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VG München, Urteil v. 21.08.2024 – M 27 K 24.30667
Titel:

Asylrecht, Herkunftsland: Jordanien, Offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Nachteil bei Rückkehr wegen Asylantragstellung in Deutschland, Asthmaerkrankung, Asylantragstellung zur Abwendung einer drohenden Aufenthaltsbeendigung trotz vorheriger ausreichender Gelegenheit zur Antragstellung (verneint), Isolierte Aufhebung einer Offensichtlichkeitsentscheidung, Aufhebung der Begründung einer Offensichtlichkeitsentscheidung, Feststellung der Rechtswidrigkeit der Begründung einer Offensichtlichkeitsentscheidung

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3
AsylG § 4
§ 30 Abs. 2 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016
§ 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016
§ 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG i.d.F. d. Bek. vom 20. Oktober 2015
AufenthG § 60 Abs. 7
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Jordanien, Offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Nachteil bei Rückkehr wegen Asylantragstellung in Deutschland, Asthmaerkrankung, Asylantragstellung zur Abwendung einer drohenden Aufenthaltsbeendigung trotz vorheriger ausreichender Gelegenheit zur Antragstellung (verneint), Isolierte Aufhebung einer Offensichtlichkeitsentscheidung, Aufhebung der Begründung einer Offensichtlichkeitsentscheidung, Feststellung der Rechtswidrigkeit der Begründung einer Offensichtlichkeitsentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24635

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.    
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 27-jährige Kläger, ein jordanischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und islamisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit, begehrt Rechtsschutz gegen eine ablehnende Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
2
Nach eigenen Angaben verließ der Kläger sein Herkunftsland Jordanien am 2. November 2022 per Flug nach Spanien und reiste am 7. November 2022 über den Luftweg in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 12. Juni 2023 einen Asylantrag beim Bundesamt.
3
In den beiden Anhörungen beim Bundesamt am 12. Juni 2023 sowie am 14. Februar 2024 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe in Jordanien bis zu seiner Ausreise in … gelebt. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Seine Eltern und fünf Brüder, zu denen Kontakt bestehe, würden weiterhin in … leben. Sein Vater arbeite als Sicherheitskraft, drei seiner Brüder als Verkäufer. In Deutschland habe der Kläger niemanden. Im Jahr 2014 habe er die Schule in der elften Klasse abgebrochen. Die letzten acht Jahre habe er als Verkäufer in einem Schuhgeschäft im Zentrum von … gearbeitet. Seine finanzielle Situation sei unterdurchschnittlich gewesen. Zu seinem Verfolgungsschicksal gab der Kläger an, er habe seine Heimat wegen seiner Asthmaerkrankung auf ärztlichen Ratschlag verlassen und weil er sich eine bessere Zukunftsperspektive erhoffe. In Jordanien sei es staubig und trocken. Seine Anstellung im Schuhgeschäft habe er aufgegeben, da er müde gewesen sei. Auf Nachfrage ergänzt er, er habe seit seinem dritten Lebensjahr jede zweite Woche in ein Krankenhaus gehen müssen. Die Ärzte hätten ihm empfohlen, das Land zu verlassen. Er habe insgesamt acht Asthmasprays aus Jordanien mitgebracht. Zwischen seiner Einreise am 7. November 2022 und seiner Asylantragstellung am 22. Mai 2023 sei er in Berlin zunächst in einem Hostel untergebracht gewesen. Er habe Angst vor den Behörden gehabt. Nachdem er in Berlin ausgeraubt worden und sein Geld und seine Dokumente weg gewesen seien, habe er in Läden nach Arbeit gefragt. Nach drei Tagen habe er einen Job in einem Café gefunden und dort für etwa sechs Monate gearbeitet und gewohnt. Auf Nachfrage gab er an, dass ihm die ganze Zeit über gesagt worden sei, dass er sich bei den Behörden melden müsse und dass er sich illegal in Deutschland aufhalte. Er habe sich aber vor den Behörden gefürchtet. Die Kunden im Café hätten ihm jedoch Mut gemacht und ihm gesagt, dass er sich bei den Behörden melden solle. Dies habe ihn letztendlich dazu bewogen, einen Asylantrag zu stellen.
4
Mit Bescheid vom 15. Februar 2024, zugestellt am 24. Februar 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Asylantrag sowie den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde – unter Aussetzung der Abschiebungsandrohung und des Laufs der Ausreisefrist bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. bis zur Bekanntgabe einer ablehnenden gerichtlichen Eilentscheidung – zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe aufgefordert und ihm wurde die Abschiebung nach Jordanien oder in einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Sachvortrag des Klägers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Der Kläger sei vor seiner Ausreise nicht verfolgt worden. Er habe lediglich vorgetragen, Jordanien aufgrund ärztlicher Ratschläge und der Hoffnung auf eine bessere Zukunftsperspektive verlassen zu haben. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes lägen nach § 30 Abs. 2 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 offensichtlich nicht vor. Dem Kläger drohe auch kein ernsthafter Schaden. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 sei der Antrag zudem als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Antrag gestellt worden sei, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl vorher ausreichend Gelegenheit bestand, einen Asylantrag zu stellen. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er sich ungefähr 6,5 Monate lang illegal in Deutschland aufgehalten habe. Die Aussage, er habe sich vor Behördengängen gefürchtet, erscheine unter den Umständen, dass er trotz seiner Krankheit sein Heimatland verließ, in ein ihm völlig unbekanntes Land einreiste und sich 6,5 Monate illegal in Deutschland aufgehalten habe, völlig lebensfremd und unplausibel. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Kläger sei ein junger arbeitsfähiger Mann, der die letzten acht Jahre vor seiner Ausreise berufstätig gewesen sei. Er habe sich durch seine Berufstätigkeit eine nicht geringe Summe von ungefähr 6.000 EUR ansparen können. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bei Rückkehr nach Jordanien wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil für die vorgetragene Asthmaerkrankung eine erforderliche medizinische Behandlung nicht gewährleistet wäre. Er habe selbst angegeben, dass er sich seit seinem dritten Lebensjahr in Jordanien wegen seines Asthmas in medizinischer Behandlung befunden habe.
5
Dagegen hat der Kläger am 26. Februar 2023 Klage zu Protokoll der Rechtsantragsstelle beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
6
1. den Bescheid des Bundesamts vom 15. Februar 2024 aufzuheben,
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2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen,
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3. die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen,
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4. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
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5. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
11
Zur Begründung bezog sich der Kläger auf seine Angaben im Asylantrag vom 16. Juni 2023 sowie der persönlichen Anhörung vom 14. Februar 2024.
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Die Beklagte hat die Behördenakten in elektronischer Form vorgelegt und mit Schriftsatz vom 7. März 2024 beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angegriffenen Bescheid.
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Mit Schriftsatz vom 11. März 2024 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung an.
16
Mit Beschluss vom 28. März 2024 wurde der zugleich gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung abgelehnt (M 27 …).
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Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom 26. Juli 2024 zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. In der mündlichen Verhandlung am 21. August 2024 erschien lediglich der Bevollmächtigte des Klägers und erklärte, der Kläger lasse mitteilen, dass er nicht nach Jordanien zurückkehren könne. Er habe Angst vor den Folgen seiner Asylantragstellung in Deutschland und befürchte große Probleme in seinem Heimatland. Er habe Angst, in Jordanien nicht mehr Fuß fassen zu können.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakte des Hauptsache- und Eilverfahrens (M 27 … …) sowie auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Über die Klage konnte trotz des Nichterscheinens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden, da sie ordnungsgemäß geladen und dabei auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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1. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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1.1 Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der einwöchigen Klagefrist erhoben worden, § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 AsylG.
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1.2 Die Klage ist jedoch unbegründet. Zwar ist die Begründung der Offensichtlichkeitsentscheidung im Hinblick auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 rechtswidrig, der Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG) im Ergebnis jedoch gleichwohl rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG, subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und die Abschiebungsandrohung, der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Offensichtlichkeitsentscheidung im Ergebnis nicht rechtswidrig und rechtsverletzend sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.2.1 Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) besteht nicht, da ein an ein flüchtlingsschutzrelevantes, unveränderliches persönliches Merkmal nach § 3b AsylG anknüpfendes Verfolgungsschicksal im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu seiner Asthmaerkrankung, dem Wunsch nach einer besseren Zukunftsperspektive in Deutschland sowie den befürchteten Problemen bei Rückkehr wegen der Asylantragstellung in Deutschland nicht in Betracht kommt.
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1.2.2 Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Ein für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erforderlicher ernsthafter Schaden in Gestalt einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 AsylG) sind nicht beachtlich wahrscheinlich. Entsprechendes hat der Kläger im Hinblick auf die Befürchtung, bei einer Rückkehr nach Jordanien Probleme wegen der Asylantragstellung in Deutschland zu bekommen, nicht vorgetragen. Objektive Anhaltspunkte für eine allgemeine staatliche Verfolgung aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland liegen nach der Erkenntnislage nicht vor (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformation der Staatendokumentation – Jordanien v. 27.7.2022, S. 41). Konkrete, stichhaltige Anhaltspunkte für eine Bedrohung des Klägers wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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1.2.3 Mit Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung internationalen Schutzes liegen auch die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG nicht vor.
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1.2.4 Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot liegen nicht vor. Denn entsprechend obiger Ausführungen droht dem Kläger weder aus humanitären noch aus sonstigen Gründen beachtlich wahrscheinlich eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). Der Kläger verfügt zudem über eine mehrjährige Berufserfahrung als Verkäufer und war hierdurch in der Vergangenheit in der Lage eine Summe von 6.000 EUR anzusparen, sodass davon auszugehen ist, dass er in Jordanien ein Einkommen zumindest oberhalb des Existenzminimums erwirtschaften kann. Zudem leben die Eltern und Brüder des Klägers in Jordanien, zu denen Kontakt besteht, sodass davon auszugehen ist, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könnte.
27
Gesundheitliche Gründe, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten (§ 60 Abs. 7 Satz 1 bis 3 AufenthG), liegen ebenso wenig vor.
28
Die vorgetragene Asthmaerkrankung des Klägers begründet in Jordanien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Klägers, § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG.
29
Zur Überzeugung der Einzelrichterin ist von einer umfassenden Verfügbarkeit medizinischer Behandlungsmöglichkeiten in Jordanien, insbesondere in der Hauptstadt … (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation – Jordanien v. 27.7.2022, S. 39 f.; vgl. auch Medical Country of Origin Information, Anfragebeantwortung: Behandlungskosten für Multiple Sklerose v. 12.06.2024, S. 4), in der der Kläger bis zu seiner Ausreise gelebt hat, sowie einer eigenständigen Finanzierbarkeit der Medikamentenversorgung durch den Kläger – erforderlichenfalls mit familiärer Unterstützung – auszugehen. Aussagekräftige Atteste im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c AufenthG wurden nicht vorgelegt. Nach dem Vortrag des Klägers in der Anhörung vor dem Bundesamt ist eine medizinische Behandlung der Asthma-Erkrankung in Jordanien möglich und hat seit dem dritten Lebensjahr des Klägers regelmäßig stattgefunden. Er erhielt auch eine medikamentöse Behandlung mit Asthma-Sprays und war die letzten acht Jahre vor seiner Ausreise in Jordanien berufstätig. Auch wenn eine Ortsveränderung nach Europa aus medizinischer Sicht empfehlenswert sein könnte, ergibt sich hieraus nach dem Vortrag des Klägers zumindest keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
30
1.2.5 Die Abschiebungsandrohung und der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere wurden Belange nach dem zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch G.v. 21. Februar 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 54, v. 26.2.2024), die beim Erlass der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen wären, nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Eltern und Geschwister des Klägers leben in Jordanien. Er hat keine eigene Kernfamilie. Gesundheitliche Gründe stehen nicht entgegen. Die Asthmaerkrankung des Klägers beeinträchtigt seine Reisefähigkeit nicht. Somit ist auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate mangels erkennbarer Besonderheiten ermessensfehlerfrei (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 47.20 – juris Rn. 18).
31
1.2.6 Soweit die Beklagte den Asylantrag des Klägers nicht nur einfach, sondern als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, ist der angefochtene Bescheid im Ergebnis ebenso rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zwar kann die Offensichtlichkeitsentscheidung entgegen der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid nicht auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 gestützt werden, das Bundesamt hat diese aber zu Recht zusätzlich auf § 30 Abs. 2 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 gestützt.
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Gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG sowie § 104 Abs. 19 AufenthG finden auf Personen, deren Asylantrag bis zum 27. Februar 2024 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 und § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG i.d.F. d. Bek. vom 20. Oktober 2015 Anwendung.
33
1.2.6.1 Zwar bestünde für eine isolierte Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruchs in den Nrn. 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids ein Rechtsschutzbedürfnis. Durch die Aufhebung einer Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 würde sich eine Verbesserung der Rechtsstellung des Klägers ergeben, da die hierauf gestützte Ablehnung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG i.d.F. d. Bek. vom 20. Oktober 2015 eine gesetzliche Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Folge hat, die durch eine Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruchs im Bescheid des Bundesamts beseitigt würde (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2016 – 1 C 10.06 – juris Rn. 20 ff.). Gleichwohl kommt eine Aufhebung der Offensichtlichkeitsentscheidung vorliegend nicht in Betracht, da das Bundesamt seine Entscheidung zusätzlich auf § 30 Abs. 2 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 gestützt hat und die Begründung diesbezüglich nicht zu beanstanden ist.
34
Ein Bedürfnis für eine isolierte Aufhebung der Begründung (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 4.7.2024 – 10 A 161/24 – juris) oder eine gesonderte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (vgl. Maor, in BeckOK AuslR, 42. Ed. 1.7.2024, § 10 AufenthG Rn. 15), soweit sie die Offensichtlichkeitsentscheidung auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 stützt, besteht – insbesondere aus Klarstellungsgründen – nicht. Zwar hat der Kläger ein entsprechendes Interesse daran, gegen die auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 gestützte Begründung im gerichtlichen Verfahren gegen den ablehnenden Asylbescheid vorzugehen, da die auf § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 gestützte Ablehnung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG i.d.F. d. Bek. vom 20. Oktober 2015 eine sog. Titelerteilungssperre zur Folge hat und die Ausländerbehörde im aufenthaltsrechtlichen Verfahren insoweit an den Bescheid des Bundesamts gebunden ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2009 – 1 C 30/08 – juris Rn. 19). Diesem Rechtsschutzinteresse wird durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Begründung in den Entscheidungsgründen des Urteils jedoch ausreichend Rechnung getragen. Die Ausländerbehörde ist im aufenthaltsrechtlichen Verfahren – ebenso wie an die Begründung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts – auch an das gerichtliche Urteil und die rechtliche Einschätzung des Gerichts insgesamt und nicht lediglich an den Tenor der Entscheidung gebunden. Ebenso wenig wie die Rechtsgrundlage bzw. Begründung des Offensichtlichkeitsausspruchs im Tenor des als offensichtlich unbegründet ablehnenden Asylbescheids enthalten sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2009 – 1 C 30/08 – juris Rn. 19), bedarf es einer Aufhebung oder ausdrücklichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer solchen Begründung im Tenor der gerichtlichen Entscheidung, um ein Eingreifen der gesetzlichen Titelerteilungssperre zu verhindern.
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1.2.6.2 Der im Bescheid angewandte Offensichtlichkeitstatbestand des § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 liegt nicht vor, sodass auch die Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG i.d.F. d. Bek. vom 20. Oktober 2015 nicht eingreift.
36
Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer den Asylantrag gestellt hat, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl er zuvor ausreichend Gelegenheit hatte, einen Asylantrag zu stellen. § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 dient der Umsetzung von Art. 31 Abs. 8 lit. g RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl EG Nr. L 180 S. 60), demzufolge eine Antragstellung nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung, die zur Abschiebung führen würde, eine Offensichtlichkeitsentscheidung auslöst. Er setzt voraus, dass der Antragsteller schon zuvor ausreichend Gelegenheit zur Antragstellung hatte, ihm objektiv eine Aufenthaltsbeendigung drohte und er subjektiv mit der Antragstellung nur die Absicht verfolgt, einer solchen Aufenthaltsbeendigung entgegenzuwirken (vgl. Bruns in NK-AuslR, 3. Aufl. 2023, § 30 AsylG Rn. 30).
37
Vorbereitungen einer etwaigen Aufenthaltsbeendigung sind weder aktenkundig gemacht noch im Bescheid festgestellt. Ebenso wenig ist im streitgegenständlichen Bescheid festgestellt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung solche befürchtete. In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt gab er vielmehr lediglich an, sich nach Ermutigungen durch Kundinnen und Kunden des Cafés, in dem er zu diesem Zeitpunkt arbeitete, nach über 6 Monaten zur Asylantragstellung entschlossen zu haben. Gründe einer drohenden Aufenthaltsbeendigung wurden vom Kläger für die verspätete Antragstellung nicht genannt.
38
1.2.6.3 Gleichwohl liegt der ebenfalls vom Bundesamt angenommene Offensichtlichkeitstatbestand des § 30 Abs. 2 AsylG i.d.F. d. Bek. vom 31. Juli 2016 vor. Eine Auslegung der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids ergibt, dass sich auch diese Offensichtlichkeitsentscheidung auf den gesamten Asylantrag i.S.v. § 13 Abs. 1 AsylG bezieht. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes liegen offensichtlich nicht vor. Es ist nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich, dass sich der Kläger nur aus wirtschaftlichen Gründen und um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält. Die geltend gemachte Asthmaerkrankung des Antragstellers, der Wunsch nach einer besseren Zukunft außerhalb Jordaniens sowie die Befürchtung, in Jordanien wegen der Asylantragstellung in Deutschland nicht mehr Fuß fassen zu können, sind zwar menschlich nachvollziehbar, können jedoch offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Schutzzuerkennung führen.
39
Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen. Das Gericht folgt im Übrigen den Feststellungen und der Begründung im Bescheid und nimmt Bezug darauf (§ 77 Abs. 3 AsylG).
40
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
41
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sowie die Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.