Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 17.07.2024 – W 9 K 23.1119
Titel:

Erfolgreiche Klage gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes sowie gegen die erneute Androhung eines Zwangsgeldes

Normenketten:
BayVwZVG Art. 19 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 3, Art. 36 Abs. 6, Art. 37 Abs. 1
VwGO § 58
Leitsätze:
1. Nach Art. 31 Abs. 3 S. 2 BayVwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgelds ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die zu erfüllende Pflicht nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 36 Abs. 1 S. 2 BayVwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 S. 3 BayVwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist dann iSd § 58 Abs. 2 VwGO fehlerhaft, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fälligkeitsmitteilung, Androhung eines weiteren Zwangsgelds, Verstoß gegen Verpflichtung, Unanfechtbarkeit des Grundverwaltungsakts, Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung, negative Feststellungsklage
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24646

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass das mit Schreiben der Beklagten vom 25. Mai 2023 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR nicht fällig geworden ist.
II. Der Bescheid der Gemeinde C* … vom 25. Mai 2023 wird aufgehoben.
III. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes sowie gegen die erneute Androhung eines Zwangsgeldes.
2
1. Mit Bescheid vom 2. August 2022, der den Bescheid vom 15. Juli 2022 ersetzte, erteilte die Beklagte dem Kläger unter Vorbehalt des Widerrufs ein Negativzeugnis für die Haltung seines … … Rüden, Chip Nr. … (Ziffer 1 des Bescheids). Der Bescheid werde mit folgenden Auflagen verbunden (Ziffer 2): Das unbeaufsichtigte Umherlaufen des Hundes werde untersagt (Ziffer 2.a). Das Mitführen des Hundes bei öffentlichen Veranstaltungen werde untersagt (Ziffer 2.b). Innerhalb geschlossener Ortschaften, auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, in der Nähe von Personen sowie fremden angeleinten Hunden anderer Personen sei der Hund an einer reißfesten, höchstens 2 m langen Leine zu führen (Ziffer 2.c). Der Hund dürfe unter den Voraussetzungen der Ziffer 2.c nur von einer ausreichend kräftigen Person geführt werden, die zu dem Hund ein Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Demnach könne der Hund derzeit nur von dem Kläger oder Herrn H.O. auf öffentlichem Grund ausgeführt werden (Ziffer 2.d). Bei Sicherheitsstörungen, bei denen Menschen durch den Hund verletzt würden, könne das Negativzeugnis zum Halten des Hundes sofort entzogen werden (Ziffer 2.e). Der Kläger müsse mit dem Hund einmal wöchentlich an Hundetrainingseinheiten einer Hundeschule teilnehmen. Eine entsprechende Anmeldebestätigung zur Hundeschule, sowie Teilnahmebestätigungen von der Hundeschule für die Trainingseinheiten seien der Beklagten unaufgefordert einmal monatlich vorzulegen (Ziffer 2.f). Der Kläger habe dafür Sorge zu tragen, dass eine einhergehende Lärmbelästigung durch Bellen, Jaulen oder Heulen des Hundes eine maximale Gesamtdauer von einer Stunde am Tag nicht überschreite (Ziffer 2.g). Das Negativzeugnis sei vom Bestehen einer Haftpflichtversicherung mit angemessener Versicherungssumme abhängig (Ziffer 2.h) und die Beklagte behalte sich weitere Auflagen vor (Ziffer 2.i). Falls der Kläger die in den Auflagen Ziffer 2.a bis 2.f und 2.g genannten Pflichten nach Unanfechtbarkeit des Bescheids nicht beachte, werde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 200,00 EUR fällig (Ziffer 3). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, die Gebühr werde auf 30,00 EUR festgesetzt, die Höhe der Auslagen betrage 5,00 EUR (Ziffer 4).
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Mit Schreiben der Beklagten vom 25. Mai 2023, dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 27. Mai 2023 zugestellt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, mit Bescheid vom „22.“ August 2022 Nr. V 131/2022-th habe die Beklagte den Kläger unter der dortigen Ziffer II verpflichtet, mit dem Hund einmal wöchentlich an Hundetrainingseinheiten einer Hundeschule teilzunehmen, eine Bestätigung zur Anmeldung bei der Hundeschule vorzulegen und Teilnahmebestätigungen von der Hundeschule für die Trainingseinheiten unaufgefordert einmal monatlich bei der Beklagten vorzulegen. Weiterhin habe die Beklagte den Kläger mit gleichem Bescheid unter der dortigen Ziffer II verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass eine einhergehende Lärmbelästigung durch Bellen, Jaulen oder Heulen des Hundes eine Gesamtdauer von maximal einer Stunde nicht überschreite. Unter der Ziffer II des vorgenannten Bescheids sei verfügt worden, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR dann zu Zahlung fällig werde, wenn den Verpflichtungen aus der Ziffer II nicht nachgekommen werde. Der Bescheid der Beklagten sei seit dem 23. September 2022 bestandskräftig und vollstreckbar. Anlässlich der schriftlichen Anmahnungen der Beklagten vom 6. Oktober 2022, 26. Oktober 2022 und 25. Januar 2023, sowie mehreren Beschwerden aus der Bevölkerung bezüglich der überschrittenen Lärmbelästigung von maximal einer Stunde pro Tag und der seit Januar 2023 nicht vorgelegten Teilnahmebestätigung für die besuchten Trainingseinheiten bei der Hundeschule habe der Kläger den in der Ziffer II des Bescheids der Beklagten vom 22. August 2022 Nr. V 131/2022-th festgelegten Pflichten zuwidergehandelt. Das unter Ziffer II im gleichen Bescheid angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR sei daher zur Zahlung fällig geworden (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG) und könne nun eingezogen und beigetrieben werden (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG).
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Mit diesem Schreiben vom 25. Mai 2023 erließ der Beklagte weiterhin folgenden Bescheid: Falls der Kläger der Verpflichtung aus der Ziffer II des Bescheids der Beklagten vom 2. August 2022 Nr. V-131/2022-th ab sofort zuwiderhandele, werde ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer I). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen; für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betrügen 4,11 EUR (Ziffer II). Zur Begründung wurde ausgeführt, nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Die Beklagte habe ein Zwangsgeld für den Fall angedroht, falls der Kläger der Verpflichtung aus der Ziffer II des Bescheids der Beklagten vom 2. August 2022 Nr. V 131/2022-th zuwiderhandele (Art. 29, 30, 31 und 36 Abs. 1 VwZVG). Die neue Androhung eines Zwangsgeldes sei zulässig, weil die vorausgegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben sei (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Da die Androhung einen Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 Abs. 1 VwZVG enthalte, könne das Zwangsgeld im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wenn die Zwangsgeldforderung fällig werde, ohne dass es eines neuen Verwaltungsaktes bedürfe. Die Kostenentscheidung beruhe auf Art. 41 Abs. 1 VwZVG, Art. 1 und 2 des Kostengesetzes (KG), die Gebührenfestsetzung auf Art. 6 KG i.V.m. mit dem Kostenverzeichnis zum Kostengesetz (KvZ), Tarif-Nr. 11.1.8/1.
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Eine Rechtsbehelfsbelehrungwar dem Schreiben/Bescheid vom 25. Juni 2023 vorerst nicht beigefügt. Eine solche wurde dem Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2023 ausweislich der Postzustellungsurkunde am 19. Juli 2023 zugestellt.
6
2. Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 10. August 2023, bei Gericht eingegangen am 14. August 2023, Klage erheben und in der mündlichen Verhandlung beantragen,
1.
Es wird festgestellt, dass das mit Schreiben der Beklagten vom 25. Mai 2023 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR nicht fällig geworden ist.
2.
Der Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2023 (Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 200,00 EUR sowie diesbezügliche Kostenerhebung) wird aufgehoben.
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 25. Mai 2023 sei am 19. Juli 2023 per Postzustellungsurkunde dem Kläger zugestellt worden. Der aktuelle Rechtsstreit habe die Verhängung eines Bußgeldes zum Gegenstand. Zur Hundehaltung des Klägers habe die Beklagte einen Bescheid vom 15. Juli 2022 erlassen. Dieser Bescheid sei bestandskräftig und bindend geworden. Damit sei dem Kläger ein Negativzeugnis für die Haltung des Hundes „…“ erteilt worden. Diese Erlaubnis sei zwar unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt worden. Weder der Bescheid vom 15. Juli 2022 noch das erteilte Negativzeugnis seien widerrufen worden. Dementsprechend sei der Bescheid vom 15. Juli 2022 nach wie vor bestandskräftig und bindend. Der am 2. August 2022 erlassene Bescheid sei nichtig, da er denselben Sachverhalt zum Regelungsgegenstand habe. Damit verstoße die Beklagte gegen den Grundsatz des ne bis in idem. Der identische Gegenstand könne nicht durch zwei wortgleiche Bescheide geregelt werden. Nachdem der Bescheid vom 15. Juli 2022 nach wie vor bestandskräftig und bindend sei, sei der Bescheid vom 2. August 2022 nichtig. Darüber hinaus leide der Bescheid vom 15. Juli 2022 daran, dass der Kläger nicht vor dessen Erlass angehört worden sei. Die zwingend vorgeschriebene Verpflichtung zur Anhörung von Beteiligten habe die Beklagte unterlassen. Damit leide der Bescheid vom 15. Juli 2022 an einem erheblichen Mangel, der auch nach § 45 VwVfG nicht mehr geheilt werden könne, da die erforderliche Anhörung des Klägers wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich sei. Dies gelte umso mehr, als der Bescheid bereits mehr als ein Jahr bestandskräftig sei. Eine nachgeholte Anhörung entfalte keine Wirkung mehr. Aus diesem Grunde sei der Bescheid rechtswidrig zustande gekommen. Dies gelte auch für die Bescheide vom 15. Juli 2022, 2. August 2022 und 25. Mai 2022: sämtliche Bescheide seien, soweit sie auch bereits nichtig seien, ohne die rechtlich zwingend erforderliche vorherige Anhörung des Klägers erlassen worden. Bereits aus den vorgenannten Gründen sei der Bescheid vom 25. Mai 2023, der auf den Bescheid vom 22. August 2022 Bezug nehme, rechtswidrig und ebenfalls nichtig. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass dem Kläger kein Bescheid vom 22. August 2022 vorliege. Darüber hinaus befinde sich ein Bescheid vom 22. August 2022 auch nicht in den von der Beklagten dem Gericht zur Verfügung gestellten Verwaltungsakten. Deshalb sei schon aus diesem Grund der rechtswidrige Bescheid vom 25. Mai 2023 aufzuheben. In diesem Zusammenhang dürfe noch ergänzt werden, dass das Ersetzen eines Bescheids dem Verwaltungsrecht fremd sei. Das Verwaltungsrecht kenne lediglich die Begriffe zurücknehmen, widerrufen oder aufheben (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG). Da der Bescheid vom 25. Mai 2023 bereits aus rechtlichen Gründen nichtig sei, erübrigten sich Ausführungen zum vermeintlichen, behaupteten und unbewiesenen Bellen des Hundes … über eine Stunde täglich hinaus.
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Die Bescheide vom 22. August 2022 und 25. Mai 2023 seien hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes konditional abgefasst. Ein konkreter Zeitpunkt, zu dem die im Bescheid enthaltenen Konditionen sich manifestiert hätten und tatsächlich eingetreten seien, enthielten die Bescheide nicht. Darüber täusche auch nicht die Chronologie hinweg, die die Beklagte nicht nur in ihrer Verwaltungsakte sondern nunmehr auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vortrage. Im Übrigen seien die aufgeführten Zahlungstermine der Hundesteuer bzw. deren Mahnung für den streitgegenständlichen Bescheid völlig belanglos und irrelevant. Wenn die Beklagte ausführe, dass die Wortgleichheit dadurch aufgehoben worden sei, dass im Bescheid vom 2. August 2022 unter Punkt 2.d „Herr H. O.“ zusätzlich als Hundeführer eingefügt worden sei, so sei dieses Vorbringen unerheblich. Der Bescheid vom 2. August 2022 sei rechtswidrig, da der Bescheid vom 15. Juli 2022 aus Sicht der erlassenden Behörde bindend geworden sei. Damit sei jeder andere folgende Bescheid nichtig. Offensichtlich bestehe im Gebiet der Beklagten ein anderes Verwaltungsverfahrensrecht als im übrigen Bundesgebiet. Auch hier würden die vorstehenden Ausführungen für die Behauptungen, dass der Kläger am 31. Mai 2022 in dem Anwesen seiner Familie in dem Verwaltungsverfahren angehört worden sein solle, gelten. Offensichtlich entspreche es dem Verwaltungsverfahrensrecht der Beklagten, Anhörungen als Tribunal auszugestalten, an dem auch Dritte teilnehmen könnten. Die als Anhörung behauptete Zusammenkunft am 31. Mai 2022 weise keine Merkmale einer Anhörung gem. § 28 Abs. 1 VwVfG auf. Dem Kläger sei verwehrt worden, sich rechtliche Hilfe und Beistand für die Anhörung sowie rechtliche Beratung zu sichern, um eine wirksame Stellungnahme abzugeben. Das Protokoll vom 31. Mai 2022 sei als Anlage B1 dem Schreiben vom 13. Februar 2024 nicht beigefügt gewesen; deshalb könne hier keine Stellung dazu genommen werden, welche dort protokollierte Aussagen der Kläger am 31. Mai 2022 geäußert habe. Verwunderlich und offensichtlich im Rahmen des Verwaltungsverfahrensrechts der Beklagten passe auch, dass das Ergebnis der „Anhörung“ vom 31. Mai 2022 im Main-Echo als Zeitungsbericht am 14. Juli 2022 veröffentlicht geworden sein solle; hierfür habe die Beklagte keinen Nachweis erbracht. Zudem passe in dieses Schema, dass am 13. Juli 2022 im Internet der Artikel – welchen Printmediums – veröffentlicht worden sein solle. § 30 VwVfG sei mit seinem Regelungsgehalt der Beklagten offenbar völlig unbekannt. Insofern bestehe nach wie vor die Feststellung, dass eine wirksame Anhörung des Klägers im Rechtssinne gem. § 28 Abs. 1 VwVfG nicht erfolgt sei, zumal das Aktendokument mit der Überschrift „Gesprächsnotiz“ versehen sei. Also handele es sich auch nach dem Verständnis der Beklagten bei dieser schriftlichen Fixierung nicht um eine Anhörung im Rechtssinne, zumal inhaltlich nahezu nur der Monolog des Bürgermeisters wiedergegeben werde. Bereits aus diesem Grunde ist der diesbezügliche Bescheid vom 2. August 2022 rechtswidrig und damit nichtig. Erfreulich sei, dass die Beklagte einräume, dass ein Bescheid vom 22. August 2022 nicht existiere. Jedoch dürften Adressaten von Bescheiden und Schriftstücken der Beklagten darauf vertrauen, dass eine Behörde und Körperschaft des öffentlichen Rechts – wie die Beklagte – in der Lage sei, einen sorgfältig vor Auslauf aus der Behörde geprüften Bescheid zu erlassen. Auch die Behauptung der Beklagten, dass eine wirksame Aufhebung gem. § 43 Abs. 2 VwVfG des Bescheids vom 15. Juli 2022 durch den Bescheid vom 2. August 2022 erfolgt sei, sei nicht zutreffend. Keines der Tatbestandsmerkmale von § 43 Abs. 2 VwVfG sei vorliegend erfüllt. Eine Ersetzung eines Bescheids sei einer Behörde nicht möglich, wenn dieser dem Einflusskreis und Zugriff der Behörde entzogen sei. Dies bedeute, dass mit Auslauf des Bescheids aus dem Herrschaftsbereich der Beklagten und Eingang beim Kläger die Behörde keinen Zugriff mehr auf den Bescheid vom 15. Juli 2022 gehabt habe und diesen nicht ohne Erlass eines neuen Bescheids mehr habe ändern können. Ab Eingang bei dem Kläger habe es diesem oblegen, ob er den Bescheid angreife oder nicht. Da er den Bescheid rechtlich nicht angegriffen habe, sei dieser mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist zuzüglich 3 Tage Postlauf (§ 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) bestandskräftig geworden. Damit habe die Beklagte den Bescheid nicht mehr ersetzen können. Insoweit sei auch hier die Behauptung unzutreffend, dass gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG eine Bescheidaufhebung erfolgt sei. Eine Prüfung der Tatbestandsmerkmale und Ausübung eines angemessenen Ermessens sei nicht erkennbar. Hilfsweise werde noch erwähnt, dass die Behauptung der Beklagten, die Zwangsgeldanordnung an den Kläger sei auch begründet, nicht den Tatsachen entspreche. Wie bereits ausgeführt, enthielten die diversen Bescheide, die die Beklagte erlassen habe, keine konkreten Hinweise auf Rechtsverstöße bzw. Verstöße gegen Auflagen aus dem anfänglichen Bescheid. Völlig unsubstantiiert seien die Behauptungen, es seien mehrfach Abmahnungen erfolgt wegen zahlreicher Beschwerden und Ruhestörungen durch die Tierhaltung des Klägers. Die im Schreiben vom 13. Februar 2024 enthaltene chronologische Auflistung sei kein Beweis im Rechtssinne dafür, dass der … … des Klägers verantwortlich für die Ruhestörung durch Hundegebell sein solle. Insbesondere seien die diversen Anrufe von Frau L.-M. kein tatsächlich und rechtlich geeigneter Beweis. Insbesondere die Formulierungen „Hund hat das ganze Wochenende durchgehend gebellt“ bzw. „Hund bellt wieder permanent“ seien unsubstantiiert und völlig unbegründet. Es sei schon bemerkenswert, dass die Aufzeichnungen bzw. Zusammenfassung über das Hundegebell der Jahre 2022 und 2023 bis 19. Juli 2023 am 6. September 2023 – also nach Klageerhebung – vorgenommen worden seien. Diese Zusammenfassung der Aufzeichnungen Hundegebell im Jahre 2022 und im Jahre 2023 bis 19. Juli 2023 seien rechtlich nicht verwertbar und entbehrten jeglicher Grundlage. Insbesondere bestehe kein Beweis dafür, dass der Hund … des Klägers wie behauptet gebellt habe.
3. Die Beklagte ließ mit Schriftsatz vom 13. Februar 2024 beantragen,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, soweit der Kläger den Bescheid vom 2. August 2022 mit der Begründung angreife, wonach der „identische Gegenstand“ nicht durch zwei wortgleiche Bescheide geregelt werden könne, werde dem Kläger entgegengehalten, dass Wortgleichheit nicht vorliege. Auf Antrag des Klägers sei im Bescheid vom 2. August 2022 unter Punkt 2d, Herr H. O. zusätzlich als Hundeführer eingefügt worden. Damit sei der Bescheid vom 2. August 2022 im Verhältnis zum Bescheid vom 15. Juli 2022 gerade nicht wortgleich. Vor dem Erlass des Bescheids vom 15. Juli 2022 sei der Kläger auch angehört worden. Insoweit werde auf den Termin am 31. Mai 2022 am Anwesen der Familie U. verwiesen. An diesem Termin hätten die Gemeindeverwaltung der Beklagten, das Veterinäramt und der Kläger persönlich teilgenommen. Über dieses Gespräch sei auch ein Protokoll gefertigt worden, in dem die Aussagen des Klägers auch vermerkt worden seien. Dass der Kläger informiert gewesen sei, ergebe sich zudem auch aus dem Zeitungsbericht im Main Echo. Dieser Artikel sei am 13. Juli 2022 im Internet und am 14. Juli 2022 in der Tageszeitung veröffentlicht worden. Richtigzustellen sei, dass bei der Ausfertigung des Zwangsgeldbescheids vom 25. Mai 2023 tatsächlich ein Tippfehler unterlaufen sei. Anstatt des Datums 2. August 2022 sei versehentlich das Datum 22. August 2022 eingetragen worden. Einen Bescheid vom 22. August 2022 gebe es mithin nicht. Im Bescheid vom 2. August 2022 sei dann aber vermerkt worden, dass der Bescheid vom 2. August 2022 den Bescheid vom 15. Juli 2022 ersetze und es liege gem. Art. 43 Abs. 2 VwVfG eine wirksame Aufhebung im Rechtssinne vor. Die Zwangsgeldanordnung gegen den Beklagten (gemeint wohl: Kläger) sei auch begründet. Die Beklagte habe im Zeitraum 15. Juli 2021 bis zum 16. September 2023 nicht nur zahlreiche Anmahnungen säumiger Hundesteuerzahlungen und Nichtvorlage angeforderter Schulungsbescheinigungen dokumentieren können, sondern habe auch feststellen müssen, dass es trotz mehrfacher Abmahnung auch weiterhin zu zahlreichen Beschwerden und Ruhestörungen durch die Tierhaltung komme – insoweit werde auf eine chronologische Gesamtübersicht verwiesen (S. 3 f. der Klageerwiderung vom 13. Februar 2024). Zur Vermeidung schlichter Wiederholungen werde im Übrigen auf die Bescheidsgründe verwiesen.
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4. In der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2024, zu welcher von den Beteiligten nur der Klägerbevollmächtigte erschienen war, wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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5. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die vorliegende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte entschieden werden, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind, § 102 Abs. 2 VwGO. Laut Empfangsbekenntnis wurde die Beklagte über ihren Bevollmächtigten am 25. Juni 2024 zur mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2024 geladen.
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
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1. Die Klage ist zulässig.
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1.1. Insbesondere stellt die negative Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) die statthafte Klageart in Bezug auf die Fälligkeitsmitteilung der Beklagten mit Schreiben vom 25. Mai 2023 dar. Eine Anfechtungsklage, gegenüber der die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär wäre, kommt mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts insoweit nicht in Betracht. Die bloße Mitteilung der Fälligkeit enthält keine Regelungswirkung. Sie ist nur die Mitteilung eines Bedingungseintritts. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgelds ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die zu erfüllende Pflicht nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46).
16
1.2. Hinsichtlich der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes – sowie der dazugehörigen Kostenentscheidung – im Bescheid vom 25. Mai 2023 ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft (vgl. bzgl. der Zwangsgeldandrohung Art. 31 Abs. 3 Satz 2, 38 Abs. 1 VwZVG).
17
2. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
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2.1. Die negative Feststellungsklage hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung vom 25. Mai 2023 ist begründet, da das mit Bescheid vom 2. August 2022 angedrohte und mit Schreiben vom 25. Mai 2023 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung (vgl. VG Würzburg, U.v. 13.11.2023, W 9 K 23.559, nicht veröffentlicht) gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG nicht fällig geworden ist. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung nicht vor.
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2.1.1. Jeder Akt der Verwaltungsvollstreckung setzt zunächst einen vollstreckbaren, d.h. wirksamen – also nicht nichtigen – Grundverwaltungsakt voraus, vgl. Art. 18 Abs. 1 VwZVG. Die Anordnungen der Ziffer 2 des Bescheids der Gemeinde Collenberg vom 2. August 2022, auf den sich die Ziffer 3 dieses Bescheids bezieht, waren im Zeitpunkt der Mitteilung der Fälligkeit zwar wirksam, jedoch weder bestandskräftig noch sofort vollziehbar und somit auch nicht vollstreckbar gemäß Art. 19 Abs. 1 VwZVG.
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2.1.2. Der Bescheid vom 2. August 2022 war zum Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrungnicht bestandskräftig. Vorliegend gilt statt der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Einlegung eines Rechtsbehelfs, welche zum Zeitpunkt der Fälligkeitsmitteilung am 25. Mai 2023 offensichtlich noch nicht abgelaufen war.
21
Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist dann im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO fehlerhaft, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG, B.v. 31.8.2015 – 2 B 61.14 – juris Rn. 8). Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
22
In der dem Bescheid vom 2. August 2022 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungwurde auf die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Bescheids hingewiesen. Eine Klage könne nur erhoben werden, wenn über den Widerspruch ohne unzureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden worden sei. Eine Klage könne nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden. Die Rechtsbehelfsbelehrungsteht somit im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 2 AGVwGO, wonach das Vorverfahren entfällt, soweit in Art. 12 Abs. 1 AGVwGO nichts Abweichendes geregelt ist. In Art. 12 Abs. 1 AGVwGO ist ein fakultatives Vorverfahren – d.h. ein Vorverfahren, das der Betroffene vor der Erhebung einer Klage in Anspruch nehmen kann, aber nicht muss – vorgesehen für einzelne Rechtsgebiete. Ein solches Rechtsgebiet ist vorliegend nicht streitgegenständlich; darüber hinaus – ohne dass es noch darauf ankommt – weist die Rechtsbehelfsbelehrungauf ein verpflichtendes – und nicht lediglich ein fakultatives – Vorverfahren hin.
23
Die Anordnungen unter Ziffer 2 des Bescheids der Beklagten vom 2. August 2022 waren auch weder von Gesetzes wegen sofort vollziehbar i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG, noch wurde die sofortige Vollziehung dieser Anordnungen durch die Beklagte angeordnet i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG.
24
2.1.3. Des Weiteren bestehen zumindest Bedenken hinsichtlich der Zustellung der Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 2. August 2022. Nach Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG ist die Androhung eines Zwangsmittels zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgesehen ist, Art. 36 Abs. 7 Satz 2. Ein Zustellnachweis des Bescheids vom 2. August 2022 ist jedoch den Behördenakten nicht zu entnehmen.
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2.2. Die Anfechtungsklage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung in Ziffer I des Bescheids der Beklagten vom 25. Mai 2023 in Höhe von 200,00 EUR sowie die dazugehörige Kostenentscheidung in Ziffer II ist begründet, da die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.2.1. Die Voraussetzungen für die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes lagen nicht vor. Zwar dürfen Zwangsmittel nach dem VwZVG gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 so lange und so oft angewendet werden, bis die durchzusetzende Verpflichtung erfüllt ist. Allerdings ist eine neue Androhung erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Das dem Kläger mit dem Grundverwaltungsakt vom 2. August 2022 in Ziffer 3 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR ist im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 25. Mai 2023 nicht erfolglos geblieben. Die Androhung eines Zwangsmittels kann denklogisch nur erfolglos sein, wenn das frühere Zwangsgeld überhaupt fällig geworden ist (vgl. VG Würzburg B.v. 3.1.2022 – W 8 S 21.1490 – BeckRS 2022,32 Rn. 20). Dies ist vorliegend nicht der Fall gewesen (s.o.).
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2.2.2. Darüber hinaus erweist sich die erneute Zwangsgeldandrohung auch als zu unbestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für den Adressaten der Verfügung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann. Die Regelung unter Ziffer I des Bescheids vom 25. Mai 2023 bezieht sich vorliegend lediglich pauschal auf die Ziffer 2 des Bescheids vom 2. August 2022, lässt jedoch nicht eindeutig erkennen, bei welchem Verstoß oder kumulierten Verstößen gegen die in Ziffer 2a bis 2i genannten Pflichten das Zwangsgeld (erneut) fällig werde.
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2.2.3. Die Kostenentscheidung in Ziffer II des Bescheids vom 25. Mai 2023 ist damit ebenfalls aufzuheben (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.