Inhalt

VGH München, Beschluss v. 09.09.2024 – 3 ZB 23.792
Titel:

Polizeivollzugsbeamter, Anerkennung als Dienstunfall, COVID-19 als Berufskrankheit, Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt (verneint), Einsatz bei einer Demonstration unter freiem Himmel, Kontakt zu einem infizierten Kollegen

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
BKV Nr. 3101 der Anlage 1 zur
Schlagworte:
Polizeivollzugsbeamter, Anerkennung als Dienstunfall, COVID-19 als Berufskrankheit, Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt (verneint), Einsatz bei einer Demonstration unter freiem Himmel, Kontakt zu einem infizierten Kollegen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 28.03.2023 – W 1 K 22.1387
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23907

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. März 2023 – W 1 K 22.1387 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

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1. Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor.
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1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt wird (BVerfG, B.v. 21.12.2009 – 1 BvR 812/09 – juris Rn. 16; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 19 m.w.N.) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19).
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Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Erkrankung an COVID-19 als Dienstunfall hilfsweise als Berufskrankheit i.S.v. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG. Er rügt, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass keine hinreichend genaue Bestimmung von Zeitpunkt und Ort der Infektion des Klägers i.S.v. Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG möglich bzw. dass der Kläger keiner erhöhten Infektionsgefahr i.S.v. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger könne aber die Indexperson sowie Zeitpunkt und Ort der Ansteckung benennen. Dieser Zeitpunkt liege innerhalb der Inkubationszeit. Die Ansteckung könne nicht deshalb verneint werden, weil die mittlere Inkubationszeit länger sei, als der Abstand zwischen dem genannten Infektionszeitraum und dem Auftreten der ersten Symptome beim Kläger. Hinsichtlich der zeitlichen und örtlichen Bestimmbarkeit der Infektion stelle das Verwaltungsgericht bezogen auf Corona zu hohe Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast, weil diese eine Anerkennung als Dienstunfall quasi ausschließen würden. Die Angaben des Klägers zu einer Indexperson und einem engen Zeitraum der Infektion sowie zu einem Ort mit engem Kontakt zur Indexperson müssten ausreichen, wenn dem Kläger keine Infektionen aus seinem privaten Umfeld bekannt seien, weshalb eine Infektion im privaten Umfeld ausgeschlossen werden könne. Jedenfalls nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei bei dem Kläger ein Dienstunfall zu bejahen.
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Weiter habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass im Arbeitsumfeld des Klägers eine besondere Gefahr der Ansteckung mit dem Erreger SARS-CoV-2 bzw. der Erkrankung an COVID-19 bestanden habe. Bereits die Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten sei hinsichtlich der Intensität menschlicher Kontakte nicht mit der Tätigkeit von Nicht-Polizeibeamten vergleichbar. Festnahmen, Durchsuchungen etc. erforderten stets einen engen körperlichen Kontakt. Das Verwaltungsgericht sei ohne die Erforderlichkeit der Einzelfallprüfung zu erkennen davon ausgegangen, dass der Einsatz des Klägers am 24. Januar 2022 zu keiner Gefährdung i.S.v. Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG geführt habe, weil der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, mit Demonstranten in engen Kontakt zu treten und weil die Demonstration im Freien stattgefunden habe. Der Kläger habe sich bei diesem Einsatz jedoch sowohl in unmittelbarer Nähe zu Demonstranten als auch zur Einsatzleitung aufhalten müssen. Aufgrund der besonderen Einsatzlage sei auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung/FFP2-Maske/etc. verzichtet worden. Wegen der Einsatzziele und -bedingungen habe der Mindestabstand von 1,5 m bis 2 m nicht eingehalten werden können.
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Mit diesem Vortrag legt der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils dar.
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1.1.1 Die vom Kläger vorgetragenen Angaben zu dem Zeitraum, dem Ort und der Indexperson, von der der Kläger ausgeht, sich bei ihr angesteckt zu haben, genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es bestehen keine Zweifel, dass das Verwaltungsgericht den zutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt und den Sachverhalt korrekt gewürdigt hat.
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Gemäß diesen Maßstäben liegt ein Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG mangels örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignisses, das zu der COVID-19 Erkrankung des Klägers geführt hat, nicht vor. Auch wenn der Kläger weiterhin davon überzeugt ist, dass er sich am 24. Januar 2022 entweder ab 15:00 Uhr auf der Dienststelle, bei der Hinfahrt zu einem Einsatz ab 16:00 Uhr, während dieses Einsatzes oder bei der Rückfahrt hiervon gegen 19:30 Uhr bei PHK S. infiziert hat, lässt sich der genaue Zeitpunkt der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Eine Ansteckung bei PHK S. ist zwar nicht ausgeschlossen, steht aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit fest. Vielmehr ist es – wie es das Verwaltungsgericht ausgeführt hat (UA S. 7 f.) – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit möglich, dass sich der Kläger außerhalb des Dienstes bei irgendeiner anderen Person angesteckt hat. Zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Infektion durfte das Verwaltungsgericht auf die mittlere Inkubationszeit abstellen. Denn je größer bei einem möglichen Ansteckungsereignis die Abweichung von diesem Mittelwert ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Infektion nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern zu einem anderen (näher am Mittelwert liegenden) Zeitpunkt stattgefunden hat. Diese Sachverhaltswürdigung ist auch nicht aufgrund des Vortrags des Klägers ausgeschlossen. Der Kläger selbst nennt in seinem Antragsschriftsatz als weitere Möglichkeiten die Ansteckung bei einem anderen Kollegen bzw. einer Führungskraft oder bei Demonstranten während des Einsatzes am 24. Januar 2022. Ferner verweist der Kläger auf allgemeine Ansteckungsmöglichkeiten während polizeilicher Tätigkeiten. Eine Ansteckung im privaten Umfeld kann der Kläger ebenfalls nicht mit Sicherheit ausschließen. Denn er war im relevanten Zeitraum mehrmals in einem Fitnessstudio sportlich aktiv und er nahm einen Arzttermin in einem Krankenhaus wahr (Bl. 7 der Behördenakte). Die hierzu geschilderten Hygienemaßnahmen können ein Ansteckungsrisiko nur verringern, aber nicht gänzlich ausschließen. Dass dem Kläger nicht bekannt ist, dass private Kontakte im betreffenden Zeitraum erkrankt gewesen wären, reicht hierfür nicht aus, zumal eine Ansteckung auch bei asymptomatischen Infizierten in Betracht kommt (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 Kapitel 3. Übertragung durch asymptomatische, präsymptomatische und symptomatische Infizierte, Stand November 2021, rki.de/DE/Content/InfAZ/N/‌Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 26.8.2024).
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Dem Kläger ist auch keine Beweiserleichterung im Zusammenhang mit dem Kausalitätsnachweis in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen. Denn ein Anscheinsbeweis greift nur bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 18). Der Anscheinsbeweis scheidet vorliegend schon deshalb aus, weil im Hinblick auf die Inkubationszeit und die mannigfaltigen Möglichkeiten einer anderweitigen Infektion es nicht typischerweise oder geradezu zwangsläufig zu einer Infektion im dienstlichen Rahmen während des vom Kläger angegebenen Zeitraums gekommen sein muss (vgl. BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 13).
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Es besteht auch keine Veranlassung, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann, quasi eine Beweislastumkehr über die Heranziehung des Anscheinsbeweises zu Gunsten des Beamten zu begründen. Denn der Gesetzgeber hat der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), die grundsätzlich auch die Erkrankung an COVID-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Dienstherr nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 14).
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1.1.2 Der Kläger zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Begründung des Verwaltungsgerichts auf, dass die Voraussetzungen des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG im konkreten Fall des Klägers nicht erfüllt sind, weil der Kläger einer Infektionsgefahr nicht in ähnlichem Maße wie Beschäftigte des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege besonders ausgesetzt gewesen war.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats gilt im Sinne des Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG bzw. hierzu inhaltsgleichen § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.V.m. Anlage 1 der BKV die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 29.6.1998 – 3 B 95.3890 – juris Rn. 11; B.v. 27.8.1998 – 3 ZB 98.568 – juris Rn. 2; Tegethoff in Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand September 2024, § 31 BeamtVG Rn. 187). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG setzt nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet; vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 – 2 B 106.95 – juris Rn. 6). Die besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (BayVGH, U.v. 17.5.1995 – 3 B 94.3181 – juris Rn. 20). Entscheidend für die Beurteilung, ob es sich um ein derart erhöhtes Ansteckungsrisiko handelt, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BVerwG, B.v. 15.5.1996 a.a.O. Rn. 6). Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG soll insofern nicht die Folgen jeglicher Krankheit abmildern, die sich der Beamte im Dienst zuzieht, sondern nur besonderen Gefährdungen Rechnung tragen, denen ein Beamter im Vergleich zur Beamtenschaft insgesamt ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 17). Deshalb genügt die generelle Ansteckungsgefahr, der ein Beamter ausgesetzt sein kann, wenn er im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, nicht (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 22 f. m.w.N.).
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Vielmehr ist festzustellen, ob dem konkreten dienstlichen Tätigkeitsbereich eine abstrakte Gefährdung innewohnt und sich diese generelle Gefahr aufgrund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 26 m.w.N.). Liegt eine mit der dienstlichen Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Beamte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war, die sich dann nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet. Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der dienstlichen Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Betroffenen verrichteten gefährdenden Handlungen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr bei den dienstlichen Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 27 m.w.N.).
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Hiernach kann der Kläger nicht mit Erfolg auf die Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten im Allgemeinen verweisen. Denn es ist nicht auf die Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter, sondern auf die konkrete „dienstliche Verrichtung“ (Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG) abzustellen (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 29 m.w.N.), mithin auf die Tätigkeiten des Klägers während des Einsatzes am 24. Januar 2022.
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Bei diesen Tätigkeiten bestand zwar eine abstrakte Gefährdung, die sich aufgrund der im Gefahrenbereich individuell vorgenommenen Verrichtungen auch tatsächlich realisiert haben kann. Der Kläger war infolge seiner konkret ausgeübten dienstlichen Verrichtungen aber keiner erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt, die sich (s.o.) nach der Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes sowie der Übertragungsgefahr richtet. Denn die Infektionsgefahr war für den Kläger bei seinem Einsatz am 24. Januar 2022 nicht oder allenfalls geringfügig gegenüber der allgemeinen Gefahr einer Infektion mit SARS-CoV-2 erhöht.
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Bei einer pandemisch verbreiteten Krankheit reicht ein hoher Grad an Durchseuchung des Tätigkeitsumfeldes grundsätzlich nicht aus, um eine besondere Infektionsgefahr zu begründen (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 78). Hinzukommen muss vielmehr immer eine im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besondere mit der konkreten dienstlichen Verrichtung verbundene Übertragungsgefahr. Denn der Gesetzgeber ist von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen, dass die Folgen schicksalsmäßiger – d.h. von niemandem verschuldeter – schädlicher Einwirkungen von dem Geschädigten selbst zu tragen sind, also regelmäßig nicht auf einen schuldlosen Dritten – hier den Dienstherrn – abgewälzt werden können; und er hat den öffentlich-rechtlichen Dienstherren in Abweichung von diesem Grundsatz das (wirtschaftliche) Risiko für eine von einem Beamten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit erlittenen Infektion nur ausnahmsweise auferlegt (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1965 – II C 11.62 – BeckRS 1965, 31317469; BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 80). Hierfür genügt nicht eine Infektionsgefahr, die aus der bloßen Zusammenarbeit mit anderen Menschen herrührt. Denn die bloße Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist gerade nicht einer konkreten dienstlichen Tätigkeit eigentümlich, sie ist vielmehr generell in einer Beschäftigung im Arbeitsleben und nicht nur im Beamtentum und der konkreten dienstlichen Verrichtung angelegt. Es bedarf daher besonderer, für die dienstliche Verrichtung typischer Umstände, die zu einer im Vergleich zur übrigen Bevölkerung höheren Übertragungsgefahr geführt haben. Hierunter fällt es insbesondere, wenn die dienstliche Verrichtung das Außerachtlassen empfohlener und üblicherweise vorgesehener Infektionsschutzmaßnahmen (Abstand, Masken, Testpflichten, Hygieneschutzkonzepte) bedingt (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 78). Allerdings bedeutet die Pandemie als solche gerade für jeden eine besondere – realistische und nicht nur rein theoretische – Gefahr der Infektion und Erkrankung. Für einen so leicht übertragbaren Krankheitserreger wie den Coronavirus SARS-CoV-2 gilt das nochmal besonders (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116 – juris Rn. 79 f.).
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Der Kläger legt mit den Ereignissen und Handlungen, die er benennt, keine für ihn gegenüber der Gesamtbevölkerung gesteigerte Infektionsgefahr dar und begründet keine Zweifel an der rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger einer Infektionsgefahr nicht i.S.v. Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV in ähnlichem Maße wie Beschäftigte des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege besonders ausgesetzt war (UA S. 10). Zunächst wird die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Arbeitsumfeld des Klägers in dem von ihm genannten Zeitraum kein massiv erhöhtes Infektionsgeschehen aufgezeigt hat (UA S. 10) nicht infrage gestellt. Da es an Erkenntnissen zur Durchseuchung des konkreten Tätigkeitsumfelds, d.h. hier der Demonstrationsteilnehmer und der an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten sowie weiterer beteiligter Personen fehlt, kann nur davon ausgegangen werden, dass der Durchseuchungsgrad jener der Gesamtbevölkerung entsprach. Denn lediglich hinsichtlich PHK S. ist davon auszugehen, dass er während des Einsatzes infiziert und infektiös gewesen ist.
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Auch die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht, dass den vom Kläger geschilderten Tätigkeiten kein überdurchschnittliches Infektionsrisiko innewohnte (UA S. 11), wird nicht überzeugend in Zweifel gezogen. Hinsichtlich der beiden Autofahrten mit einem wohl (in diesem Zeitpunkt unerkannt) infizierten Kollegen bestand für den Kläger lediglich das zu diesem Zeitpunkt für die Gesamtbevölkerung bestehende Ansteckungsrisiko bei privaten Autofahrten mit mehreren Personen im selben Fahrzeug. Während der Autofahrt waren der Kläger bzw. sein Kollege nicht aufgrund der typischen Dienstausführung gehindert, individuelle Schutzmaßnahmen, wie das Tragen einer Maske, zu ergreifen. Die Tätigkeiten des Klägers während der Demonstration (Gesprächsführung und Mithören von Gesprächen bei hohem Umgebungslärm) fand im Freien während eines Zeitraums von nur ca. drei Stunden statt. Gefahrerhöhend war demgegenüber allein das Unterschreiten des individuellen Abstands zu anderen Personen von 1,5 m ohne Sicherheitsmaßnahmen, wie das Tragen einer Maske. Der Kläger schildert aber keine konkreten Tätigkeiten „am Menschen“ mit einem unmittelbaren Körperkontakt oder eine gesichtsnahe Tätigkeit in Innenräumen. Die Infektionsgefahr bei den geschilderten dienstlichen Tätigkeiten, die der Kläger zu verrichten hatte, entsprach jener zu diesem Zeitpunkt für die Gesamtbevölkerung bei Gesprächen im Freien mit mehreren Personen oder war verglichen mit dieser allenfalls geringfügig erhöht. In der Gesamtschau der besonderen Umstände zeigt sich nach der Art und Dauer der vom Kläger verrichteten dienstlichen Tätigkeiten keine besonders hohe Wahrscheinlichkeit einer konkreten Infektionsgefahr.
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1.2 Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert die Formulierung einer konkreten, entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und im obergerichtlichen Verfahren klärungsfähigen Rechts- oder Tatsachenfrage von fallübergreifender Bedeutung. Eine derartige Rechts- oder Tatsachenfrage zeigt der Kläger mit der Frage, welche Voraussetzungen an die örtliche und zeitliche Bestimmbarkeit einer Corona-Infektion im Sinne des Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG zu stellen sind, nicht auf.
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Der Kläger legt nicht dar, inwiefern vor dem Hintergrund der Regelung in Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG zur als Dienstunfall geltenden Erkrankung nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV besondere Voraussetzungen hinsichtlich der örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit bei Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG bei einer Corona-Infektion gelten sollten. Zudem besteht jedenfalls seit den diese Voraussetzungen betreffenden Urteilen des Senats (BayVGH, U.v. 5.6.2024 – 3 BV 21.3116, U.v. 5.6.2024 – 3 B 22.809 – jeweils juris) kein Klärungsbedarf mehr.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 10.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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4. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).