Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 07.08.2024 – W 9 K 23.1714
Titel:

Entzug des Sachkundenachweises gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 für die Tierarten, Schwein und Rind, nachträgliche Beschränkung der Klage auf den Entzug des Sachkundenachweises bzgl. der Tierart „Rind“, mehrfache, nicht unerhebliche Verstöße gegen die Anforderungen der TierSchlV und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, Prognose, Verhältnismäßigkeit, Berufsausübungsfreiheit, Drittstaatsangehöriger

Normenketten:
TierSchlV § 4 Abs. 6
Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Schlagworte:
Entzug des Sachkundenachweises gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 für die Tierarten, Schwein und Rind, nachträgliche Beschränkung der Klage auf den Entzug des Sachkundenachweises bzgl. der Tierart „Rind“, mehrfache, nicht unerhebliche Verstöße gegen die Anforderungen der TierSchlV und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, Prognose, Verhältnismäßigkeit, Berufsausübungsfreiheit, Drittstaatsangehöriger
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24621

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Entzug seines Sachkundenachweises gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 für die Tätigkeiten „Handhabung und Pflege“, „Ruhigstellung“, „Einhängen und Hochziehen“ sowie „Betäubung und Entblutung“ für die Tierart Rind.
2
1. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2023 entzog die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer III des Bescheids) dem Kläger den unbefristeten Sachkundenachweis für Personen gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, ausgestellt von der KBLV am 10. Januar 2023 unter lfd. Nr. …, für alle Tätigkeiten, das heißt für „Handhabung und Pflege“, „Ruhigstellung“, „Einhängen und Hochziehen“ sowie „Betäubung und Entblutung“ für die Tierarten Schwein und Rind (Ziffer I) und verpflichtete ihn zur Herausgabe des Sachkundenachweises im Original an die KBLV innerhalb von einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheids (Ziffer II). Für den Fall, dass das Original seines Sachkundenachweises nicht innerhalb der gesetzten Frist von einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheids gemäß Ziffer II an die KBLV herausgegeben wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht (Ziffer IV). Dem Kläger wurden in Ziffer V die Kosten des Verfahrens auferlegt (Gebühr von 250,00 EUR).
3
Zur Begründung des Bescheids wurde in tatsächlicher Hinsicht ausgeführt, am 10. Januar 2023 sei dem Kläger von der KBLV unter der laufenden Ziffer Nr. … der Sachkundenachweis für Personen gern. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 für die Tätigkeiten „Handhabung und Pflege“, „Ruhigstellung“, „Einhängen und Hochziehen“ sowie „Betäubung und Entblutung“ für die Tierarten Schwein und Rind ausgestellt worden, da er am 24./25. November 2022 die erforderliche Prüfung hierzu erfolgreich bestanden habe und alle weiteren Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Auf den am 17. Juli 2023 und am 19. Juli 2023 von dem SOKO Tierschutz e.V. an die KBLV übermittelten Videoaufzeichnungen aus dem Schlachtbetrieb der … … GmbH & Co. KG in … … … … sei er bei den folgenden Verstößen gegen Tierschutzrecht zu erkennen:
4
Auf den Videoaufzeichnungen des SOKO Tierschutz e.V. vom 25./26. Juni 2023 sei zu erkennen, wie der Kläger in 46 Fällen beim Zutreiben der Schweine zur Betäubungsfalle das elektrische Treibgerät – teilweise unter Nassmachen der Tiere – an den schmerzhaften und empfindlichen Stellen im Wirbelsäulenbereich und des Schwanzansatzes angewandt und außerdem die hintere Fallentür als Treibhilfe mehrfach gegen die Flanke der Schweine gedrückt habe.
5
Auf den Videoaufzeichnungen vom 2./3. Juli 2023 sei zu erkennen, wie der Kläger während der Schweineschlachtung in insgesamt 41 Fällen im Bereich des Zutriebes zur Betäubungsfalle ein elektrisches Treibgerät im Wirbelsäulenbereich angewandt habe und in der Mehrzahl dieser vorgenannten Fälle dies bei dem jeweiligen betreffenden Mastschwein mehrfach hintereinander und auch dann noch, wenn sich das betreffende Mastschwein in sitzender Position befunden habe.
6
Auf den Videoaufzeichnungen vom 18./19. Juni 2023, 25./26. Juni 2023 und 2./3. Juli 2023 sei zu erkennen, wie der Kläger während der Schweineschlachtung in jeweils 35, 36 bzw. 13 Fällen im Bereich der Entblutestrecke Mastschweinen vor dem Ablauf von drei Minuten nach dem Entblutungsstich entweder die Augen entfernt oder im Bereich der Carpalgelenke ins Gewebe geschnitten habe.
7
Weiterhin sei auf den Videoaufzeichnungen vom 18./19. Juni 2023 und vom 25./26. Juni 2023 sowie vom 2./3. Juli 2023 zu erkennen, dass der Kläger entweder keine ausreichende Tierbeobachtung bzw. Kontrolle der Betäubungseffektivität der Schweine vorgenommen habe oder, wenn doch, die erforderliche Nachbetäubung erst verzögert oder nicht fachgerecht durch Ansatz der Handbetäubungszange an Brust und Wirbelsäule von ihm durchführt worden sei. In mehreren der vorgenannten Fälle habe der Kläger die Betäubungskontrolle trotz deutlich sichtbarer Anzeichen einer fraglichen oder nicht ausreichenden Betäubung (starke Bewegungen und Lautäußerungen sowie mehrfache Schnappatmung) nicht vorgenommen.
8
Zudem sei auf den Videoaufzeichnungen vom 2./3. Juli 2023 erkennbar, wie der Kläger in 13 Fällen die Fallentür im Bereich des Zutriebs zur Betäubungsfalle als Treibhilfe eingesetzt habe, indem er die Mastschweine dadurch in einigen Fällen (vier Fälle) seitlich eingeklemmt habe, in einem dieser Fälle über einen Zeitraum von ca. 15 Sekunden hinweg.
9
Zu der Feststellung der Tierschutzverstöße sei der Kläger mit Schreiben der KBLV vom 16. August 2023 zum Erlass eines Anordnungsbescheids zum Entzug seines Sachkundenachweises nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden. Er habe keine Stellungnahme in der Sache abgegeben.
10
Die weitere Auswertung der Videodateien nach Versenden des Anhörungsschreibens habe in der Anzahl der Verstöße Änderungen ergeben, jedoch nicht in der Art der festgestellten Verstöße gegen Tierschutzschlachtrecht, so dass sich keine andere Beurteilung des Sachverhaltes ergeben habe und eine ergänzende Anhörung nicht erforderlich geworden sei.
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In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, die KBLV sei sachlich und örtlich zum Erlass dieses Bescheids zuständig, Art. 1 Abs. 2 Nr. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 GVVG i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 3 GesVSV, Art. 3 BayVwVfG i.V.m. § 9 GesVSV, da die KBLV zuständige Überwachungsbehörde des Schlachtbetriebs der … … GmbH & Co. KG sei und die Rechtsverstöße im Rahmen der Tätigkeit des Klägers dort als Schlachthofmitarbeiter begangen worden seien.
12
Rechtsgrundlage für die Anordnung des Entzugs des Sachkundennachweises und der Herausgabe der entsprechenden Urkunde sei § 4 Abs. 6 TierSchlV. Hiernach sei der Sachkundenachweis nach Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zu entziehen, wenn dessen Inhaber mehrfach nicht unerheblich gegen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verstoßen habe und Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass dies auch weiterhin geschehen werde. Es handele sich um eine gebundene Entscheidung, so dass bei Vorliegen der Voraussetzung der Rechtsgrundlage kein Ermessen im Hinblick auf die zu treffende Maßnahme gegeben sei.
13
Der Kläger habe in sehr erheblichem Maße gegen die Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verstoßen.
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Gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Ziffer 1.9 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 dürfe ein Elektroschockgerät bei ausgewachsenen „Rindern“ (gemeint wohl: Schweinen) nur an den Muskelpartien der Hinterviertel verabreicht werden. Die Stromstöße dürften nicht wiederholt werden, wenn das Tier nicht reagiere. Hiergegen habe der Kläger in den genannten Fällen verstoßen. Stromstöße im Bereich der Wirbelsäule seien aufgrund der ein- und austretenden Nervenfasern in den Wirbelkanal als sehr schmerzhaft für die Tiere einzustufen. Der Schmerz werde noch erheblich verstärkt, wenn die Hautoberfläche dabei nass sei. Es handele sich um gravierende Tierschutzverstöße.
15
Gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Ziffer 3.2 Satz 3 VO (EG) Nr. 1099/2009 dürften nach durchgeführtem Entblutestich Stromstöße erst erfolgen, nachdem überprüft worden sei, ob das Tier tatsächlich wahrnehmungslos sei. Ein weiteres Zurichten oder Brühen dürfe erst erfolgen, nachdem überprüft worden sei, dass keine Lebenszeichen des Tieres mehr festzustellen seien. Die nationale Norm des § 12 Abs. 7 Satz 1 TierSchlV fordere noch strenger, dass ein weiteres Zurichten oder Brühen eines Tieres nach Anhang III Nummer 3.2. Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 erst dann erfolgen dürfe, wenn keine Bewegungen des betäubten Tieres mehr wahrzunehmen seien. Als Grundregel gelte, dass mindestens eine Zeit von drei Minuten seit dem Entblutestich abzuwarten sei, bevor weitere Tätigkeiten vorgenommen werden dürften. Aber auch danach sei das Tier auf Bewegungen und sonstige Lebenszeichen zu beobachten bzw. zu prüfen, da es auch nach der Zeit von drei Minuten noch leben könne. Das Entnehmen der Augen zu wissenschaftlichen Zwecken sei als weiteres Zurichten anzusehen und hätte daher frühestens drei Minuten nach dem Entblutestich erfolgen dürfen. Ebenso verhalte es sich mit den offenbar zu Markierungszwecken erfolgten Einschnitten im Bereich der Carpalgelenke an den Gliedmaßen der Tiere. Aber auch nach drei Minuten dürften derartige Tätigkeiten am Tier erst erfolgen, wenn keinerlei Bewegungen/Lebenszeichen festgestellt werden könnten. Der vom Kläger gewählte Zeitpunkt sei deutlich zu früh gewesen und sei mit einem enormen Risiko einhergegangen, dass die jeweiligen Tiere vor Eintritt des Todes gravierende Schmerzen u.a. durch das Herausnehmen der Augen oder die Einschnitte an den Gliedmaßen erleiden könnten. Diese Gefahr sei durch das Unterlassen einer vorherigen Kontrolle der Betäubungseffektivität in der Mehrzahl der Fälle noch erheblich erhöht worden. Es handele sich daher auch hier um gravierende Tierschutzverstöße.
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Nach Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 würden Tiere nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit müsse bis zum Tod des Tieres anhalten. Nach bsi-Schwarzenbek, „Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind und Schwein“, Seite 54, achteten Betäuber, Entbluter und Aufhänger/Anschlinger bei jedem Tier auf eine effektive Betäubung. Die Anzeichen einer fraglichen oder nicht ausreichenden Betäubung müssten für die jeweilige Tierart und die jeweilige Betäubungsmethode sicher erkannt werden. Im Zweifel müssten Nachbetäubungen sofort und fachgerecht vorgenommen werden. Der Kläger habe bei der Nachbetäubung die Elektroden des Betäubungsgerätes an den Ansatzstellen Brust und Wirbelsäule angesetzt, wodurch in der Regel ein Herzkammerflimmern ausgelöst werde. Dies sei ohne vorhergehende oder zumindest gleichzeitige effektive Kopfdurchströmung als hochgradig schmerzhaft zu bewerten und als Betäubungsmethode nicht zugelassen. Das Unterlassen einer Kontrolle der Betäubungseffektivität trotz sichtbarer Anzeichen auf eine möglicherweise nicht ausreichende Betäubung gehe mit der Gefahr der Wiedererlangung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Tieres und damit mit dem Erleben sehr erheblicher Schmerzen vor Eintritt des Todes einher. Dieses Unterlassen sei daher als ein gravierender Tierschutzverstoß einzustufen.
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Nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Nr. 1.8 b) Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sei es verboten, auf besonders empfindliche Körperteile Druck auszuüben, der für die Tiere vermeidbare Schmerzen oder Leiden verursache. Hiergegen habe der Kläger verstoßen, da der seitliche Körperbereich eines Mastschweines mit den Rippenbögen und der Flanke besonders empfindliche Körperteile darstellten und das Einklemmen dieser Körperpartien in der Fallentür vermeidbare Schmerzen verursache.
18
Folgende Tatsachen rechtfertigten die Annahme, dass der Kläger auch weiterhin gegen die Tierschutz-Schlachtverordnung und gegen die Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verstoßen werde:
19
Die aufgeführten Verstöße gegen Tierschutzrecht seien erheblich und mehrfach innerhalb sehr kurzer Zeit erfolgt (Vielzahl verschiedener Feststellungen von nur zwei Schlachttagen). Der fehlerhafte Ansatz der Handbetäubungszange zu Nachbetäubungszwecken bei der Schweineschlachtung (Brust-Rücken-Ansatz ohne vorherige oder wenigstens gleichzeitige Kopfdurchströmung) zeuge außerdem von fehlenden Kenntnissen. Die Vielzahl verschiedener Rechtsverstöße innerhalb kurzer Zeit und die offensichtliche Routine bei der nicht fachgerechten und nicht tierschutzgerechten Ausübung von Schlachttätigkeiten ließen auf ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein des Klägers schließen. Dieses notwendige Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Tieren könne nicht durch die Teilnahme an einer Auffrischungsschulung erlangt werden. Da der Kläger den Sachkundenachweis nach erfolgreich bestandener theoretischer und praktischer Prüfung (24./25.11.2022) gerade erst erworben habe, könne davon ausgegangen werden, dass ihm diese wichtigen Vorgaben zum Schutz von Tieren bei der Schlachtung in der Theorie im Juni und Juli noch sehr gut bekannt gewesen seien, gleichwohl habe er diese in der praktischen Umsetzung ignoriert. Die bereits erfolgte Theorie-Nachschulung durch das bsi-Schwarzenbek ändere daher nichts an der Prognose, dass weiterhin die Gefahr der Begehung weiterer Tierschutzverstöße bestehe. Denn die erforderlichen theoretischen Kenntnisse zum Tierschutz bei der Schlachtung habe der Kläger eigentlich bereits bei der Prüfung zur Erlangung des Sachkundenachweises im Herbst 2022 zureichend nachgewiesen. Dies habe ihn allerdings nicht von der Begehung der zahlreichen aufgeführten Tierschutzverstöße wenige Monate später im Juni/Juli 2023 abgehalten.
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Da die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 TierSchlV gegeben seien, sei der Sachkundenachweis des Klägers zu entziehen.
21
Die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer IV des Bescheids stütze sich auf Art. 19, 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes entspreche den Erfordernissen des Art. 31 Abs. 2 VwZVG. Die gesetzte Frist, ab derer der Verpflichtung nachzukommen sei, sei angemessen. Bei ihrer Festsetzung sei der damit verbundene Aufwand berücksichtigt worden.
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Die Kostenentscheidung in Ziffer V des Bescheids beruhe auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 und Art. 6 KG. Die Höhe der Gebühr ergebe sich aus Art. 6 KG i.V.m. Tarif-Nr. 7.1X10/4.2 KVz.
23
2. Am 18. Dezember 2023 ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid, der seinen Bevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 11. Dezember 2023 zugestellt worden ist, erheben und zunächst beantragen,
den Bescheid der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen vom 11. Dezember 2023 aufzuheben.
24
Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2023 im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen eines Entzugs des Sachkundenachweises nach § 4 Abs. 6 TierSchlV lägen nicht vor. Es fehle an einem mehrfachen nicht unerheblichen Verstoß gegen Tierschutzanforderungen der Schlachtverordnung. Auch die Voraussetzung, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen müssten, dass es weiterhin zu Tierschutzverstößen kommen werde, sei nicht gegeben.
25
Der vollständige Entzug des Sachkundenachweises, der für den Kläger ein Berufsverbot bedeute, sei in mehrfacher Hinsicht zu weitgehend und verstoße damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ohne Not erstrecke sich der Entzug des Sachkundenachweises auch auf die Schlachtung von Rindern. Tierschutzverstöße bei der Schlachtung von Rindern seien jedoch nicht festgestellt worden. Da sich die Abläufe bei der Schlachtung von Rindern und Schweinen grundlegend unterschieden, sei ein vollständiger Entzug des Sachkundenachweises auch für die Schlachtung von Rindern nicht gerechtfertigt. Tierschutzverstöße durch den Kläger seien nur bei der Ruhigstellung, Betäubung und Entblutung von Schweinen festgestellt worden, nicht jedoch bei der Handhabung und Pflege sowie beim Einhängen und Hochziehen von „Schweinen“ (gemeint wohl: Rindern). Auch insoweit sei ein vollständiger Entzug des Sachkundenachweises nicht gerechtfertigt. Der Entzug des Sachkundenachweises enthalte keine Befristung für die Wiedererlangung, die wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit erforderlich sei. Auf den weiteren Inhalt der Klageschrift wird Bezug genommen.
26
Mit Schreiben vom 15. Februar 2024 ließ der Kläger vortragen, die betrieblichen Abläufe im Schlachthof Aschaffenburg hätten sich inzwischen geändert, so dass in Abstimmung mit der Kontrollbehörde der Schlachtbetrieb wieder aufgenommen worden sei. Die Besatzzahlen für das Schlachtband von Schweinen seien um 1/3 reduziert worden, die 3-MinutenRegel sei durch ein Anhalten des Schlachtbandes sichergestellt worden. Für die Fallen habe es bauliche Veränderungen gegeben, die Betäubungsgeräte seien ausgetauscht worden. Dem Kläger habe es als Mitarbeiter mit Sachkundenachweis am Schlachtband nicht zugemutet werden können, den Betriebsablauf zu stören, um Tierschutzanforderungen gerecht zu werden. Er hätte wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssen. Aufgrund seiner Treuepflicht habe von ihm auch nicht erwartet werden können, dass er den Schlachthofbetrieb wegen der Tierschutzverstöße bei der Kontrollbehörde anschwärze. Der Kläger habe im Rahmen der betrieblichen Umstellungen durch seine Nachschulung seinen persönlichen Beitrag geleistet. Er sei im Schlachthof Aschaffenburg weiterhin beschäftigt und wolle in den Lebendtierbereich zurückkehren. Aufgrund der geänderten betrieblichen Abläufe und seiner Nachschulung hätten sich die Arbeitsbedingungen sowie die Verhältnisse zum Arbeitgeber und zur Kontrollbehörde grundlegend verändert, so dass mit einer Wiederholungsgefahr nicht mehr zu rechnen sei. Weiterhin werde auf den Vortrag im Beschwerdeverfahren (Az.: 23 CS 24.140) Bezug genommen.
27
3. Die KBLV beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
28
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 9. Februar 2024 im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet, der streitgegenständliche Bescheid der KBLV vom 11. Dezember 2023 sei rechtmäßig. Auf die Stellungnahme im zugehörigen Eilverfahren (W 9 S 23.1715) mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2023 und auf die Begründung des Beschlusses des Gerichts vom 16. Januar 2024 sowie auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids werde Bezug genommen. Auf den weiteren Inhalt der Klageerwiderung wird Bezug genommen.
29
Auf den Inhalt des weiteren Schreibens der KBLV vom 27. Februar 2024 wird verwiesen.
30
Mit Schreiben vom 24. Juni 2024 teilte die KBLV mit, dass der Kläger seinen Sachkundenachweis im Original an die KBLV herausgegeben habe. Der Sachkundenachweis für Schlachttätigkeiten gem. Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sei dem Kläger ausweislich der Gründe des streitgegenständlichen Bescheids aufgrund des erkennbaren Mangels an Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Schlachttieren entzogen worden. Dieser Mangel an Verantwortungsbewusstsein sei nicht auf die Tierart Schwein beschränkt, da es sich bei den festgestellten Tierschutzverstößen des Klägers an den Schlachtpositionen des Zutriebs zur Betäubungsfalle und der Entblutestrecke nicht um tierartspezifische Tätigkeiten für Schweine gehandelt habe. Die Schlachtung von Schweinen und Rindern erfolge im Prozess und in der Art der auszuführenden Tätigkeiten sehr ähnlich. Unterschiedlich sei in dem Schlachthof, in dem der Kläger tätig (gewesen) sei, lediglich die Methode der Betäubung (Elektrobetäubung beim Schwein und Bolzenschussbetäubung beim Rind). Alle anderen Schlachtpositionen (Anlieferung, Unterbringung, Zutrieb zur Falle, Entblutung nach Auswurf aus Falle, Entblutestrecke) seien vergleichbar. Der tierschutzwidrige Umgang mit dem Elektrotreibgerät verursache sowohl für Mastschweine als auch für Rinder unzumutbaren Stress und erhebliche Schmerzen. Durch das Unterlassen der erforderlichen Betäubungskontrolle sowie die Vornahme von weiteren Schlachttätigkeiten vor dem sicheren Todeseintritt eines Schlachttieres werde bei nicht ordnungsgemäßer Betäubung das große Risiko eingegangen, ganz massive Schmerzen auszulösen bzw. nicht rechtzeitig zu beenden. Ausschlaggebend für die gem. § 4 Abs. 6 TierSchlV vorgenommene Prognose, der Annahme der Begehung von weiteren Tierschutzverstößen, seien nicht mangelnde Kenntnisse des Klägers hinsichtlich der Ausführung bestimmter Tätigkeiten bei der Schweineschlachtung gewesen, sondern das erkennbar nicht vorgenommene Reflektieren über die Konsequenzen des eigenen Handelns für die Tiere, die ihm bei Ausführung der Schlachttätigkeiten anvertraut gewesen seien.
31
4. Den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg bereits mit Beschluss vom 16. Januar 2024 (Az.: W 9 S 23.1715) ab. Mit Beschluss vom 16. Mai 2024 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Klägers zurück (Az.: 23 CS 24.140).
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5. Mit Schreiben vom 28. Juni 2024 ließ der Kläger die Klage bzgl. der Tierart Schwein zurücknehmen und nunmehr beantragen,
den Bescheid der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen vom 11. Dezember 2023 bezogen auf die Tierart Rind aufzuheben.
33
Zur Begründung wurde ausgeführt, die vom Kläger begangenen Tierschutzverstöße bei der Schlachtung von Schweinen ließen sich keineswegs auf die Schlachtung von Rindern übertragen. Trotz der vergleichbaren Schlachtpositionen Anlieferung, Unterbringung, Zutrieb zur Falle, Entblutung nach Auswurf aus Falle, Entblutestrecke unterscheide sich die Schlachtung von Schweinen von der Schlachtung von Rindern wesentlich dadurch, dass es am Schlachtband für Rinder nicht zu betriebsbedingten Blockaden komme, bei denen mit einem Elektrotreiber nachgeholfen werden müsse. Aus den betriebsbedingten Tierschutzverstößen beim Schlachten von Schweinen könne dem Kläger nicht generell eine tierverachtende Einstellung unterstellt werden, die ihm jegliche charakterliche Eignung zum Schlachten von Tieren nehme. Tatsächlich habe der Kläger beim Schlachten von Rindern noch eine reine Weste.
34
6. Mit Beschluss vom 1. Juli 2024 wurde vom Verfahren W 9 K 23.1714 der auf die Tierart Schwein bezogene Teil des Klagebegehrens abgetrennt, unter dem neuen Aktenzeichen W 9 K 24.1175 fortgeführt und dieses Verfahren eingestellt.
35
7. Mit Schreiben vom 18. Juli 2024 führte die KBLV aus, nach endgültigem Abschluss der Auswertung des von dem SOKO Tierschutz e.V. übermittelten Videomaterials, welches insgesamt über 1.400 Stunden Videosequenzen umfasse, würden noch weitere dem Kläger zuzuordnende – zusätzlich zu den im streitgegenständlichen Bescheid bereits aufgeführten – Verstöße gegen Tierschutzrecht bei der Schweine- und Rinderschlachtung zur Begründung des streitgegenständlichen Bescheids nachgereicht.
36
Bzgl. der Schweineschlachtung wird auf die dargestellten weiteren Tierschutzverstöße sowie deren Bewertung im Schreiben der KBLV Bezug genommen.
37
Im Hinblick auf die Rinderschlachtung führte die KBLV aus:
38
Der Kläger sei auf den Videoaufzeichnungen zu erkennen, wie er während der Rinderschlachtung in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Juli 2023 in einem Fall im Bereich der Entblutung der Rinder ein Rind zu spät entblutet habe (erst nach 87 Sekunden nach dem Betäubungsschuss). Dies stelle einen Verstoß gegen § 12 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Anlage 2 Buchst. a TierSchlV dar. Hiernach müsse bei der Betäubung mittels Bolzenschuss bei Rindern sofort nach dem Betäubungsschuss innerhalb eines Zeitraumes von 60 Sekunden mit dem Entbluten begonnen werden. Dieser Zeitraum sei vom Kläger überschritten worden, in dem er erst nach 87 Sekunden nach dem Schuss den Entblutestich gesetzt habe. Dies stelle stets ein erhöhtes Risiko für ein Wiederkehren der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit vor Eintritt des Todes dar.
39
Der Kläger sei auf den Videoaufzeichnungen zu erkennen, wie er während der Rinderschlachtung in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Juli 2023 in zwei Fällen im Bereich der Entblutung der Rinder neben seinen Kollegen, Herrn D. H. und Herrn L. P., gestanden habe und nicht in deren erheblich tierschutzwidriges Tun eingegriffen bzw. interveniert habe. Herr L. P. habe zum Zeitpunkt der Tierschutzverstöße nicht über den erforderlichen Sachkundenachweis für Schlachttätigkeiten verfügt. Hiervon habe zumindest der Bruder des Klägers, Herr F. L., Kenntnis gehabt. Im ersten Fall breche das Rind nach dem Schuss (in Minute 04:33) in den Hinterbeinen ein, zeige jedoch spontane Lidbewegungen. Herr D. H. gebe dieses Tier trotzdem aus der Kopffixierung frei, teste nochmals Lidreflex, hole anschließend das Bolzenschussgerät, könne dieses jedoch nicht mehr am Tier ansetzen, da der Kopf des Tieres an der Fallenwand anliege. Der Kläger deute Herrn D. H. die Falle zu öffnen. Das nicht ausreichend betäubte Tier werde daraufhin von D. H. aus der Falle ausgeworfen. Das Rind zeige am Auswurf erneut spontanen Lidschluss (Minute 05:16) und regelmäßige Atmung > acht Mal (siehe Abdomen). Es werde dann trotz der deutlichen Anzeichen für eine nicht ausreichende Betäubungswirkung durch einen weiteren Mitarbeiter (Herrn M. K.) angeschlungen. Während des Anschlingvorgangs werde der Kopf des Tieres über das Auswurfgitter gezogen. Ein Nachschuss erfolge durch D. H. erst im Hängen in Minute 06:12. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 dar. Hiernach würden Tiere nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit müsse bis zum Tod des Tieres anhalten. Gem. § 12 Abs. 6 Satz 1 TierSchlV müsse das Tier entblutet werden, solange es empfindungs- und wahrnehmungsunfähig sei. Nach bsi-Schwarzenbek „Gute fachliche Praxis der tierschutzgerechten Schlachtung von Rind und Schwein“ Seite 54, achteten Betäuber, Entbluter und Aufhänger/Anschlinger bei jedem Tier auf eine effektive Betäubung. Die Anzeichen einer fraglichen oder nicht ausreichenden Betäubung müssten für die jeweilige Tierart und die jeweilige Betäubungsmethode sicher erkannt werden. Im Zweifel müssten Nachbetäubungen sofort und fachgerecht vorgenommen werden. Die Nachbetäubung hätte in diesem Falle aufgrund der deutlichen Anzeichen für eine nicht ausreichende Betäubung so schnell wie möglich stattfinden müssen. In der Zeit zwischen dem ersten Schuss und der Nachbetäubung (Minute 4:33 bis 6:12) habe dieses Tier sehr erhebliche Schmerzen erlitten, da die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit nicht ausgeschaltet gewesen sei und es mit dem zugefügten gravierenden körperlichen Schaden (Kopfschuss mit Bolzen) erst über den Auswurfrost gezogen und dann angeschlungen worden sei. Der anwesende Kläger hätte initiativ seine Kollegen zumindest auf das sofortige Erfordernis einer Nachbetäubung aufmerksam machen müssen. Im zweiten Fall werde ein stark behorntes Rind in die Betäubungsfalle getrieben (Minute 2:00) und mittels Bolzenschuss betäubt (Minute 2:24). Das Rind falle zusammen, bleibe aber mit den Hörnern in Kopffixierung hängen und werde nicht ausgeworfen aus der Falle. Das Rind sehe ausreichend betäubt aus. Ein Mitarbeiter (mutmaßlich Herr D. H.) setze ein Eisenrohr als Hebel ein, um Hörner anzuheben, darauf rutsche das Tier dann aus der Kopffixierung langsam Richtung Auswurfgitter. In Minute 3:27 liege das Tier größtenteils auf dem Auswurfrost und es komme der Mitarbeiter Herr L. P. mit einem E-Treiber und setze diesen mehrmals am Rücken, WS, Schulter ein (über 10 x). Eine vorherige Betäubungskontrolle/Entblutung erfolge nicht. In Minute 3:55 versuche Herr D. H. das Rind im Liegen zu entbluten, es komme jedoch nicht ausreichend Blut. Danach setze Herr L. P. wieder den E-Treiber mehrmals am Rinderkörper an (Rücken/WS). Das Tier zeige keine bewussten Reaktionen. In Minute 4:35 erfolge der Halsschnitt durch D. H. In 4:55 werde das Tier angeschlungen und aufgezogen, keine Reaktionen sichtbar, Zunge hänge raus. Der Kläger stehe während des unzulässigen und rechtswidrigen E-Treiber-Einsatzes direkt neben Herrn L. P. und interveniere nicht bzw. zu spät. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 und § 3 Abs. 1 TierSchlV dar. Tiere seien im Rahmen der Schlachtung so zu betreuen, ruhigzustellen, zu betäuben, zu schlachten oder zu töten, dass bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung oder Schäden verursacht würden. Auch wenn das betroffene Tier in diesem Fall augenscheinlich gut betäubt gewesen sei und keine unnötigen Schmerzen erlitten habe, sei das „Bearbeiten“ des noch lebenden Tieres mit dem Elektrotreiber durch Herrn L. P. nicht nur unzulässig, sondern fachlich auch völlig unsinnig. Elektrotreiber sollten in den begrenzt zulässigen Einsatzfeldern mittels Schmerzreiz ein Vorwärtsgehen der Schlachttiere in die Betäubungseinrichtung auslösen. Eine gezielte Bewegung auf den Elektrotreibereinsatz hin, habe das betäubte Tier hier nicht (mehr) ausführen können. Die erkennbaren reizindizierten Muskelbewegungen erfolgten völlig unwillkürlich, so dass das beabsichtigte Drehen des Tieres, um an die unter dem Körper liegenden Hintergliedmaße zwecks Anschlingen zu kommen, auf diese Art und Weise nicht sicher gelingen könne. Ein Traktieren des betäubten Tierkörpers mit einem Elektrotreibgerät sei weder rechtlich/fachlich vorgesehen noch üblich. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Ziffer 3.2 Satz 3 VO (EG) Nr. 1099/2009 und § 12 Abs. 7 Satz 1 TierSchlV verböten in diesem Sinne auch jedwede weiteren Schlachtarbeiten/Arbeitsschritte am Tierkörper, die nach dem Entblutestich erfolgten, mit Ausnahme des Anschlingens und Hochziehens. Denn solange ein Tier noch nicht ausreichend entblutet sei, was einige Minuten in Anspruch nehmen könne, bestehe grundsätzlich immer ein gewisses Risiko der Wiederkehr der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit. Durch erhebliche Manipulationen am Tierkörper könne die Wiederkehr der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit gefördert werden, so dass in diesem sensiblen Zeitraum des Sterbevorganges nur die für den Schlachtablauf zwingend notwendigen Handlungen am Tier erlaubt seien (Anschlingen/Hochziehen). Da Herr L. P. nicht über den erforderlichen Sachkundenachweis verfügt habe, hätte er an dieser Position ohnehin nicht tätig werden dürfen. Es sei nicht bekannt, ob der Kläger vom Fehlen des Sachkundenachweises auch Kenntnis gehabt habe. Zumindest hätte er als sachkundige Person aber in dieser Situation das unzulässige Behandeln des Tieres durch Herrn P. frühzeitig unterbinden können und müssen.
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Der Kläger sei auf den Videoaufzeichnungen zu erkennen, wie er während der Rinderschlachtung in der Zeit vom 1. Juli bis-3. Juli 2023 in einem Fall im Bereich der Betäubungsfalle der Rinder ein Rind zu früh ruhigstellt habe. Der Kläger treibe das Tier in die Betäubungsfalle, obwohl der Betäuber noch nicht bereitstehe. Das Tier verliere dabei das Gleichgewicht, rutsche mit den Hinterbeinen unter den Körper und hänge dann mit erheblicher Körperlast nur mit dem Kopf in der Kopffixierung fest. Das Vorderbein sei dabei auch zur Seite gedreht, nach ca. 30 Sekunden rappele sich das Tier dann wieder auf. Dies stelle einen Verstoß gegen § 11 Abs. 3 TierSchlV dar. Danach dürften Tiere erst dann ruhiggestellt werden, wenn die ausführende Person zur sofortigen Betäubung oder Tötung der Tiere bereitstehe. Die nationale Vorgabe verschärfe hier den Art. 9 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, wonach die Unternehmer sicher zu stellen hätten, dass die Tiere erst dann in die Geräte zur Ruhigstellung, einschließlich Kopffixierungsvorrichtungen, gestellt würden, wenn die mit der Betäubung oder Entblutung beauftragte Person bereitstehe, um die Tiere so rasch wie möglich zu betäuben oder zu entbluten. Der gravierende Stress, dem die Tiere durch die Ruhigstellungseinrichtung (hier Betäubungsfalle Rind) ausgesetzt seien, solle so kurz wie möglich sein und durch eine sofortige Betäubungshandlung beendet werden. An seiner Position des Zutriebs zur Falle hätte der Kläger demnach erkennen müssen, dass der Betäuber noch nicht schussbereit auf das nächste Tier warte.
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Diese Tierschutzverstöße seien als ebenfalls nicht unerheblich i.S.d. § 4 Abs. 6 TierSchlV zu bewerten.
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Entgegen der Behauptung des Klägers seien die von ihm begangenen Tierschutzverstöße im Bereich der Schweineschlachtung für die Beurteilung des Entzugs seines Sachkundenachweises für die Tierart Rind ebenso relevant. Wie bereits ausgeführt, seien nicht mangelnde fachliche Fähigkeiten des Klägers im Bereich der Schweineschlachtung maßgebende Grundlage für den Entzug des Sachkundenachweises, sondern vielmehr sein verantwortungsloser Umgang mit dem ihn anvertrauten Schlachttieren an den besonders risikobehafteten Positionen des Zutriebs zur Betäubungsfalle und der Entblutung und auf der Entblutestrecke. Diese seien bei der Rinder- und Schweineschlachtung vergleichbar: Der schonende und stressvermeidende Zutrieb zur Falle, die ordnungsgemäße Betäubung während des Entblutestichs und die Tierbeobachtung während des gesamten Entblutevorgangs bis zum Eintritt des Todes seien bei beiden Tierarten von höchster Tierschutzrelevanz. Die Tiere seien hierbei vor jeglichen vermeidbaren Schmerzen, Aufregung und Schäden zu bewahren, § 3 Abs. 1 TierSchlV. Diese Verantwortung obliege dem Schlachtunternehmer, dem Tierschutzbeauftragten und den unmittelbar an diesen Positionen handelnden sachkundigen Mitarbeitern des Schlachthofs.
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8. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 31. Juli 2024 ließ der Kläger ausführen, die im Schreiben der KBLV vom 18. Juli 2024 angegebenen Verstöße bei der Rinderschlachtung rechtfertigten keinen Entzug des Sachkundenachweises für die Rinderschlachtung. Die einmalige Überschreitung des Zeitraums von 60 Sekunden von der Betäubung bis zur Entblutung um 27 Sekunden sei geringfügig und noch nicht als grobe Missachtung des Tierschutzes anzusehen. Die weiterhin zur Last gelegte zweimalige Unterlassung könne dem Kläger nicht als Tierschutzverstoß zugerechnet werden. Die Videosequenz zeige, dass der Kläger beim Treiben beschäftigt gewesen sei. Als der Kläger bemerkt habe, dass das Rind schon in der Fixierung gewesen sei, zeige das Video, dass der Kläger in Richtung des Bolzenschussgeräts laufe und dass ihm Herr H. entgegenkomme und ihm sage „ich mach das, geh du runter“. Der Kläger, der noch Berufsanfänger gewesen sei, sei somit nicht untätig geblieben. Die verspätete Nachbetäubung durch D. H., der berufserfahren und im Besitz eines Sachkundenachweises sei, könne dem Kläger nicht zugerechnet werden. Dass L. P. keinen Sachkundenachweis gehabt habe, sei dem Kläger nicht bekannt gewesen. Sein Bruder habe mit ihm darüber nicht gesprochen gehabt. Der ungeeignete, jedoch schmerzlose Treibereinsatz durch L. P. könne dem Kläger ebenso wenig als Tierschutzverstoß zugerechnet werden. Auch der angegebene Verstoß durch Eintreiben des Rindes in die Betäubungsfalle, obwohl der Betäuber noch nicht bereitstehe, sei ein einmaliger Vorgang und nicht als gravierender Tierschutzverstoß anzusehen. Das Tier habe sich in der Betäubungsfalle von sich aus wieder aufgerappelt. Die Kontrollbehörde gebe nicht an, wie lange es bis zum Betäubungsschuss noch gedauert habe. Der von der Kontrollbehörde angegebene „gravierende Stress“ des Tiers in der Betäubungsfalle sei in der Videosequenz nicht zu sehen.
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9. Im Übrigen wird auf den weiteren Vortrag der Beteiligten und die Verfahrensakte des Beklagten sowie die vorgelegten Videodateien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 7. August 2024 Bezug genommen. Die Verfahrensakte W 9 S 23.1715 wurde beigezogen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Bescheid der KBLV vom 11. Dezember 2023 ist – soweit er noch angegriffen wird – rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1.1. Dass die rechtlichen Voraussetzungen des Entzugs des Sachkundenachweises für die erfassten Tierarten vorliegen, hat die KBLV im Bescheid vom 11. Dezember 2023, auf dessen Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet.
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Überdies muss sich der Kläger, der sich nur noch gegen den Entzug des Sachkundenachweises für Personen gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 für alle Tätigkeiten für die Tierart „Rind“ wendet, den bestandskräftigen Entzug des Sachkundenachweises für die Tierart „Schwein“ entgegenhalten lassen, dessen Voraussetzungen sind, dass dessen Inhaber mehrfach nicht unerheblich gegen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verstoßen hat und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies auch weiterhin geschehen wird. Diese mit Außenwirkung getroffene Regelung des streitgegenständlichen Bescheids entfaltet Bindungswirkung, sog. Tatbestandswirkung (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2016 – 4 B 1/16 – juris Rn. 4), und ist, da sie nicht mehr Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung und infolge ihrer Bestandskraft einer solchen auch nicht mehr zuführbar ist, ohne Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit der Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, B.v. 30.1.2003 – 4 CN 14/01 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 26.6.2020 – 9 CS 16.2218 – juris Rn. 17). Die Reichweite der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts wird durch seinen Regelungsgehalt begrenzt, der sich nach dem objektiven Empfängerhorizont bestimmt, wobei maßgeblich auf den Tenor der Verwaltungsentscheidung abzustellen ist, aber auch deren Begründung ergänzend herangezogen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2014 – 3 C 6/13 – juris Rn. 18). Für die Ermittlung des objektiven Erklärungswertes maßgeblich ist dabei der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2016 – 3 B 23/15 – juris Rn. 6). Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts entsprechend §§ 133, 157 BGB ist daher auf den Inhalt des Bescheids, aber auch auf die bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Begleitumstände, insbesondere die zugrundeliegenden Rechtsnormen abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 3 C 23/13 – juris Rn. 18). Danach hat der Kläger in sehr erheblichem Maße gegen die Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 verstoßen und Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Kläger auch weiterhin gegen diese Vorschriften verstoßen wird.
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Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für die Entziehung des Sachkundenachweises, bei dem es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, auch für die Tierart „Rind“ vor. Sie genügt auch den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG scheidet aus. Der vorliegende Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht zu beanstanden.
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Im Beschluss vom 16. Januar 2024 (W 9 S 23.1715) führte die Kammer in Bezug auf Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids bereits aus:
„Nach § 4 Abs. 6 TierSchlV ist der Sachkundenachweis zu entziehen, wenn deren Inhaber mehrfach nicht unerheblich gegen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung verstoßen hat und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieses auch weiterhin geschehen wird. „Mehrfach“ i.S.v. § 4 Abs. 6 TierSchlV können schon zwei gravierende Verstöße sein (vgl. Lorz/Metzger, TierschlV, 7. Aufl. 2019, § 4 Rn. 6; Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, 4. Aufl. 2023, § 4 Rn. 4). Auch mehrere, für sich genommen jeweils wenig gewichtige Verstöße können in der Summe die Schwelle zur Erheblichkeit überschreiten. Die Gefahr weiterer Verstöße kann mit der Zahl und dem (Gesamt-)Gewicht der bisherigen Verstöße begründet werden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 4 Rn. 4).
Die durch die Videoaufzeichnungen des SOKO Tierschutz e.V. dokumentierten Handlungen des Antragstellers im Schlachthof … am 18./19. Juni 2023, 25./26. Juni 2023 und 2./3. Juli 2023 belegen ohne Zweifel, dass der Antragsteller den Vorschriften der Tierschutz-Schlachtverordnung und/oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 grob und wiederholt zuwidergehandelt hat. Auch die Prognose der Fachbehörde, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller auch weiterhin den genannten Vorschriften zuwiderhandeln werde, ist nach vorläufiger Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.
Die tierschutzrechtlichen Verstöße des Antragstellers (Einsatz des Elektrotreibgeräts entgegen der Vorgaben in Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Ziffer 1.9 Satz 3 und Satz 4 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, weitere Schlachtarbeiten/Zurichten vor Ablauf von drei Minuten entgegen den Maßgaben des Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Ziffer 3.2 Satz 3 VO (EG) Nr. 1099/2009 bzw. § 12 Abs. 7 Satz 1
TierSchlV, unsachgemäße Nachbetäubung entgegen den Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, Unterlassen der Tierbeobachtung und der Betäubungskontrolle, sowie Einklemmen von Mastschweinen in der Fallentür entgegen dem Verbot des Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Nr. 1.8 b) Verordnung (EG) Nr. 1099/2009) sind dokumentiert durch Videoaufzeichnungen des SOKO Tierschutz e.V. (Rohmaterial und Zusammenschnitte), die durch die KBLV gesichtet und (vorläufig) in einer schriftlichen Zusammenstellung hinsichtlich Art und Anzahl der Verstöße sowie der rechtlichen Einordnung ausgewertet und nach weiterer Sichtung ergänzt wurden (vgl. z.T. farbig markierter Vermerk der KBLV, Dr. Zillig und Dr. Pfister, vom 26.7.2023, Stand: bisher gesichtete Videoaufnahmen bis 25.9.2023, 14:00 Uhr). Dass sich aus der weiteren Auswertung der Videodaten hinsichtlich der Anzahl der Verstöße Änderungen zu Gunsten des Antragstellers ergeben hätten, wie dieser meint, ist nicht ersichtlich. Die Identifizierung des Antragstellers wurde laut dem Vermerk der KBLV, Dr. Zillig und Dr. Pfister, vom 26.7.2023, Stand: 25.9.2023, 14:00 Uhr, durch Abgleich mit dem Lichtbild seines Sachkundenachweises sowie durch Wiedererkennen durch Frau Dr. Zillig aufgrund früherer Kontrollen bzw. der Sachkundeprüfung vorgenommen (keine Kopfbehaarung, schwarzer Bart, Tätowierung am rechten Unterarm).
Die Beurteilung, welche tierschutzrechtlichen Verstöße vorliegen, wie gravierend diese sind sowie ob den betroffenen Tieren vermeidbare erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt worden sind, obliegt dem Amtstierarzt (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). Die Einschätzung der beamteten Tierärzte, welchen vom Gesetzgeber ausdrücklich eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist, ist im Regelfall als maßgeblich anzusehen und kann nicht durch schlichtes Bestreiten oder pauschale und unsubstanziierte gegenteilige Behauptungen entkräftet werden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 16a Rn. 24 und 26). Denn Amtstierärzte sollen als Sachverständige bei der Durchführung des Tierschutzgesetzes und der sonstigen tierschutzrechtlichen Vorschriften beteiligt werden. Die fachliche Beurteilungskompetenz der amtlichen Tierärzte bezieht sich nicht nur darauf, ob die Anforderungen aus § 2 TierSchG eingehalten worden sind oder darauf, ob Tieren entgegen § 17 Nr. 2 Buchst. b TierSchG erhebliche und länger anhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt worden sind und ob die Voraussetzungen der einzelnen Alternativen in § 16a Abs. 1 TierSchG erfüllt sind, sondern auf die Durchführung aller tierschutzrechtlicher Vorschriften. In einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen soll der fachlichen Beurteilung amtlicher Tierärzte, die für diese Aufgaben eigens bestellt sind, besonderes Gewicht zukommen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, § 15 Rn. 5c m.w.N.). An die Äußerungen der Amtstierärzte sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen Tatsachen angeben und bewerten, die einzelfallbezogen den Schluss tragen, dass die Anforderungen des § 2 TierSchG nicht eingehalten sind oder grobe oder wiederholte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen vorliegen. Es geht um die verlässliche Absicherung der tierschutzrelevanten Beurteilung des Sachverhalts durch die Beteiligung eines beamteten Tierarztes, weil dieser hierzu besonders fachlich befähigt ist. Auch die Form eines Aktenvermerks sowie Lichtbilder können genügen. Von den amtstierärztlichen Feststellungen wäre – anders als hier – nur dann nicht auszugehen, wenn das Gutachten bzw. die Feststellungen Mängel aufweisen, die diese zur Sachverhaltsfeststellung als ungeeignet, zumindest aber als nicht ausreichend tragfähig erscheinen lassen. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Gutachten unvollständig oder widersprüchlich wäre oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausginge oder sich erhebliche Zweifel an der Sachkunde des Gutachters ergäben (vgl. zu § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Halbs. 1 TierSchG BayVGH, B.v. 24.5.2019 – 23 ZB 19.183 – juris).
Die von den Amtstierärzten zusammengestellten, im einzelnen benannten sowie in der Summe zahlreichen Verstöße und deren Bewertung belegen nachvollziehbar, dass der Antragsteller mehrfach nicht unerheblich gegen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung und/oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung verstoßen hat. Die Ausführungen der Amtstierärzte zum Einsatz des Elektrotreibgeräts, zu den weiteren Schlachtarbeiten bzw. Zurichten vor Ablauf von drei Minuten, der unsachgemäßen Nachbetäubung, dem Unterlassen der Tierbeobachtung bzw. der Überprüfung der Betäubungseffektivität sowie dem Einklemmen von Mastschweinen in Fallentüren im amtstierärztlichen Vermerk vom 26. Juli 2023/8. August 2023 sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Ihnen ist auch zu entnehmen, dass der Antragsteller den Tieren in zahlreichen Fällen vermeidbare Schmerzen und Leiden zugefügt hat. Der Antragsteller kann nicht für sich in Anspruch nehmen, alle während einer Nachtschicht begangenen Verstöße in „Tateinheit“ begangen zu haben. Vorliegend geht es nicht um eine strafrechtliche Bewertung des Handelns des Antragstellers, sondern um eine sicherheitsrechtliche.
Der Ansicht der Antragstellerseite, es habe sich um keine gravierenden Tierschutzverstöße, sondern lediglich um Verstöße gegen die „gute fachliche Praxis“ aufgrund von betrieblichen Zwängen gehandelt, kann vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen bzgl. der Tötung/Schlachtung von Tieren nicht gefolgt werden. Diese unsubstanziierten Ausführungen sind außerdem nicht geeignet, die amtstierärztliche Einschätzung in Frage zu stellen. Auch das Vorbringen des Antragstellers, er habe nicht – wie andere Mitarbeiter – auf die Schweine eingetreten, vermag die Verstöße des Antragstellers gegen tierschutzrechtliche Anforderungen nicht zu relativieren.
Aus der Zusammenschau von § 3 Abs. 1 TierSchlV mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1099/2009 ergibt sich der Grundsatz, dass sowohl beim Schlachten/Töten selbst als auch bei allen Tätigkeiten, die damit zeitlich und örtlich in Zusammenhang stehen, den Tieren vermeidbare Schmerzen (vgl. hierzu Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 1 Rn. 13), Leiden (einschließlich Angst), Stress, Aufregung und Schäden erspart werden müssen (Gebot der größtmöglichen Schmerz-, Leidens-, Stress- und Aufregungsvermeidung). Dies gilt für jedes einzelne Tier. Es gilt insbesondere auch in Situationen, in denen große Zahlen von Tieren zur Schlachtung oder Tötung gelangen. Zu den Tätigkeiten, die mit der Schlachtung/Tötung in Zusammenhang stehen, gehören nach Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) 1099/2009 insbesondere das Entladen, das Unterbringen im Wartestall, das Treiben und das Befördern innerhalb des Schlachthofs (insbesondere das Treiben zur Ruhigstellungseinrichtung), das Ruhigstellen und das Betäuben (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 3 Rn. 1).
Die Frage nach der Vermeidbarkeit von Schmerzen, Leiden (einschließlich Angst), Stress, Aufregung oder Schäden richtet sich danach, ob der angestrebte Zweck – also i.d.R. die Tötung des Tieres, um daraus ein Lebensmittel für den Menschen zu gewinnen – auch ohne die jeweilige Belastung erreicht werden könnte. Das ist bei vielen Belastungen, die Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung zugefügt werden, der Fall, sei es, dass ein anderes als das eingesetzte (Ruhigstellungs-, Betäubungs- und/oder Tötungs-)Verfahren gewählt werden muss (weil es mit weniger Schmerzen, Leiden oder Aufregung verbunden ist), sei es, dass innerhalb des eingesetzten Verfahrens (zur Vermeidung von Schmerzen, Leiden, Aufregungen u.Ä.) bestimmte Schutzmaßnahmen ergriffen, Schlüsselparameter verändert oder andere Vorkehrungen getroffen werden müssen. Wenn durch solche Maßnahmen ein Mehraufwand an Arbeit, Zeit oder Kosten entsteht, dann ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG, dass dies keine Unvermeidbarkeit von Schmerzen, Leiden (einschließlich Angst) und Schäden begründen kann (vgl. auch die Bundesregierung in BT-Drs. 17/10021, 12: „Schlachthofbetreiber haben ungeachtet wirtschaftlicher Erwägungen sicherzustellen, dass die tierschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden“). Führt also beispielsweise ein bestimmtes Ruhigstellungs- und Betäubungsverfahren zu Leiden, Aufregungen oder gar zu Schmerzen und gibt es an seiner Stelle ein anderes, das mit keinen oder weniger Leiden, Aufregung bzw. Schmerzen verbunden wäre, so ist dem weniger belastenden Verfahren auch dann der Vorzug zu geben, wenn mit ihm höhere Kosten und/oder ein höherer Arbeits- und Zeitaufwand verbunden sind. Dasselbe gilt, wenn sich die Wahrscheinlichkeit von Leiden, Aufregungen oder Schmerzen, die innerhalb eines gewählten Verfahrens auftreten können, mit Hilfe von Schutzvorkehrungen oder -maßnahmen reduzieren lässt, dafür aber ein Mehraufwand erforderlich ist. Dass ein tierschonendes Verfahren mit hygienischen Risiken verbunden sein kann, rechtfertigt die Wahl eines weniger schonenden Verfahrens zumindest so lange nicht, wie sich diese Risiken mit Geld, Zeit- oder Arbeitsaufwand minimieren lassen. Diese Erwägungen müssen auch die Auswahl unter mehreren grds. zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren steuern. Es besteht hier kein freies Wahlrecht, sondern es ist dasjenige Verfahren zu wählen, bei dem das Risiko für Fehlbetäubungen oder ein Wiedererwachen am geringsten ist und das dem Gebot der größtmöglichen Schmerz-, Leidens- und Stressvermeidung entspricht. Mit Bezug auf bloße Aufregungen kann zwar der Rechtsgedanke des § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG nicht direkt herangezogen werden, da sich diese Vorschrift nur auf Schmerzen, Leiden oder Schäden bezieht. Für eine ähnlich restriktive Auslegung spricht aber die Bedeutung, die die Vermeidung von Aufregungen vor und bei der Schlachtung nicht nur für den Tier-, sondern auch für den Verbraucherschutz hat: Aufregungen, die Tieren vor ihrer Schlachtung zugefügt werden, haben i.d.R. negative Auswirkungen auf die Fleischqualität und bewirken insbesondere einen erhöhten Anteil an PSE- bzw. DFD-Fleisch und steigern die Gefahr von Keimübertragungen. Damit erweist sich das Gebot, Aufregungen bei Schlachttieren auch dann zu vermeiden, wenn die dazu nötigen Verfahrensänderungen bzw. Schutzvorkehrungen einen höheren Aufwand an Zeit, Arbeit und/oder Kosten erforderlich machen, sowohl als tierwie auch als menschenschützend. Deshalb können solche Mehraufwendungen auch keine Unvermeidbarkeit begründen, weder i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1099/2009 noch i.S.v. § 3 Abs. 1
TierSchlV (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 3 Rn. 2). Maßnahmen, die zur Vermeidung vermeidbarer Aufregungen führen können, sind z.B. den Tieren nach der Ankunft im Schlachtbetrieb ausreichend Zeit zu lassen, um die neue, ungewohnte Umgebung zu erkunden, bevor sie sich in ihr fortbewegen. Tiere haben das Bestreben, die neue Umgebung zu erkunden, bevor sie sich in ihr fortbewegen. Durch einen ungeduldigen Umgang mit ihnen kann es zu einem unverhältnismäßig hohen Einsatz von Treibhilfen kommen. In diesen Fällen führen sowohl die Treibhilfen als auch der Zwang, die neue Umgebungssituation ohne Erkundungsmöglichkeit passieren zu müssen, zu unnötiger Angst und Aufregung (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 3 Rn. 3 m.w.N.). Generell müssen sich Verfahren zur Ruhigstellung, Betäubung und Tötung zur Vermeidung vermeidbarer Aufregungen an dem Ziel ausrichten, dass das Tier seinen bevorstehenden Tod nicht sehen, nicht hören und auch nicht riechen darf (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 3 Rn. 3).
Betäubung meint Totalbetäubung. § 12 Abs. 3 Satz 1
TierSchlV stellt klar, dass nur die zugelassenen Verfahren angewandt werden dürfen. Das Tier muss in einen Zustand vollständiger Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden. Die gewählte Methode muss diesen Zustand „schnell“ (d.h. unmittelbar mit der Einwirkung) herbeiführen. Die Methode muss gewährleisten, dass dieser Zustand bis zum Tod anhält und ein vorzeitiges Wiedererwachen ausgeschlossen ist. Bei der Vorbereitung und der Durchführung der Betäubung sind Schmerzen und Leiden zu vermeiden. Aufregungen müssen, so weit wie möglich, vermieden werden. Unter verschiedenen geeigneten Verfahren ist das zu wählen, das am sichersten die Einhaltung der Anforderungen gewährleistet (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 12 Rn. 7 unter Hinweis auf VG Magdeburg, Urt. v. 4.7.2016 – 1 A 1198/14 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben bestehen keine Zweifel daran, dass der Antragsteller gravierend und wiederholt gegen die Vorgaben der tierschutzrechtlichen Vorschriften bei der Schlachtung verstoßen hat.
Die von Antragstellerseite aufgeführten betrieblichen Zwänge, denen der Antragsteller ausgesetzt gewesen sein soll, sowie seine behauptete Stellung im betrieblichen Ablauf vermögen nach vorläufiger Prüfung die festgestellten gravierenden Verstöße gegen tierschutzrechtliche Anforderungen bei der Schlachtung von Tieren nicht zu relativieren. Ebenso kann der Antragsteller sich nicht darauf berufen, er sei durch den Erwerb des Sachkundenachweises nicht ausreichend auf die ausgeübte Tätigkeit vorbereitet gewesen und es seien deswegen Fehler vorgekommen, die entsprechend nicht schwer gewichtet werden könnten. Selbst wenn sich im Fall des Antragstellers „der Anreiz für das mit der Betäubung und/oder Tötung beauftragte Personal, bei der Gewährung von Stückprämien oder Akkordlohn durch beschleunigtes Arbeiten ihr Entgelt zu erhöhen“ dahingehend ausgewirkt haben sollte, „dass die notwendige Sorgfalt bei der Betäubung und Tötung von Tieren außer Acht gelassen“ wurde „und es dadurch zu unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere“ gekommen ist (vgl. Stellungnahme zum Regierungsentwurf zum ÄndG 1998, BT-Drs. 13/7015, 29; vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, TierSchlV, § 3 Rn. 4), führt dies nicht dazu, dass im Rahmen der Prüfung des Entzugs eines Sachkundenachweises ein verringerter Maßstab anzulegen wäre. Nach § 4 Abs. 1 TierSchlV muss jeder, der ein Tier betreut (dazu gehören neben dem Füttern und Tränken auch das Entladen, das Unterbringen im Wartestall, das Treiben und das Befördern), ruhigstellt, betäubt, schlachtet oder tötet, die dafür notwendige Sachkunde besitzen und nachweisen. Sachkunde umfasst sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Fähigkeiten; das Wort „notwendig“ und der systematische Zusammenhang mit § 3 TierSchlV zeigen, dass sich die Kenntnisse und Fähigkeiten auch darauf beziehen müssen, den Tieren bei den genannten Tätigkeiten vermeidbare Schmerzen, Leiden (einschließlich Angst), Stress, Aufregungen und Schäden zu ersparen. Nicht nur der Unternehmer i.S.v. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1099/2009 ist dafür verantwortlich, dass Schlachtungen und damit zusammenhängende Tätigkeiten ausschließlich von sachkundigen Personen ausgeführt werden, sondern auch der Ausführende selbst muss sich auf diejenigen Tätigkeiten beschränken, für die er seine Sachkunde nachweisen kann. Nach § 4 Abs. 2 TierSchlV erhält grds. nur derjenige den Sachkundenachweis i.S.v. Art. 21 der Verordnung (EG) 1099/2009, der eine Prüfung nach Abs. 3 bestanden hat, was beim Antragsteller der Fall war. § 4 Abs. 3
TierSchlV regelt die Anforderungen an die Prüfung, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller verwehrt, sich darauf zu berufen, er habe eine Tätigkeit ausgeübt, auf die er nicht ausreichend vorbereitet gewesen sei, und sei durch die betrieblichen Gegebenheiten gezwungen gewesen, den Tierschutz hintanzustellen.
Ob die Verstöße des Antragstellers gegen die genannten Vorschriften bereits straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich geahndet wurden, ist irrelevant. Die Verwaltungsbehörde muss nicht das Ergebnis eines solchen Verfahrens abwarten, sondern klärt den Sachverhalt aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG von Amts wegen auf. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten ist es z.B. auch nicht verwehrt, in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnene Erkenntnisse und Beweismittel zu verwerten und einer eigenständigen Überprüfung im behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren zu unterziehen (BVerfG, NJW 1991, 1530 Rn. 21), selbst wenn dieses nicht oder noch nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt hat (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, § 16a Rn. 4a).
Die Erklärungsversuche der Antragstellerseite für das gravierende tierschutzwidrige Verhalten des Antragstellers vermögen die festgestellten Verstöße nicht zu relativieren. Insbesondere ist es für die Beurteilung z.B. nicht entscheidend, aus welchem Grund der Antragsteller die Schweine vor dem nicht fachgerechten Einsatz des Elektrotreibgeräts mit Wasser abgespritzt hat. Weiterhin ist irrelevant, ob der Antragsteller gezielt den Elektrotreiber an den falschen Körperteilen angesetzt hat.
Es ist im Rahmen des Vorliegens der Voraussetzungen für den Entzug des Sachkundenachweises auch nicht entscheidend, dass die festgestellten Verstöße des Antragstellers nur im Bereich der Schweineschlachtung festgestellt wurden und nicht alle genehmigten Tätigkeiten i.S.d. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 betrafen. Der Tatbestand des § 4 Abs. 6 TierSchlV sieht diesbezüglich keine Einschränkungen vor.
Der Antragsgegner war auch nicht aufgrund „Verwirkung“ daran gehindert, dem Antragsteller am 11. Dezember 2023 den Sachkundenachweis zu entziehen. Einerseits gilt zu bedenken, dass die (mehrfache) Sichtung des Beweismaterials durch die zuständige Behörde, die Anhörung des Antragstellers – nicht zuletzt aufgrund Fristverlängerungsgesuchen seiner ehemaligen Bevollmächtigten – sowie die Bescheiderstellung einige Zeit in Anspruch genommen haben. Selbst die vom Antragsteller vorgetragene Untätigkeit durch den Antragsgegner als wahr unterstellt, lässt sich daraus weder ableiten, dass die oben ausgeführten Verstöße nicht gravierend und rechtlich relevant wären, noch, dass man von ihrer Sanktionierung dauerhaft Abstand genommen hätte. Hieraus ergibt sich kein Verwirken der Einschreitens- und Regelungsbefugnis durch die öffentliche Verwaltung oder ein Vertrauenstatbestand auf (amtspflichtwidriges) Nichteinschreiten.
Nach summarischer Prüfung besteht aufgrund der Anzahl und des Gesamtgewichts der bisherigen tierschutzrechtlichen Verstöße auch die Gefahr weiterer Verstöße. Tatsachen, die die ernsthafte, realistische und nicht lediglich fernliegende Möglichkeit begründen, dass es auch künftig zu Verstößen kommen wird, können auch die begangenen Verstöße und ihre Begleitumstände sein (vgl. Hirt/Maisack/Moritz/Felde/Hirt, VO (EG) 1099/2009, 4. Aufl. 2023, Art. 21 Rn. 12). Denn haben sich im Verantwortungsbereich des Antragstellers bereits gravierende Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben ereignet, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. So liegt der Fall hier. Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, eine Wiederholungsgefahr sei ausgeschlossen, weil er künftig beabsichtige, in einem kleineren Schlachthof zu arbeiten, in welchem die genannten betrieblichen Zwänge nicht bestünden. Erstens arbeitet er derzeit unstreitig noch im streitgegenständlichen Schlachthof. Zweitens kann sein unsubstanziiertes Vorbringen, bei Änderung der Verhältnisse werde er sich tierschutzkonform verhalten, die aufgrund der Vielzahl und Schwere der Verstöße grundsätzlich bestehende Wiederholungsgefahr nicht ausräumen.
Schließlich wird die bestehende Wiederholungsgefahr nicht durch die angeblich in der Zwischenzeit erfolgte Teilnahme des Antragstellers an einer Ergänzungsschulung aufgehoben. Da der Antragsteller seinen Fachkundenachweis erst im Jahr 2023 erworben hatte, hätten die entsprechenden theoretischen und praktischen Fachkenntnisse bereits zum Zeitpunkt des Begehens der Verstöße vorliegen müssen. Dies hat den Antragsteller nicht davon abgehalten, sich in erheblichem Umfang tierschutzwidrig zu verhalten, so dass nicht ersichtlich ist, inwiefern eine ergänzende Schulung den Antragsteller zu einer grundlegenden Verhaltensänderung gebracht haben sollte.
Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 8 LStVG) ist nicht ersichtlich, insbesondere ist die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen.
Der Entzug des Sachkundenachweises für die Tierarten Schwein und Rind verstößt nach vorläufiger Prüfung nicht gegen die in den Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 101 BV verankerte Berufsfreiheit. Es kann offenbleiben, ob der Schutzbereich der Berufsfreiheit vorliegend eröffnet ist. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst das Grundrecht der Berufsfreiheit auch die Berufsausübungsfreiheit; es wird die freie Betätigung am Arbeitsplatz geschützt. Die betroffenen Tätigkeiten, das „Handhabung und Pflege“, „Ruhigstellung“, „Einhängen und Hochziehen“ sowie „Betäubung und Entblutung“ für die Tierarten Schwein und Rind im Rahmen eines Schlachtbetriebs sind insoweit vom Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit umfasst. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 116 Abs. 1 GG handelt es sich bei dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit jedoch um ein Deutschengrundrecht. Dem Wortlaut nach scheidet eine unmittelbare Anwendung der Berufsfreiheit für den Antragsteller, der kosovarischer Staatsangehöriger ist, aus. Auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht in Betracht, da der Antragsteller kein EU-Ausländer ist. Davon abgesehen greift die Maßnahme zwar in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ein, denn der Entzug des Sachkundenachweises des Antragstellers hat unmittelbar die Berufsausübung des Antragstellers zum Gegenstand, so dass eine subjektiv berufsregelnde Tendenz zu bejahen ist. Der Eingriff in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Er dient dem verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG anerkannten Zweck, Tiere, hier Schweine und Rinder, zu schützen. Die Maßnahme ist erforderlich, da der mit ihr verfolgte Zweck nicht oder nicht auf gleichsam effektive Weise erreicht werden kann. Insbesondere kommen mildere Mittel als der unbefristete Entzug des vollständigen Sachkundenachweises nicht in Betracht. Entsprechend § 4 Abs. 6 TierSchlV kann zwar dem Inhaber eines Sachkundenachweises oder einer als sachkundig anerkannten Person bei weniger gravierenden Verstößen untersagt werden, die Tiertötung vorzunehmen, solange er nicht seine Kenntnisse und Fähigkeiten (Sachkunde) zum Betäuben und Töten der fraglichen Tierart erneuert hat (vgl. Lorz/Metzger/Metzger, TierSchlV § 4 Rn. 6 unter Hinweis auf VG Regensburg, GB v. 8.3.2017 – RN 4 K 16.769, BeckRS 2017, 113729); nachdem es sich vorliegend jedoch um zahlreiche und gravierende Verstöße handelt, scheidet eine solche Maßnahme als ungeeignet aus. Weiterhin sind zwar die tierschutzrechtlichen Verstöße des Antragstellers nur im Bereich der Schweineschlachtung festgestellt worden und haben nicht alle genehmigten Tätigkeiten i.S.d. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 erfasst, sie betrafen jedoch grundlegende tierschutzrechtliche Anforderungen bei der Schlachtung von Tieren und die wesentlichen vom Sachkundenachweis umfassten Tätigkeiten, sodass eine Teilbarkeit ausscheidet. Der Entzug des Sachkundenachweises ist schlussendlich verhältnismäßig im engeren Sinne. Dem Antragsteller wird nicht die berufliche Tätigkeit in einem Schlachthof schlechthin verboten, sondern nur die Ausübung von Tätigkeiten entzogen, für die ein Sachkundenachweis erforderlich ist.“
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Diese Einschätzung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 16. Mai 2024 (Az.:23 CS 24.140) bestätigt und u.a. ausgeführt:
„Dem tritt die Beschwerde nicht substantiiert entgegen, sondern räumt vielmehr selbst ein, dass im Fall des Antragstellers wiederholte und gravierende Tierschutzverstöße vorliegen, aus denen das Verwaltungsgericht zu Recht den Schluss gezogen hat, dass deshalb eine Wiederholungsgefahr i.S.v. § 4 Abs. 6 TierSchlV zu bejahen ist, die durch das Vorbringen des Antragstellers nicht entkräftet werden kann. Die amtstierärztlich festgestellten (vgl. Vermerke vom 26.7./8.8.2023 sowie 2.4.2024 und Bescheid vom 11.12.2023) wiederkehrenden gravierenden Verstöße des Antragstellers als Inhaber eines Sachkundenachweises nach § 4 TierSchlV gegen elementare Grundpflichten aus § 3 Abs. 1 TierSchlV beim Töten und Schlachten von Tieren begründen die ernsthafte, realistische und nicht nur fernliegende Gefahr, dass er diesen auch künftig zuwiderhandeln wird. Danach können „mehrfach“ i.S.v. § 4 Abs. 6 TierSchlV schon zwei gravierende Verstöße sein (vgl. Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 4 TierSchlV Rn. 6). Auch mehrere, für sich genommen jeweils wenig gewichtige Verstöße können in der Summe die Schwelle zur Erheblichkeit überschreiten, wobei die konkrete Wiederholungsgefahr weiterer Verstöße mit der Zahl und dem (Gesamt-) Gewicht der bisherigen Verstöße und ihrer Begleitumstände begründet werden kann (vgl. Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Aufl. 2023, Art. 21 VO (EG) 1099/2009 Rn. 12 sowie § 4 TierSchlV Rn. 4; siehe auch Hirt a.a.O. § 16a Rn. 48). Dies hat das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht bejaht, da die amtstierärztlich festgestellten Tierschutzverstöße verdeutlichen, dass der Antragsteller sich bei seiner Tätigkeit keine Gedanken hierüber gemacht hat und entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, grundlegende Anforderungen an eine tierschutzgerechte Schlachtung von Tieren einzuhalten (vgl. Hirt a.a.O. § 16a Rn. 49). Das Verwaltungsgericht hat deshalb auch nicht im Wege eines bloßen Automatismus entschieden, sondern ist im konkreten Fall auf Grundlage der amtstierärztlichen Feststellungen unter Abwägung mit den Interessen des Antragsstellers rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass dieser wiederholt und gravierend gegen zahlreiche Tierschutzvorschriften im Zusammenhang mit der Schlachtung und Tötung von Tieren verstoßen hat, was auch unter Berücksichtigung der unsubstantiierten Einwendungen des Antragstellers den Schluss zulässt, dass die konkrete Gefahr besteht, dass dieser auch zukünftig beim Töten und Schlachten von Tieren gegen Tierschutzvorschiften verstoßen wird.
bb) Die demgegenüber mit der Beschwerde vorgebrachten pauschalen Behauptungen des Antragstellers sind nicht geeignet, die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Beschlusses in Frage zu stellen.
(1) Soweit der Antragsteller die amtstierärztlich festgestellten massiven und wiederholten Tierschutzverstöße und die dadurch begründete Wiederholungsgefahr für weitere künftige Verstöße gegen Tierschutzvorschriften beim Schlachten von Tieren mit vormals tierschutzwidrigen, inzwischen geänderten Betriebsabläufen im Schlachthof A. zu relativieren versucht (vgl. Schriftsätze v. 22.1.2024 S. 2, 8.2.2024 S. 2 f., 15.2.2024 S. 1 f., 5.3.2024 S. 1 f. und 17.4.2024 S. 1 f.), zeigt die Beschwerde nicht auf, dass der Antragsteller durch sein von ihm in der Sache eingeräumtes Verhalten nicht gegen (auch) ihn als Inhaber des nach § 4 TierSchlV erforderlichen Sachkundenachweises unmittelbar treffende tierschutzrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat.
Gemäß § 4 Abs. 1 TierSchlV muss derjenige, der Tiere betreut, ruhigstellt, betäubt, schlachtet oder tötet, über die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten (Sachkunde) verfügen. Zusätzlich zu den Anforderungen nach Art. 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind die Tiere so zu betreuen, ruhigzustellen, zu betäuben, zu schlachten oder zu töten, dass bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung oder Schäden verursacht werden (§ 3 Abs. 1 TierSchlV). Danach müssen die bei der Betäubung, dem Anschlingen und Entbluten beteiligten Personen auf Anzeichen einer unzureichenden Betäubung bzw. Wiederkehr des Wahrnehmungsvermögens achten (Routinekontrolle). In der Regel wird dieses durch die direkte optische Kontrolle überprüft. Bei Anzeichen auf eine unzureichende Betäubung ist sofort zu reagieren (vgl. Handbuch Tierschutzüberwachung bei der Schlachtung und Tötung – Vollzugshinweise zur Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24.9.2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung und zur Tierschutz-Schlachtverordnung vom 20.12.2012 der AG Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV), Stand: Dezember 2021, S. 23). Um diese Anforderungen sicherzustellen, werden die Tötung und damit zusammenhängende Tätigkeiten nur von Personen durchgeführt, die über entsprechende Fachkenntnisse verfügen und dabei die Tiere von vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden verschonen (vgl. Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24.9.2009). Jede an der Tötung von Tieren beteiligte Person soll deshalb die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten (vgl. Erwägungen zum Erlass der Verordnung EG) Nr. 1009/2009 des Rates vom 24.9.2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung Ziffer 2).
Diesen in seinen ureigenen Verantwortungsbereich fallenden Anforderungen hat der Antragsteller nach den amtstierärztlichen Feststellungen wiederholt nicht genügt, indem er den elektrischen Treiber nicht tierschutzkonform, sondern zur Verstärkung der Wirkung mit Wasser kombiniert an besonders schmerzempfindlichen Körperteilen der Tiere eingesetzt und diese in der Fallentür eingeklemmt sowie die erforderliche Nachkontrolle der Betäubungswirkung unterlassen und seine Schlachttätigkeit trotz Bewegungen, Atmungsaktivitäten und Lautäußerungen der Schweine fortgesetzt hat. Als derjenige Mitarbeiter im Schlachthof A., der die zu schlachtenden Schweine unmittelbar betreut und geschlachtet hat, traf ihn auch unmittelbar die Pflicht, die in § 3 Abs. 1 TierSchlV verankerten Grundsätze zu beachten. Als Inhaber des hierfür gemäß § 4 Abs. 1 TierSchlV erforderlichen Sachkundenachweises und als am Schlachtband tätiger Mitarbeiter hatte er deshalb durch eigene Kontrollen selbständig zu prüfen und sicherzustellen, dass bei den von ihm persönlich betreuten, ruhiggestellten, betäubten und geschlachteten Tieren nicht mehr als unvermeidbare Aufregung oder Schäden verursacht wurden. Selbst wenn man die nicht näher belegte Behauptung, die früheren Betriebsabläufe im Schlachthof A. seien maßgebliche Ursache für Tierschutzverstöße gewesen, zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigen wollte, entbände ihn dies als Inhaber des Sachkundenachweises daher nicht von der Verpflichtung, die in seinem Verantwortungsbereich liegenden Anforderungen zum Schutz der Tiere bei der Schlachtung einzuhalten. Weder angebliche Betriebsabläufe im Schlachthof A. (vgl. Schriftsätze v. 22.1.2024 S. 2 und 8.2.2024 S. 2 f.) noch behauptete ungeschriebene Arbeitsregeln unter den dortigen Kollegen (vgl. Schriftsatz v. 5.3.2024 S. 2) stellen einen „Freibrief“ für den Antragsteller dar, Schlachtvieh entgegen der Verpflichtung nach § 3 Abs. 1 TierSchlV vermeidbare Aufregungen und Schäden zuzufügen. Der Antragsteller zeigt auch nicht auf, warum er die „3-Minuten-Regel“ vor Entnahme der Augen selbst in Fällen, die er als die „Ausnahme von der Regel“ einräumt (vgl. Schriftsatz v. 17.4.2024 S. 2), nicht habe einhalten können. Insoweit ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass angebliche betriebliche Zwänge für die in seinem ureigenen Verantwortungsbereich fallenden Tierschutzverstöße ursächlich gewesen wären. Vielmehr zeigt der Antragsteller damit, dass er die Verantwortung für die gravierenden und wiederholten Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben auf seinen bisherigen Betrieb bzw. auf die dortigen „erfahrenen“ Kollegen abwälzt, dass er trotz Absolvierung des Sachkundenachweises die durchgreifenden Missstände bei der Schlachtung der Tiere nicht erkannt hat oder zumindest nicht erkennen und demgemäß handeln wollte, was seine weiterhin fehlende Einsicht belegt.
Davon unberührt bleibt, ob neben dem Antragsteller auch der Geschäftsführer des Schlachthofs A. bzw. der Geschäftsführer des für diesen tätigen Subunternehmens, andere Angestellte oder das Aufsichtspersonal und die Tierschutzbeauftragten des Schlachthofs und des Subunternehmers gegen sie treffende tierschutzrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben (zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Geschäftsführer eines Schlachthofs wegen Schlachtung von Schweinen mit unzureichender Betäubungsanlage vgl. LG Kassel, U.v. 27.4.2020 – 9 Ns 9634 Js 23170/13 und OLG Frankfurt, B.v. 14.12.2020 – 2 Ss 194/20, jeweils juris).
(2) Auch der pauschale Hinweis auf mittlerweile angeblich geänderte Betriebsabläufe und verbesserte Arbeitsbedingungen im Schlachthof A., aufgrund derer diesem erneut eine Betriebserlaubnis erteilt worden sei, vermag die amtstierärztlich festgestellten Tierschutzverstöße und die dadurch indizierte Wiederholungsgefahr nicht zu widerlegen. Die bloße Behauptung, bei den nunmehr gegebenen gesetzeskonformen Betriebsabläufen (vgl. Schriftsätze v. v. 22.1.2024 S. 3, 8.2.2024 S. 2 f. und 15.2.2024 S. 1) werde er in Zukunft keine Tierschutzverstöße mehr begehen, ist schon deshalb nicht geeignet, die Gefahr künftiger Verstöße auszuräumen, weil der Antragsteller seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. Klageschrift v. 18.12.2023 S. 4) zufolge beabsichtigt, mit weiteren Mitarbeitern einen anderen (und kleineren) Schlachtbetrieb zu übernehmen, ohne substantiiert darzulegen, wie sich die dortigen Betriebsabläufe gestalten und ob dort Tierschutzverstöße ausgeschlossen werden können. Wenn der Antragsteller schon in der Vergangenheit nicht willens bzw. nicht dazu in der Lage war, tierschutzwidrige Betriebsabläufe zu erkennen und sein eigenes Handeln trotz Absolvierung des Sachkundenachweises tierschutzgerecht auszurichten, besteht die begründete Gefahr, dass er auch künftig gegen Tierschutzvorschriften beim Schlachten von Tieren verstoßen wird, unabhängig von den Betriebsabläufen im Betrieb. Diese wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass der Antragsteller trotz seiner Weiterbeschäftigung im Schlachthof A. nach eigenen Angaben nicht mehr durch Tierschutzverstöße aufgefallen ist (vgl. Schriftsatz v. 22.1.2024 S. 3), zumal er dort auch nicht mehr im Lebendtierbereich beschäftigt ist (vgl. Schriftsatz v. 8.2.2024 S. 2). Im Übrigen geht der Antragsteller selbst davon aus (vgl. Schriftsatz v. 8.2.2024 S. 3), dass auch die geänderten Betriebsabläufe im Schlachthof A. nicht konsequent in Bezug auf den Tierschutz sind, da beim Schlachthof angestellte Mitarbeiter, denen gleichfalls Tierschutzverstöße nachzuweisen gewesen seien, dort weiterhin im Einsatz seien.
(3) Soweit der Antragssteller darauf verweist, dass er am „laufenden Band“ im Akkord habe arbeiten müssen und dass ihm als Mitarbeiter mit Sachkundenachweis am Schlachtband nicht zugemutet habe werden können, den Betriebsablauf zu stören, um Tierschutzanforderungen gerecht zu werden, da er das von ihm verlangte Soll habe erfüllen müssen und keinen Spielraum für eigenverantwortliches Handeln besessen habe, andernfalls hätte er wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssen, es habe aufgrund seiner Treuepflicht auch nicht von ihm erwartet werden können, dass er den Betrieb wegen der Tierschutzverstöße bei der Kontrollbehörde anschwärze (vgl. Schriftsätze v. 8.2.2024 S. 3, 15.2.2024 S. 2, 5.3.2024 S. 1 f. und 17.4.2024 S. 1 f.), kann er sich ebenfalls nicht seiner eigenen Verantwortung für die ihm anvertrauten Tiere entziehen. Der Umstand, dass er zu keinem Zeitpunkt im Rahmen seiner Befugnisse tierschutzwidrige Praktiken in seinem unmittelbaren Verantwortungsbereich abgestellt oder zumindest angezeigt hat und nicht versucht hat, dadurch die tierschutzwidrigen Abläufe, an denen er beteiligt war, zu verhindern bzw. zu minimieren, belegt vielmehr seine auch weiterhin fehlende Einsicht zum tierschutzkonformen Umgang mit Schlachtvieh. Wenn er insoweit behauptet, er hätte den Schalter am Schlachtband nicht selbst betätigen dürfen, um die Wartezeit einhalten zu können (vgl. Schriftsatz v. 17.4.2024 S. 1 f.), ist ihm entgegenzuhalten, dass er jedenfalls auf die Geschwindigkeit hinweisen hätte können.
Im Übrigen kann er sich als Inhaber des Sachkundenachweises nach § 4 TierSchlV seiner Verantwortung auch nicht mit dem bloßen Hinweis auf einen angeblich nicht beeinflussbaren Betriebsablauf und den „Druck“ des Arbeitgebers entziehen (vgl. LAG Hamm, U.v. 11.7.2013 – 8 Sa 502/13 – juris Rn. 28), bei dem etwaige wirtschaftliche und finanzielle Interessen zu Lasten des Tierschutzes die Richtschnur des Handelns bilden (vgl. ThürOVG, B.v. 16.8.2000 – 2 ZEO 392/99 – juris Rn. 27). Soweit er auf vermeintliche arbeitsrechtliche Konsequenzen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass Arbeitnehmer auch die arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) trifft, den Arbeitgeber auf Missstände aufmerksam zu machen. Insoweit war es dem Antragsteller auch zumutbar, sich gegen etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen ggf. arbeitsgerichtlich zur Wehr zu setzen (vgl. SächsOVG, B.v. 15.5.2008 – 3 BS 411/07 – juris Rn. 9) und sich diesem behaupteten Druck bzw. den behaupteten betrieblichen Zwängen entgegenzustellen (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 1.2.2012 – 7 L 52.12 – juris Rn. 5). Hierzu wird im Einzelnen auf die zutreffenden Erwägungen im Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 2. Mai 2024 (S. 2 f.) verwiesen, die der Senat teilt.
(4) Auch mit dem Einwand, er sei Berufsanfänger und unerfahren sowie auf die Betriebspraxis nicht vorbereitet gewesen, sodass ihm zunächst tierschutzrechtliche Verstöße passiert seien, er habe jedoch zwischenzeitlich eine Ergänzungsschulung absolviert, sodass es trotz seiner Weiterbeschäftigung im gleichen Betrieb bei ihm zu keinen weiteren Beanstandungen gekommen sei (vgl. Schriftsätze v. 22.1.2024 S. 3, 8.2.2024 S. 1 f. und 15.2.2024 S. 2), kann der Antragsteller die Wiederholungsgefahr für künftige Tierschutzverstöße nicht widerlegen. Der Antragsteller hat seinen Sachkundenachweis im Jahr 2023 erworben, sodass er die für die Tötung und Schlachtung von Tieren erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse bereits zum Zeitpunkt der Begehung der Verstöße besitzen hätte müssen. Als Inhaber des Sachkundenachweises hätte er die für ihn einschlägigen tierschutzrechtlichen Bestimmungen kennen und danach handeln müssen. Die daraus resultierende Verantwortung kann er deshalb nicht auf seine fehlende praktische Berufserfahrung abwälzen, da es sich hierbei um elementare Grundsätze handelt, die von Inhabern des Sachkundenachweises von Anfang an zu beachten sind. Ungeachtet dessen ist ein an den Tag gelegtes situatives Wohlverhalten unter dem Druck eines laufenden Verfahrens für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2022 – 23 ZB 21.448 – juris Rn. 17). Vielmehr muss der Antragsteller Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass eine Läuterung in seinem Verhalten gegenüber den zu schlachtenden Tieren eingetreten ist und bei ihm ein individueller Lernprozess stattgefunden hat, der sich auf die inneren Gründe für die Handlung bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit künftig auszuschließen ist, dass der Antragsteller wiederum ähnlich schwerwiegende tierschutzwidrige Zuwiderhandlungen begeht (vgl. VGH BW, U.v. 16.12.2021 – 6 S 1557/19 – juris Rn. 47). Die bloße Teilnahme an einer erneuten Schulung ist daher nicht geeignet, einen inneren Sinneswandel des Antragstellers zu belegen, da nicht ersichtlich ist, inwiefern ihn eine Ergänzungsschulung zu einer grundlegenden Verhaltensänderung bewogen haben soll, zumal er die Sachkundeprüfung im vorliegenden Fall erst wenige Monate vor den amtstierärztlich festgestellten tierschutzwidrigen Schlachttätigkeiten absolviert hat. Die Wiederholungsgefahr wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass der Antragsteller trotz seiner Weiterbeschäftigung im Schlachthof A. nach eigenen Angaben nicht mehr durch erneute Tierschutzverstöße aufgefallen ist, da er dort auch nicht mehr im Lebendtierbereich beschäftigt ist.
(5) Soweit der Antragsteller vorträgt, andere frühere Mitarbeiter seien weiterhin unbeanstandet im Schlachthof A. tätig, während er dort keine Schlachttätigkeiten mehr ausführen dürfe (vgl. Schriftsätze v. 8.2.2024 S. 2 und 5.3.2024 S. 2), kann er – ungeachtet des Fehlens tatsächlicher Belege hierfür – aus dieser vermeintlichen Ungleichbehandlung für sich bereits deshalb nichts herleiten, weil ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht besteht (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2023 – 3 C 2.23 – juris Rn. 32). Im Übrigen hat der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen (vgl. Schriftsatz der Landesanwaltschaft v. 11.4.2024 S. 3), dass gegenüber drei weiteren dort tätigen Personen Entziehungen des Sachkundenachweises erfolgt seien.
b) Auch mit dem – wiederum völlig unsubstantiierten und schon deshalb dem Darlegungsgebot nicht genügenden – Vorbringen (vgl. Schriftsatz v. 22.1.2024 S. 2 und 4), der vollständige und unbefristete Entzug des Sachkundenachweises stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragsstellers, der keinen qualifizierten Beruf eines Metzgers erlernt habe, in Form eines Berufsverbots dar, sodass er zeitlich zu befristen und auf die Tierarten und Tätigkeiten zu beschränken sei, bei denen der Antragsteller aufgefallen sei, aus den Tierschutzverstößen bei Schweinen könne nicht auf Verstöße bei Rindern geschlossen werden, wiederholt die Beschwerde im Wesentlichen lediglich das erstinstanzliche Vorbingen, ohne sich in der nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotenen Weise mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinanderzusetzen.
aa) Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt (BA S. 36 f.), auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht ersichtlich, insbesondere sei die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen. Unabhängig davon, ob der Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beim Antragsteller als kosovarischem Staatsangehöriger überhaupt eröffnet sei, sei der vollständige Entzug des Sachkundenachweises verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er dem durch Art. 20a GG anerkannten Zweck diene, Tiere zu schützen. Mildere Mittel als der unbefristete vollständige Entzug kämen nicht in Betracht. Da der Antragsteller grundlegende tierschutzrechtliche Anforderungen bei der Schlachtung von Tieren außer Betracht gelassen habe, scheide eine Teilbarkeit der Entscheidung aus. Dem Antragsteller werde auch nicht die berufliche Tätigkeit in einem Schlachthof schlechthin verboten, sondern nur die Ausübung von Tätigkeiten entzogen, für die ein Sachkundenachweis erforderlich sei.
bb) Die hiergegen mit der Beschwerde vorgebrachten unsubstantiierten Ausführungen des Antragstellers sind ebenfalls nicht geeignet, die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Beschlusses in Frage zu stellen.
(1) Soweit die Beschwerde pauschal geltend macht, der unbefristete Entzug des Sachkundenachweises stelle sich als unverhältnismäßig dar, weil die dokumentierten Verstöße des Antragstellers nur im Bereich der Schlachtung von Schweinen, nicht jedoch bei der Schlachtung von Rindern festgestellt worden seien (vgl. Schriftsätze v. 22.1.2014 S. 4 und 8.2.2024 S. 4), legt sie nicht dar, weshalb dem Antragsteller trotz der amtstierärztlich festgestellten und von ihm in der Sache auch nicht bestrittenen gravierenden und wiederholten Tierschutzverstöße bei der Schlachtung von Schweinen der Sachkundenachweis für die Schlachtung von Rindern zu belassen sein sollte. Dies stellt auch kein milderes, gleich geeignetes Mittel dar, um künftige Tierschutzverstöße durch den Antragsteller wirksam zu unterbinden. Grundsätzlich kommen mildere Mittel nur dann als geeignetes Mittel in Betracht, wenn sie genauso erfolgsversprechend sind. Es muss daher zu erwarten sein, dass der Entzug des Sachkundenachweises beschränkt auf die Tierkategorie Schwein ebenso geeignet ist, das legitime Ziel des im Grundgesetz (Art. 20a) verankerten Tierschutzes zu erreichen.
Dies ist vorliegend zu verneinen, ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller im Schlachthof überhaupt im Bereich der Rinderschlachtung oder lediglich im Bereich der Schweineschlachtung eingesetzt war und es deshalb zu keinen dokumentierten Verstößen bei der Schlachtung von Rindern kam. Denn jedenfalls hat der Antragsteller laut den amtstierärztlichen Feststellungen (vgl. Vermerke vom 26.7./8.8.2023 sowie 2.4.2024 und Bescheid vom 11.12.2023) bei der Schlachtung von Schweinen elementare Grundanforderungen bei der Tötung und Schlachtung von Tieren außer Acht gelassen. Hierbei handelt es sich um grundlegende Verstöße, die sowohl bei der Schlachtung von Schweinen als auch bei der Schlachtung von Rindern beachtet werden müssen, sodass aus Verstößen bei der Schlachtung von Schweinen auch auf künftige Verstöße bei der Schlachtung von Rindern geschlossen werden kann. Angesichts der Vielzahl von Verstößen gegen die allgemeinen Grundsätze des § 3 Abs. 1 TierSchlV, die sowohl im Zusammenhang mit der Schlachtung von Schweinen als auch von Rindern zu beachten sind, und angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragstellers kommt deshalb die Teilbarkeit des Sachkundenachweises als milderes Mittel vorliegend nicht in Betracht.
(2) Der Entzug des Sachkundenachweises nach § 4 Abs. 6 TierSchlV genügt auch im weiteren den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da dies zur Erreichung des Regelungszwecks (Verbesserung des Schutzes von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung) gerechtfertigt und erforderlich ist.
Zweck der Tierschutz-Schlachtverordnung ist der Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Tötung. Dem Ziel eines ethisch begründeten Tierschutzes dient auch die Regelung des § 4 Abs. 6 i.V.m. § 3 Abs. 1 TierSchlV i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung. Der Tierschutz ist ein Gemeinschaftswert, der im Protokoll (Nr. 33) über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere festgeschrieben wurde, das dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft („Protokoll (Nr. 33)“) beigefügt ist. Der Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung bzw. Tötung ist außerdem im Interesse der Allgemeinheit und wirkt sich auf die Einstellung der Verbraucher gegenüber landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus. Darüber hinaus trägt die Verbesserung des Schutzes von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung zu einer besseren Fleischqualität bei und hat indirekt einen positiven Einfluss auf die Sicherheit am Arbeitsplatz im Schlachthof (vgl. Erwägungen zum Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 Ziffern 1 – 4). Das ist ein legitimes Regelungsziel. Der Tierschutz stellt zudem einen Gemeinwohlbelang mit Verfassungsrang dar. Tiere sind auch nach dem Gesetz keine Sachen, sondern Schmerz empfindende Mitgeschöpfe (§ 1 TierSchG, § 4 Abs. 1 Satz 1 TierSchG, § 4 Abs. 1 Satz 3 TierSchG). Daher rechtfertigt die Abwehr konkreter Gefahren für den Tierschutz als wichtigem Gemeinschaftsgut, das selbst Verfassungsrang besitzt (vgl. Art. 20a GG, Art. 141 Abs. 1 Satz 2 BV, dazu BVerwG, U.v. 13.6.2019 – 3 C 28.16 – juris Rn. 20), grundsätzlich den Entzug des Sachkundenachweises. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 6 TierSchlV und der Intention der Tierschutz-Schlachtverordnung ist im Fall mehrfacher nicht unerheblicher Verstöße gegen die Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 der (unbefristete) Entzug des Sachkundenachweises bereits dann gerechtfertigt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieses auch weiterhin geschehen wird. Zudem hat der Antragsteller zu erkennen gegeben, dass er nicht willens bzw. nicht dazu in der Lage ist, die Grundsätze des § 3 Abs. 1 TierSchlV einzuhalten, sodass der (unbefristete) Entzug auch erforderlich ist, um künftige Verstöße wirksam zu verhindern.“
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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs und nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage sowie der im Klageverfahren von Beklagtenseite vorgetragenen Ergebnisse der weiteren Auswertung der vom SOKO Tierschutz e.V. erstellten Videoaufnahmen aus dem streitgegenständlichen Schlachthof hält das Gericht an seiner Bewertung fest, dass die Entziehung des Sachkundeausweises des Klägers auch für die Tierart Rind rechtmäßig ist, insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt und keinen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte des Klägers darstellt. Die vom Kläger im Klageverfahren vorgetragenen Einwendungen greifen nicht durch.
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Wie sich nach endgültigem Abschluss der Auswertung des von dem SOKO Tierschutz e.V. übermittelten Videomaterials durch den Beklagten erwiesen hat, konnten dem Kläger nicht nur weitere, über den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids hinausgehende tierschutzrechtliche Verstöße bei der Schlachtung von Schweinen zugeordnet werden, sondern darüber hinaus – ohne dass es vorliegend entscheidungserheblich darauf ankäme – auch Verstöße gegen die Tierschlacht-Verordnung bzw. die Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Rinderschlachtung. Der Vortrag des Klägers, bei der Rinderschlachtung seien keine Verstöße des Klägers vorgekommen, trifft daher nicht zu.
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Die Überschreitung der Stun-to-Stick-Zeit im Rahmen der Rinderschlachtung in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Juli 2023 durch den Kläger stellt einen Verstoß gegen § 12 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Anlage 2 Buchst. a TierSchlV dar. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es sich um eine geringfügige Überschreitung gehandelt hat, denn der maximal zulässige Zeitraum von 60 Sek. wurde um fast 50% (27 Sek.) überschritten. Nach Einschätzung der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung rechtfertigt zwar das einmalige Überschreiten der Stun-to-Stick-Zeit keinen Entzug des Sachkundenachweises. Im vorliegenden Fall lägen jedoch insgesamt über 250 dokumentierte tierschutzrechtliche Verstöße bezüglich der Tierart Schwein vor, die im Zusammenspiel mit den tierschutzrechtlichen Verstößen bei der Tierart Rind zu sehen seien. Die Amtstierärztin führte hierzu in der mündlichen Verhandlung noch aus, die Überschreitung von 27 Sekunden müsse in Relation zu den maximal vorgesehenen 60 Sekunden gesehen werden. Es handele sich um eine Überschreitung von nahezu 50%. Hierbei sei es möglich, dass das Tier wieder erwachen könne. Die Entblutung müsse unverzüglich, spätestens innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Zeit von 60 Sekunden vorgenommen werden.
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Uneinsichtig hat der Kläger sich bzgl. des von ihm verursachten vermeidbaren Stresses bei einem Rind, das er in der Zeit vom 1. Juli bis 3. Juli 2023 im Bereich der Betäubungsfalle zu früh ruhig gestellt hat, gezeigt. Dass er als Treiber das Tier erst in die Betäubungsfalle treiben darf, wenn der Betäuber bereitsteht, und deshalb auch für die Absprache mit dem Betäuber sowie die Ruhigstellung erst zu dem Zeitpunkt, wenn die ausführende Person zur sofortigen Betäubung oder Tötung des Tiers bereitsteht, verantwortlich ist, wies der Kläger von sich. Dem Kläger war offensichtlich auch nicht bewusst, dass ein Tier sich nicht mehrere Minuten in der Betäubungsfalle aufhalten soll, bevor die Kopffixierungsvorrichtung zum Einsatz kommt. Nach in der mündlichen Verhandlung geäußerter fachlicher Einschätzung der Amtsveterinärin soll der gravierende Stress, dem die Tiere durch die Ruhigstellungseinrichtung (hier Betäubungsfalle Rind) ausgesetzt sind, so kurz wie möglich sein und durch eine sofortige Betäubungshandlung beendet werden. So bald ein Tier in die Betäubungsfalle getrieben worden sei, müsste zügig vorangeschritten und die Betäubung direkt vorgenommen werden. Hierbei komme es auf die Absprache zwischen dem Treiber und dem Betäuber an. Das Tier dürfe sich auch nicht unnötig lang in der Betäubungseinrichtung befinden, auch wenn die Kopffixierung noch nicht vorgenommen worden sei. Das in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretene mangelnde Wissen sowie die Uneinsichtigkeit des Klägers lassen auch im Bereich der Rinderschlachtung weitere Verstöße des Klägers gegen die genannten Vorschriften befürchten.
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Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob und inwieweit dem Kläger das fehlende Eingreifen bei tierschutzrechtlichen Verstößen seiner Kollegen im Rahmen der Rinderschlachtung angelastet werden kann. Angemerkt sei nur, dass der Kläger daneben stand, als sein Kollege das am Boden liegende Rind mit dem Elektrotreiber traktiert hat. Selbst wenn er nicht wusste, dass dieser Kollege nicht über einen Sachkundenachweis verfügt, hätte er zumindest in dieser Situation nicht tatenlos zusehen dürfen. Auffällig war in diesem Zusammenhang jedoch wieder, dass der Kläger sich hinter seiner angeblichen unbedeutenden Stellung im Schlachthofbetrieb verschanzt. Erstmals behauptete er, er habe Missstände schon vorher angesprochen, sei jedoch nicht durchgedrungen.
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Der Einwand des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die Elektrotreiber hätten oft nicht funktioniert und man habe mehrmals auf das Schwein halten müssen, bis sie funktioniert hätten, beseitigt nicht die amtstierärztlich festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße beim jeweiligen Einsatz des Elektrotreibgeräts an empfindlichen Körperteilen des Schweins.
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Die Auffassung des Klägers, zwischen der Schweine- und der Rinderschlachtung bestünden gravierende Unterschiede, die Schweine könnten sich in der Betäubungsfalle bewegen und seien schneller nervös, bei Rindern sei dies anders, denn sie würden in der Box fixiert, kann seine Argumentation, der Sachkundenachweis sei ihm deshalb in Bezug auf die Rinderschlachtung zu belassen, nicht stützen. Erstens konnten bei weiterer Auswertung des Videomaterials auch tierschutzrechtliche Verstöße des Klägers bei der Rinderschlachtung festgestellt werden. Dass diese zahlenmäßig geringeren Umfang haben, hilft dem Kläger vor dem Hintergrund, dass nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Schlachthof Aschaffenburg die Tiere in erheblich unterschiedlichem Umfang geschlachtet worden sein sollen (in der Woche ungefähr 1.000 Schweine, aber nur ca. 40 Rinder), nicht weiter. Zweitens bestehen nach der nachvollziehbaren Einschätzung der Amtsveterinärin keine gravierenden Unterschiede zwischen der Rinder- und der Schweineschlachtung, nur die im streitgegenständlichen Schlachthof eingesetzte Betäubungsmethode sei unterschiedlich gewesen. Selbst wenn sich Rinder in der Box leichter fixieren lassen sollten als Schweine, wie der Kläger anführt, zeigen die trotzdem festgestellten Verstöße des Klägers gegen die tierschutzrechtlichen Vorschriften im Rahmen der Rinderschlachtung, dass diese Unterschiede für die Prognose, ob mit weiteren Verstößen des Klägers im Rahmen eines Schlachtbetriebs im Lebendtierbereich zu rechnen ist, keine entscheidende Rolle spielen.
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1.2. Da auch gegen die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Herausgabe des Sachkundenachweises im Original an die KBLV innerhalb von einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheids (Ziffer II) und der Zwangsgeldandrohung (Ziffer IV) sowie der Kostenentscheidung (Ziffer V) – jeweils soweit streitgegenständlich – keine Bedenken bestehen und diesbezüglich nichts vorgetragen wurde, ist der Bescheid im angefochtenen Umfang rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.