Inhalt

VGH München, Urteil v. 04.09.2024 – 8 B 24.979
Titel:

Sondernutzungsgebühr für eine Werbeanlage an einem Baugerüst

Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2, § 124a Abs. 6 S. 1, § 125 Abs. 1 S. 1
SoNuGebS München § 1 Abs. 1, Abs. 3, § 2 § 4 Abs. 1, Abs. 4, § 10 Abs. 1
BayStrWG Art. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 1, S. 2, Art. 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a, Art. 19, Art. 22, Art. 22a
FStrG § 1 Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
BayV Art. 118 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
Zur Erhebung einer Sondernutzungsgebühr nach der Sondernutzungsgebührensatzung der Landeshauptstadt München für eine Werbeanlage an einem Baugerüst, wenn sich die Werbeanlage teilweise unterhalb und teilweise oberhalb einer Höhe von sieben Meter über dem Straßenkörper befindet. (Rn. 12 – 48)
1. Die Nutzung der Straße durch das Anbringen einer Staubschutzplane mit einer Werbefläche an einem auf einem Gehweg aufgestellten Baugerüst ist Sondernutzung iSd  Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausschließlich mit der Begründung, der Luftraum über dem Straßenkörper werde zu kommerziellen Zwecken genutzt, kann jedenfalls auf der Grundlage des bayerischen Landesrechts eine (abstrakte) Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht angenommen werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach dem in München geltenden Kommunalrecht werden (Sondernutzungs-)Gebühren nicht erhoben, wenn sich die Sondernutzung in einer Höhe von mehr als 7 Meter über dem Straßenkörper befindet. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung (teilweise erfolgreich), Gebühr für Werbeanlage an Baugerüst, straßenrechtlicher Gemeingebrauch, straßenrechtliche Sondernutzung, Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs, öffentlich-rechtliche Sondernutzung, Sondernutzung nach bürgerlichem Recht, Gebührenbemessung, Ausschließungsinteresse des Grundstückseigentümers, Berufung, Gemeingebrauch, Sondernutzung, Werbefläche, Straßenrecht, Baugerüst, Werbeanlage
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 22.02.2024 – M 10 K 21.6540
Fundstelle:
BeckRS 2024, 23869

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. Februar 2024 – M 10 K 21.6540 – wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2021 (Az. KVR III/15BI Ost) wird dahingehend geändert, dass mit ihm eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 3.159,00 Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt 27 Prozent und die Beklagte 73 Prozent der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Für die Klägerin ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Sondernutzungsgebühr durch die Beklagte in Höhe von 11.700,00 Euro für das Anbringen einer Werbeanlage an einem Baugerüst.
2
Die Klägerin, ein im Bereich der Außenwerbung tätiges Unternehmen, brachte im Jahre 2021 an einem im Stadtgebiet der Beklagten (O-Straße 2) auf einem Bürgersteig aufgestellten Baugerüst eine Staubschutzplane mit einer 120 qm großen Werbefläche an. 32,4 qm der Werbefläche befanden sich unterhalb einer Höhe von 7 Meter über dem Gehweg, 87,6 qm oberhalb dieser Höhe.
3
Mit Bescheid vom 30. Juni 2021 setzte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 30. Juni 2021 eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von 11.700,00 Euro fest. Sie legte dabei die gesamte Werbefläche und eine Gebührenhöhe von 7,50 Euro je angefangenem Quadratmeter und pro angefangener Woche zugrunde.
4
Gegen den Bescheid vom 30. Juni 2021 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht München am 17. Dezember 2021 Klage erhoben. Bereits am 28. Juli 2021 hatte sie bei der Beklagten Widerspruch gegen den Bescheid erhoben, über den bislang nicht entschieden worden ist.
5
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2024 abgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus: § 10 Abs. 1 der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten (SoNuGebS), wonach Gebühren u.a. nicht erhoben werden, wenn sich die Sondernutzung in einer Höhe von mehr als 7 Meter über dem Straßenkörper befindet, verstoße nicht gegen Art. 22a BayStrWG i.V.m. § 905 Satz 2 BGB analog (Urteil Rn. 20). Eine Aufspaltung bei einem Werbeplakat in einen gebührenpflichtigen Teil unterhalb der 7 Meter-Grenze und einen gebührenfreien Teil oberhalb der 7 Meter-Grenze gebe der Wortlaut der Norm nicht her (a.a.O. Rn. 23). Die Satzung sei auch nicht im Hinblick auf die in Anlage I Nr. 40 gewählte Regelung, wonach die Gebühr „pro angefangener Woche“ berechnet werde, zu beanstanden (a.a.O. Rn. 27).
6
Der Senat hat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 12. Juni 2024 (8 ZB 24.445) wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen.
7
Die Klägerin hat die Berufung mit Schriftsatz vom 3. Juli 2024 begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: § 10 Abs. 1 SoNuGebS verstoße gegen höherrangiges Recht. Denn die Vorschrift führe, lege man die Auslegung des Verwaltungsgerichts zugrunde, nur dann zur Gebührenfreiheit, wenn ein Werbeplakat vollständig oberhalb von 7 Metern über dem Straßenkörper angebracht werde. Anlage I Nr. 40 sei nichtig, weil die Nummer für Werbung an Baugerüsten keine taggenaue Abrechnung der Sondernutzungsgebühren vorsehe.
8
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 3. Juli 2024 S. 1), unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 30.06.2021 (KVR III/15 BI Ost) aufzuheben;
- hilfsweise: – unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 30.06.2021 (KVR III/15 BI Ost) insoweit aufzuheben, als er Sondernutzungsgebühren für denjenigen Teil der Werbeplane der Klägerin festsetzt, der sich oberhalb von 7 m über dem Straßenkörper befunden hat.
9
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und beantragt (Schriftsatz vom 9. August 2024 S. 2),
die Berufung zurückzuweisen.
10
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23. August 2024, die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. August 2024 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstrands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
I.
13
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere aufgrund der Zulassung durch den Senat statthaft und die Klägerin hat sie innerhalb der Frist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründet.
II.
14
Die Berufung ist auch teilweise begründet. Auf die zulässige Klage der Klägerin ist der angegriffene Bescheid vom 30. Juni 2021 teilweise zu ändern (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO).
15
1. Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids sind im Wesentlichen § 1 Abs. 1, Abs. 3, § 2 und § 4 Abs. 1, Abs. 4 der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten in der Fassung, die in dem von dem Bescheid umfassten Zeitraum galt (SoNuGebS vom 25.6.2014 [MüAbl. S. 614], zuletzt geändert durch Satzungen vom 12.5.2021 [MüAbl. S. 294] bzw. vom 16.12.2020 [MüAbl. S. 760]), sowie Nr. 40 des der Satzung als Anlage I beigefügten Gebührenverzeichnisses.
16
a) Nach § 1 Abs. 1 SoNuGebS werden für Sondernutzungen auf öffentlichem Verkehrsgrund i.S. des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG nach der Sondernutzungsgebührensatzung Sondernutzungsgebühren erhoben. Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt München einschließlich der Sondernutzungen an „sonstigen öffentlichen Straßen“ i.S. des Art. 53 BayStrWG unterliegen dem öffentlichen Recht, auch wenn durch sie der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann, sofern sie eine Benutzung des Straßenraums über der Straßenoberfläche darstellen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 SoNuGebS).
17
Die Beklagte erhebt für die Ausübung der Sondernutzungen auf den in ihrer Straßenbaulast stehenden Straßen, Wegen und Plätzen mit ihren Bestandteilen i.S.v. Art. 2 BayStrWG, § 1 Abs. 4 FStrG Sondernutzungsgebühren (§ 2 SoNuGebS). Die Höhe der Gebühren wird bestimmt durch die Verkehrsbedeutung der Straßen, Wege und Plätze, in denen die Sondernutzung ausgeübt wird, durch den wirtschaftlichen Wert für den Benutzer, durch den Umfang, in dem der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann, und durch die Dauer der Sondernutzung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 SoNuGebS). Die Gebühren ergeben sich aus dem der Satzung als Anlage I beigefügten Gebührenverzeichnis (§ 4 Abs. 4 Satz 1 SoNuGebS).
18
Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses enthält einen Gebührentatbestand u.a. für Werbeanlagen an Baugerüsten. Pro angefangenem Quadratmeter Werbefläche und pro angefangener Woche fallen Gebühren in Höhe von 5,00 Euro an. Die Gebühren können sich abhängig vom Ort der Bauarbeiten um 50 Prozent erhöhen.
19
b) Rechtsgrundlage der Sondernutzungsgebührensatzung wiederum sind insbesondere Art. 18 Abs. 2a und Art. 22a BayStrWG.
20
Die Benutzung der Straßen im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr (Gemeingebrauch) ist jedermann gestattet (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG). Es ist kein Gemeingebrauch, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG). Die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG). Für Sondernutzungen können Sondernutzungsgebühren erhoben werden (Art. 18 Abs. 2a Satz 1 BayStrWG). U.a. die Gemeinden können durch Satzung die Erhebung und die Höhe der Sondernutzungsgebühren regeln, soweit ihnen die Sondernutzungsgebühren zustehen (Art. 18 Abs. 2a Satz 4 i.V.m. Satz 3 BayStrWG).
21
Die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus richtet sich nach bürgerlichem Recht, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann (Art. 22 Abs. 1 BayStrWG). U.a. die Gemeinden können die Sondernutzungen an Straßen oder Teilen davon in ihrer Baulast auch abweichend von den Art. 18, Art. 18a, Art. 19 und Art. 22 Abs. 1 BayStrWG durch Satzung regeln und an Stelle eines privaten Entgelts Gebühren erheben (Art. 22a Satz 1 BayStrWG). Art. 18a Abs. 2a Satz 4 und 5 BayStrWG gelten entsprechend (Art. 22a Satz 2 BayStrWG).
22
2. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. Juni 2021 hat die Klägerin nicht vorgetragen; solche sind auch nicht ersichtlich.
23
3. Der Bescheid vom 30. Juni 2021 ist nur teilweise materiell rechtmäßig.
24
a) aa) Die Nutzung der Straße durch das Anbringen einer Staubschutzplane mit einer Werbefläche an einem auf einem Gehweg aufgestellten Baugerüst ist nicht nur eine Sondernutzung i.S. der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten in Gestalt einer Werbeanlage an einem Baugerüst i.S. der Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses, sondern auch eine Sondernutzung i.S. des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes. Denn die Nutzung des Luftraums über dem Straßenkörper zu Werbezwecken ist eine Nutzung nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG).
25
bb) Bei Einordnung der hier in Rede stehenden Nutzung in die Kategorien von Sondernutzungen nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz handelt es sich bei ihr um eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht. Eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht unterscheidet sich von einer öffentlich-rechtlichen Sondernutzung nach dem eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (vgl. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG einerseits, Art. 22 BayStrWG andererseits) dadurch, dass durch sie der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die von der Beklagten daran im Schriftsatz vom 9. August 2024 geäußerten Zweifel sind nicht berechtigt.
26
Für die Annahme, dass der Gemeingebrauch i.S. des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG beeinträchtigt werden kann, genügt es zwar, dass eine abstrakte Beeinträchtigung der Ausübung des Gemeingebrauchs vorliegt (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand November 2012 EL 23, Art. 18 Rn. 15, auch OVG NRW, B.v. 16.12.2015 – 11 E 1160/15 – juris Rn. 3). Eine solche Beeinträchtigung liegt ohne Weiteres aufgrund des Aufstellens des Baugerüsts auf dem Gehweg (vgl. Art. 2 Nr. 1 Buchst. b BayStrWG) vor. Eine solche kann grundsätzlich auch bei einem Werbeplakat gegeben sein, das an einem Baugerüst angebracht ist, das seinerseits die öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch nimmt. Jedenfalls dann aber, wenn die Werbefläche in einer Höhe im Luftraum über dem Straßenkörper (vgl. Art. 2 Nr. 2 BayStrWG) – hier mehr als 4 m darüber – angebracht ist, dass sie den Verkehrsablauf auf dem Gehweg, auf dem das Gerüst aufgestellt ist, nicht behindern kann, kann eine solche nicht angenommen werden (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2015 – 11 E 1160/15 – juris Rn. 3; auch BayVGH, U.v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918 – NVwZ-RR 2007, 223 = juris Rn. 39 [keine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs bei in einer Höhe von mindestens 3 m über einem Gehweg angebrachten Balkonen]). Eine Behinderung des Verkehrsablaufs kann auch nicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass Passanten auf anderen Gehwegen, von denen aus die Werbefläche erfassbar ist, eventuell stehen bleiben, um sich das Plakat genauer anzuschauen. Durch dieses, in der Regel allenfalls wenige Sekunden andauernde Stehenbleiben wird der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, zumal Gehwege auch zum vorübergehenden Verweilen und Stehenbleiben benutzt werden dürfen.
27
Ausschließlich mit der Begründung, der Luftraum über dem Straßenkörper werde zu kommerziellen Zwecken genutzt, kann jedenfalls auf der Grundlage des bayerischen Landesrechts eine (abstrakte) Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs nicht angenommen werden.
28
Soweit sich die Beklagte auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Januar 2024 (2 L 1136/23.KO, juris) beruft, vermag dies ihren Standpunkt jedenfalls aus dem Grund nicht zu untermauern, dass sich dieser Beschluss mit Plakatwerbung an Schaltkästen der Telekom und damit mit Werbung befasst, die sich in einer deutlich niedrigeren Höhe als die vorliegend zu beurteilende befand. Im Übrigen vermengt das Verwaltungsgerichts möglicherweise die Fragen, ob eine Benutzung vom Gemeingebrauch umfasst ist, mit der Frage, ob sie den Gemeingebrauch beeinträchtigt.
29
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses nicht eine taggenaue Abrechnung, sondern eine Abrechnung „pro angefangener Woche“ vorsieht. Bei Bestimmung dieses Maßstabs hat die Beklagte ihr normatives Ermessen nicht überschritten, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV verstoßen.
30
Sondernutzungsgebühren werden für die Hinnahme einer den Gemeingebrauch übersteigenden Nutzung der öffentlichen Sache „Straße“ erhoben (vgl. nur BVerwG, B.v. 1.12.2023 – 9 B 19.23 – juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 14.3.2023 – 8 BV 21.1145 – juris Rn. 42; U.v. 9.11.1999 – 8 B 99.850 – NVwZ-RR 2000, 390 = juris Rn. 21). Für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren sind Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen (Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG).
31
Der Ausgestaltung des Gebührenrechts werden durch den Gleichheitssatz, dessen Ausfluss das Prinzip der Gebührengerechtigkeit ist, und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen. Der Normgeber, auch der kommunale Satzungsgeber, hat einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen und welche Gebührenmaßstäbe und -sätze er hierfür aufstellen will. Die Gebühr darf nicht in einem groben Missverhältnis zu der Leistung der Verwaltung stehen. In Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Normgebers kann nicht verlangt werden, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Vielmehr sind Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen zulässig, solange die dadurch entstehende Ungleichbehandlung noch einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 20.12.2023 – 9 BN 4.23 – juris Rn. 9).
32
Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten in Nr. 40 des Gebührenverzeichnisses nicht eine taggenaue Abrechnung, sondern eine Abrechnung pro angefangener Woche vorsieht, zumal es sich bei einer Woche um einen relativ kurzen Zeitraum handelt. Eine taggenaue Abrechnung wäre zwar zulässig, ist aber nicht zwingend.
33
Die Beklagte hat angegeben (Schriftsatz vom 9. August 2024 S. 5), sich bei der Festlegung der Sondernutzungsgebühren an Erfahrungswerten für die Dauer von Sondernutzungen orientiert zu haben. Damit hat sie einen sachgerechten Maßstab zugrunde gelegt.
34
Die Klägerin stellt nicht substantiiert in Frage, dass Werbeplakate an Baugerüsten in der Regel nicht nur für wenige Tage, sondern für mehrere Wochen oder – wie im vorliegenden Fall – gar mehrere Monate angebracht werden. Sie verweist vielmehr darauf, dass dies auch bei in den von Nr. 44.3 und 44.4 des Gebührenverzeichnisses erfassten Konstellation der Fall sei. Soweit sie in diesem Zusammenhang das Beispiel einer aufblasbaren Werbefigur auf einem Tankstellendach anführt (Berufungsbegründung S. 16), übersieht sie allerdings, dass ein solches Aufstellen jedenfalls in aller Regel keine Sondernutzung i.S. der Sondernutzungsgebührensatzung darstellt. Entsprechendes gilt für das von der Klägerin ebenfalls angeführte Beispiel einer Bemalung einer Giebelwand bzw. einer Lichtprojektion auf eine solche (vgl. Berufungsbegründung S. 17).
35
Die Beklagte verweist in ihrem Schriftsatz vom 9. August 2024 darauf, dass in den Konstellationen der Nr. 44.3 und 44.4 häufig die erforderliche Sondernutzungserlaubnis nicht eingeholt wird und, worauf bereits das Verwaltungsgericht abgestellt hat, die genannten Werbeeinrichtungen typischerweise auch leicht anbring- und entfernbar sind. Dies ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar, zumal nach seiner Erfahrung etwa Werbesegel oder aufblasbare Werbefiguren häufig nur während der Öffnungszeiten von Geschäften auf der öffentlichen Verkehrsfläche aufgestellt sind und für die Nachtzeit oder an Sonntagen, schon zur Vermeidung einer Sachbeschädigung, entfernt werden.
36
Darf die Beklagte davon ausgehen, dass Werbeplakate an Baugerüsten typischerweise zumindest mehrere Wochen angebracht sind, so darf sie dies auch bei Festlegung des Abrechnungsrhythmus zugrunde legen (vgl. Berufungsbegründung S. 15 unten). Ob dies auch zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung führt, mag dahingestellt bleiben. Der Senat unterstellt, dass die Beklagte die Anzahl der Tage bzw. angefangenen Wochen im EDV-Zeitalter nicht händisch unter Zuhilfenahme eines Kalenders ermittelt, sondern dies mithilfe eines geeigneten Programms erfolgt. Nicht nachzuvollziehen vermag er hingegen den Einwand der Klägerin, es müssten die Kalendertage ermittelt werden, an denen die Sondernutzung beginne und ende. Die Beklagte geht bei Ermittlung der angefangenen Wochen ersichtlich nicht davon aus, dass eine Woche an einem Montag beginnt. Ansonsten hätte sie im vorliegenden Fall 14, nicht nur 13 Wochen abrechnen müssen (im Jahr 2021 am 29.3., 5.4., 12.4., 19.4., 26.4, 3.5., 10.5., 17.5., 24.5., 31.5., 5.6., 12.6., 19.6. und 26.6. beginnende Wochen).
37
Im Übrigen dürften für die Gebührenschuldner ausgehend von der berechtigten Annahme, dass Werbeplakate an Baugerüsten typischerweise zumindest mehrere Wochen angebracht sind, etwaige Vorteile einer taggenauen Abrechnung in aller Regel auch nicht erheblich ins Gewicht fallen. Im vorliegenden Fall eines Abrechnungszeitraums von 91 Tagen und damit exakt 13 Wochen hätte die Klägerin von einer taggenauen Abrechnung keinen Vorteil. Auch für andere Fälle ist nicht ersichtlich, dass der Abrechnungsrhythmus zu einer übermäßigen Belastung der Gebührenschuldner führt.
38
c) Die Beklagte durfte allerdings nur eine Sondernutzungsgebühr erheben, soweit die Werbefläche unterhalb der 7 Meter-Grenze des § 10 Abs. 1 SoNuGebS angebracht war. Die Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Werbefläche teilweise oberhalb, teilweise unterhalb der Grenze befindet, eine differenzierende Betrachtung erforderlich ist, ist insbesondere durch die Entstehungsgeschichte sowie aus dem Grund geboten, dass anderenfalls von der Unwirksamkeit der Vorschrift auszugehen wäre.
39
aa) Nach § 10 Abs. 1 Alt. 1 SoNuGebS werden (Sondernutzungs-)Gebühren nicht erhoben, wenn sich die Sondernutzung in einer Höhe von mehr als 7 Meter über dem Straßenkörper befindet.
40
bb) Eine Regelung mit diesem Inhalt erließ die Beklagte erstmals in § 1 Nr. 11 der Satzung zur Änderung der Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der Landeshauptstadt München vom 19. März 2009 (MüAbl. S. 93). Der Satzung lag eine Beschlussvorlage des Kreisverwaltungsreferats zugrunde (vgl. elektronische Gerichtsakte [eGA] Stand 4.9.2024 Bl. 348). Darin heißt es, einzelne Vorschriften der bisherigen Sondernutzungsgebührensatzung seien vom Verwaltungsgerichtshof für ungültig erklärt worden und daher zu ändern. Beanstandet worden seien u.a. die nicht nach Anbringungshöhe differenzierten Gebühren für Gebäudeauslagen. Dem werde Rechnung getragen, indem für Sondernutzungen in einer Höhe von mehr als 7 m Gebühren nicht mehr erhoben werden.
41
In diesen Ausführungen wird Bezug genommen auf das Urteil des Senats vom 22. November 2006 (Az. 8 BV 05.1998 – NVwZ-RR 2007, 223 = juris). In diesem Urteil war eine Sondernutzungsgebühr zu beurteilen, die dafür erhoben wurde, dass Balkone und ein Vordach in den Luftraum über der öffentlichen Straße hineinragten. Diese Nutzung des Luftraums über der Straße für straßenfremde Zwecke erfüllte nach Auffassung des Senats nicht den Sondernutzungstatbestand nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG; das Hineinragen in den Luftraum über dem Gehweg einer Straße außerhalb des Verkehrsraums in einer Höhe von 3 m und mehr die Fußgänger und Kraftfahrzeuge nicht mehr behindere und den Gemeingebrauch nicht beeinträchtige (a.a.O. juris Rn. 39 [s. schon oben a) bb)). Der Senat hat die Nutzung vielmehr als eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht eingeordnet. Hinsichtlich der Erhebung einer Sondernutzungsgebühr für sie hat er u.a. ausgeführt: Nach Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG, der auch im Rahmen des Art. 22a BayStrWG Anwendung finde (vgl. Art. 22a Satz 2 BayStrWG), seien für die Bemessung der Sondernutzungsgebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen (a.a.O. juris Rn. 65). Wenn durch eine Sondernutzung nur der Luftraum über der Straße in Anspruch genommen werde, hingen Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch von der Höhe ab, in der die Einwirkung vorgenommen werden. Deshalb entspreche es grundsätzlich dem Äquivalenzprinzip, die Höhe der Sondernutzungsgebühr bei abnehmender Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch abzustufen und gegebenenfalls zu staffeln. Bei einer Sondernutzung nach bürgerlichem Recht setze schon das Gesetz in Art. 22 Abs. 1 BayStrWG voraus, dass durch die Benutzung der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werde (a.a.O. juris Rn. 66). An diesem Umstand ändere sich nichts dadurch, dass eine Gemeinde entsprechend der Ermächtigung des Art. 22a Satz 1 BayStrWG die Sondernutzung öffentlich-rechtlich regele und anstatt einer vertraglichen Vergütung eine satzungsmäßige Gebühr erhebe. Denn materiell handele es sich weiterhin um eine Sondernutzung nach bürgerlichem Recht i.S. des Art. 22 Abs. 1 BayStrWG, die nur in ein öffentlich-rechtliches Gewand gekleidet sei. Daraus folge, dass insoweit Art und Ausmaß der Einwirkung auf den Gemeingebrauch mit Null anzusetzen seien. Im Ergebnis nicht anders sei es in Fällen wie hier, in denen nur in den Luftraum, nicht aber in den Verkehrsraum über der Straße eingegriffen werde, mit dem Tatbestandsmerkmal von Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße. Mithin verbleibe bei Sondernutzungen der in Rede stehenden Art als Gebührenmaßstab des Art. 18 Abs. 2a Satz 5 BayStrWG nur das wirtschaftliches Interesse des Gebührenschuldners (a.a.O. juris Rn. 68). Allerdings gebe es auch für das Tatbestandsmerkmal des wirtschaftlichen Interesses des Gebührenschuldners eine Grenze, jenseits der eine Gemeinde bei der Bemessung der Sondergebühren nicht mehr darauf zurückgreifen dürfe (a.a.O. juris Rn. 69). Diese Grenze werde durch § 905 BGB genauso interessenbezogen markiert wie im Zivilrecht. § 905 Satz 2 BGB bestimme, dass der Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten könne, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen würden, dass er an der Ausschließung kein Interesse haben könne. Dieser Regelungsinhalt sei auf Sondernutzungen im Luftraum der Straße (Art. 2 Nr. 2 BayStrWG) entsprechend anwendbar. Das bedeute, dass die Gemeinde als Straßenbaubehörde Einwirkungen auf den Luftraum der Straße, die in so großer Höhe vorgenommen würden, dass sie an der Ausschließung kein Interesse haben könne, weder von einer Sondernutzungserlaubnis abhängig machen dürfe noch dafür Sondernutzungsgebühren erheben könne. Wo diese Grenze genau verlaufe, habe die Gemeinde als Normgeber im Rahmen ihres normativen Ermessens zu entscheiden. Anhaltspunkte dafür könne die Höhe sein, die Anlagen auf öffentlichen Straßen wie Masten von Straßenlampen, Oberleitungsmasten von Straßenbahnen oder Alleebäume maximal aufwiesen. Dabei könne sie auch noch deutliche Sicherheitszuschläge machen, um sich auf der sicheren Seite zu befinden. Wesentlich über dem so ermittelten Höhenmaß werde sich aber ein Interesse einer Gemeinde an der Regelung des Luftraums einer Straße nicht mehr rechtfertigen lassen.
42
cc) Die Beklagte hat das soeben angesprochene normative Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie die Grenze auf 7 Meter festgelegt hat. Damit hat sie auf der Grundlage des Urteils vom 22. November 2006 zugleich bestimmt, dass sie für „Einwirkungen auf den Luftraum der Straße“, die jenseits der Grenze erfolgen, keine Sondernutzungsgebühr erhebt, weil sie an der Ausschließung der Nutzung kein Interesse hat. Die Aufspaltung der Nutzung in einen gebührenpflichtigen und einen nicht gebührenpflichtigen Teil ist die zwangsläufige Konsequenz dieser normativen Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 9.8.2024 S. 3) ist also gerade die Aufspaltung interessengerecht.
43
Die Beklagte weist zwar der Sache nach zu Recht darauf hin (Schriftsatz vom 9.8.2024 S. 2), das Urteil vom 22. November 2006 sage nichts darüber aus, wo die Grenze exakt zu liegen habe. Die Beklagte wäre wohl auch nicht daran gehindert, ihr normatives Ermessen dahingehend auszuüben, dass die Grenze erhöht wird. Hat der Stadtrat der Beklagten aber einmal sein normatives Ermessen ausgeübt, so muss sich die Beklagte hieran festhalten lassen.
44
Nach Auffassung des Senats steht der Wortlaut des § 10 Abs. 1 SoNuGebS der auf eine Aufspaltung führenden Auslegung nicht entgegen. Auch in anderen gesetzlichen Regelungen wird eine Regelung, die Voraussetzungen in einem mit „wenn“ eingeleiteten Nebensatz aufstellt, ohne Weiteres so ausgelegt, als ob dort stünde „wenn und soweit“. So ist etwa nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung zuzulassen, „wenn“ einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Berufung gegen ein verwaltungsgerichtsgerichtliches Urteil auch nur teilweise zugelassen werden kann (vgl. jüngst BVerwG, B.v. 21.3.2024 – 2 B 43.23 – juris Rn. 11 m.w.N.).
45
Eine ausdrückliche Aussage im Normsetzungsverfahren, die einer Aufspaltung eine Absage erteilt, liegt ausweislich der dem Senat von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen im Übrigen nicht vor. Hingegen ist zu unterstellen, dass die Beklagte eine wirksame Regelung erlassen wollte, was eine Auslegung gebietet, bei der sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist (vgl. zur verfassungskonformen Auslegung etwa jüngst BVerfG, B.v. 9.4.2024 – 2 BvL 2/22 – NVwZ 2024, 1082 = juris Rn. 36).
III.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 154 Abs. 2 VwGO.
47
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
48
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.