Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 06.03.2024 – B 1 S 24.171
Titel:

unmittelbarer Zwang, Fortnahme, Bestandsauflösung, Wiedergestattungsverfahren, Ermessensausübung

Normenketten:
VwZVG Art. 34
VwZVG Art. 36
VwZVG Art. 21a
TierSchG § 16a
TierSchG § 2
VwGO § 80
Schlagworte:
unmittelbarer Zwang, Fortnahme, Bestandsauflösung, Wiedergestattungsverfahren, Ermessensausübung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24469

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … (Landratsamt) vom 7. November 2023 wiederherzustellen.
2
Der Betrieb des Antragstellers zu 1 wurde zwischen Juli 2018 und September 2022 insgesamt neun Mal amtstierärztlich kontrolliert. Bei acht dieser Kontrollen wurden durch die amtlichen Tierärzte Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Vorschriften festgestellt, welche bei den betroffenen Tieren zu erheblichen Schmerzen, Leiden und/oder Schäden geführt hätten.
3
Mit Bescheid vom 7. November 2022 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller zu 1 ein Haltungs- und Betreuungsverbot für Nutztiere, ausgenommen Hausgeflügel, das zur Deckung des eigenen Bedarfs gehalten wird, an und verpflichtete ihn, seinen Rinderbestand innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheides aufzulösen. Die sofortige Vollziehung der Maßnahme wurde angeordnet. Zur Durchsetzung der Maßnahmen wurden Zwangsgelder angedroht.
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Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1 am 17. November 2022 Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth (Az. B 1 K 22.1090), über die noch nicht entschieden ist und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Mit Beschluss vom 4. Januar 2023 (Az. B 1 S 22.1089), auf den verwiesen wird, lehnte das Gericht den Antrag ab.
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Am 13. März 2023 beantragte der Antragsteller zu 1 beim Landratsamt die Wiedergestattung der Tierhaltung und -betreuung. Das Landratsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. Mai 2023 ab. Die Regierung von … wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Bescheid vom 16. November 2023 zurück. Die dagegen gerichtete Klage vom 14. Dezember 2023 wird beim Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 1 K 23.1081 geführt.
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Das Landratsamt erinnerte den Antragsteller zu 1 mit Schreiben vom 22. Mai 2023 an seine Pflichten aus dem Bescheid vom 7. November 2022 und forderte ihn auf, seinen Rinderbestand nunmehr innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Schreibens aufzulösen sowie innerhalb von 14 Tagen Nachweise über den Verbleib der Tiere vorzulegen. Eine Bestandsauflösung erfolgte daraufhin nicht.
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Es wurden in der Folge Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 23.555 EUR zur Zahlung fällig. Das Landratsamt forderte den Antragsteller zu 1 mit Schreiben vom 6. Juli 2023 unter Fristsetzung zur Zahlung dieses Betrages auf. Nachdem die Zahlungsfrist ergebnislos verstrichen war, gab das Landratsamt die Zwangsgelder zur Vollstreckung. Über die daraufhin durch das Finanzamt … ausgebrachte Kontopfändung ging am 9. Oktober 2023 ein Teilbetrag der geschuldeten Zwangsgelder ein.
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Im Rahmen einer erneuten Kontrolle des Betriebs durch die Amtstierärztin am 20. Juli 2023 seien wiederum erhebliche Abweichungen von tierschutzrechtlichen Vorgaben festgestellt worden.
9
Eine vom Landratsamt am 24. Oktober 2023 in der Hl-Tierdatenbank durchgeführte Abfrage ergab, dass der Antragsteller zu 1 der ihm gemäß Bescheid des Landratsamtes vom 7. November 2022 obliegenden Pflicht, seinen Rinderbestand aufzulösen, trotz der fällig gewordenen Zwangsgelder nicht nachgekommen war.
10
Das Landratsamt drohte daraufhin mit Bescheid vom 7. November 2023 die Wegnahme und Veräußerung des Rinderbestandes im Wege der Anwendung des unmittelbaren Zwangs an, sollte der Antragsteller zu 1 die von ihm in …, …, im Betrieb mit der Nummer … gehaltenen Rinder innerhalb der hierfür nochmals bestimmten Frist (22. November 2023 bzw. 19. Januar 2024 für nachgewiesen trächtige Tiere) nicht entsprechend Ziffer 2 des sofort vollziehbaren Bescheides des Landratsamtes … vom 7. November 2022, Az. …, eigenständig abgegeben haben (Ziffer 1 und 2). Die Antragstellerin zu 2 werde verpflichtet, eine ggf. notwendige Wegnahme sowie Veräußerung der vom Antragsteller zu 1 gehaltenen Rinder im Wege der Anwendung unmittelbaren Zwangs zu dulden (Ziffer 3). Die Antragstellerin zu 3 werde verpflichtet, im Rahmen der Umsetzung ggf. notwendiger Wegnahmesowie Veräußerungsmaßnahmen das Betreten des Grundstückes Flurnummer …, Gemarkung …, sowie der sich darauf befindlichen Stallungen durch die Amtstierärzt:innen, den Veterinärassistenten, die zuständigen Vollzugssachbearbeiter:innen und den zuständigen Juristen des Landratsamtes …, durch von diesen zur Durchführung von Trächtigkeitsuntersuchungen hinzugezogene niedergelassene Tierärzt:innen sowie durch Mitarbeiter:innen der vom Landratsamt … mit der Umsetzung der ggf. notwendigen Maßnahmen beauftragten Viehhandels- und Viehtransportunternehmen zu dulden (Ziffer 4). Bezüglich der Duldungspflichten in Ziffer 3 und 4 des Bescheides werde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Ziffer 5 und 6) und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Ziffer 7). Der Antragsteller zu 1 habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer 8). Zudem wurden Gebühren und Auslagen festgesetzt (Ziffer 9).
11
Die Duldungspflicht gegenüber der Antragstellerin zu 2 resultiert daraus, dass diese nach Erlass des Bescheids vom 7. November 2022 seit 22. November 2022 in der Hl-Tierdatenbank geführte Betriebsinhaberin ist.
12
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) die erneute Androhung eines Zwangsmittels zulässig sei, wenn die vorausgegangene Androhung eines Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies sei beim Antragsteller zu 1 der Fall, der trotz des unter Zwangsgeldandrohung ausgesprochenen Tierhaltungs- und Betreuungsverbot und der Verpflichtung, den gehaltenen Rinderbestand aufzulösen, dem innerhalb der gesetzten Frist(en) nicht nachkam. Laut HI-Tierdatenbankabfrage vom 27. Oktober 2023 halte er weiterhin 51 Rinder. Es folgen ausführliche Ermessenserwägungen, bezüglich derer auf den Bescheid verwiesen wird. Insbesondere sei die nochmalige Androhung eines (ggf. höheren) Zwangsgeldes nicht zielführend, da sich der Antragsteller zu 1 schon von dem durch Bescheid vom 7. November 2022 angedrohten Zwangsgeld unbeeindruckt gezeigt habe und ein erneutes Zwangsgeld überdies vermutlich auch uneinbringlich wäre, da trotz ausgebrachter Kontopfändung auch das bereits fällig gewordene Zwangsgeld nicht vollständig beigetrieben werden habe können.
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Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 21. November 2023 wurde gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 7. November 2023 Widerspruch erhoben und mit Schreiben vom 22. November 2023 im Wesentlichen dahingehend begründet, dass der Antragsteller zu 1 den Rinderbestand nicht auflösen könne, da er nicht Eigentümer der Tiere sei. Er habe den landwirtschaftlichen Betrieb einschließlich des Tierbestandes im Zeitraum vom 1. August 2008 bis zum 30. September 2022 lediglich gepachtet. Mit Ablauf des 30. September 2022 habe das Pachtverhältnis geendet und seit 1. Oktober 2022 sei die Antragstellerin zu 2 Pächterin des landwirtschaftlichen Betriebes.
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Nachdem der Widerspruch zurückgewiesen wurde, erhoben die Antragsteller mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 4. Januar 2024 Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 7. November 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2023 (Az. B 1 K 24.17) und beantragten mit Schriftsatz vom 4. März 2024 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der nachfolgenden Klage gegen den Wegnahme- und Veräußerungsbescheid des Antragsgegners vom 7.11.2023 anzuordnen.
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Zur Begründung bringen die Antragsteller im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem jetzt noch vorhandenen Tierbestand in erster Linie um frisch abgekalbte, voll in Milch stehende Milchkühe, ca. 30, und insgesamt noch zehn Kälber handle, wobei zwei Bullenkälber bereits verkauft seien und in den nächsten Tagen den Betrieb verlassen würden. Weiter handle es sich noch um vier weibliche Kälber, die noch mit Tränke versorgt würden und im Weiteren sechs neugeborene Kälber in einem Alter von unter vier Wochen sowie fünf Kalbinnen. Eine Schlachtung dieses gesamten Tierbestandes, der sich in einem optimalen und gesunden Ernährungszustand befände, wäre völlig widersinnig, absolut unverhältnismäßig und damit nicht rechtmäßig. Wie bereits mehrfach erwähnt, wäre ein derartiges Vorgehen, wie das Landratsamt dies plant, nunmehr am 7. März 2024 sämtliche Tiere wegzunehmen, absolut unverhältnismäßig. Hinzuweisen sei auch darauf, dass klägerseits für den Betrieb in den vergangenen Wochen eine vertragsmäßige Betreuungsperson verpflichtet worden sei, um täglich den Tierbestand zu betreuen und zu begutachten, insbesondere auch in Bezug auf Haltung, Fütterung und Gesundheit der Tiere. Es handle sich hier um einen praktizierenden Landwirt, einen Landwirtschaftsmeister, der mit dieser Aufgabe betraut worden sei und der auch bereit war, diese Aufgabe zu übernehmen.
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Die Wegnahme der noch vorhandenen Milchkühe, mittlerweile weit unter der Hälfte vom ursprünglichen Bestand der Tiere, würde den absoluten finanziellen Ruin der gesamten Familie bedeuten, die letztlich von der Landwirtschaft, und hier im Besonderen von der Milchviehhaltung, leben würde.
17
Aufgrund der absolut positiven Entwicklung sei auch bereits durch den Kläger die Wiedergestattung der Tierhaltung beantragt worden. Mit der Klagebegründung in diesem Verfahren seien verschiedenste Lichtbilder vorgelegt worden, aus welchen sich ergebe, dass der Tierbestand, soweit er noch vorhanden sei, sich in einem absolut optimalen Zustand zeige, sei es ernährungstechnisch, aber auch gesundheitlich. Im Weiteren sei ein Gutachten des Sachverständigen für Rinderhaltung und Tierwohl Dipl.-Ing. agr. … vom 12. Juli 2023 sowie ein fachärztlich psychiatrisches Gutachten des Herrn Prof. Dr. med. Dr. h. c. … vom 20. Februar 2024 vorgelegt worden. Dieses fachärztlich psychiatrische Gutachten vom 20. Februar 2024 komme zu einer absolut positiven Prognose.
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Das Verfahren auf Wiedergestattung werde im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen optimal gehaltenen und gefütterten Tierbestand zeigen, auch wenn das Ganze offensichtlich das Veterinäramt in keinster Weise interessiere. Ansonsten hätte man sich vielleicht auch selbst einmal die Mühe machen können, den derzeitigen Tierbestand vor Ort zu begutachten sowie die Haltungs- und Fütterungsbedingungen. Entweder gehe das Veterinäramt davon aus, dass – wie vorgetragen wird – alles so in Ordnung sei und der Richtigkeit entspreche, oder aber es bestehe beispielloses Desinteresse, wie sich der Tierbestand im klägerischen Betrieb derzeit zeige.
19
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 5. März 2024, den Antrag abzulehnen.
20
Der Antragsgegner führt aus, dass im Hinblick auf Art. 20a GG das sich aus Art. 21a VwZVG ergebende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der zur Durchsetzung des gegenüber dem Antragsteller erlassenen Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes ergangenen Zwangsmittelandrohung fortbestehe. Die Vollstreckbarkeit des gegenüber dem Antragsteller erlassenen Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes stehe fest, nachdem der Antrag des Antragstellers vom 24. November 2022, mit dem er sich gegen die Vollziehbarkeit des Bescheides des Landratsamtes vom 7. November 2022 gewehrt habe, vom Verwaltungsgericht Bayreuth durch Beschluss vom 4. Januar 2023, Az. B 1 S 22.1089, abgelehnt worden sei.
21
Das fortbestehende Vollzugsinteresse überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 7. November 2023 sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
Der Nachteil, der dem Antragsteller bei Vollziehung drohe, nämlich die Anwendung des angedrohten Zwangsmittels, die für ihn die kostenpflichtige und ggf. mit wirtschaftlichen Verlusten verbundene zwangsweise Wegnahme und Veräußerung seines Rinderbestandes bedeute, sei nicht schwerer zu gewichten, als das fortbestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der zur Durchsetzung des dem Schutz eines absolut hochrangigen, auch verfassungsrechtlich verankerten Rechtsgutes dienenden Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes ergangenen Zwangsmittelandrohung.
23
In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller, obwohl ihm bereits seit dem 9. Januar 2023 (Tag der Zustellung der Entscheidung im Verfahren B 1 S 22.1089) bekannt gewesen sei, die sich aus dem Bescheid des Landratsamtes vom 7. November 2022 ergebende Verpflichtung zur Bestandsauflösung zu befolgen habe, seine Milchkühe im Frühjahr 2023 noch einmal besamen habe lassen und in dieser Zeit auch noch einmal Tiere zugekauft habe. Eine Bestandsreduzierung erfülle die bestehende Verpflichtung zur Bestandsauflösung nicht.
24
Es sei rechtlich ohne maßgebliche Bedeutung, ob ein behördlich angeordnetes Tierhaltungs- und Betreuungsverbot existenzgefährdend sei. Sofern sich ein Tierhalter, wie es der Antragsteller über Jahre hinweg getan hat, grob tierschutzwidrig verhalte, müsse er im Hinblick auf den verfassungsrechtlich geschützten Tierschutz (Art. 20a GG) auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile hinnehmen (Hirt, Maisack, Moritz, Felde, Tierschutzgesetz, 4. Auflage 2023, § 16a Rn. 49). Im Übrigen dürfe im Hinblick auf die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt allgemein angenommen werden, dass der Antragsteller auf Grund seiner Qualifikation auch außerhalb des eigenen Betriebes eine Anstellung finde. Gleiches gelte für seine Ehefrau.
25
Mögliche Verbesserungen in der Tierhaltung hätten keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des durchzusetzenden Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes, da insofern allein auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, also auf die Sach- und Rechtslage am Tag des Bescheidserlasses, abzustellen sei. Mögliche Verbesserungen in der Tierhaltung seien im Rahmen eines Wiedergestattungsverfahrens nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 TierSchG geltend zu machen. Dass dem Antragsteller die Tierhaltung und -betreuung zeitnah wiedergestattet werde, sei aktuell nicht zu erwarten. Der entsprechende Antrag des Antragstellers vom 13. März 2023 wurde durch Bescheid des Landratsamtes … vom 26. Mai 2023 abgelehnt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde von der Regierung von … durch Bescheid vom 16. November 2023 zurückgewiesen. Es werde noch einmal betont, dass punktuelles Wohlverhalten unter dem Druck eines behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht ohne weiteres die Annahme der tierschutzrechtlichen Zuverlässigkeit rechtfertige. Auch der Vortrag, dass der Antragsteller nun einen Landwirtschaftsmeister für seinen entgegen des bestehenden Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes gehaltenen Tierbestand beauftragt habe sowie das vorgelegte fachärztliche psychiatrische Gutachten seien nicht geeignet, die auf Grund der früheren erheblichen Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bestehenden Zweifel an einer künftig beanstandungsfreien Tierhaltung durch den Antragsteller zu beseitigen. Im Übrigen habe das Ergebnis der am 20. Juli 2023 im Betrieb des Antragstellers durchgeführten amtstierärztlichen Kontrolle deutlich aufgezeigt, dass der Antragsteller in den vergangenen Monaten gerade nicht die hierfür erforderliche Weiterentwicklung durchlaufen habe. Im Rahmen der Kontrolle habe die Amtstierärztin im Betrieb des Antragstellers erneut tierschutzrechtliche Verstöße festgestellt (wird ausgeführt und mit Bildern belegt). Ferner habe die Amtstierärztin am 20. Juli 2023 im Betrieb des Antragstellers auch weitere Verstöße gegen andere Vorschriften festgestellt.
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Die Feststellungen der Amtstierärztin vom 20. Juli 2023 würden die sehr pauschalen Aussagen im Gutachten des privaten Sachverständigen …, …, vom 12. Juli 2023, widerlegen, dass sich bei seinem Besuch im Betrieb des Antragstellers am 6. Juli 2023 der gesamte Rinderbestand in einem einwandfreien Zustand befunden habe und die Haltung und Pflege der Tiere keine Beanstandungen zulasse. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der private Sachverständige als Diplom-Ingenieur agrar (FH) nicht über die tiermedizinische Sachkunde verfügt, um insbesondere Tiergesundheitsabweichungen sicher zu erkennen und einzuordnen (wird ausgeführt). Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass eine Bestandsauflösung nicht zwingend bedeute, dass die Tiere zur Schlachtung gehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren B 1 K 22.1090, B 1 S 22.1089, B 1 E 23.194, B 1 K 23.1081 und B 1 K 24.17 verwiesen.
II.
28
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg und ist daher abzulehnen.
29
Der zulässige Antrag ist gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO entsprechend seines erkennbaren Begehrens dahingehend zu verstehen, dass bezüglich des in Ziffer 1 und 2 im Bescheid vom 7. November 2023 gegen den Antragsteller zu 1 angeordneten unmittelbaren Zwangs ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt wird, da die Zwangsmittelandrohungen in Ziffer 1 und 2 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind. Im Übrigen ist der Antrag als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Sofortvollziehbarkeitsanordnung in Ziffer 7 bezüglich Ziffer 3 und 4 des Bescheids vom 7. November 2023 zu verstehen.
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1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich Ziffer 1 und 2 ist abzulehnen, da das Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu 1 das gesetzlich angeordnete Sofortvollzugsinteresse nach Art. 21a VwZVG nicht überwiegt.
31
Die Androhung kann nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Grundverwaltungsakt sind ausdrücklich ausgeschlossen. Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung (Art. 29, 31, 36 VwZVG) als solche betreffen (vgl. BayVerfGH vom 24.1.2007 a.a.O.). Substantiierte Rügen selbständiger Rechtsverletzungen hat der Antragsteller zu 1 jedoch nicht vorgetragen. Seine Einwendungen beziehen sich wiederum auf die materielle Rechtslage, die der sofort vollziehbaren Grundverfügung zugrunde liegt (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2011 – 2 ZB 10.2365, BeckRS 2011, 30356, beck-online)
32
Der angedrohte unmittelbare Zwang erfüllt die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 18 ff., Art. 23 ff. VwZVG). Vollstreckungshindernisse sind nicht ersichtlich. Rechtsgrundlage für den angedrohten unmittelbaren Zwang im Bescheid vom 7. November 2023 ist Art. 36 i.V.m. Art. 34 Satz 1 VwZVG.
33
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides und den Ausführungen in der Antragserwiderung vom 5. März 2023 und sieht insoweit von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
34
a) Der Antragsteller zu 1 ist richtiger Adressat der Anordnungen.
35
Er ist und bleibt als Tierhalter im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG zu qualifizieren. Anordnungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG können gegen den Halter im weiteren Sinn ergehen, d.h. gegen jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Auf die Eigentümerstellung kommt es insoweit nicht an. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis. Nur wenn im Zeitpunkt der Fortnahme sicher bekannt ist, dass das Tier einer dritten Person gehört, ist daneben an eine Duldungsverfügung gegenüber dieser Person zu denken zur Abwehr etwaiger Herausgabeansprüche (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, TierSchG § 16a Rn. 21).
36
Der Antragsteller übt jedenfalls faktisch auch weiterhin – unabhängig von etwaigen formellen Eintragungen oder Änderungen in der HI-Tier-Datenbank – die tatsächliche Gewalt über den in Rede stehenden Rinderbestand aus. So bringt der Antragsteller im vorliegenden Eilverfahren selbst vor, welche Veränderungen bzw. Verbesserungen er zwischenzeitlich vorgenommen hat und beantragt die Wiedergestattung für seine Person. Explizit legt er auch ein Gutachten zu seiner Person als Tierhalter vor. Die vorgelegte Betreuungsvereinbarung ändert hieran nichts, da sich die Tiere weiterhin in der Obhut des Antragstellers zu 1 befinden.
37
b) Der dem Bescheid zugrundeliegende Grundverwaltungsakt vom 7. November 2022 ist aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Januar 2023, Az. B 1 S 22.1089 sofort vollziehbar, also wirksam und vollstreckbar im Sinne des Art. 19 Abs. 1 VwZVG.
38
c) Trotz der seit Längerem bestehenden Möglichkeit, der Anordnung aus dem Bescheid vom 7. November 2022 nachzukommen, die rechtlich und tatsächlich erfüllbar und hinreichend bestimmt war, blieb der Antragsteller zu 1 diesbezüglich untätig, Art. 19 Abs. 2 VwZVG.
39
d) Der unmittelbare Zwang wurde ordnungsgemäß schriftlich angedroht (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG), der Bescheid wurde ordnungsgemäß zugestellt (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG), enthält ein bestimmtes Zwangsmittel (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) und auch die Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG begegnet keinen Bedenken. Es wird ausführlich begründet, warum diese nach den gesammelten Erfahrungen bewusst so gesetzt wurde und in trächtige und nicht trächtige Tiere aufgeteilt wurde, unter Benennung der konkreten Tiere per Ohrmarkennummer. Sie erscheint unter Berücksichtigung der Billigkeit angemessen.
40
e) Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Androhung unmittelbaren Zwangs bezüglich der Auflösungsverfügung) beruhen auf Art. 19 Abs. 1 und Art. 34 Satz 1 VwZVG. Die Androhung unmittelbaren Zwangs als einschlägige und geeignete Maßnahme des Vollstreckungsrechts in Fällen wie dem vorliegenden ist rechtlich geklärt. Die Auflösung des Tierbestands ist vollstreckungsrechtlich nicht mittels Ersatzvornahme, vielmehr mittels unmittelbarem Zwang durchzusetzen (vgl. VG München, U.v. 22.7.2015 – M 23 K 15.1397, BeckRS 2015, 123701 Rn. 50, 51, beck-online). Der unmittelbare Zwang ist – im Gegensatz zur Ersatzvornahme – ein zur Durchsetzung des Halte- und Betreuungsverbots sowie des Bestandsauflösungsgebots zulässiges Zwangsmittel (vgl. VGH BW, B.v. 17.3.2005 – 1 S 381/05 – juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 7.11.2006 – 25 CS 06.2619 – juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 14.3.2008 – 9 CS 07.3231 – juris Rn. 3; VG Aachen, B. v. 9.12.2003- 6 L 890/03 – juris Rn.28). Das mildere, grundsätzlich ebenfalls zulässige Zwangsmittel des Zwangsgelds erscheint vorliegend, wie vom Antragsgegner ausführlich dargestellt, nicht Erfolg versprechend im Hinblick auf die Durchsetzung der durchzusetzenden Anordnungen (vgl. VG München, B.v. 14.7.2014 – 18 S 14.2092, BeckRS 2014, 54796, beck-online). Daher begegnet auch die erneute Androhung nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG keinen Bedenken.
41
f) Wie bei der Verknüpfung einer Zwangsmaßnahme unmittelbar mit dem zu vollstreckenden Bescheid (vgl. Art. 36 Abs. 2 VwZVG) ist im Falle einer isolierten Androhung eines Zwangsmittels kein konkreter Anlass erforderlich. Die Androhung steht vielmehr im Ermessen der Behörde (vgl. BayVGH München U.v. 2.8.2016 – 9 BV 15.1034, BeckRS 2016, 53249 Rn. 30-32, beck-online).
42
Im Hinblick auf die Ermessensausübung des Antragsgegners ergeben sich keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO. Insoweit ist der vom Antragsgegner gewährte Vorrang des in Art. 20a GG verfassungsrechtlich verbürgten und in § 1 TierSchG sowie den übrigen Regelungen des TierSchG einfachgesetzlich niedergelegten öffentlichen Interesses des Tierschutzes gegenüber den privaten, sich v.a. aus Art. 12 und 14 GG ergebenden, grundrechtlich geschützten Interessen der Antragsteller an der Tierhaltung nicht als unverhältnismäßig gewichtet anzusehen. Zudem wurde dem Antragsteller zu 1 Gelegenheit gegeben, seinerseits die Tiere abzugeben (vgl. VG München B.v. 15.9.2021 – M 23 S 21.4748, BeckRS 2021, 41346 Rn. 47, beck-online).
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Der angedrohte unmittelbare Zwang erweist sich als verhältnismäßig, Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG. Soweit die Antragsteller die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme in Ansehung des schweren Eingriffs in Art. 14 GG und Art. 12 GG als unzureichend erachten, rechtfertigt der Umstand, dass jemand wirtschaftlich auf die Tierhaltung angewiesen ist, es nicht, an ihn geringere Anforderungen als an andere Personen zu stellen und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Untersagung des Haltens von Tieren zu verzichten, wenn kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Beseitigung der Missstände und Leiden zur Verfügung steht (Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, a.a.O., § 16a Rn. 36; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O., § 16a Rn. 49). Letzteres war vorliegend angesichts der vorausgegangenen tierschutzrechtlichen Kontrollen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 7. November 2023 nicht ersichtlich. Durch das Haltungsverbot ist (lediglich) die Freiheit der Berufsausübung betroffen, die gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden darf, so dass der Eingriff in der Regelung des § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 TierSchG seine Rechtfertigung findet (OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – juris Rn. 19). Einschränkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sind insoweit zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt, zumal die durch § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG geschützten Gemeinwohlbelange selbst im Verfassungsrang (Art. 20a GG, Art. 141 Abs. 1 Satz 2 BV) stehen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 25 CS 05.813 – juris Rn. 8; B.v. 7.1.2013 – 9 ZB 11.2455 – juris Rn. 10), vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2021 – 23 ZB 21.351, BeckRS 2021, 12534 Rn. 30, beck-online). In Gestalt des dem Untersagungsverfahren nachfolgenden gesonderten Wiedergestattungsverfahrens nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Hs. 2 TierSchG eröffnet das Gesetz den Antragstellern zugleich die Möglichkeit, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ihren Beruf wieder auszuüben. Die Antragsteller sind also auf das Wiedergestattungsverfahren zu verweisen. In diesem müssen sie Umstände darlegen (zum Beispiel Sachkundenachweis etc.), aus denen sich ergibt, dass sie (nunmehr) über die erforderliche Sachkunde zum Halten der betreffenden Tiere verfügen und bei ihnen ein individueller Lernprozess stattgefunden hat, der sich auf die inneren Gründe für die Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit künftig auszuschließen ist, dass die Antragsteller wiederum ähnlich schwerwiegende oder wiederholte tierschutzrechtliche Verstöße begehen (VGH BW, U.v. 16.12.2021 – 6 S 1557/19 – juris Rn. 47; SaarlOVG, B.v. 29.10.2019 – 2 A 261/18 – juris Rn. 20; VG Würzburg, U.v. 18.3.2019 – W 8 K 18.564 – juris Rn. 19; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O., § 16a Rn. 55 m.w.N.). Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Wiedergestattung der Tierhaltung und/oder -betreuung. Hiermit korrespondiert – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der intensiven grundrechtlichen Betroffenheit der Antragsteller, des rechtsstaatlich verbürgten Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG) und der behördlichen Beratungspflicht (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG) – die Pflicht des Antragsgegners zu einer transparenten Gestaltung des Wiedergestattungsverfahrens (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2023 – 23 ZB 22.542, BeckRS 2023, 18999 Rn. 49, beck-online).
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Der Antragsgegner hat – auch wenn es hierauf vorliegend nicht ankommt – mehrfach ausführlich dargelegt, warum eine Wiedergestattung im vorliegend entscheidungsrelevanten Zeitpunkt des Bescheiderlasses (noch) nicht in Betracht kam.
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Den Feststellungen der Amtsveterinärin konnten die Antragsteller nicht substantiiert entgegentreten. Es wird ausführlich begründet, weshalb das vorgelegte Privatgutachten nicht geeignet ist, die fachliche Einschätzung zu erschüttern, geschweige denn zu widerlegen. Im Rahmen des Vollzugs tierschutzrechtlicher Bestimmungen wird den beamteten Tierärzten durch das Gesetz die Rolle eines unabhängigen Sachverständigen zugewiesen (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). Damit kommt ihnen bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG, insbesondere in Bezug auf die art- und bedürfnisgerechte Unterbringung, Ernährung und Pflege eines Tieres erfüllt sind eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2022 – 23 CS 22.1852; B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27; Metzger in Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 15 Rn. 19 u. § 16a Rn. 41). Ein amtstierärztliches Gutachten ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2014 – 3 B 62.13 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27). Die von dem beamteten Tierarzt getroffenen Feststellungen können nur durch substantiiertes Vorbringen – etwa durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten – in Frage gestellt werden (vgl. NdsOVG, U.v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1931 – juris Rn. 27). Das Gericht hat keine Bedenken im Hinblick auf die plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen der Amtstierärzte in der Behördenakte.
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Die Prognose, dass der Halter ohne Erlass des Haltungs- und Betreuungsverbots weiterhin Zuwiderhandlungen begehen wird, lässt sich i.d.R. anhand der Zahl und/oder der Schwere der bisherigen Verstöße begründen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O. § 16a Rn. 48). Deshalb durfte der Antragsgegner seine negative Prognose auf die festgestellten Verstöße stützen, bei denen es sich um zahlreiche gravierende Zuwiderhandlungen gegen Tierschutzvorschriften handelt, mag es zwischenzeitlich auch Verbesserungen in der Tierhaltung gegeben haben. Ein Wohlverhalten allein unter dem Druck eines laufenden Verfahrens, wovon das Gericht ausgeht, ist grundsätzlich nicht geeignet, die Gefahrenprognose zu erschüttern (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2021 – 23 ZB 21.351, BeckRS 2021, 12534 Rn. 24, beck-online).
47
Demnach ist die getroffene Abwägung nicht zu beanstanden.
48
2. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 7 des Bescheids begegnet keinen Bedenken.
49
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
50
Angesichts fehlender Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragstellerinnen in der Hauptsache ist im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der tierschutzrechtlichen Anordnungen der Vorrang einzuräumen (vgl. BayVGH B.v. 29.1.2007 – 25 CS 06.2206, BeckRS 2007, 29085, beck-online).
51
a) Die angeordnete sofortige Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße schriftlich begründet, in dem es hinreichend und bezogen auf den Einzelfall dargelegt hat, weshalb ein weiteres Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich ist. Eine weitergehende Begründung des sofortigen Vollzugsinteresses ist bei tierschutzrechtlichen Anordnungen nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 9 CS 16.1257 – juris Rn. 16) nicht erforderlich, weil regelmäßig die Erwägungen, die einer tierschutzrechtlichen Anordnung zugrunde liegen, zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen.
52
b) Die summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt hier, dass die Klage der Antragstellerinnen zu 2 und 3 gegen den Bescheid des Landratsamts vom 7. November 2023 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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Die in Ziffern 3 und 4 ausgesprochenen Duldungsanordnungen, als eine Art Annex zu dem Ausgangsbescheid vom 7. November 2022 und den Ziffern 1 und 2 im Bescheid vom 7. November 2023 sind nach § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 TierSchG zulässig. (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, a.a.O., § 16a Rn. 21).
54
Die durch das Landratsamt nach dem Vortrag des Antragstellers zu 1 zur Umsetzung der Maßnahmen im Bescheid vom 7. November 2022 angeordneten Duldungsverpflichtungen begegnen keinen Rechtmäßigkeitsbedenken, insbesondere sind Ermessensfehler im Rahmen der gerichtlich überprüfbaren behördlichen Ermessensausübung (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) nicht ersichtlich und die Verhältnismäßigkeit wird gewahrt. Im Übrigen wird auf die zutreffende Begründung im Bescheid vom 7. November 2023 verwiesen.
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Gleiches gilt für die Androhung des unmittelbaren Zwangs gegenüber den Antragstellerinnen zu 2 und 3.
56
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO. Als unterliegende Beteiligte haben die Antragsteller die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
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4. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).