Titel:
Ausnahmsweise Entbehrlichkeit einer Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG
Normenketten:
StGB § 184b
GG Art. 100 Abs. 1
Leitsatz:
Eine wegen (möglicher) Verfassungswidrigkeit einer Strafvorschrift gebotene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht durch das Revisionsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht veranlasst, wenn es auf die Gültigkeit der vorgenannten Norm bei der Entscheidung des Senates über die Revision im Ergebnis nicht ankommt. Dies ist der Fall, wenn ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter auch bei Zugrundelegung einer geringeren Mindeststrafe eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Die Entscheidung des Senates würde in Tenor und Gründen bei Ungültigkeit der Norm dann nämlich nicht anders ausfallen als bei ihrer Gültigkeit. (Rn. 4) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Richtervorlage, verfassungswidrige Strafvorschrift, Entbehrlichkeit der Richtervorlage, kein Beruhen
Vorinstanzen:
LG Traunstein, Urteil vom 16.11.2023 – 310 Js 28256/21
AG Mühldorf, Urteil vom 26.01.2023 – 5 Ls 310 Js 28256/21
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 10.09.2024 – 2 BvR 618/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24579
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16. November 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Zur weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 20. Februar 2024, die auch durch die weiteren Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 11. März 2024 nicht entkräftet wird, Bezug genommen.
3
Ergänzend bemerkt der Senat:
4
Allerdings ist § 184b Abs. 3 Alt. 3 n. F. StGB auch nach Überzeugung des Senates mit der für den Besitz kinderpornographischer Inhalte angedrohten Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr ohne Vorsehung eines minder schweren Falls mit dem aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Schuldgrundsatz (Übermaßverbot) unvereinbar und somit verfassungswidrig (vgl. im Einzelnen AG Buchen, Vorlagebeschluss vom 01.02.2023, 1 Ls 1 Js 6298/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 48ff.; Senatsurteil vom 07.03.2024, 207 StRR 20/24, n. v.). Die damit an sich gebotene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG ist im vorliegenden Fall jedoch nicht veranlasst, weil es auf die Gültigkeit der vorgenannten Norm bei der Entscheidung des Senates über die Revision im Ergebnis nicht ankommt. Angesichts der insgesamt nachvollziehbaren Strafzumessungsgründe, insbesondere der einschlägigen Vorstrafe des Angeklagten, kann der Senat ausnahmsweise ausschließen, dass die Kammer bei Zugrundelegung einer geringeren Mindeststrafe eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte (vgl. auch UA S. 5). Die Entscheidung des Senates würde in Tenor und Gründen bei Ungültigkeit der Norm demnach nicht anders ausfallen als bei ihrer Gültigkeit (vgl. Dederer in: von Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 102. EL, Art. 100 Rdn. 155ff.).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.