Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.09.2024 – 7 CE 24.1561
Titel:

Anspruch auf freiwillige Wiederholung der Jahrgangsstufe 4 an Grundschule

Normenkette:
BayGrSO § 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Entscheidung über das Zulassen einer freiwilligen Wiederholung der Jahrgangsstufe trifft die Lehrerkonferenz unter Würdigung der schulischen Leistungen des Schülers. Dabei handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, der unter Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Schülers, seiner bisherigen und voraussichtlichen Entwicklung sowie seines Leistungsstands und seiner Fähigkeiten zu erfolgen hat; zudem sind die von den Eltern im Rahmen des Antrags auf freiwilliges Wiederholen geltend gemachten Gesichtspunkte einzubeziehen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Entscheidung über das Zulassen einer freiwillige Wiederholung der Jahrgangsstufe kommt der Lehrerkonferenz ein weiter und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Wertungs- und Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Freiwilliges Wiederholen einer Jahrgangsstufe in der Grundschule, Wiederholung, freiwillig, Jahrgangsstufe, Grundschule, Verbesserung, schulische Leistungen, Prognose, Lehrerkonferenz, Beurteilungsspielraum
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 05.09.2024 – M 3 E 24.5105
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23916

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die Antragstellerin begehrt weiterhin die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr vorläufig die freiwillige Wiederholung der Jahrgangsstufe 4 an der Grundschule R. in M. im Schuljahr 2024/2025 zu gestatten.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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Die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht keinen Rechtsfehler bei der Beschlussfassung der Grundschule über den Antrag auf freiwillige Wiederholung der Jahrgangsstufe 4 angenommen. Die Problematik liege darin, dass in ihrem Fall viele Umstände zusammengekommen seien, die zu ihren schulischen Defiziten geführt hätten. Sie habe es von Anfang an äußerst schwierig gehabt, lediglich ein Jahr einen Kindergarten und einen Vorkurs Deutsch besucht, in beengten Verhältnissen gewohnt und wenig Unterstützung durch ihre Eltern erfahren. Zudem sei die Familie ihres Vaters von dem schweren Erdbeben in der Türkei im Februar 2023 betroffen gewesen. Die Vielzahl der beeinträchtigenden Umstände könnten in der Zusammenschau nicht anders gewertet werden, als ein einziges einschneidendes Ereignis, welches zu einem Abfall der Leistungen geführt habe.
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a) Mit diesen Ausführungen wird die Antragstellerin schon den Darlegungsanforderungen aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Die Beschwerdebegründung muss die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit dieser substantiiert auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt also, konkret zu erläutern, aus welchen Gründen der angegriffene Beschluss fehlerhaft und daher abzuändern oder aufzuheben ist (vgl. Kuhlmann in Wysk, 3. Aufl. 2020, VwGO § 146 Rn. 24). Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung setzt sich mit den ausführlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den schulischen Leistungen der Antragstellerin nicht hinreichend auseinander. Insbesondere verhält sich die Beschwerdebegründung nicht zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, warum die von der Antragstellerin als Grund für ihre schulischen Defizite vorgetragenen außerschulischen Umstände die Entscheidung der Lehrerkonferenz rechtlich nicht in Zweifel ziehen können. Es genügt nicht, nur erstinstanzliches Vorbringen zu wiederholen und dem vom Verwaltungsgericht argumentativ erzielten Ergebnis nur inhaltlich entgegen zu treten.
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b) Zudem halten die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Entscheidung der Lehrerkonferenz der Grundschule R. sei voraussichtlich nicht zu beanstanden, einer rechtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren stand.
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Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 GrSO können auf Antrag der Erziehungsberechtigten Schülerinnen oder Schüler freiwillig wiederholen oder spätestens zum Schulhalbjahr in die vorherige Jahrgangsstufe zurücktreten. Zweck dieser Norm ist es, Schülerinnen oder Schülern, die in die nächste Jahrgangsstufe vorgerückt sind, gleichwohl zu ermöglichen, das vorangegangene Schuljahr zu wiederholen, um eine Verbesserung der schulischen Leistungen zu erzielen.
8
Die Entscheidung hierüber trifft die Lehrerkonferenz unter Würdigung der schulischen Leistungen der Schülerin oder des Schülers (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GrSO). Dabei handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, der unter Würdigung der Gesamtpersönlichkeit der Schülerin oder des Schülers, ihrer oder seiner bisherigen und voraussichtlichen Entwicklung sowie ihres oder seines Leistungsstands und ihrer oder seiner Fähigkeiten zu erfolgen hat. Es ist also eine pädagogische Prognose zu erstellen (vgl. Pangerl, Schulordnung der Grundschule, Stand Juli 2024, § 14 Rn. 4). Zudem sind die von den Eltern im Rahmen des Antrags auf freiwilliges Wiederholen geltend gemachten Gesichtspunkte einzubeziehen.
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Bei dieser Entscheidung kommt der Lehrerkonferenz ein weiter und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer pädagogischer Wertungs- und Beurteilungsspielraum zu. Anhaltspunkte für eine Überschreitung der rechtlichen Grenzen dieses Beurteilungsspielraums sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Lehrerkonferenz nicht, wie die Ausführungen der Antragstellerin wohl andeuten, davon ausgegangen, dass ein freiwilliges Wiederholen nur dann zulässig sein soll, wenn ein Leistungsabfall aufgrund eines einzelnen besonderen Ereignisses stattgefunden hat. Die Lehrerkonferenz hat sich vielmehr mit den schulischen Leistungen der Antragstellerin im Schuljahr 2023/2024 sowie der Vorjahre auseinandergesetzt und insbesondere auch die häusliche Situation der Antragstellerin, die Umzüge und die damit verbundenen Schulwechsel berücksichtigt. Zudem hat die Lehrerkonferenz nachvollziehbar darauf abgestellt, dass die Rahmenbedingungen in der Jahrgangsstufe 5 der Mittelschule für die Antragstellerin aussichtsreichere Möglichkeiten böten, ihre schulischen Leistungen zu verbessern sowie einen zusätzlichen Klassenwechsel zu vermeiden. Es ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Lehrerkonferenz damit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre oder sachfremde oder gar willkürliche Erwägungen in ihre prognostische Entscheidung, dass eine Verbesserung der schulischen Leistungen der Antragstellerin im Falle des freiwilligen Wiederholens der Jahrgangsstufe 4 nicht zu erwarten sei, eingestellt hat.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).