Inhalt

AG München, Beschluss v. 22.04.2024 – 721 III 252/23
Titel:

Nichteintragung des Geschlechts des Kindes im Geburtenregister 

Normenketten:
PStG § 21 Abs. 1 Nr. 3, § 50, § 49 Abs. 2
GVG § 23a Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG ist auch das Geschlecht des Kindes zu beurkunden. Es ist grundsätzlich mit "männlich" oder "weiblich" einzutragen Liegt eine Variante der Geschlechtsentwicklung nachweislich vor, kann ein Personenstandsfall auch ohne Angabe des Geschlechts oder mit der Angabe "divers" eingetragen werden Dabei sind die letztgenannten Varianten Fällen vorbehalten, in denen eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Personenstand, Geschlecht, männlich, weiblich, divers, Zuordnung, Hebamme, Amtsermittlung
Fundstellen:
StAZ 2024, 273
BeckRS 2024, 24146
LSK 2024, 24146

Tenor

1. Von einer Anweisung des Standesamts München im Geburtenregister das Geschlecht des Kindes … als „mannlich“ einzutragen, wird abgesehen.
2. Der Antrag vom 13.10.2023 auf Eintragung des … als Vater des Kindes … …, geb … in das beim Standesamt München geführte Geburtenregister, wird zurückgewiesen.

Gründe

1
Am … wurde das betroffene Kind … im Rahmen einer Hausgeburt in der … in München entbunden Die Geburtsanzeige der Hebamme … ging am 8.11.2022 beim Standesamt München ein, wobei die Angabe des Geschlechts des Kindes durch die Hebamme … offen gelassen wurde. Die Mutter des Kindes sei nach der Geburtsanzeige …, der Vater …. Als Namen des Kindes sollten gemäß dem von … und … am 19.9.2022 unterzeichneten Namensgebungsformblatt die Vornamen … beurkundet werden.
2
… hatte bereits am 7.4.2022 vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft gegenüber dem Standesamt München anerkannt. Zu diesem Zeitpunkt war sein Geschlecht noch „männlich“. Noch vor der Geburt des Kindes wurde seitens … gegenüber dem Standesamt München erklärt, dass sein Geschlechtseintrag in „divers“ geändert werden solle, da eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliege Antragsgemäß erfolgte die Änderung Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes war das Geschlecht des … bereits in „divers“ geändert.
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 7.7.2023 im Verfahren 721 III 54/23, rechtskräftig seit 1.9.2023, wurde im Rahmen einer Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 PStG von einer Anweisung des Standesamts München, die Geburt des Kindes in das Geburtenregister ohne Geschlechtsangabe einzutragen, abgesehen. Es wurde kein Nachweis erbracht, dass bei dem Kind eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. Auf die Begründung des Beschlusses wird insoweit ebenso Bezug genommen, wie auf den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 1.9.2023 (31 Wx 210/23).
4
Auch in der Folgezeit wurden trotz Aufforderung durch die Standesbeamtin keine Angaben zum Geschlecht des Kindes gemacht, ein Attest, welches bei diesem eine Variante der Geschlechtsentwicklung nachweisen würde, wurde ebenfalls nicht vorgelegt.
5
Die Standesbeamtin … die die Geburt zu beurkunden hat, hegt Zweifel, ob das Geschlecht des Kindes mit „männlich“ beurkundet werden könne Dem Wunsch der Eltern, den Geschlechtseintrag offen zu lassen, könne sie nicht nachkommen. Aufgrund der Vornamensgebung tendiere die Standesbeamtin dazu, den Geschlechtseintrag in „weiblich“ zu beurkunden. Da das Amtsgericht München in seinem Beschluss vom 7.7.2023 das Kind mit „Betroffener“ bezeichnet habe, sei sie sich nicht sicher, ob das Kind nicht als „männlich“ zu beurkunden sei.
6
Die Zweifelsvorlage ist gemäß § 49 Abs. 2 PStG zulässig Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich zur Entscheidung über die Vorlage zuständig, § 50 PStG, 23 a Abs. 1 Nr. 2 GVG.
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Von einer Anweisung des Standesamts München war abzusehen.
8
Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG ist auch das Geschlecht des Kindes zu beurkunden. Es ist grundsätzlich mit „männlich“ oder „weiblich“ einzutragen Liegt eine Variante der Geschlechtsentwicklung nachweislich vor, kann ein Personenstandsfall auch ohne Angabe des Geschlechts oder mit der Angabe „divers“ eingetragen werden Dabei sind die letztgenannten Varianten Fällen vorbehalten, in denen eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt. Diesen Nachweis hat weder die Mutter noch die antragsstellende Person … erbracht. Es verbleibt daher lediglich die Möglichkeit der Eintragung in „männlich“ oder „weiblich“, wobei allein aufgrund der Tatsache, dass das Gericht das Kind in der erwähnten Entscheidung mit „der Betroffene“ bezeichnet hat, kein ausreichender Anhaltspunkt für eine Beurkundung des Kindes mit männlichem Geschlecht darstellt Insoweit lag lediglich eine sprachliche Ungenauigkeit vor, die keinen Anhaltspunkt auf das tatsächliche Geschlecht des Kindes liefern sollte und kann. Es bleibt der Entscheidung des Standesamts überlassen, über die Eintragung des Geschlechts (männlich oder weiblich) in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
9
Soweit die antragsstellende Person … mit Schreiben vom 13.10.2023 beantragt hat, seine Person als Vater des Kindes einzutragen, war dessen Antrag zwar gemäß § 49 Abs. 1 PStG zulässig, aber unbegründet.
10
Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG werden im Geburtenregister die Vornamen und Familiennamen der Eltern und ihr Geschlecht eingetragen. Wer Vater eines Kindes ist, ist in § 1592 BGB geregelt Danach ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB oder § 182 Abs. 1 FamFG gerichtlich festgestellt ist (Nr. 3)
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… ist mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet, so dann er als Vater gemäß Nr. 2 eingetragen werden könnte, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 1592 BGB gegeben sind Dies ist jedoch nicht der Fall. Vater eines Kindes kann danach nur ein Mann sein kann, also eine Person, deren Geschlecht männlich ist. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für den Inhalt der Eintragung in das Geburtenregister der Zeitpunkt der Geburt (siehe § 21 1 PStG-VwV), nicht der Zeitpunkt der Erklärung über die Anerkennung der Vaterschaft. Zum Zeitpunkt der Geburt war das Geschlecht der antragsstellenden Person bereits in „divers“ geändert. Auf die genetische Abstammung kommt es ebensowenig an, wie auf die vorgeburtliche Anerkennungserklärung.
12
Eine erweiternde oder analoge Anwendung des § 1592 BGB auf den vorliegenden Fall verbietet sich insbesondere aufgrund der eindeutigen Bestimmung des § 42 Abs. 2 Satz 4 PStV, die eine Eintragung als Vater im Geburtenregister eines Kindes fur Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht als zugehörig sind, nur dann vorsieht, wenn sich die Vaterschaft aus einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB ergibt (siehe hierzu Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.2.2021, 722 UR III 65/21).
13
Trotz Hinweises des Gerichts wurde keine Erklärung abgegeben, ob beabsichtigt ist, einen Antrag beim Familiengericht zur Feststellung der Vaterschaft zu stellen.
14
Der Antrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.