Titel:
Probleme bei der Rechtsmittelbeschränkung und der Verständigung
Normenkette:
StPO § 243 Abs. 4, § 244 Abs. 6 S. 1, § 257c, § 267 Abs. 1, Abs. 3 S. 5, § 273 Abs. 1a, § 274, § 318, § 337
Leitsätze:
1. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist von Amts wegen zu prüfen. (Rn. 9 und 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer eindeutigen Rechtsmittelbeschränkungserklärung der Staatsanwaltschaft oder eines Rechtsanwalts kommt eine abweichende Auslegung regelmäßig auch dann nicht in Betracht, wenn die Begründung hierzu im Widerspruch steht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch besteht dann nicht, wenn die Feststellungen im angefochtenen Urteil so unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder knapp sind, dass sie keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist der Tatrichter an den somit rechtskräftigen Schuldspruch gebunden, auch wenn die neue Verhandlung eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten ergibt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
5. Bei einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch soll nach der Rspr. mehrerer Gerichte eine Bindung an den rechtskräftigen Schuldspruch dann entfallen, wenn sich bereits aus den Feststellungen im Ersturteil Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten ergeben und sich das Gericht erster Instanz mit dieser Frage nur lückenhaft oder gar nicht auseinandergesetzt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
6. Der Nachweis einer Verständigung durch konkludentes Handeln kann nicht geführt werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
7. Die Feststellung im Protokoll, dass keine Verständigung stattgefunden hat (§ 273 Abs. 1a S. 3 StPO), nimmt an dessen Beweiskraft (§ 274 StPO) teil. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
8. Nur dann, wenn das Gericht ausnahmsweise die förmliche Verlesung eines schriftlichen Gutachtens im Wege des Urkundenbeweises anordnet, bewirkt der Vollzug dieser Anordnung, dass der Wortlaut des Schriftstücks in die Hauptverhandlung eingeführt wird und deshalb in der Revisionsinstanz als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden muss. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
9. Bei Verfahrensfehlern kommt es darauf an, ob ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu demselben oder möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
10. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die Überzeugung des Tatrichters muss in den Feststellungen und der den Feststellungen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage finden. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgen, Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, Prüfung von Amts wegen, Bindungswirkung, unzureichende Feststellungen, Verständigung, Protokollbeweis, Ablehnung eines Beweisantrages, Verlesung eines Gutachtens, Beweiswürdigung, Vorlagepflicht
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05.02.2024 – 8 NBs 709 Js 102432/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24594
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten Z. gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.02.2024 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 15.11.2022 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 200,00 € verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
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Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese im Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth am 05.02.2024 – jeweils mit Zustimmung der Gegenseite – auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
3
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Angeklagten mit Urteil vom 05.02.2024 zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 180,00 € verurteilt und die weitergehenden Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.
4
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben seiner bisherigen Verteidiger vom 08.02.2024, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, Revision eingelegt. Nach Zustellung des Urteils am 27.03.2024 begründete der Angeklagte mit Schreiben seines bisherigen Verteidigers Rechtsanwalt Dr. B. und des am 08.04.2024 neu bevollmächtigten Verteidigers Prof. Dr. W. vom 22.04.2024, eingegangen am selben Tage, die Revision, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügte.
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Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 27.06.2027, die Revision des Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.
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Mit Schreiben seiner Verteidiger vom 17.07.2024 erfolgte hierzu eine Gegenerklärung des Angeklagten.
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Die gemäß § 333 StPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Die Verfahrensrüge, die sich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Wirksamkeit der vom Angeklagten und seinen Verteidigern erklärten Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch richtet, ist jedenfalls unbegründet. Das Landgericht ist zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen.
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Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bereits von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 30.11.1976 – 1 StR 319/76 –, BGHSt 27, 70 – 73, juris; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Auflage 2024, § 352 Rn. 4). Dabei wird nicht danach differenziert, ob es sich um Verfahrenshindernisse handelt, die auf jeden Fall von Amts wegen geprüft werden, um die Frage der Trennbarkeit von Schuld- und Rechtsfolgenausspruch, die bereits anhand des auf die Sachrüge hin zur Kenntnis zu nehmen Urteilsinhalts überprüft wird, oder um die Prüfung von formalen Voraussetzungen, wie z. B. Ermächtigung des Verteidigers zur ggf. in der Beschränkung liegenden Teilrücknahme oder der ggf. nach § 303 StPO erforderlichen Zustimmung des Rechtsmittelgegners. Auch hinsichtlich der letztgenannten Umstände, von denen das Revisionsgericht erst durch Nachschau in den Akten oder im Hauptverhandlungsprotokoll Kenntnis erlangen kann, wird eine Prüfung von Amts wegen, auch ohne das Erfordernis der Erhebung einer Verfahrensrüge, bejaht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.12.1993 – 4 StRR 143/03 –, juris Rn. 17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.10.1996 – 3 Ss 310/96, NStZ-RR 1997, 45).
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a) Eine wirksame Erklärung der Berufungsbeschränkung liegt hier vor.
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Der Angeklagte und seine beiden Verteidiger haben in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Nürnberg – Fürth am 05.02.2024 zu Protokoll erklärt, „dass sie die Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken“ (S. 24 der Revisionsbegründung = S. 4 des Hauptverhandlungsprotokolls, Bl 547 d. A.). Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat darauf erklärt, dass er dieser Berufungsbeschränkung zustimme.
12
Entgegen der Annahme der Revision ist diese Erklärung zur Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht unklar, sondern eindeutig, weshalb sie keiner Auslegung bedarf. Es ist zwar richtig, dass von einer Beschränkung des Rechtsmittels nur auszugehen ist, wenn sie wirklich gewollt und erklärt ist. Aber nur, wenn die Erklärung unklar ist, also insoweit ein Zweifelsfall vorliegt, ist, bedarf sie der Auslegung (KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 318 Rn. 2; MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 318 Rn. 9). Dies ist hier aber nicht der Fall. Bei – wie hier – eindeutigen Beschränkungserklärungen der Staatsanwaltschaft oder eines Rechtsanwalts kommt eine abweichende Auslegung regelmäßig auch dann nicht in Betracht, wenn die Begründung hierzu in Widerspruch steht (BayObLG, Beschlüsse vom 28.10.1999 – 4 StRR 217/99 –, BayObLGSt 1999, 155, juris Rn. 6; vom 29.06.2000 – 4St RR 76/2000 –, BayObLGSt 2000, 99, juris Rn. 7; MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 318 Rn. 9; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 318 Rn. 2).
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b) Entgegen der Auffassung der Revision wurde die in der Hauptverhandlung am 05.02.2024 erklärte Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen nicht dadurch (nachträglich) unwirksam, dass die Verteidiger des Angeklagten an dem bereits gestellten Beweisantrag hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Angeklagten nach Erklärung der Berufungsbeschränkung ausdrücklich festhielten. Der Antrag richtete sich auf die Einvernahme des durch die Verteidigung geladenen und mitgebrachten psychiatrischen Sachverständigen Dr. S. als Sachverständigen zum Beweisthema, dass beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt die Eingangsvoraussetzungen des § 21 StGB sicher gegeben waren und die Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB nicht ausschließbar vorlagen.
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Weder die Anbringung dieses Beweisantrags noch die durch das Berufungsgericht erfolgte Vernehmung des als Sachverständiger und als Zeuge belehrten mitgebrachten Arztes für Neurologie, Psychiatrie und forensische Psychiatrie Dr. S., der in der Hauptverhandlung sein Gutachten erstattete (S. 5 d. Protokolls vom 05.02.2024), stellen die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung in Frage.
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aa) Eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig. Dies gilt nur dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder derart knapp sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen und die erstinstanzlichen Feststellungen deshalb keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (st.Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.2017 – 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155, juris Rn. 19; Urteil vom 02.12.2015 – 2 StR 258/15 –, StV 2017, 314, juris Rn. 15), oder wenn aufgrund der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (BGH, Urteil vom 06.08.2014 – 2 StR 60/14 –, NStZ 2014, 635, juris Rn. 7 m.w.N.; zum Ganzen BayObLG, Beschlüsse vom 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 –, juris Rn. 4; vom 09.01.2024 – 202 StRR 101/23 –, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.). Derartige Mängel weist das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 15.11.2022 nicht auf.
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bb) Folge einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist, dass der Schuldspruch und die ihn tragenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen (MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 318 Rn. 21). Demgemäß werden – wie die Revision selbst vorgetragen hat (S. 18 d. Revisionsbegründung) – in einem solchen Fall Beweisanträge, die wie der verfahrensgegenständliche auf die Feststellung der Schuldunfähigkeit gerichtet sind, grundsätzlich als unzulässig betrachtet, wenn bereits prozessual bindend festgestellt ist, dass der Angeklagte schuldfähig war. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall, dass der Schuldspruch durch Entscheidung des Revisionsgerichts rechtskräftig wurde und der Tatrichter nach Aufhebung des Strafausspruchs nur noch über die Rechtsfolgen zu entscheiden hat. Bei einer solchen Sachlage ist der Tatrichter an den rechtskräftigen Schuldspruch gebunden, auch wenn die neue Verhandlung eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1998 – 4 StR 521/97 –, BGHSt 44, 119, juris Rn. 8; Beschluss vom 12.02.1998 – 4 StR 521/97 –, StraFo 1998, 163, juris Rn. 10). Dem hat sich die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung für die vorliegende Konstellation des wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittels angeschlossen. Ein Beweisantrag, der darauf abzielt, die rechtskräftig feststehende Schuldfähigkeit unter Verstoß gegen die innerprozessuale Bindungswirkung zu erschüttern, ist demnach unzulässig, da dieses Beweisthema einem Beweisverbot unterliegt (vgl. KG, Urteil vom 30.06.2021 – (3) 161 Ss 61/21 (28/21) –, juris Rn. 3, 8 – 9).
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cc) Als Ausnahme hiervon sollen eine Bindung an den rechtskräftigen Schuldspruch und eine Beschränkbarkeit des Rechtsmittels dann entfallen, wenn sich bereits aus den Feststellungen im Ersturteil – etwa zu einer erheblichen Alkoholisierung – Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten ergeben und sich das Gericht erster Instanz mit dieser Frage nur lückenhaft oder gar nicht auseinandergesetzt hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 01.02.2021 – 202 StRR 10/21 –, juris Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 23.11.2020 – 3 Ss 48/20 –, juris Rn. 25), wenn Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand einen untrennbaren Teil der Schuldfrage bildet und der Anfechtende, der Sache nach sich (auch) dagegen wendet, dass das Erstgericht einen solchen Umstand angenommen oder nicht angenommen hat (sog. doppelrelevante Tatsache; vgl. BGH, Beschluss vom 21.10.1980 – 1 StR 262/80 –, BGHSt 29, 359, juris Rn. 22; Urteil vom 14.05.1996 – 1 StR 51/96 –, BGHSt 42, 158, juris Rn. 23; Beschluss vom 10.01.2001 – 2 StR 500/00 –, BGHSt 46, 257, juris Rn. 5; OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2014 – III-1 RVs 82/14 –, NStZ-RR 2015, 105, juris Rn. 13; s. hierzu auch BGH, Beschluss vom 20.09.2002 – 2 StR 335/02 –, NStZ-RR 2003, 18, juris Rn. 6 f.; kritisch hierzu KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 318 Rn. 9). Darüber hinaus wird in der Rechtsprechung die Unwirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit diskutiert, wenn eine neue Entscheidung auf Grund der für die Strafzumessung festgestellten Tatsachen zu einer Verneinung der Schuld führen würde (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1955 – 4 StR 68/55 –, BGHSt 7, 283 = NJW 1955, 917, 918; OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.2021 – III-4 RVs 11/21 –, juris Rn. 2; OLG Köln, Urteil vom 14.02.1984 – 3 Ss 586/83, NStZ 1984, 379, 380). Das Berufungsgericht könne daher, wenn es bei einer auf den Strafausspruch beschränkten Berufung im Rahmen der Prüfung der Frage einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 StGB zu dem Ergebnis einer Schuldunfähigkeit des Täters kommt, die Rechtsmittelbeschränkung für unwirksam erachten, weil es nicht gezwungen sein kann, einen wegen Schuldunfähigkeit für falsch erkannten Schuldspruch seinem Urteil zu Grunde zu legen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.02.2021 – III-4 RVs 11/21 –, juris Rn. 2; kritisch hierzu MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 318 Rn. 54). Eine solche trotz Rechtsmittelbeschränkung möglicherweise veranlasste dezidierte Prüfung der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) sei aber auf Evidenzfälle, etwa bei offensichtlicher Schuldunfähigkeit, zu beschränken (KG, Urteil vom 30.06.2021 – (3) 161 Ss 61/21 (28/21) –, juris Rn. 15; so auch BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed. 01.07.2024, StPO § 318 Rn. 1; Reichenbach in: Gercke/Temming/Zöller, StPO, 7. Auflage 2023, § 318 StPO, Rn. 16).
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dd) Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Nach den durch das Berufungsgericht ergänzten Feststellungen des Amtsgerichts war der Angeklagte mit seinem Pkw am 01.01.2021 gegen 1:25 Uhr in Nürnberg von der Polizei einer Verkehrskontrolle unterzogen und hierbei wegen einer nicht mehr näher feststellbaren, den Pkw betreffenden Ordnungswidrigkeit verwarnt worden. Zu dieser Zeit herrschte wegen der Corona-Pandemie ab 22:00 Uhr ein absolutes Ausgangsverbot, von dem der Angeklagte als Inhaber eines Presseausweises aber nicht betroffen war. Als sich der Angeklagte gegen 1:45 Uhr mit seinem Pkw auf dem L.-graben auf der linken von zwei Fahrspuren befand, fuhr der Geschädigte, ein Polizeibeamter, mit seinem Einsatzfahrzeug auf der rechten Spur derselben Straße auf der gleichen Höhe wie der Angeklagte, um einen Blick in dessen Fahrzeug zu werfen. In diesem Moment verzögerte der Angeklagte sein Fahrzeug und verschwand damit aus dem Blick des Geschädigten, der nunmehr ebenfalls die Geschwindigkeit – in der Folge bis auf ca. 10 km/h – verringerte, so dass der Angeklagte auf der linken Fahrspur nun das Polizeifahrzeug überholte. Der Geschädigte schaltete nun das Blaulicht ein, wechselte hinter dem Angeklagten auf die linke Fahrspur, fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 – 40 km/h bei einem Abstand von 5 – 10 m hinter dem Angeklagten her und schaltete den Anhaltesignalgeber mit der Aufschrift „STOPP POLIZEI“ ein. Daraufhin bremste der Angeklagte ohne verkehrsbezogenen Anlass und ohne dass dies aufgrund des Anhaltesignalgebers geboten war, mittels einer Vollbremsung bis zum Stand ab, um auch den Geschädigten zur sofortigen Bremsung zu veranlassen, wobei er eine Gefährdung, jedoch nicht eine Schädigung billigend in Kauf nahm. Da der Geschädigte eine Kollision trotz sofortiger Bremsung nicht mehr verhindern konnte, kam es zum Auffahrunfall.
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Diese wegen der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch das Berufungsgericht bindenden Feststellungen lassen nicht ansatzweise eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erkennen, auch wenn dieser – so die Einlassung vor dem Amtsgericht – durch das Anhaltesignal erschrocken gewesen sein sollte. In der Berufungshauptverhandlung hat sich der Angeklagte auch im Beisein des von ihm mitgebrachten Sachverständigen zum Tatgeschehen überhaupt nicht eingelassen, so dass für das Berufungsgericht bereits deshalb kein Anlass bestand, die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch anzuzweifeln. Auch sonst sind nach den Feststellungen des Amtsgerichts und des Berufungsgerichts keine Umstände ersichtlich, die auf eine offensichtliche Schuldunfähigkeit schließen lassen könnten.
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ee) Die Bindungswirkung des Berufungsgerichts entfällt entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung auch nicht unter Zugrundelegung der von ihr zitierten Rechtsprechung (BayObLG, Beschluss vom 30.07.2021 – 203 StRR 315/21 –; OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.02.2017 – 1 OLG 8 Ss 11/17 –; beide nicht veröffentlicht).
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Die Revision beruft sich insoweit auf zwei sich inhaltlich im wesentlichen entsprechende Formulierungen in beiden Entscheidungen, bei denen der jetzige Verteidiger Prof. Dr. W. – damals noch Richter am Oberlandesgerichts N. und später am Bayerischen Obersten Landesgericht – als Berichterstatter mitgewirkt hat und die auch Eingang in dessen Lehrbuch zum Strafprozessrecht aus dem Jahr 2020 (dort Rn. 686) gefunden haben:
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(1) Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in dieser Entscheidung die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch für unwirksam gehalten, da die Erklärungen des Beschwerdeführers ergeben haben, dass er auch – mindestens eine – doppelrelevante Feststellung angreifen wollte, nämlich die problematische Höhe eines Schadens bei der Untreue. Es hat sodann ausgeführt: „Als der Angeklagte jedoch über seinen Verteidiger deutlich gemacht hat, dass er auch die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schaden angreife, hätte die Kammer ab diesem Zeitpunkt die Berufung des Angeklagten als unbeschränkte behandeln, einen entsprechenden Hinweis nach § 265 StPO erteilen und selbst umfassend – auch zum Schuldspruch – eigene Feststellungen treffen müssen.“
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(2) Der 3. Senat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat in der zitierten Entscheidung die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf die Nichtaussetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe zur Bewährung für wirksam erachtet, allerdings das Berufungsurteil aufgehoben, da dieses seine die Aussetzung der Vollstreckung ablehnende Entscheidung nicht hinreichend begründet habe, und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen. Im Rahmen der Prüfung der wirksamen Beschränkung der Berufung auf die Bewährungsfrage hat der 3. Senat (unter II.1.d) darauf hingewiesen, dass die Kammer des Landgerichts, die nun zu entscheiden hat, von Amts wegen verpflichtet sei, erneut im Auge zu behalten, ob die Beschränkung der Berufung wirksam bleibt, und zwar wiederum aus der Sicht des Beratungsergebnisses bei Erlass des Berufungsurteils. Gelange die Kammer mit Blick auf die Bewährungsfrage zu Feststellungen oder Schlussfolgerungen, die jenen des Amtsgerichts zur Strafzumessung oder zur Sperrfrist widersprechen, oder richte sich die Verteidigung in der neuen Hauptverhandlung auch gegen doppelrelevante Feststellungen, so habe die Kammer ab diesem Zeitpunkt die Berufungsbeschränkung in ihrer gegenwärtigen Form als unwirksam zu betrachten. Eine Beschränkung entfiele dann allerdings nicht zwingend vollständig, sondern insoweit, wie zu anderen Teilen der Entscheidung, vor allem des Rechtsfolgenausspruchs, ein untrennbarer Sachzusammenhang bestünde.
24
(3) Dem schließt sich der Senat nicht an. Nach zutreffender Auffassung kommt es für die Frage der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung nicht auf eine entsprechende Erklärung des Verteidigers an, sondern auf das Ergebnis der durch das Berufungsgericht zu erfolgenden Prüfung von Amts wegen. Dies entspricht dem allgemein anerkannten Grundsatz, dass das Berufungsgericht die Frage, ob eine erklärte Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen wirksam ist, von Amts wegen zu prüfen hat, wobei eine endgültige Festlegung erst aus der Sicht des Ergebnisses der Urteilsberatung erfolgen kann (MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 318 Rn. 19 m. w. N.).
25
Hiervon gehen im Übrigen sowohl das Oberlandesgericht Nürnberg in der zitierten Entscheidung aus, indem es unter Ziff. II.1.c der Beschlussgründe ausführt dass das Berufungsgericht die Frage, ob eine Beschränkung der Berufung wirksam ist, endgültig erst in der Urteilsberatung zu entscheiden hat, als auch der 3. Senat des Bayerischen Obersten Landesgerichts, der sowohl in dem zitierten Hinweis (“wiederum aus der Sicht des Beratungsergebnisses bei Erlass des Berufungsurteils“) als auch unter Ziffer II.1.b.bb der Beschlussgründe ausgeführt hat, die Frage, ob zwischen der Aussetzungsfrage und der Verhängung einer Maßregel nach den §§ 69, 69a StGB eine untrennbare Wechselbeziehung besteht oder nicht, die zu einer Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung führt, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab und sei endgültig erst auf der Grundlage des Beratungsergebnisses vor Erlass des Berufungsurteils zu prüfen.
26
Die zitierten Formulierungen in diesen Entscheidungen dürften somit allenfalls dahin zu verstehen sein, dass sich das Berufungsgericht in diesen Fällen nicht darauf berufen kann, dass eine erklärte Berufungsbeschränkung vorliege und deswegen Umstände, die die Schuldfrage betreffen, nicht zu prüfen seien, sondern in Entsprechung der oben dargestellten Grundsätze eine Prüfung auch solcher Umstände, die die Schuldfrage betreffen können, durchzuführen ist.
27
Nachdem hier das Berufungsgericht aber nach durchgeführter Beweisaufnahme die Feststellung einer Schuldunfähigkeit nicht getroffen hat, bestehen gegen die Annahme der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen keine Bedenken.
28
(4) Es besteht keine Veranlassung des Senats zur Vorlage dieser Frage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG. Anders als im Fall des Oberlandesgerichts Nürnberg geht es vorliegend nicht um mit der Berufung angegriffene Feststellungen des Amtsgerichts zu doppelrelevanten Tatsachen. Der Beschluss des 3. Senats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30.07.2021 beruht nicht auf dem zitierten Hinweis, bei dem es sich um eine bloße „Segelanweisung“ handelt, die keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 354 Rn. 41; § 358 Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 358 Rn. 6). Unabhängig hiervon sind beide Entscheidungen hinsichtlich der Frage des Zeitpunkts der Prüfung der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung in sich widersprüchlich, so dass bereits deshalb keine Bindungswirkung an die von der Revision herausgestellten Entscheidungsbestandteile besteht.
29
2. Die Verfahrensrüge des Angeklagten, mit der er rügt, das Gericht habe gegen die Vorschriften des Verständigungsgesetzes (§§ 257 c, 273 Abs. 1 a, 243 Abs. 4 StPO) verstoßen, indem es sich mit den Verfahrensbeteiligten konkludent über deren Prozessverhalten und den Inhalt des Berufungsurteils verständigt habe, ohne in der Folge die gesetzlichen Bestimmungen zur Verständigung eingehalten zu haben, ist ebenfalls nicht begründet, da der Nachweis einer Verständigung durch konkludentes Handeln nicht geführt werden kann.
30
a) Aus dem Revisionsvortrag selbst ergeben sich bereits keine ausreichenden Umstände, die für die Annahme einer konkludenten Verständigung sprechen würden. Vielmehr zeigt sich, dass eine vom Gericht angestrengte Verständigung fehlgeschlagen ist.
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Auch nach dem Vortrag der Revision ist es zu einer ausdrücklichen Verständigung nicht gekommen. Allein aus dem Umstand, dass der Vertreter der Staatsanwaltschaft der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch durch den Angeklagten und seine Verteidiger zugestimmt hat, seinerseits die Berufung der Staatsanwaltschaft auf die Rechtsfolgen beschränkt hat und sich in seinem Schlussvortrag ebenso wie das Gericht sich in seinem Urteil im Rahmen des angedachten Verständigungsvorschlags gehalten haben, kann nicht geschlossen werden, dass das Gericht nach durchgeführter Hauptverhandlung keine schuldangemessene Strafe bestimmt, sondern lediglich eine vorher (konkludent) gemachte Zusage eingehalten hat (BGH, Urteile vom 14.07.2022 – 3 StR 455/21 –, juris Rn 29, und vom 22.01.2014 – 2 StR 393/13 –, juris Rn. 5). Insbesondere kann mangels Schlussvortrag der Verteidigung und des Angeklagten auch nicht festgestellt werden, von welchen Vorstellungen sie ausgegangen sind.
32
Vielmehr hat die Verteidigung dem Gericht im Rahmen der Verhandlungen über eine Verständigung ausdrücklich mitgeteilt, dass der Angeklagte dem vom Gericht in den Raum gestellten Verständigungsvorschlag nicht nähertreten werde, jedoch eine Prozesserklärung dahingehend abgeben wolle, seine Berufung auf die Rechtsfolgen zu beschränken (S. 23 der Revisionsbegründung = S. 3 des Hauptverhandlungsprotokolls, Bl 546 d. A.). Insoweit wird durch diese in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang getätigten Äußerungen des Verteidigers gegenüber dem Vorsitzenden deutlich, dass der Angeklagte seine Berufung ohne Konnexität zum Prozessverhalten anderer auf die Rechtsfolgen beschränken wollte. Dementsprechend stellte das Gericht daraufhin – bestätigt auch von der Verteidigung – fest, dass eine Verständigung weiterhin nicht geschlossen wurde.
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b) Auch der Inhalt des Protokolls der Berufungshauptverhandlung steht der Annahme einer Verständigung, wie sie vom Revisionsführer vorgetragen wird, entgegen. Kommt es zu einer – hier von dem Angeklagten behaupteten – Verständigung im Sinne von § 257c StPO, so muss das Protokoll deren wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiedergeben (§ 273 Abs. 1 a S. 1 StPO). Daneben ist dies nach § 267 Abs. 3 S. 5 StPO in den Urteilsgründen anzugeben. Vorliegend findet sich weder in den Gründen des angefochtenen Urteils noch im Protokoll der Berufungshauptverhandlung ein Hinweis auf eine geschlossene Verständigung. Allerdings beinhaltet das Hauptverhandlungsprotokoll sowohl ein sog. Negativattest gemäß § 273 Abs. 1a S. 3 StPO als auch gemäß § 273 Abs. 1 a S. 3 StPO.
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So hat der Vorsitzende der Strafkammer zu Beginn der Hauptverhandlung gem. § 243 Abs. 4 S. 1 StPO mitgeteilt, dass bis zum Beginn der Hauptverhandlung keine Gespräche im Hinblick auf eine verfahrensbeendende Absprache geführt worden seien, und dies auch nach § 273 Abs. 1 a S. 2 StPO im Protokoll so festgehalten. Ebenso ist im Protokoll ein Negativattest im Sinne des § 273 Abs. 1 a S. 3 StPO, dass keine Absprache stattgefunden hat, enthalten. Damit hat das Gericht auch deutlich gemacht, dass es selbst nicht von einer Verständigung ausging. Diese Feststellungen zählen zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO und nehmen an der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls teil (BGH, Beschluss vom 24.07.2019 – 3 StR 214/19 –, juris Rn. 20; BayObLG, Beschluss vom 02.12.2020 – 202 StRR 105/20 –, juris Rn 8). Ein Fall des Wegfalls der Beweiskraft, etwa weil sich das Protokoll als widersprüchlich, lücken- oder sonst mangelhaft erweist (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2024, StPO § 274 Rn. 17 ff. m. w. N.) liegt nicht vor und wird von der Revision, ebenso wie eine Fälschung des Protokolls (§ 274 Abs. 1 Satz 2 StPO), auch nicht behauptet.
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Die Beweiskraft des Protokolls kann hier auch herangezogen werden, da die Revision nicht behauptet, dass eine unzulässige informelle Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden hätte. Für diese Fälle ist anerkannt, dass eine Berufung auf die Beweiskraft des Protokolls nicht möglich ist, denn gesetzeswidrige informelle Absprachen sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen sind, zumal sie ohnehin regelmäßig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen werden dürften (BGH, Urteil vom 14.07.2022 – 3 StR 455/21 –, juris Rn 17; BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16 –, juris Rn. 5). Die Revision meint hier aber, dass eine Verständigung durch ein dem vom Gericht im Rahmen der Hauptverhandlung dargestellten Verständigungsvorschlag entsprechendes Handeln in der Hauptverhandlung konkludent stattgefunden hätte.
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Im Übrigen ist das Vorbringen der Revision zur vorgetragenen Verständigung auch nicht stringent, wenn sie zum einen vorträgt, dass eine Verständigung getroffen worden sei, im Gegensatz dazu aber auch darlegt, dass der Angeklagte wegen der im Verständigungsvorschlag enthaltenen Mindeststrafe (einem wesentlichen Inhalt einer Verständigung) eine solchen gerade nicht gewollt habe (S. 10 der Revisionsbegründung). Insoweit liegt es vielmehr nahe, dass der Angeklagte im Hinblick auf den Inhalt der fehlgeschlagenen Verständigungsgespräche seine Berufungsbeschränkung in der Hoffnung (so auch die Revision, S. 11 d. Revisionsbegründung) erklärte, dass das Gericht dies bei der Strafzumessung anerkennen würde, ohne dass es daran gebunden wäre.
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Nachdem eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO nicht stattgefunden hat, konnte das Gericht auch nicht gegen die hierfür geltenden Vorschriften verstoßen.
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3. Soweit die Revision mit der Verfahrensrüge das Fehlen eines Ablehnungsbeschlusses nach § 244 Abs. 6 Satz 1 StPO bemängelt, kann sie nicht durchdringen.
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a) Die Rüge, dass die beantragte Beweiserhebung zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht vollständig erfolgt sei und deshalb ein (Teil-)Ablehnungsbeschluss hätte ergehen müssen, liegt bereits deshalb neben der Sache, weil das Berufungsgericht – wie beantragt (unabhängig von der Zulässigkeit eines solchen Beweisantrags) – ein in der Hauptverhandlung erstattetes Gutachten des von der Verteidigung vorgeschlagenen psychiatrischen Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten eingeholt hat.
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Das Urteil leidet insoweit auch nicht unter – bereits auf die Sachrüge hin zu berücksichtigenden – Rechtsfehlern. Die Berufungskammer hat sich dem Sachverständigen angeschlossen, hierbei – wie es erforderlich ist – die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise im Urteil mitgeteilt und sich mit dem Gutachteninhalt auseinandergesetzt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 08.10.2019 – 2 StR 362/19 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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b) Der Umstand, dass das Berufungsgericht – so die Revisionsbegründung – nicht dem von demselben Sachverständigen im Auftrag der Verteidigung vorher erstatteten schriftlichen Gutachten gefolgt ist, ist unerheblich. Der Beweisantrag der Verteidigung richtete sich auf die Einvernahme des Sachverständigen Dr. S., der in der Hauptverhandlung sein Gutachten mündlich erstattete. Dieses ist somit Grundlage der Beweisaufnahme und der Urteilsfindung.
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Soweit die Revision vorbringt, der Angeklagte und seine Verteidiger hätten darauf hingewirkt, dass der Sachverständige sein Gutachten zunächst einmal inhaltlich genauso erstattete, wie es schriftlich bereits vorlag, das heißt mit dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt des Unfalls die Voraussetzungen eingeschränkter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) sicher und die Voraussetzungen völliger Steuerungsunfähigkeit (§ 20 StGB) nicht ausschließbar vorgelegen hatten, bzw. der Sachverständige habe zunächst Ausführungen gemäß seinem schriftlichen Gutachten gemacht, die wieder zu dem o.g. Ergebnis gelangt seien, handelt es sich – was auch die Revision nicht verkennt – um urteilsfremdes Vorbringen, das im Rahmen der Sachrüge nicht berücksichtigt werden kann (vgl. nur Meyer-Goßner/ Schmitt/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 337 Rn. 22). Entsprechendes gilt für das weitere Vorbingen der Revision, der Vorsitzende der Strafkammer habe den Sachverständigen zu der – aus Sicht des Sachverständigen fiktiven – Konstellation befragt, dass der Angeklagte in der Absicht gehandelt haben würde, den Polizeiwagen zum Bremsen zu zwingen und dessen Fahrer zu maßregeln.
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Aber auch eine hierauf gerichtete Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Denn einer Überprüfung dieses Vorbringens steht das Verbot der inhaltlichen Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweiserhebungen in der Revisionsinstanz entgegen. Nur dann, wenn das Gericht ausnahmsweise die förmliche Verlesung eines schriftlichen Gutachtens im Wege des Urkundenbeweises anordnet, bewirkt der Vollzug dieser Anordnung, dass der Wortlaut des Schriftstücks in die Hauptverhandlung eingeführt wird und deshalb in der Revisionsinstanz als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden muss (BGH, Beschluss vom 30.08.2018 – 5 StR 183/18 –, juris). Das war hier nicht der Fall. Somit bleibt das Revisionsvorbringen, das Tatgericht habe die Ausführungen eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft oder die an diesen gestellten Fragen nicht dargestellt, unbeachtlich. Denn ohne eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme kann nicht festgestellt werden, ob der von der Revision behauptete Rechtsfehler vorliegt oder nicht. Eine solche ist aber nicht zulässig (BGH, Urteil vom 06.01.2021 – 5 StR 288/20 –, NStZ 2021, 287, juris Rn. 14; Beschluss vom 30.08.2018 – 5 StR 183/18 –, juris; MüKoStPO/Bartel, 2. Aufl. 2024, StPO § 261 Rn. 439, 440; BeckOK StPO/Eschelbach, 52. Ed. 01.07.2024, StPO § 261 Rn. 72).
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c) Soweit die Revision rügt, dass es verfahrensfehlerhaft war, den Beweisantrag nicht als unzulässig abzulehnen, kann sie keinen Erfolg haben, da selbst, wenn das Verfahren insoweit fehlerhaft gewesen wäre, ein Beruhen des Urteils hierauf ausgeschlossen ist.
45
Bei Verfahrensfehlern kommt es darauf an, ob ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu demselben oder möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (Meyer-Goßner/ Schmitt/Schmitt, 67. Aufl. 2024, § 344 StPO Rn. 27, § 337 Rn. 36 ff.).
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Insoweit kann der Senat ausschließen, dass das Berufungsgericht, hätte es den Beweisantrag als unzulässig abgelehnt, zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. In diesem Fall hätte das Berufungsgericht eine Beweisaufnahme zur Frage der Schuldfähigkeit nicht durchgeführt und hätte entsprechend den insoweit rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts, welches mangels Fehlens entsprechender Anknüpfungstatsachen von der Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen war, vom Bestehen einer solchen – so wie nach durchgeführter Beweisaufnahme – ausgehen müssen.
47
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen in der Revisionsbegründung, es sei nicht auszuschließen, dass die Kammer anders geurteilt hätte, wenn die Verteidiger zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung des Angeklagten Ausführungen gemacht hätten; solches lasse sich wiederum nicht ausschließen, wenn die Kammer zu dem Beweisantrag betreffend den Sachverständigen einen (Teil-)Ablehnungsbeschluss hätte ergehen lassen. Die Revision verkennt insoweit, dass für die Beruhensfrage ein fiktives Alternativvorbringen der Verteidigung unbeachtlich ist.
48
Da das Berufungsgericht dem Antrag der Verteidigung auf Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gefolgt ist, wurden auch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Das Vorbringen der Verteidigung, das Berufungsgericht hätte den Beweisantrag unter Hinweis auf die Wirksamkeit der (von den Verteidigern des Angeklagten erklärten) Berufungsbeschränkung ablehnen müssen, so dass sie Ausführungen hierzu hätten machen können, verfängt schon deshalb nicht, da der Vorsitzende – was die Revisionsbegründung verschweigt – nach erfolgter Beweisaufnahme ausdrücklich in der Hauptverhandlung bekanntgab, dass die Kammer nach vorläufiger Beratung von einer wirksamen Berufungsbeschränkung und damit der Rechtskraft des Schuldspruchs wegen Nötigung ausgehe (Protokoll S. 26).
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4. Soweit die Revision im Rahmen der Sachrüge die Feststellung des Gerichts angreift, dass dieses einen Vorsatz hinsichtlich einer erheblichen Gefährdung der Personen im nachfolgenden Fahrzeug für erwiesen sieht, dringt sie nicht durch, da sie im Ergebnis nur ihre Beweiswürdigung anstelle der des Gerichts setzt.
50
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, sich aufgrund des umfassenden Eindrucks der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 01.02.2017, 2 StR 78/16, juris Rn. 20 m.w.N.). Die revisionsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr; vgl. nur BGH, Urteil vom 01.02.2017, 2 StR 78/16, juris Rn. 20 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 67. Aufl. 2024, § 337 Rn. 27). Die Überzeugung des Tatrichters muss darüber hinaus in den Feststellungen und der den Feststellungen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Beschluss vom 22.08.2013 – 1 StR 378/13 –, NStZ-RR 2013, 387, juris Rn. 7). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen deshalb nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen, ihre rechtliche Würdigung sowie die für die Entscheidung der Straffrage maßgeblichen Erwägungen wiedergeben (vgl. § 267 StPO); der Tatrichter ist außerdem verpflichtet, seine Beweiserwägungen so geschlossen und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, dass die Beweiswürdigung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle anhand des genannten Maßstabes einer sachlich-rechtlichen Überprüfung zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 29.12.2015 – 2 StR 322/15 –, NStZ-RR 2016, 147, juris Rn. 5 m.w.N.).
51
Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Ein Fehler, insbesondere der von der Revision behauptete Verstoß gegen Denkgesetze, liegt hier nicht vor.
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5. Auch im Übrigen bestehen gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg – Fürth vom 05.02.2024 keine rechtlichen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.