Titel:
Keine Zweckentfremdung von Wohnraum bei Nutzung für Fremdenbeherbergung nicht länger als 8 Wochen pro Jahr; kein Unterschied zwischem privatem und gewerblichem Eigentümer
Normenketten:
BayZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 3, Art. 3 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Zweckentfremdung liegt nach Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS) nicht vor, wenn Wohnraum nicht länger als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird. (Rn. 25)
2. Dies gilt – in den Grenzen der Leerstandsregelung des Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS) – nicht nur für Privateigentümer, sondern auch für gewerbliche Eigentümer und Vermieter, die – ohne die Wohnung selbst zu bewohnen – diese übergangsweise bis zum endgültigen Bezug bis zu acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung anbieten. (Rn. 28)
3. Zwischen beiden Personengruppen bestehen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt wäre. Die Zielsetzung des Zweckentfremdungsrechts, Wohnraum zu erhalten, wird in beiden Fällen durch die zeitlich untergeordnete Vermietung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung nicht gefährdet. (Rn. 31)
Schlagworte:
Wohnnutzung, Fremdenbeherbergung, „Acht-Wochen-Regelung“, Leerstand, "Acht-Wochen-Regelung", Dauer, privater Eigentümer, gewerblicher Eigentümer, allgemeiner Gleichheitssatz, acht Wochen, Zweckentfremdung, Wohnraum, Wohnung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 25.06.2024 – M 8 S 24.2514
Fundstellen:
BayVBl 2025, 93
NJW 2024, 3738
BeckRS 2024, 23871
NZM 2025, 145
LSK 2024, 23871
KommJur 2024, 461
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juni 2024 – M 8 S 24.2514 – wird aufgehoben.
II. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2024, mit dem er unter Androhung eines Zwangsgeldes von jeweils 5.000,- EUR zur Beendigung der Nutzung der verfahrensgegenständlichen Wohnung zur Fremdenbeherbergung und zur Wiederzuführung zu Wohnzwecken aufgefordert wurde.
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1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens R.-Straße 4 in M., auf dem er ein Mehrfamilienhaus hat errichten lassen. Mit Bescheiden vom 21. August 2021 und 10. Januar 2024 wurde die Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten erteilt. Die streitbefangene Wohnung liegt im Dachgeschoss und ist vollständig möbliert.
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Seit September 2023 vermietet der Antragsteller die Wohnung – nebst weiteren Wohnungen im selben Haus – für kurzzeitige Aufenthalte insbesondere über die Plattformen „A.“ und „b.com“. Laut Buchungsübersichten betrug der Zeitraum der Vermietungen in den Jahren 2023 und 2024 jeweils weniger als acht Wochen.
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Am 23. Juni 2020 führte die Antragsgegnerin eine Ortsbesichtigung in der verfahrensgegenständlichen Wohnung durch. Der anwesende Antragsteller teilte dabei mit, dass die Wohnung derzeit nicht bewohnt werde. Um einen permanenten Leerstand zu vermeiden, würde die Wohnung meistens nur an Wochenenden kurzzeitig vermietet, da sich keine langfristigen Mieter fänden.
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2. Mit Bescheid vom 10. April 2024 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Nutzung der Wohnung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziffer 1) und den Wohnraum unverzüglich nach Beendigung der gewerblichen Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2). In Ziffer 3 und Ziffer 4 des Bescheids wurde für einen Verstoß gegen Ziffern 1 und 2 jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR angedroht. Es liege eine Zweckentfremdung vor, da der Wohnraum wiederholt und regelmäßig an Personen überlassen werde, welche sich lediglich vorübergehend u.a. zu touristischen Zwecken in M. aufhielten. Das Nutzungskonzept ziele ausschließlich darauf ab, häufig wechselnden Kurzzeitnutzern eine flexible vorübergehende Unterkunft zu bieten und keinesfalls eine Wohnung als Grundlage für eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller eine reguläre dauerhafte Wohnnutzung anstrebe. Durch diese, nicht nur vorübergehend durchgeführte jeweils kurzfristige Nutzung der zum dauerhaften Bewohnen geeigneten Räumlichkeiten werde die Inanspruchnahme des Wohnraumes durch den „regulären“ Wohnungsmarkt verhindert.
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3. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15. Mai 2024 erhob der Antragsteller Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2024 aufzuheben. Gleichzeitig beantragte er im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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Das Mehrfamilienhaus werde derzeit insgesamt noch fertiggestellt. Es seien noch die Fertigstellung der Außenanlage, der Bau der Tiefgarage, die Absturzsicherung an Balkon und Dachterrasse, die Installation der Strom-, Wasser-, und Gaszähler sowie der Klingelanlage vorzunehmen. In der streitgegenständlichen Wohnung fehle zudem noch die Beleuchtung in der Küche, im Esszimmer und im Flur. Eine langfristige Vermietung werde angestrebt, habe bisher jedoch aufgrund der noch andauernden Bauarbeiten und der damit verbundenen Lärmbelastung noch nicht erfolgen können. Sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahr 2024 habe die Gesamtvermietungszeit jeweils unter acht Wochen gelegen.
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Die Antragsgegnerin wandte dagegen ein, dass es auf die Acht-Wochen-Regelung nicht ankomme, da diese nur dann Anwendung finde, wenn der Wohnraum in der sonstigen Zeit zu Wohnzwecken genutzt werde. Dies sei hier aber unstreitig nicht der Fall.
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4. Mit Beschluss vom 25. Juni 2024 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag ab.
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Die streitgegenständliche Wohnung stelle geschützten Wohnraum im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 ZeS dar. Zweifel an der Eignung als Wohnraum bestünden nach summarischer Prüfung nicht. Die Wohnung werde zur Fremdbeherbergung genutzt und damit zweckentfremdet. Eine Zuordnung zu einem der Regelbeispiele gemäß Art. 1 Satz 2 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 ZeS sei nicht erforderlich. Aus dem Zusammenhang der Vorschriften gehe hervor, dass grundsätzlich jede Nutzung von Wohnraum für andere als Wohnzwecke eine Zweckentfremdung darstelle. Hier sei eine dauerhafte Umwandlung von geschütztem Wohnraum in eine gewerbliche Fremdenbeherbergung gegeben. Das Nutzungskonzept sei nach summarischer Prüfung ausschließlich auf eine Nutzung als Ferienwohnung ausgerichtet, wodurch der Wohnraum dem allgemeinen Wohnungsmarkt vorenthalten werde. Eine Wohnnutzung durch den Eigentümer oder Dritte habe seit Errichtung der Wohnung zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.
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5. Mit seiner Beschwerde vom 10. Juli 2024 verfolgt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage weiter.
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Die Wohnung sei im gesetzlich erlaubten zeitlichen Rahmen für Fremdbeherbergung genutzt worden. Da somit keine Zweckentfremdung vorliege, seien die Anordnungen der Antragsgegnerin rechtswidrig. Zwar könne eine Zweckentfremdung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZeS auch angenommen werden, wenn keines der Regelbeispiele des § 4 Abs. 1 Satz 2 Ziffern 1 bis 5 ZeS erfüllt sei. Jedoch sei in Art. 1 Satz 2 Ziffer 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 ZeS eine Regelung mit Indizwirkung getroffen worden, dass eine Zweckentfremdung dann vorliege, wenn Wohnraum mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt werde. Damit sei vom Gesetz- und Satzungsgeber im Umkehrschluss ein Zeitraum festgelegt worden, in welchem eine Fremdbeherbergung „erlaubt“ sei (Argumentum e contrario).
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Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juni 2024 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 10. April 2024 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und beantragt, diese zurückzuweisen. Zur Begründung verweist sie insbesondere auf die Gründe des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts München und die Antragserwiderung im erstinstanzlichen Verfahren.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
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Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juni 2024 hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO). Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch, weil sich weder die Antragsgegnerin noch das Verwaltungsgericht mit der Frage eines möglichen Leerstands der streitgegenständlichen Wohnung gemäß Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS befasst haben.
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1. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der streitgegenständlichen zweckentfremdungsrechtlichen Anordnungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2024 (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog; zu diesem Prüfungsmaßstab vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 95; Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2024, § 80 Rn. 126) insoweit, als dieser allein auf das Tatbestandsmerkmal der Fremdenbeherbergung gestützt wird.
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1.1 Rechtsgrundlage des Bescheids ist Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10. Dezember 2007, zuletzt geändert durch Änderungsgesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182) und § 13 Abs. 1 und 2 der Satzung der Landeshauptstadt M. über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 1. September 2021 (MüABl S. 495). Danach kann die Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung in angemessener Frist beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
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Wohnraum wird zweckentfremdet, wenn er anderen als Wohnzwecken zugeführt wird, Art. 1 Satz 1 ZwEWG und § 4 Abs. 1 Satz 1 ZeS. Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt nach Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS insbesondere dann vor, wenn Wohnraum insgesamt mehr als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird.
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1.2 Bei der streitgegenständlichen Wohnung handelt es sich um Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts, weil sie zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt und zudem auch bereits bezugsfertig ist, § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 ZeS. Das Verwaltungsgericht hat dies nach summarischer Prüfung zu Recht angenommen. Der Antragsteller stellt dies offensichtlich auch nicht mehr in Abrede, sondern geht von der „Bewohnbarkeit“ der Wohnung aus (vgl. S. 6 der Beschwerdebegründung vom 10. Juli 2024). Etwaige noch andauernde Bauarbeiten und eventueller Baulärm führen zu keiner anderen Beurteilung. Denn zum einen ist die Wohnung offensichtlich weit überwiegend fertiggestellt und vollständig möbliert und nur deshalb überhaupt schon einer kurzzeitigen Vermietung zugänglich. Zum anderen wären selbst die Bewohnbarkeit ausschließende Mängel wie etwa erhebliche Immissionsbelastungen zweckentfremdungsrechtlich unbeachtlich, wenn sie – wie vorliegend – nicht auf Dauer bestehen (vgl. BVerwG, B. v. 17.12.2001 – 5 B 15.01 – juris Rn. 5).
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1.3 Die bislang praktizierte kurzzeitige Vermietung der verfahrensgegenständlichen Wohnung erfüllt den Tatbestand der Fremdenbeherbergung.
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Fremdenbeherbergung im zweckentfremdungsrechtlichen Sinne bezeichnet die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunkts prägend. Es fehlt an einer „auf Dauer“ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus. Maßgeblich ist insoweit das jeweils zugrundeliegende Nutzungskonzept; eine bestimmte Mindest- oder Höchstaufenthaltsdauer kann insoweit nicht festgelegt werden (BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. 4).
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Eine solche Fremdenbeherbergung ist hier offensichtlich gegeben, da die Wohnung nach dem Vortrag des Antragstellers meist nur an Wochenenden kurzzeitig vermietet wird.
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1.4 Diese Vermietung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung ging weder im Jahre 2023 noch im laufenden Jahr über einen Zeitraum von acht Wochen hinaus. Sie stellt somit keine Zweckentfremdung nach Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS dar. Mithin bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Anordnungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. April 2024.
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Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs stellt die Regelung des Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG eine gesetzliche Festlegung einer Obergrenze dar, bis zu der das kurzzeitige Vermieten der Unterkunft an Touristen ohne Genehmigung nach dem Zweckentfremdungsrecht gestattet ist (LT-Drucks 17/15781, S. 5).
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Da das Regelbeispiel des Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZeS nicht erfüllt ist, ist nach dem Wortlaut der Regelungen und vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung folgerichtig davon auszugehen, dass bei einem Unterschreiten der Acht-Wochen-Grenze gerade kein Verstoß gegen das Zweckentfremdungsrecht gegeben ist. Auch in dieser Konstellation ist der materielle Regelungszweck des Zweckentfremdungsrechts allein durch die untergeordnete, kurzfristige Vermietung nicht berührt, weil es an einer dauerhaften Umwandlung von Wohnraum fehlt (vgl. BayVGH, B. v. 26. Juli 2021 – 12 B 21.913 – juris Rn. 19). Durch die zeitlich begrenzte, kurzfristige Vermietung als solche geht dem allgemeinen Wohnungsmarkt kein Wohnraum verloren, der ansonsten zum „Dauerwohnen“ zur Verfügung stünde.
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1.5 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Antragsgegnerin kann sich auch der Antragsteller als gewerblicher Eigentümer und Vermieter auf diese allgemeine Ausnahme vom Zweckentfremdungsverbot berufen. Soweit die Antragsgegnerin meint, auf die „Acht-Wochen-Regelung“ käme es nicht an, da diese nur Anwendung finden könne, wenn der Wohnraum in der sonstigen Zeit zu Wohnzwecken genutzt werde, findet diese Auffassung keine gesetzliche Grundlage.
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Der Wortlaut der einschlägigen Regelungen bietet keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung, und auch die Gesetzesbegründung lässt sich hierzu nicht ein. Eine über den Wortlaut hinausgehende einschränkende Auslegung ist im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) auch verfassungsrechtlich nicht haltbar.
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Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 [180]; 122, 210 [230]; stRspr). Er verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 [17]; 110, 412 [431]). Verboten ist daher insbesondere ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss (vgl. BVerfGE 93, 386 [396]; 105, 73 [110 ff., 133]; 110, 412 [431]), bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen jedoch vorenthalten bleibt, ohne dass sich ausreichende Gründe für eine solche Differenzierung finden lassen (vgl. BVerfGE 93, 386 [396 f.]; 112, 164 [174]; 116, 164 [180]; 124, 251 [265]). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt regelmäßig vor, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 1, 14 [52]; 89, 132 [141]; 105, 73 [110]) oder wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 93, 386 [397]; 105, 73 [110]; 107, 27 [45 f.]; 133, 377 [408]).
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Nach diesen Maßstäben erscheint eine Differenzierung zwischen dem privaten Eigentümer, der seine Wohnung selbst bewohnt und diese bis zu acht Wochen im Jahr an Touristen vermietet, und dem gewerblichen Eigentümer, der – ohne die Wohnung selbst zu bewohnen – diese übergangsweise bis zum endgültigen Bezug ebenfalls bis zu acht Wochen im Jahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung nutzt, sachlich nicht gerechtfertigt. Ein hinreichender Grund für die ungleiche Behandlung beider Personengruppen ist nicht erkennbar. In beiden Konstellationen führt die kurzfristige Vermietung nicht zu einer dauerhaften Umwandlung von Wohnraum. Auch der private Eigentümer ist mit der Vermietung an Touristen letztlich gewerblich tätig und erzielt somit entsprechende Einkünfte. Die Zielsetzung des Zweckentfremdungsrechts, Wohnraum zu erhalten, wird in beiden Fällen jedenfalls nicht durch die zeitlich untergeordnete Vermietung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung als solche gefährdet. Sofern Wohnraum in der restlichen Zeit des Jahres überhaupt nicht für dauerhaftes Wohnen genutzt wird, ist dies mithin keine Frage der „Acht-Wochen-Regelung“, sondern möglicherweise der Tatbestandsvariante des Leerstands nach Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG. Einer etwaigen Gefahr des Missbrauchs wird damit wirksam begegnet.
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2. Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben sich vorliegend nicht mit der Frage eines möglichen Leerstands der Wohnung gemäß Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS befasst. Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin und auch dem Vorbringen des Antragstellers selbst bestehen indes hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständliche Wohnung möglicherweise bereits länger als drei Monate leer steht.
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Ein langfristiger Mietvertrag wurde bislang nicht geschlossen; eine Wohnnutzung durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“ fand und findet in der Wohnung offensichtlich nicht statt. Bereits im September und Oktober 2023 wurde die Wohnung über „A.“ und „b.com“ vermietet. Im Oktober 2023 meldete der Antragsteller die Wohnung bei einem Makler an mit einem Mietzeitraum ab 1. Januar 2024. Im Januar 2024 bot der Antragsteller die Wohnung bei „Immoscout24“ zur Miete an. Ob insoweit ein Leerstand der Wohnung im zweckentfremdungsrechtlichen Sinne anzunehmen ist, wird durch die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht zu ermitteln sein. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist daher gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO aufzuheben und das Verfahren an das Verwaltungsgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung über den Eilantrag zurückzuverweisen. Sollte sich ergeben, dass ein Leerstand nicht vorliegt, wird die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. der streitgegenständliche Bescheid durch die Antragsgegnerin aufzuheben sein.
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3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
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Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5, Ziffer 56.6.3 und Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).