten NGOs Unterkünfte an, so beispielsweise Caritas Hellas, die in ganz Griechenland in Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung mehr als 300 dauerhafte Wohnungen anbiete und im Athener Stadtteil Neos Kosmos kostenlose gemischte Wohnprojekte für bis zu 50 Personen zur Verfügung stelle. In anderen Ballungszentren wie Thessaloniki stelle die kirchliche Organisation Perichoresis Migranten im Umland von Thessaloniki mehr als 100 Wohnungen im Rahmen ihres „Urban Housing Projekts“ zur Verfügung und habe nach eigenen Angaben ebenfalls freie Kapazitäten.
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International Schutzberechtigten werde grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie griechischen Staatsangehörigen medizinische Versorgung gewährt. Anders als Asylantragsteller (die frühestens nach sechs Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten könnten) hätten anerkannt Schutzberechtigte einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Im August 2023 habe die Arbeitslosenquote 10,9% betragen und sei somit trotz der pandemiebedingten Sondersituation sowie den Folgen des Ukrainekriegs und der Inflation in den letzten Jahren stark rückläufig gewesen; die Jugendarbeitslosigkeit habe laut EU-STAT im November 2021 hingegen bei mehr als 39% gelegen, so dass aufgrund der Konkurrenzlage, insbesondere bei mangelhaften oder fehlenden Sprachkenntnissen, die erfolgreiche Suche nach einer Arbeitsstelle erschwert sei.
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Dennoch erscheine der griechische Arbeitsmarkt derzeit auch für Flüchtlinge aufnahmefähig, ja sogar von der hierdurch bereitgestellten billigen Arbeitskraft abhängig zu sein. Dies gelte vor allem für saisonale und nicht-qualifizierte Arbeitsfelder. Erreichbar könnten Hilfsarbeiterjobs, insbesondere in der Tourismusbranche, sein. Nach Medienberichterstattung habe sich die griechische Tourismusbranche wieder vollständig erholt. Dies führe dazu, dass mehr als 50.000 Stellen in der Branche unbesetzt seien. Bei Saison-Jobs in der Tourismusbranche würden neben dem Gehalt vereinzelt sogar kostenlose Unterbringungsmöglichkeiten im Hotel selbst oder in dessen Nähe angeboten. Auch im Zusammenhang mit Geflüchteten aus der Ukraine werde berichtet, dass bereits etliche der Geflüchteten für die Sommersaison Arbeit im Tourismussektor auf den Urlaubsinseln gefunden hätten. Oftmals erfolge eine Anstellung als Saisonarbeiter. Daraus könne allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK geschlossen werden. Es werde nicht verkannt, dass die Arbeitsbelastung in den Sommermonaten hoch sei. Der Verdienst aus den Sommermonaten könne zur Überbrückung der Winterzeit genutzt werden. Darüber hinaus werde eine Verlängerung der Saison seitens der griechischen Regierung angesprochen und begrüßt. Die Verlängerung der Saison trage zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation bei. Zusätzlich könne im Winter eine Anstellung in der Landwirtschaft z.B. bei der Olivenernte angestrebt werden. Anerkannt Schutzberechtigte hätten Zugang zu den meisten in Griechenland verfügbaren Sozialleistungen, solange sie die formalen Voraussetzungen erfüllten. Somit gelte auch hier der von der Qualifikationsrichtlinie geforderte Grundsatz der Inländergleichbehandlung (wird näher erläutert).
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Gesonderte staatliche Maßnahmen zur Integrationsförderung, Kommunikations- und Übersetzungshilfe oder Sozialarbeit für anerkannte Schutzberechtigte bestünden derzeit noch nicht. Wie bereits erwähnt, versuchten verschiedene NGOs, das staatliche Angebot in allen Bereichen der Integration (Unterkunft, Gesundheitsversorgung, Assistenz bei administrativen Hindernissen etc.) zu ergänzen. So biete z.B. die NRO Perichoresis Kurse für einfache, grundlegende Handwerks- oder Hauswirtschaftstätigkeiten an. Auf lokaler Ebene bestünden im ganzen Land gegenwärtig rund 50 sogenannte Integrationsräte, welche das Ziel verfolgten, Integrationsprobleme zu identifizieren und dem jeweiligen Gemeinderat Vorschläge für eine möglichst reibungsfreie Integration von Einwanderern zu unterbreiten.
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Es sei dem Antragsteller somit möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative und mit staatlichen und privaten Hilfen zu vermeiden, dass er in eine Situation extremer materieller Not gerate, die es ihm nicht erlauben würde, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Im Rückkehrfall sei keine humanitäre Not zu erwarten, da der Antragsteller als Schutzberechtigter einen gesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe, auf Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, medizinischer Versorgung und zu Wohnraum habe. Dem Bundesamt lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Antragsteller in Griechenland hiervon grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Dieser Anspruch sei im Bedarfsfall auch einklagbar. Ferner sei anzumerken, dass der Wunsch des Antragstellers, in Deutschland bleiben zu wollen, unerheblich sei. Entscheidend sei schließlich, dass der Antragsteller in Griechenland nicht befürchten müsse, in sein Heimatland zurückgeführt zu werden und dort die im Wesentlichen gleichen Lebensbedingungen vorfinde wie die dortige Bevölkerung, auch wenn diese Lebensbedingungen nicht denen der Bundesrepublik Deutschland entsprächen.
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Nach dem vom Europäischen Gerichtshof beschriebenen Maßstab für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCh wäre es jedoch Voraussetzung gewesen, dass der Antragsteller gerade aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit in eine Situation extremer materieller Not geraten würde. Das Vorliegen einer besonderen Verletzbarkeit habe der Antragsteller aber gegenüber dem Bundesamt nicht vorgetragen. Es hätte ihm zudem oblegen, sich um die Inanspruchnahme und Gewährung der ihm im schutzgewährenden Mitgliedstaat zustehenden Leistungen zu bemühen und auch aus eigener Initiative nach anderer staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Hilfe oder Unterstützung zu suchen. Nach seinen eigenen Angaben habe der Antragsteller jedoch keine dahingehenden Bemühungen unternommen.
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Soweit der Antragsteller geltend mache, dass die Sicherheit in Griechenland nicht gewährleistet wäre, sei er im Bedarfsfall auf die sowohl schutzfähigen als auch -willigen griechischen Sicherheitsbehörden zu verweisen. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine schutzrelevanten Eingriffe in die von Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu erwarten.
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Die humanitären Bedingungen in Griechenland, unter denen der Antragsteller als anerkannter Schutzberechtigter leben werde, stellten daher keine unabhängig von seinem Willen oder seinen Entscheidungen ergehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
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Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, dass ihm in Griechenland eine, durch einen Akteur verursachte, Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohe. Daher liegen die Voraussetzungen für eine im Sinne des Art. 3 EMRK verursachte Verletzung durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur nicht vor. Darüber hinaus könne nach der Rechtsprechung des EGMR eine Verletzung des Art. 3 EMRK ausnahmsweise auch dann in Betracht kommen, wenn der Antragsteller im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr laufe, im Aufnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne danach nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Griechenland führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.
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Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde (wurde näher ausgeführt). Auf die weitere Begründung des Bescheids wird verwiesen.
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Am 25.07.2024 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 18.07.2024 erheben (Az. B 7 K 24.31986) und beantragte zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18.07.2024 unter Nr. 3 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet. Dem stehe eine Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland nicht entgegen, da das dortige Asylsystem insbesondere hinsichtlich bereits anerkannter Flüchtlinge unter systemischen Mängeln leide und Betroffene daher nicht auf eine bereits in Griechenland (angeblich) erfolgte Flüchtlingsanerkennung verwiesen werden könnten. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Griechenland nicht an die zu fordernden unions- bzw. völkerrechtlichen Standards heranreichten und systemische Mängel bestünden. Bereits anerkannten Flüchtlingen drohe in Griechenland die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK. Für den Fall eines alleinstehenden, erwerbsfähigen und gesunden Erwachsenen wurde auf zahlreiche Entscheidungen aus den Jahren 2019 bis 2021 hingewiesen. Ferner wurde zitiert aus einem Urteil des VG Aachen vom 16.03.2020 und einem weiteren Urteil dieses Gerichts vom 16.12.2022. In Baden-Württemberg jedenfalls gehe die Antragsgegnerin mittlerweile in ständiger Verwaltungspraxis davon aus, dass einem erwachsenen, alleinstehenden und arbeitsfähigen Mann bei einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. Zum Beweis dieser Tatsache könnten über 100 Bescheide aus dem Zeitraum März bis Juni 2022 vorgelegt werden. Vorsorglich könnten drei Muster-Bescheide aus diesem Zeitraum vorgelegt werden. Auch hier sei der Antrag trotz Schutzstatus in Griechenland nicht als unzulässig abgelehnt worden. Soweit das Bundesamt darin z.T. ausführte, aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles sei der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt worden, werde mitgeteilt, dass es sich bei den dortigen Antragstellern um gesunde und alleinstehende junge Männer gehandelt habe. Es werde beantragt, vier im Einzelnen bezeichnete Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes beizuziehen.
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Jedenfalls würden die Verhältnisse in Griechenland für anerkannt Schutzberechtigte als geklärt gelten. Diesbezüglich werde auf obergerichtliche Rechtsprechung hingewiesen (benannt wurden Entscheidungen aus den Jahren 2021 bis 2022). Ergänzend wurde auf einen Bericht von PRO-ASYL vom 28.05.2021 verwiesen.
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Die Antragstellerseite geht davon aus, dass das Bundesamt auch in Bayern zu der Überzeugung gelangt sei, dass alleinstehenden Männern für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer erniedrigenden Behandlung drohe, weshalb es die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31.05.2022 zugelassene Berufung zurückgenommen habe und folglich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Verfahren mit Beschluss vom 09.09.2022 eingestellt habe. Die Antragsgegnerin dürfe von ständiger Verwaltungspraxis nicht ohne rechtfertigenden Grund abweichen (Selbstbindung der Verwaltung). Die Behörde sei verpflichtet, gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln, sonst liege eine Verletzung des Willkürverbots aus Art. 3 GG vor. Eine solche Verletzung werde seitens des Antragstellers gerügt.
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Der Antragsteller sei nur kurz in Griechenland geblieben. Er habe in seinen Anhörungen keine für ihn in Griechenland bestehende besondere Lebenssituation geschildert, die es ihm ermöglichen würde, sich bei einer Rückkehr auf gefestigte und sichere Lebensverhältnisse zu stützen. So sei nicht erkennbar, dass er in Abweichung der für anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland drohenden Gefahr, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erleiden, die Möglichkeit habe, sein Leben so zu gestalten, dass er den grundsätzlich bestehenden Gefährdungen nicht ausgesetzt sei. Es gebe jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Feststellungen der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile überholt hätten oder dass in der Person des Antragstellers im Einzelfall offensichtlich gefahrmindernde Umstände bei einer Rückkehr nach Griechenland bestünden. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller substantielle finanzielle Unterstützung durch seine Herkunftsfamilie/Verwandte/Bekannte dauerhaft erwarten könne. Auf den in Syrien herrschenden Bürgerkrieg werde hingewiesen. Ebenso sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über Vermögen oder über Familie, Freunde oder Bekannte in Griechenland, mithin ein soziales Netzwerk dort, verfüge. Alle seine Verwandten/Freunde/Bekannten hätten Griechenland entweder mit ihm, vor ihm oder nach ihm verlassen müssen. Er wäre dort allein, sollte er abgeschoben werden. Der Antragsteller spreche zudem kein Griechisch. Er habe noch nie in Griechenland fest gearbeitet, weshalb er nicht in der Lage gewesen sei, seinen Lebensunterhalt und vor allem eine menschenwürdige Unterkunft dauerhaft zu sichern, weshalb er überwiegend obdachlos gewesen sei. Da Obdachlosigkeit und Hungersnot gedroht hätten, habe er sich entschieden, Griechenland unverzüglich zu verlassen, denn eine finanzielle Unterstützung habe er weder von NGO noch vom griechischen Staat erhalten. In diesem Zusammenhang wurde aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2017 zitiert. Der Antragsteller wäre in Griechenland mithin zur Existenzsicherung auf Hilfsarbeitertätigkeiten angewiesen, die es nach aktuellen Erkenntnissen in Griechenland nicht mit hinreichender Anzahl gebe, so dass die Lebensverhältnisse, die ihn dort erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren. Eine erforderliche individuelle, den Antragsteller betreffende Garantieerklärung Griechenlands, dass die sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Mindeststandards eingehalten würden, sei nicht ersichtlich und vom Bundesamt auch nicht angefordert worden (wurde näher ausgeführt).
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Das private Interesse des Antragstellers, sich vorläufig weiterhin in Deutschland aufhalten zu dürfen, überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Abschiebungsandrohung. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts (wurde näher ausgeführt). Es wurde auf eine „Grundsatzentscheidung“ des Oberverwaltungsgerichts Saarland vom 15.11.2022 verwiesen und daraus zitiert. Ferner wurde auf weitere, auch verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen. Die Nichtanordnung der aufschiebenden Wirkung würde den Antragsteller in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Wenn das Prozessrecht eine weitere Instanz eröffne - vorliegend zumindest aufgrund des bereits vorliegenden Einstellungsbeschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs -, so gewährleiste Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Jedenfalls sei die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur hier erheblichen Frage uneinheitlich; der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich - soweit ersichtlich - noch nicht zu dieser Rechtsfrage geäußert. Ein ablehnender Beschluss des Verwaltungsgerichts würde gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen, sollte das Gericht die aufschiebende Wirkung unter Bezugnahme auf die hier zu klärende Rechtsfrage in der eigenen Rechtsprechung ablehnen. Zumindest der vom Antragsteller geltend gemachte Grund der grundsätzlichen Bedeutung liege zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Eilantrag vor. Auf den Einstellungsbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde erneut verwiesen.
35
Auf einen entsprechenden - von der Antragstellerseite erbetenen - Hinweis des Gerichts wurde mit Schriftsatz vom 25.07.2024 ein Konvolut von (ober-)gerichtlichen Entscheidungen, etc. vorgelegt und zur weiteren Begründung ausgeführt, dass - soweit ersichtlich - die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bayreuth in einem Urteil vom 06.11.2023 - B 7 K 23.30771 - der (zitierten) verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch schon vor Corona widersprächen, die die Ansicht vertreten habe, in Griechenland drohe anerkannten, alleinstehenden und arbeitsfähigen Männern eine erniedrigende/unmenschliche Behandlung. Hingewiesen wurde weiter auf einen Beschluss der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14.02.2023 und auf Rechtsprechung, die von den Verwaltungsgerichten Augsburg, Sigmaringen, Hannover, Lüneburg und von weiteren Gerichten herrührt. Aus den angeführten Entscheidungen wurde teilweise (umfangreich) zitiert.
36
Die Antragsgegnerin beantragt,
37
Zur Begründung bezieht sich das Bundesamt auf die angefochtene Entscheidung.
38
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
39
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 18.07.2024 ist zulässig, aber unbegründet.
40
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage - im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO - ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Dabei darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der Abschiebung jedoch nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris; VG Augsburg, B.v. 28.3.2017 - Au 7 S 17.30519 - juris).
41
1. Die Androhung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland begegnet bei Anlegung des obigen Maßstabs keinen rechtlichen Bedenken. Es bestehen nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung. Die Klage wird mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben. Damit kommt auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO vorzunehmenden Interessensabwägung nicht in Betracht.
42
a) Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag in Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
43
Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach den Ermittlungen des Bundesamts wurde dem Antragsteller bereits am 19.09.2023 in Griechenland internationaler Schutz gewährt. Das Ergebnis der entsprechenden EURODAC-Datenbankabfrage stimmt insoweit mit den Angaben des Antragstellers überein, der die Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland gegenüber der Behörde bestätigte (vgl. Bl. 73 d.A.).
44
b) Die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist im Falle des Antragstellers auch nicht aus unionsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
45
Liegen die geschriebenen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor, kann eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Rechtsprechung des EuGHs aus Gründen des vorrangigen Unionsrechts gleichwohl ausnahmsweise ausgeschlossen sein, wenn die Lebensverhältnisse, die den Antragsteller als anerkannt Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, diesen der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh zu erfahren. Unter diesen Voraussetzungen ist es den Mitgliedstaaten untersagt, von der durch Art. 33 Abs. 2 Buchst. a RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 - C-540.17 - juris; EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-297-17 - juris; BVerwG, U.v. 17.6.2020 - 1 C 35/19 - juris; BayVGH, B.v. 27.9.2023 - 24 B 22.30953 - juris). Damit ist geklärt, dass Verstöße gegen Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK (vgl. SächsOVG, U.v. 15.6.2020 - 5 A 382.18 - juris) im Mitgliedstaat der anderweitigen Schutzgewährung nicht nur bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten bzw. einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen sind, sondern bereits zur Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung führen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 - 1 C 34/19 - juris).
46
Dem hiesigen Antragsteller droht jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („ernsthafte Gefahr“, vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2020 - 1 C 35/19 - juris; EuGH, U.v. 22.2.2022 - C-483/20 - juris), eine derartige Behandlung im Sinne des Art. 4 GrCH in Griechenland zu erfahren. Insoweit schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst im Wesentlichen den Gründen des angefochtenen Bescheides an (§ 77 Abs. 3 AsylG).
47
Ergänzend ist zur Sache das Folgende auszuführen:
48
aa) Im Zusammenhang mit der Beurteilung einer ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 GrCh kommt dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Bedeutung zu. Er verlangt von jedem Mitgliedstaat grundsätzlich, dass dieser davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - juris; U.v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - juris). Diese Vermutung beansprucht nur dann keine Geltung, wenn systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass die betreffende Person im Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren (EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 1 B 93.21 - juris). Folglich gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die widerlegliche Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Systemische oder allgemeine oder bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen fallen damit nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann unter Art. 4 GrCh, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtige oder sie in einen Zustand der Verelendung versetze, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich die betroffene Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 - C-163/17 - juris; U.v. 19.3.2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 - juris; BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 1 B 93.21 - juris; B.v. 17.1.2022 - 1 B 66.21 - juris). vgl. auch: BayVGH, B.v. 27.9.2023 - 24 B 22.30953 - juris). Bei der für Art. 4 GrCh maßgeblichen Bewertung der Lebensverhältnisse, die einen Antragsteller im Falle seiner Rückkehr erwarten, sind zunächst seine Möglichkeiten, den eigenen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern, zu berücksichtigen. Insoweit ist es den Betroffenen gegebenenfalls auch zumutbar, eine wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden kann (BVerwG, B.v. 17.1.2022 - 1 B 66.21 - juris). Auch reicht der Umstand, dass die betreffende Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, regelmäßig nicht für das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle (BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 1 B 93.21- juris). Bei der Bewertung sind ferner die staatlichen Unterstützungsleistungen und auch die - alleinigen oder ergänzenden - dauerhaften Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 7.9.2021 - 1 C 3.21 - juris). Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (BVerwG, B.v. 27.1.2022 - 1 B 93.21 - juris).
49
bb) Zur Situation anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth bereits im Verfahren B 7 K 23.30517 (U.v. 5.9.2023 - juris; ähnlich: U.v. 6.11.2023 - B 7 K 23.30771 - juris) Folgendes ausgeführt:
50
Der Kläger hat auf obergerichtliche Entscheidungen hinweisen lassen, die davon ausgehen, dass eine Rückkehr anerkannt Schutzberechtigter nach Griechenland (in den entsprechenden damaligen Entscheidungszeitpunkten) nicht zumutbar gewesen wäre (vgl. etwa OVG NRW - U.v. 21.1.2021 - 11 A 2982/20.A; OVG Lüneburg, U.v. 19.4.2021 - 10 LB 244/20 - juris).
51
Allerdings fallen die zitierten Entscheidungen in eine Zeit, die davon geprägt war, dass sich die Wirtschaft coronabedingt auch in Griechenland erheblich abgeschwächt hatte, insbesondere der Tourismus-Sektor ganz wesentlich von der Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen der Reise- und Urlaubsaktivitäten betroffen war (s. hierzu u.a. OVG Lüneburg, a.a.O., juris-Rn. 49, 62).
52
Für den aktuellen Entscheidungszeitpunkt gilt dieser Befund indessen nicht mehr. Der Tourismus-Sektor in Griechenland hat sich nach dem Abklingen der Pandemie erholt und verzeichnet eine hohe Arbeitskräftenachfrage (vgl. z.B. handelsblatt.de vom 12.04.2023: Urlaub 2023 in Gefahr - Personalmangel an beliebten Reisezielen („… in Griechenland werden dieses Jahr wohl rund 80.000 Beschäftigte in der Hotellerie und Gastronomie fehlen“) oder Nordbayerischer Kurier vom 24.02.2023: Griechenland rechnet mit Reiserekord („… es mangelt an Personal“) und vom 13.04.2023: Griechische Hotels suchen Saisonkräfte („Tourismusboom in Griechenland … Branche kämpft mit einem großen Problem: Es fehlt an Arbeitskräften“).
53
Es wird nicht verkannt, dass die aktuellen Brandereignisse in Griechenland freilich mit punktuellen Einschränkungen des Tourismus einhergehen. Insgesamt betrachtet erweist sich dieser Sektor jedoch gegenwärtig ausgesprochen robust (vgl. hierzu die in der mündlichen Verhandlung eingeführten Quellen: Beitrag von welt.de vom 25.08.2023 zur Situation auf Rhodos: „Nur 14 Hotels haben Schäden an den Außenanlagen verzeichnet. Drei von ihnen sind noch geschlossen. Aber auch diese letzten drei Hotels planen die Wiedereröffnung bis Ende August. (…) Angesichts der schlimmen Bilder mag man es kaum glauben. Aber die Buchungslage für Rhodos ist fantastisch‘, sagte der TUI-Chef Stefan Baumert der Fachzeitschrift fvw (…) Manche Unterkünfte haben bereits wieder mehr als 80 Prozent der Zimmer gefüllt… toller Erfolg … natürlich (…) in den vergangenen Wochen große Einnahmeeinbußen verzeichnet (…) ‚Aufbruchstimmung‘ der Menschen vor Ort“); vgl. ferner den Beitrag von tagesschau.de vom 21.08.2023: „Boom nach Corona-Krise - Knackt Griechenland den Tourismus-Rekord?; schließlich die Beiträge der nzz.ch vom 26.07.2023 und von fr.de vom 04.08.2023).
54
Nach einem Artikel der Freien Presse Doo Skopje betrifft der Arbeitskräftemangel in Griechenland - wie die griechische Zeitung „Kathimerini“ berichte - mehrere Sektoren, so neben dem Tourismus auch die Landwirtschaft, Viehzucht und das Bauwesen, so dass das Land für den Zeitraum 2023 bis 2024 eine stattliche Zahl von 168.000 Arbeitskräften aus Drittstaaten „importieren“ werde. Im Tourismussektor fehlten etwa Köche, Küchenhilfen, Tellerwäscher, Gärtner und Hygieniker (…).
55
Dass anerkannt Schutzberechtigte und Migranten diverse Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen mitbringen, die der griechische Arbeitsmarkt dringend braucht, wird nach der Auskunftslage zunehmend auch in Griechenland realisiert. So wird von verschiedenen Projekten und Initiativen berichtet, die zur Integration in den Arbeitsmarkt beitragen sollen. Beispielsweise ist die Rede von einem eigens geschaffenen Zentrum in Athen (ADAMA Centre), wo Schutzberechtigte hilfreiche Tipps rund um den griechischen Arbeitsmarkt sowie direkte Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, der Erstellung eines Lebenslaufs oder Übersetzungen erhalten. Damit hätten in den ersten drei Monaten des Bestehens dieses Zentrums 1.200 Ausländer für den griechischen Arbeitsmarkt fit gemacht werden können samt Zugang zum griechischen Sozialsystem. Ein Großteil der Anfragen, die das Zentrum erreicht habe, habe sich auf Jobvermittlung bezogen. Dazu sei eine Job-Matching Plattform aufgebaut worden, die private Arbeitgeber und potentielle Arbeitnehmer verlinke. Auch auf der Insel Kos habe sich eine Initiative entwickelt, hier sei eine kleine Jobmesse veranstaltet worden, die in die erfolgreiche Vermittlung von Arbeitsstellen mündete, und zwar in Beschäftigungsverhältnisse, die mit einem Lohn versehen waren, der im durchschnittlichen Rahmen auf dieser Insel lag (800 bis 1400 EUR zuzüglich Trinkgeld und bezahlter Überstunden sowie kostenloser Übernachtungsmöglichkeit im Hotel oder in der Nähe des Hotels sowie Verpflegung). In diesem Kontext wird freilich auch von Herausforderungen berichtet, wie etwa Sprachbarrieren oder kulturellen Besonderheiten, die jedoch im täglichen Arbeitsablauf und mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen schnell hätten gemeistert werden können. Als langwierig wurden einzig bestimmte administrative Schritte beschrieben. Entsprechende Projekte und Initiativen wurden ferner für weitere Inseln wie auch auf dem griechischen Festland ins Leben gerufen (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen aktuellen Nachweisen Entscheiderbrief 05/2023: Blick zum Nachbarn/Griechenland: Erwerbsmöglichkeiten für Schutzberechtigte und Asylsuchende).
56
Diese Ausführungen gelten auch weiterhin. Aus den Jahren 2023/2024 existiert - soweit ersichtlich - keine (veröffentlichte) obergerichtliche Entscheidung die - unter Berücksichtigung der aktuellen Auskunftslage, insbesondere der wirtschaftlichen Entwicklungen - zu den Gefahren für anerkannt Schutzberechtigten oder zumindest für gewisse „Fallgruppen“ in einer Sachentscheidung hinreichend Stellung bezieht. Das vom Antragsteller als „aktuelle Grundsatzentscheidung“ bezeichnete Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes aus November 2022, das damals (grundsätzlich) unabhängig von den Umständen und den persönlichen Verhältnissen des Einzelfalls (vgl. U.v. 15.11.2022 - 2 A 81/22 - juris Ls. 2 u. Rn. 35) bei allen in Griechenland anerkannt Schutzberechtigten eine Gefahr angenommen hat, die die Schwelle des Art. 4 GrCh überschreite und das die Umstände des konkreten Einzelfalls nur rudimentär „anreißt“ (vgl. U.v. 15.11.2022 - 2 A 81/22 - juris Rn. 36), ist nicht geeignet - jedenfalls zum maßgeblichen heutigen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) - mehr oder weniger „pauschal“, die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung schlüssig zu begründen. Im aktuellen Zeitpunkt ist insbesondere prognostisch zu erwarten, dass für zurückkehrende international Schutzberechtigte bei zu unterstellendem Engagement realistische Chancen auf dem griechischen Arbeitsmarkt bestehen. Soweit das Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes seinerzeit angenommen hat, dass es Hilfsarbeitertätigkeiten nicht in ausreichender Zahl gebe (vgl. a.a.O., juris-Rn. 36), kann dem bezogen auf den aktuellen Zeitpunkt keinesfalls beigetreten werden.
57
So wird dezidiert davon berichtete, dass in Griechenland ein Mangel an Arbeitskräften herrsche und das Land angesichts des dortigen eigenen „Wirtschaftswunders“ gar im Ausland nach Arbeitskräften („Gastarbeitern“) suche. Die Reisebrache erwarte 2024 einen neuen Rekord, die Buchungen lägen zehn Prozent über dem Vorjahresniveau, wobei bereits 2023 von rund 250.000 Stellen in den Hotels 53.229 Stellen unbesetzt geblieben seien. In diesem Jahr könnten sogar bis zu 65.000 Beschäftigte fehlen. Griechenland erlebe seinen eigenen Aufschwung, im vergangenen Jahr sei die Wirtschaft viermal so schnell wie der Durchschnitt der EU-Staaten gewachsen. Für dieses Jahr werde seitens der EU-Kommission dreimal so viel Wachstum wie im EU-Mittel erwartet. Der Arbeitskräftemangel werde zu einem immer größer werdenden Problem, nicht nur im Tourismus. Die Zahl der freien Stellen werde mit 400.000 angegeben. Selbst illegal eingereiste Migranten sollen legalisiert werden, wenn sie eine Beschäftigung nachweisen könnten. Um akute Engpässe zu lindern, suche die griechische Regierung Arbeitskräfte im Ausland. So sei ein erstes Anwerbeabkommen mit Indien bereits unterzeichnet, Gespräche liefen auch mit Georgien, Armenien, Moldawien, mit den Philippinen, Bangladesch, Vietnam und Ägypten. In einer ersten Phase gehe es um die Anwerbung von 40.000 Arbeitskräften. Es trifft nicht zu, dass es sich bei den anzuwerbenden Arbeitskräften ausschließlich um hochqualifizierte Facharbeiter handeln würde. So sollen etwa unter einem Abkommen mit der Regierung in Kairo dieses Jahr 5.000 ägyptische Saisonarbeiter in der Landwirtschaft angestellt werden. Der Bedarf liege in diesem Sektor laut dem zuständigen Ministerium aber bei 180.000 im Jahr. Laut dem Verband der Olivenbauern hätten im Jahr 2023 bis zu einem Drittel des Ertrags nicht eingebracht werden können. Auch der besonders wichtige Wirtschaftszweig des Tourismus suche „händeringend“ nach saisonalen Arbeitskräften. Aufgrund fehlender Arbeitskräfte hätte mehrere Hotels die Saison später als geplant begonnen (vgl. zum Ganzen Stuttgarter Zeitung vom 12.04.2024 - „Griechenland sucht Gastarbeiter“; NZZ vom 04.07.2024: „Von wegen faule Griechen: Athen geht mit Sechs-Tage-Woche gegen Fachkräftemangel vor). Andere Quellen berichten ebenfalls davon, dass in Griechenland in verschiedenen Sektoren hunderttausende Stellen frei seien (vgl. t-online vom 13.04.2024: „Massiver Fachkräftemangel: Griechenland wirbt um Ausländer“; s.a. Handelsblatt vom 27.03.2024: „Griechenland sucht ‚Gastarbeiter‘ für sein Wirtschaftswunder“ - danach fehlten auf dem Bau 13.000, in der Landwirtschaft 113.000 Beschäftigte und insgesamt hätten Arbeitsgeber bei der staatlichen Arbeitsverwaltung rund 400.000 freie Stellen gemeldet). Dass die Wohn- und Arbeitsbedingungen etwa im touristischen Bereich mitunter durchaus schwierig sind (vgl. z.B. DW vom 20.06.2024: „In Griechenland wird die Sechs-Tage-Woche eingeführt“), wird nicht verkannt, lässt die Aufnahme einer Tätigkeit aber nicht von vornherein unzumutbar erscheinen.
58
Legt man dies zugrunde, so ergeben sich gerade für den hiesigen Antragsteller realistische Aussichten, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, mit der er seinen Lebensunterhalt in Griechenland finanzieren kann, insbesondere zügig eine Wohngelegenheit wird finden und mittelfristig auch eine Wohnung, ein WG-Zimmer oder ähnliches wird anmieten können. Der Antragsteller ist jung und arbeitsfähig und hat bereits in der Vergangenheit berufliche Erfahrungen sammeln können, auf die er im Falle der Rückkehr nach Griechenland wird rekurrieren können. So hat der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bereits in der Vergangenheit (in Syrien) in der Gastronomie gearbeitet (vgl. S. 3 der Anhörungsniederschrift) und war in der Lage, die 3 ½-jährige „Reise“ von Syrien bis nach Deutschland zu schultern, wobei er sich ca. 1 ½ Jahre in der Türkei aufgehalten habe und dort arbeitstätig gewesen sei. Schließlich war es dem Antragssteller möglich, einen Teil der „Reiseroute“ nach Deutschland mit dem Flugzeug zu absolvieren (vgl. S. 2, 4 der Niederschrift über das Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates). Darüber hinaus verfügt der Antragsteller noch über seine Eltern samt Großfamilie in Syrien. Es mag sein, dass von dort eine dauerhafte Unterstützung des Antragstellers nicht realisierbar ist, doch ist nicht zu erkennbar, warum die Angehörigen des Antragstellers diesem insbesondere in der Anfangsphase nach der Rückkehr nach Griechenland eine ggf. notwendige temporäre Unterstützung - im Sinne einer „Starthife“ - verweigern sollten. Weit Überwiegendes spricht indessen dafür, dass es eines Rückgriffs auf Verwandte in Syrien im Falle des Antragstellers aufgrund seiner zuvor beschriebenen individuellen Verhältnisse gar nicht bedarf, um eine extreme Not im Sinne der o.g. Rechtsprechung abzuwenden, wobei dies bei einer detaillierten Analyse der den Antragsteller prognostisch zu erwartenden Rückkehrsituation umso mehr gilt (zu den eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Hamburg siehe sogleich).
59
Dabei wird verkannt, dass die rechtliche Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, mit denen anerkannt Schutzberechtigte aktuell in Griechenland konfrontiert sind, durch die Verwaltungsgerichte in Deutschland nicht einheitlich ausfällt. Der Antragsteller hat eine Reihe von erstinstanzlichen - durchaus auch aktuellen - Sachentscheidungen vorlegen lassen, die im Sinne der dortigen Kläger/Antragsteller ausgefallen sind. Nicht zuletzt aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland teilt inzwischen aber eine beachtliche Zahl von verwaltungsgerichtlichen Kammern die Auffassung der hiesigen Kammer, dass sich die Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland keinesfalls per se für jegliche Personen - v.a. nicht für junge und arbeitsfähige Rückkehrer - als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 4 GrCh darstellen (vgl. z.B. eingehend VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 - 12 A 4023/22 - juris oder ausführlich VG Regensburg RO 15 K 24.30916 - MiLO Migrations-Infologistik; siehe ferner VG Cottbus, U.v. 16.5.2024 - 5 K 22.19.A. - juris; VG Ansbach B.v. 23.2.2024 - An 17 S 23.50064 - juris, B.v. 30.4.2024 - AN 17 S 24.50258 - juris; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 - 8 K 727/23.A - juris; VG Würzburg, B.v. 29.2.2024 - W 1 S 24.30257 - juris; vgl. auch VG Lüneburg, U.v. 20.3.2024 - 5 A 140/22 - MiLO Migrations-Infologistik; VG Trier, U.v. 22.5.2024 - 8 K 129/24.TR - MiLO Migrations-Infologistik).
60
Wie bereits erwähnt, hat eine fundierte Befassung mit den im Falle der Rückkehr von international Schutzberechtigten nach Griechenland zu betrachtenden Themenbereichen zuletzt das Verwaltungsgericht Hamburg vorgenommen (U.v. 28.6.2024 - 12 A 4023/22 - juris). Zuzustimmen ist den dortigen Ausführungen zu der vielfach kritisch gesehenen Frage des Obdachs:
„(b) Die Möglichkeiten für international Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, eine Unterkunft zu finden, stellen sich wie folgt dar:
(aa) Staatliche oder staatlich finanzierte Unterkünfte speziell für international Schutzberechtigte gibt es in Griechenland nicht. Eine ihnen während des laufenden Asylverfahrens zugewiesene Unterkunft müssen anerkannte international Schutzberechtigte nach dem Gesetz spätestens 30 Tage nach ihrer Anerkennung verlassen (Staatssekretariat für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Griechenland: Garantiertes Mindesteinkommen (EEE), 31.10.2022, G 17/22, S. 5; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation - Griechenland, Version 6, 31.1.2024, G 2/24, S. 22 f.; Border Violence Monitoring Network, Illegal Pushbacks and Border Violence Report March 2024, 24.4.2024, G 8/24, S. 5, 17; G 14/23, S. 7; ausführlich auch INTERSOS Hellas, Being hungry in Europe: An analysis of the food insecurity experienced by refugees, asylum seekers, migrants and undocumented people in Greece, Mai 2023, G 23/23, S. 7 f.). Für zurückkehrende international Schutzberechtigte besteht nach den gesetzlichen Vorschriften daher keine Möglichkeit, in einer staatlichen oder staatlich finanzierten Unterkunft untergebracht zu werden.
(bb) Für zurückkehrende international Schutzberechtigte ist es auch schwierig, eine Unterkunft über oder bei einer Nichtregierungsorganisation zu erhalten. Denn diese bieten allenfalls in sehr begrenztem Umfang Unterkunftsmöglichkeiten an (vgl. G 14/23, S. 8; Stiftung PRO ASYL/Refugee Support Aegean, Stellungnahme: Zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, G 10/21, S. 10).
cc) Staatliche oder staatlich finanzierte Sozialwohnungen gibt es in Griechenland nicht (vgl. Staatssekretariat für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Notiz Griechenland: Unterbringungsmöglichkeiten für Personen mit internationalem Schutzstatus, 24.10.2022, G 16/22, S. 4; 2023/1, S. 4; Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika: Greece 2023 Human Rights Report, G 9/24, S. 19), so dass für international Schutzberechtigte auch keine Möglichkeit der Unterbringung in einer solchen Unterkunft besteht.
(dd) Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass zurückkehrende international Schutzberechtigte für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum nach ihrer Rückkehr erhebliche Schwierigkeiten haben werden, auf dem freien Wohnungsmarkt eine Unterkunft zu finden. Zwar haben international Schutzberechtigte an sich unter den gleichen formalen Bedingungen Zugang zum freien Wohnungsmarkt wie alle anderen sich legal in Griechenland aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (G 2/24, S. 22). Dieser Zugang ist zurückkehrenden international Schutzberechtigten jedoch in aller Regel infolge fehlender staatlicher Unterstützung (hierzu unter (1)), einer Reihe bürokratischer Hürden (hierzu unter (2)) sowie weiterer Schwierigkeiten (hierzu unter (3)) faktisch versperrt.
(1) Zurückkehrende international Schutzberechtigte können grundsätzlich nicht damit rechnen, durch griechische Behörden beim Zugang zu Wohnraum unterstützt zu werden.
(i) Zum Integrationsprogramm für international Schutzberechtigte „Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection“ (HELIOS II), das neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration auch Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum bietet (vgl.2023/1, S. 5 f.; G 16/22, S. 7 ff.; G 22/23, S. 22 ff.) haben zurückkehrende international Schutzberechtigte faktisch keinen Zugang. Unabhängig davon, dass das HELIOS-Programm mit Finanzierungsschwierigkeiten zu kämpfen hat und seine Zukunft ungewiss erscheint (vgl. G 15/24, S. 63; Refugee Support Aegean, Recognised refugees in Greece left without even minimal support after new interruption of HELIOS programme, 22.1.2024, G 6/24; Mellersh, Greece: Future of refugee support program 'Helios' in doubt as EU pledges extra funds, 1.11.2023, G 27/23), erfüllen zurückkehrende international Schutzberechtigte in der Regel nicht die Voraussetzungen für eine Teilnahme hieran. Das HELIOS-Programm weist hohe bürokratische Hürden auf, die für zurückkehrende international Schutzberechtigte jedenfalls in der Anfangszeit kaum zu überwinden sein dürften (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen G 16/22, S. 7 ff.). Hinzu kommt, dass die Anmeldung für das Programm innerhalb von zwölf Monaten nach Erhalt des Anerkennungsbescheids erfolgen muss (vgl. G 2/24, S. 25; G 14/23, S. 8; 2023/1, S. 2; G 22/23, S. 22; G 16/22, S. 7 ff.; Außenministerium der Niederlande, Bericht über die Untersuchung der Statusinhaber in Griechenland (Auszug), Juni 2022, G 25/22, S. 36), weshalb international Schutzberechtigte, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, sich in der Regel nicht mehr fristgerecht anmelden können. Eine weitere erhebliche Hürde stellt das Erfordernis eines gültigen Mietvertrags dar (vgl. hierzu Mellersh, Asylum seekers bear the brunt of the Greek housing shortage, 31.10.2023, G 25/23, S. 3; G 27/23). Andere Unterbringungsprogramme, von denen zurückkehrende international Schutzberechtigte profitieren könnten, gibt es - soweit für die Kammer ersichtlich - nicht. Die Programme ESTIA, ESTIA II und Filoxenia wurden mittlerweile eingestellt (vgl. G 2/24, S. 24; G 14/23, S. 8).
(ii) Zurückkehrende international Schutzberechtigte haben in aller Regel auch keinen Anspruch auf wohnungsbezogene Sozialleistungen. Das im Jahr 2019 eingeführte soziale Wohngeld in Höhe von 70,- Euro monatlich für einen Einzelhaushalt setzt nämlich einen mindestens fünfjährigen legalen Voraufenthalt in Griechenland voraus, der durch Steuererklärungen für die einzelnen Jahre nachzuweisen ist (G 2/24, S. 23; Europäische Kommission, Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Griechenland, August 2023, G 32/23, S. 37 f.; G 22/23, S. 19; G 16/22, S. 12 f.).
Die neben dem sozialen Wohngeld existierende Wohnbeihilfe i.H.v. bis zu 362,- Euro monatlich wird hingegen nur an Personen im Alter über 65 Jahren entrichtet (G 32/23, S. 37 f.).
(2) Die legale Anmietung von Wohnraum ist zurückkehrenden international Schutzberechtigten zudem durch eine Reihe bürokratischer Hürden in aller Regel faktisch versperrt. Sie setzt nämlich u.a. den Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (ADET), einer Steuernummer (AFM) sowie eines griechischen Bankkontos voraus (vgl. G 2/24, S. 22 f.; G 22/23, S. 17). Das Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltsbewilligung dürfte zwar insoweit für sich genommen kein durchgreifendes Hindernis darstellen. Zwar kann es sowohl bei der erstmaligen Erteilung als auch bei Verlängerungen zu Verzögerungen kommen. Während einige Personen eine (neue) Aufenthaltsbewilligung innerhalb von ein oder zwei Monaten erhalten, dauert es bei anderen Personen deutlich länger, manchmal mehr als sechs Monate (vgl. G 15/24, S. 29 ff.). Aus diesem Grund empfehlen die griechischen Behörden, einen Verlängerungsantrag, der online gestellt werden kann, mindestens drei Monate vor Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung zu stellen (vgl. G 15/24, S. 30). Für die Dauer des Verfahrens erhalten die Antragsteller jedoch eine Bescheinigung über ihre Antragstellung. Soweit bis in die jüngere Vergangenheit davon berichtet wurde, dass diese Bescheinigung keinen Zugang zu Sozialleistungen, zur Gesundheitsversorgung sowie zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt gewährt (vgl. G 14/23, S. 6 f.; Asylum Information Database (AIDA), Country Report Greece - Update 2022, Juni 2023, G 7/23, S. 23; 2023/1, S. 2, 6; G 22/23, S. 7 ff.; G 23/23, S. 23), wird dies durch neuere Berichte nicht mehr bestätigt. Danach kann die abgelaufene Aufenthaltsbewilligung zusammen mit der Bescheinigung über die Antragstellung bis zu sechs Monate nach dem Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung weiterverwendet werden. Die griechische Asylbehörde hat alle zuständigen Ministerien, Behörden und Organisationen aufgefordert, die abgelaufene Aufenthaltsbewilligung zusammen mit der Bescheinigung über die Antragstellung als gültig anzuerkennen, und geht davon aus, dass die meisten Behörden dieser Aufforderung nachgekommen sind, da sie inzwischen weniger Beschwerden von international Schutzberechtigten erhalte, die das Gegenteil behaupteten (vgl. G 15/24, S. 32).
Etwas Anderes gilt jedoch hinsichtlich des Erfordernisses einer Steuernummer und eines Bankkontos bei einer griechischen Bank. Die Ausstellung der Steuernummer setzt wiederum selbst einen Wohnsitznachweis voraus, was teilweise dazu führt, dass Mietverträge zu einem Entgelt von 300,- bis 600,- Euro nur zum Zweck der Erbringung dieses Nachweises abgeschlossen und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst werden (vgl. G 2/24; G 22/23, S. 18). Zwar kann ein Wohnsitznachweis auch durch eine Obdachlosenbescheinigung ersetzt werden (vgl. 2023/1, S. 10). Die Ausstellung einer solchen Bescheinigung ist jedoch an Voraussetzungen geknüpft, von denen zu erwarten ist, dass sie von vielen zurückkehrenden international Schutzberechtigten nicht erfüllt werden können. So sollen Obdachlosenbescheinigungen nur an Personen ausgestellt werden, die tatsächlich auf der Straße leben, nicht aber an Personen, die in informellen Unterkünften (z.B. besetzten Häusern oder Lagern) oder in regelmäßigem Wechsel bei Bekannten leben, um ein Leben auf der Straße zu vermeiden (vgl. 2023/1, S. 10; G 22/23, S. 21). Auch die Eröffnung eines Bankkontos bei einer griechischen Bank ist mit hohen bürokratischen Hürden verbunden; nur ein sehr geringer Anteil international Schutzberechtigter soll über ein Konto bei einer griechischen Bank verfügen (vgl. G 7/23, S. 185 f.).
(3) Die Anmietung von Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt wird zusätzlich erschwert durch den allgemeinen Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Sprachbarrieren, die traditionell bevorzugte Vermietung an Familienangehörige, Bekannte oder Studierende, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen, die regelmäßig notwendige Hinterlegung einer Kaution in Höhe von einer bis zwei Monatsmieten sowie die häufig geforderte Vorlage weiterer Dokumente, wie z.B. einer Bestätigung über ein festes Arbeitsverhältnis oder Steuererklärungen der letzten Jahre (vgl. Austrian Centre for Country of Origin and Asylim Research Documentation (ACCORD), Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, G 15/21, S. 16; G 16/22, S. 23; G 25/23).
(ee) Es ist unwahrscheinlich, dass zurückkehrende international Schutzberechtigte dauerhaft in einer Obdachlosenunterkunft unterkommen können. In Griechenland gibt es nur wenige Obdachlosenunterkünfte. In diesen Unterkünften, die sowohl von staatlichen als auch nichtstaatlichen Stellen betrieben werden, können grundsätzlich auch international Schutzberechtigte einen Platz erhalten. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht jedoch nicht (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht: Situation von anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland, 15.10.2020, 2020/3, S. 2). Zudem ist es äußerst schwierig, aufgenommen zu werden, da die Unterkünfte chronisch überfüllt sind. Die Nachfrage ist sehr hoch und es gibt lange Wartelisten. Für international Schutzberechtigte ist der Zugang zudem durch mehrere Faktoren eingeschränkt. So werden in den meisten Unterkünften aus Mangel an Dolmetschern nur griechisch- oder englischsprachige Personen aufgenommen. Teilweise wird auch die Vorlage einer Bescheinigung der Steuer- und der Sozialversicherungsnummer verlangt (vgl. zu alledem G 14/23, S. 7; G 22/23, S. 24 f.; 2023/1, S. 9 f.; G 16/22, S. 13 ff.; G 25/22, S. 48 ff.).
(ff) Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen gibt es zwar Obdachlosigkeit unter international Schutzberechtigten in Griechenland (vgl. G 2/24, S. 23; G 25/23, S. 3; G 22/23, S. 24 ff.). Verlässliche Statistiken über den prozentualen Anteil und die absolute Zahl von international Schutzberechtigten, die obdachlos sind, liegen jedoch nicht vor (vgl. G 25/22, S. 32 f.). Dass Obdachlosigkeit unter international Schutzberechtigten in Griechenland trotz der unter (aa) bis (ee) dargestellten schwierigen Unterkunftssituation (weiterhin) kein Massenphänomen darstellt (vgl. 2023/1, S. 9; siehe auch Casalis/Hangartner/Hartmann, Home for Good? Obstacles and Opportunities for Refugees and Asylum Seekers in Greece, Dezember 2023, G 29/23, S. 10 f.), ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzungen innerhalb der jeweiligen Nationalitäten sowie die Unterstützung durch private Akteure zurückzuführen (vgl. G 2/24, S. 23 f.).
Bei der Verbreitung von Informationen über verfügbaren günstigen Wohnraum spielen Migrantennetzwerke die wichtigste Rolle, wobei die Kommunikation vor allem über persönliche Kontakte und soziale Medien erfolgt (vgl. G 16/22, S. 9; G 23/22, S. 3). Verschiedene nichtstaatliche Akteure bieten ebenfalls Unterstützung an. So führt das „Signpost Project“ auf seiner Webseite https://greece.refugee.info (Auszüge unter G 15/24, Stand: 14. Juni 2024) u.a. in den Sprachen Englisch, Französisch, Arabisch, Farsi, Urdu und Somali eine Liste von Organisationen in Athen und Thessaloniki auf, die kostenlose Dienstleistungen zur Deckung der Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Verpflegung, Kleidung, Duschen und Wäscheservice anbieten. Der auf der Webseite verlinkte Telegramkanal der Organisation ruft ausdrücklich dazu auf, sich zu melden, wenn man sich in einer kritischen Situation befindet und Hilfe benötigt.
Die Formen informeller Unterkünfte variieren. Abgelehnte Asylsuchende oder international Schutzberechtigte leben mitunter in informell vermieteten überfüllten Wohnungen (vgl. Papangeli/Malichudis/Nasruddin, Masafarhána: Inside the invisible refugee houses in Athens, März 2022, G 22/22), in verlassenen Häusern oder in informellen Siedlungen in Zelten oder einfach konstruierten Hütten, im letzteren Fall regelmäßig ohne Strom und fließendes Wasser (vgl. G 2/24, S. 23; G 25/23, S. 3; Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings (GRETA), Report Concerning the Implementation of the Council of Europe Convention on Action Against Trafficking in Human Beings by Greece, 23.3.2023, G 33/23, S. 16 ff.). Auch die Kosten für diese Unterkünfte variieren und liegen nach verschiedenen Berichten zwischen 50,- bis 200,- Euro im Monat (G 22/22, S. 2; G 33/23, S. 18).“
61
Zu den Themenkreisen Sozialleistungen und Zugang zu Erwerbsmöglichkeiten führt das Verwaltungsgericht Hamburg zutreffend aus (vgl. U.v. 28.6.2024 - 12 A 4023/22 - juris):
„(c) Es ist beachtlich wahrscheinlich, dass zurückkehrende international Schutzberechtigte nicht nur vorübergehend keine Sozialleistungen vom griechischen Staat erhalten werden.
(aa) Zurückkehrende international Schutzberechtigte haben zunächst in aller Regel keinen Zugang zur sozialen Grundsicherung. Die 2017 eingeführte soziale Grundsicherung („soziales Solidaritätseinkommen“ bzw. nunmehr „garantiertes Mindesteinkommen“) beträgt 200,- Euro monatlich pro Haushalt und erhöht sich um 100,- Euro für jeden Erwachsenen und um 50,- Euro für jedes Kind (G 32/23, S. 38; G 22/23, S. 20; G 17/22, S. 10; G 25/22, S. 22 ff.). Sie richtet sich an Haushalte in absoluter Armut und kombiniert finanzielle Unterstützung mit weiteren sozialen Leistungen wie etwa Zugang zu Tafeln und Ermäßigungen auf Versorgungsleistungen (2023/1, S. 3). International Schutzberechtigte werden bei der Beantragung der sozialen Grundsicherung mit erheblichen Hürden konfrontiert. Voraussetzung für die Bewilligung sind u. a. der Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (ADET), einer Steuernummer (AFM), einer Sozialversicherungsnummer (AMKA), eines Bankkontos bei einer griechischen Bank, ein fester Wohnsitz (nachzuweisen z.B. durch einen bereits seit mindestens sechs Monaten bestehenden Mietvertrag, einen Grundbuchauszug oder eine Obdachlosenbescheinigung) sowie die Vorlage einer aktuellen Steuererklärung (vgl. G 17/22, S. 7 f.; 2023/1, S. 4; G 22/23, S. 20 f.; G 14/23, S. 9; G 25/22, S. 23 f.). Alle diese Voraussetzungen zu erfüllen, ist für zurückkehrende international Schutzberechtigte in der ersten Zeit nach der Rückkehr kaum möglich, zumal die Ausstellung der genannten Dokumente zum Teil voneinander abhängt und mit erheblichen Hürden und Verzögerungen verbunden sein kann (vgl. zu den Verzögerungen bei der Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie den Schwierigkeiten, einen Wohnsitznachweis zu erbringen oder eine Obdachlosenbescheinigung zu erhalten bereits oben (b) (dd) (2)). Darüber hinaus richtet sich die soziale Grundsicherung an „Haushalte“, so dass Personen, die nicht selbst einen registrierten Haushalt haben (oder alternativ über eine Obdachlosenbescheinigung verfügen), sondern (informell) in einem anderen Haushalt leben, häufig die Wohnadresse wechseln oder ohne Obdachlosenregistrierung auf der Straße leben, von der sozialen Grundsicherung ausgeschlossen sind (vgl. G 25/22, S. 25). In der Praxis sind daher die wenigsten international Schutzberechtigten in der Lage, die Voraussetzungen für den Bezug der sozialen Grundsicherung zu erfüllen (vgl. ebenda; 2023/1, S. 2 ff.; G 14/23, S. 9; G 22/23, S. 5 ff., 20 ff.).
(bb) Andere Sozialleistungen stehen jedenfalls jungen, gesunden, alleinstehenden und erwerbsfähigen Männern grundsätzlich nicht zur Verfügung (vgl. G 17/22, S. 11 f.; 2023/1, S. 4; G 22/23, S. 19; G 14/23, S. 9). Soweit der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages auf eine bedarfsabhängige soziale Solidaritätsleistung für international Schutzberechtigte verweist („Aspekte der sozialen Sicherung bei Zuwanderung in ausgewählten europäischen Ländern. Hilfsleistungen, Abgrenzung konkreter Sozialleistungen und Personengruppen“, 28.3.2023, G 8/23, S. 6), hat die Kammer hierfür keine Belege gefunden. Wenn es eine solche Leistung tatsächlich gäbe, wäre zu erwarten, dass sie auch in anderen Erkenntnisquellen erwähnt wird, die sich ausführlich mit Sozialleistungen für international Schutzberechtigte in Griechenland befassen. Dies ist aber nicht der Fall.
(d) Der Zugang zum legalen Arbeitsmarkt stellt sich für zurückkehrende internationale Schutzberechtigte als schwierig dar, so dass ein beachtliches Risiko besteht, keine legale Beschäftigung zu finden. Um legal arbeiten zu können, muss eine Reihe bürokratischer Hürden überwunden werden. Der Zugang zum legalen Arbeitsmarkt setzt u.a. den Besitz eines gültigen Reisedokuments, einer Aufenthaltsbewilligung (ADET), einer Sozialversicherungsnummer (AK-MA), einer Steuernummer (AFM) und eines Bankkontos voraus, wobei sich diese Dokumente teilweise gegenseitig bedingen (vgl. G 14/23, S. 8; G 22/23, S. 15 ff., 27 ff.; 2023/1, S. 6; G 9/24, S. 18; G 25/22, S. 39 f.) und es insbesondere bei der Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu Verzögerungen kommen kann (siehe bereits oben (b) (dd) (2)). Neben den aufgezeigten bürokratischen Hürden führen auch mangelnde Kenntnisse der griechischen und englischen Sprache sowie fehlende soziale und familiäre Netzwerke dazu, dass nur wenige international Schutzberechtigte einen effektiven Zugang zum legalen Arbeitsmarkt haben (G 14/23, S. 8; G 7/23, S. 184 ff.; 2023/1, S. 7; G 25/22, S. 41; Active citizens fund/Greek Council for Refugees, Seeking a new life, seeking employment. An assessment of the employment situation of asylum seekers and beneficiaries of international protection in Greece, G 21/22, März 2022).
(e) Es ist jedoch davon auszugehen, dass es international Schutzberechtigten grundsätzlich möglich ist, Arbeit in der sog. Schattenwirtschaft zu finden. Schwarzarbeit ist in Griechenland weit verbreitet. Nach verschiedenen Schätzungen macht der informelle Sektor ca. 15-30% der griechischen Wirtschaft aus (vgl. G 9/24, S. 46; Cui/Yao, Recent Trends of Informality in Greece: Evidence from Subnational Data, Februar 2024, G 10/24, S. 8; Schneider/Asllani, Study requested by the FISC committee of the European Parliament: Taxation of the Informal Economy in the EU, November 2022, G 28/22, S. 23 f.). Er konzentriert sich weitgehend auf den Tourismus, die Landwirtschaft und den Dienstleistungsbereich (vgl. G 9/24, S. 46). In diesen Bereichen können international Schutzberechtigte u.a. über Migrantennetzwerke und persönliche Kontakte eine informelle Anstellung finden (vgl. G 22/22; Mellersh, Greece: Migration flows and the employment dilemma, 1.11.2023, G 28/23; G 8/24, S. 13). Daneben besteht eine Nachfrage nach verschiedensten Tagelöhnertätigkeiten wie z.B. Bau-, Maler-, Klempner- oder Lagerarbeiten, das Verteilen von Flugblättern oder das Sammeln von Kartons oder Altmetall (vgl. G 22/22).
Nach verschiedenen Berichten erhalten Migranten, die informell im Tourismus, in der Landwirtschaft bzw. im Dienstleistungsbereich arbeiten oder Tagelöhnertätigkeiten ausüben, eine Vergütung deutlich unter dem griechischen Mindestlohn. In einigen Berichten werden Vergütungen von 5,- bis 27,- Euro für einen Arbeitstag genannt (vgl. G 22/22, S. 7; G 33/23, S. 18), in einem Bericht aus Dezember 2023 wird eine durchschnittliche Vergütung von etwa 165,- Euro pro Woche bei den an der Studie Teilnehmenden genannt (G 29/23, S. 28). Es soll auch Fälle geben, in denen die vereinbarte Vergütung vorenthalten wird (vgl. G 22/22). Derartige Tätigkeiten bieten freilich keinen Zugang zu sozialer Sicherheit und können mit prekären Arbeitsbedingungen sowie der Gefahr von Ausbeutung einhergehen (vgl. G 7/23, S. 246 f.).“
62
Für den hiesigen Antragsteller gilt, dass er als syrischer Staatsangehöriger zu einer der größten Gruppen unter den in Griechenland lebenden Geflüchteten gehört. Dies verbessert die Chancen des Antragstellers angesichts der Bedeutung von Netzwerken innerhalb der jeweiligen Nationalitäten signifikant, in Griechenland Fuß zu fassen, insbesondere eben Obdach und Arbeit zu erlangen. Nötigenfalls muss sich der Antragsteller darauf verweisen lassen, zur Überwindung verbleibender Unzulänglichkeiten Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Ausführungen, die das Verwaltungsgericht Hamburg unter Rn. 64 ff. des o.g. Urteils vom 28.06.2024 zur Situation des dortigen Klägers gemacht hat, haben - soweit sie generalisierbar sind - auch für den hiesigen Antragsteller entsprechende Gültigkeit.
63
Es ist nach alledem und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Antragstellers nicht davon auszugehen, dass bei einer Rückkehr nach Griechenland die anzulegende (Gefahren-)Schwelle des Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK erreicht würde. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sich die Lage des Antragstellers, die ihn in Griechenland erwartet, prognostisch deutlich ungünstiger gestaltet als dies derzeit in Deutschland der Fall ist. Bei Anlegung der durch den Europäischen Gerichtshof herausgearbeiteten strengen Maßstäbe - Unzulässigkeit der Rückführung erst für den Fall, dass der Ausländer in „extreme materielle Not“ gerät, nicht bereits bei (großer) Armut - kann jedoch die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts aller Voraussicht nach rechtlich nicht beanstandet werden.
64
2. Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich nicht aus den weiteren mit dem Eilantrag vorgebrachten Gründen.
65
a) Die von der Antragstellerseite beantragte Beiziehung von im Einzelnen bezeichneten Verwaltungsvorgängen, die drei „Muster-Bescheide“ aus dem Jahr 2022 enthalten sollen und die sich auf gänzlich andere Antragsteller beziehen, ist nicht veranlasst. Zunächst gilt, dass man zwar - mit guten Gründen - den Versuch unternehmen mag, für die Fälle der Sekundärmigration bestimmte „Fallgruppen“ zu bilden, so z.B. die Gruppe der arbeitsfähigen, jungen, alleinstehenden Männer. Andererseits darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass stets eine Einzelfallbetrachtung nötig ist und - wie dem Gericht aus zahlreichen Verfahren bekannt ist - scheinbar gleich gelagerte Fälle in den Details eben doch zum Teil gewichtige Unterschiede aufweisen. Exemplarisch kann für die Situation des hiesigen Antragstellers angeführt werden, dass dieser bereits in Syrien in der Gastronomie tätig war, dort noch seine Eltern und die Großfamilie hat und etwa in der Türkei arbeitstätig gewesen ist, während der Fall eines anderen Antragstellers eben andere derartige Facetten aufweist (vgl. jüngst VG Bayreuth, B.v. 1.8.2024 - B 7 S 24.32005). Vor allem aber könnte der hiesige Antragsteller aus einer etwaigen rechtswidrigen Verbescheidung in den von seinem Bevollmächtigten genannten Vorgängen - noch dazu aus dem Jahr 2022 - nichts zu seinen Gunsten herleiten (keine „Gleichheit im Unrecht“); und es ist nicht nur das Recht, sondern gar die Pflicht einer Behörde, eine etwaige bisherige Verwaltungspraxis, die nun als rechtswidrig erkannt wurde, mit Wirkung (zumindest) für die Zukunft zu korrigieren. Bei der hiesigen Kammer sind jedenfalls alleine im letzten Monat mehrere Verfahren eingegangen, die die Sekundärmigration aus Griechenland zum Gegenstand haben und die „im Wesentlichen“ vergleichbar sind.
66
b) Auch dem hiesigen Gericht ist bekannt, dass das Bundesamt im Jahr 2022 eine durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung betreffend die Sekundärmigration aus Griechenland zurückgenommen hat. Weitere Hintergründe dieser Entscheidung des Bundesamts sind indessen nicht mitgeteilt worden. Unabhängig davon ergibt sich aus diesem Sachverhalt, der bald zwei Jahre zurückliegt, im vorliegenden Verfahren nichts zugunsten des Antragstellers, insbesondere verbleibt es dabei, dass das Verwaltungsgericht die Aussetzung der Abschiebung nach § 36 Abs. 4 AsylG nur anordnen darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, was - wie oben ausführlich dargestellt wurde - nicht der Fall ist.
67
c) Der im vorliegenden Verfahren anzulegende Maßstab aus § 36 Abs. 4 AsylG wird auch nicht dadurch modifiziert, dass ein Oberverwaltungsgericht außerhalb Bayerns in der Zwischenzeit - so aktuell offenbar u.a. der Hessische Verwaltungsgerichtshof, vgl. das vom Bevollmächtigten vorgelegte Konvolut von Entscheidungen - die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil zur Thematik der Sekundärmigration aus Griechenland zugelassen hat. In diesem Kontext darf nicht übersehen werden, dass die Gründe, aus denen die Berufung im Asylprozess überhaupt zugelassen werden kann, nach § 78 Abs. 3 AsylG beschränkt sind und insbesondere der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verankerte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach dem Asylgesetz nicht einschlägig ist. Insofern kommt insbesondere für den Fall, dass sich ein Oberverwaltungsgericht von einer (möglicherweise) für überholt erachteten Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts distanzieren möchte, in Fallgestaltungen wie der hiesigen eben gerade die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht. Auch aus diesem Zusammenhang ergibt sich jedoch keine Veränderung des Prüfungsmaßstabs im vorliegenden Verfahren, etwa dahin, dass bis zu einer neuen oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung sämtliche Drittstaatenbescheide, die (vermeintlich) der der in Rede stehenden Fallgruppe („jung, arbeitsfähig, alleinstehend“ bzw. „nicht vulnerabel“) zuzuordnen sind, zu suspendieren wären. Ein solches Gebot ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Eine rechtswidrige Einschränkung dieses normgeprägten - vorliegend u.a. durch § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 4 AsylG seitens des Gesetzgebers ausgestalteten - Individualgrundrechts, das zugleich eine objektive Wertentscheidung bzw. eine Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung enthält (vgl. Jarass/Pieroth, Art. 19 GG, Rn. 37, 61), ist damit nicht verbunden.
68
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers in diesem Kontext auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.02.2008 hingewiesen hat - 2 BvR 2575/07 -, handelt es sich um eine Konstellation, die für die hiesige Problematik nicht ergiebig ist. Das Oberverwaltungsgericht hatte in der maßgeblichen Ausgangsentscheidung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in einer mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbarenden Weise verkannt. Es ist nicht ersichtlich, wie sich aus dieser Entscheidung ein für das vorliegende Verfahren anderes Ergebnis ableiten lassen sollte.
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Auch in diesem Zusammenhang führt der Hinweis des Bevollmächtigten auf den nahezu zwei Jahre zurückliegenden Einstellungsbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus September 2022 nicht weiter. Wie bereits erwähnt, trifft es zwar zu, dass die veröffentlichten bzw. vorgelegten, auch aktuellen Entscheidungen verschiedener erstinstanzlicher Gerichte - möchte man eine Fallgruppe der „jungen, arbeitsfähigen, alleinstehenden Männer“ bilden und in den Blick nehmen - einen durchaus uneinheitlichen Grundtenor aufweisen, doch kann nicht festgestellt werden, dass es eine aktuelle „uneinheitliche“ oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hierzu gäbe. Vielmehr ist derzeit - wie oben ausgeführt - keine oberverwaltungsgerichtliche Sachentscheidung auszumachen; über dort anhängige Berufungsverfahren wurde offenbar bisher nicht entschieden. Das vom Bevollmächtigten des Antragstellers als „aktuelle Grundsatzentscheidung“ bezeichnete Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.11.2022 konnte sich insbesondere (noch) nicht mit der nunmehr gerade in den Jahren 2023 und 2024 festzustellenden ausgesprochen stabil positiven Entwicklung des Tourismus in Griechenland befassen, die sich in zehntausenden offenen Stellen niederschlägt und die dazu führt, dass sich Griechenland veranlasst sieht, Arbeitskräfte aus Drittstaaten anzuwerben bzw. das Arbeitskräftereservoir der irregulär eingereisten Migranten „anzuzapfen“ (vgl. bereits oben und näher t-online vom 13.04.2024: „Massiver Fachkräftemangel: Griechenland wirbt um Ausländer“). Auch auf die Mehrzahl von Initiativen und Unterstützungsmöglichkeiten, die seither in Griechenland etabliert wurden, konnte das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (noch) nicht eingehen (vgl. hierzu ebenfalls näher bereits oben).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).