Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 16.01.2024 – B 1 K 23.513
Titel:

Christbäume und Naturschutz

Normenketten:
BayWaldG Art. 16 Abs. 1, Abs. 2
BayNatSchG Art. 2 Abs. 4, Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
BNatSchG § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2
Leitsätze:
1. Soweit in einem Bescheid verfügt ist, bei der Bepflanzung einen Abstand von 10 m zum nächsten Flurstück freizuhalten, genügt dies nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 37 Abs. 1 VwVfG, wenn nicht problemlos festgestellt werden kann, ab wo genau der Abstand gelten soll. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Christbäume unterfallen nicht dem Waldbegriff nach Art. 2 Abs. 4 BayWaldG, wohl aber dem Begriff der Aufforstung iSd Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayWaldG. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch die Anlage einer Christbaumkultur kann ein Eingriff in das Landschaftsbild nach § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegen, durch den das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt wird. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Vermeidungsgebot des § 15 Abs. 1 BNatSchGzielt nicht auf die Unterlassung des Vorhabens als solches, sondern allein auf die Modalitäten seiner Durchführung. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufforstung, Waldbegriff, Landschaftsplanung, Vermeidbarkeit eines Eingriffs in das Landschaftsbild, Rechtmäßigkeit von Auflagen, Christbäume, Wald, Landschaftsbild, Bestimmtheit, Naturschutz, Auflagen, Weihnachtsbaum
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 02.09.2024 – 19 ZB 24.464
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23882

Tenor

1. Die Auflage 2. a) des Bescheids vom 22.05.2023 wird aufgehoben, soweit angeordnet wurde, auf der Flurnummer … einen Abstand von 10 Metern zum Flurstück … bzw. … einzuhalten, der von einer Bepflanzung freizuhalten ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Am 23. Dezember 2022 stellte die Klägerin beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF), Außenstelle …, einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach Art. 16 Abs. 1 Bayerisches Waldgesetz -BayWaldGfür die Flurnummern …, …, … und … der Gemarkung … zur Aufforstung und Bewirtschaftung als Christbaumkultur.
2
Der Antrag wurde vom AELF an das Landratsamt …, das Wasserwirtschaftsamt …, den Markt … und weitere Stellen zur fachlichen Stellungnahme gesendet (vgl. Bl. 11 und 13 der Behördenakte). Zudem wurden die Nachbarn angehört (vgl. Bl. 72 der Behördenakte).
3
Der Fachbereich …, Umweltschutz, des Landratsamts … teilte mit, dass gegen diese Sondernutzung nach dem Waldgesetz keine naturschutzfachlichen Bedenken bestünden, wenn zur Südseite der linearen Hecken und Feldgehölze auf den Flurnummern … und …, Gemarkung …, eine Obstbaumreihe (Obstbaumhochstämme, Pflanzenabstand mindestens 10 m) angelegt werde.
4
Das Wasserwirtschaftsamt … teilte mit, dass der vorhandene Bewuchs am … Bach, einem Gewässer 3. Ordnung, zu erhalten sei, die Unterhaltungsmöglichkeiten zu gewährleisten seien und daher ein Pflanzenabstand zur Böschungsoberkante des Gewässers von mindestens 5 m vorzusehen sei. Im Falle einer notwendigen Einfriedung sei ein entsprechender Abstand von mindestens 4 m einzuhalten. Eine gleichlautende Stellungnahme gab das Landratsamt …, Fachbereich …, Wasserrecht, ab.
5
Der Markt … äußerte sich mit Schreiben vom 9. Februar 2023 dahingehend, dass gegen eine Erstaufforstung der Flurnummern … und … keine Einwände bestünden. Im nördlichen und östlichen Bereich der Flurnummer … sei eine nicht unbedeutende Fläche im Flächennutzungsplan des Marktes … mit einer besonderen Bedeutung für den Naturhaushalt ausgewiesen und somit von jeglicher Aufforstung freizuhalten. Die Flurnummer … solle aufgrund der Nähe zur Wohnbebauung und durch den erhöhten Wildwechsel von der Aufforstung freigehalten werden. Eine Einzäunung der Christbaumkultur würde das dort wechselnde Rotwild verdrängen. Als Träger der Planungshoheit lehne der Markt … die beantragten Erstaufforstung auf den Flurnummern … und … der Gemarkung … ab. Im östlichen Teilbereich der Flurnummer … und im nördlichen Teilbereich der Flurnummer … seien biotopkartierte Heckenstreifen vorhanden, die zu erhalten seien. Zudem verlaufe über die Flurnummer … im östlichen Bereich eine 20 kV-Freileitung des Stromnetzbetreibers.
6
Die Fachberatung für Fischerei des Bezirks … äußerte mit Schreiben vom 20. Januar 2023, dass die angrenzenden Weiher mit den Flurnummern …, …, … und … betroffen seien. Die Eigentümer hätten gegen die Aufforstung Einspruch erhoben. Die Eigentümer befürchteten eine Gefahr für ihren Fischbestand, insbesondere durch eine Beeinträchtigung der Wasserversorgung der Teiche. Es werde sich dafür ausgesprochen, den in beigefügter Karte (Bl. 63 der Behördenakte) markierten Teil nicht mit einer Christbaumkultur auszustatten, da selbst ein Abstand von 10 m zu den Teichen die Wasserqualität nicht garantieren könne. Zudem sei auf Flurnummer … ein Mindestabstand von 5 m zum … Bach zu wahren. Entsprechende Stellungnahmen der Eigentümer waren beigefügt und gingen dem Beklagten im Rahmen der Nachbaranhörung auch direkt zu.
7
Mit Schreiben vom 24. Februar 2023 äußerte sich der Netzbetreiber. Es wurde darauf hingewiesen, dass die im Lageplan eingezeichneten 20 kV-Kabel von einem anderen Unternehmen betrieben würden. Zudem wurden Hinweise erteilt und ein Merkblatt „Sicherheitshinweise für Arbeiten in der Nähe von Kabel-, Gas- und Freileitungen“ übermittelt. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass bei Anpflanzung innerhalb des Schutzzonenbereichs der Freileitung nur Christbäume mit einer maximalen Aufwuchshöhe von 3,5 m angepflanzt werden dürften, um den Mindestabstand zur Freileitung auf jeden Fall einzuhalten. Bei einer höheren Pflanzhöhe sei eine gesonderte Abstimmung erforderlich. Bäume oder Sträucher die in diesen Mindestabstandbereich hineinwachsen würden, müssten durch den Grundstückseigentümer entschädigungslos zurückgeschnitten oder entfernt werden bzw. auf Kosten des Grundstückseigentümers vom Leitungsbetreiber entfernt werden.
8
Weitere Bedenken wurden in den Stellungnahmen nicht geäußert.
9
Der Beklagte erstellte am 1. Juni 2023 eine zusammenfassende Würdigung sämtlicher eingegangener Stellungnahmen der Beteiligten (vgl. Bl. 113 f. der Behördenakte).
10
Mit Bescheid vom 22. Mai 2023 wurde der Klägerin die Erlaubnis zur Erstaufforstung erteilt (Ziffer 1.) und ein entsprechender Lageplan als Bestandteil des Bescheids beigefügt. Die Erlaubnis wurde unter Auflagen gestellt (Ziffer 2.). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 3.). Es wurden Gebühren und Auslagen erhoben (Ziffer 4.).
11
Die streitgegenständlichen Auflagen 2. a) bis c) lauten wie folgt:
„a) Auf der Flurnummer …, Gemarkung …, ist ein 10 m Abstand zum Flurstück … bzw. … einzuhalten, der von einer Bepflanzung freizuhalten ist.“
12
Außerdem ist im nördlichen und östlichen Bereich des Flurstücks der Landschaftsplan zu beachten, der eine Aufforstung verbietet, somit steht für die Anpflanzung nur eine begrenzte Fläche des Flurstücks …, Gemarkung …, zur Verfügung (siehe Veranschaulichung auf Lageplan; nicht maßstabsgetreu).
13
b) Auf der Flurnummer …, Gemarkung …, ist zur Südseite der linearen Hecken und Feldgehölze eine Obstbaumreihe (Obstbaumhochstämme, Pflanzabstand 10 m) anzulegen.
14
c) Auf der Flurnummer …, Gemarkung …, ist zur Südseite der linearen Hecken und Feldgehölze ebenfalls eine Obstbaumreihe (Obstbaumhochstämme, Pflanzabstand 10 m) anzulegen.
15
Mit bei Gericht am 28. Juni 2023 eingegangenen Schreiben erhob die Klägerin hiergegen „Widerspruch“ (Klage). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass einige Auflagen überzogen und zum Teil nicht rechtmäßig seien und der Bescheid daher zu korrigieren wäre.
16
Mit Schreiben vom 6. September 2023 wurde die Klage näher begründet. Es bestehe kein Einverständnis mit den Auflagen unter 2. a), 2. b) und 2. c) im streitgegenständlichen Bescheid.
17
Es handle sich bei der Pflanze der Klägerin um ein landwirtschaftliches Erzeugnis, weshalb nicht von einer Aufforstung gesprochen werden könne. Aufforstung sei Wald und dauerhaft. Ihr Produkt würde schon ab einer Höhe von 1 m geerntet und werde max. nicht höher wie Mais. Nach max. 10 Jahren würden der geringe Rest und die Stöcke eingefräst und mit einer Gründüngung eingesät. Danach werde der Acker wieder mit einer landwirtschaftlichen Pflanze bestellt. Letztendlich gehe es darum, dass der Talraum von einem Hochwald, der das Landschaftsbild durch seine Blockwirkung dauerhaft erheblich beeinflusse, verschont bleibe. Der Flächennutzungsplan sei für die Klägerin nicht von Bedeutung. Auch Art. 16 Abs. 2 BayWaldG greife nicht, da der Naturhaushalt erheblich aufgewertet werde. Nach Art. 2 Abs. 4 BayWaldG seien Weihnachtsbäume kein Wald, sondern landwirtschaftliche Kulturen.
18
Die geforderten Grenzabstände zu Flurstück … bzw. … seien maßlos übertrieben. Der Abstand zum Wasser sei im Westen 22 m und im Süden 32 m, zzgl. 5 m für Fahrgassen. Die Wasserflächen würden aus Liebhaberei betrieben und eine Fläche sei nicht bewirtschaftet. Zudem sei ein Teilbereich eingezäunt und mit einer erheblichen Zahl von Enten und Gänsen besetzt. Erhebliche Nachteile seien auf keinen Fall zu erwarten. Der Nachbar selbst habe auf dem Grundstück im Süden bis zu 15 m hohe Bäume stehen. Man solle sich am BGB orientieren, weil bei einer Pflanze mit maximal 2,5 m niemals eine erhebliche Beeinträchtigung entstehen könne.
19
Eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung nach guter fachlicher Praxis sei nicht als Eingriff anzusehen und widerspreche nicht den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Zudem müsse der Eingriff gemäß Gesetz erheblich sein. Da § 14 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG – aussage, dass es kein Eingriff sei, gebe es auch keine Rechtsgrundlage für die Auflagen. Auch nach Art. 4 Bayerisches Naturschutzgesetz – BayNatSchG – seien durch eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Bodennutzung nach guter fachlicher Praxis weder wesentliche, noch erhebliche Nachteile zu erwarten.
20
Der Beklagte nahm mit Schreiben vom 19. September 2023 hierzu Stellung:
21
Die Flurnummer … Gemarkung … sei im Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan der Gemeinde … teilweise als Tabufläche für Aufforstungen gekennzeichnet. „Aufforstung“ sei jede flächenhafte Saat oder Pflanzung von Waldbäumen. Diese Tatbestandsmerkmale träfen auf die beantragte Christbaumkultur zu. Zwar werde der Begriff „Aufforstung“ praktisch nur im Zusammenhang mit der Begründung von Wald im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayWaldG gebraucht, allerdings sei ganz klar das Ziel der Gemeinde …, dass jegliche flächenmäßige Anpflanzung von Waldbäumen auf den gekennzeichneten Flächen vermieden werden soll. Bei dem Plan handele es sich auch um einen Plan im Sinne des Art. 4 BayNatSchG, der rechtswirksam und hinreichend konkret sei. Es werde hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für den betreffenden Bereich Aufforstungen unerwünscht seien. Auch werde eine parzellenscharfe Darstellung vorgenommen.
22
Die fischereifachlichen Auflagen hätten die möglichen negativen Auswirkungen von Herbizid-, Insektizid- und Fungizidanwendungen auf die angrenzenden Teiche, vor allem bei Windabdrift, im Blick. Beim Mindestabstand von 10 m habe man sich an § 4a der Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel orientiert.
23
Die beantragte Anlage einer Christbaumkultur sei ein Wechsel der Nutzungsart, der nach § 14 BNatSchG genehmigungspflichtig sei. Die monotone großflächige Christbaumfläche mit einem Zaun an der Außengrenze unmittelbar an zu Naherholungszwecken dienenden Feldwegen stelle nach fachlicher Einschätzung des Beklagten in jedem Fall einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild nach § 14 Abs. 1 BNatSchG dar.
24
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll zur mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2024 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie die Behördenakte Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.

Entscheidungsgründe

I.
25
Die gegen die Auflagen 2. a), b) und c) im streitgegenständlichen Bescheid gerichtete zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
26
1. Die von der Klägerin beabsichtigte Christbaumkultur bedarf nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG der Erlaubnis. Nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG darf die Erlaubnis nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Landschaftsplanungen im Sinn des Art. 4 des BayNatSchG widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird, oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind.
27
2. Der in Auflage 2. a) verfügte Abstand von 10 m zum Flurstück … bzw. …, der von einer Bepflanzung freizuhalten ist, genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, und ist daher rechtswidrig.
28
Es geht weder aus der Formulierung selbst, noch aus der Begründung des Bescheids hervor, von welcher Grundstücksgrenze aus die Klägerin 10 m Abstand einhalten soll. Insbesondere durch die Wortwahl „bzw.“ ist der Abstand für die Klägerin nicht bestimmbar. Auch in der mündlichen Verhandlung zeigte sich, dass nicht problemlos festgestellt werden kann, ab wo genau der Abstand von 10 m gelten soll. Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, sich aus dem kleingedruckten Zusatz unter dem Lageplan „Abstand zu Flurnummer …: 10 Meter“, der dem Bescheid beigefügt wurde, den Abstand zu erschließen.
29
3. Das in Auflage 2. a) verfügte Verbot, eine Anpflanzung im Geltungsbereich des Landschaftsplans der Gemeinde … vorzunehmen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die betroffenen Flächen im Bescheid zu Recht von der Erlaubnis ausgenommen.
30
Die Auflage beruht auf der einer Aufforstung widersprechenden Landschaftsplanung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayNatSchG, vgl. Art. 16 Abs. 2 BayWaldG.
31
Im Flächennutzungsplan des Marktes … mit integriertem Landschaftsplan nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG ist auf dem Flurstück Nummer … im Norden und Osten ein Bereich markiert, der ausweislich der Legende „Flächen mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Landschaftsbild (von Bebauung, Auffüllung und Aufforstung freizuhalten)“ ausweist. Grundsätzlich ist das Grundstück gelb hinterlegt, was laut Legende „Fläche für Landwirtschaft“ bedeutet, wohingegen die grünen Flächen im Plan als „Fläche für Wald“ ausgewiesen sind.
32
Laut der Stellungnahme des Marktes … vom 9. Februar 2023 ist damit jegliche Aufforstung, auch die streitgegenständliche Anpflanzung von Christbäumen gemeint. Nach Aussage des Bürgermeisters des Marktes … gab es hierüber einen Gemeinderatsbeschluss. Aus rechtlicher Sicht kommt es auf einen solchen Gemeinderatsbeschluss mangels Außenwirkung nicht an, sondern auf die Festschreibung in der Landschaftsplanung zum damaligen Zeitpunkt.
33
Nach Auffassung des Gerichts bezieht sich die Freihaltung von Aufforstung innerhalb der beiden Flächen im Landschaftsplan nicht nur auf Wald, sondern auch auf die Anpflanzung von Christbäumen. Die Argumentation der Klagepartei, dass es sich nicht um eine Aufforstung, sondern eine landwirtschaftliche Nutzpflanze handle, verfängt nicht.
34
Zwar ist der Klagepartei zuzugeben, dass Christbäume nicht unter den Waldbegriff nach Art. 2 Abs. 4 BayWaldG fallen. Sie fallen aber sehr wohl unter den Begriff Aufforstung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG.
35
Mit der Regelung in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG sollte eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Aufforstungen nur insoweit erlaubnispflichtig sind, als sie die Begründung von Wald i.S.d. Art. 2 BayWaldG zum Ziel haben, bezüglich der Anlage von Christbaumkulturen geschaffen werden, da Christbaumkulturen, die in Feld und Flur gelegen sind, „nicht Wald im Sinne dieses Gesetzes“ (Art. 2 Abs. 4 BayWaldG) sind. Diese Regelung entsprang dem dringenden Bedürfnis, einer Umgehung der Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG entgegenzuwirken, da Christbaum- und Schmuckreisigkulturen genauso störend, u.U. sogar störender auf den Charakter einer Landschaft einwirken können als ein normaler Wald (vgl. hierzu Zerle-Hein, Forstrecht in Bayern, 26. Lfg., Stand: November 2021, Erl. 5 zu Art. 16 BayWaldG).
36
Der Markt … hat in dem Landschaftsplan die streitgegenständliche Fläche als von zur Aufforstung generell freizuhaltend ausgewiesen und wollte offenbar, dass der Landschaftsplan nicht zwischen Wald und Christbaumkulturen differenziert, sondern die in Art. 16 Abs. 1 BayWaldG enthaltene Normierung einer Aufforstung zugrunde legen. Wie ausgeführt, liegt der Gleichstellung der Anlage von Christbaumkulturen mit Wald i.S.d. Art. 2 BayWaldG hinsichtlich der Frage, inwieweit diese eine Aufforstung darstellt und damit der Erlaubnis unterliegt, der Umstand zugrunde, dass Christbaumkulturen eine mit Waldbäumen bestockte Fläche sind, die durch bloße Änderung der Nutzungsabsicht zu Wald werden können (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2005 -19 ZB 03.1214- beck-online).
37
Dass explizit auch Christbäume ausgenommen werden sollten, ergibt sich weiterhin aus der Angabe des Mitarbeiters des Marktes …, Herr …, bei seiner Vorsprache im Amt gegenüber dem Beklagten (vgl. Protokoll, Seite 3).
38
4. Die in Auflage 2. b) angeordnete Anlage einer Obstbaumreihe zur Südseite der linearen Hecken und Feldgehölze auf der Flurnummer …, Gemarkung …, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
39
Zunächst ist festzustellen, dass der Klägerin nach einer Besprechung mit dem Beklagten und den beteiligten Stellen bekannt ist, wo genau eine Anpflanzung vorzunehmen ist. Außerdem wurde der Klägerin freigestellt, auch andere Laubgehölze wie Heckensträucher oder Bäume zu pflanzen.
40
Die Auflage beruht auf Art. 16 Abs. 2 Alt. 2 BayWaldG. Durch die Anlage einer Christbaumkultur auf Flurstück … werden wesentliche Belange des Naturschutzes gefährdet. Durch die Aufforstung ergibt sich eine erhebliche nachteilige Veränderung des Charakters der Landschaft (vgl. Zerle-Hein, Forstrecht in Bayern, Erl. 11 zu Art. 16 BayWaldG).
41
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinn der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). Eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinn von § 14 Abs. 1 BNatSchG ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 – BVerwGE 154, 73; U.v. 27.9.1990 – 4 C 44.87 – BVerwGE 85, 348; BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 19 ZB 16.164 – juris Rn. 19). Die Beeinträchtigung ist erheblich, wenn die äußere Erscheinungsform der Landschaft nachteilig verändert wird, namentlich wenn das Vorhaben als Fremdkörper in Erscheinung tritt und einen negativ prägenden Einfluss auf das Landschaftsbild hat (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 1 CS 22.56 – beck-online Rn. 8). Die Beeinträchtigung muss ein beachtliches Gewicht haben und zumindest auf einige Zeit wirksam seien (vgl. BayVGH, U.v. 20.11.2007 – 1 N 05.2571 – juris Rn. 37).
42
So liegt der Fall hier. Der Beklagte, insbesondere die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts … hat in den schriftlichen Stellungnahmen und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Anlage der Christbaumkultur ein Eingriff in das Landschaftsbild nach § 14 Abs. 1 BNatschG vorliegt, durch den das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt wird.
43
Die zuvor mit biologischer Landwirtschaft bewirtschaftete Fläche hat das Landschaftsbild demnach geprägt. Nach fachlicher Einschätzung liegt durch die monotone Christbaumfläche, die zudem eingezäunt ist, ein Eingriff in das Landschaftsbild nach § 14 Abs. 1 BNatschG vor. Im Umfeld sind keine weiteren Christbaumkulturen vorhanden und in geringer Entfernung zu dem Grundstück beginnt die Neubausiedlung von … Die Bewohner des Ortes nutzen ebenso wie Patienten und Besucher des Kreiskrankenhauses das Gebiet zur Naherholung. Die Klagepartei hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass Christbäume mit ihrer Umzäunung dem Landschaftsbild aus Sicht des ästhetischen Empfindens eines neutralen Beobachters wesensfremd seien. Bestritten wurde aber die Erheblichkeit des Eingriffs.
44
Der Eingriff ist nach Einschätzung der Naturschutzfachkraft auch erheblich, da die Beeinträchtigung nach Art, Umfang und Schwere ein gewisses Gewicht hat, mithin nicht völlig unwesentlich bzw. geringfügig ist (vgl. Guckelberger in Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 14 Rn. 30). Für die Erheblichkeit ist auf die Monotonie, Gleichförmigkeit und insbesondere den Zaun abzustellen. Es kommt dabei nicht auf die Dauer in Jahren an, die die Christbäume voraussichtlich auf dem Grundstück verbleiben. Denn es ist schon nicht garantiert, dass die Pacht der Fläche nicht verlängert wird und tatsächlich alle Christbäume nach 10 Jahren geerntet oder anderweitig verarbeitet werden.
45
Zwar umfasst die Flurnummer … nicht – wie in der mündlichen Verhandlung angegeben – eine etwa 16 ha große Fläche, sondern ist 4,32 ha groß, zusammen mit den angrenzenden Flurstücken … von 4,51 ha und … mit 3,03 ha ergibt sich eine Fläche von 11,86 ha. Es kann jedoch bereits bei der Aufforstung relativ kleiner Flächen zur erheblichen nachteiligen Veränderung des Charakters einer Landschaft kommen (vgl. Zerle-Hein, Forstrecht in Bayern, Erl. 11 b) bb) zu Art. 16 BayWaldG).
46
Naturschutzfachliche Stellungnahmen der Fachbehörde sind von einem besonderen Sachverstand getragen und haben im Rahmen der Beweiswürdigung insofern ein besonderes Gewicht, als solche fachbehördlichen Aussagen auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Naturschutzfachliche Wertungen dürfen ohne weiteren Sachverständigenbeweis vom Gericht der Überzeugungsbildung zugrunde gelegt werden, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. BVerwG, U. v. 9.11.2012 – 9 A 17/11 – juris Rn. 145; BayVGH, B.v. 22.7.2015 – 15 ZB 14.1285 – juris). Die Notwendigkeit einer Abweichung von fachbehördlichen Wertungen und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängt, dass die fachliche Äußerung tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2017 -19 ZB 16.164- beck-online Rn. 32).
47
Das Gericht hat vorliegend keine Zweifel an der getroffenen Einschätzung der Naturschutzfachkraft, der die Klagepartei nicht substantiiert entgegengetreten ist. Grund hierfür sind die nachvollziehbaren und überzeugenden naturschutzfachlichen Ausführungen der Unteren Naturschutzbehörde als Teil der Kreisverwaltungsbehörde, der in Art. 42 Abs. 2 BayWaldG im Erlaubnisverfahren nach Art. 16 BayWaldG die Stellung eines Fachgutachters zugewiesen ist, in der Stellungnahme und der mündlichen Verhandlung (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.7.2012 – Au 3 K 11.1555 – juris Rn. 18).
48
Als Folge des erheblichen Eingriffs ist die Klägerin als Verursacherin nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Geht man vom Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG aus, zielt das Vermeidungsgebot nicht auf die Unterlassung des Vorhabens als solchem, sondern allein auf die Modalitäten seiner Durchführung ab (vgl. Guckelberger in Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 15 Rn. 26). Es ist zu prüfen, ob zumutbare Alternativen bestehen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG). Das Vermeidungsgebot zielt mithin auf die Minimierung der Eingriffsfolgen bei der Verwirklichung des Vorhabens ab. Dieses auch nach § 13 Satz 1 BNatSchG vorrangige Ziel der Vermeidbarkeit wurde vorliegend durch die Anordnung der Anlage einer Baumreihe realisiert.
49
Durch die Auflockerung des Landschaftsbilds durch die anzulegende Baumreihe ist nach Einschätzung der Fachkraft der Unteren Naturschutzbehörde kein erheblicher Eingriff mehr gegeben. Es kommt nicht mehr zu einer erheblichen nachteiligen Veränderung des Charakters der Landschaft, der nach § 15 Abs. 2 BNatSchG auszugleichen wäre. Auch sieht das Gericht hierin keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot (vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Gellermann, 102. EL September 2023, § 15 BNatSchG, Rn. 5)
50
Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahme der Klägerin nicht zumutbar ist, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Dass eine Entfernung der anzulegenden Obstbaumreihen bzw. Laubgehölze nach 10 Jahren notwendig und nicht mehr möglich wäre, ist im Entscheidungszeitpunkt von keinerlei objektiven Anhaltspunkten getragen. Es ist weder garantiert, dass der Pachtvertrag nicht verlängert wird, noch, dass der Entfernung der Laubgehölze in 10 Jahren naturschutzrechtliche Belange entgegenstünden.
51
5. Die in Auflage 2. c) angeordnete Anlage einer Obstbaumreihe zur Südseite der linearen Hecken und Feldgehölze auf der Flurnummer …, Gemarkung …, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
52
Die Auflage beruht auf der Gefährdung von wesentlichen Belangen des Naturschutzes, vgl. Art. 16 Abs. 2 Alt. 2 BayWaldG sowie die Ausführungen unter Ziffer 4. zu der gleichlautenden Auflage für die Flurnummer … Zwar beträgt die Fläche der Flurnummer … nur 4,69 ha und steht nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den anderen Aufforstungsflächen. Wie bereits dargestellt, genügen jedoch auch verhältnismäßig kleine Flächen, um von einer Beeinträchtigung auszugehen.
53
6. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Behörde muss im Rahmen einer Ermessenentscheidung darüber befinden, ob einem aus Art. 16 Abs. 1 BayWaldG folgenden Anspruch des Klägers die in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG aufgezählten Versagungsgründe entgegengehalten werden können, wobei die jeweiligen Ermessenserwägungen gerichtlich nur in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar sind. (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2015 – 19 ZB 13.2064 – beck-online Rn. 10).
54
Im streitgegenständlichen Bescheid wird das Interesse der Klägerin an der Genehmigung mit den entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Belangen abgewogen. Der Beklagte hat insgesamt nicht alle Einwendungen der beteiligten Stellen bzw. Nachbarn berücksichtigt, sondern den grundsätzlichen Anspruch der Klägerin nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG entsprechend gewichtet.
55
Die im Rahmen dieser Abwägung getroffenen Auflagen 2. a) bis c) sind – wie dargestellt – weit überwiegend nicht zu beanstanden. Denn die von der Klägerin vorgenommene bzw. beabsichtigte Erstaufforstung widerspricht teilweise der Landschaftsplanung im Sinne des Art. 4 BayNatSchG und beeinträchtigt wesentliche Belange des Naturschutzes. Die getroffene Abwägung des Beklagten zugunsten der Belange des Naturschutzes ist nicht zu beanstanden.
II.
56
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO wonach der weit überwiegend unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
III.
57
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.