Titel:
Ergänzungsbeitrag für Entwässerungsanlage wegen ausgebautem Dachgeschoss
Normenketten:
AO § 169
KAG Art. 13
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a S. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4
AO § 169 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Durch einen Dachgeschossausbau, wonach sich dort eine eigenständige Wohnung mit vier Zimmern, Küche, Bad und WC befindet und im Spitzboden, der über eine feste Treppe durch das darunterliegende Dachgeschoss erreichbar ist, ein Kinder- und ein Gästezimmer vorgesehen ist, liegen Geschossflächen vor, welche den Vorteil aus der Entwässerungseinrichtung erhöhen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt im Falle eines Ergänzungsbeitrages wenn der Beitragspflichtige dem Beitragsgläubiger die für die Höhe des Beitrags maßgeblichen Veränderungen meldet, sodass der Beitragsgläubiger ohne weiteres den Beitrag festsetzen kann. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Festsetzungsverjährung, Ergänzungsbeitrag, Geschossflächenmehrung, Beitrag, Dachgeschossausbau, Geschossfläche
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24480
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 744,91 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Bescheid zur Festsetzung von Beiträgen hinsichtlich der Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … (..., ...). Für dieses Anwesen wurden im Jahr 1993 von der Antragsgegnerin Herstellungsbeiträge für die Entwässerungsanlage erhoben. Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 16. Juli 2002 wurde dem Antragsteller die Baugenehmigung für einen Dachgeschossausbau erteilt.
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Im Zuge einer Überprüfung von Altfällen wandte sich die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Februar 2021 an den Antragsteller und bat um Mitteilung, ob das Dachgeschoss und der Spitzboden seines Gebäudes inzwischen ausgebaut worden seien. Hierzu teilte der Antragsteller am 4. Februar 2021 telefonisch mit, dass der Dachgeschossausbau etwa um das Jahr 2011 erfolgt sei und er sich wegen der Maße der Geschossflächen nochmals melden werde. Mit weiteren Schreiben vom 28. April 2021, 8. Oktober 2021 und 13. Oktober 2023 bat die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut darum, die Maße der Geschossflächen mitzuteilen bzw. einen Termin vor Ort zu vereinbaren, um der Antragsgegnerin das Ausmessen der Geschossflächen zu ermöglichen, da der Antragsgegnerin insbesondere für den Spitzboden kein Plan vorliege. Andernfalls müssten Beitragsbescheide anhand der vorliegenden Pläne erlassen werden.
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Zu einem im Vorbringen der Beteiligten und der vorgelegten Behördenakte nicht näher benannten Zeitpunkt zwischen dem 13. Oktober 2023 und dem 30. November 2023 wurden das ausgebaute Dachgeschoss und der Spitzboden im Gebäude des Antragstellers durch die Antragsgegnerin ausgemessen. Für das Dachgeschoss wurde eine Geschossfläche von 187,37 m² und für den Spitzboden eine Geschossfläche von 72,18 m² festgestellt (vgl. Bl. 6 f. der Behördenakte).
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Mit Bescheid vom 30. November 2023 setzte die Antragsgegnerin für das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungsanlage in Höhe von 2.979,63 € fest. Dem lagen eine (zusätzliche) Geschossfläche von insgesamt 259,55 m² und ein Beitragssatz von 11,48 € pro Quadratmeter Geschossfläche zugrunde.
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Mit Schreiben vom 28. Dezember 2023, eingegangen bei der Antragsgegnerin am gleichen Tage, legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. November 2023 ein und verwies zur Begründung auf die nach seiner Sicht eingetretene Verjährung.
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Die Antragsgegnerin informierte den Antragsteller mit Schreiben vom 8. Januar 2024, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfe und dem Antragsteller Gelegenheit bis zum 31. Januar 2024 gebe, mitzuteilen, ob der Widerspruch aufrecht erhalten bleibe und der Widerspruchsbehörde vorgelegt werden solle.
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Der Bevollmächtigte des Antragstellers wiederholte den Widerspruch mit Schriftsatz vom 29. Januar 2024 und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. einer eventuell nachfolgenden Klage gegen den Bescheid vom 30. November 2023 anzuordnen.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Januar 2024, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. einer eventuell nachfolgenden Klage gegen den Entwässerungsbescheid vom 30. November 2023 (Aktenzeichen: …) anzuordnen.
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Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig, da die Festsetzungsverjährung nach § 169 der Abgabenordung (AO) i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) 1. Spiegelstrich des Kommunalabgabengesetzes (KAG) bereits eingetreten sei. Seit der Errichtung des klägerischen Anwesens im Jahr 1990 habe sich die Außengestalt des Hauses nicht verändert. Der im Jahr 2002 genehmigte Dachausbau habe lediglich den Innenbereich des Wohnhauses betroffen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin habe sich der Beitragsmaßstab nicht verändert. Nach § 5 Abs. 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt … vom 22. September 2023 (BGS-EWS) errechne sich der Beitrag nach der Grundstücksfläche unter Geschossfläche der vorhandenen Gebäude. Die Geschossfläche, wie sie in § 20 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) definiert sei, beziehe sich auf den Bereich eines Gebäudes, der durch die Oberflächen der verschiedenen Geschosse gebildet werde. Diese Fläche werde in der Regel zur Berechnung der zulässigen Größe eines Gebäudes auf einem Grundstück verwendet. Gemäß § 20 Abs. 3 BauNVO sei die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Somit seien lediglich die Außenmaße, nicht aber die tatsächliche Nutzung relevant. Seit Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1990 seien bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides über 33 Jahre vergangen. Der anlässlich der Errichtung des Gebäudes erhobene Herstellungsbeitrag sei bereits von der Mutter des Antragstellers an die Antragsgegnerin bezahlt worden. Selbst wenn der Antragsteller eine Mitwirkungspflicht verletzt haben sollte, betrage die maximale Festsetzungsverjährungsfrist 25 Jahre, auch diese Frist sei bereits abgelaufen.
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Mit Schreiben vom 30. Januar 2024 legte die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers dem Landratsamt … als Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vor. Außerdem lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. Januar 2024 den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung vom 29. Januar 2024 ab.
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Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2024 zeigte sich der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin an und beantragte mit weiteren Schriftsatz vom 20. Februar 2024,
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Die Antragsgegnerin habe erstmals am 4. Februar 2021 Kenntnis vom Dachgeschossausbau des Anwesens des Antragstellers Kenntnis erlangt. Trotz mehrfacher Aufforderung zur Mitwirkung habe der Antragsteller keine Maße zu den Geschossflächen mitgeteilt, sodass diese letztlich vor Ort von der Antragsgegnerin hätten ausgemessen werden müssen. Die Nacherhebung von Herstellungsbeiträgen beruhe auf § 5 Abs. 4 BGS-EWS. Der Spitzboden des Anwesens sei nach Kenntnis der Antragsgegnerin in der Weise ausgebaut, dass es sich für eine Nutzung eigne, welche den Vorteil aus der städtischen Einrichtung erhöhe. Anhand der der Antragsgegnerin vorliegenden Informationen sei der Beitrag korrekt berechnet worden, nachdem der Antragsteller seiner satzungsgemäßen Auskunfts- und Informationspflicht aus § 15 BGS-EWS nicht nachgekommen sei. Der Herstellungsbeitrag sei auch nicht verjährt. Die Geschossflächenmehrung stelle nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 KAG i.V.m. der Satzung der Antragsgegnerin einen Nacherhebungstatbestand dar. Die Beitragspflicht für die Vergrößerung der Geschossflächen entstehe erst zu dem Zeitpunkt, in welchem die genehmigungspflichtige bauliche Anlage benutzbar im Sinne des Bauordnungsrechts sei. Nach Mitteilung des Antragstellers sei die Baumaßnahme im Jahr 2011 abgeschlossen worden. Entscheidend für den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns sei aber, wenn der Beitragsschuldner wie hier die Geschossflächenmehrung nicht mitteile, ob die Gemeinde auf andere Weise Kenntnis erlange. Entsprechende Kenntnis habe die Antragsgegnerin frühestens mit dem Telefonat vom 4. Februar 2021 erlangt. Auch die Verjährungshöchstgrenze nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) 1. Spiegelstrich KAG sei nicht abgelaufen, da der Dachgeschossausbau tatsächlich erst im Jahr 2011 fertiggestellt worden sei.
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Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29. Februar 2024 mit, dass der Dachgeschossausbau beim Anwesen des Antragstellers mit Bescheid des Landratsamtes … vom 16. Juli 2002 genehmigt worden sei, der der Antragsgegnerin übersandt worden sei. Die Baumaßnahme sei jedoch in den nächsten Jahren nicht realisiert worden. Hinsichtlich einer Fristverlängerung der Baugenehmigung habe die Antragsgegnerin keinerlei Informationen oder Mitteilungen des Landratsamtes erhalten. Vorgelegt werde zudem der Plan, welcher für den Dachgeschossausbau zur Beitragsberechnung herangezogen worden sei. Für den Spitzbodenausbau habe kein Bauplan vorgelegen, hier sei die Geschossfläche vor Ort ausgemessen worden.
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Der Antragstellerbevollmächtigte erwiderte hierzu mit Schriftsatz vom 6. März 2024, der Baugenehmigungsbescheid vom 16. Juli 2002 sei der Antragsgegnerin am 9. August 2002 zugegangen. Ab diesem Datum, also seit inzwischen mehr als 20 Jahren, habe diese Kenntnis vom Ausbau des Dachgeschosses gehabt. Mit Schriftsatz vom 7. März 2024 ergänzte der Antragstellerbevollmächtigte, dass die Antragsgegnerin nicht nur aus dem Eingang der Baugenehmigung für den Ausbau des Dachgeschosses im Jahr 2002 alle tatsachenrelevanten Tatbestandsmerkmale gekannt habe, sondern auch aus dem Umstand, dass der Antragsteller im Jahr 2009 das Dachgeschoss ausgebaut und dabei Änderungen aufgrund eines Änderungsantrages aus dem Jahr 2009 genehmigt bekommen habe. Den entsprechenden Bauantrag habe er bei der Antragsgegnerin am 8. April 2009 eingereicht. Auf die beigefügte Kopie der Bauantragsmappe samt dem dazugehörigen Plan mit dem Eingangsstempel der Antragsgegnerin werde verwiesen.
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 2023 ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Die nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich mit der erfolgten Einlegung des Widerspruchs verbundene aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung öffentlicher Abgaben wie den hier mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Beiträgen. Auch hat die Antragsgegnerin den vorhergehenden Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 31. Januar 2024 abgelehnt, vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet und daher abzulehnen.
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a) Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs durch Beschluss ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 95 m.w.N.) hat dies dann zu geschehen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen und deshalb seine Aufhebung oder Abänderung im Hauptsacheverfahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, oder wenn die sofortige Vollziehung des Bescheides für den Abgabeschuldner eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.
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b) Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 30. November 2023 bestehen keine durchgreifenden Bedenken:
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aa) Rechtsgrundlage für die Erhebung der hier festgesetzten Ergänzungsbeiträge sind Art. 5 Abs. 1, Abs. 2a Satz 1 KAG i.V.m. den Vorschriften der nach Art. 2 Abs. 1 KAG erlassenen BGS-EWS der Antragsgegnerin. Danach können Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Ändern sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich und erhöht sich dadurch der Vorteil, so entsteht damit ein zusätzlicher Beitrag. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen oder die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der BGS-EWS sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Nach § 1 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin vom 22. September 2023 (EWS) betreibt die Antragsgegnerin die Entwässerungseinrichtung im Gebiet der Stadt … als selbstständige öffentliche Einrichtung. Zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung dieser Entwässerungseinrichtung erhebt sie nach §§ 1 und 2 BGS-EWS einen Beitrag für bebaute Grundstücke. Dieser bemisst sich nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-EWS nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude. Die Geschossfläche ist dabei nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu ermitteln, Dachgeschosse werden nur herangezogen, soweit sie ausgebaut sind, § 5 Abs. 2 BGS-EWS. Mit einer Vergrößerung der maßgeblichen Geschossflächen als nachträgliche Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände entsteht nach § 5 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 2. Spiegelstrich BGS-EWS ein zusätzlicher Beitrag, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht. Die entsprechende Beitragsschuld entsteht dabei nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS mit dem Abschluss der Maßnahme.
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bb) Mit dem vom Antragsteller nach seinen Angaben 2009 oder um 2011 vorgenommenen Dachgeschossausbau wurden die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Geschossflächen vergrößert. Eine Ausnahme nach § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS liegt hier nicht vor, da es sich bei den fraglichen Flächen um unselbständige Teile eines Wohngebäudes handelt. Hinsichtlich der mit dem Dachgeschossausbau neu geschaffenen Geschossflächen erhöht sich auch der Vorteil durch den Anschluss an die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin, da sie als „ausgebaut“ i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS anzusehen sind. Weil Dachgeschosse normalerweise Nebenräume ohne Entwässerungsbedarf sind und erst durch den Ausbau eine vorteilsbedeutsame Nutzungsmöglichkeit erhalten können, ist entscheidend, ob unter objektiven Gesichtspunkten der Ausbau des Dachgeschosses eine Nutzbarkeit schafft, welche den Vorteil aus der Entwässerungseinrichtung erhöht (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2a Satz 1 KAG). Das Dachgeschoss muss sich in seinem gegenwärtigen Zustand über das normale Maß einer Speichernutzung hinaus objektiv für eine Nutzung eignen, die den Vorteil aus der gemeindlichen Einrichtung erhöht (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2015 – 20 B 15.200 – juris Rn. 19 m.w.N.). Das Beitragsrecht erfasst außer der Schaffung von Aufenthaltsräumen noch weitere Arten von „Dachgeschossausbauten“, deren Nutzbarkeit den Vorteil aus der Entwässerungseinrichtung erhöht, beispielsweise den Einbau einer Sauna, eines Hobby- oder Haushaltsraumes oder eines Fitnessraumes in das Dachgeschoss. Subjektive Ausbau- oder Nutzungsvorstellungen des Bauherrn sind nicht maßgeblich, ebenso wenig ist entscheidend, ob durch typische bauliche Gestaltungen der spätere Ausbau von Aufenthaltsräumen gleichsam angelegt ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.10.1996 – 23 B 95.3447 – juris Rn. 21). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt es für die Einbeziehung einer Dachgeschossfläche in die Herstellungsbeitragsberechnung nicht darauf an, ob ein Dachraum baurechtlich als Vollgeschoss gilt oder ob dort Aufenthaltsräume untergebracht werden können (vgl. BayVGH, U.v. 9.7.2009 – 20 BV 09.453 – juris; U.v. 8.3.2006 – 23 B 05.2340 – juris).
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Nach diesen Maßstäben liegen mit den durch den vom Antragsteller vorgenommenen Dachgeschossausbau sowohl hinsichtlich des eigentlichen Dachgeschosses als auch des darüber liegenden Spitzbodens nunmehr Geschossflächen vor, welche den Vorteil aus der Entwässerungseinrichtung erhöhen. Ausweislich der vorgelegten Pläne befindet sich im Dachgeschoss eine eigenständige Wohnung mit vier Zimmern, Küche, Bad und WC. Auch im Spitzboden, der über eine feste Treppe durch das darunterliegende Dachgeschoss erreichbar ist, sind nach den vom Antragsteller vorgelegten Bauplänen u.a. ein Kinder- und ein Gästezimmer vorgesehen, die durch Fenster in den Giebelwänden belichtet werden. Nach den vor Ort von der Antragsgegnerin ermittelten Maßen haben diese beiden Zimmer eine Grundfläche von ca. 19 m² bzw. 21 m². Ob diese Räume tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt werden, ist unerheblich, da es lediglich auf die objektive Nutzbarkeit ankommt. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich sowohl beim eigentlichen Dachgeschoss als auch bei den Räumlichkeiten im Spitzboden um beitragspflichtige Geschossflächen handelt; dies wurde von Antragstellerseite auch nicht bestritten.
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cc) Nach den von Antragstellerseite ebenso unbestrittenen Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort wurden die für den Beitrag maßgeblichen Geschossflächen mit dem Dachgeschossausbau um insgesamt 259,55 m² vermehrt. Unter Zugrundelegung des Beitragssatzes nach § 6 Abs. 1 lit. b) BGS-EWS von 11,48 € ergibt sich somit der im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzte Ergänzungsbeitrag i.H.v. 2.979,63 €.
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dd) Hinsichtlich dieses Beitrages ist auch noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
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Diese beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordung (AO) vier Jahre. Sie beginnt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) cc) 1. Spiegelstrich KAG erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Forderung tatsächlich berechnet werden konnte. In dem hier vorliegenden Falle eines Ergänzungsbeitrages nach Art. 5 Abs. 2a KAG ist dies in der Regel erst erfüllt, wenn der Beitragspflichtige dem Beitragsgläubiger die für die Höhe des Beitrags maßgeblichen Veränderungen meldet, sodass der Beitragsgläubiger ohne weiteres den Beitrag festsetzen kann. Die Abgabenbehörde ist nicht verpflichtet, von Amts wegen Ermittlungen anzustellen. Es reicht nicht aus, dass der Beitragsgläubiger ohne besondere Schwierigkeiten den Sachverhalt selbst feststellen kann (BayVGH, U.v. 30.11.2023 – 20 B 22.2100 – juris Rn. 26). Nach Art. 5 Abs. 2a Satz 2 KAG und § 15 BGS-EWS sind die Beitragspflichtigen verpflichtet, dem Beitragsgläubiger die für die Höhe des Beitrags maßgeblichen Veränderungen unverzüglich zu melden und über den Umfang dieser Veränderungen Auskunft zu erteilen.
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Eine solche Mitteilung durch den Antragsteller erfolgte hier frühestens in dem Telefonat mit der Antragsgegnerin am 4. Februar 2021, indem er erstmals darüber informierte, dass der Dachgeschossausbau um das Jahr 2011 erfolgt sei. Auf die nach Art. 78 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) erforderliche Anzeige der Nutzungsaufnahme kann insoweit nicht abgestellt werden (BayVGH, U.v. 30.11.2023 – 20 B 22.2100 – juris Rn. 24); im Übrigen hat diese Anzeige nicht gegenüber der Antragsgegnerin, sondern gegenüber der Bauaufsichtsbehörde zu erfolgen. Dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf die durchgeführten Baugenehmigungsverfahren wegen der Einreichung der Bauanträge bei ihr (vgl. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO bzw. durch die Übersendung der durch die Bauaufsichtsbehörde erteilten Baugenehmigung samt Bauvorlagen (vgl. Art. 68 Abs. 3 Satz 4 BayBO) bereits vorher von dem Bauvorhaben des Antragstellers Kenntnis hatte, ist insoweit ohne Belang. Weder die Stellung eines Bauantrages noch die Erteilung einer Baugenehmigung führen per se zu einer Veränderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Umsetzung des genehmigten Bauvorhabens. Auch die Beitragsschuld entsteht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS in diesen Fällen erst mit dem Abschluss der Maßnahme, nicht bereits mit deren – gegebenenfalls nicht einmal erforderlichen – bauaufsichtlichen Genehmigung. Ob und wann der Bauherr das Bauvorhaben aber tatsächlich verwirklicht und damit eine beitragsrechtlich relevante Mehrung der Geschossflächen herbeiführt, obliegt seiner Entscheidung. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides am 30. November 2023 war daher die Festsetzungsverjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen.
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Auch die von der Entstehung der Beitragsschuld unabhängige Festsetzungsverjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) bb) 1. Spiegelstrich KAG von 20 Jahren bzw. – bei Verstößen gegen Mitwirkungspflichten nach Art. 5 Abs. 2a KAG – von 25 Jahren ist hier noch nicht abgelaufen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat. Unabhängig davon, ob der Dachgeschossausbau tatsächlich im Jahr 2009 oder um das Jahr 2011 erfolgte, war diese Frist im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 30. November 2023 jedenfalls nicht abgelaufen.
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c) Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragserhebung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, wurden weder vorgetragen noch ist dies im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Beitrages sonst ersichtlich.
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57), anzusetzen war danach für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Viertel des festgesetzten Beitrages.