Titel:
Krankenhausrecht, Spezialversorger/zwingende Erforderlichkeit für die Notfallversorgung (verneint)
Normenkette:
SGB V § 136c
Schlagworte:
Krankenhausrecht, Spezialversorger/zwingende Erforderlichkeit für die Notfallversorgung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24612
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klinik der Klägerin ist im Krankenhausplan des Freistaates B* … zum *. Januar 2019 mit der Fachrichtung Chirurgie mit 148 Betten eingetragen. Sie steht laut eigenen Angaben rund um die Uhr für die Notfallversorgung zur Verfügung, eine spezifische Aufgabe der Notfallversorgung ist im Krankenhausplan allerdings nicht festgelegt.
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Mit Schreiben vom … … und … … 2019 beantragte die Klägerin die Feststellung der Spezialversorgung.
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Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom … Oktober 2021, zugestellt am … November 2021, die Anträge auf krankenhausplanerische Ausweisung als Spezialversorger im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 der Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – (Nfst-R) sowie die Anträge auf Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R der Klägerin für das Jahr 2019 ab.
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Die Klinik erfülle aufgrund der nicht am Standort vorgehaltenen Fachabteilung Innere Medizin nicht die Voraussetzungen der in § 3 Abs. 1 Nfst-R vorgesehenen Stufen der Notfallversorgung (Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung, umfassende Notfallversorgung). Jedoch könne die Landeskrankenhausplanungsbehörde gemäß § 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R das Vorliegen einer speziellen Notfallversorgung feststellen. Nach den Gründen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) könnten Spezialversorger diejenigen Krankenhäuser sein, die entweder krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgaben der Notfallversorgung erfüllten oder nach krankenhausplanerischen Festlegungen für die Notfallversorgung in einer Region dringend benötigt würden. Eine krankenhausplanerische Festlegung als Spezialversorger aufgrund Erfüllung einer spezifischen Aufgabe der Notfallversorgung oder aufgrund dringender Erforderlichkeit der Klinik für die Notfallversorgung in der Region könne für die Klinik nicht erfolgen. Neben den in den Tragenden Gründen des GBA-Beschlusses benannten spezifischen Aufgaben der Notfallversorgung wie in der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung könne auch die Versorgung im Bereich der Lungen- und Bronchialheilkunde darunter fallen. Eine solche Lage bestehe im Hinblick auf die ausgewiesenen Fachrichtungen und Darlegungen der Klinik aber nicht. Im Übrigen erfolge die Notfallversorgung von Patienten mit dementsprechenden Diagnosen durchaus in den weiteren Kliniken des Rettungsdienstbereiches M* … Von einer dringenden Erforderlichkeit der Klinik für die Notfallversorgung in der Region sei entsprechend dem Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses (KPA) vom … Oktober 2020 auszugehen, wenn ein Krankenhaus im Rettungsdienstbereich nach Art. 4 Abs. 2 Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG) i.V.m. Anlage 1 zu § 1 Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie laut Krankenhausplan sei und im Vorjahr der Antragstellung mindestens 365 Patienten, also durchschnittlich 1,0 Notfallpatient/-in pro Tag, laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst sowie ärztlicher Notfallüberweisung in die Fachklinik eingeliefert worden seien. Die Klägerin decke mit der ausgewiesenen Fachrichtung Chirurgie keine der vorgenannten Fachrichtungen ab und erfülle damit aus krankenhausplanerischer Sicht keine Spezialversorgereigenschaft im Sinne der Nfst-R. Auch fehle es an einem klar definierten, ansonsten in Bezug auf die Notfallversorgung nicht gewährleisteten Versorgungsauftrag, da entsprechende Angebote im Rettungsdienstbereich M* … an mehreren anderen Krankenhäusern, teils in wenigen Kilometern Entfernung, verfügbar seien. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung der zwingenden Notwendigkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung lägen nicht vor. Grundlage seien in gängiger Praxis des Beklagten die Beschlüsse des KPA vom *. Mai 2019 und … Oktober 2020. Danach sei erforderlich, dass der tatsächliche Anteil des jeweiligen Krankenhauses an den Rettungsdiensteinsätzen bezogen auf die ausgewiesenen Rettungsdienstbereiche im Vorjahr der Antragstellung im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten im Rettungsdienstbereich betragen habe. Alternativ wäre ausreichend, wenn im Vorjahr der Antragstellung mindestens 600 Patienten per Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert worden seien. Dies entspreche einem Wert von über 1,5 Notfallpatienten pro Tag. Für die Klägerin sei vom INM in den Jahren 2017 und 2018 ein Wert von jeweils 0,1% dokumentiert worden. Im Jahr 2017 seien 46 und im Jahr 2018 96 Notfallpatienten per Rettungsdienst bei der Klägerin eingeliefert worden. Sie sei daher für die Notfallversorgung insoweit nicht zwingend erforderlich. Weitere Gründe, die in die Entscheidung hätten einbezogen werden müssen, seien nicht ersichtlich.
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Hiergegen erhoben die Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom … November 2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht … eingegangen am selben Tag, Klage und beantragten zuletzt,
den Bescheid des Beklagten vom … Oktober 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin krankenhausplanerisch als Spezialversorger im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R für das Jahr 2019 auszuweisen und die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R für das Jahr 2019 festzustellen.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die Notaufnahme der Klägerin biete eine orthopädische-unfallchirurgische Notfallversorgung des gesamten Bewegungsapparats für alle Altersgruppen auf höchstem Erfahrungsniveau und mit gelenksspezifischer fachärztlicher Versorgung über 24 Stunden am Tag und 365 Tagen im Jahr. Diese Leistungsfähigkeit könne nur ein Spezialversorger wie die Klägerin aufrechterhalten. Neben dem Dienstarzt auf absolutem Expertenlevel halte jede spezialisierte Abteilung einen Oberarzt 24 Stunden im Dienst vor. Das Abteilungszentrum für Hand-, Ellenbogen-, Mikro- und Plastische Chirurgie mit seiner hohen Replantationsexpertise für Hand und Finger sei als Europäisches Handtrauma-Zentrum zertifiziert und verfüge über die höchste berufsgenossenschaftliche Zulassung zur Versorgung von Verletzungen an Hand, Unterarm und Ellenbogen (BG-Status der höchsten Stufe, Teilnahme am Schwerstverletzungsartenverfahren). Das Abteilungszentrum für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie sei im Großraum M* … als einziges Spezialzentrum der Maximalversorgung zertifiziert (FußCert Max) und halte damit eine in der Region einzigartige Versorgungsexpertise vor. Das zertifizierte Kniezentrum besitze die Qualifikation zur Versorgung von akuten Knieverletzungen aller Schweregrade. Die höchste Expertise bei akuten und medizinisch dringlichen Wirbelsäulenerkrankungen umfasse verletzungs-, verschleiß- oder tumorbedingte Beschwerden, die ein sofortiges Handeln erforderten. Die höchste Fachkompetenz bei akuten Sportverletzungen unterstreiche den Status als FIFA Medical Centre of Excellence und Medizinisches Zentrum des Olympiastützpunktes B* … Als Notfallversorger werde eine ständige OP-Bereitschaft vorgehalten, die für alle Fachabteilungszentren der Klägerin eine schnellstmögliche Reaktion auch auf komplexe Erkrankungen und Verletzungen ermögliche. Dabei habe jedes der Zentren eine ganzjährige 24-Stunden-OP-Bereitschaft auf Facharzt- und/oder Oberarztniveau. Dieses Angebot der Notfallversorgung von Erkrankungen des Bewegungsapparats biete in dieser Form keine andere Klinik in B* … Dies bestätigten u.a. auch die Anfragen zur Versorgung von komplexen Notfällen von Krankenhäusern und Notfallpraxen aus der gesamten Region. Die Notfallaufnahme der Klägerin mit Liegendanfahrt sei an IVENA angebunden. Das hier tätige Pflegepersonal verfüge über eine zertifizierte Wundexpertise. Die strukturierte Dokumentation der Patientenverfügung sei Bestandteil des Notfallkonzeptes. Teil der vorgehaltenen Infrastruktur sei ein vollumfängliches radiologisches 24-Stunden-Notfallangebot inkl. CT, MRT, EOS, DVT, Röntgen und Ultraschall. Durch das hausinterne Labor der Klägerin könne zusätzlich schnellstmöglich auf medizinische Komplikationen reagiert werden. Der Dienstarzt auf der sehr gut ausgestatteten Intensivstation stelle sicher, dass nicht nur ein Facharzt der Orthopädie, sondern auch ein erfahrener Anästhesist zu jeder Tages- und Nachtzeit im Bedarfsfall innerhalb von wenigen Minuten in der Notfallaufnahme sein könne. Auch existiere für die orthopädischen Notfallpatienten eine enge internistische und neurologische Anbindung. Die vielfältigen diagnostischen Möglichkeiten des Hauses der Klägerin und die stets verfügbare Hilfsmittelversorgung seien weitere Merkmale eines Spezialversorgers. Insbesondere in der Replantationsversorgung behandele die Klinik regelmäßig auch schwerste Notfälle. Durch die extrem hohe Personalbindung dieser überregional versorgten Notfälle bestehe hier ein hoher Vorhaltungsbedarf im ganzen Versorgungsgebiet. Im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie würden wöchentlich sehr viele Notfalloperationen durchgeführt. Daneben würden auch eine Vielzahl von Patienten mit akuten und unerträglichen Wirbelsäulenschmerzen versorgt. Ebenfalls in vielen Fällen pro Woche versorge die Klägerin das komplette Spektrum von Frakturen, die über die große Notfalleinrichtung ins Haus kämen und innerhalb von wenigen Stunden der notwendigen Notfalloperation zugeführt werden müssten. Um all diese unterschiedlichen Fälle in höchster Qualität und Zeitnähe zu versorgen, halte die Klägerin neben den gelenkspezifischen Experten ein dezidiertes Team von speziellen Unfallchirurgen vor. Das beschriebene Patientenklientel in der Notfallversorgung der Klägerin komme selten mit dem Rettungswagen (RTW). Um die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung zu verhindern, sei es medizinisch zwingend notwendig, die Strukturen der Notfallversorgung in der Klinik der Klägerin aufrechtzuerhalten. Die Erwägungen des Beklagten seien falsch und widersprächen dem Sinn und Zweck der Ausweisung eines Spezialversorgers. Die Einschränkungen auf die Fachbereiche der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung sowie der Lungen- und Bronchialheilkunde seien nicht gerechtfertigt und verletzten die Klägerin letztendlich in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Wie dargelegt, komme es im Fachbereich der Chirurgie sehr wohl zu Notfallsituationen im Sinne einer Spezialversorgung. Dass Patienten mit Diagnosen, wie sie von der Klägerin benannt seien, durchaus in den weiteren Kliniken des Rettungsdienstbereiches M* … versorgt würden, sei kein rechtfertigendes Argument, da ansonsten in einer Region nur ein Spezialversorger ausgewiesen werden dürfte, was aber nicht der Fall sei. Auch werde die Klinik für die Notfallversorgung in der Region dringend benötigt. Richtig sei, dass die Klägerin keine der genannten Fachgebiete abdecke. Auch diese Einschränkung sei aber fachfremd [wohl: sachfremd], widerspreche dem Sinn und Zweck der Ausweisung eines Spezialversorgers und verletze die Klägerin in ihrer Berufsfreiheit. Sie könne allenfalls dahingehend verstanden werden, dass in diesen Fachbereichen eine Vermutung greife, dass eine spezielle Versorgungssituation vorliege. Ein genereller Ausschluss sei damit nicht verbunden. Auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R lägen vor. Für die Klägerin würden die erforderlichen Werte zwar nicht erfüllt, weil der überwiegende Anteil der Notfallpatienten nicht per Rettungsdienst eingeliefert werde, sondern auf anderem Wege in ihr Haus gelange. So seien in den Jahren 2017 und 2018 jeweils ca. 10.800 bzw. 11.500 Patienten notfallmäßig aufgenommen und behandelt worden. Dies einberechnet sei die Erforderlichkeit der Teilnahme der Klägerin an der Notfallversorgung deutlich ersichtlich. Letztendlich komme es darauf an, ob der Patient ein Notfall sei oder nicht. Die Einschränkung auf Rettungsdienst-Notfallpatienten sei eine Erwägung, welche nicht rechtfertigbar sei und die Klägerin in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletze.
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Der Beklagte beantragte,
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Die aufgestellten Kriterien seien sachgerecht und griffen die Erwägungen in den Tragenden Gründen zum GBA-Beschluss auf. Ziel sei die Sicherstellung einer funktionierenden Notfallversorgung. Danach habe der Krankenhausplanungsträger die in seinem Zuständigkeitsbereich erforderlichen Strukturen zu beurteilen und gegebenenfalls durch erforderliche weitere Fachrichtungen zu ergänzen. Dieser Systematik folge die Notfallstrukturenregelung. § 3 Abs. 2 Satz Nfst-R sehe vor, dass auch abschlagspflichtige Krankenhäuser zur allgemeinen Hilfeleistung im Notfall weiterhin verpflichtet und zur Abrechnung der Notfälle berechtigt seien. Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehe hinsichtlich der Versorgung im Bereich der Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Geburtshilfe keine Gleichlage. Es handele sich bei den genannten Kliniken um solche, deren Angebot unbedingt notwendig sei und damit krankenhausplanerisch festgesetzt werden müsse. Die Krankenhausplanungsbehörde sei vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2 Epidemie und der daraus folgenden Notwendigkeit der Kliniken für Lungen- und Bronchialheilkunde, die unmittelbar mit Corona-Patienten beliefert worden seien, davon ausgegangen, dass diese Kliniken Spezialversorger jedenfalls zur Bekämpfung der Pandemie seien. Die Klägerin komme mit dem von ihr angebotenen Behandlungsspektrum einer solch spezifischen Aufgabe der Notfallversorgung nicht nach. Eine Beschränkung des Art. 12 GG könne damit unter keinem Gesichtspunkt begründet werden, da hier bestenfalls die Berufsausübung berührt werde, die jedoch bereits aufgrund der quasi-gesetzlichen Grundlage der Notfallstrukturenregelung des GBA erfolgt sei. Der Argumentation der Klägerin hinsichtlich der dringenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung in einer Region könne nicht gefolgt werden. Die genannten Fachrichtungen unterlägen der Einschränkung, dass sie [wohl: die Klinik] die Einzige im Rettungsdienstbereich mit diesem Angebot sein müsste. Auch seien diese Bereiche entgegen der Chirurgie gerade nicht immer Teil von Kliniken einer der drei Notfallstufen. Um die Verfügbarkeit in der Notfallversorgung auch dieser speziellen Fachrichtungen zu gewährleisten, seien diese grundsätzlich als Spezialversorger nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Var. 2 Nfst-R einzustufen, sofern die Einrichtung die einzige Fachklinik in diesem Bereich sei und eine bestimmte Mindestzahl an Einlieferungen aufweise. Würde die Fachrichtung der Klägerin mit einbezogen werden, wäre sie auch nach eigenen Angaben jedoch nicht die einzige Anbieterin dieser Leistungen im Umkreis. Auch eine Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung komme nicht in Betracht. Die hierfür erforderlichen Zahlen habe die Klägerin nicht erfüllt. Nach den Aufzeichnungen des INM seien in den für die Beurteilung maßgeblichen Vorjahren die erforderliche Anzahl bzw. der erforderliche Anteil an Einlieferungen im Rettungsdienstbereich nicht erreicht worden. Eine Auswertung der Zahlen der Jahre 2017 und 2018 wurde beigefügt. Die Einschränkung auf Rettungsdienstpatienten sei sachgerecht. Während die Notfallrettung durch den Rettungsdienst sichergestellt werde, werde die Notfallversorgung an Krankenhäusern je nach Art und Schwere des Notfalls durch eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung gewährleistet. Die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung könne nicht in der Übernahme allgemeiner Krankenhausbehandlungen oder sonstiger medizinischer Behandlungsleistungen gesehen werden, zu der jedes Krankenhaus bereits nach den gesetzlichen Regelungen zur Hilfeleistung verpflichtet sei. Anhand der Auswertungen der Statistik des INM bestehe die Möglichkeit, die Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die Gewährleistung der Notfallversorgung zu dokumentieren. Medizinische, krankenhausplanerische oder landesplanerische Gründe, die darüber hinaus bei der Klägerin als besonderer Einzelfall zwingend zur Feststellung als Spezialversorger führen und damit das Ermessen auf Null reduzieren würden, seien weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal die krankenhausplanerische Entscheidung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zum Tragen kommen solle.
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Die Klägerbevollmächtigten führten mit Schriftsatz vom … August 2023 ergänzend im Wesentlichen aus, im M* … Süden herrsche ein hoher Bedarf, was die Behandlung einer großen Zahl von Patienten mit akuten Erkrankungen des Bewegungsapparats in der Notaufnahme der Klägerin zeige. Es handele sich dabei um eine Spezialversorgung, welche krankenhausplanerisch im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R ausgewiesen werden müsse. Bei dem Behandlungsspektrum der Klägerin handele es sich in Analogie zu den Bereichen der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung, der Lungen- und Bronchialheilkunde sowie der Gynäkologie und Geburtshilfe um Angebote, die unbedingt notwendig seien und daher krankenhausplanerisch festgesetzt werden müssten. In zahlreichen Fällen erfolge die Einweisung von Patienten über die Notfallpraxen und nicht über den Rettungsdienst, was jedoch nicht ausschließe, dass es sich um notfallmäßig zu versorgende Patienten handele. Auch ein Patient, der innerhalb von zwei Tagen nach dem schädigenden Ereignis versorgt werden müsse, sei ein Notfallpatient. Das Angebot der Notfallversorgung von Erkrankungen des Bewegungsapparates biete in der Form der Klägerin keine andere Klinik in B* … Die Klägerin sei dabei gerade nicht auf elektive Eingriffe beschränkt. Soweit der Beklagte sich bei der Festlegung als Spezialversorger am Beschluss des KPA vom … Oktober 2020 orientiere, sei festzuhalten, dass dies nicht dem Sinn und Zweck der Ausweisung als Spezialversorger gerecht werde. Die Expertise der Klägerin stelle für sich genommen ein Alleinstellungsmerkmal dar, sodass weitere Fachkliniken derselben Fachrichtung unschädlich seien. Zudem habe die Klägerin auch in der Vergangenheit an der Notfallversorgung teilgenommen. So sei beispielsweise die Klinik aufgrund ihrer Expertise vom Beklagten verpflichtet worden, im Rahmen der Versorgung von Corona-Patienten teilzunehmen bzw. entsprechende Kapazitäten vorzuhalten. Für die Ausweisung als Spezialversorger sprächen außerdem die Teilnahme am Schwerstverletzungsartenverfahren Hand, das Zentrum der Handchirurgie, das als eines von nur vier Zentren in M* … Replantationsbereitschaft anbiete und eines der größten in Deutschland sei, sowie, dass die Klinik als eine von fünf Kliniken in O* … die volle Weiterbildungsermächtigung für Handchirurgie habe.
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Der Beklagte erwiderte am … Februar 2024 insbesondere, dass laut Auswertungen des B* … Krankenhausplans, die auf Meldungen der Krankenhäuser zurückgingen, im Jahr 2017 in der Klinik der Klägerin insgesamt 9.409 vollstationäre und im Jahr 2018 9.915 vollstationäre und 24 teilstationäre Patienten behandelt worden seien. Die von der Klägerin vorgetragenen Zahlen korrelierten nicht mit den dem Beklagten gemeldeten Zahlen. Der Sachvortrag des Klägervertreters werde insoweit bestritten. Im Rahmen der krankenhausplanerischen Entscheidung über die Spezialversorgereigenschaft oder der zwingenden Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die Notfallversorgung komme es zudem insbesondere aufgrund der Auswirkungen im Bereich der Krankenhausvergütung ausschließlich auf die Gewährleistung der stationären Notfallversorgung an. Es sei davon auszugehen, dass der weit überwiegende Teil der über die Notfallpraxen der KV in die Klinik der Klägerin eingewiesenen Patienten ausdrücklich nicht stationär aufgenommen werde. Auf eine beigefügte retrospektive Untersuchung anonymisierter Datensätze aller in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des Universitätsklinikums L* … im Jahr 2019 behandelten Patienten wurde hingewiesen. Dabei habe festgestellt werden können, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einweiserart per Rettungsdienst und der stationären Aufnahme von Notfallpatienten bestehe. Von allen Patienten, die mittels Rettungshubschrauber, Notarzt und Rettungsdienst in die ZNA eingeliefert worden seien, seien im Durchschnitt ca. 70% stationär aufgenommen worden. Demgegenüber seien von allen Patienten, die vom Hausarzt, vom KV-Arzt oder als Selbsteinweiser eingeliefert worden seien, im Durchschnitt nur 27,2% der Patienten stationär aufgenommen worden. Ein Abstellen auf die rettungsdienstlichen Einweisungen und damit auf die Daten des INM bleibe ein sachgerechtes Kriterium zur Feststellung der Erforderlichkeit einer Klinik für die Notfallversorgung im jeweiligen Rettungsdienstbereich, an welchem alle b* … Kliniken gleichermaßen gemessen würden.
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Die Klägerbevollmächtigten führten zuletzt ergänzend insbesondere aus, es sei unzutreffend, dass es im Rahmen der krankenhausplanerischen Entscheidung über die Spezialversorgereigenschaft oder der zwingenden Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die Notfallversorgung ausschließlich auf die Gewährleistung der stationären Notfallversorgung ankomme. Die Zahlen der ZNA des Universitätsklinikums L* … seien für die streitgegenständlichen Fragen irrelevant. Bei einem Maximalversorger liege es auf der Hand, dass der Rettungsdienst diesen weitaus häufiger anfahre und in der Regel auch eine anschließende stationäre Versorgung erfolge. Die Klägerin sei auch mehrfach und dauerhaft durch die Regierung von … verpflichtet worden, an der Notfallversorgung teilzunehmen, wozu Nachweise vorgelegt wurden. Eine überwiegende Anzahl von Patienten werde zunächst per Rettungsdienst in Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen und dann aufgrund der Spezialisierung der Klägerin per Rettungsdienst zu dieser gebracht, was als Krankentransport zähle, weshalb diese Patienten nicht als solche gälten, welche per Rettungsdienst als Notfallpatient eingeliefert würden. Aufgrund dieser Zählweise sei es für die Klägerin schlichtweg nahezu unmöglich, das Kriterium der 1,5%-Hürde bzw. der Grenze von 600 Fallzahlen zu erfüllen. In tatsächlicher Hinsicht könne dies auch problemlos berechnet und kontrolliert werden, da der Krankentransport anders und gesondert abgerechnet werde. Der Vortrag des Beklagten, dass die Ausweisung als Spezialversorger im allgemeinen Fachbereich der Chirurgie nicht möglich sei, sei unzutreffend, da er in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, dass im Stadtgebiet M* … für diesen Fachbereich zwei Kliniken als Spezialversorger ausgewiesen worden seien.
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Der Beklagte erwiderte im Wesentlichen, bei der Regelung des GBA handele es sich um eine Vergütungsregelung der stationären Notfallversorgung, welche an das Diagnose Related Group (DRG)-Fallpauschalen-System anknüpfe. Soweit Krankenhäuser insbesondere im Notfall ambulante Leistungen erbrächten, würden diese als ambulante Behandlung abgerechnet und das Krankenhaus müsse für diesen Fall auch keinen Abschlag gemäß der Notfallstrukturenregelung hinnehmen. Für die Beurteilung der zwingenden Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die strukturelle Notfallversorgung komme es daher maßgeblich auf die stationäre Versorgung von Notfallpatienten an. Die Klägerin habe bislang überhaupt keine belastbaren Zahlen zu den in ihrer Klinik stationär oder ambulant behandelten Notfallpatienten vorgetragen. Die Untersuchung in der ZNA der Uniklinik L* … sei lediglich zur Untermauerung der bereits vorgetragenen Beweggründe eines pauschalierten Abstellens auf die Daten des INM herangezogen worden. Der Erfahrungswert des Beklagten werde durch die vorgelegte Untersuchung lediglich bestätigt. Bei den von der Klägerin vorgelegten Schreiben handele es sich lediglich um die Bestätigung der Erfüllung der Voraussetzungen zweier Richtlinien, die zur Entschädigung der im Rahmen einer Allgemeinverfügung zur Vorhaltung gewisser Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten angehaltenen Krankenhäuser erlassen worden seien und einen großen Teil der in B* … zugelassenen Krankenhäuser betroffen hätten. Sowohl die Allgemeinverfügung als auch die Erstattungsrichtlinien seien für das streitgegenständliche Verfahren, in dem es um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides aus 2019 gehe, völlig irrelevant. Der neuerliche Sachvortrag der Klägerin, wonach eine überwiegende Anzahl von Patienten zunächst per Rettungsdienst in Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen gebracht werde, sei mit Nachdruck zu bestreiten. Ausweislich des beigefügten „Schlüsselverzeichnisses der Einsatzarten der Rettungsdienste B* …“, das den Disponenten in den integrierten Leitstellen zur Verfügung stehe, bestehe neben der Einordnung als Verlegung im Rahmen der Krankentransporte (Ziff. 1.11), die in der Regel nicht zeitkritisch seien, auch die Möglichkeit der Einordnung als Notfallverlegung ohne und mit Notarzt (Ziff. 2.21 und 6.61). Folglich seien Verlegungen, die im Rahmen der Notfallversorgung relevant seien, als sog. Notfallverlegungen im System nachvollziehbar. Nach den Zahlen des INM habe die Anzahl der Notfallverlegungen an die Klägerin in 2017 und 2018 bei insgesamt 14 gelegen bzw. der Anteil an den insgesamt 10.361 Notfallverlegungen 0,14% betragen. Im Ergebnis würde die Klägerin selbst bei wohlwollender Berücksichtigung der gesamten Notfallverlegungen aus den beiden Jahren zusammen im Jahr 2017 auf insgesamt 60 Einweisungen bzw. Notfallverlegungen von insgesamt 70.157 (0,1%) und 2018 auf insgesamt 110 Einweisungen bzw. Notfallverlegungen von insgesamt 114.733 (0,1%) im Rettungsdienstbereich M* … kommen. Die Feststellung, dass zwei Kliniken, von denen eine u.a. mit der Fachrichtung Chirurgie im B* … Krankenhausplan eingetragen sei, für die Notfallversorgung zwingend erforderlich seien, sei ausschließlich aufgrund der Erfüllung bzw. Überschreitung der 1,5%-Grenze bzw. der absoluten Zahl von 600 Rettungsdiensteinlieferungen im maßgeblichen Rettungsdienstbereich M* … erfolgt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am … Februar 2024 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausweisung als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Gemäß § 136c Abs. 4 SGB V beschließt der GBA bis zum 31. Dezember 2017 ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern, einschließlich einer Stufe für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung (Satz 1). Hierbei sind für jede Stufe der Notfallversorgung insbesondere Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfallleistungen differenziert festzulegen (Satz 2). Der GBA berücksichtigt bei diesen Festlegungen planungsrelevante Qualitätsindikatoren nach § 136c Abs. 1 Satz 1 SGB V, soweit diese für die Notfallversorgung von Bedeutung sind (Satz 3). Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Satz 4) und die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen (Satz 5). Der GBA führt vor Beschlussfassung eine Folgenabschätzung durch und berücksichtigt deren Ergebnisse (Satz 6).
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nfst-R legt die Regelung des GBA die Grundsätze des gestuften Systems der stationären Notfallversorgung fest. Abweichend von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nfst-R kann die Versorgung besonderer stationärer Notfälle auch strukturiert durch Krankenhäuser erfolgen, die nicht die Anforderungen einer der Abschnitte III bis V der Nfst-R erfüllen, sofern sie die besonderen Vorgaben eines der Module der §§ 23 bis 28 Nfst-R erfüllen (§ 4 Nfst-R). Die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung nach § 26 Nfst-R erfüllen u.a. besondere Einrichtungen gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG, sofern sie im Landeskrankenhausplan als besondere Einrichtungen in der Notfallversorgung ausgewiesen sind und zu jeder Zeit an der Notfallversorgung teilnehmen (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 Nfst-R) oder in eng begrenzten Ausnahmefällen Krankenhäuser, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sind, oder Krankenhäuser ohne Sicherstellungszuschlag, die nach Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich sind und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teilnehmen (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R).
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2. Die Vorschrift des § 26 Nfst-R verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere ist keine Verletzung der Grundrechte der Klägerin ersichtlich.
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Soweit die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berührt ist, handelt es sich bei § 26 Nfst-R um eine Berufsausübungsregelung, da diese Vorschrift den Krankenhäusern nicht den Zugang zu einem eigenständigen Beruf versperrt (vgl. BVerfG, B.v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85 u.a. – juris Rn. 32). Insbesondere wird der Klinik hier durch die Vorgaben zur Ausweisung als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus auch nicht die sinnvolle Ausübung des Berufs überhaupt unmöglich gemacht (vgl. BVerfG, B.v. 17.10.1984 – 1 BvL 18/82, 1 BvL 46/83, 1 BvL 2/84 – juris Rn. 38). Lediglich nachteilige Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse besitzen keine berufsregelnde Tendenz und sind deshalb nicht geeignet, eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2023 – 12 ZB 22.2668 – UA S. 6 Rn. 12 m.w.N.). Nach Auffassung des Gerichts liegt der Vorschrift des § 26 Nfst-R auch eine hinreichend erkennbare und bestimmte gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zugrunde. Zudem ist sie durch überragende Gemeinwohlbelange, insbesondere die Gewährleistung einer effizienten Notfallversorgung und damit letztendlich die Gesundheit der Bevölkerung, gerechtfertigt und es bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung (vgl. VG München, U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 28 u. Verweis auf: LSG Berlin-Bbg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 83 f.).
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3. Die Klägerin erfüllt die Bedingungen für das Vorliegen der Spezialversorgung bzw. für die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht.
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3.1 Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 Nfst-R erfüllen die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung besondere Einrichtungen gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), sofern sie im Landeskrankenhausplan als besondere Einrichtungen in der Notfallversorgung ausgewiesen sind und zu jeder Zeit an der Notfallversorgung teilnehmen.
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Eine derartige explizite Ausweisung der Klägerin im Krankenhausplan des Freistaates B* … liegt jedoch nicht vor.
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3.2 Daneben erfüllen gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung in eng begrenzten Ausnahmefällen Krankenhäuser, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sind (Alt. 1), oder Krankenhäuser ohne Sicherstellungszuschlag, die nach Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich sind und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teilnehmen (Alt. 2).
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a) Eine Festlegung der Klägerin als Spezialversorger im Krankenhausplan im Sinne der oben genannten 1. Alternative ist unstrittig nicht gegeben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Hervorhebung gewisser Fachrichtungen wie beispielsweise die der Lungen- und Bronchialheilkunde dem Sinn und Zweck des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R widerspräche. Diese Begrenzung folgt vielmehr der von der Vorschrift geforderten Konzentration der Ausweisung als Spezialversorger auf wenige Ausnahmefälle (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 34).
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b) Die Klinik ist aber auch nicht für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich (Alt. 2 des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R), da sie die Voraussetzungen für eine entsprechende Feststellung nicht erfüllt.
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aa) Mit Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses vom … Oktober 2020 wurden zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R abstrakte und spezifische Kriterien festgelegt, um eine einheitliche Anwendung dieser Vorschrift auf Landesebene sicherzustellen (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 26). Danach ist ein Krankenhaus für die Notfallversorgung zwingend erforderlich, wenn dieses laut INM im Vorjahr im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% bzw. 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in seinem Rettungsdienstbereich aufgenommen hat. Wenn das Krankenhaus anhand eigener Auswertungen die INM-Erhebungen in Frage stellt, ist es zudem ausreichend, wenn im Vorjahr 1.100 Patienten laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst eingeliefert wurden, bzw., wenn es sich um die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie im Rettungsdienstbereich handelt, wenn laut IVENA 365 Patienten per Rettungsdienst oder ärztlicher Notfallüberweisung eingeliefert wurden.
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Diese Kriterien sind nach Auffassung des Gerichts nicht willkürlich oder sachfremd (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2023 – 12 ZB 22.2668 – UA Rn. 5; VG München, U.v. 25.1.2024 – M 15 K 21.4959 – UA S. 16 Rn. 28 ff.; U.v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937 – juris Rn. 27 ff.). Dadurch, dass sowohl auf eine prozentuale als auch auf eine absolute Mindestgrenze abgestellt wird, werden Ungleichbehandlungen vermieden und Härtefälle ausgeglichen. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Ausweisung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ erfolgen soll. Dem Wortlaut ist eindeutig zu entnehmen, dass die Vorschrift restriktiv zu handhaben ist. Ziel des gestuften Systems der Notfallversorgung ist es gerade, Krankenhäuser – mittels finanzieller Anreize – dazu anzuhalten, eine Entwicklung hin zur Erfüllung der Anforderungen an Strukturen und Prozesse in den einzelnen Stufen zu nehmen (vgl. Tragende Gründe zu den Nfst-R, Nr. 2.2). Eine zu weitreichende Auswahl derjenigen Krankenhäuser, die trotz des Nichtvorliegens der Kriterien einer der drei Stufen der Notfallversorgung keine Abschläge hinzunehmen haben, liefe dieser Intention diametral entgegen (VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 31). § 26 Nfst-R stellt eine Ausnahme zum gestuften System der Notfallstrukturen mit den Kategorien Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung und umfassende Notfallversorgung dar (vgl. §§ 3, 4 Nfst-R).
28
Der Einwand der Klägerin, dass es sich bei der Begrenzung der Notfallaufnahmen auf Einlieferungen durch Rettungsdiensttransporte um eine sachfremde Erwägung handele, greift nicht. Nach Auffassung des Gerichts muss es dem GBA bzw. dem KPA möglich sein, bei der Festlegung der Kriterien gewisse Pauschalierungen und Vereinfachungen vorzunehmen. Es erleichtert die Überprüfung, wenn insoweit auf Einlieferungen durch den Rettungsdienst abgestellt wird, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgenden stationären Unterbringung höher ist, als beispielsweise bei Selbsteinlieferungen. Dies wird durch die vom Beklagten mit Schreiben vom … Februar 2024 vorgelegte Studie „Zentrale Notaufnahme, Inanspruchnahme und Ressourceneinsatz im Krankenhaus in Abhängigkeit von der Art der Zuweisung“ (Dt. Ärzteblatt 38/2022, 119), der Daten des Universitätsklinikums L* … aus dem Jahr 2019 zugrunde liegen, bestätigt, die im vorliegenden Fall herangezogen werden kann, obwohl es sich, wie vom Prozessbevollmächtigten ausgeführt, bei der Klinik der Klägerin nicht um eine Universitätsklinik der Maximalversorgung handelt. Denn es kommt an dieser Stelle insbesondere nicht darauf an, ob in das Universitätsklinikum L* … als Maximalversorger überdurchschnittliche viele Patienten per Rettungsdienst eingewiesen wurden, wie die Klägerin geltend macht, sondern darauf, welcher Anteil dieser Patienten danach stationär aufgenommen wurde. Es ist grundsätzlich von einem entsprechenden Zusammenhang zwischen der Einweisungsart und der Wahrscheinlichkeit einer stationären Aufnahme unabhängig davon auszugehen, ob es sich um eine Klinik der Maximalversorgung oder eine Klinik einer anderen Versorgungsstufe handelt.
29
Nach den Ergebnissen der Studie wurden im Jahr 2019 bezogen auf das Universitätsklinikum L* … von den per Rettungshubschrauber eingelieferten Patienten 86,9%, von den per Notarzt eingelieferten Patienten 72,7% und von den per Rettungsdienst ohne Notarzt eingelieferten Patienten 51,7% stationär aufgenommen. Bei den durch einen Arzt eingewiesenen Patienten lag der Anteil stationär aufgenommener Patienten dagegen lediglich bei 38,4% und bei den Selbsteinweisern sogar nur bei 16%. Insbesondere hängt die Zahl der Selbsteinweiser auch von subjektiven Faktoren (z.B. fehlende Versorgungsmöglichkeit durch Vertragsärzte) ab und ist daher als Abgrenzungskriterium nicht im gleichen Maße geeignet, wie die Zahl der Einlieferungen durch den Rettungsdienst.
30
bb) Die Klägerin erfüllt die sachgerechten Kriterien für die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht:
31
Sie hat in dem hier maßgeblichen Jahr 2019 weder mindestens 1,5% noch mindestens 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in ihrem Rettungsdienstbereich aufgenommen.
32
Auf die Grenze von 1.100 Notfallpatienten laut IVENA-Auswertung kann für das streitgegenständliche Jahr hier nicht abgestellt werden. Zum einen ist unklar, ob IVENA in der Klinik der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt bereits genutzt wurde, da das System erst seit 2020 b* …weit zur Verfügung steht (vgl. Beschluss des KPA vom 20.10.2020, TOP 10.1). Zum anderen hat die Klägerseite bereits keine IVENA-Zahlen vorgelegt. Die INM-Erhebungen als solche wurden auch nicht substantiiert in Frage gestellt, sondern es wurde lediglich ausgeführt, dass auch Einlieferungen auf andere Weise als durch den Rettungsdienst zu berücksichtigen seien. Soweit in der Klagebegründung für die Jahre 2017 und 2018 auf 10.800 bzw. 11.500 Patienten verwiesen wurde, was vom Beklagten bestritten wird, ist aufgrund der Formulierung („notfallmäßig aufgenommen und behandelt“) davon auszugehen, dass die Zahlen sämtliche in die Notaufnahme eingelieferte Patienten umfasst und nicht nach der Art der Einweisung differenziert wurde.
33
Schließlich ist die Klägerin auch nicht die einzige Fachklinik in einer der Fachrichtungen Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten oder Urologie im Rettungsdienstbereich M* … Sie ist bereits mit keiner der Fachrichtungen im Krankenhausplan eingetragen. Die Beschränkung auf die genannten Fachrichtungen widerspricht entgegen des klägerischen Vortrags auch nicht dem Sinn und Zweck der Ausweisung eines Spezialversorgers. Denn durch die Hervorhebung dieser Fachrichtungen wird es ermöglicht, weitere Kliniken als Spezialversorger auszuweisen und somit den Fortbestand von Fachkliniken in den Rettungsdienstbereichen und damit eine funktionierende Notfallversorgung der Bevölkerung auch in diesen speziellen Bereichen sicherzustellen (vgl. KPA-Beschluss vom 20.10.2020, TOP 10.1 Ziff. 2). Ausgehend von der Art der Ausgestaltung des Kriteriums durch den Krankenhausplanungsausschuss ist auch nicht von einer Vermutungsregelung auszugehen.
34
Zuletzt ist auch keine Ungleichbehandlung der Klinik im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu einer u.a. mit der Fachrichtung Chirurgie in den Krankenhausplan eingetragenen Klinik, die nach den Angaben des Beklagten im Rettungsdienstbereich M* … als Spezialversorger anerkannt wurde, ersichtlich. Denn die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Notfallversorgung erfolgte in diesem Fall unabhängig von der Fachrichtung Chirurgie allein deshalb, weil eine ausreichend große Anzahl an Patienten mit dem Rettungsdienst in die Klinik eingeliefert wurde.
35
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten folgt eine zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung auch nicht aus den besonderen Kompetenzen der Klinik (BG-Status der höchsten Stufe/Schwerstartenverletzungsverfahren, Zentrumszertifizierungen). Die genannten Kompetenzen führen nicht dazu, dass die Klägerin – trotz der Nichterfüllung der vom GBA bzw. KPA aufgestellten Kriterien – als Spezialversorger anerkannt werden könnte. Selbst unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Klink stellen diese bereits keine spezifischen Aufgaben der Notfallversorgung im Sinne der Nfst-R dar bzw. gibt es im Rettungsdienstbereich M* … bereits Kliniken der erweiterten oder umfassenden Notfallversorgung, die über dieselben Kompetenzen verfügen. Eine Ausweisung der Spezialversorgereigenschaft kann auch nicht allein deshalb erfolgen, weil nach dem klägerischen Vortrag im M* … Süden ein hoher Bedarf hinsichtlich der Behandlung von Patienten mit akuten Erkrankungen des Bewegungsapparats bestehe.
36
dd) Entsprechendes gilt hinsichtlich des klägerischen Vortrags, die Klinik werde immer wieder verpflichtet, an der Notfallversorgung teilzunehmen, woraus sich eine gewisse Notwendigkeit der Klinik für eine funktionierende Notfallversorgung ergebe. Aus den vorgelegten Schreiben des Rettungszweckverbands M* … geht lediglich hervor, dass die Klinik der Klägerin während der Corona-Pandemie – wie viele weitere Kliniken in B* … – dazu verpflichtet wurde, Kapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten vorzuhalten, wofür sie finanziell entschädigt worden ist. Dass im streitgegenständlichen Jahr 2019 und somit noch vor der Sondersituation der Pandemie die zwingende Erforderlichkeit der Klinik für die Gewährleistung der Notfallversorgung festgestellt worden wäre, was ohnehin bereits zur (teilweisen) Unzulässigkeit der Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses führen würde, ist nicht nachgewiesen.
37
ee) Zuletzt ergibt sich eine zwingende Erforderlichkeit der Klinik der Klägerin für die Gewährleistung der Notfallversorgung selbst dann nicht, wenn – wie von der Klägerseite gefordert – auch die Patienten berücksichtigt werden, die nach der Ersteinlieferung in eine Klinik mit höherer Versorgungsstruktur als sog. Krankentransport in die Spezialklinik der Klägerin weiterverwiesen werden.
38
Wie der Beklagte zutreffenderweise mitgeteilt hat, kann – ausgehend von dem den integrierten Leitstellen vorliegenden Schlüsselverzeichnis – ein Fall nicht nur als Ersteinlieferung in die Notaufnahme oder als Krankentransport, sondern ebenfalls als sog. Notfallverlegung ohne und mit Notarzt eingeordnet werden. Eine Unterscheidung erfolgt nach der Auskunft des INM an den Beklagten vom … Februar 2024 danach, ob eine Verlegung zeitkritisch ist (Notfallverlegung) oder nicht (Krankentransport). Allenfalls Ersteres kann für die Ausweisung als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus relevant sein. Bei Berücksichtigung der vom INM zur Verfügung gestellten Zahlen für die Jahre 2017 und 2018 zu den Notfallverlegungen lässt sich erkennen, dass im Fall der Klinik der Klägerin auch hier lediglich eine geringe Anzahl von 14 Notfallverlegungen bzw. ein Anteil von 0,14% an der Gesamtanzahl der Notfallverlegungen im Rettungsdienstbereich M* … erreicht wurde. Selbst bei einer Anrechnung sowohl der Zahlen der Einlieferungen durch den Rettungsdienst als auch der Notfallverlegungen erreicht die Klinik die erforderlichen Grenzwerte bei weitem nicht (0,1% bzw. 60 und 110 Einweisungen und Notfallverlegungen). Es liegen demnach keine Anhaltspunkte für die klägerische Annahme vor, dass eine große Anzahl an Patienten zunächst als Notfälle in eine der größeren Kliniken eingewiesen und anschließend in eine spezialisierte Klinik wie die der Klägerin transportiert bzw. dieser Vorgang trotz des Umstands, dass es sich weiterhin um Notfälle handelte, als Krankentransport deklariert wurde. Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich somit entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten auch nicht bei Berücksichtigung der Ströme der jeweiligen Einweisungen.
39
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).