Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 05.08.2024 – B 7 K 24.607
Titel:

Zur Bindungswirkung eines rechtsfehlerhaften Verweisungsbeschlusses

Normenketten:
GVG § 17a Abs. 2 S. 3
IfSG § 56 Abs. 1a, § 60, § 68 Abs. 2
SGB IX § 24
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 6
VwGO § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 analog
Leitsatz:
Eine Verweisung, die sich über das tatsächliche Klagebegehren hinwegsetzt und sich dadurch in nicht mehr hinnehmbarer Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, entfaltet keine Bindungswirkung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
analoge Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO zur Klärung der Frage des Entfalls der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses betreffend den zulässigen, Rechtsweg, Anforderungen an den Entfall der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses (hier: Entfall bejaht), Zulässigkeit des Rechtswegs (hier: der Sozialgerichtsbarkeit), Bestimmung des Streitgegenstands, Geltendmachung eines „Impfschadens“ und diesbezüglicher Versorgungsansprüche in Zusammenhang mit einer Corona-Schutzimpfung, Bindungswirkung, Impfschaden, Corona-Schutzimpfung, Klagebegehren, Verweisungsbeschluss, Verwaltungsrechtsweg, Sozialrechtsweg
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 17.10.2024 – 3 AV 1.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24680

Tenor

Das Verfahren wird dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg vorgelegt.

Gründe

I.
1
In Streit steht die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs in Zusammenhang mit geltend gemachten Folgen aus einer Impfung der Klägerin gegen das Coronavirus.
2
Die Klägerin stellte am 18.02.2022 beim Zentrum Bayern Familie und Soziales – Region … – Versorgungsamt einen Antrag auf „Leistungen nach dem IfSG“ und machte hierbei geltend, dass sie nach einer Impfung mit Cominarty am 18.10.2021 eine Impfkomplikation erlitten habe. Bei ihr sei Asthma bronchiale und Bluthochdruck diagnostiziert worden, was ursächlich auf die Impfung zurückzuführen sei. Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales – Region … – Versorgungsamt vom 09.05.2022 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass zwischen den bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beschwerden und der Impfung kein ursächlicher kausaler Zusammenhang bestehe. Der hiergegen erhobene Widerspruch, in dem näher zu den Anforderungen an die Kausalität ausgeführt wurde, wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales – Zentrale – Landesversorgungsamt vom 24.08.2022 zurückgewiesen, da es nicht wahrscheinlich sei, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen durch die Impfung hervorgerufen worden seien.
3
Die Klägerin ließ am 26.09.2022 durch ihren Bevollmächtigten beim Sozialgericht … Klage gegen das „Zentrum Bayern Familie und Soziales Zentrale Landesversorgungsamt“ wegen „Infektionsschutzgesetz“ erheben und beantragte, den Bescheid der Beklagten (Region … – Versorgungsamt) vom 09.05.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2022 aufzuheben und der Klägerin Leistungen nach dem IfSG zu gewähren. Die betreffenden Bescheide waren der Klage beigefügt. Die Klagebegründung sollte nach gewährter Akteneinsicht erfolgen.
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Nach gewährter Akteneinsicht wurde der Klägerbevollmächtigte mit gerichtlicher Verfügung vom 12.01.2023 um die Einreichung der Klagebegründung bis zum 15.02.2023 gebeten. Im Anschluss an den Klageantrag vom 26.09.2022 habe der Klägerbevollmächtigte noch darzulegen, welche Leistung die Klägerin anstrebe. Nicht für alle Leistungen sei der Sozialrechtsweg eröffnet. Hierbei wurde auf § 68 IfSG hingewiesen. Mit Verfügung vom 05.09.2023 wurde an die Einreichung der Klagebegründung erinnert und darauf hingewiesen, den richterlichen Hinweis vom 12.01.2023 zu beachten, da der Sozialrechtsweg noch nicht positiv erwiesen sei.
5
In der Klagebegründung vom 08.10.2023 wurde vom Klägerbevollmächtigten im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Impfschaden geltend mache. Betroffen sei eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der §§ 60 bis 63 IfSG. Der Impfschaden ergebe sich aus den folgenden Ereignissen (es folgten nähere Ausführungen zu den Impfungen und – unter Berufung auf Patientenberichte und Blutdruck- und Pulsmesswerte – zum festgestellten Asthma bronchiale und Bluthochdruck der Klägerin). Die Beklagte habe den tatsächlichen Sachverhalt nicht überprüft und habe darauf abgestellt, dass ein Zusammenhang mit der Impfung „nicht wahrscheinlich“ erscheine (hierzu wurde näher ausgeführt). Es könne festgestellt werden, dass die Impfung die Ursache für das Asthma bronchiale, welches sich durch Atemnot der Klägerin äußere, und den Bluthochdruck gebildet habe. Hierin äußere sich auch der Impfschaden, den die Klägerin gegen die Beklagte geltend mache. Die Klägerin befinde sich derzeit in der Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten (MAZ). Durch die Atemnot gehe der Klägerin schnell die Luft aus und sie könne das Arbeitstempo in ihrem erstrebten Beruf nicht konstant halten. Sie befürchte körperliche Ausfälle in Notsituationen, wobei sie kein Menschenleben riskieren möchte. Somit habe der Impfschaden einen nicht unbeachtlichen Einfluss auf die berufliche Zukunft der Klägerin. Die Klägerin stehe mit ihren 20 Jahren noch am Anfang ihrer beruflichen Karriere und sei durch den Impfzwang von Anfang an beruflich und gesundheitlich beschwert.
6
Mit richterlicher Verfügung vom 09.10.2023 wurde der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass der Klageantrag vom 26.09.2022 zu unbestimmt sei. Auch aus der Klagebegründung sei nicht ersichtlich, welche Versorgung die Klägerin anstrebe. Nicht für alle Ansprüche aus einem Impfschaden sei der Sozialrechtweg eröffnet. Hierbei wurde auf § 68 IfSG hingewiesen und um Stellungnahme gebeten.
7
Mit Schriftsatz vom 12.02.2024 führte der Bevollmächtigte im Wesentlichen aus, dass aufgrund der gerichtlichen Aufforderung vom 09.10.2023 wie folgt Stellung bezogen werde. Das Gericht verweise auf § 68 IfSG und zweifle eine Zuständigkeit des SG … an. Gemäß § 68 Abs. 1 IfSG sei der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten nach den §§ 56 bis 58, 65 IfSG gegen das nach § 66 Abs. 1 IfSG zur Zahlung verpflichtete Land gegeben. Der Verwaltungsrechtsweg sei auch gegeben, soweit andere Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht werden würden. „§ 56 Abs. 1a Nr. 3 IfSG“ befasse sich mit der Entschädigung für Verdienstausfälle aufgrund einer epidemischen Lage für erwerbstätige Personen in Geld. Wie bereits in der Klagebegründung erläutert worden sei, arbeite die derzeit 21-jährige Klägerin als MAZ. Durch die Atemnot gehe der Klägerin schnell die Luft aus und sie könne das Arbeitstempo in ihrem erstrebten Beruf nicht konstant halten. Es seien körperliche Ausfälle in Notsituationen zu erwarten, wobei die Klägerin Menschenleben riskieren könnte, wenn sie nicht schnell und präzise arbeiten könne. Folglich werde die Klägerin nie Vollzeit wie eine gesunde MAZ arbeiten können und müsse aufgrund des Handelns der Beklagten mit hohen Verdienstausfällen rechnen. Somit fordere die Klägerin eine Entschädigung in Geld in angemessener Höhe gemäß „§ 56 Abs. 1a Nr. 2 IfSG i.V.m. § 68 IfSG“ von der Beklagten. Es solle hierbei die gesamte zukünftige Berufszeitspanne der Klägerin bis zum Eintritt in ihr Rentenalter zuzüglich der Minderung der Rente der Klägerin aufgrund einer behinderten Vollzeitausübung berücksichtigt werden.
8
Mit richterlicher Verfügung vom 14.02.2024 wurde ausgeführt, dass die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch auf § 56 Abs. 1a Nr. 2 IfSG stütze. Für diesen Anspruch sei auch nach der Änderung von § 68 IfSG unverändert der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Auch die Klägerin halte nunmehr den Verwaltungsrechtsweg für gegeben. Das Gericht bitte um ausdrückliche Bestätigung; in diesem Fall würde es das Verweisungsverfahren einleiten. Es erscheine zweifelhaft, ob für „Ansprüche nach § 56 Abs. 1a Nr. 2 IfSG“ das Zentrum Bayern Familie und Soziales zuständig sei. Eine Stellungnahme des Bevollmächtigten hierzu ist nicht erfolgt.
9
Nach Anhörung zur beabsichtigten Verweisung wurde mit Beschluss des SG … vom 07.06.2024 der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege eine aufdrängende Sonderzuweisung für die Verwaltungsgerichte nach § 68 Abs. 1 IfSG vor. Ausgangspunkt für die Prüfung des Rechtswegs sei, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt sei. Mangels näherer Angaben der Klägerin im behördlichen Verfahren habe der Beklagte davon ausgehen können, dass die Klägerin eine Beschädigtenversorgung anstrebe. Erst im Klageverfahren habe die Klägerin klargestellt, dass sie eine Entschädigung für Verdienstausfall anstrebe. Auf § 56 Abs. 1a Nr. 3 IfSG wurde in den Gründen des Beschlusses Bezug genommen. Der Beschluss wurde von keinem Beteiligten angefochten.
10
Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts vom 18.07.2024 zur beabsichtigten Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts angehört. Eine Äußerung ist nicht erfolgt.
11
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
12
1. Zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit ist für den vorliegenden Fall des Streits über den zulässigen Rechtsweg entsprechend § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO das oberste Bundesgericht des vorlegenden Gerichts anzurufen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2009 – 2 AV 1/09 – juris). Dies ist das Bundesverwaltungsgericht.
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2. Die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Bayreuth entfaltet entgegen § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ausnahmsweise keine Bindungswirkung.
14
a) Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist der Beschluss des Sozialgerichts für das hiesige Gericht grundsätzlich hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Dabei gilt, dass auch eine unrichtige Verweisung regelmäßig bindend und eine Rückverweisung deshalb grundsätzlich unzulässig ist. Mit Rücksicht auf die Möglichkeit, den Verweisungsbeschluss in dem von § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzliche Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses nur bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Das ist dann der Fall, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechterdings nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BVerwG, B.v. 26.5.2023 – 9 AV 3/23 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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b) So verhält es sich hier. Das SG … hat sich bei der Verweisung des Rechtsstreits nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG über die im vorliegenden Fall zur Bestimmung des Rechtswegs maßgeblichen Vorschriften der §§ 60 und 68 Abs. 2 IfSG a.F. bzw. § 24 SGB XIV und § 51 Abs. 1 Nr. 6 SGG in nicht mehr nachvollziehbarer Weise hinweggesetzt.
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Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a IfSG a.F. erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20i Abs. 3 des SGB V vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens i.S.v. § 2 Nr. 11 IfSG auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (vgl. die inhaltlich weitgehend identische Nachfolgevorschrift des § 24 Satz 1 Nr. 2 SGB XIV). Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 IfSG a.F. ist für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der §§ 60 bis 63 Abs. 1 der Rechtsweg vor den Sozialgerichten gegeben. Auf Grundlage des § 56 Abs. 1a IfSG, über dessen Streitigkeiten nach § 68 Abs. 1 IfSG a.F. bzw. § 68 Satz 1 IfSG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist, erhält eine erwerbstätige Person eine Entschädigung in Geld, wenn unter anderem Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen geschlossen werden (Nr. 1), die erwerbstätige Person ihr Kind in diesem Zeitraum selbst beaufsichtigt (Nr. 2) und die erwerbstätige Person dadurch einen Verdienstausfall erleidet (Nr. 3).
17
Der in der Klagebegründung vorgetragene Lebenssachverhalt knüpft ohne jeden Zweifel an die erfolgte Impfung der Klägerin gegen das Coronavirus an. Hieraus seien Gesundheitsbeeinträchtigungen hervorgegangen, die die Klägerin nachhaltig in ihrer beruflichen Tätigkeit einschränken würden. Dieser Lebenssachverhalt wurde unmissverständlich auch dem mit der Klage verfolgten materiell-rechtlichen Anspruch zugrunde gelegt, was eindeutig aus dem einleitenden Teil der Klagebegründung ersichtlich wird („die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Impfschaden geltend, betroffen ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der §§ 60 bis 63 IfSG, welcher sich aus folgenden Ereignissen ergibt…“). Daher ist der Streitgegenstand objektiv erkennbar auf den Erhalt einer Entschädigung in Bezug auf einen behaupteten Impfschaden fixiert worden (vgl. zum Streitgegenstandsbegriff BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 7 C 13/12 – juris Rn. 28).
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Dieses Ergebnis drängt sich des Weiteren auch dann auf, wenn die Klageerhebung als solche in den Blick genommen wird. Dort wurde unter Beifügung der Bescheide des Zentrums Bayern Familie und Soziales (Ausgangsbescheid: Region … – Versorgungsamt; Widerspruchsbescheid: Zentrale – Landesversorgungsamt) beantragt, diese Bescheide aufzuheben und Leistungen nach dem IfSG zu gewähren. Die entsprechenden Bescheide haben gerade die Ablehnung von Leistungen nach dem IfSG auf Grund der Aberkennung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung zum Gegenstand, adressieren daher einen behaupteten Impfschaden. Ferner wurde als Beklagter ausdrücklich das Zentrum Bayern Familie und Soziales bezeichnet, welches die zuständige Behörde für die Gewährung einer impfschadensbedingten Versorgung nach § 60 IfSG a.F. darstellt (vgl. zur sachlichen Zuständigkeit der Versorgungsämter § 64 Abs. 1 IfSG a.F. i.V.m. §§ 1 und 2 Satz 1 KriegsopfVwVfG).
19
Dass die im Klageantrag neben der Bescheidsaufhebung begehrten „Leistungen nach dem IfSG“ unpräzise – und daher allenfalls präzisierungsbedürftig – nicht näher als „Versorgung“ (vgl. § 60 IfSG a.F.) oder „Soziale Entschädigung“ (vgl. § 24 SGB XIV) bezeichnet wurden, ist in Hinblick auf die Bestimmung des dem Streitgegenstand zugrundeliegenden Lebenssachverhalts unschädlich.
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Nicht mehr vertretbar ist die Annahme im Verweisungsbeschluss, die Klägerin begehre eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1a Nr. 2 IfSG. Denn die Klägerin trägt an keiner Stelle einen Sachverhalt vor, der auch nur entfernt in Hinblick auf § 56 Abs. 1a IfSG von Relevanz wäre (z.B. geschlossener Kindergarten aufgrund eines Corona-Bezugs, sodass die Klägerin ihr Kind selbst betreuen habe müssen und daher nicht arbeiten habe können und daher einen Verdienstausfall erlitten habe). Zwar erwähnt der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 12.02.2024 den § 56 Abs. 1a Nr. 3 IfSG und wähnt sich eines hieraus ergebenden Entschädigungsanspruchs. Jedoch zieht er seine Schlussfolgerung unter und anhand der ausdrücklichen Wiederholung des bereits im Wesentlichen in der Klagebegründung vorgetragenen Lebenssachverhalts (Impfschaden), sodass es sich eindeutig um eine bloß rechtlich fehlerhafte Schlussfolgerung des Klägerbevollmächtigten im Hinblick auf die Rechtsgrundlage handelt, jedoch in Bezug auf einen von Anfang an eindeutig kundgetanen Lebenssachverhalt und damit fixierten Streitgegenstand. Eine etwaige Auswechslung oder Spezifizierung des Streitgegenstands dahingehend, einen Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG anhängig zu machen, ist damit objektiv in keiner Weise erfolgt. Dass der Klägerbevollmächtigte auf § 56 Abs. 1a IfSG Bezug nimmt, beruht vielmehr auf der gerichtlichen Verfügung vom 09.10.2023, in der auf § 68 IfSG verwiesen und ausgeführt wird, nicht für alle Ansprüche aus einem Impfschaden sei der Sozialrechtsweg eröffnet. Indem der Klägerbevollmächtigte in der hierauf erfolgten Stellungnahme vom 12.02.2024 im Wesentlichen seinen dem begehrten Leistungsanspruch zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Impfschaden) wiederholte und auf die Fragen des Rechtswegs einging, adressierte er bloß, wie selbst ausdrücklich dort einleitend beschrieben, die Verfügung des Gerichts zu § 68 IfSG durch Mitteilung seiner rechtlichen Schlussfolgerung. Keinesfalls sollte oder ist in nachvollziehbarer Weise der Eindruck entstanden, der bisher vorgetragene Lebenssachverhalt und damit der Streitgegenstand solle ausgetauscht werden. Diesen hält er gerade aufrecht. Dass bei den rechtlichen Ausführungen vom Bevollmächtigten nicht auf die Bestimmung des § 68 Abs. 2 IfSG a.F. (Zulässigkeit des Sozialrechtswegs) Bezug genommen wurde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Umstand des im Nachgang der gerichtlichen Verfügung mit Wirkung zum 01.01.2024 erfolgten Wegfalls des § 68 Abs. 2 und des § 60 IfSG geschuldet.
21
Der betreffende Verweisungsbeschluss setzt sich weder mit diesen Umständen noch überhaupt mit dem Inhalt der Klagebegründung vom 08.10.2023 in irgendeiner Art und Weise auseinander. So lässt der Beschluss eine Befassung mit dem in der Klagebegründung erwähnten und zu damaliger Zeit noch in Kraft gewesenen § 60 IfSG a.F. und dem darauf bezogenen Lebenssachverhalt (Impfschaden) völlig vermissen. Auch hat der Klägerbevollmächtigte im Nachgang zu seiner Stellungnahme vom 12.02.2024 nie eine mit Verfügung vom 14.02.2024 angefragte Bestätigung, dass die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch auf § 56 Abs. 1a IfSG stütze, abgegeben, wobei anzumerken ist, dass bereits nach dem schlichten Wortlaut des § 56 Abs. 1a IfSG die Voraussetzungen der dortigen Nrn. 1 bis 3 kumulativ vorliegen müssen. Dieser Aspekt wurde – abgesehen vom bloßen isolierten Benennen von einzelnen Gesetzesbezeichnungen (§ 56 Abs. 1a Nr. 2 bzw. Nr. 3 IfSG) weder von der Klägerseite noch vom Sozialgericht in den Blick genommen.
22
Nach alledem führt dies dazu, dass sich die Verweisung in nicht mehr hinnehmbarer Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat und daher obigen Maßstäben entsprechend keine Bindungswirkung entfaltet.