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AG München, Endurteil v. 28.02.2024 – 161 C 23096/23
Titel:

Ersatz der Kosten eines Deckungsgeschäfts nur bei Erwerb eines gleichwertigen Kaufgegenstands

Normenkette:
BGB § 280, § 281
Leitsatz:
Der nicht belieferte Käufer kann seinen Schaden gem. §§ 280, 281 BGB auf der Grundlage eines konkreten Deckungsgeschäfts berechnen. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn er durch ein Deckungsgeschäft einen gleichwertigen Kaufgegenstand erwirbt, weil ansonsten der Käufer in der Lage wäre, aus der Pflichtverletzung des Verkäufers einen unberechtigten Vorteil zu ziehen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pflichtverletzung, Deckungsgeschäft, gleichwertig
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24113

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 154,26 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
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Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz der Kosten des getätigten Deckungsgeschäfts aus §§ 433 Abs. 1, 280 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 1 S. 1, 249 ff. BGB.
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1. Die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts sind anwendbar, da die gekaufte Sache nicht übergeben wurde.
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2. Ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien bestand in Form des über die Plattform e. abgeschlossenen Kaufvertrags über die vom Beklagten angebotene Felge, § 433 BGB.
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3. Der Beklagte hat die ihm obliegende Pflicht zur Übergabe und Übereignung der verkauften Felge verletzt, da er diese nie an den Kläger übersandte.
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Ob der Beklagte zur Stornierung der Bestellung des Klägers berechtigt war, insbesondere nach den dem Vertrag wohl zugrunde liegenden AGB der Plattform e. , ist nicht detailliert vorgetragen, kann aber ohnehin dahinstehen. Es mangelt nämlich bereits an einem ersatzfähigen Schaden des Klägers (s.u. Ziffer 5).
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4. Der Kläger hat dem Beklagten mit Mail vom 02.11.2023 (Anlage K4) eine erfolglos verstreichende Frist zur Leistung bis 10.11.2023 gesetzt, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB.
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a) Die Fristsetzung war erforderlich. Der Kläger verlangt die für einen Deckungskauf getätigten Mehraufwendungen. Ein Deckungsgeschäft des Käufers stellt einen Schadensersatz statt der Leistung dar und ist dementsprechend nur unter den Voraussetzungen des § 281 BGB ersatzfähig (BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 – VIII ZR 169/12 –, BGHZ 197, 357-366, juris Rz. 27 ff.).
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b) Die Fristsetzung war auch wirksam. Obwohl sich die Fristsetzung auf eine höherwertige als die geschuldete Leistung (s. Ziffer 5) – nämlich eine „neue unbenutzte“ Felge – bezog, so musste der Beklagte diese als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 286 Rn. 28; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 281 Rn. 44).
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5. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden ist jedoch nach §§ 280, 281, 249 ff. BGB i.V.m. schadensrechtlichen Grundsätzen nicht ersatzfähig.
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Nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen ermittelt sich der entstandene Schaden im Wege der Differenzhypothese. Die Vermögenslage des Geschädigten bei ordnungsgemäßer Vertragserfülllung wird mit der tatsächlich eingetretenen Lage verglichen. Erzielte Vorteile sind auf den Schaden anzurechnen (Jauernig/Stadler, 19. Aufl. 2023, BGB § 281 Rn. 19), beispielsweise der beim Deckungsverkauf erzielte Mehrerlös (BGH, Urteil vom 06.06.1997 – V ZR 115/96, NJW 1997, 2378).
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Der Kläger macht im Wege der konkreten Schadensberechnung die Erstattung der Mehrkosten einer neuen Felge geltend, die er im Anschluss an den Rücktritt vom hiesigen Vertrag unmittelbar bei einem BMW Vertragshändler erwarb. Der mit dem Beklagten vereinbarte Kaufpreis für das e. -Angebot wurde dem Kläger unstreitig zurückerstattet.
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Der nicht belieferte Käufer kann seinen Schaden gem. §§ 280, 281 BGB auf der Grundlage eines konkreten Deckungsgeschäfts berechnen. Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn er durch ein Deckungsgeschäft einen gleichwertigen Kaufgegenstand erwirbt, weil ansonsten der Käufer in der Lage wäre, aus der Pflichtverletzung des Verkäufers einen unberechtigten Vorteil zu ziehen (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2011 – 3 U 173/11, NJW-RR 2012, 251; zust. Grüneberg/Grüneberg, § 281 BGB Rn. 26).
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Hier liegt kein gleichwertiges Deckungsgeschäft vor.
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Die Parteien hatten sich auf Basis des als Anlage B6 vorliegenden Angebots des Beklagten geeinigt über den Kauf einer „Original BMW 5er G30 G31 6er G32 17 Zoll V Speiche 631 Alufelge 7,5Jx17 NEU“. Diese war mit dem Artikelzustand „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“ eingestellt. In der Artikelbeschreibung heißt es „eine neue Felge, aus der Demontage – Felge ist NEU“. In den allgemeinen Artikelzustandsbeschreibungen der Plattform e. (Anlage K7) heißt es zur gewählten Kategorie: „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung): Ein Artikel in hervorragendem Zustand, wie neu und ohne Gebrauchsspuren. Beim Artikel fehlt möglicherweise die Originalverpackung oder die Schutzverpackung oder die Originalverpackung ist vorhanden, aber nicht mehr versiegelt. Artikel mit Originalzubehör. Der Artikel ist ggf. 2. Wahl. Weitere Details und eine Beschreibung finden Sie im Angebot des Verkäufers.“.
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Das Angebot ist nach dem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen, §§ 133, 157 BGB. Bei der Auslegung sind die Artikelbeschreibung laut Angebot, die im Angebot enthaltenen Bilder sowie die allgemeinen Hinweise der Plattform e. zum Artikelzustand zu berücksichtigen, da davon auszugehen ist, dass der durchschnittliche objektivierte Empfänger sein Verständnis des Angebots auf diesen Informationen aufbaut. Aus dieser Perspektive wurden sich die Parteien hier über eine neuwertige Felge einig, die – wie ausdrücklich im Angebot bezeichnet – aus einer Demontage stammte, mithin bereits montiert und demontiert wurde. Das Angebot war durch Abbildungen der Felge ergänzt, auf denen der Zustand der Felge erkennbar war.
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Gerade nicht geeinigt haben sich die Parteien hingegen, wie der Kläger meint, über eine neue, vollkommen unbenutzte Felge. Dies schließt bereits die Formulierung „aus der Demontage“ in der Artikelbeschreibung aus. Zudem war die Felge nicht in der Kategorie „Neu“ eingestellt, die auf der Plattform e. ebenfalls zur Verfügung steht, sondern in der Kategorie „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“, in der neuwertige Waren gehandelt werden, bei denen es sich jedoch nicht um Neuware im engeren Sinne handelt. Dass auf der Plattform e. auch (wenn nicht sogar weit überwiegend) gebrauchte Waren zum Kauf angeboten werden, ist für den durchschnittlichen Nutzer auch nicht überraschend, sondern dürfte im Regelfall gerade der Grund sein, warum die Plattform – u.a. für die Suche nach einem „Schnäppchen“ im Vergleich zum sonstigen Preisüberhaupt genutzt wird.
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Bei dem Deckungskauf, dessen Mehrkosten der Kläger geltend macht, handelt es sich ausweislich der als Anlage K10 vorgelegten Rechnung um den Kauf einer neuen, bei einem BMW-Vertragshändler erworbenen Felge.
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Neue Felgen und Felgen aus der Demontage fallen ersichtlich nicht in die gleiche Warenkategorie. Neue Felgen werden zu Neupreisen gehandelt, es handelt sich um völlig unbenutzte Neuware, in der Regel mit der entsprechenden Verkäufer- bzw. Herstellergarantie. Felgen aus der Demontage wurden – wie die eindeutige Bezeichnung verrät – bereits einmal montiert und demontiert, was auch bei sonstiger Neuwertigkeit einer Felge deren Marktwert bereits erheblich senkt.
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Die bereits in dieser Grundeigenschaft der beiden Felgen liegende Unterschiedlichkeit wird durch den vorliegenden starken Preisunterschied noch unterstrichen (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2011 – 3 U 173/11, NJW-RR 2012, 251).
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Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger nicht schlicht einen gleichwertigen Deckungskauf tätigte, namentlich anderweitig auf e. oder einer ähnlichen Plattform eine neuwertige Demontagefelge erwarb. Auch nach dem Vorbringen des Klägers ist keine Notwendigkeit zu erkennen, auf eine neue Felge auszuweichen.
23
6. Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf die begehrten Zinsen.
II.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
25
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.