Titel:
Formunwirksame Klageerhebung auf Gewährung einer Überbrückungshilfe
Normenkette:
VwGO § 55d, § 58, § 74 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Klageerhebung durch Einwurf eines auf dem „Kanzleibriefkopf“ verfassten und vom bevollmächtigten vertretungsberechtigten Steuerberater sowie vom Kläger eigenhändig unterschriebenen Klageschriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts ist grds. formunwirksam. (Rn. 21 und 23)
2. Gleiches gilt für die Übermittlung eines derartigen Schriftsatzes per Telefax oder auf dem Postweg. (Rn. 21 und 23)
3. Die schlichte Nichtnutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs stellt keine technische Unmöglichkeit i.S.d. § 55d Satz 3 VwGO dar. (Rn. 22)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung einer Überbrückungshilfe im Rahmen einer Ermessensentscheidung ist bei einer geübten und gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Behörde der Zeitpunkt des Bescheidserlasses, sodass über bloße Erläuterungen des bisherigen Vorbringens hinausgehender Vortrag neuer Tatsachen und die Vorlage neuer, nicht bis zum Bescheidserlass vorgelegter Unterlagen unbeachtlich sind. Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht oder erkennbar war, kann und muss die Behörde daher auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigen, so dass ermessensrelevante Tatsachen, die erstmals im Klageverfahren vorgebracht werden, im Nachhinein keine Berücksichtigung finden können. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Überbrückungshilfe III Plus, Klageerhebung durch einen Steuerberater durch Einwurf in den Nachbriefkasten, Keine eigenhändige Klageerhebung des Klägers auf Briefkopf des Bevollmächtigten, Keine vorübergehende technische Unmöglichkeit bei Nichtnutzung des beSt, Klageerhebung, Wirksamkeit, Formunwirksamkeit, Kanzleibriefkopf, Nachtbriefkasten, Einwurf, Postweg, Telefax, elektronische Einreichungspflicht, technische Unmöglichkeit, Schriftsatz, elektronisches Postfach, Nichtnutzung, Überbrückungshilfe, Corona, maßgeblicher Zeitpunkt, Verwaltungspraxis, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24677
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der beantragten sowie die Rücknahme und Rückforderung der vorläufig bewilligten Überbrückungshilfe III Plus durch die Beklagte.
2
Die Klägerin, eine Hörfunkveranstalterin, beantragte im März 2022 die Gewährung von Überbrückungshilfe im Rahmen der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 4 (Überbrückungshilfe III Plus) des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Monate Juli bis Dezember 2021 in einer Gesamthöhe von 33.173,94 EUR, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2022 eine Abschlagszahlung unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid in Höhe von 16.586,97 EUR bewilligte und ausbezahlte.
3
Am 14.02.2023 wies die Beklagte den prüfenden Dritten darauf hin, dass beabsichtigt sei, den unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung ergangenen Bescheid vom 30.03.2022 über eine Abschlagszahlung für die Überbrückungshilfe III Plus zurückzunehmen und den Antrag vom 30.03.2022 abzulehnen sowie einen Ablehnungs-, Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zu erlassen. Damit ergebe sich eine Rückforderung in Höhe von 16.586,97 EUR. Grund für die Entscheidung sei die fehlende Antragsberechtigung mangels coronabedingten Umsatzeinbrüchen in den beantragten Fördermonaten. Der Umsatzrückgang sei mit ausbleibenden Aufträgen von Werbekunden und Agenturen, die ihre Werbeetats eingefroren oder reduziert hätten, begründet worden. Die Branche der Hörfunkveranstalter sei jedoch nicht direkt von staatlichen Lockdownvorschriften betroffen gewesen. Nach Ziffer 1.2 der FAQs des Bundes müsse für jeden Fördermonat ein coronabedingter Umsatzeinbruch nachgewiesen werden. Ferner sei grundsätzlich davon auszugehen, dass etwaige monatliche Umsatzschwankungen des Unternehmens nicht coronabedingt seien, sofern der Umsatz eines Unternehmens im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege. Anhand der zur Verfügung gestellten Auflistung der Monatsumsätze sei ersichtlich, dass im Jahr 2020 ein höherer Jahresumsatz als im Jahr 2019 erzielt worden sei. Des Weiteren seien dem Geschäftsmodell zugrundeliegende inhärente Schwankungen oder zögerliches Verhalten der Werbekunden sowie der allgemeine Auftragsrückgang von Hauptkunden keine Umstände, die als Nachweis coronabedingter Umsatzeinbrüche herangezogen werden könnten. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23.02.2023 eingeräumt. Eine Äußerung der Klägerseite erfolgte nicht.
4
Mit Bescheid vom 02.03.2023 wurde der Antrag vom 30.03.2022 auf Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus abgelehnt (Ziffer 1). Unter Ziffer 2 des Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid vollständig die Haupt- und Nebenbestimmungen des Bescheids vom 15.06.2022, der allein zur beihilferechtlichen Fristwahrung ergangen sei, ersetze. Der unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergangene Bescheid vom 30.03.2022 über eine Abschlagszahlung wurde gemäß Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen (Ziffer 3). Der zu erstattende Betrag wurde auf 16.586,97 EUR festgesetzt und die Erstattungspflicht bis zum 02.04.2023 verfügt (Ziffer 4). Unter Ziffer 5 wurde die entsprechende Verzinsung des zu erstattenden Betrags angeordnet.
5
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß Ziffer 2.1 Satz 1 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus sei grundsätzlich davon auszugehen, dass etwaige monatliche Umsatzschwankungen des Unternehmens nicht coronabedingt seien, falls der Umsatz eines Unternehmens im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege. Anhand der nachgereichten Auflistung der Umsätze der Jahre 2019 und 2020 sei ersichtlich, dass der Umsatz des Unternehmens im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege. Gründe, dass das antragstellende Unternehmen trotz der positiven Umsatzentwicklung im Jahr 2020 im Förderzeitraum individuell von einem coronabedingten Umsatzeinbruch betroffen gewesen sei, seien nicht ausreichend dargelegt worden. Des Weiteren müsse gemäß Ziffer 2.1 Satz 3 der Richtlinie zur Überbrückungshilfe III Plus der Umsatzeinbruch im Antragszeitraum coronabedingt sein. Nach Ziffer 1.2 der FAQs müsse für jeden Fördermonat ein coronabedingter Umsatzeinbruch nachgewiesen werden. Dem Geschäftsmodell zugrundeliegende inhärente Schwankungen oder zögerliches Verhalten der Werbekunden sowie der allgemeine Auftragsrückgang von Hauptkunden seinen keine Umstände, die als Nachweis coronabedingter Umsatzbrüche herangezogen werden könnten. Das Unternehmen sei auch nicht von Schließungsanordnungen betroffen gewesen. Ein coronabedingter Umsatzeinbruch sei somit nicht dargelegt worden. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Überbrückungshilfe III Plus nicht erfüllt. Es entspreche der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen.
6
Die Rücknahme des Bescheids über die Abschlagszahlung vom 30.03.2022 stütze sich auf Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG, wonach ein begünstigender, eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährender rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden könne, sofern eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG erfüllt sei und somit kein Vertrauensschutz vorliege. Vertrauensschutz liege demnach insbesondere nicht vor, wenn der Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt worden sei, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig seien. Die Rücknahme des Bescheids über die Abschlagszahlung der Überbrückungshilfe liege nach Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung der im Anhörungsverfahren erfolgten Erläuterungen und Nachweise im pflichtgemäßen Ermessen. In der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus stehe, dass nur dann ein Antrag auf Überbrückungshilfe III Plus gestellt werden könne, wenn eine Antragsberechtigung gegeben sei. Bei Erlass des Bescheids über die Abschlagszahlung und der Anordnung der Auszahlung sei es der Bewilligungsstelle auch nicht möglich gewesen, fehlerhafte Angaben festzustellen, da dieses Stadium des Verfahrens weitestgehend automatisiert ablaufe und der unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags festgesetzte Bescheid über die Abschlagszahlung und die damit verbundene Auszahlung automatisch nach Antragsstellung erfolge, soweit die Angaben nach bestimmten festgelegten Kriterien plausibel seien. Der Abschlagszahlungsbescheid beruhe demnach gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auf unrichtigen Angaben, sodass von keinem schutzwürdigen Vertrauen ausgegangen werden könne. Er sei damit rechtswidrig. Vertrauensschutz sei insbesondere auch deswegen nicht gegeben, da im Abschlagszahlungsbescheid klar darauf hingewiesen worden sei, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergehe. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entspreche die Entscheidung über die Rücknahme dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und zweckgerichteten Verwendung von Steuermitteln. Anhaltspunkte für eine besondere Situation oder eine sonstige unbillige Härte seien nicht gegeben. Aufgrund der fehlerhaften Angaben sei die im Bescheid vom 30.03.2022 festgesetzte Billigkeitsleistung in Höhe von 16.586,97 EUR zu Unrecht gewährt worden und daher zurückzuerstatten. Nach Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 03.04.2023, eingeworfen in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts Bayreuth am selben Tag, wurde eine auf dem Briefkopf der Kanzlei „… – Rechtsanwälte Steuerberater“ verfasste und eigenhändig vom Steuerberater … sowie der Geschäftsführerin der Klägerin unterschriebene Klage dem Gericht zugeleitet und beantragt, den angefochtenen Bescheid vom 02.03.2023 aufzuheben. Dabei wurden die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Klägerin für die Jahre 2019, 2020 und 2021 vorgelegt und im Wesentlichen ausgeführt, aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen werde ersichtlich, dass sich im Erlöskonto 8401 (Erlöse Studio Gong 19% Umsatzsteuer) zwischen den Jahren 2019 und 2020 eine Erhöhung von über 52.000,00 EUR ergeben habe. Hierbei handle es sich um Umsätze aus dem allgemeinen „Bayerischen Rundfunkwerbetopf“. Diese Umsätze beruhten auf Vorgängen aus der Vergangenheit, insbesondere auf Hörerbefragungen. Durch eine gestiegene Hörerzahl im Jahr 2019 seien nachläufig im Jahr 2020 höhere Werbebeiträge ausgezahlt worden. Durch diese Regelung solle eine innerbayerische Ausgleichsregelung herbeigeführt werden. Die Begründung der Ablehnung unter Punkt 3 des angefochtenen Bescheids, es handle sich um „inhärente Schwankungen oder zögerliches Verhalten der Werbekunden“ sei nicht korrekt. Wie sich aus den beigelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen zeige, sei in dieser Sparte (Erlöskonto 8400) ein dramatischer und kontinuierlicher Umsatzrückgang von 2019 bis 2021 erfolgt. Bei lokalen Rundfunkanstalten, die privatwirtschaftlich organisiert seien, würden in der Eigenvermarktung durch Gaststätten, Veranstalter von Veranstaltungen und Events Werbeschaltungen beauftragt. Diese seien periodengerecht in den Erlösen enthalten. Wie aus den Anlagen ersichtlich, ergebe sich durch die pandemiebedingten Schließungen ein erheblicher Umsatzrückgang. Soweit Gaststätten und Veranstaltungen von Amts wegen geschlossen worden seien, mache es keinen Sinn, weitere Rundfunkwerbung zu beauftragen. Insofern handle es sich um eine direkte Auswirkung der Coronapandemie durch die Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung. Im Übrigen könne es nicht im Sinne des Gesetzgebers sein – obwohl eine entsprechende coronabedingte Umsatzminderung im entscheidenden Betrachtungszeitraum (zweites Halbjahr 2021) vorhanden gewesen sei – durch die Berücksichtigung der nachgelagerten Vereinnahmung eine Versagung der beantragten Hilfen herbeizuführen.
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Mit Schriftsatz vom 31.07.2023 beantragen die Bevollmächtigten der Beklagten,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, da sie entgegen § 55d Satz 2 VwGO nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Für die gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 3a VwGO im Streitverfahren der vorliegenden Art vertretungsberechtigten Steuerberater stehe seit dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zur Verfügung. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Es fehle insofern an der nach Ziffer 2.1 lit. e der Richtlinie zur Überbrückungshilfe III Plus erforderlichen Antragsberechtigung. Die Klägerin unterfalle nicht dem Kreis derjenigen Unternehmen, deren Umsatz im Förderzeitraum Juli 2021 bis Dezember 2021 coronabedingt um mindestens 30% gegenüber dem jeweiligen Monat des Jahres 2019 zurückgegangen sei. Als objektiven Anknüpfungspunkt stelle die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis auf die Betroffenheit von Infektionsschutzmaßnahmen, wie etwa die Zugehörigkeit oder die Nähe zu einer von Schließungsanordnungen betroffene Branche ab. Nicht als coronabedingt seien beispielsweise Umsatzeinbrüche anzusehen, die zurückzuführen seien auf wirtschaftliche Faktoren allgemeiner Art oder die sich erkennbar daraus ergeben, dass die Umsätze bzw. Zahlungseingänge sich lediglich verschoben hätten. Bei der Klägerin handle es sich um ein Unternehmen, dessen Umsatz im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege. Ein stichhaltiger Nachweis, dass die in Ansatz gebrachten monatlichen Umsatzrückgänge im Jahr 2021 trotz der Umsatzsteigerung im Jahr 2020 dennoch coronabedingt seien, sei nicht geführt worden. Die Klägerin sei auch nicht von staatlichen Schließungsanordnungen betroffen gewesen. Sie habe daher grundsätzlich ihr Leistungsangebot in vollem Umfang anbieten können. Allein die zurückgehende Nachfrage stelle nach der Verwaltungspraxis noch keine Begründung für einen coronabedingten Umsatzeinbruch dar. Die Beklagte habe demzufolge den Bescheid vom 30.03.2022 zu Recht zurückgenommen und die Fördersumme vollständig zurückgefordert (wird weiter ausgeführt).
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Mit Schriftsatz vom 23.08.2023 beantragt der gegenwärtige Bevollmächtigte der Klägerin nunmehr:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungs-, Aufhebungs- und Rückförderungsbescheids vom 02.03.2023 verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 30.03.2022 auf Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus zu gewähren.
2. Die Rücknahme gemäß Art. 48 BayVwVfG des Bescheids vom 30.03.2022 über eine Abschlagszahlung für die Überbrückungshilfe III Plus ist aufzuheben.
3. Es ist festzustellen, dass der Zuschuss in Höhe von 16.586,97 EUR nicht zu erstatten ist.
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Zur Begründung wird in der Sache im Wesentlichen ausgeführt, richtig sei, dass die Klägerin auf Rückfrage angegeben habe, dass sie sich wesentlich aus Werbeeinnahmen finanziere. Es sei vorgetragen worden, dass sich insbesondere kleinere lokale Radiosender überwiegend aus lokaler Werbung finanzierten. Maßgebliche Werbekunden seien insbesondere Möbelhäuser, Autohäuser und Gastronomiebetriebe. Gerade diese seien von Coronabeschränkungen betroffen gewesen und hätten – um Kosten einzusparen – auch Werbekosten reduziert. Ohne diese Werbeeinnahmen sei nicht nur das „On-Air“ Geschäft betroffen gewesen. Es hätten auch keine „Off-Air“ Veranstaltungen stattfinden können. Weitere Fragen zu diesem Themenkomplex seien von der Beklagten nicht gestellt worden. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang um Übersendung der Monatsumsätze der Jahre 2019 bis 2021 gebeten worden. Dieser Bitte sei die Klägerin nachgekommen.
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Die Klage sei zulässig. Laut Aussage des damaligen Steuerberaters und Bevollmächtigten sei aus technischen Gründen eine Übertragung per beSt nicht möglich gewesen. Auch Finanzgerichte hätten weiterhin die Einreichung per Fax geduldet. Unabhängig davon sei die Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids vom 02.03.2023 unrichtig und irreführend. Demnach sei die Klagefrist noch nicht abgelaufen. Die Beklagte gebe in der Rechtsbehelfsbelehrungan, dass der „Rechtsbehelf beim?Verwaltungsgericht Bayreuth eingelegt werden“ könne. Des Weiteren werde ausgeführt, „Die Klage kann a) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des o.a. Verwaltungsgerichts? (…) erhoben werden.“ Der mit Fragezeichen versehene Zusatz sei zumindest irreführend und dazu geeignet, bei der Klägerin einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen.
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Im Rahmen einer periodengerechten Betrachtung der Umsätze sei der Umsatz des Jahres 2020 im Vergleich zu 2019 bei unter 100%. In diesem Fall sei die Vermutung, dass monatliche Umsatzschwankungen nicht coronabedingt seien, überhaupt nicht heranzuziehen. Wie die Beklagte selbst darlege, stelle sie in ihrer ständigen Verwaltungspraxis darauf ab, dass nicht als coronabedingt beispielsweise Umsatzeinbrüche gelten, die sich erkennbar daraus ergeben, dass sich Umsätze beziehungsweise Zahlungseingänge lediglich zeitlich verschoben hätten. Folglich müssten Zahlungseingänge, welche im Jahr 2020 zugeordnet werden, jedoch erst später eingehen, dem Jahr 2020 zugerechnet werden. Dies mache im Rahmen einer periodengerechten Abrechnung auch Sinn. Anderes scheine jedoch – wie im vorliegenden Fall – für Zahlungen zu gelten, wenn diese für eine Leistung aus dem Jahr 2019 erst im Jahr 2020 eingehen. In solchen Fällen sollen diese anscheinend trotzdem dem Jahr 2020 zugerechnet werden, um so eine Coronabedingtheit auszuschließen. Im Ergebnis würden so Unternehmen bestraft, die vor Corona gute Arbeit geleistet hätten. Diese Argumentation werde von der Beklagten in keiner Weise berücksichtigt. Ferner sei vom prüfenden Dritten vorgetragen worden, dass im Bereich Werbekunden ein dramatischer und kontinuierlicher Umsatzrückgang stattgefunden habe. Wenn die Beklagte vortrage, dass die Klägerin nicht unmittelbar von Schließungen betroffen gewesen sei und ihr Geschäft habe weiter voll anbieten können, möge dies wohl stimmen, soweit dies die reine Radioübertragung betreffe. Jedoch das Werbegeschäft, welches die Klägerin finanziell absichere, sei drastisch eingebrochen (wird weiter ausgeführt).
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Dem Schriftsatz lag als Anlage K3 eine Erklärung des Steuerberaters und vormaligen Prozessbevollmächtigten bei, wonach das besondere Steuerberaterpostfach zum 01.01.2023 freigeschalten worden sei. Bei verschiedenen Gerichten, insbesondere dem Finanzgericht Nürnberg und Leipzig, sei es jedoch nach wie vor möglich, Schriftsätze per Post/Fax einzureichen. Scheinbar werde die gesetzliche Regelung von der Zivilgerichtsbarkeit anders ausgelegt. Die Kanzlei habe die IT zwar rechtzeitig beschafft, jedoch sei es nicht möglich gewesen bei der D ..., die für 80% aller Steuerberaterpraxen als Softwaredienstleister fungiere, eine entsprechende Schulung vorab zu bekommen. Tatsächlich habe die Schulung erst am 20.06.2023 stattgefunden. Seit diesem Zeitpunkt werde das besondere Steuerberaterpostfach auch als ausschließlicher Übertragungsweg genutzt. Ohne entsprechende Schulung des Softwareanbieters sei es nicht möglich, über das Postfach zu kommunizieren. Da dies im Zeitpunkt der Klageerhebung bekannt gewesen sei, habe die Geschäftsführerin der Klägerin den Schriftsatz persönlich mitunterschrieben. Diese Unterschrift zeige, dass die Klägerin selbst als Antragsgegner (Anm: gemeint wohl Klägerin) auftrete.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 12.03.2024 wurde die Klägerin auf die bestehenden Zulässigkeitsprobleme der Klage sowie auf die inhaltlich geringfügigen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingewiesen.
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Mit Beschluss vom 09.04.2024 wurde die „… – Rechtsanwälte Steuerberater“ aus … auf Anregung der Klägerin gemäß § 65 VwGO zum Verfahren beigeladen.
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Mit Schriftsätzen vom 08.05.2024, 17.05.2024 und 22.05.2024 erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung über die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
18
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Klage vom 03.04.2023 gegen den Bescheid vom 02.03.2023 ist bereits mangels formwirksamer Klageerhebung innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 und 2 VwGO unzulässig.
21
a) Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge – also auch Klageschriften –, die u.a. durch Rechtsanwälte eingereicht werden, dem Gericht als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Verpflichtung gilt gemäß § 55d Satz 2 VwGO auch für die nach der Verwaltungsgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Verfügung steht. Steuerberater – wie die Prozessbevollmächtigen zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 03.04.2023 – sind gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO in Streitigkeiten wie der vorliegenden vor dem Verwaltungsgericht vertretungsberechtigt. Für sie – und auch für Berufsausübungsgesellschaften nach § 49 und § 50 StBerG – steht gemäß § 86d, § 157e StBerG seit dem 01.01.2023 das besondere elektronische Steuerberaterpostfach zur Verfügung, so dass auch diese seit diesem Zeitpunkt der elektronischen Einreichungspflicht unterfallen (vgl. für die Finanzgerichtsbarkeit BFH, B.v. 28.4.2023 – XI B 101.22 – juris Rn. 13 m.w.N.; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit: BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 12; VG München, B.v. 17.5.2023 – M 31 E 23.2123 – juris Rn. 10 m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 28.2.2024 – Au 6 K 23.832 – juris Rn. 20; VG Würzburg, Gb.v. 30.1.2024 – W 8 K 23.1036 – juris Rn. 20 ff.; s. auch Ulrich in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Januar 2024, § 55d Rn. 17 und § 55a Rn. 89). Eine herkömmliche Einreichung von Schriftsätzen, etwa auf dem Postweg, per Telefax oder – wie vorliegend – durch Einwurf in den Nachbriefkasten, ist seither prozessual unwirksam. Die Einhaltung der Vorschrift des § 55d VwGO ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten (BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 12). Nur dann, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO).
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b) Eine vorübergehende technische Unmöglichkeit im Sinne des § 55d Satz 3 VwGO ist vorliegend ersichtlich weder gegeben, geschweige denn glaubhaft (vgl. § 55d Satz 4 VwGO) gemacht. Die bei der Klageerhebung am 03.04.2023 Bevollmächtigten der Klägerin berufen sich im Schreiben vom 21.08.2023 lediglich auf die zum damaligen Zeitpunkt noch ausstehende Schulung für die „neue“ Software bei der D ..., die die Kanzlei erst am 20.06.2023 absolviert habe. Die dargelegten Gründe für die Nichtnutzung stellen damit nur ein „Organisationsverschulden“ bzw. ein „menschliches Verschulden“, jedoch ersichtlich keine vorübergehende technische Unmöglichkeit – wie beispielsweise eine technische Störung des beA bzw. beSt – dar. Eine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung eines Schriftsatzes aus technischen Gründen liegt nämlich gerade nicht vor, wenn die fristgemäße Übermittlung aufgrund eines Anwendungs- bzw. Bedienungsfehlers scheiterte, d.h. wenn der handelnde Rechtsanwalt bzw. Steuerberater zum Zeitpunkt des Fristablaufs zwar das notwendige technische Equipment einschließlich der Bedienungssoftware vorgehalten hatte, er aber aufgrund nicht ausreichender Schulung bzw. nicht hinreichender vorheriger autodidaktischer Befassung subjektiv nicht in der Lage war, die Übermittlung rechtzeitig vor Fristablauf umzusetzen. In diesem Fall liegt ein menschlicher und kein technischer Grund für das Scheitern der fristgemäßen elektronischen Übermittlung vor (BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22.286 – juris Rn. 14). So liegen die Dinge hier. Der frühere Bevollmächtigte bzw. dessen Kanzlei hat sich offensichtlich nicht rechtzeitig um Schulungen gekümmert bzw. ist nicht auf andere Anbieter ausgewichen oder hat sich zumindest die Grundlagen nicht anderweitig angeeignet (Lehrvideos, Handbücher, Hilfe von Kollegen, etc.). Stattdessen wurde das System schlichtweg nicht genutzt. Der Fall, dass ein gesetzlich Verpflichteter entgegen § 86d Abs. 6 StBerG die erforderlichen technischen Einrichtungen für die Nutzung des Postfachs nicht vorhält oder diese nicht nutzt, stellt keine vorübergehende technische Unmöglichkeit dar (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 55d Rn. 6). Insoweit verfängt auch der Vortrag nicht, jedenfalls die Finanzgerichte hätten zu diesem Zeitpunkt die Einreichung von Schriftsätzen auf herkömmlichen Wege zumindest noch geduldet. Einem Steuerberater als nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO vertretungsberechtigter Person müssen die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ersatzeinreichung gemäß § 55d Satz 3 und 4 VwGO bekannt sein, sodass ihn ein etwaiger diesbezüglicher Rechtsirrtum selbst im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nach § 60 VwGO – das vorliegend nicht einmal beantragt wurde – nicht entlastet (VGH Mannheim, B.v. 28.5.2024 – 14 S 417/24 – juris).
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c) Eine formgerechte Klageerhebung trotz fehlender elektronischer Einreichung liegt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Geschäftsführerin der Klägerin den Klageschriftsatz – zusätzlich zur eigenhändigen Unterschrift des Steuerberaters – mitunterschrieben hat, nicht vor. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klageschrift auf dem Briefkopf des Steuerberaters bzw. der Partnerschaft verfasst und von diesem (auch) eigenhändig (mit) unterschrieben wurde. Es findet sich auch keinerlei Hinweis im Schriftsatz, dass der damalige Bevollmächtige bei einer beabsichtigen eigenhändigen Klageerhebung der Klägerin, die weiterhin per Telefax oder durch Einwurf in den Nachbriefkasten formwirksam möglich gewesen wäre, nur – in welcher Art und Weise auch immer – geholfen haben will. Damit liegt gerade keine „eigenhändige“ Klageerhebung der Klägerin bzw. ihrer Geschäftsführerin vor. Im Übrigen bestand die im Verfahren vorgelegte Prozessvollmacht schon ab dem 03.04.2023, also ab dem Tag er Klageerhebung. In Anbetracht der seit dem 01.01.2023 bestehenden Nutzungspflicht kann sich ein „professioneller“ Rechtsanwender jedenfalls der Pflichten nach § 55d VwGO nicht „entledigen“, indem er den Kläger persönlich auf dem Schriftsatz mitunterschrieben lässt. Bei Akzeptanz einer derartigen Vorgehensweise könnte jeder Nutzungsverpflichte (dauerhaft) die zwingenden gesetzlichen Vorgaben umgehen (vgl. hierzu auch VG Bayreuth, Gb.v. 23.6.2023 – B 2 K 23.2 – juris zur unzulässigen Klageerhebung eines „professionellen Rechtsanwenders“ zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle).
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d) Der Mangel der formunwirksamen Klageerhebung wurde auch nicht dadurch „geheilt“, dass der jetzige Bevollmächtige formwirksam mit dem Gericht kommuniziert. Sowohl bei der Anzeige der Bevollmächtigung für das Klageverfahren am 15.06.2023, als auch bei der ersten sachlichen Einlassung zur Klage und der Konkretisierung/Erweiterung der Klageanträge mit Schriftsatz vom 23.08.2023, war die Klagefrist des § 74 Abs. 1 und 2 VwGO bereits verstrichen.
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Vorliegend läuft auch nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da die Rechtsbehelfsbelehrungdes streitgegenständlichen Bescheids nicht unrichtig ist. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Eine Rechtsmittelbelehrungist dann i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig, wenn sie die nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, beim Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, B.v. 31.8.2015 – 2 B 61/14 – juris Rn. 8; BVerwG, U.v. 25.1.2021 – 9 C 8.19 – juris Rn. 18 m.w.N). Vorliegend sind die nach § 58 Abs. 1 VwGO zwingenden Angaben zum Rechtsbehelf (Klage), zum Gericht (Verwaltungsgericht Bayreuth) und zur einzuhaltenden Frist (innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe) ordnungsgemäß. Auch die ergänzenden, überobligatorischen Angaben und Hinweise sind vorliegend nicht unrichtig oder irreführend, da sie objektiv nicht geeignet sind, beim Adressaten einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Insbesondere verfängt der klägerische Vortag, der nicht erforderliche und mit Fragezeichen versehene Zusatz bezüglich der Form des Rechtsbehelfs „Die Klage kann a) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des o.a. Verwaltungsgerichts? (…) erhoben werden.“, sei zumindest irreführend und dazu geeignet, bei der Klägerin einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen, nicht. Bei dem „?“ handelt es sich ersichtlich um einen bloßen Platzhalter der textbausteinartigen Bescheide, der vom Sachbearbeiter im konkreten Einzelfall durch entsprechende Individualisierungen gefüllt wird. Solche Platzhalter finden sich an mehreren Stellen des Bescheids. Insoweit wurde offensichtlich schlicht „vergessen“, den/die Platzhalter nach erfolgter individueller Eingabe, wie z.B. Bayreuth, zu löschen. Insbesondere haben die „?“ auch keinerlei sprachliche Funktion als Satzzeichen dergestalt, dass der jeweils davor oder dahinterstehende sachliche Inhalt insoweit fragend angezweifelt werden soll. Die Verwendung des Symbols „?“ als Platzhalter erscheint vielmehr zufällig bzw. systembedingt. Vielmehr könnte als Platzhalter anstelle eines „?“ jedes andere beliebige Symbol stehen. Das unterbliebene Löschen der „Platzhalteranzeige“ ist daher ersichtlich objektiv nicht geeignet, beim Adressaten einen Irrtum im vorstehenden Sinne hervorzurufen. Warum die erteilte Rechtsbehelfsbelehrungim vorliegenden Fall geeignet sein sollte, den vormaligen Bevollmächtigen gerade davon abzuhalten, die gebotene elektronische Form zu wahren – obwohl ihm die elektronische Einreichungspflicht bekannt war (vgl. Schreiben vom 21.08.2023) und er diese nach eigenen Angaben, in der Hoffnung auf eine „Duldung“, nur wegen fehlenden der Programmschulung nicht nachgekommen ist – ergibt sich im Übrigen auch aus den klägerischen Darlegungen nicht (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, B.v. 6.6.2024 – 6 LB 12/24 – juris Rn. 8).
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2. Da die Klage vom 03.04.2024 schon wegen unterbliebener elektronischer Übermittlung der Klageschrift prozessual unwirksam ist, bedarf es keiner weitergehenden Ausführungen dahingehend, inwieweit die Klage zudem unstatthaft ist. Der vormalige Bevollmächtige der Klägerin hat nämlich mit Schriftsatz vom 03.04.2024 ausdrücklich eine Anfechtungsklage erhoben und nur einen „Anfechtungsantrag“ (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) gestellt, obwohl gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Überbrückungshilfe (Ziffer 1 des Bescheides vom 02.03.2024) mit der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO vorzugehen gewesen wäre (vgl. VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.476 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 4.9.2017 – 6 ZB 17.1325 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 31). Eine solche wurde jedoch erst vom jetzigen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.08.2024 – und damit außerhalb der für die Versagungsgegenklage maßgeblichen Frist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO – „nachgeschoben“ (vgl. VGH Mannheim, B.v. 22.8.2014 – 2 S 1472.14 – juris Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 91 Rn. 32 m.w.N.).
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3. Soweit der gegenwärtige Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 23.08.2023 – formal ordnungsgemäß – die Klage zudem auf Feststellung, dass der Zuschuss in Höhe von 16.586,97 EUR nicht zu erstatten ist, erweitert hat (vgl. Ziffer 3 der Klageanträge), ist diese ebenfalls unzulässig. Zwar unterliegt die Feststellungklage nach § 43 Abs. 1 VwGO keiner Fristbindung, sie ist aber gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär zur fristgebundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Das Ziel der Feststellung (keine Rückerstattung des vorläufig bewilligten Betrages) ist daher vorrangig mit der Anfechtungsklage gegen die Ziffern 3 und 4 des Bescheids zu verfolgen (vgl. VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.476 – juris Rn. 28).
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4. Letztlich bliebe die Klage auch in der Sache ohnehin vollumfänglich ohne Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung der beantragen Förderung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Auch die Rücknahme der vorläufigen Bewilligung bzw. die Rückforderung – einschließlich der Verzinsung – erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht der Klägerin im Förderverfahren grds. nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Ein Anspruch auf die begehrte Überbrückungshilfe käme allenfalls in Betracht, wenn die Ablehnung des klägerischen Antrags als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß in der Förderpraxis der Beklagten zu werten wäre, was ersichtlich nicht der Fall ist.
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Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO nur beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der Bescheid nicht zu beanstanden.
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a) Zur fehlenden Coronabedingtheit des Umsatzrückgangs i.S.d. Ziffer 2.1 lit. e der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III Plus verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, auf die Stellungnahme der Beklagten vom 31.07.2023 und auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 12.03.2024.
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b) Hinsichtlich der maßgeblichen und im Klageverfahren im Wesentlichen aufgeworfenen Frage, ob überhaupt ein Umsatzrückgang bei der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum dargelegt ist bzw. vorliegt, ist festzuhalten, dass die Klägerin bzw. ihr prüfender Dritte während des Verwaltungsverfahrens – trotz wiederholter Nachfragen der Beklagten (vgl. Nachfragen vom 14.02.2023, 25.07.2023, 09.08.2023, 25.08.2023 und 01.09.2023) – bei der Klärung der Umsätze nicht hinreichend mitgewirkt hat (vgl. VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.476 – juris Rn. 45 ff. m.w.N.). Es wurden mehr oder weniger nur Aufstellungen ohne weitergehende Erläuterungen übermittelt. Ferner wurde im Wesentlichen auf die eingefrorenen Etats der Werbekunden und den damit einhergehenden Umsatzeinbußen im „On-Air-Bereich“ und „Off-Air-Bereich“ hingewiesen. Die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren mehrmals aufgeworfene Frage, warum im Jahr 2020 teilweise ein höherer Umsatz als in den Vergleichsmonaten des Jahres 2019 erzielt worden sei, wurde ersichtlich erstmals im Klageschriftsatz vom 03.04.2023, und damit nach Bescheidserlass, aufgegriffen (Umsätze aus „Bayerischen Rundfunkwerbetopf“, die erst nachläufig im Jahr 2020 ausbezahlt worden seien).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Überbrückungshilfe im Rahmen einer Ermessensentscheidung ist nach der geübten und gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Beklagten jedoch der Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Über bloße Erläuterungen des bisherigen Vorbringens hinausgehender Vortrag neuer Tatsachen und die Vorlage neuer, nicht bis zum Bescheidserlass vorgelegter Unterlagen sind daher unbeachtlich (BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2554 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 ZB 23.1018 – juris Rn. 14). Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht oder erkennbar war, konnte und musste die Beklagte daher auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigen, so dass ermessensrelevante Tatsachen, die erstmals im Klageverfahren vorgebracht werden, im Nachhinein keine Berücksichtigung finden können (vgl. VG Würzburg, U.v. 5.2.2024 – W 8 K 23.878 – juris Rn. 41 m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass anhand der im Verwaltungsverfahren eingereichten Auflistung der Umsätze der Jahre 2019 und 2020 ersichtlich sei, dass der Umsatz im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Umsatzes des Jahres 2019 liege.
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c) Anhaltspunkte, die für eine etwaige Rechtswidrigkeit der Rücknahme- und Rückforderungsentscheidung der Beklagten sprechen könnten, sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich. Im Übrigen wird insoweit auf den angefochtenen Bescheid und die Stellungnahme der Beklagten im Klageverfahren vom 31.07.2023 verwiesen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 u. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Demnach trägt die Klägerin als Unterlegene die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, da es an einer Antragstellung – und damit auch an einem Prozesskostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) – der Beigeladenen fehlt.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2*VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.