Titel:
Pferdehaltung, Schmerztherapie, Hufpflege bei Barhufern, Wegnahme und Haltungsverbot
Normenketten:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 und 3
TierSchG § 2
Schlagworte:
Pferdehaltung, Schmerztherapie, Hufpflege bei Barhufern, Wegnahme und Haltungsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24460
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 10. November 2021, mit dem sie verpflichtet wurde, die von ihr gehaltenen zwei Pferde, eine Stute und einen Wallach, zu verkaufen oder anderweitig dauerhaft abzugeben sowie gegen ein Haltungsverbot für Pferde und weitere begleitende Anordnungen.
2
Aufgrund mehrfacher tierschutzrechtlicher Kontrollen wurde die Klägerin mit Bescheid vom 17. Juni 2021 verpflichtet, im Einzelnen bezeichnete Maßnahmen zur Pferdehaltung umzusetzen, insbesondere dem Wallach eine Schmerztherapie zukommen zu lassen und bei beiden Pferden eine qualifizierte Hufpflege durchzuführen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage (B 1 K 21.740), die mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen wurde. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (B 1 S 21.739) wurde vom Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 8. Juli 2021 abgelehnt.
3
Ausweislich der Behördenakte fand am 22. Juli 2021 eine weitere tierschutzrechtliche Kontrolle durch Frau Dr. …, Frau … (Veterinäramt) und Herrn … vom Sachgebiet 40 des Landratsamts statt. Im Protokoll zur Kontrolle ist festgehalten, dass die angeordneten Maßnahmen weiterhin nicht vollständig umgesetzt seien. Das Landratsamt stellte unter dem 19. August 2021 Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 1.150,00 EUR fällig und drohte weitere Zwangsgelder an. Als Hinweis wurde in das Schreiben aufgenommen, dass das Landratsamt eine Wegnahme der Tiere in Erwägung ziehe, sollte die Klägerin die Verpflichtungen erneut nicht befolgen. Außerdem werde ein generelles Pferdehaltungsverbot in die Beurteilung einbezogen.
4
Mit Schreiben vom 29. August 2021 äußerte sich die Klägerin gegenüber dem Landratsamt dahingehend, dass zum einen die geforderten Auflagen erfüllt worden seien, zum anderen der Wallach bereits 29 Jahre alt sei und gerne „schauspielere“. Bei den Kontrollen habe es sich um eine Momentaufnahme durch das Veterinäramt gehandelt. Die Stute lasse ohne Sedierung keine fremden Personen an die Hufe. In einem weiteren undatierten Schreiben äußerte sich die Klägerin zur Forderung des Veterinäramts, die Tiere einem Hufschmied vorzustellen und zu einem von ihr bevorzugten HNC (Natural Hoof Care) Hufbearbeiter.
5
Die Klägerin konnte bei einer weiteren Vor-Ort-Kontrolle am 16. September 2021 nicht angetroffen werden. Laut Vermerk der Amtstierärztin habe die Klägerin der Amtsveterinärin telefonisch mitgeteilt (Bl. 48 ff. der Behördenakte), dass der Wallach zwischenzeitlich keinem Tierarzt vorgestellt worden sei. Die Klägerin habe noch keinen vertrauenswürdigen neuen Arzt gefunden, außerdem gehe es dem Pferd gut, es sei einfach alt. Auch zu einem staatlich geprüften Hufschmied habe sie kein Vertrauen, ein Hufpfleger sei ihrer Ansicht nach sehr viel kompetenter. Eine weitere trockene und verformbare Liegefläche habe sie nicht eingerichtet, weil sich der Wallach sowieso nicht hinlege, da er sich als Bewacher des Hofes sehe. Ein zweiter Futterplatz sei ihrer Ansicht nach nicht notwendig, weil der Wallach als Leithengst die Stute vom Futter vertreibe und nicht umgekehrt.
6
Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Wegnahmeanordnung verwies die Klägerin auf eine Auflistung von Videos auf ihrem Yt.-Kanal. Am 20. Oktober 2021 sei ein spezialisierter Tierarzt wegen einer erneuten Lahmheit der Stute vor Ort gewesen. Dieser habe ihr Tipps gegeben, was sie dem Wallach zufüttern könne, um ihn noch etwas aufzubauen, obwohl er gemeint habe, dass dies bei so einem alten Pferd sehr schwer sei. Eine Rechnung sei vorhanden. Zudem habe sie diverse Zeugen, dass es bei ihr seit Jahren schon so laufe, also die Auflagen schon längst erfüllt seien.
7
Mit Bescheid vom 10. November 2021 (zugestellt am 12. November 2021) verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, die von ihr gehaltenen Pferde bis zum 29. November 2021 an einen anderen zur Haltung von Pferden geeigneten Halter zu verkaufen oder anderweitig dauerhaft abzugeben (Ziff. 1). Der neue Halter der Tiere sei mindestens 3 Tage vor Abgabe dem Veterinäramt des Landratsamts zu benennen und müsse über die zur Haltung von Pferden notwendigen Kenntnisse und Haltebedingungen entsprechend § 2 TierSchG verfügen (Ziff. 2). Falls die Klägerin der Verpflichtung aus Ziff. 1 nicht fristgerecht nachkomme, habe sie die Wegnahme und Veräußerung bzw. Übereignung der beiden Pferde an einen anderen zur Haltung von Pferden geeigneten Halter sowie das Betreten ihres Anwesens durch das Landratsamt zu dulden (Ziff. 3). Der Klägerin werde ab sofort die Haltung von Pferden jeglicher Art untersagt, bis die Gründe für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen gegen das Tierschutzgesetz entfallen und die Klägerin die notwendige Sachkunde für die Pferdehaltung gegenüber dem Veterinäramt des Landratsamts nachgewiesen habe (Ziff. 4). Für den Fall, dass die Klägerin der Duldungspflicht unter Ziff. 3 nicht bzw. nicht fristgerecht nachkomme, werde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Ziff. 5). Sollte die Klägerin gegen das Pferdehaltungsverbot in Ziff. 4 verstoßen, würden die gehaltenen Pferde mittels unmittelbaren Zwangs fortgenommen und an einen anderen zur Haltung von Pferden geeigneten Halter veräußert bzw. übereignet (Ziff. 6). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 bis 4 dieses Bescheids werde angeordnet (Ziff. 7).
8
Die Anordnungen unter Ziffn. 1 bis 3 stützten sich auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 TierSchG i.V.m. § 2 Ziff. 1 TierSchG. Die Klägerin halte ihre zwei Pferde nicht entsprechend den tierschutzrechtlichen Bestimmungen sowie den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten (BMEL), herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Der Ernährungszustand des ca. 20 Jahre alten Wallachs müsse als unterdurchschnittlich bezeichnet werden. Ein Grund hierfür sei die fehlende Futterstelle für das Pferd (wird näher ausgeführt). Inwieweit eine tierärztliche Versorgung des Wallachs nach seinem Hüftbruch stattgefunden habe, sei nicht bekannt. Ein Befund mit einer Behandlungsanordnung der Tierärztin habe durch die Klägerin nicht vorgelegt werden können (wird näher ausgeführt unter Darlegung der Ergebnisse der einzelnen Nachkontrollen). Die Verweigerung einer Behandlung lasse darauf schließen, dass auch in Zukunft keine tierärztliche Behandlung stattfinden werde. Die Klägerin nehme somit das Leiden des Wallachs in Kauf, da er nachweislich an chronischen Schmerzen leide und dementsprechend eine Schmerztherapie benötige.
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Eine artgerechte Unterbringung sei aufgrund der fehlenden trockenen und verformbaren Liegeflächen nicht vorhanden. Auch hier sei aufgrund der Mitteilung der Klägerin keine tierschutzrechtliche Besserung in Sicht. Der nicht ausgemistete Stall verhindere ebenso eine den Bedürfnissen der Pferde entsprechende Unterbringung. Bis zum 16. September 2021 sei nach Aussage der Klägerin kein Hufschmied mehr bei den Pferden gewesen, da sie die Hufe selbst ausschneide. Die in nicht regelmäßigen Abständen erfolgte Hufpflege habe eine unsachgemäße Pflege der Pferde zufolge. Es könne dadurch zu gesundheitlichen Schäden, zum Beispiel eine Schädigung der Gelenke und Sehnen durch Fehlstellungen, kommen.
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Die Klägerin habe auch nach mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung die erforderlichen Maßnahmen nicht umgesetzt. Sie sei finanziell nicht in der Lage, die Pferde kostenpflichtig bei einem anderen Halter einzustellen. Nach Würdigung der Umstände sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin die nötigen Haltungsbedingungen aufgrund ihrer Verweigerungshaltung herstellen werde. Die dauerhafte Abgabe der Tiere müsse angeordnet werden.
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Die Anordnungen seien verhältnismäßig, insbesondere geeignet und erforderlich, da Ortseinsichten, Beratungen, schriftliche Belehrungen und Zwangsgeldandrohungen nicht dazu beigetragen hätten, die Missstände zu beseitigen. Die Klägerin stelle die Gutachten des Veterinäramts, dessen Kompetenz und dessen Vorgehen in Frage. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie in Zukunft für eine tierschutzkonforme Pferdehaltung sorgen werde. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Eine vorläufige Unterbringung der beiden Tiere bei einem anderen Halter auf Kosten der Klägerin sei auch nach deren eigenen Angaben wegen nicht ausreichender finanzieller Mittel nicht möglich. Eine Fristsetzung zur Herstellung tierschutzkonformer Zustände sei daher entbehrlich. Die dauerhafte Wegnahme sei das einzige ersichtlich wirksame Mittel, um tierschutzgerechte Zustände herzustellen. Die Anordnung sei angemessen. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Wallach weiterhin unter Schmerzen leiden müsse. Die Vorstellungen der Klägerin von einer Pferdehaltung entsprächen in erheblichen Bereichen nicht der artgerechten Haltung von Pferden.
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Die Anordnung der Ziff. 4 stütze sich auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 i.V.m. § 2 TierSchG. Die Klägerin habe wiederholt die Anordnungen des Veterinäramts missachtet und deren Umsetzung am 16. September 2021 endgültig verweigert. Daher lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin ohne den Erlass eines Pferdehaltungsverbots weiterhin § 2 TierSchG zuwiderhandeln werde. Die allgemeine Sachkunde zur Haltung von Pferden werde der Klägerin daher bis auf weiteres aberkannt. Diese könne wiederhergestellt werden, wenn die erforderlichen Kenntnisse und Haltebedingungen nachgewiesen würden. Die Maßnahme entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (wird näher ausgeführt unter teilweiser Wiederholung der Sachverhalte).
13
Die Androhung unmittelbaren Zwangs sei die einzige geeignete Maßnahme, um drohende Gefahren für die Gesundheit der Pferde ausreichend und wirkungsvoll abzuwehren, denn die Androhung eines Zwangsgeldes lasse nach der Erfahrung und der unwirksam gebliebenen Bescheide vom 17. Juni 2021 und 19. August 2021 keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten. Zudem habe die Klägerin angegeben, aufgrund ihrer finanziellen Lage die Zwangsgelder nicht zahlen zu können. Da es sich bei der Herausgabe und Veräußerung der Tiere um unvertretbare Handlungen handele, sei eine Ersatzvornahme nicht möglich. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.
14
Mit einem am 25. November 2021 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamts … vom 10. November 2021 aufzuheben.
15
Gleichzeitig beantragte sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid verfügte Verkaufs- und Abgabeverpflichtung (Nr. 1).
16
Unter dem 8. Dezember 2021 wurde die Klage dahingehend begründet, dass die Stute sowie der mittlerweile 30 Jahre alte Wallach seit August 2015 in der Obhut der Klägerin, einer ausgebildeten Zootechnikerin, seien. In all den Jahren seien die Tiere nicht ein einziges Mal krank gewesen. Der Wallach habe im vorigen Jahr einen Hüftbruch erlitten, von dem er sich trotz seines Alters sehr gut erholt habe. Das von der Tierärztin verschriebene Mittel Phenylbutazon solle laut Beipackzettel lediglich 7 Tage lang angewendet werden. Die Hufe der Stute seien schon in einem sehr schlechten Zustand gewesen, als das Tier zur Klägerin und ihrem damaligen Lebensgefährten gekommen sei. Mittlerweile sei es zumindest der Klägerin und ihrem Ex-Partner ohne Sedierung möglich, an die Hufe zu kommen. Die Klägerin habe sich von einem Hufbearbeiter anleiten lassen und sich mit Lehrvideos weitergebildet. Ein professioneller Hufschmied sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Barhufer wie die Stute benötigten eher einen Barhufbearbeiter. Dieser habe ihr erklärt, dass die Hufe der Stute nicht mehr durch eine normale Hufbearbeitung korrigiert werden könnten. Dies würde zu Gelenk- und Beckenproblemen führen. Das habe auch der von ihr im September 2021 beauftragte Tierarzt Dr. … bestätigt. Nachdem die Klägerin auf Drängen des Veterinäramts einen Hufschmied mit der Hufpflege beauftragt hatte, sei genau das eingetreten, was zu befürchten gewesen sei, die Stute habe gelahmt. Von Dr. … habe ein Hufabszess hinten rechts behandelt werden müssen. Der Vorwurf, die Klägerin arbeite nicht mit Tierärzten zusammen, sei haltlos. Dass die Tiere vor Schmerzen nicht laufen könnten, wie das Landratsamt meine, werde durch ein Video vom Juni 2021 widerlegt. Weitere Videos belegten, dass trockene und verformbare Liegeflächen sehr wohl vorhanden seien und die Tiere ausreichend gefüttert würden. Es sei völlig unverhältnismäßig, die Tiere wegzunehmen. Diese hätten ein enges Vertrauensverhältnis zur Klägerin, der Verkauf wäre ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Die Frage sei auch, wer einen 30 Jahre alten Wallach übernehme (wird weiter ausgeführt). Folglich fehle es bereits an den Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG.
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Die Klägerin legte eine eidesstattliche Versicherung vom 2. Dezember 2021 zu dem schriftsätzlich vorgetragenen Sachverhalt vor, außerdem eine Rechnung der Pferdepraxis Dr. … vom 2. Oktober 2021 über die Behandlung eines Hufabszesses hinten rechts am 23. September 2021.
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Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021 nahm das Landratsamt hierzu Stellung. Die Ausführungen der Klägerin widersprächen den wiederholten und dokumentierten amtstierärztlichen Feststellungen. Der Wallach sei aus Sicht der Amtstierärztin deutlich abgemagert. Im Video (* …*) sei selbst für einen Laien erkennbar, dass der Wallach hochgradig lahm gegangen sei und an Schmerzen gelitten habe. Bei der Nachkontrolle am 27. April 2021 sei wiederholt deutlich zu erkennen gewesen, dass das Pferd unter Schmerzen leide. Erst nach Aufforderung durch die Amtstierärztin bei der Nachkontrolle am 11. Mai 2021 (wohl gemeint: 27. April 2021) habe die Klägerin dem Pferd das Medikament sieben Tage lang gegeben. Eine Besserung des gesundheitlichen Zustands habe nicht festgestellt werden können. Einen Nachuntersuchungstermin bei dem behandelnden Tierarzt habe die Klägerin trotz Aufforderung nicht wahrgenommen. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass der behandelnde Tierarzt über eine weitere Behandlung entscheiden müsse. Einen Nachweis hierüber sowie über eine Behandlung durch Dr. … sei bis heute dem Amt nicht vorgelegt worden. Sodann wurden die bisherigen Ausführungen zur Forderung einer qualifizierten Hufpflege durch einen Hufschmied oder Tierarzt vertieft. Die Klägerin verweigere bei erkennbaren gesundheitlichen Problemen konsequent eine qualifizierte Behandlung. Weiter wurden Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit der angeordneten Maßnahmen gemacht. Die Eigenvideos seien nur Momentaufnahmen, die nicht den tatsächlichen täglichen Ist-Zustand, wie sich bei den Kontrollen regelmäßig herausstelle, zeigten.
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Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 wurde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt (Az. B 1 S 21.1220). Im Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az.: 23 CS 22.36) trug die Klägerin vor, dass der Wallach am 30. Dezember 2021 habe eingeschläfert werden müssen. Die Beschwerde wurde hinsichtlich der die Stute betreffenden Anordnungen zurückgewiesen, im Übrigen wurde das Verfahren nach übereinstimmender Erledigterklärung eingestellt.
20
Mittlerweile hat das Landratsamt die Stute fortgenommen und anderweitig untergebracht.
21
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 16. Januar 2021 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das weitere Vorbringen der Beteiligten und den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, auch in den Verfahren B 1 K 21.740 und B 1 S 21.739, verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. November 2021 hat keinen Erfolg, da der Bescheid rechtmäßig ergangen ist und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Dabei kann im Hinblick auf eine sachdienliche Antragstellung zu den Anordnungen in Ziffn. 1 bis 3 und 5 die Frage dahingestellt bleiben, ob sich die vom Landratsamt getroffenen Anordnungen zur Abgabe der Pferde mittlerweile erledigt haben und die Klägerin ihren Klageantrag bezüglich dieser Anordnungen spätestens in der mündlichen Verhandlung, die sie vorzeitig verließ, auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage hätte umstellen müssen. Jedenfalls wird ihr im Hinblick auf das im streitgegenständlichen Bescheid auch ausgesprochene und mit einer Zwangsmittelandrohung verfügte Haltungsverbot für Pferde (Ziffn. 4 und 6) ein besonderes Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden können, so dass insgesamt keine Zulässigkeitsbedenken bestehen. Im Übrigen wäre der Klageantrag nach § 88 VwGO dementsprechend im wohlverstandenen Interesse der Klägerin auszulegen.
24
1. Das Landratsamt hat die Anordnungen in Ziffn. 1 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids zutreffend auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 TierschG gestützt. Danach kann die Behörde dem Halter ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Eine erhebliche Vernachlässigung liegt dann vor, wenn einzelne, sich aus § 2 TierSchG ergebende Pflichten für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form vernachlässigt werden. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist, ob dem Tier durch die Vernachlässigung die Gefahr von Leiden, Schmerzen oder Schäden droht; zu einem Eintritt dieser tierschutzwidrigen Zustände muss es noch nicht gekommen sein (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.9.2006 – Au 4 K 04.1258 – juris). Auch wenn nur einige Tiere eines Bestandes vernachlässigt werden, ist es im Interesse eines wirksamen Tierschutzes möglich, dem Halter alle Tiere wegzunehmen (vgl. VG Aachen, U.v. 25.10.2006 – 6 K 3359/04 – juris). Ist eine tierschutzgemäße Haltung nicht sichergestellt, ist die Behörde befugt, die Tiere zu veräußern (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 29.5.2002 – 25 CS 02.834 – juris).
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a. Ob ein Verstoß gegen die in § 2 TierSchG normierten Haltungspflichten vorliegt, obliegt in erster Linie der fachlichen Einschätzung der Amtstierärzte, die zur Durchführung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen von den zuständigen Behörden beteiligt werden sollen (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG) und denen vom Gesetzgeber eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt worden ist (vgl. stRspr. BayVGH, U.v. 30.1.2008 – 9 B 05.3146 und B.v. 12.11.2013 – 9 CS 13.1946 – alle juris; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 15 Rn. 5). Bloßes Bestreiten der amtstierärztlichen Beurteilung durch den Tierhalter ist daher regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9).
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b. Bereits im sofort vollziehbaren Bescheid vom 17. Juni 2021 wurden der Klägerin die Verpflichtungen auferlegt, die letztendlich zur Begründung der Abgabeverpflichtung herangezogen werden. Die Klägerin wurde insbesondere verpflichtet, dem Wallach eine angemessene Schmerztherapie zukommen zu lassen und dem Landratsamt hierzu einen Behandlungs- und Medikationsplan vorzulegen, bei beiden Pferden für eine qualifizierte Hufpflege im Zeitintervall von jeweils acht Wochen zu sorgen sowie mindestens zwei trockene und verformbare Liegeflächen im Stall und eine zweite Futterstelle für den Wallach einzurichten. Das Gericht hat diese der Klägerin auferlegten Verpflichtungen nicht beanstandet und den Eilantrag im Verfahren Az. B 1 S 21.739 abgelehnt. Spätestens mit Ablehnung des Eilantrags, der der Klägerin am 10. Juli 2021 zugestellt wurde, war für die Klägerin klar und eindeutig, dass sie diesen Verpflichtungen unverzüglich nachzukommen hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen wurde im Urteil vom 16. Januar 2024 bestätigt, mit dem die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen wurde. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
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c. Nach Erlass des Bescheids vom 17. Juni 2021 fanden weitere tierschutzrechtliche Kontrollen statt. Im Protokoll der Kontrolle vom 22. Juli 2021 ist ausgeführt, dass lediglich bedarfsgerechtes Futter vorhanden gewesen sei, die weiteren Anordnungen seien nicht umgesetzt gewesen (vgl. auch das bei der Kontrolle gefertigte Bildmaterial, Bl. 17 ff. der Behördenakte). Das gleiche Ergebnis habe sich bei einer beabsichtigten Kontrolle am 16. September 2021 gezeigt, als die Klägerin telefonisch mitgeteilt habe, die Anordnungen nicht umgesetzt zu haben, weil sie diese Anordnungen für nicht notwendig erachte.
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Damit liegen die Voraussetzungen einer erheblichen Vernachlässigung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 TierSchG vor, denn die Klägerin hat sich beharrlich geweigert, die nach § 2 TierSchG notwendigen Maßnahmen für eine tiergerechte Betreuung und Versorgung zu ergreifen.
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Das Landratsamt hat zu Recht nicht lediglich eine zeitlich begrenzte Fortnahme bis zur Herstellung tierschutzrechtlich einwandfreier Zustände angeordnet (vgl. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Halbs. TierSchG), sondern eine endgültige Abgabeverpflichtung und die Duldung der Veräußerung ausgesprochen. Die Klägerin widersetzte sich über einen längeren Zeitraum den für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 17. Juni 2021 und hat sich damit als tierschutzrechtlich unzuverlässig erwiesen. Sie erachtet ihre Ansichten über eine Pferdehaltung als allein zutreffend und spricht den Amtsveterinären die Kompetenz hierfür ab. Es muss daher befürchtet werden, dass sie auch weiterhin – trotz der bisher fällig gestellten Zwangsgelder in erheblicher Höhe – notwendigen Anordnungen nicht Folge leisten wird, was letztendlich auch zur Anordnung eines Haltungsverbots führte (vgl. die Ausführungen unter 2.).
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d. Die Fristsetzung hinsichtlich der Abgabeverpflichtung, d.h. bis zum 29. November 2021, ist zwar knapp bemessen, angesichts des gesundheitlichen Zustands des Wallachs und der offensichtlichen Verweigerungshaltung der Klägerin wird sie von der Kammer jedoch als angemessen und für die Klägerin auch leistbar erachtet. Dem effektiven Tierschutz kann nur durch eine kurze Frist Rechnung getragen werden. Ein weiteres Zuwarten hätte die Leiden des Wallachs und die tierschutzwidrige Haltung beider Tiere nur hinausgezögert bzw. verlängert.
31
e. Die Anordnung in Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken. Dabei handelt es sich um begleitende Anordnungen zur Abgabeverpflichtung. Zur Vermeidung dessen, dass Tiere an ungeeignete Personen abgegeben werden oder es zu einer bloßen „Scheinabgabe“ an Angehörige oder Freunde kommt, kann die Behörde sämtliche Informationen verlangen, die notwendig sind, um mögliche tierschutzwidrige Zustände erkennen, abstellen oder verhindern zu können. Darunter fällt auch die Mitteilungspflicht, an welche Personen die bislang gehaltenen Tiere abgegeben werden sollen (vgl. VG Minden, U.v. 26.4.2012- 2 K 314/12 – juris Rn. 38; VG München, B.v. 15.9.2021 – M 23 S 21.4748 – juris Rn. 43; Hirt/Maisack/Moritz/Felde, TierSchG, 4. Aufl. 2023 § 16a Rn. 52).
32
2. Die Anordnung eines Haltungsverbots von Pferden in Ziff. 4 des Bescheids stützt sich zutreffend auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Danach kann demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nr. 1 dieser Vorschrift oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagt werden.
33
Zutreffend ist das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid davon ausgegangen, dass seitens der Klägerin wiederholte Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG und erhebliche Mängel in der Tierhaltung vorlagen. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter 1. sowie im Verfahren Az. B 1 S 21.1221 Bezug genommen. Für die Untersagung der Tierhaltung ist maßgebend darauf abzustellen, ob im Rahmen einer Prognoseentscheidung Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende weiterhin Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen begehen wird (BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2021 – juris Rn. 10). Diese Maßnahme dient dazu, künftige Verstöße zu vermeiden, weshalb gegen die vom Landratsamt vorgenommene Gefahrenprognose keine rechtlichen Bedenken bestehen. Denn haben sich im Verantwortungsbereich der Klägerin – wie vorliegend – bereits wiederholte Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben ereignet, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Das Verbot der Pferdehaltung setzt im Fall gravierender und zahlreicher Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen und Anordnungen die bloße Gefahr voraus, dass die Tiere andernfalls erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen erleiden (BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 9 CS 17.456, BeckRS 2017, 124750). Aus der sich nach Auffassung der Kammer als rechtmäßig erweisenden Anordnung in Ziff. 1, wonach die Klägerin die von ihr gehaltenen Pferde wegen der tierschutzwidrigen Haltung abzugeben hat, ergibt sich zugleich, dass sie – ohne eine gravierende Änderung der Sachlage bzw. eine derzeit nicht gegebene Einsichtsfähigkeit – auch zukünftig für eine Pferdehaltung als nicht geeignet erachtet wird.
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Die Forderung nach Vorlage eines Sachkundenachweises für den Fall, dass die Wiedergestattung der Pferdehaltung beantragt werde, stützt sich auf § 16a Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 TierSchG.
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3. Die Anordnungen unter Ziffn. 1 bis 4 lassen keine Ermessensfehler erkennen. Sie sind insbesondere geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig, auf Dauer die Einhaltung der Anforderungen des § 2 TierSchG zu gewährleisten. Andere, mildere Mittel kommen deshalb, wie bereits ausgeführt, nicht in Betracht.
36
4. Die Androhung unmittelbaren Zwangs in Bezug auf eine Duldung der Wegnahme und Veräußerung der Tiere sowie die Einhaltung des Haltungsverbots ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat tragfähig und nachvollziehbar begründet, weshalb es im vorliegenden Fall „mildere“ Zwangsmittel nicht für geeignet und zielführend hält (vgl. S. 8 des streitgegenständlichen Bescheids). Gegen diese Ausführungen bestehen keine Bedenken.
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5. Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.