Titel:
Haftung des Aufsichtsrats
Normenketten:
AktG § 93 Abs. 2 S. 1, § 116 S. 1, § 117 Abs. 2 S. 1
BRAO § 43a Abs. 4
ZPO § 88
Leitsätze:
Ein Anspruch aus § 116 S. 1 AktG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG liegt nicht vor, wenn der Beklagte zwar seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt hat, jedoch kein kausaler Schaden nachgewiesen werden konnte. Dies gilt insbesondere, wenn die wirtschaftliche Lage der AG bereits kritisch war und die Insolvenz nicht auf das Verhalten des beklagten Aufsichtsrats zurückzuführen ist. (Leitsatz der Redaktion) (Rn. 37 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Interessenwiderstreit iSv § 43a Abs. 4 BRAO vorliegt, ist objektiv zu bestimmen, die Norm unterliegt nicht der Disposition der Parteien. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages zieht nicht die Nichtigkeit der Prozessvollmacht nach sich. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anwaltsvertrag, Nichtigkeit, Prozessvollmacht, kausaler Schaden, Aufsichtsrat, Haftung
Fundstellen:
ZInsO 2025, 420
FDInsR 2024, 024359
BeckRS 2024, 24359
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 1.788.390,04 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Organhaftung wegen des Vorwurfs von Pflichtverletzungen durch den Beklagten.
2
1. Der Beklagte war ab dem 15.12.2016 Mitglied des Aufsichtsrats der S1. AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft), deren Aktien im Freiverkehr der Börsen Düsseldorf und Frankfurt gehandelt wurden. Der Geschäftszweck der Gesellschaft bestand darin, Unternehmen und Geschäftsbetriebe zu erwerben, die sich in Insolvenzsituationen befanden, um sie nachfolgend zu sanieren. So erwarb die S1. AG zum 1.7.2016 aus dem insolventen Modekonzern S. den Geschäftsbetrieb des Unternehmens D. M.. Hierzu wurde eine Struktur innerhalb der S1.-Unternehmensgruppe geschaffen, wonach die S1. AG 100% der Anteile an der St. Verwaltungs- und Beratungs GmbH hielt, die wiederum jeweils alle Geschäftsanteile der St. ... GmbH, der S2. V. GmbH und der St. T1. GmbH hielt. Weiterhin hielt die Gesellschaft 100% der Anteile an der S. Financial Services GmbH und 50,094% der Anteile an dem Produzenten für Glas- und Fensterprofile H..
3
Mit Schreiben vom 2.7.2018 (Anlage K 13) an den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn C1. M2. Kr., legte der Beklagte sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender mit sofortiger Wirkung nieder.
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Alleiniger Vorstand der S1. AG war nach der Beendigung der Vorstandstätigkeit der Herren S. Sch. und Dr. E1. G1. am 13.5.2017 bzw. am 30.6.2017 der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin, Herr Dr. P. F. . Dieser erkrankte im April 2018 an Influenza und erlitt im Mai 2018 infolge eines schweren Verlaufes eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung. Mit Schreiben vom 29.5.2018 teilte er die Niederlegung seines Amtes mit Wirkung zum Ablauf des 6.6.2018 mit. Diesen Umstand teilte die Gesellschaft mit Ad hoc-Mitteilung vom 30.5.2018 (Anlage B 2) an die Kapitalmärkte mit. Zum Nachfolger bestellte der Aufsichtsrat der S1. AG Herrn T2. R3. In der Sitzung des Aufsichtsrats vom 8.6.2018 wurde Herr R1. gefragt, ob er bereit wäre, zu den mit dem Aufsichtsratsmitglied R. E. besprochenen Konditionen das Amt zu übernehmen. Angesichts einer Diskussion über die Liquiditätslage der St. ... GmbH erbat sich Herr R1. ausweislich des vom Beklagten unterschriebenen Protokolls dieser Sitzung (Anlage B 25) Bedenkzeit über das Wochenende. Aus einem das Datum „11.6.2018“ tragenden Protokoll einer Sitzung des Aufsichtsrats (Anlage K 12) ergab sich die Bestellung von Herrn R1. zum Vorstand der S1. AG.
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Die Klägerin entstand durch formwechselnde Umwandlung der S1. AG aufgrund des Insolvenzplans vom 7.7.2021, rechtskräftig seit dem 4.4.2022; die Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts – Registergericht – München erfolgte am 10.8.2022 (Anlage K 16).
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2. Am 4.6.2018 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats der Beklagten statt, in deren Verlauf ein Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei B. B. vom 3.6.2018 (Anlage K 8) eintraf, mit dem im Namen der St. ... GmbH ein durch die 4C G2. AG verursachter Schaden in Höhe von über € 13,5 Mio. geltend gemacht wurde. Hintergrund der Forderung waren nach dem Anwaltsschreiben fehlerhafte Beratungsleistungen der S1. AG gegenüber der St. ... GmbH, die die S1. AG im Wesentlichen durch die 4C G2. AG als Unterbeauftragte erbringen ließ. Vorstand der 4C G2. AG, die mittelbare Aktionäre der S1. AG mit einem Anteil am Grundkapital von 12,7% war, war Herr M3. Schn.. Dieser gehörte zunächst vom 22.10.2014 bis zum 6.5.2016 dem Aufsichtsrat der Gesellschaft an und wechselte am 24.5.2016 in den Vorstand der S1. AG, dem er bis zum 15.10.2016 angehörte.
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Im Anschluss an diese Sitzung vom 4.6.2018 führte der Beklagte am 5.6.2018 ein Gespräch in den Räumen einer die 4C G2. AG beratenden Anwaltskanzlei, an dem der Beklagte für die S1. AG und für die 4C G2. AG ihr Vorstand M. Schn. sowie Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. G3. S3. aus der Kanzlei der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten teilnahmen. Bei diesem Gespräch skizzierte der Beklagte die aktuelle Situation der Gesellschaft mit der Amtsniederlegung des damaligen Alleinvorstandes und der noch nicht gelösten Nachfolgefrage. Zudem verwies er auf das Scheitern des letzten nennenswerten Investments der S1. AG in die St. ... GmbH mit deren wohl unmittelbar bevorstehender Insolvenz. Im Zusammenhang mit der Schilderung der Forderung der St. ... GmbH über € 13,5 Mio. fragte der Beklagte nach, ob die 4C G2. AG zu kurzfristigen Zahlungen in Höhe von rund € 3 Mio. bereit sei.
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Mit E-Mail vom 6.6.2018 (Anlage Ast 12 im Anlagenkonvolut B 3) widerrief die 4C G2. AG eine am 4.3. 2018 zuvor gegebene Stundungsvereinbarung gegenüber der S1. AG in Bezug auf zwei Honorarforderungen in Höhe von insgesamt € 743.636,85 unter Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen der Stundung bezüglich der Honorarforderungen und forderte die S1. AG zur sofortigen Zahlung dieses Betrages auf, wobei diese E-Mail um 20.47 Uhr an den Vorstand Dr. F. gesandt wurde.
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Zuvor hatte Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. S3. am 6.6.2018 um 20.00 Uhr eine E-Mail an den Beklagten (Anlage K 10) geschickt, die eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts des Gesprächs vom 5.6.2018 enthielt und dessen inhaltliche Richtigkeit der Beklagte sodann mit E-Mail vom 6.6.2018 um 21.27 Uhr bestätigte.
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3. Mit Schreiben von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. S3. vom 7.6.2018 (Anlage K 14) stellte die 4C G2. AG einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S1. AG unter Hinweis auf eine fällige Forderung gegen die Gesellschaft in Höhe von € 743.636,85 und deren insolvenzrechtlicher Fälligstellung vom 6.6.2018. Zudem enthielt der Antrag einen Hinweis auf liquide Mittel in Höhe von etwa € 40.000,-. Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – München übermittelte mit einem an den Beklagten adressierten Schreiben vom 7.6.2018 (Anlage K 44) per Telefax den Insolvenzantrag an den Beklagten und setzte eine Frist zur Stellungnahme innerhalb von einer Woche ab Zustellung. Am 8.6.2018 fand daraufhin eine Telefonkonferenz statt, an der mit Ausnahme von Herrn C2. K1. die Mitglieder des Aufsichtsrats sowie Herr T2. R1. teilnahmen und in der insbesondere über die Notwendigkeit einer Ad hoc-Mitteilung sowie die Möglichkeit eines Eigenantrags der Gesellschaft diskutiert wurde.
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Mit Beschluss vom 19.7.2018, Az. 1513 IN 1493/18 bestellte das Amtsgericht – Insolvenzgericht – München Herrn Rechtsanwalt Dr. H. A. zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der S1. AG mit Zustimmungsvorbehalt und mit weiterem Beschluss vom 1.8.2018 bezogen auf das wesentliche Vermögen der Gesellschaft zum vorläufigen (teilweise starken) Insolvenzverwalter. Herr Rechtsanwalt Dr. A. war in dem Antrag neben anderen Rechtsanwälten als (starker vorläufiger) Insolvenzverwalter vorgeschlagen worden. Am 10.10.2018 stellte das frühere Vorstandsmitglied S. Sch. gleichfalls einen Insolvenzantrag gegen die S1. AG aufgrund einer vom Landgericht München I, Az. 5HK O 12722/17 in einem Vorbehalts-Anerkenntnisurteil titulierten Forderung über insgesamt € 86.634,10 nebst Zinsen und Kosten. Mit Anerkenntnisurteil vom 17.4.2023, Az. 5HK O 10646/22 wurde das Vorbehalts-Anerkenntnisurteil vom 21.12.2017, Az. 5HK O 12722/17 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – München eröffnete mit nach Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde durch das Landgericht München I mit Beschluss vom 25.1.2019, Az. 14 T 298/19 (Anlage B 11) rechtskräftigen Beschluss vom 15.11.2018, Az. 1513 IN 1493/18 (Anlage B 12) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S1. AG auf der Grundlage dieser beiden Anträge. Ein weiterer Antrag der D. E2. GmbH vom 28.7.2017 wurde als unzulässig zurückgewiesen.
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Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Dortmund eröffnete mit Beschluss vom 1.9.2018, Az. 254 IN 81/18 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der St. ... GmbH.
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4. Im Jahr 2018 stand die S1. AG in Verhandlungen über den Erwerb des Biodiesel produzierenden Unternehmens GBF German B1. GmbH (im Folgenden auch: GBF GmbH). Die dieses Unternehmen finanzierende D. K2. AG machte ihr gesamtes Engagement bei der GBF GmbH in Höhe von insgesamt € 26,5 Mio. für einen unteren einstelligen Millionenbetrag abtreten, obwohl die GBF GmbH zur Zinszahlung in der Lage war. Unter dem 21.3.2018 und dem 4.4.2018 gab es Entwürfe für einen Kaufvertrag über Kreditforderungen und Sicherheiten zwischen der D. K2. AG als Verkäufer, der S1. AG als Käuferin und der GBF GmbH als Kreditnehmerin, die die Rechtsanwaltskanzlei G4. für die Verkäuferin erstellt hatte. Unter dem 5.6.2018 teilte die D. K2. AG mit einer E-Mail (Anlage K 23) an Herrn Dr. F. als Vorstand der S1. AG unter anderem Folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr Dr. F., wir haben uns mit den Gesellschaftern über Ihr Angebot gem. E-Mail vom 24.05.2018 verständigt.
Für die DKB AG kann ich Ihnen, vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien im Haus, mitteilen, dass wir uns eine Transaktion für den Gesamtkaufpreis von EUR 5,2 Mio. für Darlehen-DKB, Geschäftsanteile und Gesellschafterdarlehen vorstellen können. Voraussetzung einer Vorstellung beim Kompetenzträger ist weiterhin die Vorlage einer verbindlichen Finanzierungsbestätigung.
Nach Abstimmung zwischen EK- und FK-Geberseite muss jedoch eine andere bzw. direkte Allokation von Kaufpreisen auf Anteile und Forderungen erfolgen. Es bestehen zwischen EK- und FK-Geberseite keine Leistungsbeziehung für die von Ihnen vorgeschlagene Regelung. Das Schaffen einer solchen Regelung im Rahmen der Transaktion wird, aufgrund der dann evt. auftretenden steuerlichen Implikationen, von beiden Seiten abgelehnt.
Ferner haben wir die Gesellschafterseite so verstanden, dass die Haftung der Gesellschafter der GBF Bet und MVC sich betragsmäßig auf den jeweiligen erzielten Kaufpreis für die Anteile begrenzt. Hinsichtlich den Garantien und Haftungssummen verwiesen die Gesellschafter auf den Kaufvertragsentwurf von Herrn Sch1..
Die GBF Bet und MVC haben uns Ihre Vorstellung für die Kaufpreise mitgeteilt. Ich habe die Gesellschafter gebeten, Ihnen die Vorstellung hinsichtlich der Kaufpreise für die Anteile bzw. Gesellschafterdarlehen gesondert mitzuteilen.
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Nach dem Abschluss eines Letter of Interest zwischen der R. Capital Management Ltd. (im Folgenden: R. Ltd.) und der S1. AG (Anlage K 24) über eine potenzielle Kaufpreisfinanzierung über eine NewCo von bis zu € 5 Mio. zur Unterstützung der Transaktion und zur Deckung eines potenziellen Working Capital und Liquiditätsbedarf der GBF GmbH von bis zu € 2 Mio. schickte die R. Ltd. am 8.6.2018 ein Schreiben (Anlage ASt 25) an den Vorstand der S1. AG, in dem sie unter anderem Folgendes ausführte:
„Sehr geehrter Herr Dr. F., wir nehmen Bezug auf unseren Letter of Interest vom B. Mai 2018 im Zusammenhang mit der von Ihnen angefragten Finanzierung des potentiellen Erwerbs der Anteile an der gbf g. b. GmbH, Pr. („GBF“) durch die S1. AG („S.“).
Wir hatten Ihnen bzw. Ihren Mitarbeitern fernmündlich zum 6. Juni 2018 dargelegt, dass wir eine solche Akquisitionsfinanzierung nicht darstellen können, denn wir wollen nicht auf den Cash-Flow der GBF sondern deren Asset Basis abstellen. Was allerdings funktionieren kann, ist eine Asset-Backed Finanzierung des NWC/Anlagevermögens der GBF (verbunden mit der teilweisen Ablöse der bestehenden Finanzierung durch die DKB), während die Akquisition der Anteile durch die S1. AG selbst bzw. eine Finanzierung auf Ebene der S1. AG erfolgen muss (die „Transaktionsstruktur“).
Wir freuen uns Ihnen im Namen des PR. C. Debt SCS, SICAV-FIS R. Recovery Sub-Fund (der „Fonds“) ein Finanzierungsangebot für diese Transaktionsstruktur unterbreiten zu dürfen. Auf Basis der uns bis heute vorgelegten Informationen und den Gesprächen mit dem Management von GBF sowie mit Branchenexperten, hat unser Investment-Komitee die Ausreichung eines besicherten Darlehens in Höhe von nominal EUR 4.725.000,00 („Asset-Backed Finanzierung“) an die GBF genehmigt.
Die Auszahlung, d.h., nach Abzug eines Disagios („OID“), in Höhe von EUR 4.000.000,00 („Auszahlungsbetrag“) ist an folgende Bedingungen geknüpft:
- Bestätigung der Fonds-Verwaltung zur Genehmigung der durch R. Capital Management Ltd vorgeschlagenen Asset-Backed Finanzierung
- Mindesteigenkapitalbeitrag seitens der S1. AG
- Nachweis der Finanzierung des Mindesteigenkapitalbeitrags
- Notarisierte Kaufvertrag für die Anteile an der GBF
- Positive Sanierungsfähigkeitsbestätigung unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur für die GBF auf Basis eines IDW S6 Gutachtens im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtssprechung („IDW S6“), wobei der IDW S6 Gutacher ein von uns vorgeschlagener bzw. eine unter unserer Zustimmung zu bestellende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu sein hat ROBUS
- Verbindliche Forderungsverzichtserklärung durch die DKB, und in diesem Zusammenhang
- Verbindliche Steuerauskunft in Bezug auf den aus dem Verzicht der DKB zu erwartenden Sanierungsgewinn
- Sicherheitenfreigabeerklärung (inkl. Notwendiger Dokumentation und Urkundenlöschung) durch die DKB
- Finale Due Diligence auf (i) Versicherungsschutz (ii) Umweltauflagen und (iii) 2017 Bilanztestat der GBF
- Final verhandelte und zur Zufriedenheit des Fonds (und im Einklang mit den Auflagen des IDW S6) erstellte Sicherheiten- und Finanzierungsdokumentation
- Verbindliche Kostenübernahmeerklärung und Mandatsvereinbarung zur Dokumentation und finale Verhandlung der Finanzierungs- und Sicherheitendokumentation zwischen R. Capital Management Ltd. Als Investment Manager des Fonds, der von uns ernannten Anwaltskanzlei sowie GBF und/oder S..
Das Darlehen ist dabei ähnlich einer Borrowing Base Finanzierung zu strukturieren, wonach der zukünftig verfügbare Rahmen von der Entwicklung des Working Capital definiert als frei verfügbare Kassenposition plus Vorräte plus Forderungen aus LL abzüglich Verbindlichkeiten aus LL, „Working Capital“) der GBF abhängig ist.
Um ausreichende Liquidität der GBF sicherzustellen, wird bei Abschluss der Transaktion („Closing “) ein Teil des Auszahlungsbetrages in ein separates Konto mit zustimmungspflichtiger Verfügungsbeschränkung (entsprechend Borrowring Base Cover Test) eingezahlt (der „Liquiditätspuffer “). Die Höhe dieser Einzahlung setzt sich aus a) einem Liquiditätspolster in Höhe von EUR 500.000,00 und (b) dem Unterschiedsbetrag vom Working Capital bei Closing und dem Höchststand des Working Capital der letzten 24 Monate (und der prognostizierten 12 Monats-Vorschau) zusammen.
Der gegenüber dem Auszahlungsbetrag und diesem Liquiditätspuffer enstehende Differenzbetrag steht als Rückzahlung der DKB Verbindlichkeiten (Zug um Zug zur Freigabe der Sicherheiten und verbindlichen Verzichtserklärung) zur Verfügung. Auf den Restbetrag muss die DKB vollständig und verbindlich verzichten, noch bevor die Anteile auf die S1. AG übergehen. Die Rückzahlung könnte auf die DKB-Kreditlinien erfolgen, die nicht von der Bürgschaft des Landes Brandenburg gedeckt sind. Entsprechend würde der DKB die Bürgschaft gegebenenfalls zusätzlich zur Verfügung stehen.
Details zu den Ausstattungsmerkmalen des Darlehens finden Sie im beigefügten Term Sheet (siehe Annex 1).
Dieses Finanzierungsangebot gilt bis zum Ablauf des 22. Juni 2018. Wir glauben bis dahin die noch offenen Due Diligence Themen sowie die entscheidenen Diskussionen um den Mindesteigenkapitalbeitrag der S., die Auswahl des IDW S6 Gutachters sowie die entsprechend notwendige Zustimmung der DKB mit Ihnen lösen zu können.
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In der Fußnote 1 wurde noch folgendes ausgeführt:
„Wir würden nach bisheriger Recherche erwarten, dass ca. EUR 2,0 Mio. an die DKB aus der Ablöse fließen.“
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5. Mit Verträgen vom 3.6.2023 (Anlage K 17 und K 18) traten der Geschäftsführer der Klägerin, die SL Vermögensverwaltung UG (haftungsbeschränkt) und die PF Vermögensverwaltung und Beratung GmbH ihre Ansprüche auf Schadensersatz aus Kursverlusten von durch die von ihnen gehaltenen Aktien und die an die S. Verwaltung und Beratung GmbH im Rahmen des Insolvenzplans abgetretenen Ansprüche von Herrn Dr. F. aus Dienstvertrag entsprechend dem Urteil des Landgerichts München I vom 29.4.2020, Az. 5HK O 15789/18 an die Klägerin ab.
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten dieser Abtretungserklärungen wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Anlagen K 17 und K 18.
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Zur Begründung ihrer am 10.6.2023 beim Landgericht München I eingegangenen und am 8.8.2023 zugestellten Klage, die ihr Prozessbevollmächtigter unterzeichnet hat, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu, weil dieser durch die Gespräche mit der 4C G2. AG am 5.6.2018 seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt habe. Die Mitteilung über die Amtsniederlegung von Herrn Dr. F. und zu sensiblen Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft mit einer gegen sie gerichteten Forderung in Höhe von € 13,2 Mio. stelle sich als Geheimnis dar, das der Beklagte rechtswidrig verraten habe. Ebenso habe er ohne einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats gehandelt. In der Aufsichtsratssitzung vom 4.6.2018 seien die Mitglieder des Aufsichtsrats übereingekommen, aufgrund der hervorragenden persönlichen Beziehungen des Beklagten zu Herrn M3. S4. habe dieser als (neuer) Aufsichtsratsvorsitzender ein Gespräch mit der 4C G2. AG terminlich koordinieren und dieses Gespräch zusammen mit Herrn R1. als designiertem Vorstand führen sollen, wobei man bereits in der Sitzung vom 4.6.2018 übereingekommen sei, Herrn R1. zum Vorstand zu bestellen. Die Zielsetzung eines solchen gemeinsamen Gespräches hätte darin liegen sollen, die Resultate der Fehleranalyse im Hinblick auf eine (Regress-)Lösung bei der 4C G2. AG zu suchen; dabei hätte auch zu Schadensersatzansprüchen eine Einigung versucht werden sollen. Eine Protokollierung dieser Entscheidung zum konkret beschlossenen Vorgehen habe der Beklagte unterlassen. Entgegen dieser ausdrücklichen Festlegung habe der Beklagte einen Alleingang unternommen und ohne Abstimmung mit anderen Funktionären der S1. AG das Gespräch am 5.6.2018 geführt. Angesichts des Insolvenzantrags vom 7.6.2018 müsse der Beklagte unter die Verschwiegenheitspflicht fallende Informationen zur Liquiditätslage der Gesellschaft in dem Gespräch offenbart haben.
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Am 11.6.2018 habe der Beklagte sodann nachträglich den Beschluss des Aufsichtsrats hinsichtlich der Bestellung von Herrn R1. zum Vorstand protokolliert, obwohl an diesem Tag keine Aufsichtsratssitzung stattgefunden habe und kein neuer Beschluss gefasst worden sei.
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Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe auch die laufenden geschäftlichen Bemühungen der Gesellschaft und die kurz vor dem Abschluss stehende Transaktion zum Erwerb des Biodiesel-Unternehmens GBF GmbH negativ beeinflusst; auch habe der Schaden der St. ... GmbH nicht mehr reguliert werden können, weshalb auch für diese die Insolvenz habe angemeldet werden müssen. Die Gesellschaft hätte die hohen und sehr werthaltigen Forderungen der GBF GmbH gegen große Ölförderungsgesellschaften so beleihen können, dass sie nicht nur die Kaufpreise für die Darlehensablösungen und Geschäftsanteile hätte finanzieren können, sondern auch einen Übererlös erzielt hätte. Als Folge der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 19.7.2018 habe der Vorstand nicht mehr agieren und sich daher keine liquiden Mittel verschaffen können. Angesichts eines Kontostandes der S. F. S.GmbH von € 172.304,23 am 10.7.2018 hätte der Vorstand der Gesellschaft über einen Cash Pooling-Vertrag jederzeit die Möglichkeit gehabt, Vollstreckungshandlungen von Herrn S5. durch vorläufige Zahlungen zu vermeiden. Anfang August habe die Gesellschaft über Umsatzsteuererstattungsansprüche von € 201.350,93 verfügt. Valide Forderungen gegen die L. I. AG in Höhe von € 1.376.872,35 aus einem Kaufvertrag seien angesichts der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht liquidierbar gewesen. Der fehlende Insolvenzgrund resultiere auch aus dem noch im vorläufigen Verfahren vertraglich zugesicherten Hingabe von Darlehen durch Herrn R2. über € 400.000,- und Herrn E3. in Höhe von € 50.000,-.
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Infolge des Geheimnisverrats sei der Vertrag über die Transaktion mit der GBF GmbH nicht zustande gekommen und der S1. AG daher ein Schaden in Höhe von € 1,2 Mio. in Form entgangener Zuflüsse entstanden. Weiterhin könne die Klägerin infolge der Abtretung der titulierten Gehaltsansprüche von Herrn Dr. F. an sie den diesem aus der Nichterfüllung dieser Forderung entstandenen Schaden ebenso im Wege der Feststellungsklage geltend machen wie die Minderung des Unternehmenswerts der Gesellschaft aus der Differenz zwischen dem Kurs von € 3,20 am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Kurs am Tag des Delisting durch den Insolvenzverwalter von nur mehr € 0,03. Einen Wertverlust aus Aktien als Folge der Pflichtverletzungen des Beklagten hätten auch der Geschäftsführer der Klägerin, die SL Vermögensverwaltung UG (haftungsbeschränkt) und die PF Vermögensverwaltung und Beratung GmbH erlitten.
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Verjährung der Ansprüche könne nicht eingetreten sein, weil der Schaden nicht vor dem 10.6.2018 entstanden sei, weil hier offen sei, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führe. Die Haftungsgrundlage könne vor Kenntnisnahme des Fremdinsolvenzantrags am 11.6.2018 nicht mehr erkennbar gewesen sein auch angesichts der Adressierung an den Aufsichtsrat. Die tatsächlichen Wirkungen seien erst durch die gerichtlichen Maßnahmen vom 19.7.2018 eingetreten.
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Die Klägerin beantragt daher:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.200.000,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch die Stellung des Insolvenzantrages der 4C G2. AG über das Vermögen der S1. AG vor dem Amtsgericht München vom 7.6.2018 – sowie, soweit zurechenbar, die durch die Folgen dieses Insolvenzantrages – eingetretenen wirtschaftlichen Schäden zu ersetzen.
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III. Die Beklagte beantragt demgegenüber:
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Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, der Klage fehle die Zulässigkeit und der Beklagte habe seine Pflichten nicht schuldhaft verletzt. Die Klage sei wegen fehlender qualifiziert elektronischer Signierung nicht wirksam eingereicht; der Feststellungsklage fehle das Feststellungsinteresse, weil die nicht erfüllten Forderungen des Geschäftsführers der Klägerin sowie der Wertverlust der Aktien bezifferbar seien und daher der Vorrang der Leistungsklage gelte. In jedem Fall aber seien die Voraussetzungen des Angebots aus Organhaftung nicht erfüllt. Der Beklagte habe keine Geheimnisse verraten, nachdem die wirtschaftlich schwierige Lage der S1. AG der 4C G2. AG schon seit Ende Mai 2018 aufgrund des zwischen diesen beiden Gesellschaften bestehenden Beratungsvertrages und der Stundungen der Honorarforderungen bekannt gewesen sei. Der Aufsichtsrat habe in seiner außerordentlichen Sitzung vom 4.6.2018 beschlossen, der Kläger solle das Gespräch mit Herrn S4. von der 4C G2. AG suchen, um Lösungswege im Interesse der Gesellschaft zu sondieren bzw. kurzfristig zu realisieren; eine Teilnahme von Herrn R1. sei nicht vorgesehen gewesen. Gleichfalls bekannt gewesen sei infolge der Ad hoc-Mitteilung vom 30.5.2018 die Amtsniederlegung durch Herrn Dr. F. mit Ablauf des 6.6.2018. Durch die Insolvenz habe die Gesellschaft keinen Schaden erlitten. Die Transaktion mit der GBF GmbH habe gerade nicht kurz vor dem Abschluss gestanden und auch keinen Gewinn erbracht. Die infolge eines Kursverlustes eingetretenen Schäden könne die S1. AG nicht vom Aufsichtsrat verlangen, was auch für die Vergütung von Herrn Dr. F. gelte. Die Kausalität werde an mehreren Stellen unterbrochen. Das Nichtzustandekommen einer vergleichsweisen Regelung habe im unternehmerischen Scheitern der Gesellschaft gelegen; die 4C G2. AG sei bereits vor dem Gespräch am 5.6.2018 zur Stellung eines Fremdinsolvenzantrags entschlossen gewesen, wie die E-Mail von Herrn Rechtsanwalt Dr. B2. vom 5.6.2018 um 0.08 Uhr mit einem ersten Entwurf eines entsprechenden Antrags belege. Der Antrag könne auch nicht dazu dienen, die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche der S1. AG gegen die 4C G2. AG zu verhindern; vielmehr habe diese ihren eigenen Anspruch durchsetzen wollen. Die Kausalität fehle auch wegen des erfolgreichen Insolvenzantrags von Herrn Schwarzkopf. Auch ohne das Gespräch mit der Beklagten oder bei einer Teilnahme von Herrn R1. wäre das Insolvenzverfahren in gleicher Weise eingetreten, nachdem das Insolvenzgericht die Insolvenzeröffnung tragend auf den weiteren Antrag von Herrn S5. gestützt habe.
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In jedem Fall aber seien die Ansprüche verjährt, weil Herr Dr. F. am 6.6.2018 Kenntnis von dem Gespräch und dem Inhalt erlangt habe und die 4C G2. AG ihre Forderung durch E-Mail vom 6.6.2018, 20.47 Uhr fällig gestellt habe. Dabei reiche für die Entstehung des Schadens eine Verschlechterung der Vermögenslage aus.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.1.2024 (Bl. 265/258 d. A.).
Entscheidungsgründe
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Die im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachten Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet. Dabei kann die Kammer den Vortrag der Beklagten in vollem Umfang berücksichtigen; die Vorschrift des § 43 a Abs. 4 BRAO steht dem nicht entgegen. Die Vollmacht an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten entfaltete Wirksamkeit. Nach dem Vortrag der Parteien erscheint bereits fraglich, inwieweit von der Nichtigkeit des vom Beklagten mit seinen Prozessbevollmächtigten abgeschlossenen Anwaltsvertrages ausgegangen werden, weil ein Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO nicht zwingend anzunehmen ist. Aufgrund dieser Vorschrift darf der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Dies gilt indes nur, wenn die Vertretung in derselben Rechtssache erfolgt, weil es dem berufsrechtlichen Begriff der „widerstreitenden Interessen“ wesenseigen ist, dass diese Interessen aus einem identischen Lebenssachverhalt stammen (vgl. nur Träger in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 43 a Rdn. 60; Kleine-Cosack, BRAO, 6. Aufl., § 43 a Rdn. 94; Offermann-Burckhardt AnwBl 2005, 312 ff.) Dieselbe Rechtssache liegt dann vor, wenn die Tatsachen, die den in der Rechtssache maßgeblichen Interessen zugrunde liegen, zumindest teilidentisch sind. Eine bloße Überschneidung der Lebenssachverhalte reicht nicht aus; es muss vielmehr auf die Identität der rechtlich erheblichen Umstände ankommen. Grundlage dieser Regelung sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 27 f.). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Ein Rechtsanwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, verliert jegliche unabhängige Sachwalterstellung im Dienste der Rechtssuchenden; auch über das individuelle Mandatsverhältnis hinaus ist die Rechtspflege allgemein auf die Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung angewiesen (so BVerfGE 108, 150, 161 f. = NJW 2003, 2520, 2521 = BB 2003, 2199, 2200 = FamRZ 2003, 1539, 1540 = AnwBl 2003, 521, 523; auch BGH NJW 2012, 3039, 3040 = FamRZ 2012, 1563, 1564 = AnwBl 2012, 769, 770). Angesichts des Wortlauts von § 43 a Abs. 4 BRAO und des Schutzgedankens in Richtung nicht nur auf die Interessen des Mandanten, sondern auch auf die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die Wahrung der Interessen der Rechtspflege können die Parteien hierüber nicht disponieren, weshalb ein Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich zieht, auch wenn es sich „nur“ um ein einseitiges Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handelt (vgl. BGH NJW 2016, 2561 f. = ZIP 2016, 1443 f. = WM 2017, 537, 538 f. = MDR 2016, 855 = AnwBl 2016, 594 = VersR 2017, 1530 f.; OLG Karlsruhe NJW 2001, 3197, 3198 f. = FamRZ 2002, 37, 38 f.; Zuck in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 3 BORA Rdn. 36; Sack/Seibl in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 134 Rdn. 220). Die Interessen, die der Anwalt im Rahmen des ihm erteilten Auftrags zu vertreten hat, sind – entgegen einer in der älteren Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. BGHSt 5, 301, 307 = NJW 1954, 726, 727; NJW 1981, 1211, 1212; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 236 f.; KG NStZ 2006, 688) – angesichts des bereits oben geschilderten Normzwecks von § 43 a Abs. 4 BRAO objektiv zu bestimmen, weshalb sie auch nicht zur Disposition des Mandanten stehen können. Ob ein derartiger Interessenwiderstreit vorliegt, lässt sich indes nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilen und auch nicht ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der hiervon betroffenen Mandanten. Die Vorschrift des § 43 a Abs. 4 BRAO schränkt nämlich das Grundrecht der freien Berufsausübung eines Rechtsanwalts aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ihre Auslegung hat sich daher daran zu orientieren, dass jeder Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein muss und nicht weiter gehen darf, als die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange es erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen zudem in einem angemessenen Verhältnis stehen, weil die Gerichte dann, wenn sie Einschränkungen der grundsätzlich freien Berufsausübung für geboten erachten, an dieselben Maßstäbe gebunden sind, die auch im Rahmen der Auslegung von Art. 12 Abs. 1 GG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken. Im Interesse der Rechtspflege sowie eindeutiger und gradliniger Rechtsbesorgung verlangt § 43 a Abs. 4 BRAO lediglich, dass im konkreten Fall die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden wird (vgl. BVerfGE 108, 150, 164 = NJW 2003, 2520, 2521 f. = BB 2003, 2199, 2201 = FamRZ 2003, 1559, 1541 = AnwBl 2003, 521, 524 = MDR 2003, 1081, 1082). Damit aber würde das bloße Anknüpfen an einen möglichen, tatsächlich aber nicht bestehenden (latenten) Interessenkonflikt gegen das Übermaßverbot verstoßen und wäre folglich unzulässig (vgl. BGH NJW 2012, 3039, 3041 = FamRZ 2012, 1563, 1564 f. = AnwBl 2012, 769, 770). Ob hier tatsächlich ein Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO vorliegt, erscheint fraglich, nachdem die Vertretung im Prozess deutlich nach dem Gespräch vom 5.6.2018 begann. Letztlich kann diese Frage jedoch offenbleiben, weil selbst bei Annahme der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages dies nicht die Nichtigkeit der Prozessvollmacht nach sich ziehen würde. Es entspricht anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Wirksamkeit der einem Rechtsanwalt erteilten Vollmacht und der von ihm namens der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen unabhängig vom Zustandekommen oder von der Wirksamkeit des Anwaltsvertrages ist, wobei dies sowohl für die streitige wie auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit gilt. Mögliche Mängel des Grundgeschäftes schlagen auf die Verfahrensvollmacht grundsätzlich nicht durch. Die nach außen wirkende Verfahrensvollmacht wird allein durch die Zivilprozessordnung geregelt. Bei einer Erstreckung der Nichtigkeitsfolge des Anwaltsvertrags auf die Prozessvollmacht würde das Vertrauen der Beklagten sowie der übrigen Verfahrensbeteiligten, dass die Prozesshandlungen des von ihr beauftragten Anwalts wirksam sind, außer Acht gelassen (vgl. BGH NJW 1993, 1926,; WM 2009, 1296, 1297 f. = NJW-RR 2010, 67 f.; ZIP 2017, 1377 = WM 2017, 1472, 1473 = DB 2017, 1710, 1711; OLG München AnwBl. 2009, 868, 869). Angesichts dieser überzeugenden, in Einklang auch mit der Zivilrechtsdogmatik der Trennung des Kausalgeschäfts von der Vollmacht in Einklang stehenden Ansicht vermag die Kammer der von der Antragsgegnerin zitierten Mindermeinung aus der Instanzrechtsprechung und Teilen der Literatur vertretenen Gegenauffassung (so LG Hamburg NZI 2007, 415; AG Duisburg NZI 2007, 728, 731; Ehricke in: Münchener Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 76 Rdn. 23 für die Vertretung in der Gläubigerversammlung) nicht zu folgen.
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Die Klagen sind zulässig.
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1. An der wirksamen Klageerhebung besteht kein Zweifel, auch wenn die Klageschrift nicht gemäß § 130 a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO qualifiziert elektronisch signiert eingereicht wurde. Da die Klageschrift vom 10.6.2016 indes vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschrieben und per beA auf einem sicheren Übermittlungsweg beim Landgericht München I eingereicht wurde, sind die Voraussetzungen des § 130 a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 2. Alt. und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO erfüllt.
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2. Auch die Feststellungsklage ist zulässig.
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a. Bei der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schadensersatzanspruchs einer Aktiengesellschaft gegen eines ihrer Aufsichtsratsmitglieder handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, weil es dabei um die aus einem konkreten Lebenssachverhalt resultierende Beziehung zwischen zwei Personen geht, die ein mit materieller Rechtskraft feststellbares subjektives Recht enthält (vgl. BGH MDR 2021, 1546 = NZBau 2022, 20, 21 = ZfBR 2022, 37, 38 = NJOZ 2022, 537, 538; Zöller-Greger, ZPO, 35. Aufl., § 256 Rdn. 4).
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b. Ebenso muss das Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bejaht werden. Zwar wird im Ausgangspunkt davon auszugehen sein, dass einer Feststellungsklage regelmäßig das Feststellungsinteresse fehlen wird, wenn eine Klage auf Leistung möglich ist. Dies gilt indes dann nicht, wenn die Klägerin nicht in der Lage ist, den ihrer Rechtsvorgängerin entstandenen Schaden genau zu beziffern. Davon muss hier indes ausgegangen werden, weil die genaue Schadenshöhe eine Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich machen würde, nachdem es um den Wert der Gesellschaft geht.
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1. Die auf Zahlung von € 1.200.000,- nebst Zinsen gerichtete Klage ist jedoch nicht begründet, weil der Klägerin in der Hauptsache kein entsprechender Zahlungsanspruch zusteht und damit auch kein Anspruch auf Verzugszinsen bestehen kann.
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a. Es besteht kein Anspruch aus §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, weil deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Aufgrund von § 116 Satz 1 AktG gelten für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder die Vorschrift des § 93 AktG mit Ausnahme von Abs. 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Demgemäß sind Mitglieder des Aufsichtsrats, die ihre Pflichten verletzen, gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG der Gesellschaft als Gesamtschuldner zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies lässt sich hier jedoch nicht bejahen.
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(1) Zwar muss im Ausgangspunkt davon ausgegangen werden, dass der Beklagte seine Pflichten als Aufsichtsrat verletzt hat, wenn er ohne Mandat des Vorstands mit Dritten Verhandlungen zur Lösung eines rechtlichen Konflikts führt. Der Beklagte hat als Aufsichtsrat die sich aus dem Aktiengesetz ergebende Kompetenzordnung zu beachten; überschreitet er diese, begeht er eine Pflichtverletzung. Vergleichsverhandlungen gehören zum operativen Aufgabenbereich des Vorstandes und können nicht vom Aufsichtsrat oder einem Mitglied des Aufsichtsrats wahrgenommen werden, solange es jedenfalls kein Mandat des allein zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufenden Vorstandsmitglieds gibt. Vorliegend hat der Beklagte nichts dazu vorgetragen, er sei von Herrn Dr. F. als am 5.6.2018 allein amtierendes Vorstandsmitglied mit dem Gespräch beauftragt worden. Ungeachtet seiner sehr ernsten Erkrankung war Herr Dr. F. zur Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben durchaus noch in der Lage, wie sich beispielsweise aus dem vom Beklagten selbst vorgelegten Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 8.6.2018 ergibt, in der auf eine E-Mail von Herrn Dr. F. vom 7.6.2018 (Anlage B 27) Bezug genommen wird, in der er bestimmte Annahmen zu Zahlungseingängen bei der Gesellschaft mitteilte.
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Dem kann auch nicht die Vorschrift des § 15 a Abs. 3 InsO entgegengehalten werden, wonach im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist. Zum einen kann aus den soeben genannten Gründen bereits nicht von Führungslosigkeit ausgegangen werden, weil Herr Dr. F. erst mit Ablauf des 6.6.2018 sein Amt als Vorstand niedergelegt hatte. Zum anderen berechtigt § 15 a Abs. 3 InsO nur zur Stellung des Insolvenzantrags, ist aber nicht geeignet, die grundsätzliche Verteilung der Aufgaben zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in Frage zu stellen, wie eine Wertung des Gesetzes für den Fall der Verhinderung eines Vorstandsmitglieds zeigt. In einer solchen Situation, in der dem Aufsichtsrat die Absicht zur Amtsniederlegung ohnehin bereits bekannt ist, hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, auf der Grundlage von § 85 AktG einen Notvorstand durch das Amtsgericht bestellen zu lassen oder gemäß § 105 Abs. 2 AktG ein Mitglied des Aufsichtsrats zum Stellvertreter des fehlenden Vorstandsmitglieds zu bestellen.
38
Auf die weitere Frage, ob der Beklagten gegen seine aus § 116 Satz 2 AktG folgende Verschwiegenheitspflicht über vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse durch Äußerungen über die wirtschaftliche Situation der S1. AG verstoßen hat, kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Soweit es um die berechtigte Amtsniederlegung durch den Vorstand geht, fehlt es bereits an einer geheimhaltungsbedürftigen Tatsache, nachdem dieser Umstand bereits am 30.5.2018 an die Kapitalmärkte kommuniziert wurde.
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(2) Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden in Form der Nachteile aus der nicht zustande gekommenen Transaktion mit der GBF GmbH beruht jedoch nicht kausal auf dem Gespräch mit den Vertretern der 4C G2. AG am 5.6.2018. Kausal ist nach der conditio-sine-qua-non-Formel jedes Ereignis, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele; diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil es bis zum Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zum erfolgreichen Abschluss der Transaktion in Bezug auf die GBF GmbH gekommen wäre. Weder im Zeitpunkt des Insolvenzantrags vom 7.6.2018 noch der dann erfolgten Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 19.7.2018 hätte die Gesellschaft einen rechtswirksamen Vertrag mit durchsetzbaren Zahlungsansprüchen abschließen können. Ein unmittelbar bevorstehender Abschluss lässt sich weder der E-Mail der D. K2. AG vom 5.6.2018 noch dem Angebot der R. Ltd. vom 8.6.2018 entnehmen. Die D. K2. AG hatte in ihrem Schreiben lediglich ausgeführt, sich eine Transaktion vorstellen zu können – sie formulierte gerade nicht, dass der Transaktion bereits zugestimmt sei und nur noch die Zustimmung der Gremien fehle. Zudem verwies sie in ihrer E-Mail auf die Notwendigkeit der Abstimmung zwischen Eigenkapital- und Fremdgeberseite hinsichtlich der Aufteilung von Kaufpreisen auf Anteile und Forderungen. Damit aber kann von Abschlussreife und dem Fehlen weiterer zeitaufwendiger Verhandlungen nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig kann dem Schreiben von R. Ltd. vom 8.6.2018 eine unmittelbar bevorstehende Abschlussreife entnommen werden. Zwar hatte das Investment-Komitee die Ausreichung eines besicherten Darlehens in Höhe von nominal € 4.725.000,- an die GBF GmbH genehmigt, diese Auszahlung jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, zu denen insbesondere ein Mindestkapitalbeitrag seitens der S1. AG samt Nachweis von dessen Finanzierung gehörte. Dieses Finanzierungsangebot der R. Ltd. galt bis zum Ablauf des 22.6.2018, also für einen Zeitraum von lediglich zwei Wochen. Die wirtschaftliche Lage der S1. AG stellte sich zu diesem Zeitraum bereits als schlecht dar – unabhängig von der gegen sie gerichteten Schadensersatzforderung über € 13,2 Mio.. Die Stundung der Honorarforderung wurde widerrufen, so dass eine Zahlung von knapp € 740.000,-aufzubringen war. Aus dem Darlehensvertrag mit der S. Fensterprofil Verwaltungs- und Beratungs GmbH konnte eine Rückzahlung nicht erwartet werden, nachdem die Rückzahlungsforderungen hinsichtlich der Darlehensvaluta aus den Verträgen vom 24.11.2016 und vom 22.5.2017 bereits im Jahr 2017 endfällig waren und daher nicht zwingend mit einer Rückzahlung innerhalb der gesetzten Frist zu rechnen war. Ein Teileingang von € 200.000,- am 25.6.2018 nach Fristablauf ist nicht geeignet, die Bedingungen aus dem Schreiben der R. Ltd. zu erfüllen. Die Geschäftsanteilsabtretung vom 18.10.2018 betreffend die Anteile an der S. Fensterprofil Verwaltungs- und Beratungs GmbH erfolgte rund 4 ½ Monate nach dem Gespräch vom 5.6.2016 und nahezu vier Monate nach dem Ende der von R. Ltd. gesetzten Frist sowie etwa drei Monate nach dem Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München über die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Auch daraus kann für den maßgeblichen Zeitraum kein unmittelbarer Liquiditätszufluss erwartet werden.
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Angesichts dieser völlig offenen Vertragslage und der Erfüllung der Voraussetzungen zum Erwerb der GBF GmbH sieht die Kammer keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass beim Hinwegdenken des Gesprächs vom 4.6.2018 der Vertrag über den Erwerb der GBF-Anteile zustande gekommen wäre. Auch zeigt die an den Vorstand der 4C G2. AG gerichtete E-Mail vom 5.6.2018, 00.08 Uhr, mit der Herr Rechtsanwalt Dr. B2. aus der Kanzlei der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten einen ersten Entwurf des Fremdinsolvenzantrags der 4C G2. AG über das Vermögen der S. übermittelte, dass das Gespräch ohne Einfluss auf die Entscheidung zur Stellung des Insolvenzantrages war. Damit aber fehlt es an der Kausalität.
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(3) Das Insolvenzverfahren wurde zurecht mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München vom 15.11.2018 eröffnet, weshalb von der Zahlungsunfähigkeit der S1. AG auszugehen ist. Mit Beschluss vom 25.1.2019, Az. 14 T 298/19 (Anlage B 11) legte das Landgericht München I mit eingehender Begründung dar, dass im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt waren und von einer Unzulässigkeit des Antrags nicht ausgegangen werden könne. Im Falle der hier gegebenen Zahlungsunfähigkeit kommt es im Gegensatz zur Überschuldung im Sinne des § 19 InsO auf eine positive Fortführungsprognose nicht an. Von einer bloßen Zahlungsstockung konnte bei der Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Eine solche liegt vor, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür sind drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend. Bei einer Liquiditätslücke von 10% oder mehr ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werde und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. BGHZ 163, 134 … ab II. 2. = NJW 2005, 3062, 3064 f. = ZIP 2005, 1426, 1428 f. = WM 2005, 1468, 1469 ff. = DB 2005, 1787, 1788 ff. = BB 2005, 1923, 1924 ff. = NZG 2005, 811, 812 ff. = GmbHR 2005, 1117, 1119 ff. = DStR 2015, 1616, 1617 ff.).
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(a) Anfang August 2018 fällig werdende Umsatzsteuererstattungsforderungen gegen das Finanzamt M. sind nicht geeignet, die Zahlungsunfähigkeit abzulehnen. Dabei handelt es sich nämlich nicht um liquide Mittel, weil diese nicht innerhalb des obigen Zeitraums von drei Wochen liquidiert werden können (vgl. Mock in: Uhlenbrock, InsO, 15. Aufl., § 17 Rdn. 46).
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(b) Dasselbe gilt auch für Ansprüche aus dem Cash Pool-System, nachdem die Klägerin selbst vorgetragen hat, erst am 10.7.2018 habe die S. F. S. GmbH über einen Kontostand von € 172.304,23 verfügt. Abgesehen davon hätte in der Krise ein ungesichertes Darlehen nicht auch im Rahmen eines Cash Pool-Systems ausgereicht werden dürfen, weil es hier keinen vollwertigen Darlehensrückzahlungsanspruch gibt (vgl. BGHZ 179, 71, …Tz 13 =NJW 2009, 850, 852 = NZG 2009, 107, 108 f. = AG 2009, 81, 82 = ZIP 2009, 70, 72 = WM 2009, 78, 80 = DB 2009, 106, 107 = BB 2009, 118, 119 f. = GmbHR 2009, 199, 201 f. = Der Konzern 2009, 49, 51 = DNotZ 2009, 465, 467 f. – MPS; BGHZ 213, 224, … Tz 18 f. = NZG 2017, 344, 345 f. = AG 2017, 233, 235 = ZIP 2017, 472, 473 f. = WM 2017, 479, 480 f. = DB 2017, 536, 537 f. = BD 2017, 588, 589 = DZWIR 2018, 75, 77 = Der Konzern 2017, 204, 205; Cahn/v. Spannenberg in: BeckOGK AktG, Stand: 1.2.2024, § 57 Rdn. 42; Bayer in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 57 Rdn. 159 f.; Drinhausen in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 57 Rdn. 21).
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b. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG kann gleichfalls nicht bejaht werden. Es fehlt nämlich bereits an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 AktG. Nach dieser Vorschrift haftet derjenige, der vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft unter anderem ein Mitglied des Aufsichtsrats dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln. Eine solche Person, die Einfluss auf ein Mitglied des Aufsichtsrats hätte nehmen können, ist nach dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar, weil das Gespräch vom 5.6.2018 auf einer Initiative aus dem Aufsichtsrat der S1. AG beruhte. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 AktG haften neben dem Einflussnehmer auch die Mitglieder des Aufsichtsrats. Dies gilt allerdings nur, wenn es tatsächlich einen solchen Einflussnehmer gegeben hat (vgl. Schall in: BeckOGK AktG, Stand: 1.1.2023, § 117 Rdn. 29; Koch, AktG, 18. Aufl., § 117 Rdn. 10), was vorliegend nicht der Fall war. Abgesehen davon fehlt es aus den bereits oben unter II. 1. a. (2) genannten Voraussetzungen der Kausalität zwischen Handlung und Schaden.
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Daher konnte die Leistungsklage bereits mangels Kausalität keinen Erfolg haben. Auf die Frage des Beginns der 5-jährigen Verjährungsfrist des § 93 Abs. 6 AktG bei der hier nicht börsennotierten Gesellschaft kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an. Die Kammer muss nicht mehr entscheiden, inwieweit der Anspruch bereits durch das Gespräch mit den Vertretern der 4C G2. AG am 5.6.2016 und die Übermittlung des Insolvenzantrags an den Beklagten per Telefax durch das Amtsgericht – Insolvenzgericht – München am 8.6.2018 im Sinne des § 200 BGB entstanden ist und ob die Zustellung noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgte.
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2. Die auf Feststellung der Ersatzpflicht gerichtete Klage ist nicht begründet, weil ein Schaden der Klägerin mit den geltend gemachten Schadenspositionen nicht in Betracht kommt.
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a. Dies gilt zunächst für die Vergütungsansprüche ihres Geschäftsführers aus der Zeit seiner Tätigkeit als Vorstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die formwechselnde Umwandlung im Sinne der §§ 190 ff. UmwG bleibt der Rechtsträger weiter bestehen (vgl. nur Walker in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 6), woran auch die Durchführung des zwischenzeitlichen Insolvenzverfahrens nichts ändern kann. Der Anspruch ist nämlich durch Konfusion, also das Zusammentreffen von Schuldner- und Gläubigerstellung in einer Person erloschen, weil niemand sein eigener Schuldner sein kann (vgl. BGHZ 48, 214, 218 = NJW 1967, 2399; NJW-RR 2016, 784, 785 = NZM 2016, 467; Grüneberg, Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Überbl v § 362 Rdn. 4; Fetzer in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., Vor § 362 Rdn. 4). Eine besondere gesetzliche Regelung oder sonstige Interessenlage, die zum Schutz Dritter eine Ausnahme von diesem Gesetz rechtfertigen könnte, ist nicht erkennbar. Es wäre dem Geschäftsführer der Klägerin zumutbar gewesen, seinen tatsächlichen Anspruch gegen die Gesellschaft selbst durchzusetzen und gegebenenfalls zu vollstrecken.
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Der Wertverlust der Aktionäre, die einen Schadensersatzanspruch an die Klägerin abgetreten haben, kann kein ersatzfähiger Schaden sein. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, wie er zentral in § 57 AktG normiert ist, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens sowie das Gebot der Gleichbehandlung aller Aktionäre aus § 53 a AktG schließen einen Anspruch des Gesellschafters auf Leistung von Schadensersatz an sich persönlich wegen einer Minderung des Werts seiner Beteiligung, die aus einer von der Klägerin vorgetragenen Schädigung der Gesellschaft resultiert, im Regelfall aus. Ein Ausgleich des mittelbaren Schadens kann vielmehr nur dadurch erfolgen, dass der Gesellschafter Leistung an die Gesellschaft verlangt. Der von der Kläger geltend gemachte Schaden in Form der Wertminderung der Beteiligung der Zedenten an der S1. AG stellt sich als ein sich typischerweise mittelbar beim Gesellschafter realisierender Reflexschaden dar. Für die Ansicht, dass allein die Aktiengesellschaft geschädigt sein kann, spricht ebenfalls die Wertung aus § 117 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AktG, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen der Benutzung des Einflusses auf die Gesellschaft eine Schadensersatzpflicht nur gegenüber der Gesellschaft besteht und eine Ersatzpflicht des Aktionärs nur für den Schaden besteht, der über die Wertminderung seiner Anteile hinaus geht. Auch §§ 309 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2, 317 Abs. 4 AktG mit der dort vorgesehen Befugnis des Aktionärs zur Geltendmachung des Anspruchs machen deutlich, dass dem Aktiengesetz die Anerkennung eines auf der Schädigung der Gesellschaft gründenden eigenen Anspruchs des einzelnen Mitgliedes fremd ist (vgl. BGHZ 105, 121, 130 f. = NJW 1988, 2794, 2796 = ZIP = 1988, 1112, 1115; BGH NJW 1987, 1077, 1080 = ZIP 1987, 29, 32 f. = WM 1987, 13, 16; NJW 2013, 2586, 2587 f. = NZG 2013, 867, 868 = ZIP 2013, 1376, 1377 = WM 2013, 1321, 1323 = DB 2013, 1540, 1541 = MDR 2013, 917 f. = GmbHR 2013, 931, 932 = DZWIR 2013, 585, 586 = ZWH 2014, 38, 39 m. zust. Anm. Siegemund; OLG München, Urteil vom 14.10.2020 Az: 7 U 448/19 – zit. nach juris; LG München I, Urteil vom 20.5.2011, Az. 5HK O 1687/19; LG Köln BeckRS 2013, 9405; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., Anh. 318 Rdn. 27 und 31; Servatius in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 272 Rdn. 15; Wagner in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 823 Rdn. 352).
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b. Soweit es um die Vermögensminderung der Gesellschaft selbst geht, fehlt es an der Kausalität. Es ist aus den bereits oben genannten Gründen unter II. 1. a. (2), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, auszuschließen, dass es ohne die kompetenzwidrige Vorgehensweise nicht auch zum Insolvenzantrag und zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen wäre.
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Angesichts dessen war die Klage insgesamt abzuweisen.
51
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
52
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
53
3. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 5 ZPO. Er entspricht der vorläufigen Festsetzung im Beschluss vom 22.6.2023. Bei der Anwendung von § 3 ZPO können die Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 22.6.2023 für die Bemessung ihres Interesses von ausschlaggebender Bedeutung sein, wo sie unter Berücksichtigung der nicht hinreichend bekannten Leistungsfähigkeit des Beklagten einen deutlichen Abschlag auf die Wertdifferenz von € 3,17 je Aktie machen konnte.