Titel:
Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker, Arztvorbehalt
Normenketten:
VwGO § 43
TFG § 7 Abs. 2, § 28
Schlagworte:
Eigenbluttherapie durch Heilpraktiker, Arztvorbehalt
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 30.06.2022 – M 26a K 21.397
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23888
Tenor
I. Auf die die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juni 2022 geändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger sind zugelassene Heilpraktiker gemäß § 1 Heilpraktikergesetz und in eigener Praxis tätig. Mit Schreiben vom 23. September 2014 bzw. 15. April 2016 zeigten der Kläger zu 1 bzw. die Klägerin zu 2 jeweils gegenüber dem Beklagten an, dass sie in ihren Praxen verschiedene Eigenbluttherapien durchführen. Die vom Kläger zu 1 den Angaben in der Klageschrift zufolge durchgeführten Eigenblutbehandlungen sind:
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1. Große Eigenbluttherapie mit Ozon
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Hierbei werden dem Patienten ca. 50 ml Blut entnommen, mit Natriumcitrat, 3,13 Ph. Eur. und einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch versetzt und unmittelbar reinfundiert.
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2. Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
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Hierbei wird dem Patienten eine geringe Menge Blut entnommen, mit einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch versetzt, gegebenenfalls wird ein homöopathisches Komplexmittel hinzugemischt. Sodann wird das versetzte Blut dem Patienten intramuskulär injiziert.
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3. Eigenblut mit homöopathischen Komplexmitteln
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Hierbei wird dem Patienten eine geringe Menge Blut entnommen und dem entnommenen Blut des Patienten sodann ein zugelassenes homöopathisches Komplexmittel zugefügt. Sodann wird das homöopathische Komplexmittel mit dem Eigenblut vermischt und dem Patienten reinjiziert.
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4. Native Eigenbluttherapie
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Hierbei wird dem Patienten Blut entnommen und unverändert injiziert oder es werden, je nach Krankheitsbild, homöopathische Komplexmittel hinzugefügt und unmittelbar intramuskulär reinjiziert.
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Bei den von der Klägerin zu 2 durchgeführten Eigenblutbehandlungen handelt es sich den Angaben in der Klageschrift zufolge um:
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1. Native Eigenbluttherapie
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Das Blut wird aus der Vene entnommen und unverändert reinjiziert oder gegebenenfalls unter Zusatz einer oder mehrerer Arzneien (zum Beispiel homöopathische oder phytotherapeutische Medikamente oder Vitamine) mittels Spritze in den Muskel oder in die Haut bzw. das Unterhautfettgewebe befördert. Hierfür gibt es vorgesehene Geräte mit Medizinproduktezulassung.
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2. Große Eigenbluttherapie mit Ozon
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Über einen geschlossenen Kreislauf werden dem Patienten ca. 50-80 ml venöses Blut mittels Vakuum aus der Vene entnommen, mit einer Ozon-Sauerstoff-Mischung und Natriumcitrat 3,13% versetzt und anschließend wieder in die Vene injiziert.
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3. Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
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Dem Patienten wird eine geringe Menge Blut entnommen, mit einer Ozon-Sauerstoff-Mischung versetzt, gegebenenfalls wird ein homöopathisches Komplexmittel hinzugefügt und danach wird das versetzte Blut dem Patienten intramuskulär injiziert.
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4. PRP-Plasma-Eigenbluttherapie
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Dem Patienten wird eine PRP-Injektion (Platelet-Rich-Plasma) verabreicht. Nach venöser Blutentnahme mittels eines speziellen PRP-Röhrchens unter vorheriger Zugabe von Heparin erfolgt die Zentrifugation und anschließende Abpipettierung des PRP. Danach erfolgt die Injektion des PRP-Gemisches interkutan in die Kopfhaut (bei Haarausfall), an die Gelenkkapsel (bei Gelenkerkrankungen) oder ins Gesicht (bei Narben bzw. bei Akne).
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Der Kläger zu 1 zeigte mit Schreiben vom 25. September 2019 und vom 16. Dezember 2019 gegenüber dem Beklagten an, dass er in seiner Praxis weiterhin Eigenblutbehandlungen durchzuführen gedenke und dass er die Rechtsauffassung, Heilpraktiker seien nicht mehr berechtigt, Eigenblutbehandlungen durchzuführen, für rechtswidrig erachte und bat um Übersendung eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Mit Schreiben vom 3. Januar 2020 teilte der Beklagte mit, dass der Kläger zu 1 die von ihm angezeigte große Eigenbluttherapie mit Ozon, die kleine Eigenbluttherapie mit Ozon sowie die native Eigenbluttherapie nicht mehr durchführen dürfe. Die hierbei hergestellten Blutzubereitungen seien keine homöopathischen Arzneimittel. Sie unterlägen der Verschreibungspflicht nach § 1 i. V. m. Anlage 1 zur Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Eine erlaubnisfreie Herstellung sei aus diesem Grund unzulässig, § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 AMG. Der Beklagte forderte den Kläger zu 1 mit Fristsetzung auf, eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung abzugeben, lehnte den Erlass eines förmlichen Untersagungsbescheides mit Verweis auf die Möglichkeit einer Feststellungsklage jedoch ab. Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 lehnte der Kläger zu 1 die Abgabe der Unterlassungserklärung ab und bat nochmals um den Erlass eines entsprechenden Bescheides. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 17. Februar 2020 erneut ab. Mit Schreiben vom 9. April 2020, 21. April 2020 und 27. April 2020 teilte der Kläger zu 1 dem Beklagten mit, dass er ab dem 1. Mai 2020 weiterhin Eigenblutbehandlungen in seiner Praxis durchführen würde, sofern ihm dies nicht konkret untersagt werde. Mit Schreiben vom 29. April 2020 teilte der Beklagte mit, dass die angezeigten Therapien vom Kläger zu 1 nicht mehr durchgeführt werden dürften, und forderte ihn unter weiterer Fristsetzung auf, eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung zu übersenden. Der Beklagte wies außerdem darauf hin, dass er nach erfolglosem Fristablauf beabsichtige, eine zwangsgeldbewehrte Untersagungsanordnung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 AMG zu erlassen. Mit Schreiben vom 6. Mai 2020 teilte der Kläger zu 1 dem Beklagten mit, dass er ohne einen entsprechenden Verbotsbescheid des Beklagten weiterhin Eigenblutbehandlungen durchführen werde.
20
Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 zeigte die Klägerin zu 2 gegenüber dem Beklagten an, dass sie in ihrer Praxis verschiedene Eigenbluttherapien durchführe. Insbesondere hätten sich gegenüber der früheren Anzeige aus dem Jahr 2016 Änderungen dahingehend ergeben, dass sie nunmehr nach Blutabnahmen auch sog. „Allergostop-Injektionen“ und PRP-Injektionen durchführe. Mit Schreiben vom 16. September 2019 teilte der Beklagte der Klägerin zu 2 mit, dass er ohne genauere Angaben die Erlaubnisfreiheit der „Allergostop-Injektionen“ nicht beurteilen könne. Die ebenfalls angezeigten nativen Eigenbluttherapien, Ozon-Eigenbluttherapien und die PRP-Injektionen seien für Heilpraktiker nicht mehr erlaubnisfrei. Zudem unterliege die Blutgewinnung zur Herstellung eines nicht homöopathischen Arzneimittels dem Arztvorbehalt gemäß § 7 Abs. 2 Transfusionsgesetz (TFG). Die genannten Therapien bzw. Herstellungsverfahren seien daher zu unterlassen. Der Beklagte forderte die Klägerin zu 2) unter Fristsetzung auf, eine rechtsverbindliche Unterlassungserklärung zu übersenden und wies darauf hin, dass er nach fruchtlosem Fristablauf eine zwangsgeldbewehrte Untersagungsanordnung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 AMG erlassen werde. Mit Schreiben vom 20. September 2019 an den Beklagten lehnte die Klägerin zu 2 die Abgabe der Unterlassungserklärung ab.
21
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 26. Januar 2021 erhoben die Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München. Sie beantragten,
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1. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1 berechtigt ist, im Rahmen seiner Heilpraktiker-Erlaubnis vom 15. Mai 2014 folgende Therapieverfahren durchzuführen:
23
- Große Eigenbluttherapie mit Ozon
24
- Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
25
- Eigenblut mit homöopathischen Komplexmitteln
26
- Native Eigenbluttherapie.
27
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin zu 2 berechtigt ist, im Rahmen ihrer Heilpraktiker-Erlaubnis vom 18. Dezember 2012 folgende Therapieverfahren durchzuführen:
28
- Native Eigenbluttherapie
29
- Große Eigenbluttherapie mit Ozon
30
- Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
31
- PRP-Plasma-Eigenbluttherapie.
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Mit Urteil vom 30. Juni 2022 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Heilpraktiker-Erlaubnis vom 15. Mai 2014 und die Klägerin zu 2) im Rahmen ihrer Heilpraktiker-Erlaubnis vom 18. Dezember 2012 berechtigt sind, die Eigenbluttherapie in Form der Entnahme und Reinjektion von unverändertem Vollblut und in Form der Entnahme und Reinjektion von mit nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut durchzuführen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
33
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die zulässige Klage sei teilweise begründet. Die Kläger seien als Heilpraktiker berechtigt, die Eigenbluttherapie in Form der Entnahme und Reinjektion von unverändertem Vollblut und in Form der Entnahme und Reinjektion von mit nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut durchzuführen. Für diese Eigenbluttherapien benötigten die Kläger weder eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG noch sei ihnen deren Durchführung wegen des Arztvorbehalts nach § 7 Abs. 2 TFG untersagt.
34
Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Formen der Eigenbluttherapie sei die beantragte Feststellung hingegen abzulehnen. Die Kläger bedürften zur Durchführung der Eigenbluttherapie in Form der Platelet-Rich-Plasma-Eigenbluttherapie und in Form der Versetzung von Eigenblut mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG. Zudem unterlägen die Eigenbluttherapien in der Form der Versetzung des Eigenbluts mit Stoffen, die keine homöopathischen Arzneimittel darstellten, in der Form der großen und kleinen Ozon-Eigenbluttherapie und der Platelet-Rich-Plasma-Eigenbluttherapie dem Arztvorbehalt nach § 7 Abs. 2 TFG.
35
Bis auf die Eigenbluttherapien mit Entnahme und Reinjektion von unverändertem Vollblut und von mit homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut unterlägen die streitgegenständlichen Eigenbluttherapien dem Arztvorbehalt gemäß § 7 Abs. 2 TFG. Bei der Entnahme von Blut für die streitgegenständlichen Eigenbluttherapien handele es sich um die Entnahme einer Spende im Sinne des Transfusionsgesetzes. Die Entnahme von Blut zur Durchführung der streitgegenständlichen Eigenbluttherapien stelle jeweils eine Blutentnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 TFG dar. Das durch die Kläger entnommene Eigenblut sei auch Arzneimittel oder zur Herstellung von Arzneimitteln bei Menschen im Sinne von § 2 Nr. 1 TFG bestimmt. Die Kläger seien weder ärztliche Personen im Sinne von § 7 Abs. 2 TFG, noch erfolgten die streitgegenständlichen Blutentnahmen unter der Verantwortung einer ärztlichen Person im Sinne von § 7 Abs. 2 TFG.
36
Eine Ausnahme von den Regelungen des Transfusionsgesetzes nach § 28 TFG bestehe lediglich für die Entnahme und Reinjektion von unverändertem Vollblut und von mit homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut. Für alle anderen streitgegenständlichen Eigenbluttherapien bestehe keine Ausnahme von den Regelungen des Transfusionsgesetzes. Die in § 28 TFG geregelte Ausnahme für homöopathische Eigenblutprodukte könne nicht allein anhand der entsprechenden Begrifflichkeiten im Arzneimittelgesetz ausgelegt werden, sondern es komme für die Reichweite der Ausnahme in § 28 TFG darauf an, ob mit dem Prozess aus Entnahme und Reinjektion eine homöopathische Behandlung vorliege. Das Gericht sei außerdem der Ansicht, dass auch der Begriff „homöopathische“ in § 28 TFG unabhängig von § 4 Abs. 26 AMG auszulegen sei. Eine Heranziehung von § 4 Abs. 26 AMG bezüglich des Begriffs „homöopathisch“ würde die Ausnahmeregelung in § 28 TFG leerlaufen lassen. Von den streitgegenständlichen Therapien unterfalle lediglich die Eigenbluttherapie, bei der dem entnommenen Vollblut homöopathische Arzneimittel (ein Wirkstoff) bzw. homöopathische Komplexmittel (mehrere Wirkstoffe) zugesetzt würden, der so verstandenen Ausnahme für homöopathische Eigenblutprodukte in § 28 TFG. Zudem sei die native Eigenbluttherapie, bei welcher dem Patienten unverändertes Vollblut injiziert werde, jedoch im Wege eines Erst-Recht-Schlusses bzw. einer telelogischen Extension ebenfalls nach § 28 TFG vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ausgenommen.
37
Die Versetzung von entnommenem Vollblut mit anderen Stoffen, insbesondere phytotherapeutischen Medikamenten oder Vitaminen, sei hingegen nicht als homöopathisches Eigenblutprodukt im Sinne von § 28 TFG vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ausgenommen. Gleiches gelte für die streitgegenständliche große und kleine Ozon-Eigenbluttherapie. Diese seien nicht nach § 28 TFG vom Anwendungsbereich des Transfusionsgesetzes ausgenommen. Auch die Platelet-Rich-Plasma-Eigenbluttherapie falle nicht unter die Ausnahme für „homöopathische Eigenblutprodukte“ in § 28 TFG. Wie bereits festgestellt (siehe oben Nr. 2.1.3.3), sei das hierbei zentrifugierte plättchenreiche Plasma nicht mit einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden. Zudem basiere der Ansatz der Platelet-Rich-Plasma-Eigenbluttherapie nicht auf dem Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie. Auch auf die streitgegenständlichen „nativen“ Eigenbluttherapien, bei welchen ähnliche Blutmengen entnommen würden, wie bei den Eigenbluttherapien, bei denen dem entnommenen Vollblut homöopathische Arzneimittel bzw. homöopathische Komplexmittel zugesetzt würden, diese den Patienten aber unverändert wieder injiziert würden, sei das Transfusionsgesetz nicht anzuwenden. Dies ergebe sich aus einem Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori) bzw. einer teleologischen Extension des Begriffs der homöopathischen Eigenblutprodukte in § 28 TFG. Wenn nämlich die vergleichsweise risikoarmen homöopathischen Eigenblutprodukte gemäß § 28 TFG nicht den Regeln des Transfusionsgesetzes unterliegen sollten, müsse dies erst recht für Eigenblutprodukte im Rahmen der nativen Eigenbluttherapie gelten, bei denen die Risiken noch einmal geringer seien.
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Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt der Beklagte mit Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 14. Oktober 2022:
39
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30.6.2022 wird abgeändert, soweit damit festgestellt wird, dass der Kläger zu 1) im Rahmen seiner Heilpraktiker-Erlaubnis vom 15. Mai 2014 und die Klägerin zu 2) im Rahmen ihrer Heilpraktiker-Erlaubnis vom 18. Dezember 2012 berechtigt sind, die Eigenbluttherapie in Form der Entnahme und Reinjektion von unverändertem Vollblut und in Form der Entnahme und Reinjektion von mit nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Arzneimitteln versetztem Vollblut durchzuführen. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
40
Zur Begründung führte er u.a. aus, nach § 29 TFG seien die Vorgaben des Transfusionsgesetzes neben den Vorgaben des AMG zu beachten. Die streitgegenständlichen Eigenbluttherapien seien als verschreibungspflichtig i.S.d. § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 48 AMG anzusehen, mit der Folge, dass der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 für diese eine Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG benötigten und deren Durchführung nicht im Rahmen der Heilpraktiker-Erlaubnis möglich sei. Ferner stehe auch der Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG einer Ausübung im Rahmen der Heilpraktikererlaubnis entgegen.
41
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20. Oktober 2022 beantragten die Kläger im Rahmen ihrer Anschlussberufung:
42
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgericht München vom 30.06.2022, Az. M26a K 21.397 wird aufgehoben, soweit das Bayerische Verwaltungsgericht München nicht festgestellt hat, dass der Kläger zu 1 die große Eigenbluttherapie mit Ozon und die kleine Eigenbluttherapie mit Ozon und die Klägerin zu 2 die große Eigenbluttherapie mit Ozon, die kleine Eigenbluttherapie mit Ozon und die PRP-Plasma-Eigenbluttherapie durchführen dürfen.
43
Es wird festgestellt, dass der Kläger zu 1 berechtigt ist, im Rahmen seiner Heilpraktikererlaubnis vom 15.05.2014 auch folgende weitere Therapieverfahren durchzuführen:
44
- Große Eigenbluttherapie mit Ozon
45
- Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
46
Es wird festgestellt, dass die Klägerin zu 2 berechtigt ist, im Rahmen ihrer Heilpraktikererlaubnis vom 15.05.2014 auch folgende Therapieverfahren durchzuführen:
47
- Große Eigenbluttherapie mit Ozon
48
- Kleine Eigenbluttherapie mit Ozon
49
- PRP-Plasma-Eigenbluttherapie.
50
Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe die Grundrechte der Kläger, namentlich die Berufs- und die Eigentumsfreiheit nicht ausreichend gewürdigt und beachtet. Es habe sich weiterhin nicht mit der Problematik auseinandergesetzt, dass den im Streit stehenden Methoden keine Gefahr innewohne, welche über die Gefahr anderer invasiver Methoden hinausgehe.
51
Mit Beschluss vom 9. Januar 2023 hat der Senat das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in den Verfahren 3 B 18.21 und 3 B 19.21 ausgesetzt.
52
Nach Wiederaufnahme des Verfahrens nahm die Landesanwaltschaft mit Schreiben vom 6. November 2023 im Wesentlichen wie folgt Stellung: Die zwischenzeitlich ergangenen Urteile des BVerwG vom 15.6.2023 – 3 C 3.22, 3 C 4.22 und 3 C 5.22 – stützten die Ansicht, wonach Vollblut als Summe von Blutbestandteilen zu beurteilen ist. Die Frage der Reinjektion von (unverändertem) Vollblut sei nicht Gegenstand der Verfahren vor dem BVerwG gewesen. Vollblut entspreche der Definition einer Blutzubereitung im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG. Danach seien Blutzubereitungen Arzneimittel, die aus Blutbestandteilen bestünden. Aufgrund der therapeutischen Zweckbestimmung handele es sich dabei um ein Arzneimittel, das aus (allen) Blutbestandteilen bestehe. Auch würde durch das BVerwG bestätigt, dass die Mischung von Blut mit einem Sauerstoff-Ozon-Gemisch bzw. einem (homöopathischen) Fertigarzneimittel als Zubereitung aus Stoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG anzusehen sei. Da sie dazu bestimmt sei, dem jeweiligen Patienten wieder zugeführt zu werden, um Leiden zu heilen oder zu lindern, handle es sich um ein Arzneimittel. Außerdem handle es sich dabei um ein Blutprodukt im Sinne des § 2 Nr. 3 TFG. Daraus könne abgeleitet werden, dass Mischungen von Vollblut mit homöopathischen Fertigarzneimitteln auch Blutzubereitungen im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG seien, da es sich aufgrund der therapeutischen Zweckbestimmung um Arzneimittel handele, die Blutbestandteile enthielten. Auch nach Ansicht des BVerwG handele es sich bei Mischungen von Vollblut mit homöopathischen Fertigarzneimitteln um Blutprodukte, die jedoch nicht homöopathisch seien. Weder das Vollblut selbst noch das Gemisch mit einem homöopathischen Fertigarzneimittel werde nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der EU beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt. Entscheidend sei die Art des Zubereitungsverfahrens und nicht die Darreichungsform oder die Anwendung in einer homöopathischen Therapierichtung. Dass die homöopathischen Fertigarzneimittel als eine der Zutaten des Blutproduktes selbst in einem solchen Zubereitungsverfahren hergestellt worden seien, reiche laut BVerwG nicht aus. Dabei gehe das BVerwG davon aus, dass dem Begriff „homöopathisch“ in § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG und in § 28 TFG die gleiche Bedeutung zukomme. Auf die Stellungnahme des Arbeitskreises Blut zur Herstellung und Anwendung von Eigenblutpräparaten durch Heilpraktiker des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 1. Juni 2018 werde verwiesen.
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Die Bevollmächtigten der Kläger nahmen mit Schriftsatz vom 27. Juni 2024 im Wesentlichen wie folgt Stellung:
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Das Urteil der Vorinstanz habe die verfassungsrechtlichen Aspekte, insbesondere die Berufs- (Art. 12 GG) und Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) der Kläger nicht ausreichend berücksichtigt. Die Kläger hätten dargelegt, dass keine der von ihnen angewandten Therapiearten eine Gefährlichkeit aufweise, die über das Maß hinausgehe, das bei anderen invasiven Therapien (die dem Heilpraktiker erlaubt seien) üblich sei. Die streitentscheidenden Normen des Transfusionsgesetzes (TFG) und des Arzneimittelgesetzes (AMG) seien entsprechend auszulegen, dass den Klägern nur solche Eigenbluttherapie-Methoden untersagt seien, die abstrakt gefährlich seien und über die Gefährlichkeit anderer invasiver Behandlungen hinausgingen. Solche Eigenbluttherapie-Methoden gebe es indes nicht. Eigenblut, das für therapeutische Zwecke entnommen werde, sei keine Spende, da es nicht primär als Wirkstoff genutzt werde, sondern als Reizimpuls, der den Heilungsprozess katalysiere. Anders als bei der klassischen Eigenblutspende, bei der Blut zur Vermeidung von Fremdbluttransfusionen gesammelt werde, stehe bei der Eigenbluttherapie die stimulierende Wirkung des Eigenbluts im Vordergrund. Daher sei es unangemessen, das entnommene Blut in solchen Fällen als Spende zu klassifizieren. Die Qualifikation von Heilpraktikern bei der Verabreichung von Eigenblut in jeglicher Form im Vergleich zu Ärzten als geringer zu bezeichnen, wirke herabsetzend. Heilpraktiker hätten mehr Erfahrung mit spezifischen Therapiearten wie den Eigenbluttherapien.
55
Des Weiteren liege ein Verfahrensfehler in Form der ungenügenden Untersuchung der tatsächlichen Gefährdung der Eigenbluttherapien vor. Es bedürfe eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens, um die tatsächlichen Risiken und die sachgerechte Anwendung der Ozontherapie beurteilen zu können. Nochmals werde ein medizinisches Gutachten angeregt, um die Risiken der Eigenbluttherapien für den Patienten zu beurteilen.
56
Die Argumente gegen die Anwendung des Transfusionsgesetzes (TFG) bei der Ozon-Eigenbluttherapie würden auch für die PRP (Platelet-Rich Plasma) Methode gelten. Beide Methoden verwendeten ein geschlossenes System (Zentrifuge bzw. geschlossener Kreislauf), sodass die Gefahren, die das TFG regulieren wolle, nicht zuträfen. Bei der PRP-Methode würde Blut entnommen, zentrifugiert und das Plasma anschließend zurückgeführt. Es erfolgten keine zusätzlichen Schritte wie Lagerung oder Transport des Blutes, die ein höheres Risiko darstellen könnten. Ein Großteil des gewonnenen Plasmas (ca. 99%) werde verworfen, und nur eine geringe Menge werde lediglich intra- oder subkutan reinjiziert. PRP sei kein Wirkstoff im klassischen Sinne, sondern diene als Reizimpuls. Das Gericht habe die PRP-Anwendung nicht als eine Blutzubereitung, sondern als eine Blutverarbeitung erkannt. Eine Differenzierung zwischen diesen beiden Prozessen wäre indes notwendig gewesen, da eine Blutverarbeitung nur dann dem TFG unterliege, wenn diese in Spendeneinrichtungen (2 Nr. 2 TFG) erbracht werde. Es liege aber schon gar keine Spende vor, mithin auch keine Blutverarbeitung. Auch werde bei PRP das Eigenblut lediglich in seine natürlichen Bestandteile getrennt, vergleichbar der Blutsenkung, die der Heilpraktikerschaft zweifelsohne erlaubt sei. PRP sei eine Spielart der Mesotherapie, bei der ein kosmetischer Aufpolsterungseffekt durch die Verwendung kleinster Mengen lediglich intrakutan erreicht werden solle.
57
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung lediglich über die Reinjektion des Eigenbluts mit Ozon oder mit homöopathischen Fertigarzneimitteln entschieden, das native Eigenblut und die PRP-Behandlung sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht differenziere nicht anhand der Menge des entnommenen Blutes. Im Kontext des deutschen TFG sei die Definition einer Transfusion in erster Linie auf die Übertragung von Blut oder Blutbestandteilen von einem Spender auf einen Empfänger ausgelegt. Dies führe jedoch im Falle der Verwendung kleinster Mengen (winzige Tröpfchen bei PRP / 1-5 Milliliter bei nativem Eigenblut, gar keine Blut-Entnahme bei Eigenblut und Ozon) zu nicht sachgerechten Ergebnissen.
58
Das Bundesverwaltungsgericht differenziere rechtsfehlerhaft nicht zwischen Eigenblutspende und Eigenbluttherapie. Die Eigenbluttherapie sei nicht als Transfusion im Sinne des TFG zu betrachten, da sie nicht die klassische Spende von einer Person zu einer anderen umfassen. Das Risiko von Fremdspenden entfalle. Bei den hier in diesem Berufungsverfahren streitgegenständlichen Methoden verbleibe das entnommene Blut in einem geschlossenen System. Das entnommene Blut gelange entweder in eine Zentrifuge, in der es in seine Blutbestandteile zerlegt werde (PRP-Behandlung). Plasma und Plasmaplättchen würden zurück in den menschlichen Körper injiziert. Oder das entnommene Blut werde angereichert mit Ozon oder mit homöopathischen Substanzen. Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht nicht dezidiert Stellung genommen, so dass eine erneute Kontrolle durch die instanzlichen Gerichte im allgemeinen Interesse stehe. Zum Vergleich: Die Gefahren bei Verabreichung von Hyaluronsäure seien weitaus höher, als die Reinjektion mit dem Eigenblut des Patienten. Die Injektion mit Hyaluronsäure sei aber dem Heilpraktiker erlaubt. Insgesamt sei die Auslegung des TFG durch das Bundesverwaltungsgericht unverhältnismäßig.
59
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
60
Die Berufungen sind zulässig, lediglich die Berufung des Beklagten ist jedoch begründet. Die Berufung der Kläger wird dagegen zurückgewiesen, weil sie keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung haben.
61
1. Der Senat kann über die Berufungen nach Anhörung der Beteiligten. gem. § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung des Beklagten einstimmig für begründet und die Berufung der Kläger einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Rechtssache weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U. v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 – BVerwGE 121, 211 (212) Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG U. v. 15.6.2023 – 3 C 4.22 – BeckRS 2023, 25645) bereits hinreichend geklärt.
62
2. Die allgemeinen Feststellungklagen (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Kläger sind zulässig. Zwischen den Klägern einerseits und dem Beklagten andererseits besteht Streit, ob die Kläger als Heilpraktiker weiter die von ihnen bisher durchgeführten Eigenbluttherapien durchführen dürfen. Die Kläger verfügen auch über ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen (vgl. hierzu Marsch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Januar 2024, § 43 VwGO Rn. 34a f.). Der Beklagte hat gegenüber den Klägern den Erlass zwangsgeldbewehrter Unterlassungsanordnungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 AMG angekündigt, diese bisher jedoch nicht erlassen. Es ist den Klägern allerdings nicht zuzumuten, den etwaigen Erlass entsprechender Unterlassungsanordnungen abzuwarten, nachdem der Beklagte zunächst nicht bereit war, Untersagungsverfügungen zu erlassen und von den Klägern vielmehr die Abgabe von Unterlassungserklärungen forderte.
63
3. Die Klagen sind jedoch in vollem Umfang unbegründet, weil die Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen haben, denn die Kläger sind als Heilpraktiker nach § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2007 (BGBl. I S. 2169), zuletzt geändert durch Art. 1a des Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland – und zur Änderung weiterer Gesetze vom 11. Mai 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 123) nicht berechtigt, die streitgegenständlichen Eigenbluttherapien durchzuführen. Die Kläger sind unstrittig selbst keine ärztlichen Personen und führen Blutentnahmen auch nicht unter der Verantwortung einer ärztlichen Person durch. Sie entnehmen ihren Patienten aber im Rahmen der in Rede stehenden Eigenblutbehandlungen eine Spende im Sinne des Transfusionsgesetzes. Dessen Anwendung ist nicht durch § 28 TFG ausgeschlossen.
64
3.1 Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung (BVerwG, U. v. 15. Juni 2023 – 3 C 5.22 – juris Rn. 12 bis 16) ausgeführt:
65
„a) Nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 TFG ist eine Spende die bei Menschen entnommene Menge an Blut oder Blutbestandteilen, die Wirkstoff oder Arzneimittel ist oder zur Herstellung von Wirkstoffen oder Arzneimitteln und anderen Produkten zur Anwendung bei Menschen bestimmt ist. Die Klägerin entnimmt ihren Patienten Blut, das zur Herstellung eines Arzneimittels bestimmt ist (aa). Das Oberverwaltungsgericht hat zudem im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass der Begriff Spende auch Eigenblutspenden erfasst (bb) und es auf die Menge des entnommenen Blutes nicht ankommt (cc).
66
aa) Die Entnahme von Blut durch die Klägerin erfolgt zur Herstellung eines Arzneimittels. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG sind (Präsentations-)Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Nach der Definition in § 3 Nr. 3 AMG gehören zu den Stoffen im Sinne des Arzneimittelgesetzes u. a. Körperteile und Körperbestandteile von Menschen in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand. Blut ist ein Körperbestandteil und damit Stoff im Sinne der §§ 2 und 3 AMG (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1997 – 3 B 130.96 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 29 S. 11 f.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Januar 2022, § 4 AMG Tz. 11). Die Mischung von Blut mit einem Sauerstoff-Ozon-Gemisch bzw. einem Fertigarzneimittel ist damit eine Zubereitung aus Stoffen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG. Sie ist dazu bestimmt, dem jeweiligen Patienten wieder zugeführt zu werden, um Leiden zu heilen oder zu lindern.
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bb) Der Anwendung des § 7 Abs. 2 TFG steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Patienten Blut entnimmt, das zur Anwendung beim jeweiligen Spender selbst vorgesehen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Begriff der Spende im Sinne von § 7 Abs. 2 und § 2 Nr. 1 TFG auch sogenannte Eigenblutspenden erfasst (so etwa auch Tag, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2017, § 2 TFG Rn. 3). Dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 TFG lässt sich keine Einschränkung auf Fremdblutspenden entnehmen. Die Erfassung von Eigenblutspenden war vom Gesetzgeber auch beabsichtigt (vgl. BT-Drs. 13/9594 S. 16). In systematischer Hinsicht spricht für die Erfassung der Eigenblutspende, dass das Transfusionsgesetz an mehreren Stellen ausdrücklich Regelungen für Eigenblutspenden trifft (vgl. § 5 Abs. 2 und 3 Satz 2, § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4, § 14 Abs. 2 Satz 3, § 17 Abs. 1 Satz 4, § 22 Abs. 1 Satz 2 TFG). Ihre Erfassung entspricht auch dem Zweck des Transfusionsgesetzes, eine sichere Versorgung mit Blutprodukten zu gewährleisten (vgl. § 1 TFG). Zwar mag die Gefahr der Infizierung mit bestimmten Krankheitserregern bei der Eigenblutspende geringer sein als bei Fremdblut. Eigenblutspenden können jedoch durch unsachgemäße Behandlung verschmutzt oder verdorben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1997 – 3 B 130.96 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 29 S. 12), was durch die Bestimmungen des Transfusionsgesetzes verhindert werden soll.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass nur „klassische“ Eigenblutentnahmen, die etwa auf die Herstellung einer Blutkonserve für eine spätere Transfusion des Eigenblutes z. B. bei einer Operation gerichtet sind, vom Transfusionsgesetz erfasst werden sollen. Zwar kann § 1 TFG entnommen werden, dass bei der Schaffung des Transfusionsgesetzes die Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten und damit das Blutspendewesen im Vordergrund standen. Dass das Gesetz auf die Entnahme von Blut für andere Verwendungsformen beim jeweiligen Spender keine Anwendung finden soll, legt aber schon die weite Definition in § 2 Nr. 1 TFG nicht nahe. Zudem werden einige Formen der Eigenblutbehandlung in § 28 TFG gerade von der Geltung des Transfusionsgesetzes ausgenommen, was nicht erforderlich wäre, wenn sie ohnehin nicht erfasst wären.
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cc) Das Oberverwaltungsgericht ist zudem zutreffend davon ausgegangen, dass für das Vorliegen einer Spende im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 und § 2 Nr. 1 TFG keine Mindestmenge an Blut entnommen werden muss, die bei den Entnahmen durch die Klägerin möglicherweise nicht erreicht würde. Der Wortlaut des § 2 Nr. 1 TFG verlangt keine bestimmte Menge zu entnehmenden Blutes. Zudem regelt § 28 TFG, dass das Transfusionsgesetz unter bestimmten Bedingungen keine Anwendung auf die Entnahme einer geringfügigen Menge Blutes findet, namentlich bei Entnahmen zu diagnostischen Zwecken und in bestimmten Fällen im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass jenseits dieser Ausnahmen die Entnahme auch einer geringfügigen Blutmenge unter den Begriff der Spende fällt.“
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3.2 Diese Grundsätze zugrunde gelegt, sind die von den Klägern in der Vergangenheit vorgenommenen und zukünftig weiter beabsichtigten Eigenblutentnahmen ebenso Spenden im Sinne des § 2 Nr. 1 TFG und fallen unter den Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG. Dies gilt für die sog. native Eigenbluttherapie, die Eigenbluttherapien mit Ozon, die Eigenbluttherapie mit homöopathischen Komplexmitteln sowie die PRP-Plasma-Eigenbluttherapie. Je nachdem wird das zuvor entnommene Blut als Stoff bzw. Zubereitungen aus Blut als Präsentationsarzneimittel verwendet. Damit fällt sowohl die Entnahme von Blut zum Zwecke der Reinjektion von unbehandeltem als auch von in irgendeiner Weise behandeltem oder vermengtem Eigenblut in den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 2 TFG (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 185/19, WD 9 – 3000 – 061/19, S. 4).
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Wenn die Kläger ausführen, dass Eigenblut, das für therapeutische Zwecke entnommen werde, keine Spende sei, da es nicht primär als Wirkstoff genutzt werde, sondern als Reizimpuls, der den Heilungsprozess katalysiere, stellen sie die Eigenschaft des von ihnen verwendeten, behandelten oder unbehandelten Eigenbluts als Präsentationsarzneimittel nicht in Frage, da sie ebenso davon ausgehen, dass die Reinjektion des behandelten oder unbehandelten Eigenblutes durchgeführt wird, um Leiden zu heilen oder zu lindern.
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Soweit die Kläger vortragen lassen, dass Heilpraktiker häufig besser in diesen spezifischen Verfahren ausgebildet seien und moderne Geräte gerade Risiken ausschlössen, handelt es sich hierbei um eine unbelegte Behauptung. Zudem verkennen sie dabei die Grundentscheidung des Gesetzgebers, im Rahmen des Vorbehaltes Ärzte als besonders ausgebildete und qualifizierte Berufsgruppe im Hinblick auf die Vornahme bestimmter Heilbehandlungen zu privilegieren. Allein in der Vergangenheit erworbene Erfahrung im Rahmen der durchgeführten Eigenbluttherapien vermag eine fehlende Qualifikation nicht zu ersetzen, denn auch Berufsanfänger im Heilpraktikerberuf wären ohne den Arztvorbehalt zur Entnahme von Blutspenden berechtigt. Der Arztberuf gründet auf fortzubildender Fachkunde und statusbegründender Approbation. Dem Heilpraktiker hingegen fehlt eine gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation. Der Erlaubnisvorbehalt in § 1 Abs. 2 HeilpraktG gewährleistet eine allgemeinverbindliche Qualifikation nicht. Die Überprüfung der heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten von Heilpraktikern am Maßstab der Gefahrenabwehr erfolgt durchaus uneinheitlich. Inhalt, Umfang und Verfahren der Überprüfung unterscheiden sich vielfach von Bundesland zu Bundesland und von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt (Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Auf. 2019, § 11 Rn 10; vgl. auch BVerwG, U. v. 21.12.1995 – 3 C 24.94 – BVerwGE 100, 221).
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Die Kläger führen mit ihrer Berufung weiter aus, dass das Bundesverwaltungsgericht rechtsfehlerhaft nicht zwischen Eigenblutspende und Eigenbluttherapie differenziert hätte. Die Eigenbluttherapie umfasse Methoden, bei denen das Blut des Patienten entnommen, behandelt und wieder injiziert werde, in kleinsten Mengen und zu therapeutischen Zwecken. Insoweit setzen sich die Kläger jedoch nicht mit der Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts auseinander, welche gerade im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 28 TFG von einem weiten Begriff der Spende im Sinne des § 2 Nr. 1 TFG ausgeht.
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3.3 Die Anwendung des Transfusionsgesetzes einschließlich seines § 7 Abs. 2 ist nicht gemäß § 28 TFG ausgeschlossen. Hiernach findet das Transfusionsgesetz unter anderem keine Anwendung auf homöopathische Eigenblutprodukte. Die für den Arztvorbehalt geltende Ausnahmeregelung für homöopathische Eigenblutprodukte nach § 28 TFG greift hier jedoch nicht, weil das Eigenblut, soweit es sich hierbei um Eigenblutprodukte handelt, nicht in einem nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt werden (BVerwG, U. v. 15. Juni 2023 – 3 C 5.22 – juris Rn. 12 bis 16; OVG Lüneburg B.v. 29.11.2023 – 14 LB 50/22 – BeckRS 2023, 38753).
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Hierzu, insbesondere zur Verhältnismäßigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht in der o.g. Entscheidung ausgeführt:
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„In der dargestellten Auslegung verstößt § 28 TFG auch nicht gegen Grundrechte der Heilpraktiker.
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(aa) Die dargestellte Auslegung ist nicht deshalb mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu korrigieren, weil wegen der Beschränkung des Begriffs der homöopathischen Eigenblutprodukte auf solche Produkte, die nach einem in einem Arzneibuch beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden sind, das Transfusionsgesetz einschließlich des Arztvorbehalts in § 7 Abs. 2 Satz 1 TFG auf Blutentnahmen zur Herstellung anderer Eigenblutprodukte Anwendung findet. Dass derartige Blutentnahmen nicht durch Heilpraktiker durchgeführt werden dürfen, verletzt nicht deren Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar liegt ein Eingriff in dieses Grundrecht vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 – 1 BvR 2380/21 u. a. – juris Rn. 71 ff.), er ist aber gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig. Der Arztvorbehalt dient dem legitimen Zweck der Gewährleistung der Sicherheit von Blutprodukten (vgl. § 1 TFG). Er kann diesen Zweck fördern und ist damit zur Zielerreichung geeignet. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seines Spielraums bei der Einschätzung und Bewertung von Gefahrenlagen (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 u. a. – BVerfGE 121, 317 <357 f.>) annehmen, dass auch die Herstellung und Anwendung von Eigenblutprodukten, für die nur eine geringe Menge Blut entnommen wird, Infektionsrisiken bergen, wenn die Produkte nicht nach den anerkannten Regeln der Homöopathie hergestellt sind. Gleiches gilt für die Annahme, dass der Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG nicht nur die spendende Person beim Spendevorgang (vgl. dazu auch § 5 TFG) – etwa im Hinblick auf das Erkennen von Kontraindikationen oder auf medizinische Zwischenfälle (vgl. BT-Drs. 13/9594 S. 18) – schützen, sondern auch die sachgerechte Behandlung des Blutes beim Entnahmevorgang gewährleisten kann. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Der Eingriff ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der mit dem Arztvorbehalt verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung stehen nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Grundrechtseingriffs (vgl. zu den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne BVerfG, Beschluss vom 29. September 2022 – 1 BvR 2380/21 u. a. – a. a. O. Rn. 119 m. w. N.). Zwar führt der Arztvorbehalt dazu, dass Heilpraktiker – wenn sie, was regelmäßig der Fall sein wird, die Blutentnahme nicht durch eine ärztliche Person oder unter deren Verantwortung durchführen lassen können oder wollen – Eigenblutprodukte, die nicht homöopathisch im Sinne des § 28 TFG sind, nicht herstellen können. Dies kann nicht unerhebliche wirtschaftliche Einschnitte bedeuten. Dem steht jedoch mit dem Gesundheitsschutz von Spendern/Empfängern ein besonders gewichtiger Gemeinwohlbelang gegenüber. Der Gesetzgeber kann annehmen, dass dieser Belang durch den Arztvorbehalt wegen der besonderen Qualifikation von ärztlichen Personen typischerweise in erheblichem Maße gefördert wird. Danach stellt sich das für Heilpraktiker aus § 7 Abs. 2 i. V. m. § 28 TFG folgende Verbot, eine Spende zur Herstellung eines Eigenblutprodukts zu entnehmen, das nicht im dargelegten Sinne homöopathisch ist, bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Grundrechtseingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigen Gründe als angemessen dar.
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(bb) § 28 TFG verstößt in der dargestellten Auslegung auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung von homöopathischen und nicht homöopathischen Eigenblutprodukten ist durch Sachgründe gerechtfertigt, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. zum Maßstab BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11 – BVerfGE 132, 179 Rn. 30 m. w. N.). Der Gesetzgeber hat angenommen, dass die Herstellung und Verwendung von Blutprodukten spezifische Gefahren mit sich bringt, denen mit den Bestimmungen des Transfusionsgesetzes zu begegnen ist. Diese Annahme hält sich – wie dargelegt – innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums. Dementsprechend sollen nur solche Eigenblutprodukte von der Anwendung des Transfusionsgesetzes ausgenommen werden, bei denen der Gesetzgeber die Anwendung des Transfusionsgesetzes nicht für notwendig erachtet. Hiervon ausgehend liegt der sachliche Grund für die ungleiche Behandlung in der Anwendung homöopathischer Zubereitungsmethoden in Verbindung mit der langen Tradition dieser Therapierichtung und ihrer Verfahrenstechniken und damit einhergehenden Kenntnissen über ihre Risiken. Der Gesetzgeber legt – wie auch § 5 Satz 1 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (Arzneimittelverschreibungsverordnung – AMVV) erkennen lässt – zugrunde, dass die der homöopathischen Herstellungsmethode der Potenzierung entsprechende starke Verdünnung das Gefahrenpotential des Blutprodukts deutlich vermindert. Dass dies eine Fehleinschätzung darstellt, ist nicht ersichtlich. Eine vergleichbare Herabsetzung des Risikos ist bei anderen Eigenblutprodukten nicht erkennbar. Der Gesetzgeber konnte sich daher bei der Schaffung der Ausnahme von der Anwendung des Transfusionsgesetzes auf die homöopathischen Eigenblutprodukte, deren Risikopotential er aufgrund der langen Tradition der homöopathischen Zubereitungsverfahren abschätzen konnte, beschränken, ohne weitere Möglichkeiten zu eröffnen, deren Bandbreite und weitere Entwicklung und damit einhergehende Risiken er nicht mit vergleichbarer Sicherheit übersehen kann.“
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Mit dieser Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts haben sich die Kläger nicht substantiell auseinandergesetzt. Nachdem keine der von den Klägern beabsichtigten Eigenbluttherapien auf der Anwendung von homöopathische Eigenblutprodukten im Sinne des § 28 TFG beruhen, unterfallen diese uneingeschränkt dem Arztvorbehalt des § 7 Abs. 2 TFG. Auf die Frage eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 2b Satz 2 Nr. 3 AMG, auf den sich der Beklagte zusätzlich berufen hat, kommt es danach nicht an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne
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des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, wie weit der für die Entnahme einer Spende nach § 7 Abs. 2 TFG grundsätzlich geltenden Arztvorbehalt reicht (vgl. BVerwG, U. v. 15.6.2023 – 3 C 3.22, 3 C 4.22 und 3 C 5.22 – juris).
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Die Streitwertfestsetzung beruht aus § 52 Abs. 2 GKG.